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Full text of "Jus primae noctis : eine geschichtliche Untersuchung"

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JUS 

PRIMAE  NOCTIS. 


Eine  geschichtliche  Untersuchimg, 


Von 


Dr.  Karl  Schmidt, 

Oberlandesgei-iclit  srat  h    zu    Colmar    i.    E. 


Freibiirg  im  Breisgau. 

Herder'sche    Yerlagsliandlung. 
1881. 

Zweiguiederlassungen  in  Stnoishurtj,  Mitnclien  und  St.  Louis,  Mo. 


Das  Reclit  der  Uebevsetzung  in  frenide  Sprachen  wird  A'orbelialten. 


Buchdruckerei  der  Herder'sclien  Verlagsliaudluug  iu  Freiburg. 


V  0  r  r  e  d  e. 


JJie  vorliegende  Arbeit  will  die  Theorieen  und  Berichte 
iiber  das  jus  primae  noctis  (in  der  heute  allgemein  bekannten 
Bedeutung  dieses  Ausdrucks)  so  getreu  darstellen,  dass  sich  der 
Leser  liber  jede  einzelne  Frage  und  iiber  das  Gesammtergebniss 
der  Beweise  ein  eigenes  Urtheil  bilden  kann.  Bei  Aufsuchung 
der  Quellen  erhoben  sich  manche  Schwierigkeiten,  weil  in  vielen 
modernen  Schriften  fiir  die  aufgestellten  Behauptungen  entweder 
gar  keine,  oder  nur  ungenaue  oder  unrichtige  Citate  angegeben 
sind,  und  weil  die  Quellenwerke  sicli  zerstreut  an  verschiedenen 
Orten  befinden,  auch  zu  ihrem  Yerstandniss  eine  Kenntniss  zahl- 
reicher  Sprachen  und  Mundarten  erfordern.  Doch  liessen  sich 
diese  Hindernisse  dadurch  iiberwinden,  dass  Fachgelehrte  des  In- 
und  Auslandes  auf  besondere  Anfragen  bereitwMligst  die  nothige 
Auskunft  ertheilten.  In  wie  hohem  Grade  dadurch  die  Unter- 
suchung  gefordert  wurde,  erhellt  beispielsweise  aus  den  Kapiteln 
iiber  Palastina,  Babylon,  Indien,  Arabien  und  Spanien;  dort  und  an 
andern  Stellen  sind  die  speziellen  Mittlieilungen  von  Fachgelehrten, 
soweit  es  der  Raum  gestattete,  wortlich  mitgetheilt.  Dfeneben 
verdanke  ich  mehreren  Gelehrten  mannigfache  Fingerzeige,  die 
zur  Kntdeckung  und  zura  Verstandniss  dor  Quellen  fiihrten.  Allen 
diesen  Herren,  durch  deren  giitige  Mitwirkung  die  Durchfiihrung 
der  Arbeit  erleichtert  wurde,  erlaube  ich  mir  hiermit  den  warmsten 


IV  Vorrede. 

Dank  auszudriicken.  Besonders  habe  icli  dem  Herrn  Arcliivdirector 
Dr.  H.  Pfannenschmid  zu  Colmar  zu  danken,  dass  derselbe  mich 
nicht  nur  seit  Beginn  der  Untersuchung  zur  Ausdauer  ermuntert 
und  mit  dem  reichen  Schatz  seiner  gelehrten  Kenntnisse  zu 
manchen  Hauptquellen  hingeleitet,  sondern  auch  bei  der  ge- 
sammten  Correctur  unterstiitzt  hat. 

Es  wird  leicht  sein,  der  vorliegenden  Arbeit  erhebliche  Mangel 
vorzuwerfen.  Zunachst  wird  die  Schreibart  Manchem  als  trocken 
und  schwerfallig  erscheinen;  doch  erkliirt  sich  dies  dadurch,  dass 
ich,  um  die  Erkenntniss  der  Wahrheit  zu  fordern,  unter  Yer- 
meidung  polemischer  Erorterungen ,  jede  Behauptung  moderner 
Schriftsteller  einer  ernsten  und  niicliternen  Priifung  unterziehen 
zu  miissen  glaubte.  Ferner  wird  der  Leser  vielleicht  bei  Durch- 
sicht  des  Buchs  den  Eindruck  gewinnen ,  dass  fiir  einige  Fragen 
(z.  B.  iiber  Heirathsabgaben)  ein  iibermassig  reichliches  Material 
zusammengetragen  sei;  'doch  lasst  sich  hierauf  erwiedern,  dass 
mancher  Gesichtspunkt,  der  dem  Einen  als  minder  wichtig  er- 
scheint,  von  Andern  fiir  den  Schwerpunkt  der  ganzen  Unter- 
suchung  gehalten  wird,  und  dass  ein  Ueberraass  urkundlicher 
Nachweisungen  unschiidlich  ist,  da  der  Leser  die  Ausfuhrungen, 
die  ihm  entbehrlich  erscheinen,  iiberschkigen  kann.  Endlich  liegt 
in  der  Natur  der  Sache  Grund  zur  Besorgniss,  dass  mir  einige 
Quellen  der  Geschichte  uud  Sage  verborgen  geblieben  sein  mogen. 
Allein  auf  Grund  von  etwa  sechshundert  Druckvverken  mit  nahezu 
fiinfhundert  Urkunden ,  und  auf  Grund  der  Belehrungen  von 
dreissig  bis  vierzig  Fachgelehrten,  glaubte  ich  die  Arbeit,  wie  sie 
vorhegt,  schon  jetzt  veroffentlichen  zu  diirfen;  denn  die  Fiille 
des  benutzten  Materials  schien  eine  ausreichende  Gewahr  dafiir 
zu  bieten,  dass  eine  weitere  Forschung  schwerlich  zur  Erschiit- 
terung  des  Schlussergebnisses,  sondern  nur  zur  Berichtigung  von 
Einzelheiten  fiihren  wiirde.  Gleichwuhl  ist  die  moglichste  Auf- 
kliirung  nach  allen  Richtungen  wiinschenswerth;  daher  werde  icli 


Vorrcde.  V 

mit  gebiihrendem  Dank  jede  Mittheilung  cntgegennehmen,  die 
dazu  dienen  kann ,  Irrthiimer  zu  berichtigen  und  uber  die  an- 
geregten  Fragen  mehr  Licht  zu  verbreiten. 

An  alle  diejenigen  Gelehrten  der  Gegenwart,  deren  Lehren 
oder  Meinungen  beziiglich  des  jus  primae  noctis  hier  bekampft 
sind,  ergeht  die  dringende  Bitte  um  strenge  Priifung  der  beider- 
seitigen  Ansichten,  unter  Beriicksichtigung  der  in  diesem  Buch 
mitgetheilten  Quellen,  soweit  dieselben  ihnen  bisher  unbekannt 
waren.  Diese  Bitte  richtet  sich  namentlich  an  folgende  Herren, 
und  zwar  in  Deutschland  an  Professor  Dr.  Adolf  Bastian  zu 
Berlin,  Dr.  Jacob  Buchmann  zu  Breslau,  Professor  Dr.  Christian 
Adolph  Helfferich  zu  Schaffhausen  in  Wiirttemberg,  Dr.  Henne-Am 
Rhyn  zu  Gohlis  bei  Leipzig,  Landesrabbiner  Dr.  L.  Herzfeld  zu 
Braunschweig,  Dr.  Georg  Friedrich  Kolb  zu  Miinchen,  Dr.  Albert 
Hermann  Post  zu  Bremen,  Dr.  Wilhelm  Schaffner  zu  Frankfurt 
a.  M.  und  Professor  Dr.  Karl  Weinhold  zu  Breslau;  in  Oester- 
reich  an  Dr.  Adolph  Jellinek  und  M.  Kub'scher,  Beide  zu  AVien; 
in  Belgien  an  Professor  Dr.  Franz  Laurent  zu  Gent  und  Dr. 
Felix  Liebrecht  zu  Liittich ;  in  England  an  Dr.  James  Stephen 
(Professor  of  English  Law  at  King's  College);  in  Frankreich 
an  M.  Joseph  Eugene  Bonnemere  zu  Paris,  M.  Jules  Delpit 
(Membre  de  TAcademie  de  Bordeaux)  zu  Bordeaux,  Dr.  M.  A. 
L.  F.  Giraud-Teulon  (Membre  de  TAcademie  de  medecine)  zu  Paris, 
M.  Leon  de  Labessade  zu  Paris,  M.  Edouard  Rene  Lefebvre  Labou- 
laye  (Senateur  et  Membre  de  rinstitut)  zu  Paris,  M.  G.  Bascle  de 
Lagreze  (Conseiller  a  la  Cour  d'appel  de  Pau),  M.  G.  J.  B.  E. 
W.  Legouve  (Membre  de  Flnstitut)  zu  Paris,  M.  Jules  Pinard 
(Professeur  d'histoire  au  lycee  Condorcet)  zu  Paris  und  M.  Yictor 
Vallein  (Redacteur  en  chef  de  rindependant  du  departement  de 
la  Charente  Inferieure)  zu  Saintes;  in  Spanien  an  D.  Amalio 
Marichalar  Marques  de  Montesa  und  D.  Cayetano  Manrique  zu 
Madrid;   in    Italien   an  Professor  Dr.  Angelo  de  Gubernatis  zu 


yi  Vorrede 

Florenz;  in  der  Schweiz  an  Professor  Dr,  Joh.  Jac.  Bachofen 
zu  Basel  und  Professor  Dr.  Johannes  Scherr  zu  Ziirich.  Auch 
empfiehlt  sich  die  Beachtung  dieser  Untersuchung  fiir  die  Ge- 
lehrten,  denen  die  Fortsetzung  der  AYerke  von  Dalloz,  Littre  und 
Mozin-Peschier  obliegt ,  sowie  fiir  die  Redaktionen  derjenigen 
offentlichen  Bliitter,  in  denen  die  hier  bekampften  Ansichten  ver- 
theidigt  wurden.  Die  letztere  Bemerkung  bezieht  sich  namentlich 
in  Deutschland  auf  die  Allgemeine  Zeitung,  den  Deutschen  Mer- 
kur  (Organ  fiir  katholische  Keformbewegung),  die  Zeitschrift  fiir 
deutsche  Philologie,  Orient  und  Occident,  Im  neuen  Reich  und 
das  Archiv  fiir  Anthropologie ,  sowie  in  Frankreich  auf  das 
Journal  des  Debats,  Le  Siecle,  Le  Droit  (Journal  des  Tribunaux) 
und  die  Archives  Israelites. 

Das  auf  Seite  XIII— XLIII  mitgetheilte  Yerzeichniss  der 
benutzten  Biicher,  nebst  Xotizen  iiber  die  Lebenszeit  der  Yer- 
fasser,  wird  zur  Erleifchterung  der  Kritik  und  weiterer  Unter- 
suchungen  niitzlich  sein. 

Colmar  im  Elsass,  im  Juni  1881. 


Dr.  Karl  Schmidt. 


Iiihalt. 


/        .  Seite 

Vorrede iri 

Titel    der    benutzten    Bucher,    mit    Angaben    iiber    die    Lebenszeit    der 

Verfasser xm 


Erster  Absclinitt. 

Darstellung  und  Beurtheilung  der  modernen  Theorieen  iiber  das 
jus  primae  noctis. 


I.    Ei)ileitung .     Art  cler  Beweisfilhrung. 


A.  Behauptungen  moderner  Schriftsteller,  Kap.  1    . 

B.  Charakteristik  moderner  Beweisfiihrung,  Kap.  2 

C.  Etymologie,  Kap.  3 

D.  Geschichtliche  Notorietat,  Kap    4  .         .         . 

E.  Lebendige  Ueberlieferung,  Kap.  5        .         .         . 


//.    Theorieen   ilher   Wirlatng   des  jus  primae  noctis   im   Erhreclit, 
Kap.  6. 

1.  Vorzug  des  zweiten  Sohnes 24 

2.  Vorzug  des  jiingsten  Sohnes  (Minorate) .27 

3.  Vorzug  des  Schwestersohnes 32 


IIL    Theorieen   iiber   Ursprung   und   Entwicklung  des  jus  primae 

noctis. 


A.  Hetarismus  und  Hauptlingsrecht,  Kap.  7 

B.  Heidnisches  und  christliches  Priesterthum,  Kap.  8 

C.  Sklaverei  und  Feudalitat,  Kap.  9  .         .         . 

D.  Brutalitat  des  Mittelalters,  Kap.  10      .         .         . 

E.  Droit  de  cuissage  oder  jambage,  Kap.   11     . 

F.  Heirathsbeschrankung  der  Vasallen  und  Horigen,  Kap.   12 

G.  Heirathsabgaben  (im  Allgemcinen),  Kap.  13         .         .         . 


ym  Inlialt. 

Seite 

IV.    Heirathsabgaben  hi  den  einzelnen  europaischen  Lcmdern. 

A.  In  Grossbritannien : 

1.  Wales,  Kap.  14 68 

2.  Schottland.  Kap.  15 75 

3.  England,  Kap.  16 83 

4.  Irland,  Kap.  17 90 

B.  Heiratlisabgaben  in  Frankreich : 

1.  Normandie.  Kap.  18 91 

2.  Andere  Provinzen  Frankreichs,  Kap.   19 97 

C.  Heirathsabgaben  in  den  Niederlanden : 

1.  Belgien.  Kap.  20 103 

2.  Holland,  Kap.   21 108 

D.  Heirathsabgaben  in  De^itschland,  Kap.  22 113 

1.  Urkunden  iiber  Begriindung    und    Anerkennung    von    Heiraths- 

abgaben         .         .         .         .         .         .         .         .         .         .         .  113 

2.  Besondere  Namen  zur  Bezeichnung  von  Heirathsabgaben   .         .  125 

E.  Heirathsabgaben  in  Oesterreich-Ungarn,  Kap.  23      ...         .  137 

F.  Heirathsabgaben  in  Italien,  Kap.  24 138 

G.  Heirathsabgaben  in  Spanien,  Kap.  25          ......  139 

H.  Heirathsabgaben  an  Kameraden  des  Brautigams,  Kap.  26          .         .  140 

V.     Vorschri^^ten  Uber  die  Hochzeitsnacht. 

A.  Religiose  Vorschriften,  Kap.  27            .......  146 

B.  Staats-  und  privatrechtliche  Bestimmungen.  Kap.  28         .         .         .  158 


Zweiter  Abscliiiitt. 

Darstellung  und  Beurtheilung  der  einzelnen  Nachrichten  uber  das 
jus  primae  noctis. 

A.    Galt  das  jus  primae  noctis  ini  Alterthum? 

I.  A  s  i  e  n  : 

a.  Palastina  und  Babylon : 

1.  Eine  im  Talmud  erwahnte  Nachricht,  Kap.  29     .         .         .         163 

2.  Veranlassung  des  Aufstandes  der  Makkabaer.  Kap.  30         .         168 

b.  Arabien: 

1.  Verordnung  des  Konigs  Sharahbil  von  Saba,  Kap.  31  .  176 

2.  Untergang  der  Araberstiimme  Tasm  und  D.jedis,  Kap.  32   .         180 

II.  Africa:  Hcrodot's  Nachricht  iiber  die  Adyrmachiden,  Kap.  33      .         189 

III.  E  u  r  o  p  a  : 

a.  Griechenland :  Ein  Tyrann  von  Kephalonia.  Kap.  34  .         189 

b.  Romisches  Reich : 

1.  Herrschaft  der  SkLiven  zi;  Vohsinii.  Kap.  35        .         .         .         190 


Inhalt. 


2.  Ein  (lesetz  des  Kaisers  Caligula,  Kap.  36    .         .         .  .  191 

3.  Eine  Massregel  des  Kaisers  Maximin.  Kap.  .'57               .  .  192 
Nord-Europa: 

1.  Eine  Stelle  des  Rigsmal-Liedes,  Kap.  38      .          .          .  .  194 

2.  Eine  Nacliricht  von  Solinus  iiber  die  Hebriden,  Kap.  3!)     .  195 

3.  Ein  Gesetz  des  Konigs  Evenus  III.  von  Schottland,  Kap.  40  196 

4.  Veranlassung  der  Schlacht  von  Gabhra  in  Irland,    Kap.  41  206 


B.    Galt  das  jiis  primae  noctis  im  Mittelalier 


I.  I  n  d  i  e  n  : 


a.  Untergang  der  Stadt  Harapa,  Kap.  42 

b.  Recht  des  Konigs  von  Tsiampa,  Kap.  43 

c.  Buddha-Priester  in  Cambodja,  Kap.  44 

d.  Brahmanen  in  Ostindien,  Kap.  45 


II.  Russlan  d: 

Eine  Chronik  iiber  „das  Fiirstliclie".  Kap.  46  .  .  .  . 

III.  Deutschland  und  Schweiz: 

a.  Unbestimmte  Nachrichten  aus  Deutschland.  Kap.  47 

b.  Aufstand  gegen  die  Zwingherren  von  Ravenstein.  Kap.  48 

c.  Aufstand  gegen  die  Zwingherren  von  Vatz,  Kap.  49 

IV.  Oesterreich: 

Aufstand    gcgen    Gundobald    von    Pergine,    (Persen)    in    Siid-Tirol, 
Kap.  iyO 

V.  Italien  (Piemont) : 

a.  Privileg  des  Hauses  della  Rovere,  Kap.  51 

b.  Veranlassung  der  Griindung  von  Nizza  deUa  Paglia.  Kap.  52  . 

c.  Aufstand  gegen  die  Herren  von  Prelley  und  Parsanni.  Kap.  53 

VI.  Frankreich: 

a.  Gewolinheitsrechte : 

1.  Reclit  der  Kanoniker  zu  Lyon,  Kap.  54        .  .  . 

2.  Droit  de  braconnage  des  Herrn  von  Mareuil,  Kap.  55 

3.  Recht  der  Aebte    von  Mont-Saint-Michel    iiber    die  Bauern 
von  Verson,  Kap.  56       ......  . 

4.  Reclit  des  Grafen  Guido  von   Cliatillon  zu  Fere,  Kap.   57 

5.  Reclit  des  Herrn  von  Larivi^re-Bourdet,  Kap.  58 

6.  Die  alte  Coutume  von  Burgund,  Kap.  59      . 

7.  Der  „acte  de  repret"  in  der  Franche-Comte.  Kap.  60 

8.  Recht  in  dev  Gascogne,  Kap.  61    . 

b.  Gerichtliche  Entscheidungen : 

1.  Urtheil    des  Gross-Seneschalls   von  Guyenne    vom    13.  Jul 
1302.  Kap.  62 

2.  Prozess    der  Bischofe    von  Amiens    vor    dem  Parhiment    zi 
Paris,  Kap.  63 

3.  Prozess  des  Abts  von  Rebais  vor  dem  Parlament  zu  Paris 
Kap.  64 


212 
214 
214 
215 

221 

225 
228 
228 


230 

239 
239 
241 


244 
247 

2.50 
252 
253 
254 
255 
258 


259 
267 

282 


X  Iiihalt. 

Seite 

4.  Urthcil  des  Parlaments  zu  Bordeaux  voni  Jahr  146!^,  Kap.  65         282 

5.  Prozess  der  Lehnsberren  der  Auvergne.  Kap.  66  .         .         283 
c.   Kampfc  und  Aufstande  : 

1.  Historial  du  Jongleur.  Kap.  67 285 

2.  Aufstand    gegen  Richard  II.,    Herzog    der  Normandie,    und 
gegen  den  Grafen  Des  Vertus,  Kap.  G8         .         .         .         .         286 

3.  Aufstand    gegen    die  Abtei  Montauriol    und   Griindung    von 
:\Iontauban,  Kap.  69 288 

VII.  S  p  a  n  i  e  n  : 

a.  Catalonien :  Sohiedsurtheil  des  Konigs  Ferdinand  vom  21.  April 

1486,  Kap.   70 293 

b.  Navarra.  Aragon,  Castilien  und  Galicien.  Kap.   71       .  .  .  306 

VIII.  Canarische   Inseln.     Iliiuptlingsrccht,  Kap.   72       .  .  .         308 

C.    Galt  das  Jus  primae  noctis  in  der  Neiizeit  ? 

I.  A  s  i  e  n  : 

a.  Der  Chodscha  (Priester)  bei  den  Dusik-Kurden,  Kap.  73           .  309 

b.  Israeliten  und  Nestorianer  in  Kurdistan,  Kap.  74        .  .         .  311 

c.  Kouige  und  Brahmanen  in  Ostindien,  Kap.   75     .          .  .          .  312 

d.  Hiiuptlingsrecht  auf  den  Andamanen,  Kap.   70     .          .  .          .  323 

e.  Die  Orang-Sakai  auf  Malakka  und  die  Bewohncr  der  (Vstlichen 

Molukken.  Kap.  77* 324 

II.  E  u  ro  p  a: 

a.  Frankreicli : 

1.  Gewohnheitsrechte : 

c(.  Die  Coutumes    vom  Jahr   1507    aus    dem    Amt  Amiens, 

Kap.  78 325 

3.  Recht  des  Herrn  von  Lobier  in  Bearn,  Kap.  79    .         .  330 

y.  Recht  des  Herrn  von  Bizanos  in  Bearn,  Kap.  80  .         .  335 

0.  Recht  in  Bigorre,  Kap.  81 336 

2.  Gcrichtliche  Entscheidungen : 

a.  Prozess  eines  Pfarrers  vor  dem  Mctropolitangericht    zu 

Bourges,  Kap.  82 339 

,j.  Prozess  des  Klosters  Sanct-Stophan  zu  Nevers  vor  dem 

Parlament  von  Paris,  Kap.  83  ....  .  343 
y.  Prozess  iiber  Rechte  der  Herrcn  von  Souloire  vor  dem 

Parlament  zu  Paris,  Kap.  84  .....         346 

0.   Prozess  des  Grafen  von  ^lontvallat    vor  dem  Gcrichts- 

hof  der  Grands-Jours  von  Clermont,  Kap.  85         .         .         349 

b.  Italien : 

1.  Gesetz  des  Gro.ssherzogs  Cosmo  III.  von  Toscana  vom  Jahr 

1691,  Kap.  86 351 

2.  Gesetz  des  Konig.s  Ferdinand  IV.  bcider  Sicilien  vom  Jahr 

1785.  Kap.  87 351 

c.  Schweiz: 

Zwei  Weistliiimer  von   1538  und    1543.  Kap.  .'8        .  .  .         352 


Inhalt.  XI 


Seite 


d.  RussliiiKl: 

Ereignissc     des    achtzehutcn    und     neun/ehntoii    Jalirliunderts. 

Kap.  89 353 

III.  A  m  e  r  i  k  a  : 

a.  Droit  dc  cuissagc  in  Can.ida.  Kap.  90  .....  356 

b.  Caziken  und   Pajcs  in  :\Iittcl-  und  Siid-Amerika.  Kap.  91  .         357 

IV.  Anstralien: 

Die   Ulitaos  auf  den  Marianen,  Kap.  92    .         .         .         .         .         .         364 


Britter  Absclinitt. 

Riickblick   und   Ergebniss. 

A.  Riickblick,  Kap.  93 363 

I.  Berichte  iind  Sagen : 

1.  Nachrichten  iiber  Dctloration  der  Braute  durch  Priester  oder 
Hiiuptlinge 365 

2.  Sagen  iiber  Deflorirung  der  Briiutc  durch  Tyranncn    .         .         367 

3.  Eine  Sage  iiber  die  Fenier  Irlands 369 

4."  Sagen    der  Neuzeit   iiber   Entstehung    von  Heirathsabgaben         369 

5.  Sagen  der  Neuzeit   iiber  Aufstande  wegen    des   jus  primae 
noctis 371 

6.  Sagen  der   Neuzeit   iiber  Prozesse    wegen    des    jus    primae 
noctis  ...........         372 

7.  Sagen  der    Neuzeit    von    Urkunden    iiber    das    jus    primae 
noctis 372 

8.  Sagen  der   Neuzeit*iiber    herkommliche    Schandungsrechte 

des  Mittelalters        .........         373 

II.  Urkundenbeweise: 

1.  Gesetze 373 

2.  Urkunden  iiber  Gewohnheitsrechte 374 

3.  Gerichtliche  Entscheidungen  ......  376 

B.  Ergebniss,  Kap.  94 379 


Register. 

I.  Urkunden-Register 381 

II.  Namen-  und  Sachregistcr 383 

Berichtigungen  und  Naclitrage 397 


Titel  der  beiiiitzten  Biielier, 

mit    Aiii^aben   iiber    Lqbeiiszeit   der   Aerfassei 


Abulfaragius.     Abu'1  Farag  (gel).   1221,  st.  1286  oder  1305 J.     S.  Pocock. 
Abulfeda.     Abulfedae  historia  Anteislamica,    arabice ,    edidit ,    versione    latina, 

notis    et    indicibus    auxit    Henricus    Orthobius    Fleischer,    Lipsiae    1831. 

(Abulfeda  Ismael  fil.  Ali ,    fil.  Mahmudi,    fil.  Muhammedis,  fil.  Omari,  fil. 

Schahinschahi,  fil.  Jobi,  geb    1273,  st.  1332  oder  1347.) 
Academie  der  Wissenschaften.  bayerisclie,  s.  v.  Hormayr,  v.  Martius. 

—  franz(")sische,  s.  Berger  de  Xivrey,  Dict.  Acad.,  Lagreze  (1864),  Mem.  Acad., 
Mignet,  Sacy. 

—  osterreichische,  s.  Chabert  und  Wolf. 

—  russische,  s.  Melanges  Asiatiques  iind  Steinsclineider    (1867). 

AA.  SS.  Acta  Sanctorum  der  Boliandisten .  nach  den  Tagen  des  Kalenders 
geordnetj  insbes.  Acta  Sanctorum  Aprilis ,  coUecta,  digesta.  illustrata  a 
Godefrido  Henschenio  et  Daniele  Papebrochio  (geb.  1628,  st.  1714)  e  S.  J., 
Bd.  3,  Antverp.  1675 :  Acta  Sanctorum  Junii.  Bd.  2,  Antverp.  1698 :  Acta 
Sanctorum  Septembris,  Bd.  6,  Antverp.   1757. 

Acts  of  the  Parl.  of  Scotl,  The  acts  of  the  Parliaments  of  Scotland ,  printed 
by  command  of  Her  Majesty  Queen  Victoria,  in  pursuance  of  an  address 
of  the  House  of  Commons  of  Great  Britain,  vol.  I,  London  1854.  fol. 

Aeneas  Silvius.  Aeneas  Silvius,  episcopus  Senensis,  postea  Pius  Papa  II  (geb. 
1405.  st.  1464),  Historia  Rerum  Friderici  tertii  Imperatoris,  Argentorati 
1685. 

Albiruni.  Tlie  chronology  of  ancient  nations ,  an  cnglish  version  of  the  arabic 
text  of  the  Athar-ul-Bakiya  of  Albirfmi ,  or  „ve8tiges  of  the  past",  col- 
lected  and  reduced  to  writing  by  the  Author  in  A.  H.  390—1,  A.  D.  1000, 
translated  and  edited  by  Dr.  C  Edward  Sachau,  London  1879.  (Ab(i- 
Railian  ^luhammad  b.  Ahmad  Albiriini,  geb.  zu  Berfin .  einer  Yorstadt 
von  Khiwa,  am  4.  Sept.  973.  st.   11.  Dec.   1048) 

Allg.  Lit.  Anz.  Allgemeiner  Literarischer  Anzeiger,  oder  Annalen  der  ge- 
sammten  Literatur  u.  s.  \v. .  Bd.  2,  Leipzig.  Jahrg.  1797.  und  Bd.  5 
Jahrg    1800. 

AUibone.  S.  Austin  Allibone,  A  critical  Dictionary  of  English  Literature,  and 
British  and  American  Authors,  3  Bde  ,  Philadelphia  &  London  1859 — 1872. 

Alloury.     Louis  Alloury,  im  Journal  des  Debats  vom  2.  Mai  1854. 

Amans.     S.  Saint-Amans. 

Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841).  Ancient  laws  and  institutes  of  Wales; 
composing  laws  supposed  to  be  cnacted  by  Howel  the  Good,  modified  by 
subsequent  regulations  iinder  the  native  princes  prior  to  the  conquest  by 


XIV  Titel  der  beimtzten  Biicher. 

Edvvard  the  first  etc.  with  an  English  translation.    Printed  by  command  of 

His  iate  Majesty  King  William  IV,  London  1841.     Vgl.  Hoeli  Boni  leges. 
Anderson.     John  Anderson,  Enquiry  into  the  origin  of  the  Mercheta  Mulierura, 

a  letter  from  Edinburgh  13.  Dec.  1825,  in:  Archaeologia  Scotica  or  Trans- 

actions  of  the  Society  of  Antiquaries  of  Scothmd,  vol.  3,  Edinburgh  1831, 

S.  56—73. 
Andree.     Richard  Andree,  Allgemeiner  Handatlas  mit  erlauterndem  Text,  Biele- 

feld  und  Leipzig  1880. 
Anselm.     P.  Anselme  de  Sainte-Marie  (geb.  1625,   st.  1694),    Histoire   genea- 

logique    et    chronologique    de    la   maison   royale   de  France  etc. ,    tome  I. 

Hist.  des  mareschaux  de  France,  Paris   1712. 
Anz.  d.  Vorz.     Anzeiger  fiir  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  Neue  Folge.  Orgau 

des  germanischen  Museums,  Jahrg.  1859  (Bd.  6)  und  1861   (Bd.  8). 
Archaeologia.     Archaeologia,  or  miscellaneous  tracts  relating  to  Antiquity,  pub- 

li.<lied  by  the  Society  of  Antiquaries  of  London,  Bd.   12,  London   1809. 
Archaeol.  Journ.     The  Archaeological  Journal,  published  under  the  direction  of 

the  central  committee  of  the  Archaeological  Institute  of  Great  Britain  and 

Ireland.  Bd    12.  London  1855. 
Arch.  f.  Anthrop.     Archiv    fur   Anthropologie,    Zeitschrift    fiir   Naturgeschichte 

und  Urgeschichte    des  Menschen,    Organ    der    deutschen  Gesellschaft    fiir 

Anthropologie,    Ethnologie    und    Urgeschichte ,    11.  und  12.  Bd. ,    Braun- 

schweig  1879  und   1880. 
Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.     Archiv  fiir  Scliweizerische  Geschichte,  herausgegeben 

auf  Veranstaltung  der  allgemeinen  geschichtsforschenden  Gesellschaft   der 

Schweiz,  Bd.   11,  Zurich  'l8o6. 
Arch.  hist.  Gir.     Archives  historiques  du  departement  de  Gironde,  Bd.  4,  Paris 

et  Bordeaux  1863. 
Arch.  Israel.     Archives  Israelites,  Recueil  religieux,    moral  et  litteraire,    sous 

la  direction    de  M.  Samuel  Cahen    (gab.   4.  Aug.    1796,    st.  8.  Jan.  1862), 

Annee   1856,  tome   17,  Paris  1856. 
Arnold,  Chr.     Christoph  Arnold  (st.   1697),  Anmerkungen  zu :   Abraham  Boger, 

Offne  Thiir  zu  dem  verborgenen  Heydenthum,  aus  dem  Niederlandischen, 

Niirnberg   1663. 
Arnold,   W.     Wilhelm   Arnold    (Prof.    in   Basel) .   Zur    Geschichte    des    Eigen— 

thums  in  den  deutschen  Stadten,  mit  Urkunden,  Basel  1861. 
Arx.     Ildefons  v.  Arx  (geb.  1755,  st.  1833),  Geschichten  des  Cantons  St.  Gallen, 

St.  Gallen  1810  und   1811. 
Astle.     'I'homas  Astle  (geb.   1734.  st.   1803).    On  the  tenures,   customs  etc.    of 

his  manor  of  Great  Tey,    A  letter   read    in  the  Society  of  Antiquaries  of 

London,  may  22,  1794,  in  Archaeologia,  Bd.   12,  S.  25  ff. 
S.  Augustinus.     D.  Aurelii  Augustini  Hipponensis  episcopi  (geb.  13.   Nov.  354, 

st.  28.  Aug.  430)    ad  Marcellinum  de  civitate  Dei   contra    paganos    lib.  5, 

in  (ler  Ausg.  Basilcae  1512  in  fol. 
Automne.    Bernard  Automne  (geb.  1567,  st.  1666),  Commentaire  sur  les  coutumes 

generalles  de  La  ville   de  Bourdeaus  et  pays  Bourdelois.    Bourdeaus  1621. 
Auzannet.     Oeuvres  de  M.  Barthelemy  Auzannet  (geb.  1591,    st.  1673)    conte- 

nant  ses  notes  sur  la  coutume  de  Paris  etc,  Paris  1708. 
Bachofen.     Joh.  Jac.  Bachofen  ,   Das  IMutterrecht,    eine  Untersuchung  iiber  die 

Gynaikokratie  der  alten  Welt  nach  ihrer  religiosen  und  rechtlichen  Natur, 

Stuttgart  1861. 


Titel  der  honutzteii  Biicjier.  XV 

Badger  s.  unter  Yartlieinii. 

Balby.     Indiae  Oriontalis    pars  septima ,    Francof.   1006,    S.  43  —  126,    Naviga- 

tionis  ex  Aleppo    ad  regnum   Pegui  usque,    novem  continuis  annis    a  Ca- 

sparo  Balby    et  aliis  absolutae  descriptio      (Caspar    Balby    war    in  Indien 

von   1579—1588.) 
Baluz.  Lact.     Steph.  Baluzii  Tutelensis  (geb.  24.  Dec.  1()30.  st    28.  .Tuli   1718) 

notae  ad  Lactantium,  rec.  Bauldri,  Traj    1692. 

—  Reg.  Stepli.  Baluzii  Tutelensis  notae  ad  Ileginonem  im  Anhang  zu  der 
Ausg.  von  Regino    (s.  Regino). 

Barbier.     Ant.  Alex.  Barbier  (geb    11.  .lan.  17()5,  st.  5.  Dec.  1825),  Dictionnaire 

des  ouvi-ages  anonymes,  3"  ed.  Paris   1872  ff. 
Barbosa.     Colleccao    de  Noticias  para    a    historia  e  geografia    das  nag.oes  ultra- 

marinas  que  viven  nos  dominios  portuguezes.  ou  Uies  sao  visinhas,  publl- 

cada    de    la  Academia  real  das  sciencias,    tomo  II,    num.  VII,    Livro    de 

Duarte    Barbosa,    Lisboa  1813.     (Duarte  Barbosa,    st.    1.  Mai    1521  ,    war 

seit  1516  in  Indien.) 
Barthelemy.     Anatole    Jean    Bapt    Aiit.  de  Barthelemy  (geb.  1.  .Tuli  1821),    Le 

droit  du  seigneur,  in  der  Revue  des  questions  historiques.  vol.  I.  Paris  1866, 

S.  95—123. 
Bastian.     Adolph    Bastian    (geb.    26.  Juni    1826),    Die    Rechtsverhaltnisse    bei 

verschiedenen  Volkern  der  Erde,  Berlin  1872. 
Baureili.  Varietes  Bordeloises,  par  Tabbe  Baurein.    N.  ed.,  Bd.  3,  Bordeaux  1876. 
Bayle.     Pierre  Bayle  (geb.   1647,  st.   1706).  Dictionnaire  historique  et  critique 

(erschien  zuerst  1697),  cinquieme  edition,  Amsterdam  etc.  1740,  4  Bde. 
Beaumarcbais.     Pierre  Augustin  Caron    de   Beaumarchais    (geb.    24.  Jan.   1732, 

st.  19.  Mai  1799),  Le  Mariage  de  Figaro.  ou  la  Folle  Journee,  comedie  en 

cinq  actes  (in  vielen  Ausgaben). 
Beaumont.     The  works  of  Mr.  Francis  Beaumont  (st.  1615)  and  Mr.  John  Flet- 

cher  (geb.  1576,  st.  1625),  in  ten  volumes  by  Mr.  Theobald,  INIr.  Seward 

and  Mr.  Sympson,  Lond.  1750,  Bd.  2,  The  custom  of  the  Country  (von  1616). 
Beaurepaire.     Charles    de   Beaurepaire,    Charte    portant   abolition    du    droit    de 

.,culagiura"  dans  le  fief  de  Pierrecourt.  in  der  Bibliotheque  de  l'ecole  des 

chartes,  18^  annee,  4'^  serie,  tome  3,  Paris  1857,  S.  167,   168. 
Bened.  XIV.     Benedicti  Papae  XIV.  (Prosper  Lorenz  Lambertini,  geb.  31.  Miirz 

1675,  st.  3.  Mai  1758),    De  synodo  dioecesana,    Bd.  1,   Aug.  Vind.  1769. 
Benfey  (Ind.).     Theodor  Benfey    (geb.  23.  Jan.  1809),    Indien,    bei  Ersch  und 

Gruber,  Bd.  17,  Leipzig  1840. 

—  (Or.  u.  Occ.).  Theodor  Benfey,  Orient  und  Occident.  Viertcljahrsschrift, 
Gottingen. 

Benjamin.  Israel  Joseph  Benjamin  aus  Foltitscheny  in  der  Moldau,  Acht  Jahre 
in  Asien  und  Afrika,  von  1846  — 1855,  2.  Aufl.  Hannover  1858. 

Berger  de  Xivrey.  Rapport  fait  a  TAcademie  des  Inscriptions  et  Belles-Lettres, 
au  nom  de  la  Commission  des  Antiquites  de  la  France,  par  M.  Berger  de 
Xivrey,  lu  dans  la  seance  publique  annuelle  du  vendredi  18  aoiit  1854, 
Paris  1854,  in  4". 

Berliner.  A.  Berliner,  Bemerknngen  zur  hebraischen  Abtheilung,  im  Magazin 
fur  die  Wissenschaft  des  Judenthums  (herausgegeben  von  A.  Berliner 
und  D.  Hoffmann),  3.  Jahrg.,  Bertin  1876,  S.  218,  219  (mit  der  Jahres- 
zahl  1878  auf  dem  Titelblatt  der  liebrilischen  Beilage). 

Beronie.     NicoLns  Beronie  (geb.  1742,  st.  1820),  Dictionnaire  du  Patois  du  Bas- 


xviii  Titel  der  benutzten  Biicher. 

Brunet,  J.  Ch.     Jacques  Charles  Brunet.   Manuel    du  libraire    et    de    Tamateur 

de  livres.  5.  Aufi  .  Paris  1860—1864,  5  Bde.  nebst  Supi)l. 
Buchanan.     George  Buchanan  (geb.  1506,  st.  1581),  Rerum  Bcoticarum  Historia. 

Edimburgi  1583.  auch  Ausg.  Abredoniae  1762. 
Buchmann.     Jacob  Biichmann  (geb.  1807),  Die  unfreie  und  die  freie  Kirche  in 

ihren  Beziehungen    zur  Sklaverei,   zur  Glaubens-   und  Gewissenstyrannei 

und  zum  Damonismus,  Breslau  1873. 
Buhler.     The   Sacred  Laws  of  the  Aryas.    as    taught    in    the    schools   of  Apa- 

stamba,  Gautama.  Yasishta  and  Baudhayana.  translated  by  George  Biihler, 

part  r.    Apastamba  and  Gautama,  Oxford  1879  (bei  F.  Max  Miiller,  Bd.  2). 
Busching.     Anton  Friedrich  Biisching  (geb.  27.  Sept.  1724.    st.  28.  Mai  1793), 

Erdbeschreibiing,  dritter  und  vierter  Theil,  Hamburg  1759  und  1760. 
BuUet.     M.  Bullet,    Dictionnaire    celtique-francais .    in    den    Memoires    sur    la 

langue  celtique.  Dijon  1754,  Bd.  2  und  3. 
Burnes.     Sir  Alex.   Burnes    (geb.    16.  Mai  1805,    st.  zu  Kabul  im  Kov.   1S4I). 

Travels  into  Bokhara,  being  the  account   of  a  joiirney  from  India  to  Ca- 

bool,    Tartary  and  Persia,   also  narrative  of  a  voyage  on  the  Indus  from 

the  sea  to  Lahore ,    performed  under  the    orders    of  the  supreme  govern- 

ment  of  India,  in  the  years  1831,  1832  and  1833,  London  1834,  3  Bde. 
Buxtorf.     Johannis   Buxtorfi    patris    (geb.    25.  Dec.    1564  .    st.    13.  Sept.  1629) 

Synagoga  judaica.  4.  Aufl.,  Basileae  1680. 
Cadamosto.     Die  SchifFahrt  Aloysii  Cadamusti  zu  den  frembden  vnd  vnerfarnen 

Landen ,    zu  Anfang    des  Werks   von  Michael  Herr :   Die  New  Welt    der 

Landschaften  und  Insulen.  Strassburg   1534. 
Cahen.     S.  Arch.  Israel.  ' 

Calmet.     Dom  Augustin   Calmet  (geb.  26    Febr.   1672,  st.  20.  Oct.  1757),  Dic- 

tionnaire  historique  de  hi  Bible,  Bd.  3,  Paris  1730. 
Campell.     Ulrich    Campell    v.  Siiss    (st.    gegen    1582),    zwei    Biicher    Riitischer 

Geschichte.  deutscli  bearbeitet  von  Conradin  v.  Mohr,  Chur  185L 
Camus.     Armand  Gaston  Camus  (geb.  2.  April  1740,  st.  2.  Nov.  1802).  Lettres 

sur  la  profession  d'Avocat,  et  bibliotheque  choisie  des  livres  de  droit  (zu- 

erst  1772 — 1777  erschieneu),  4^  ed.,  par  M.  Dupin,  Paris  1818,  2  Bde. 
Cantu.     Casar  Cantu  (geb.  5.  Sept.  1805.  st.  1881),  Weltgeschichte :  nach  der 

7.  Aufl.  deutsch  bearbeitet  von  Mor.  Briihl ,  Mittelalter  Bd.  2  und  Bd.  4, 

Schaff^hausen  1854. 
Carli.     Briefe    aus    Amerika,    aus    dem    Italienischen    dcs    Grafen    Carlo    Carli 

(geb.  11.  April  1720,  st.  22.  Febr.  1795)  iibersetzt  von  Christian  Gottfried 

Heiniit/,  erster  Theil,  Gera  1785. 
Carpentier.    Dom  Pierre  Carpentier  (geb.  2.  Febr.  1697.  st.  19.  Dec.  1767),  Gh)ssa- 

riuni  novum  ad  scriptores  medii  aevi.  cum  latinos  tum  gallicos,  seu  Supple- 

mentum  ad  auctiorem  Glossarii  Cangiani  editionem,  Parisii3l766,  in  4  Bdn. 
Casalis.     GofTredo    Casalis.  Dizionario  Geografico  storico-statistico-commerciale 

degli    stati    di    S.  M.    il    Re    di    Sardegna .    Band    14  und   15    (Buchst.  P), 

Torino   1846  und  1847. 
Cassany-Mazet.     Auguste    Cassany-Mazet ,    Annales    de    Yilleneuve-sur-Lot   et 

(le  son  arrondissement,  Agen  1846. 
Cathala-Coture.     Histoire    du  Querci.    par    M.    de    Cathah\-Coture    (geb.   1632, 

st.  1724).  tome  I.,  Montauban  et  Paris  1785. 
Caussin  de  Perceval.     Armand  Pierre  Caussin  de  Perceval  (geb.  1795.  st.  15.  Jan. 

1871),  Essai  sur  Thistoire  des  Arabes ,  tome  I,  Paris  1S45. 


Titel  dor  l)eiuitzt('n   liiichcr.  XIX 

Chabert.     August    Chabert ,    Bruchstiicke    einer    Staats-    und    Rechtsgescliichte 

der  deutscli-osterreichischen  Liinder,  in  den  Denksclirilten  der  k.  k.  Aka- 

deinie  der  Wissenschaften ,  Philos.  historische  Klasse,  Bd.  4,   Wien  1853. 
Chalmers.     George    Chalmers    (geb    1742,    st.  1825),    Caledonia,  or  an  account 

historical  and  topographic  of  North-Britain,  from  the  most  ancieut  to  the 

present   times,    with  a  Dictionary  of  jjlaces,    chorographical    and  philolo- 

gical,  Bd.  I,  London  1807. 
Chardon.     Charles    oder    Claudius    Chardon    (Benedictiner    seit   1712),  llistoire 

des  Sacremens,  tome  VI,  Paris  1744. 
Charondas.     Louis    Charondas-le-Caron    (geb.    1536.    st.    1617),    Responses    et 

d^cisions  du  droit  fran^ais .    confirniees    par  arrests    des  cours  souveraines 

de  ce  Royaume  et  autres.  Paris   1637,  fol. 
Chateaubriand.     Francois     Auguste     Rene     Vicomte     de     Chateaubriand    (geb. 

4.  ^^ept    1769.  st.  4   Juli  1848),  Analyse  raisonnee  de  rhistoire  de  France. 

in  den  Oeuvres  completes,  tnme  V  bis,  Paris   1831. 
Chaudruc.     S.  Crazannes. 
Ghoppin.     Renati    Choppini    (geb.    1537)    I)e    Legibus    Andium     municipalibus 

lil)ri  III.  Parisiis  1600. 
Chwolsohn.     Daniel    Chwolsohn    (geb.    10.    Dec.    1820),    die    Shabier   und    der 

Shabismus,  Bd.   1,  Petersburg  1856. 
Cibrario.     Louis  Cibrario  (Luigi  Cibrario  geb.  23.  Febr.  1802,  st.  1.  Oct.  1870). 

Economie  politique  du  moyen-age,  trad.  par  M.  Barneaud.  Paris  1859. 
Coke.     Sir  Edward  Coke  (geb.  um   1551.  st.  3.  Sept.   1632),    The  Institutes  of 

the  Laws  of  England,  or  a  conimentary  upon  Littleton,  the  forth  edition, 

London  1639. 
Colebrooke.     Henry  Thomas  Colebrooke  (geb.   15.  Juni  1765.  st.  10.  IMiirz  1837), 

Miscellaneous  Essays,  vol.  I,  London  1837. 
CoU.  ant.     CoUectio  antiqua  canonum  poenitentialium  (von  einem  unbekannten 

Verfasser  des  achten  Jahrhunderts),  in :  Spicilegium  sive  Collectio  veterum 

aliquot  scriptorum,  toni.  I,  Paris  1723. 
Collin  de  Plancy.     Jacques  Albin  Simon  Collin  (geb.  zu  Plancy  28.  Jan.   1793), 

Dictionnaire  feodal,  seconde  edition,  Paris   1820,  2  Bde. 
Constantin.     Recueil    des   voyages  qui  ont  servi  a  retablissement  et  aux  pro- 

gres    de    la  Ctopagnie    des    Indes    orientales,    formee    dans  les  provinces 

unies  des  Pays-bas,  Bd.  2,  Amsterdam  1703. 
Const.  Cath.     Constitutions    y    altres    drets  de  Catlialunya,  compilats  en  virtut 

del  cap.  de  Cort  XXIIII  de  las  Corts    per  la  S.  C.  y  Reyal  Majestat  del 

Rey  Don  Philip  nostre  senyor,  celebrados  en  la  vila  de  Mont.so  any  1585. 

Vohim  primer.     En  Barcelona  Any  1588.     (Vgl.  unten  Pragmat.  Drets.) 
Coquille.     M.  Guy  Coquille  (geb.  11.  Nov.  1523,  st.  11.  Miirz  1603),  Les  Cou- 

stumes  du  pays  et  duche  de  Nivernois,  Paris  1625. 
Coreal.     Voyages    de    Frangois    Coreal    aux   Indes    Occidentales,   contenant  ce 

qu'il  y  a  vu  de  plus  remarquable  pendant  son  sejour  depuis  1666  jusqu"en 

1697,  nouv.  ed.,  Paris  1722. 
Corner.     George  R.  Corner,  On  the  custom  of  Borougb  English,  as  existing  in 

the  County  of  Sussex,  London  1853. 
Courson.     Aur^lien  de  Courson   (geb.  25.  Dec.   1811).    Cartulaire    de    TAbbaye 

de  Redon  en  Bretagne,  Paris  l^^^" 
Coutant.     Lucien  Coutant,   Hist.  de   la  ville  et  de  Tancien  comte  de  Bar-sur- 

Seine,  B-ir-sur-Seine  1854. 

b* 


XX  Tltel  der  beniitzten  Bucher. 

Cout.  de  Norm.     Coutume  du  pays  et  duche  de  Normandie,  Ausg.  Rouen  1732. 
Cowell.     John  Cowell  (geb.  1554,  st.  1611),  Institutiones  juris  Anglicani,  Can- 

tabrigiae  1605. 
Craig.     Sir  Thomas  Craig  (geb    1548,  st.  1608).  Jus  feudale,  Ausg.  von  James 

«ailli,  Edinburgi   1732. 
Crazannes.     Baron  Chaudruc  de  Crazannes  (geb.  21.  Juli  1782),  Observations  sur 

le  droit  de  monnoyage  des  Abbes  de  Montauriol,  in  der  Revue  Xumismatique; 

publi^e  par  E.  Cartier  et   L.  de  Saussaye,  Annee  1853,  S.   140—146. 
Crecelius.     Zeitschrift   des    Bergischen    Geschichtsvereins.    herausgegeben    von 

Wilhelm  Crecelius,  Bonn,  Bd.  7  (1871)  und  Bd.   16  (1881). 
Crome.     August    Friedrich    Wilhelm    Crome    (geb.    6.  Aug.   1753.    st.  11.  Juni 

1833),  Die  Staatsverwaltung    von  Toscana    unter  der  Regierung  S.  K.  ^l. 

Leopold  II.,  aus  dem  Italienischen ,  3  Bande,  Leipzig  1795  und  1797. 
Qurita.     Geronymo    Curita   (geb.    4.    Dec.    1512.   st.  31.  Oct.  1581),  Los  cinc» 

libros  postreros  de  la  segunda  parte  de  los  Anales  de  la  Corona  de  Ara- 

gon ,  tomo  quarto ,  Carago^a  1610. 
Daire.     Louis  FrauQois  Daire    (geb.  6.  Juli   1713,  .«st.  18.  jNIarz   1792),    Histoire 

de  la  ville  d'Amiens ,  Paris  1757,  2  vol.  in  4". 
Dalloz,    Dict.     Pierre  Armand  Dalloz  (st.  im  Juni  1857),   Dictionnaire  g^n^ral 

de  legislation,  de  doctrine  et  de  jurisprudence,  Bd.  1,  Paris  1835. 

—  Rep.  Yictor  Alexis  Desire  Dalloz  (geb.  12.  Aug.  1795,  st.  12.  Jan.  1869),^ 
unter  Mitwirkung  seines  Bruders  Armand  Dalloz.  Repertoire  de  legislation. 
de  doctrine  et  de  jurisprudence,  Bd.  1  (1870),  Bd.  3  (1846j,  Bd.  38  (1857). 

Dalrymple.     Sir    David    Dalrymple    Lord  Hailes    (geb.  1726,  st.  1792),  Annals^ 

iif  Scotland,  Bd.  1,  Edinburgh  1776,  insbes.  Appendix  Nr.  1 ,    Of  the  law 

of  Evenus  and  the  Mercheta  mulierum  (in  der  Ausg.  v.  1797  vol    3). 
Danz.     Wilh.  Aug.   Friedr.  Danz  (geb.  3.  Miirz  1764,  st.   14.  Dec.  1803),  Hand- 

buch    des    heutigen    deutschen    Privatrechts    nach    dem  System  des  Herrn 

Hofraths  Runde ,  Schweinfurt  1801. 
Day.     Francis  Day,  The  land    of  the    Permauls.    or    Cochin,    its  past  and  its 

present ,  Madras  1863. 
Delisle.     Leopold  Delisle  (geb.  24.  Oct.  1826),    Etudes   sur    la  condition  de    la 

classe   agricole    et   Tetat    de    l"agriculture    en    Normandie    au    iuoyen   age. 

Evreux   185L 
Delius.     Nikolaus  Delius  (geb.   1813),  Shakespeare"s  AVerke ,    3.  Aufl. ,  Elber- 

feld  1872. 
Delpit.     Jules   Delpit   (Membre   de    TAcademie    de   Bordeaux) ,    Reponse    d"un 

Campagnard  a  un  Parisien ,    ou  r^futation  du  livre  de  M.  Veuillot  sur  le- 

droit  du  seigneur,   Paris   1857. 

—  1873.  Jules  Delpit,  le  droit  du  seigneur,  rppli(|ue  d'an  Campagnard  a 
un  Parisien  ou  seconde  reponse  a  Monsieur  Louis  Veuillot,  Bordeaux  1873- 

Delpit,  M.  et  J.  Martial  et  Jules  Delpit,  Notice  d"un  manuscript  de  la  biblio- 
thTHiue  de  Wolfenbiittel,  in  den  Notices,  Bd    14  S    296—458. 

Demeunier.  Jean  Nicolas  Demeunicr  (gel).  15.  Mitrz  1751,  st.  7.  Febr.  1814), 
Ucber  Sitten  und  Gebrjiuche  der  Volker,  Beitriige  zur  Geschichte  der 
Menscliheit,  Ausg.  v.  Michael  Hissmann,    2  Bde  ,  Niirnberg  1783  u.  1784. 

Depons.  F.  Depons,  Voyage  k  la  partie  orientale  de  la  terre-ferme,  dans 
TAmeriijue  m^ridionale,  fait  pendant  les  ann^es  1801  —  1804,  tome  I, 
Paris  1806:  auch  die  Uebersetzung  von  Chr.  Weylaud,  im  Magazin  von 
mcrkwiirdigen  neuen   Reisebeschreibuiigen  .  Band  29,  Berlin   1808. 


Titel  dor  benutzten  Biichcr.  XXI 

Deutsche  Encykl.     neutsche  Kneyklopiidie .  Bd.  3  u.  4,    Fiankfurt  a.  M.   1780. 
Deutscher  Merk.     Deutscher    Merkur,    Oriiaii   fiir  katliDlische  Kefonnbeweguiig, 

herau.spejieben  im  Auftrage    der  Comites    zu    Ctiln    und    Miinchen,    Jahrg. 

1880  (Miinchen). 
Deverite.     8.  Tlist.  de  Ponthieu. 

Dict.  Acad.     Dictionnaire  de  TAcademie  Fraii(jaise.   7.   Aufl..   Paris   1878. 
Dict.  Acad.  compl.     Comi^lement     du     Dictionnaire     de     lAcademie     franc,'aise, 

Paris   1844. 
Dict.  Acad.  suppl.     Supplement  au  Dictionnaire  de  rAcademie  Tran^aise,  sixieme 

edition.   puhliee  en   1835,  Paris   1836. 
Dict.  d'Italie.     Dictionnaire  liistorique  et  geographique  portatif  d"Italie.  Bd.  2, 

Paris  1775. 
Dict.  de  Trev.     Dictionnaire   universel    fran^ais    et  latin ,    vulgairement  appell6 

Dictionnaire  de  Trevoux ,  Bd.  2.  3.  6  (Paris  1771),  Bd.   13  (Nancy  1834). 
Diderot.      Denis  Diderot  (geb.   1713.  st.   1784),  Encyclopedie,  s.  d.  W. 
Didot.     Nouvelle    biographie    generale,    publiee  par  MM    Firmin  Didot  freres, 

sous  la  direction  de  M.  le  Dr.  mfcr,  Paris   1862—1866.  (54  Bde.). 
Didron.     Didron  aine  (Adolphe  Napoleon  Didion,  geb.   1806,  st.   13.  Nov.  1807), 

Annales  archeologiques,  Bd.  15.  Paris  1855. 
Dietmann.     Karl    Gottlob  Dietmann,    Nachrichten  von  der  Priesterschaft  unter 

dem  Stiftsconsistorium  zu  Merseburg,  Dresden  und  Leipzig  1759. 
Diss.  St.  Claude.     Dissertation    sur    retablissement   de    rabbaye    de    S.  Claude, 

ses    chroniques,    ses    legendes,    ses    chartes,    ses  usurpations,    et  sur  les 

droits    des    habitans    de    cette    terre;    dahinter:    Colleciion    des    memoires 

presentes  au  conseil  du  Roi  par  les  habitans  du  Mont-Jura.  et  le  chapitre 

de  S.  Claude .  avec  Tarret  rendu  par  ce  tribunal  1772. 
Drake.     Nathan  Drakc  (geb.  1766,  st.   1836),  Shakspeare  and  his  times,  Ausg. 

Paris  1838. 
Dronke,    1844      Ernst  Friedrich  Johann  Dronke  (st.   10.   Dec.   1850),  Traditiones 

et  Antiqiiitates  F^uldenses,  Fulda   1844  in  4". 

—  1850.  Ernst  Friedrich  Johann  Dronke.  Codex  dii)lomaticus  Fuldensis. 
Cassel  1850. 

Ducange.  Glossarium  mediae  et  infimae  latinitatis,  conditum  a  Carolo  Dufresne 
Domino  Du  Cange,  auctum  a  monachis  Ordinis  S.  Benedicti.  ciim  supple- 
mentis  integris  D.  P.  Carpenterii  et  additamentis  Aclelungii  et  aliorum 
digessit  G.  A.  L  Henschel,  Parisiis  1840—1848,  7  Bde.  Daneben  1.  Autl. 
von  Ducange  (geb.  zu  Amiens  18.  Dec.  1610.  st.  zu  Paris  23.  Oct.  1688), 
Paris  1678,  und  2.  Aufl  ,  Paris  1733. 

Dulaure,  Adel.  Jacques  Antoine  Dulaure  (geb.  zu  Clermont  1755,  st.  zu  Paris 
9.  Aug.  1835,  Mitglied  des  Club  des  Jacobins)  .  Kritische  Geschichte  des 
Adels.  aus  dem  Franziisischen ,  1792. 

—  Montauban.  J.  A.  Dulaure,  Description  des  principaux  lieux  de  France, 
Paris  1789.  Bd.  3  S.  27  ff. 

—  Paris.     J.  A.  Dulaure,    Histoire  de  Paris,  Bd.   2  u    3,  Paris  1823. 
Dumge.     Karl  Georg  Dlimge  (geb.  23.  Mai  1772,  st.  27.  Febr.  1845).  Symbolik 

germanischer  YiUker,  Heidelberg  1812. 
Dumont.     J.  Dumont    (st.    1726    zu    Wien) .    Corps    universel    diplomatique    du 

droit  des  gens,  Bd.  1,  Amsterdam  et  a  La  Haye  1762.  in  fol. 
Dumoulin.     Tractatus   dividui  et  individui,    cum  nova  et  analyt.  declar. .    com- 

pilatore  Gasparo  Caballino,  Venetis   1576. 


XXII  Titel  der  benutzten  Biicher. 

Diinner,     J.  H.  Diinner.  Die  Theorlen  iiber  Wef;en  und  Ur?prxing  der  Tosephtha, 

Amsterdam   1874. 
Dunod.     Fran^ois    Ignace    Dunod    de    Charnaye  (geb.  30.  Oct.  1679,    st.   1752), 

Trait^  de  la  mainmorte.  Besan^on  1733. 
Du  Pin.     Louis  Ellie.s  Du  Pin  oder  Dupin  (geb.  17.  Juni  1657.  st   6.  Juni  1719), 

Histoire  de  i"Eglise  et  des  aiiteurs  ecclesiastiques ,   l^"*  siecle,  Paris  1703. 
Dupin,     Andre   Marie   Jean   Jacques   Dupin    (geb.    1.    Febr.    1783,    st.  9.  oder 

10.  Nov.  1865) ,    Rapport   sur    un    ouvrage    de    M.    Bouthors ,   bei   Mignet 

Bd.  28  S.  117—141.     (Dieser  Bericht    wurde   am  25.  Miirz  1854  verlesen, 

vgl.  Mignet  Bd.  28  S.   167.) 
Duringsfeld.     Ida    von    Duringsfeld    (geb.    1815,   st.    25.    Oct.    1876)    und    Otto 

Freiherr  von  Reinsberg-Diiringsfeld  (geb.   1815,  st.  1876),  Ilochzeitsbuch, 

Brauch    und  Glaube    der  Hochzeit    bei  den  christlichen  Volkern  Europas, 

Leipzig  1871. 
Du  Verdier,     Antoine    Du   Verdier,    Sieur   de  Vauprivaz    (geb.   11.  Xov.  1544, 

st.  25.  Sept.  1600).  Diverses  legons,  Tovernon  1610. 
Encycl.     Eacyclopedie  ou  Dictionnaire  raisonne  des  sciences,    des  arts ,  et  des 

metiers,   par    une    societe  de  gens  de  lettres,   mis  en  ordre  et  publie  par 

M.  Diderot    de   TAcademie    Royale    des    sciences    et    des   belles    lettres  de 

Prusse,    et    quant    a    la    partie     mathematique,    par    M.    d'Alembert   de 

TAcademie  etc. ,  erste  Ausg.  in  gr.  Fol..    Paris  1751  fF.     (Mitbenutzt  sind 

folgende   spatere   Ausgaben:    Geneve  1777 — 1779   in    4",    Bd.  10,    Geneve 

1777,    auch  die  Octav-Ausg. ,    Berne    et  Lausanne,    Bd.  10    v.    1782    und 

Bd.  11  der  Ausg.  Lausanne  et  Berne  1779). 
Encycl.  meth.     Encyclopedie    methodique    ou    par    ordre    de  matieres    par    une 

soci6te  de  gens  de  lettres,  de  savans  et  d"artistes  (206  Bde.).    Paris  1782 

bis  1832,  die  Bande  iiber  Jurisprudence. 
Erliard,  Cod.  dipl.     Heinrich    August    Erhard    (geb.    1793,    st.    1851),    Codex 

diplomaticus,  Theil  2.  Miinster  1851. 
—     Reg.     Heinrich  August  Erhard .    Regesta    Historiae  ^Vestplialiae.    2  Bde., 

Munster  1847  und  1851. 
Ersch  u.  Gruber,     Allgemeine    Encyklopadie    der  Wissenschaften    und    Kiinste, 

von  J.  S.  Ersch  und  J.  G.  Gruber,  Leipzig  (noch  nicht  vollendet). 
Espeisses.     Antoine  d'Espeisses  (geb.   1594,  st.   1658)  ,  Des  droits  seigneuriaux, 

in  den  oeuvres,  Bd.  1   u.  3,  Lyon  1685 
Espen.     Zeger    Bernhard    van  Espen    (geb.   1646,  st.   1728),  Ju.s  ecclesiasticum 

uuiversum,  Bd.   1,  Lovani  1753. 
Estor.     Johann    Georg    Estor   (geb.    1699,    st.  25.  Oct.   1773).    Commentarii  de 

ministerialibus,  Argentorati  1727. 
Ew€r8.     Joh.  Ph.  G.  Ewers,  Das  alteste  Recht  der  Russen,  Dorpat  1826. 
Fabricius.     Joh.  Alb.  Fabricius  (geb.  11.  Nov.   1667,  st.  30.  April  1736),  Biblio- 

theca  latina  mediae  et  infimae  latinitatis,  ed.  Mansi,  Pataviae  1754. 
Fabne.     Fahne,  Dynasten  etc.  und  Grafen  von  Bocholtz,  4  Bde.,  Koln  1856—63. 
Falke.     Joh.  Frid    Falke  (geb.  28.  Jan.  1699,  st.  6.  April  1756),  Codex  tradi- 

tionum  Corbeiensium,  Lips.  1752. 
Fargeau.     S.  Saint-Fargeau. 
Faria  y  Sousa.     Manuel  Severino  de  Faria  y  Sousa  (gel).  1500,  st.  1649),  Asia 

Portuguesa,  3  Bde.,  Lisboa  1666  — 1675. 
Fell.     Thomas  Gale  (geb.  1636,  st    1702)  und  ,Tohn  Fell  (gcb.  1625,  st.  1686), 
Ilcrum    Anglicarum  Scriptorum  vcterum  tom.  I,  Oxoniae   1684. 


Titel  der  benutzten  Biicher.  xxiil 

Fellens.  Die  Schrecken  iler  Fcudal-  und  Herrenreclite  dos  Adcls  und  der 
Pfaften.  Hiatorisch-romantische  Schilderung  der  qualvoUea  Leiden  und 
Martern  der  Leibeigenen  durch  grausame  Despotie  und  Torturge^valt, 
durch  Wollustbefriedigung,  unerhorte  Bedriickungen,  Erpressungen  und 
iScliandthatcn  der  Feudalherren.  Nach  archivalen  Quellen  von  Karl  Fellens 
(Ciiarles  Fellens,  r^dacteur  de  hi  Tribunej ,  deutsch  von  Ludwig  von 
Alvenslei)en  (geb.   1800),  2  Bde.,  Weiniar  IS.jI. 

Perraris.  Lucii  Ferraris  prompta  bibliotheca  canonica,  juridica,  inoralis, 
theologica,  Ausg.  v.  Phil.  a  Carboneano,  Bd.   1,  Genuae  1767. 

Fischer.  Fricdrich  Christpph  Jonathan  Fischer  (geb.  12.  Febr.  1750,  st.  30.  Sept. 
1797),  Ueber  die  Probenachte  der  deutschen  Bauernmadchen,  Berlin  und 
Leipzig   1780.     (Uavon  auch  franz.  Uebers.,  s.  u.  Nuits  d"epreuve.) 

Flechier.  Memoires  de  Flechier  (geb.  1632,  st.  1710)  sur  les  Grands  Jours 
d'Auvergne  en  1665,  annotes  et  augmentes  d"un  appendix  par  M.  Cheruel, 
Paris  1856. 

Fleta.  Fleta  (aus  der  Zeit  des  K(inigs  Eduard  L,  1272  —  1307),  seu  Commen- 
tarius  juris  Anglicani  sic  nuncupatus,  sub  Edwardo  Rege  primo  ab 
anonymo  conscriptus,  Subjungitur  Joannis  Seldenl  ad  Fletam  diss.  hist. 
Londini   1647. 

Fletcher.     S.  Beaumont. 

Foix.     S.  Saint-Foix. 

Forbes.    James  Forbes  (geb.  1749,  st.  1819),  Oriental  Memoirs,  vol.  I,  Lond.  1813. 

Forcellini.  Lexicon  totius  latinitatis  J.  Facciolati,  Aeg.  Forcellini  et  Fur- 
lanetti.     Neue  Ausg.  von  Franc.  Corradini. 

Fordun.  Joannis  de  Fordun  (der  im  14.  Jahrh.,  nicht,  wie  Jocher  angiebt, 
im  11.  Jahrh.  lebte)  Scotichronicon ,  cum  siipplementis  et  continuatione 
Walteri  Boweri,  insulae  S.  Columbae  Abbatis,  ex  cod.  manuscr.  editum, 
cura  Walteri  Goodall  (geb.   1706,  st.   1766),  Edinburgi   175!l.  2  Bde. 

Fors  de  Bearn.     S.  Mazure. 

Francisci.  Erasmus  Fraucisci  (geb.  19.  Nov.  1627 ,  st.  20.  Deo.  1694)  ,  Neu- 
polirter  Geschicht-,  Kunst-  und  Sitten-Spiegel  auslandischer  Volker, 
Niirnberg  1670. 

Frank.  Joh.  Pet.  Frank  (geb.  1745,  st.  1821),  System  einer  voUstandigen 
medizinischen  Polizei,  Bd.   1,  Wien  1786. 

Frankel.  Monatsschrift  fiir  Geschichte  und  Wissenschaft  des  Judenthums, 
herausgegeben  von  Z.  Frankel,  fortgesetzt  von  H.  Gratz,  25.  Jahrg.,  1876 
uud  28.  .Jahrg.,  Krotoschin  1879. 

Freycinet.  Claude  Louis  de  Freycinet  (geb.  1779.  st.  1842J ,  Voyage  autour 
du  monde,  entrepris  par  ordre  du  roi .  execute  pendant  les  annees 
1817—1820,  Paris  1827. 

Fusslin.  Johann  Conrad  Fusslin  oder  Fiissli  (geb.  1704,  st.  1775),  Erorterung 
der  Frage,  ob  der  Meyer  zu  Mauer  in  der  Grafschaft  Greifensee  das 
Recht  gehabt  habe,  mit  seiner  Hofjiinger  Brauten  die  erste  Nacht  zu 
Bett  zu  gehen,  im  Hamburger  Magazin,  Bd.  12,  Hamburg  1753  S.  154—173. 

Galand.  Auguste  Galand  (st.  1644) ,  Du  frauc-alleu  et  origine  des  droicts. 
seigneuriaux,  Paris  1637,  in  4". 

Gale.     S.  Fell. 

Gall.  Christ.  Gallia  Christiana,  in  provincias  ecclesiasticas  distril)uta  etc. 
studio  monachorum  Congregationis  S.  IMauri,  O.  S.  B.,  Paris  1715  sqq., 
der  13.  Bd.  in  zweiter  AufV.  1874. 


XXIV  Titel  der  benutzten  Biicher. 

Gar.     Episodio  del  medio  evo  Trentino.  narrato  da  Tommaso  Gar  (geli.  22.  Febr. 

1808.  st.  24.  .Tuli  1871),    Trento  1856,    darin :    Patto    tra    il    commune    di 

Pergine  e  il  municipio  di  Yicenza,  l'anno   1166. 
Garcilasso.     Ynka   Garcilasso    de   la   Vega    (geb.    1540   zn  Cuzco    in    Pern .    st. 

1620),    Histoire    des  Ynkas  Eois    du    Perou.    traduite    de    Tespagnol    par 

J.  Baudoin,  Amsterdam  1704. 
Grargon.     Matheus  Gargon,  Walchersche  Arkadia,  2  Bde  ,  Te  Leyden  1715—1717. 
Gaufreteau.     Chronique  Bordeloise  par  Jean  de  Gaufreteau,  Extrait  des  Publi- 

cations    de    la    Societe    de   Bibliophiles    de    Gnyenne    (herausgegeben  von 

Jules  Delpit),  Bordeaux   1877,  2  Bde. 
Gengler.     Heinrich  Gottfried  Gengler  (geb.  25.  Juli  1817).  Germanische  Rechts- 

denkmiiler.  Erlangen  1875. 
Gerber.     Karl  Friedrich  v.  Gerber  (geb.  11.  April  1823).  System  des  deutschen 

Privatrechts,  11.  Aufl.,  Jena  1873. 
Gerland.     S    Waitz  (Tli.). 
Gervinus.     Johann  Gottfried  Gervinus  (geb.  1805.    st.   18.  Marz  1871).    Shake- 

speare.  2.  Aufl.,  Bd.  1,  Leipzig  1850. 
Gesenius -  Muhlau.     Wilhelm    Gesenius,    Hebriiisches    und    Chaldaisches    Hand- 

worterbuch.  8.   Autl..    bearbeitet  von  F.  Miihlau  und  W.   Volck .  Leipzig 

1878. 
Gesta  Rom.     Gesta  Romanorum.    Ausg.    von  Johann  Theodor  Grasse .    Dresden 

und  Leipzig  1842,  und  Ausg.  von  Adalbert  Keller,  Stuttgart  und  Tiibingen 

1842.     (Als  Verfasser  der  Gesta  Romanorum  wird  der    im  Jahr  1227  ge- 

storbene  Cistercienser-Mohch  Helinandus  oder  Elimandus  bezeichnet.) 
GMlini.     Girolamo  Ghilini  (geb.  1589,  st.  gegen  1670),    Annali  di  Alessandria 

(bis  zum  Jahr  1659),  Milano  1666,  fol. 
Gierke.     O.  Gierke,  Der  Humor  im  deutschcn  Reclit.  lierlin  1871. 
Giraud-Teulon.     Marc  Antoine  Louis  Felix  Giraud-Teulon  (geb.  30.  Mai  1816), 

Lcs  origines  de  la  famille ,  questions  sur  les  antccedents  des  societ^s  pa- 

triarchales,  Geneve  et  Paris  1874. 
Glanvilla.    Tractatus  de  legibus  et  consiietudinibus  regni  Angliae.  tempore  Regis 

Henrici    secundi    (1154  —  1189)    compositus,   justitiae   gubernacula   tenente 

illustri  viro  Ranulpho  de  Glanvilla,  bei  Phillips,  R.-G.  Bd.  2  S.  335—473. 
Gott.  gel.  Anz.     Gottingische  gelehrte  Anzeigen,  unter  der  Aufsicht  der  konig- 

lichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  Jahrg.  1880. 
Gomara.     Francisco  Lopez    de  Gomara    (geb.   1510,    st.  um  1560).    Primera    y 

segunda  parte  de  la  Historia  general  de  las  Indias,  con  todo  el  descubri- 

miento ,    y    cosas  notables    que    han  acaecido  desde    que  se  ganaron  basta 

el  ano  de  1551,  in  der  Biblioteca  de  autores  Espanoles  desde  la  formacion 

del  lenguaje  hasta  nuestros  dias,  tomo  XXII.  S.  155  fl". 
Gratz.     Heinrich  Gratz  (geb   31.  Oct.  1817).  Geschichte  der  Judcn,  Bd.  3  u.  4. 

Leipzig  1863  u.   1866. 
Grand  Vocab.     Le  Grand   Vocabulaire  Francais,    par    une    socict^    de   gens    de 

lettres,  Paris   1767—1774.  30  vol.  in  4". 
S.    Gregor.     Sancti    Gregorii    Papae    Primi    cognoininc    Magni    (geb.    \im    540. 

st.   12.  Miirz  604)  oi)erum  tomus  I,    Lut.   Par.    1675.    S.  Gregorii  Rcgistri 

epistolarum. 
Grimm,  Myth.     Jacol)  Grimm  (geb.  4.  Jan.  1785.  st.   26.  Sept.  1863).  Deutschc 

Mythologie,  4.  Ausg.  von  E.  G.  Meyer,  Bd.  1.  Berlin  1875. 
—     R.-A.     Jacob  Grimm.  Dcutsche  Rechtsaltertliiinier,  2.  Ausg..  Gottg.   1854. 


'ritol  (lcr  hciiutztoii  Biichor.  XXY 

Grimm,  "Weistli.     .laoob  Griiiim.  Woistluimor,  T   Ikle..    Gottingen    1840—1878. 

—  W.-B.     Jacol)  Grimm  und  Wilhelm  Grimm  (geb.    zu  Hanau    24.  Februar 
1786.  st.   1(1.  Dec.  1839),  Deutsches  Worterbuch.  Leipzig  1854  ff. 

Grote.     H.  Grotc  (geb.  28.  Dez.  1802),  Stammtafeln,  Leipzig  1877. 

Orupen.     Christian  Ulrich  Grupen  (geb.  im  Juni   1692,  st.  10.  Mai   1767).    De 

u.xore    thootisca,  Gottingen   1748.    cap.  I:    de    virginum    praegu.statoribus, 

juro  deflorationis.  jure  primae  noctis,  maidenrents,  marcheta. 
Gubernatis,    Indie.     Angelo  de  Gubernatis  (geb.  7.  April  1840).    IMemoria    in- 

torno  ai  viaggiatori    Italiani    nelle  Indie  orientale    dal  secolo  XIII  a   tutto 

11  XVI,  Firenze  1867. 

—  Thiere.     Ang.  de  Gubernatis.  I)ie  Thiere  in  der  indogermanischon  Mytho- 
logie,  libersetzt  von  M.  Hartmann.  Leipzig  1874. 

—  Usi.     Ang.    de  Gubernatis ,    Storia    comparata    degli    usi    nuziali.    Milano 
1869,  lib.  3  Nr.  3:  II  .jus  primae  noctis. 

Guerard.     Benjamin  Edm.  Charles  Guerard    (geb.  15.  Miirz  1797,    st.   10.  Miirz 

1854),    Polyptype    de   Tabbe  Irminon    ou  d^nombrement  des  manses ,    des 

serfs    et    des    revenus    de    ral)baye    de    St.-Germain-des-Pres .    2    Bilnde, 

Paris  1844. 
Guerin.     Paul  Guerin,  Les  petits  BoUandistes,  vies  des  Saints  d'apros  les  Bol- 

landistes,  le  pere  Giry,  Surius.  Kibadeneira,  Godescard  etc.  7"^  ed..  Bd.  6, 

Bar-le-Duc   1873. 
Guicciardini.     Lud.  GuicGiardini    (gob.    um    1323,    st.   22.  ^Miirz   1589).    La    de- 

scription  des  Pays-Bas.  Amsterdam  1609,  in  fol. 
Guilbert.     Histoire  des  villes  de  France,  par  M.  Aristide  Guilbert  (geb.   1804, 

st.   21.  Juni  1863)  et  une  societe  de  membres  de  iTnstitut  etc. 
Gundlingiana.     Nikol     I-Iierou.  Gundling    (geb.   1G71.    st.    1729).    Gundlingiana, 

zehndes  Stiick,  Halle   1717. 
Gutberlet.     C.   Gutberlet.  Das  Buch  Tobias.    iibersetzt  und  erliiutert,  IMiinster 

1877. 
Eaas.     E.  Haas.    Die  Hochzeitsgebrauche    der    alten  Inder.    nach  don  Grihya- 

si^itra,  bei  A.  Weber  Bd,  5,  Berlin   1862,  S.  267—412. 
Hachenberg.     Paulus  Hachenberg  (geb.  1652,  st.  im  Dec.  1681),  Germania  modia. 

ed    3,  Halae  1709,  diss.  V:  De  nuptiis  veterum  Germanorum. 
Haberlin.     C.  F.  W.  J.  Haberlin,    Systematische  Bearbeitung   der  in  Meichel- 

bock's  Ilistoria  Frisingensis  euthaltenen  Urkundensammlung,  erster  Theil, 

Berlin   1842. 
Hager.     Arthur  Hager  (geb.  1835),  Shakespeare's  Werke.  Bd.4.  Freiburg  1878. 
Halthaus.     Christ.  Gottlob  Halthaus  (geb.  1702.  st.   1758),    Glossurium  Germa- 

nicum  medii  aevi,  Leipzig  1758.  2  Bde. 
Hamilton.     A    new  Account   of   the  East   Indies ,    being    the    observations   and 

remarks  of  Capt.  Alex.  Hamilton,  who  spent  his  time  there  from  the  year 

1688  to  1723,  in:  John  Pinkerton,  General  Collection  of  voyages  and  tra- 

vels.  vol.  Vin,  London  1811,  S.  258—522. 
Hamza.     Hamza   Ibn  Elhasan  Ispahanensis    (lebte   im  10.  Jahrh.) ,    Chronologia 

gentium,    caput    octavum ,    exhibens    seriem  Chronologicam  Homeritarum, 

Regum  Arabiae  Felicis,    oder   Annalium  libri  X    (beendet   im   Jahr  961), 

in    der  lat.  Uebers.  bei  Schultens  („s.  u.)  S.   19—45,    und  in  der  Ausgabe 

von  J.  M.  E.  Gottwaldt,  tom.  II,  Lipsiae   1848. 
Hanauer.     L'abbe  Hanauer,  Les  paysans  de  TAlsace  au  moyen-ago.  Paris  und 

Strassburg  1865. 


XXVI  Titel  der  benutzten  Biichei-. 

Harduin.     Joh.  Harduin  (geb.   1646,  st.   1729),  Cnnciliorum  collectio  Regia  ma- 

xima.  Parisiis  1715  if. 
Harenberg.     Johann  Christoph  Harenberg  (geb    1696.    st.  12.  Nov.  1774),    Hi- 

storia  ecclesiae  Gandershemensis  diplomatica,  Hannoverae  1734,  fol. 
Haupt.     Zeitschrift  fiir  deutsches  Alterthum.  herausgegeben  von  ]\[oritz  Haupt, 

Bd.  2,  Leipzig  1842. 
Hazlitt,  Shakesp.     Shakespeare's  library.    a  coUection  of  the  plays,    romances, 

novels,  poems  and  historles  employed  by  Shakespeare  in  the  composition 

of  his  works,  with  introductions  and  notes.  second  edition,    London  1875, 

6  Bande. 

—  Ten.  Tenures  of  Land  and  Customs  of  Manors,  originally  coUected  by 
Thomas  Blount  and  republished  with  large  additions  and  improvements 
in  1784  and  1815;  a  new  edition,  entirely  rearranged,  carefully  corrected 
and  considerably  enlarged  by  W.  Carew  Hazlitt,  of  the  Inner  Temple, 
barrister-at-law,  London  1874. 

Heda.  Historia  Episcoporum  Ultraiectensium,  auctore  Wilhelmo  Heda  (st.  zu 
Antwerpen  3.  Nov.  1525).  notis  illustrata  ab  Arn.  Buchelio,  ITltraj.  1642. 

Hefele.  Karl  Jos.  v.  Hefele  (geb.  15.  Milrz  1809),  Conciliengeschichte.  Bd.  2. 
Freiburg  1856. 

Heidelb.  Jahrb.     Heidelberger  /Jahrblicher  der  Literatur,  Jahrg.  1869. 

Heineccius ,  Antiq.  Joh.  Gottl.  Heineccii  (geb.  1681,  st.  1741)  Antiquitates 
Germanicae,  Bd.  2.  Hafniae  et  Lips.  1773. 

—  Elem.     Joh.  Gottl.  Heineccius,  Elementa  juris  Germanici,  Halae  1736. 
HelffericL     Christian  Adolph»  Helfferich  Igeb.  8.  April  1813),    Entstehung  und 

Geschichte  des  "Westgothen-Rechts,  Berlin  1858. 
Heller.     Johann  Heller  (geb.  3.  April  1851.  st.  28.  Nov.   1880).    Lamberti  Ar- 

densis    Historia    Comitum  Ghisnensiuni,    Mon.   Germ.,    scriptores,    Bd.   24, 

Hannover  1879. 
Hellwald.     Friedrich  v    Hellwald  (geb    1842),  Culturgeschichte  in  ihrer 'natiir- 

lichen  Entwicklung  bis  zur  Gegenwart.  Augsburg  1875. 
Henel.     Nicolai   Henelii   ab   Hennenfeld    (geb.  1587,    st.  23.  Juli  1656)    Otium 

Wratislawiense,  Jenae  1658. 
Henne-Am  Rhyn.     Otto  Henne-Am  Rhyn,  Allgemeine  Culturgeschichte,  Leipzig 

1877.  Bd.  1   (Urzeit)  und  Bd.  3  (Mittelalter). 
Hennes.     Johanu  Friedrich  Hennes.  Codex  diplomaticus  Ordinis  sanctae  Mariae 

Theutouicorum,  Urkundenbuch  des  deutschen  Ordens,  Bd.  2,  Mainz  1861. 
Heracl.    Pont.     Heraclides   Ponticus    (um  340    v.  Chr.  Geb.),    Liber    de    rebus 

publicis ,    oder   Heraclidis  Politiarum    (Ausg.    von   Schneidewin    und   von 

Car.  Miiller). 
Herder.     Herder"s  Conversations-Lexikon,  2.  Aufl.,  Bd.  3,  Freiburg  1878. 
Herr.     S.  Cadamosto  und  Yarthema. 
Herzfeld.     L.  Herzfeld,    Geschichte    des  Volkes  Israel ,    3  Bde. ,    Braunschweig 

1847,  1855  und  1857. 
S.  Hieron.     Epistolae  D.  Hieronymi  igeb.  331.    st.  420),    cum    scholiis    Erasmi 

Rotterdami,  Basileae   1537. 
Hildebrand.     Joachira  Hildebrand  (geb.  10.  Nov.  1623,    st.  25.  Oct.  1691),    De 

nuptiis  veterum  Christianorum,  in  der  Bibliotheque  Germanique  ou  histoire 

litteraire  de  rAllemagne  et  des  pays  du  Nord,  Amsterdam  1720,  Art.  "VI. 
Hinschius.     Paul  Hinschius   (geb    25.  Dec.  1835) ,  Decretales  Pseudo-Isidoria- 

nae,  Lips.   1863. 


Titel  der  benutzten  Biiclier.  XXVii 

Hist.  de  Languedoc.  IIi.^toire  generale  de  Languedoc.  par  deux  religieux  Ben»^- 
(lictins  ile  la  Congregation  de  S.  Maure.  Bd.   2,  Pari.-i  1733. 

Hist.  de  Montauban.  Histoire  de  Montauban,  par  Henri  Le  Bret  (geb.  1630. 
st.  gegen  1708),  prevot  de  reglise  cathedrale  de  cette  ville  en  1668, 
noiiv.  edit.  par  MM.  Marcellin  et  Gabr.  Ruck ,  mit  Vorrede  von  Mary- 
Lafon.  Montauban   1S41. 

Hist.  de  Ponthieu.  Histoire  du  Comte  de  Ponthieu.  de  Montreuil  ct  de  la 
vilU-  d"Abbovillc,  Londre.s  17G7.  (Verfasser  ist  L.  A.  Deverite,  s.  Barbier 
Bd.  2   S.    77.-).) 

Historial  du  Jongleur.  L'historial  du  Jongleur,  chroniques  et  legendes  fran- 
^aises,  publiees  par  jNIM.  Ferd  Langle  et  fimile  Morice,  Paris  1829,  darin : 
Le  droit  du  nopcage,  S.  1 — 41  und  Anh.  S.  7,  8.  (Der  wahre  Verfasser 
soll  Malivoir  sein.) 

Hoeli  Boni  Leges  (ed.  Wottonu.s).  Cyfreithjeu  Hyweldda  ac  erail.  seu  Leges 
"SVallicae  ecclesiasticae  et  civiles  Hoeli  Boni  (Howel  des  Guten  oder 
Hyweldda,  Gesetzgebers  im  10.  Jahrh  ,  Sohnes  und  Nachfolgers  des  Konigs 
Cadell  von  ganz  Wales)  et  aliorum  Walliae  principum  .  quas  ex  variis 
codicibus  manuscriptis  eruit .  interpretatione  latina,  notis  et  glossario 
illustravit  Giul.  Wottonus  (geb.  13.  Aug.  1666,  st.  13.  Febr.  1726),  Lon- 
dini  1730,  fol. 

Hoffmann,  C.  P.  Conrad  Philipp  Hoffmann.  Discursus  historico-juridicus  de 
die  ac  nocte  nuptiali.  Eegiomonti  et  Lipsiae   1720. 

Hoffmann,  G.     Guil.  Hoffmann,  Observ.  jur.  Germanici.  Francof.  et  Lips.  1738. 

Holtzmann.  Adolph  Holtzmann  (geb.  2.  >Lai  1810.  st.  3.  Juli  1870),  Indische 
Sagen,  2.  Aufl.,  Stuttgart   1854. 

Homeyer.  Karl  Gustav  Homeyer  (geb.  1795,  st.  20.  Oct.  1874),  Des  Sachsen- 
spiegels  erster  Theil,  oder  das  siichsische  Landrecht.  2.  Ausg. ,  Berlin 
1835. 

Hormayr,  1832.  Joseph  Frhr.  v.  Hormayr  (geb.  20.  Jan.  1781,  st.  5.  Nov. 
1848),  Die  Bayern  im  Morgenlande,  Gedachtnissrede  zum  73.  Stiftungs- 
tage  der  konigl  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften,  gelesen  am  23.  Marz 
1832,  die  dritte»  der  kleinen  historischen  Schriften  und  Gediichtnissreden, 
:Munchen  1832. 

—  1842.  Joseph  Frhr.  v.  Hormayr.  Taschenbuch  fiir  die  vaterlandisclie  Ge- 
.schichte,  31.  Jahrg..  Leipzig  1842. 

Houard,  Littl.  David  Houard  (geb.  26.  Febr.  1725,  st.  15.  Dec.  1802),  An- 
ciennes  lois  des  Fran^ais,  conservees  dans  les  coutumes  Anglaises,  tome  I, 
Roueu  1766:  Anciennes  lois  des  Francais  ou  Institutes  de  Littleton. 

—  Traite.  David  Houard.  Traite  sur  les  coutumes  Anglo-Normandes,  Bd.  2, 
Paris  1776. 

Hubert.  Proces-verbal  de  la  presentation  annuelle  d"un  pot  de  fleurs  au  sei- 
gneur  de  Chateauroux  (20  mai  1777),  communique  par  M.  Hiibert,  archi- 
viste  du  departement  de  ITndre.  im  Comte  rendu  des  travaux  de  la  So- 
ciete    du  Berry  k  Paris,  onzieme  annee,  Paris  1864.  S.  260—264. 

Hiillmann.  Karl  Dietrich  Hlillmann  (geb.  1765,  st.  1S46).  Stadtewesen  des 
Mittelalters,  Bonn  1826—1829,  4  Bde. 

Hurter.  Friedrich  Emanuel  v.  Hurter  (geb.  19.  Miirz  1787,  st.  27.  Aug.  1865). 
Geschichte  Papst  Innocenz  des  Dritten  und  seiner  Zeitgenossen .  2.  Aufl., 
Bd.  2.  Hamburg  1842. 

Im  neuen  Reich.     S.  Sugenheim  (1872J. 


XXVIII  Titel  der  benutzten  Biicher. 

Ingulphus.     Ingulplnis  Abbas  Croylandensis  (st.  1109).  Historia  Croylandensis. 

bei  Fell  Bd.   1   S.  1—107  (auch  in  den  Script.  post  Bedam). 
Innes.     Thomas  Innes  (geb.  1662,    st.  1744),    A  critical  Essay   on    the  ancient 

inhabitants  of  the   northern   parts   of  Britain.   or   Scotland.  London  1729, 

•2   Bde. 
Investigateur.     S.  Masson. 
lones,  s.  Varthema. 
Iselin.     Isaak  Iselin  (geb.  17.  Miirz  1724.    st.   15.  Juni  1782).    Ueber    die  Ge- 

schichte  der  Menschheit,  Bd.  1.  neue  Autl.,  Ziirich  1770. 
Ivo,  Decr.     Decretum  beati  Ivonis  (geb.  1040,  st.  1116).  Lovani   1561. 

—  Panormia.     Liber  decretorum  sive  Panormia  Ivonis,  ed.  1499. 
Jacobson.     Heinrich  Friedrich  Jacobson  (geb.   1804,  st.  1868).  der  Artikel  Ehe 

bei  Weiske  Bd.  3. 
Jaffe.     Philippus  Jaffe  (geb.  17.  Febr.  1819.  st    3.  Ai.ril   1870).    Regesta  Pon- 

tificum  Romanorum    ab  condita  ecclesia    ad    annum    post  Christum    natum 

1198.  Berolini   1851. 
Jellinek.     Adolph  Jellinek    (geb.  1820) .    Bet-ha-Midrasch ,    Sammlung    kleiner 

Midraschim  und  vermischter  Abhandlungen  aus  der  iilteren  jUdischen  Lite- 

ratur.  Th.  1,  Leipzig  1853,  und  Th.  6.  Wien   1877. 
Jhering.     Rudolph  von  Jhering  (geb.  1818).  Der  Kampf  ums  Recht.    5.  Aufl., 

Wien  1877. 
Jocher.     Christian  Gottlieb  Jiicher  (geb.  20.  Juli  1694,  st.  10.  Mai  1758),  All- 

gemeines  Gelehrten-Lexikon ,    Leipzig  1750  und   1751    (fortges.  in  Ergiin- 

zungen  bis  zum  Buchstaben    J    von  Johann  Christoph  Adelung,    und    von 

K  bis  R  von   Heinrich  Wilhelm  Rotermund). 
Johnson.     Samuel  Johnson  (geb.  18.  Sept.  1709.  st.   13.  Dec.  1784).  Reisen  nach 

den  westlichen  Inseln  bei  Schottland.  aus  dem  Englischen.   Leipzig  1775. 
Jolly.     The  institutes  of  Yishnu.  translated  by  Julius  Jolly.  Qxford   1880.  bei 

M.  :\[iiller  Bd.   7. 
Junghans.     "Willielm  Junghans,  die  Geschichte  der  friinkischen  Konige  Childe- 

rich  und   Chlodovech,  Gottingen  1857. 
Kayserling.     M.  Kayserling.  Die  jiidischen  Frauen  in  der  Geschichte,  Literatur 

und  Kunst,  Leipzig  1879 
Kestner.     Henr.  Ern.  Kestner  (st.  1723)   P.  P.  O.  in  Acad.  Rinth.  Diss.  jur.  de 

jure  Connagii.  oder  vom  Recht  der  Jungferschaft.  ed.  Y,  Jenae  1761. 
Keysler.     Johann    Georg    Keysler    (geb.    13.    April    1693,    st.    21.    Juni    1743), 

Antiquitates  septentrionales  et  Celticae.  Hannoverae  1720. 
Kindlinger.     Nicolaus    Kindlinger.    Geschichte  der  deutschen  Horigkeit,   insbe- 

sondere  der  sogen.  Leibeigenschaft,  Berlin   1819. 

—  M.-B.  Nicolaus  Kindlinger.  Miinstersche  Beitriige  zur  Geschichte  Deutsch- 
lands.  hauptsachlicli  ^Yestphalens ,  Bd.  2,  Miiiister  1790  (die  Urkunden 
im  Anhang). 

Koppen.     Karl    Friedrich    Koppen    (geb.    1775.    st.    1858).    Die    Religion    des 

Buddha,    2  Bde. .    Berlin  1857  und  1859. 
Kolb,  1842.     Georg  Friedrich  Kolb  fgeb.   1808).    Recht    der  ersten  Nacht  (.jus 

primae  noctis).  im  Staatslexikon  von  Karl  Wenzel  v.  Rotteck  (geb.  1775, 

st.  1840)  und  Karl  Theodor  AVelcker  (geb.  1790.  st.  1869),  Bd.  13.  Altona 

1842,  S.  495—498. 

—  1843.  Georg  Friedrich  Kolb.  Geschichte  der  Menschheit  und  der  Cultur, 
Pforzheim   1843 


Titel  (ier  benutztcii  Biicher.  xxix 

Kreiten.     W.  Kreitea  sj.  J. .    Voltaire,    eiii  Beitrag   zur  Entstelniiigsgescliichte 

des  Ijii)erali8iims,  Freiburg  i.  Br.   1878. 
y.  Kremer,    18(55.     Allred   v.    Kremer   (geb.    13.  Mai    1828J,    Die    Ilimjarische 

Kasideh,  herausgegeben  und  iibersetzt,  Leipzig  1805. 

—  186G.     Alfred  v.  Kreiner,  Ueber  die  siidarabische  Sage,  Leipzig  1860. 
Eulischer.     M.  Kulischer,    Die   communale   Zeitehe    und    ihre    Ueberreste ,    im 

Arch.  f.  Anthrop.,  Bd.   11,  Braunschweig  1879,  Abth.  7,  S.  215—229. 
Labernia.     Diccionari   de    la  llengua  Catalana  ab    la  correspondencia  castellana 

y  llatina  per  Pere  Labernia,  Barcelona  1839. 
de  Labessade.     Leon    de  Labcssade ,    Le    droit   du   Seigneur    et    La  Rosiere  de 

Salency,  Paris   1878. 
Laboulaye.     Edouard  Rene  Lefebvre  Laboulaye  (geb.  18.  Jan.  1811).  Recherches 

sur  la  condition  civile  et  politique  des  femmes,    depuis    les  Romains  jus- 

qu'a  nos  jours,  Paris  1843. 
Lacomblet.     Theodor  Joseph  Lacomblet,  Urkundenbucli  fiir  die  Geschichte  des 

Niedcrrheins,  4  Bde.,  Diisseldorf  1840—1858. 
Lactantius.     Lucii    Caecilii  Firmiani   Lactantii    (um  300)    Opera,    Der  Aufsatz 

De  mortibus  persecutorum  (in  zahlreichen  Ausgaben). 
La  Curne.     Dictionnaire    historique    de   rancien    langage    francois    ou  Glossaire 

de    la   langue  frangoise  depuis  son  origine  jusqu'au  siecle  de  Louis  XIY, 

par  La  Curne  de  Sainte-Palaye  (geb.  1697,  st.   1.  Miirz   1781).  publie  par 

les  soins  de  L.  Favre,  Paris  1876  ff". 
Laferriere.     Louis  Firmin  Julien  Laferriere    (geb.  5.  Xov.    1798.    st.   14.  Febr. 

1861).  Histoire  du  droit  frangais,  tome  V:  Coutumes    de  France  dans  les 

diverses  provinces,  Paris   1858. 
de  Lagreze,  1851.     Gustave  Bascle  de  Lagreze  (geb.  23.  Aug    1811),  Le  tresor 

de  Pau,  archives  du  chateau  d"Henri  IV,  Pau   1851  (1852). 

—  1854.  G.  B.  de  Lagreze ,  Le  droit  du  Seigneur ,  iu  Le  Droit  v.  23.  Juli 
1854.  [Die  besondere  Abhandlung,  G.  B.  de  Lagreze,  Essai  sur  le  droit 
du  seigneur,  a  Toccasion  de  la  controverse  entre  M.  Dupin  aine  et  M. 
Louis  Veuillot.  Paris   1855,  ist  mir  nicht  zugiinglicli.] 

—  1864.  G.  B.  de  Lagreze ,  La  feodalite  dans  les  Pyrenees,  comte  de  Bi- 
gorrc,  memoire  lu  k  IWcadcmie  des  sciences  morales  et  politiques,  Paris 
1864. 

—  1867.  G.  B  de  Lagreze,  Histoire  du  droit  dans  les  Pyrenees,  Paris  18G7, 
liv.  V  chap.  5,  S.  384 — 420  (Le  droit  du  seigneur). 

Laroche-Flavin.     Bern.  de  la  Roche-Flavin,    Arrests  notables  du  Parlement  de 

Toulouse,  nouv.  ed.  Toulouse  1682.  des  droits  seigneuriaux. 
Lassen.     Christian    Lassen  (geb.    1800,    st.   1876),    Indische    Altertliumskunde, 

Bd.  1,  2.  Aufl  ,  Leipzig  1867;  Bd.  4,  Leipzig   1861. 
Laurent.     Frangois  Laurent  (geb.  8.  Juli  1810),    £tudes  sur  l"histoire  de  Thu- 

manite,  Bd.  7:  La  feodalite  et  reglise,  Bruxelles  18G1. 
Lauriere,     Eusebe  Jacob    de  Lauriere    (geb.  31.  Juli  1G59.    st.    10.  .lan.   1728), 

Glossaire  du  droit  frangais  (nach  Ragueau),  2  Bde.,  Paris  1704. 

—  Ord.  Ordonnances  des  rois  de  France  de  la  troisieme  race ,  ]iar  feu  M. 
Lauriere,  vol.  II,  Paris  1729. 

Laya.     Alexandre  Laya  (geb.  im  Nov.,  1809),    Droit  Anglais,  ou  resume  de  la 

legislation  Anglaise  sous  la  forme  de  Codes,  Paris  1845,  2  Bde. 
Le  Bret.     S.  Hist.  de  Montauban. 
Lechaude,     M.    Lechaude    d'Anisy,    Recherches   historiques    sur   quelques    pa- 


XXX  Titel  der  benutzten  Biicher. 

roisses  de  rarrondissement  de  Caen,   in    den  Memoires  de   la  Societ^    des 

Antiquitaires  de  Normandie .  2*  serie.    second  vol.,   Annees  1840  et  1841, 

Paris  1841,  S.  88  —  112. 
Le  Droit.     Le  Droit,  Journal  des  tribunaux.  Paris.  Jahrg.   1854. 
Leg.  et  consuet.  burg.     Leges  et  consuetudines  burgorum.  ed.  Skenaeus,    Lon- 

dini  1613:  auch  in  den  Acts  of  the  Parl.  of  Scots,  vol.  1    vom  J.   1854. 
Leges  Hoeli,  s.  Ancient  Laws  und  Hoeli  Boni  leges. 
Legouve.     Gabriel  Jean  Baptiste  Ernest  Wilfrid  Legouve  (geb.  15.  Febr.  1807). 

Ilistoire  morale  de  la  femrae,  4*^  ed.,  Paris  1864. 
Leng    u.    Wolff.     Leng    und    Wolff',     Worterbuch     der    franzosischen     Sprache, 

Weimar   1844. 
Lenormant.     Francois  Lenormant  (geb.  1835),  Lettres  Assyriologiques,  seconde 

scrie.  etudes  Accadiennes,  tome  3,  Paris  1880. 
Lerch.     Peter  Lerch,  Bericht  v.  19.  Juni  1856,  Mel.  Asiat.  Bd.  2,  S.  621—649. 
Leslaeus  (Lesley).     Joannes  Leslaeus  (John  Lesley,  geb.  1527.  st.   1596),    De 

origine  et  gestis  gentis  Scotorum,  Romae  1578. 
Leu.     Hans  Jacob  Leu  (geb.  29.  Jan.  1689,  st.   10.  Nov.  1768).  Allg.  Helveti- 

sches  Eydgennossisches  oder  Schweizer.  Lexikon,  Bd.  18,  Ziirich  1763. 
Liebrecht,  1864.     Felix  Liebrecht  (Prof.  in  Liittich),    Das    jus   primae    noctis, 

im  Or.  und  Occ.  Bd.  2,  Gottingen  1864.  S.  541. 

—  1869.     Felix  Liebrecht  in  den  Heidelb.  Jahrb.,  Nov.   1869. 

—  1874      Felix  Liebrecht,  Der  Humor  im  deut.schen  Recht,  Ztschr.  f.  deutsche 
Philologie  (von  Hopfner  und  Zacher),  Bd.  6,  Halie  1874.  S.   137  fP, 

—  1879.     Felix  Liebrecht.  Zur  Volkskunde.  alte  und  neue  Aufsatze,   Heil- 
bronn   1879. 

Lilienstern.     Joh.  Jak.  Riihle    v.    Lilienstern .    Zur  Geschichte    der  Araber    vor 

:\Inhamed,  Berlin   1836. 
Limnaeus.     Joannes  Limnaeus ,    Tomus  quartus   Juris  publici  Imperii  Romano- 

Germanici.  additionum  ad  priores  primus,  Argentorati  1650. 
Linschot.     Jan  Huygen  van  Linschooten  (geb.   1563,  st.  1611)    Itinerario,    Yo- 

yage  ofte  Schipvaert  naer  Oost  ofte  Portugaels  Indien,  Amstelredam  1594. 
Lipsius.     Richard  Adalbert  Lipsius  (Prof.    in  Jena,    friiher  in  Kiel) ,    Jiidische 

Quellen    zur   Judithsage.    in    der    Ztschr.   fiir    wissenschaftliche  Theologie 

von  A.  Hilgenfeld.  10.  Jahrg.,  Halle  18G7,  Nr.  24,  S.  337-366. 
Littleton.     Sir  Thomas  Littleton    (st.  23.  Aug.  1481),    Institutes    of   the  Laws 

of  England,  mit  Commentar  von  Coke  (s    Coke). 
Littre.     Max.  Paul  £mile  Littre  (geb.  1.  Febr.  1801,  st.  2.  Juni  1881).  Diction-- 

naire  de  la  langue  fran^aise,  Bd.  1  u.  2,  Paris  1863  u.  1869;  auch  die  neuere 

Au.sgabc,  Bd.    1,  Paris   1873. 
Lluyd.     Edward  Lluyd  (st.  1709),  Irish-English  Dictionary,  im  ersten  Band  von 

Archaeologia  Britannica,  Oxford  1707.  in  fol. 
Loning.     Edgar  Louing  ,  Das  Kirchenreclit  im  Reiche  der  Merovinger,  Strass- 

burg   1878. 
Lorscb.     Hugo  Lorsch ,    Rec.  von  Osenbriiggens  Studien ,    l)ei  Reuscli,    .Tahrg. 

1869,  S.  443—447. 
Loon.     Gerard  van  Loon  (lebte  in  der  1.  Hiilfte  des  17.  Jahrh.),  Beschryving  der 

Aloude  Regeeringwyze  van  HoUand,  derde  deel ,  Te  Leiden  1745.  S.  158 

iiis  168:  Het  Ilecht  van  den  eersten  Nacht. 
Louandre.     Fran^ois  Cesar  Louandre  (st.  1862) ,    Histoire  ancienne    et  modernc 

d"Abbeville  et  de  son  arrondissement,  Abbevillc  1834. 


Titel  der  beiuitzten  Biicher.  XXXI 

Lunig.     Johann  Christian   Liinig  (geb.   1662.    st.   1740).    Corpus    Juris  Feudalis 

Geimanici. 
Mackenzie,  Def.     Sir  George  Mackenzie  (gel).  zu  Duiidee  1036,  st.  2.  Mai  1691), 

Defensio  antiquitatis  regalis  Scotorum  prosapiae,  Trajecti  ad  Rhenum  1689. 

—  Lives.  The  lives  and  characters  of  the  most  eminent  writers  of  the 
Scots  Nation,  by  George  ^Lnckenzie  (aus  Edinburgh).  Edinburgh  1708  bis 
1722,  3  Bde. 

Haclay.     X.  von  Mikluho-^Liclay.    Ethnological  exotirsions  in  the  Malay  Pen- 

insula.    im    Journal    of   the    Straits  Brauch    of    the  Royal  Asiatic  Society. 

Nr.  2.  December   1878.  Singapore  1878,  S.  205  ff. 
Macpherson.     John  ISLacpherson.  Critical  dissertations  on  the  origin,  antiquities, 

language ,    goverument,    luanners  and  religion  of   the  ancient  Caledoniansj 

their  posterity    the  Picts    and    the  Britisli    and  Irish  Scots .    London  17()8. 

diss.  13  :  Of  the  Merchctae  mulierum. 
Major.     Jlistoria  Majoris  Britanniac.    tam  Angliae  (juam  Scotiae .    per  Joannem 

]\rajorem  (John  Major  oder  ^iair.  geb.   1469.    st.   lo47),  e  vetcrxun    monu- 

mentis    concinnata.    ex    officina    Ascensiana    ad    Idus  Aprilis    1521.     (Ein 

seltenes  "NVerk.) 
Malivoir.     S.  oben  Historial. 
Malte-Brun.     Conrad  Malte-Brun  (geb.   1775.    st.   14.  Dec.   1826),    Annales   des 

voyages  de  la  Geographie  et  de  THistoire  etc,  Paris,  in  8". 
Mandelslo.     Joh.    Albr.    v.    IMandelslo    aus  Mecklenburg    (geb.   1616,    st.   1644), 

Morgenliindische    Reise-Beschreibung ,    herausgegeben    durch    Adam  Olea- 

rius.  Hamburg   1696. 
Marichalar.     Amalio    Marichalar    ^Lirques    de    ^lontesa    y    Cayetano  Manrique, 

Historia    de    la    legislacion    y    recitaciones    del    derecho    civil    de    Espaiia, 

Madrid  1861—1876.  9  Bde. 
Martene.     Edm.  ^Martene   (geb.  1654,    st.  1739)    et  Ursini  Durand .    Thesaurus 

anecdotorum,  Paris   1717. 
Martin.     Henri  Martin  (geb.  1810),  Histoire  de  France.  4""  ed.,  Bd.  5,  Paris  1855. 
Martiniere.     ^L  Bruzen  de  la  Martiniere,    Le  grand  Dictionnaire  geographique 

et  historique.  6  Bde.  (bloss  bis  T),   Di.jon  1739  —  1741. 
Martius,   1831.     Karl  Friedr.  Phil.  v.  ^SIartius  (geb.   17.  April  1794.  st.   13.  Dec. 

1868),  s.  unter  Spix. 

—  1832.  K.  F.  P.  V.  Martius,  Von  dem  Rechtszustande  unter  den  Urein- 
^vohnern  Brasiliens  ( verlesen  in  der  Akad.  d  AViss.  am  28.  Miirz  1832), 
Miinchen  1832. 

Masson.     Antoine  Philibert  Masson  (geb.  22.  Aug.   1806,  st.   1.  Dec.  1860),  Be- 

richt  iiber  das  Werk  von  Bouthors,  in  LTnvestigateur,  Journal  de  Tlnstitut 

historique,  tome  VI,  2^  serie,  treizieme  annee,  Paris  1846,  S.  378—383. 
Maurer.     Georg  Ludwig  v.  Maurer    (geb.    1790,    st.  9.  Mai  1872),    Geschichte 

der    Fronhofe,    der    Bauernhofe    und    der    Hofverfassung   in    Deutschland, 

Bd.  3.  Erlangen   1863. 
Mayr.     Aurel  Mayr.  Das  indische  Erbrecht.  Wien   1873. 
Mazure.     Adolphe  :^Iazure  (geb.  1800)  et  J.  Hatoulet  (st.  nach  1864),  Fors  de 

Bearn,  legislation  inedite  du  11™«  au  13"«  siecle,  avec  traduction  en  regard, 

notes  et  introduction,  Pau  et  Paris  4]1841]. 
Meichelbeck.     Car.    Meichelbeck    (geb.  1669.    st.   1734),    Historia    Frisingensis, 

Aug.  Vindel.  et  Graeci  1724.  1729. 
Mela.     Pomponius  Mela  (1.  Jahrli.  ii.  Chr.  Geb  ,  unter  Claudius).  De  sita  orbis. 


XXXII  Titel  (ler  benutztcn  Bucher. 

Mel.  Asiat.     Melanges    Asiatiques    tires    du    bulletin   historico-philologique    de 

i'Academie  Imperiale  des  sciences  de  St.  Petersbourg,  tome  II   (1852    bis 

1856j.   St.  Petersbourg  1856.     Vgl.  auch  Remusat. 
Mem.  Acad.     S.  Lagreze  und  Sacy. 
Mem.  Norm.     S.  Lechaude. 
Mem.    Pic.     S.  Bouthors. 
Menage.     Gilles  ^lenage  (geb.  1613,    st.  1692),    Dictiounaire    etymologique   ou 

origines  de  la  langue  frangaise,  nouv.  ed.  Paris   1694.  fol. 
Merlin,  Quest.     Phil.  Ant.  Graf  INIerlin    (geb.   1754,  st.  1838) .    Recueil    alpha- 

betique  des  questions  de  droit,  Bd.  4,  Paris  1828. 

—  Rep.     Merlin,   Repertoire  nniversel    et   raisonne   de   Jurisprudence,    Paris 
1812  ff.,  Bd.  3  V.  1812,  Bd.  7  u.  8  v.   1813  uud  Bd.   10  v.   1827. 

Mevius.     Dav.  Mevii  Decisiones. 

Meyer.     Meyer's  Conversations-Lexikon,  3.  Aufl.,  Bd.  9,  Leipzig  1876. 

Meyer,  Chr.     Christian    Meyer,    Zur    Geschichte    des   deutschen  Bauernstandes, 

in  den  Preuss.  Jahrb  ,  Bd.  42  (1878),   S.  339—376. 
Michaud.  Biographie  xiniverselle  ancienne  et  moderne,  52  Bde  .  Parisl811 — 1828, 

(•hez  Michaud  freres. 
Michelet.     Julcs   Michelet    (geb.    21.  Aug.  1798,    st.  9.  Febr.    1874),    Origines 

du  droit  fran^ais,  Paris  1837. 

—  Hist.     J.  Michelet,    Histolre  de  France .   16  Bde. .   Paris  1833—1867,  und 
neue  Ausg.  1871. 

Mielcke.     Christian  Gottlieb  ^NIielcke.  Litthauiscli-deutsclies  Worterbuch,    Ko- 

nig.sberg   1800. 
Migne.     Jacques  Paul  Migne  (geb.  1801,  st.   1875),  Patrohigia,  Bd.  84,  Parisiis 

1850,  u.  Bd.  141,  Par.  1853. 
Mignet.     Seances  et  travaux  de  TAcademie  des  sciences  morales  et  politiques, 

Compte  rendu  par  M.  Ch.  Verge,  sous  la  direction  de  M.  Mignet,  Bd.  28, 

Paris  1854. 
Miot.     Andrti  Frangois  Miot  (geb.  9.  Febr.   1761).    Ilistoire  d"Herodote ,    nouv. 

trad  ,   Paris  1822,  Anm.  61. 
Miraeus,    Cod.  Don.     Auberti  Miraei  (geb.   1573,  st.   1640)  Codex  Donationum 

piarum,  Bruxellis  1624. 

—  Dipl.  Belg.     Aub.  Miraei  Diplomatum  Belg.  libri  duo,  Bruxellis  1628. 

—  Don.  Belg.     Aub.    Miraei    Brucellensis  l^onationum  Bclgicarum    libri    duo, 
Antverp.  ^1629. 

—  Not.  Eccl.     Aub.  Miraei  Notitia  Ecclesiarum  Belgii,  Antverp.   1630. 
Mittermaier.     K.   J.    A.   Mittermaier    (geb.    5.  Aug.  1787,    st.    28.  Aiig.  1867), 

Grundsatze  des  deutschen  Privatrechts,  7.  Aufl.,  Regensburg  1847. 
Moser.     Justus  Moser  (geb.  1720,  st.  1794),    Kleinere,  den  patriotischen  Phan- 

tasieen  verwandte  Stiicke,  Ausg.  v.  B.  R.  Abeken  ,  Berlin  1858  (Siimmtl. 

Werke  Bd.  5),  Nr.  XI:  Der  arme  Freie,  S.  154-174. 
Mone.     Franz  Joseph  Mone  (geb.  12.  Mai  1796,  st.  12.  Miirz  1871),  Ucber  das 

Eliereclit  der  Ilorigen  vom   13.  bis  16.  Jahrhundcrt,  in  der  Zeitschrift  fiir 

Geschichte  dcs  Oberrlieins,  Bd.  7,  Karlsruhe  1856,  S.   129  —  171. 

—  Anz.     Anzeiger    fiir   Kunde    der    teutschen    Vorzeit,     herausgegeben    von 
Franz  Joseph  Mone,  Karlsruhe,  7.  Jahrg.,  1838. 

Mon.  Germ.     Monumenta  Germaniae  historica,  ed.  Georgius  Heiuricus  Pertz. 
Montaigne.     Les  Essais  de  Michel  seigneur  de  Montaigne  (geb.  1533,  st,  1592), 
nouv.  (id,  Bd.   1,  Amstcrd.   1781. 


Titel  der  benutzten  Blicher.  xxxili 

Montesquieu.     fliarles    de    Secondat .    Baron    dc    la    Brcde    et    de    Montesquieu 

(f^cb.   18.  .lan.   1G89,  st.   10.  Fcbr.  ITr^f)),  I)e  l'csprit  dcs  lois  (zuerst   1T4S 

in  Genf  erscliienen),    nouv.  ed.,  Gencve  1749. 
Mon.  Boica.     Monumenta  Boica,  vol.  I,  ed.  Acad.  scient.  elect.,  Monachii   17G3. 
Morellet.     J.  N.  Morellet.  Le  Nivernois.  Bd.   1,  Nevers  1838. 
Moreri.     Louis  ]\Iorcri  (geb.  25.  Miirz  1643,  st.  10.  .Tuli  1680),   Le  f,'rand  Dic- 

tionnaire  historique,  nouv.  ed.,  Paris  1759,   10  Bde. 
Moser.     ^loser,    Beschreibung  des  Oberamts  Goppingen.    Stuttg.  u.  Tiib.   1844. 
Mozin-Peschier.     Mozin-Peschier,  Dictionnaire  complet  des  langues  franc^aise  et 

allemande,  4.  Aufl.,  Stuttgart  1873. 
Miiller,  Car.     Carolus  ^Miillerus.    Fragmenta    Historicorum   Graecorum ,    vol.  II, 

Parisiis  1853. 
Miiller,  J.     Joseph  ISIiiller,    Altrussische    Geschichte   nach    Nestor,    mit  Riick- 

siclit  auf  V.  Schlozer's  Russische  Annalen,  Berlin  1812. 
MuUer,  Max.     The   sacred   books    of  the  East,   translated   by   various  oriental 

scholars  and  edited  by  F.  Max  Miiller  (geb.  6.  Dec.  1823),  London. 
Muir.     J.  Muir,  Original  Sanskrit  texts  on  the  origin  and  history  of  the  people 

of  India,  their  religion  and  institutions,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  London  1872. 
Muratori.     Ijud.  Ant.  ]Muratori  (geb    1672,  st.   1750),   Antiquitates  Italicae  me- 

dii  aevi,  6  Bde.,  Mediolani  1738—1742. 
Mutio.     Hieronymo   Mutio    Justinopolitano    (d.  h.  aus  Capo  d'Istria,    st.   1564), 

Trattato  di  matrimonio,  alla  Signora  Tullia  d'Arragona  (2.  Theil),    in  den 

Operette  morali  del  Mutio  Justinopolitano ,  di  nuova  ristampate,   in  vine- 

gia  appres.so  Gabriel  Giolito  de  Ferrari  e  fratelli,  1553. 
Neck.     Relation    du    second   voiage    de   Jaques   van  Neck,    Amiral  Hollandais, 

aux  Indes  Orientales  (von  1600—1604),  bei  Constantin  Bd.  2  S.  177  —  279; 

S.   250  ff. :  Divers  memoires  touchant  les  Indes  orientales. 
Nelson.     J.  H.  Nelson,  A  view  of  the  Hindu  Law  as  administered  by  the  High 

Court  of  Judicature  at  Madras,  Madras,  Calcutta  und  Bombay  1877. 
Nestor.     S.  Miiller  (J.)  und  v.  Schlozer. 
Noldeke.     Th.  Noldeke,  Geschichte  der  Perser  und  Araber  zur  Zeit  der  Sasa- 

niden,  aus  der  arabischen  Chronik  des  Tabari  iibersetzt  und  mit  Erliiute- 

rungen  versehen,  Leyden  1879. 
Nolten.     Rud.  Aug.  Noltenii  Diatribe  de  juribus  et  consuetudinibus  circa  villi- 

cos,  vulgo  von  Meyer-Recht  und  Gewohnheiten,  Brunsvigae  1738. 
Noordewier.     M.  J.  Noordewier,  Nederduitsche  Regtsoudheden,  te  Utrecht  1853. 
Nork.     F.  Nork  (Friedrich  Korn) ,    Die  Sitten   und  Gebrauche    der   Dcutschen 

und  ihrer  Nachbarvolker,  Stuttgart  1849. 
Notices.     Notices    et   extraits   des  manuscripts    de    la  bibliotheque    du    Roi    et 

auti-es    bibliotheques,    publies    par    Tlnstitut   Royal    de    France,    Bd.  14, 

Paris  1843. 
Nowairi.     S.  Nuweiri. 
Nuits    d'epreuve.      Les   nuits   d'epreuve   des   villageoises    Allemandes    avant    le 

mariage,  2"  6d.,  Bruxelles  1877,  postface  §  6:  droit  du  seigneur. 
Nuweiri.     Historia  regum  Arabum  et  praesertim  regum  Jactanidarum  in  Arabia 

felice,  ex  Nuweirio  (st.  1348),  bei  Schultens  S.  47 — 93. 
0'Curry.     Eugene  0'Curry,  On  the  manners  and  customs  of  the  Ancient  Irish, 

A  series  of  lectures,  3  Bde.,  London.  Dublin  und  New-York  1873. 
0'Kearney.     Nicholas  0"Kearney,    The    battle    of   Gabhra  (Garristown)    in    the 

County  of  Dublin.    fought  A.  D.  283,    for   the   first  time  edited   from  an 
ScLmitt,  .Jus  iiiimae  uoctis.  n 


XXXIV  Titel  der  benutzten  Bllcher. 

Original  Irish  Manuscript,  Dublin  1853,  in  den  Transactions  of  the  Ossla- 

nic  Society,  for  the  year  1853,  Bd.  1,  Dublin  1854. 
Oldenberg.     H.    Oldenberg,    Das    Qankhayanagiihyam .    bei    A.   Weber   Bd.   15, 

Lelpzig  1878,  S.  1—166. 
Olearius.    Adam  Olearius  (Oehlschlager,  geb.  um  IGOO,  st.  1671),  Muskowitische 

und  Persianische  Reisebeschreibung,  Hamburg  1696.    Vgl.  auch  Mandelslo 
Olim.     Les  Olim ,    ou  Registres  des  arrets  rendus  par  la  cour  du  Roi  sous  les 

regnes  de  S.  Louis  etc.  publies  par  le  Conite  Beugnot,  t.  I  (1254 — 1273), 

Paris  1839. 
Olive.     Les   oeuvres   de   Simon  d"01ive.    sieur    de  Mesnil    (seit    1628  Rath    am 

Parlament  zu  Toulouse),  Lyon  1607,  liv.  2  chap.  1:    Des    droits  seigneu- 

riaux  'extraordinaires  et  contre  les  bonnes  moeurs. 
0'Reilly.     Edward  0'Reilly,  Irish-English  Diationary,  Dublin  1817,  in  4". 
Or.  und  Occ.     Orient    und  Occident,    insbesondere    in   ihren   gegenseitigen  Be- 

zieliungen.     Vierteljahrsschrift,  herausg.  von  Theodor  Benfey,  Gottiitgen. 
Orig.  Gruelf.     Origines  Guelficae  etc. ,    ex    schedis   manuscriptis  Godofredi  Gui- 

lielmi  Leibnitii,  Joh.  Georgii  Eccardi  et  Joh.  Danielis  Gruberi  edidit  Chri- 

stianus  Ludovicus  Scheidius,  Hannoverae,  Bd.  2,  1751,  Bd.  8,  1752,    und 

Bd.  4,  1753,  in  fol. 
Osenbriiggen,  R.-A.    Eduard  Osenbriiggen  (geb.  1809,  st.  9.  Juni  1879),  Deutsche 

Reclitsalterthiimer  aus  der  Schweiz,    Ziirich  1858;    XII:    Das   jus  primae 

nocti.s. 
—     Studien.     E.  Osenbriiggen,    Studien    zur    deutschen    und    schweizerischen 

Rechtsgeschichte,  SchafFliavisen  1868:  IV:  Das  jus  prim.ae  noctis. 
Oviedo.     Gonzalo  Fernandez  de  Oviedo  y  Valdes  (geb.  1478,  st.  1557),  Historia 

general  y  natural  de  las  Indias  (erschien  zuerst  1535  —  1548),  Madrid  1851 

bis  1852. 
Faponius.     Jo.    Paponius    (Jean    Papon,    geb.    1505,    st     1590),    Corpus    Juris 

Francici,    seu  absolutissima  collectio  Arrestorum  sive  rerum    in   supremis 

Franciae  tribunalibus  et  parlamentis  judicatarum,  Colon.  Allobr.  1624. 
Parei.     Dan.  Parei  Historia  Bavarico-Palatina,  Francof.   1727. 
Pars.     Adrianus  Pars  (geb.  im  Haag  14.  Oct.   1641,  st    29.  Miirz  1719),    Catti 

Aborigines  Batavorum,  dat  is  De  Katten  de  voorouders  der  Batavieren  ofte 

De  twee  Katwijken  aan  See  en  aan  de  Rijn,  Ausgabe  von  P.  v.  d.  Schel- 

ling.  te  Leiden  1745  (Katwijke  Oudheden). 
Pastoret.     Marquis  de  Pastoret  (geb.  1756,  st    1840),    pr^face   in    den  Ordon- 

nances  des  Rois  de  France  de  la  troisieme  race,  vol.   18,  Paris  1828. 
Peignot.     :£tienne    Gabriel    Peignot    (geb.    15.    Juni  1767,    st.    14.  Aug.   1849), 

Tableau  des  moeurs  au  dixieme  siecle,  ou  la  Covir  et  les  Lois  de  Howel- 

le-Bon,  Roi  d'Aberfraw  de  907  ;\  948,  Paris   1832. 
Pelletier.     Dom  Louis  de  Pelletier  (geb.  22.  Jan.  1663,  st.  1733),  Dict.ionnaire 

de  la  langue  Bretonne,  Paris  1752. 
Pericaud.     Antoine  Pericaud  atne  fgeb.  4.  Dec.   1782,  st.  25.  Oct.  1867),  Notice 

sur  Guillaume  de  Thurey,  archeveque  de  Lyon,  Lyon  1856. 
Pertile.     Ant.  Pertile,   Storia  del  diritto  Italiano,   vol.  III:    Storia    del    diritto 

privato,  Padova  1872. 
Pertz,  s.  Mon.  Germ. 
Petr.  Greg.     Petrus  Gregorius  Tholozanus  (st.   1597),    De    republica   libri    sex 

et  viginti,  ed.  nova,  ex  offic.  Paltheniana  1597. 
Peuchet-Chanlaire.     Jacciues    Pcucliet    (geh.   0.  Miirz   1758,    st.    28    Scpt    1830) 


Titel  dcr  bciiutztcn  BUcher.  xxxv 

ct  Picrrc  ()r(^s"'rc  Chanlairc  (gcb.   1738,  .st.    1817),    Dcscription    topogra- 

l>liii|uc  ct  statistiquc  de  la  France,  I)6p.  Tarn  et  Garonne  [1839]. 
Pfannenschmid.    Ileiuo  Pfannenschniid  (geb.  21.  Miirz  1828),  Gcrmanische  P^rntc- 

fcste  im  heidnischen  und  christlichen  Cultus,  Ilannover  1878. 
Pfeiffer.     Franz  Pfeifter  (geb.  27.  Febr.  1815,  st.  29.  Mai  18G8),    Bricfwcchscl 

zwischen  Joseph  Frcilierrn  von  Lassberg  (gcb.  10.  April  1770.  st.  15.  Mar/. 

1855)  und  Ludwig  Uhland,  Wian  1870. 
Phillips,  K.-R.     Georg  Phillips  (gcb.   G.  Jan.    1804,  st.  6.  Scpt.  1872),  Kirciion- 

rccht.  Regensburg  LS45  fF. 
Phillips,  R.-G.     Georg  Phillips,  Englischc  Rcichs-  und  Rechtsge.scliiclitc,  2  Bdc, 

Bcrlin  1827. 

—  1840.  Georg  Phillips,  Uebcr  den  Ursprung  der  Katzenmusilvcn ,  eiiie 
canonistisch-mythologische  Abhandlung,  Freiburg  i.  Br.   1849. 

Finard.  Jules  Pinard ,  ifctude  sur  les  moeurs  et  les  coutumes  fcodales  du 
Bcarn,  in  der  Revue  des  societ^s  savantes  des  dcpartements ,  2"  partie, 
tome  V,  Paris  1861,  S.  425—444  und  625—642. 

Pinault  de  Jaunaux.  Recueil  d'Arrets  notables  du  Parlement  de  Tournay,  par 
Messirc  Mathieu  Pinault,  chevalier  seigneur  de  Jaunaux  (Vicepriisident 
am  Parlament  zu  Tournay),  tome  II,  Valenciennes  1702. 

Pinkerton,  Enquiry.  John  Pinkerton  (geb.  27.  Febr.  1758,  st.  10.  Mai  1826), 
An  Enquiry  into  the  history  of  Scotland  preceding  the  rcign  of  Mal- 
colm  III  or  the  year  1056,  2  voL,  London  1794. 

—  Vitae.     Joannes  Pinckerton,  Vitae  Sanctorum  Scotiae,   Londini  1789. 

—  Voyages.     S.  Hamilton. 

Piot.     Cartulaire  de  rAbbaye    de  Saint-Trond,    publie    par  Ch    Piot,    2  Bde., 

Bruxelles  1870  und   1874,  in  4«. 
Piper.     Friedr.    Gottlieb    Piper    (oder    Pieper,    st.  21.  Miirz  1768),    Gedanken 

vom  Bedemuths-  und  Bettemunds-Recht  in  Westfalen,  Halle  1761. 
Plinius.     Caji  Plinii  Secundi  (des  Aelteren,  geb.  23,  st.  79)  Historiae  naturalis 

libri  XXXVII,  ed.  Johannes  Harduinus,  Parisiis  1741. 
Plot.     Robert  Plot  (geb.  1640,  st    1696) ,  The  natural  history  of  Staffordshire, 

Oxford  1686. 
Pocock.     Spccimen   historiae  Arabum,    sivc   Grcgorii  Abul  Faragii  Malatiensis 

de    origine    et    moribus   Arabum   succincta   narratio ,    in    linguam    latinam 

conversa,  notisqiie  illustrata  Opera  et  studio  Eduardi  Pococki  (geb.  1604, 

st.  1691),  Oxoniae  1650;   und  neue  Ausg.  von  Jos.  White,  Oxoniae  1806. 
Polo.     The  travels  of  Marco  Polo  a  Venetian    in  the  thirteenth  century  (starb 

1323),  translated  from  the  Italian,  with  notes,    by  William  Marsden  (geb. 

1754,  st.  1836),  London  1818. 
Pol.  Verg.     Polydorus  Vei-gilius  (geb.  zu  Urbino  um  1470  ,  lebte  seit  1503  zu 

London,  st.  zu  Urbino  1555),  De  rerum  inventoribus  libri  octo  (mit  Vor- 

rede  aus  Urbino  vom  24.  Juli  1499),  folgende  Ausgaben;  Argentor.  1509 

in  8",  Basileae  1521  in  fol.,  Basileae  1532,  Basileae  1575,  Amstelod.  1671. 
Post.     Alb.   Herm.  Post,    Die    Geschlechtsgenossenschaft    der    Urzeit    und    die 

Entstehung  der  Ehe,  Oldenburg  1875. 
Potgiesser.     Joachim  Potgiesser  (geb.  zu  Dortmund  1.  Sept.  1679,  st.  27.  Dec. 

1745),  Comment.  jur.  Germ.  de  statu  servorum,  Lemgoviae  1736. 
Potthast.    Franz  August  Potthast  (geb.  zu  Hoxter  13.  Aug.  1824),  Wegweiser 

durch   die  Geschichtswerke   des  Mittelalters ,  von  375  — 1500,  Berlin  1862^ 

mit  Supplement  v.  1868. 


XXXVI  Titcl  cler  beniitzten  Biicker. 

Praetorius.     Franciscus  Praetorius,    Fabula   tle    regina  Sabaea  apud  Aethiopes 

(diss.  inaug.),  Halis  1870. 
Pragmat.    Drets.     Pragmaticas    y    altres    Drets    de    Cathalunya,    compilats     en 

virtut    del  cap.  de  Cort  XXIIII.   de   las  Corts    per  la  S.  C.  y  Reyal  Ma- 

jestat  del  Rey  Don  Philip  nostre    senyor  celebradas  en  la  vila  de  Montso 

any  1585,  volum  segon,  en  Barcelona  any  1589.     (Vgl.  oben  Const.  Cath.) 
Preuss.  Jahrb.     Preussische  Jahrbiicher,  herausg.  von  v.  Treitschke  und  Weh- 

renpfennig,  Bcrlin. 
Pufendorf.     Friderici    Esaiae    Pufendorfii    (geb.    1G32 ,    st.   1694)    Observationes 

juris  universi,  Bd.  2  u.  3,  Hannoverae  1748,  1756. 
Pujades.     Geronimo    Pujades    (geb.    zu    Barcelona    30.    Sept.    1568.    st.    1650), 

Cronica   universal   del    Principado    de    Cataluiia.    escrita   a   principios   del 

siglo  XVII,  Barcelona  1829-1832,  8  Bde. 
Querard.     J.  M.  Querard,  La  France  litteraire,  Paris  1827  —  1864.  12  Bde. 
Quix.     Christian  Quix,  Codex  diplomaticus  Aquensis,    Anhang  zur  Geschichte 

der  Stadt  Aachen,  2  Bde.,  Aachen  1840  und  1841. 
Raepsaet.     Jean  Joseph  Raepsaet  (st.  19   Febr.  1832),  Rccherches  sur  roriginc 

et  la  nature   des    droits  connus  anciennement  sous    les   noms   de  droits  de 

premieres  nuits,  de  markette,  d'afForage,  marcheta,  maritagium  et  bumede, 

1.  Ausg.  Gand   1817;   2.  Ausg.    in  den  Oeuvres  completes   de  J.  J.  Raep- 

saet,  tome  I,  Gand,  Bruxelles  et  Licge  1838.  S.  199—229;  3.  Ausg.  (bloss 

Abdruck  der  1.  Ausg.)  Rouen  1877. 
Ragueau.     Fran^ois  Ragueau  (st.  1605),  Indice  des  droits  royaux,    Paris  1580. 
Rapp.     Jos.    Rapp.    Ueber    das    vaterliindische    Statutenwesen ,    ius    v.    Mcrsi, 

V.  Pfaundler  uud  Roggel,  Beitrage  zur  Geschichte,  Statistik,  Naturkunde 

und  Kunst  von  Tirol  und  Vorarlberg.  3.  Bd.,  Innsbruck  1827. 
Rastelli.     II  Fodero  ,  o  sia  il  jus  suUe  spose  degli  antichi  signori  sulla  fonda- 

zione  di  Nizza  della  Paglia   nell'  alto  Monferrato.     Poema  satirico  giocoso 

in  ottava  rima  di  Veridico  Sincer  Colombo  Giulio,  Torino  1789.    (Verfasser 

ist  Sincere  Rastelli,  Lehrer  der  italien.  Sprache.  der  1793  in  Lyon  starb.) 
Raumer.     Friedrich  von  Raumer    (geb.  14.  Mai  1781,   st.   14.  Juni   1873),    Ge- 

schichte  der  Hohenstaufen,  Bd.  5,  Leipzig  1825. 
Raynal.     Louis  Hector  Chaudru    de  Raynal  (geb.  28.  Jan.   1805),    Histoirc   du 

Berry,  Bourges  1844,  3  Bde. 
Reoueil  de  Clermont.     Recueil  des  arrets,  declarations  ,  lettres  patentes  du  Roi, 

reglemens,    ordonnances    et   instructions    de    la   Cour    des    Grands   Jours, 

tcniis  a  Clermont  en  Auvergne  Tan  1665  et  1666,  Clermont  1666. 
Reg.  Maj.     Ilcgiam  Majestatem,  ed.  Skenaeus,  Edinb.  1609  und  London  1613, 

auch  in  den  Acts  of  the  Parlaments  of  Scotland  (s.  Acts  etc). 
Regino.     Reginonis    Abbatis    Prumiensis    (st.    915)    libri    duo    de    ecclesiasticis 

disciplinis  et  religione  Christiana,  ed.  Baluzius,  Par.  1671. 
Rehtmeier.      Phil.    Jul.    Rehtmeier ,    Braunschweig -Lijneburgisclie    Chronica, 

Braunschweig  1^722. 
Remusat.     Abel-Remusat  (geb.  1788,  st.  1832),  Nouvcaux  Mclanges  Asiatiques, 

Bd.  1,  Paris  1829. 
Renauldon.     Joseph  Renauldon    (gcb.    1709),    Traitc    des    droits   seigncuriaux, 

Paris   1765. 
Retcliffe.     Sir   John   RetclifFe    (pseudouym),   Villafranca,    historisch-politischer 

Roman    aus    der    Gcgenwart,    2.    Auil.,    Berlin    1860,    erste   Abtheilung: 

Giuscppe  Garibaldi. 


Titel  der  benutzten  Biicher.  xxxvil 

Reusch.     Franz  Heinricli  Reuscli  (gel).   1825),  Theolog.  Litei-aturblatt,  Bonn. 

Revue,   ^<.  Bartheleniy,  Crazannes,  Pinard. 

Reynitzsch.     Wilh.    Reynitzsch,    Ueber    Truhten    und    Truhtcnsteine  u.  s.  w., 

Gotha   1802. 
Richard.     Charles  Louis  Richard   (ffoli.   1711,  .st.   1(5.   Au^^    1794),    Analyse  de.s 

Conciles,  Paris   1777. 
Richter,  Conc.  Trid.     Acniilius  Ludovicus  Richter  (geb.  1808,  st.  8.  Mai  1864), 

Canones  et  Decreta  Concilii  Tridentini  etc.     Lipsiae  1853. 
Riedel.     Adolph  Fr.  Riedel,  Die  Mark  Brandenburg  um  1250,  Bd.  2,  Berl.  1832. 
Rive.     C.  C.  H.  Rive,  Ueber  das  Bauerngiiterwesen  in  den  Grafschaften  Mark, 

Recklinghausen,  Dortmund  etc.     Koln  1824. 
Rjumin.     Bestushew-Rjumin ,    Geschichte    Russhmds,    iibersetzt    von    Theodor 

Schiemann .  Bd.   1.  Mitau   1877. 
Robertson.     William  Robertson  (geb.   1721.  st.   1793),    The  history  of  8cotland, 

2  Bde.,   London  1761    (auch  in  Uebers.  deutsch    von  M.  Th.  Chr.  Mittel- 

stedt,  2  Bde  ,  Braunschweig  1762.  franzosisch :    Histoire  de  TEcosse,    par 

Guillaume  Robertson,  trad.  de  l'Anglais,  3  Bde  ,  Londres  1764). 
Rosch.     Gustav  Rosch,  Die  Konigin  von  Saba  als  Ktinigin  Bilqis,  Leipzig  1880. 
Roger.     S.  Arnold,  Chr. 
Roquefort.     Jean    Baptiste    Bonaventure    de    Roquefort     (geb.     15.    Oct.    1777, 

st.    17.    Juni    1834),    Glossaire    de    la  hangue  Romaine.    Paris  1808.    und 

Supplement,  Paris  1820. 
Rotteck  u.  Welcker.     S.  Kolb  (1842). 
Runde.     Justus     Friedrich     Runde.     Grundsiitze     des     gemeineu     Privatrechts, 

8.  Autl.,  Gottingen  1829. 
Rymer.     Thomas  Rymer   (geb.    vor    1650.    st.    14.    Dec.    1713),   Foedera,  con- 

ventiones,  litterae  et  cujuscunque  generis  acta  publica  inter  Reges  Angliae 

et  alios  quosvis  Imperatores ,  Reges ,  Pontifices  vel  Communitates,  Bd.  13 

der  ersten  Ausg.  (Londini  1712).    Bd.  5  der  zweiten  Ausg.  (von  Holmes. 

Hagae  Comitis  1741)  und  Bd.  2  der  vierten  Ausg.  (Londini  1818). 
Sacy.     A.   I.    Syivestre    de    Sacy   (geb.    21.    Sept.    1758,    st.    21.    Febr.    1838), 

Excerpta  ex  Abulfeda,  de  rebus  Arabum  ante  Mohammedem.  als  Appen- 

dix  zu  Pocock  (s.  oben) ,    Ausg.  v.  Jos.   White.  Oxoniae  1806,  S.  413  fi'. 

—  Mem.  A.  I.  Sylvestre  de  Sacy,  Memoire  sur  divers  evenemens  de  riiistoire 
des  Arabes  avant  Mahomet.  in  den  Memoires  de  litterature  de  TAcademie 
francaise  des  inscriptions  et  belles  lettres,  tome  48,  Paris  1808,  S.  484 — 683. 

Saint-Amans,  1812.  M.  Jean  Florimond  Boudon  de  S.  Amans  (zu  Agen  geb. 
24.  Juni  1748,  st.  28.  Oct.  1831),  Voyage  agricole,  botanique  et  pittoresque 
dans  une  partie  des  Landes  de  Lot-et-Garonne  et  4e  celles  de  la  Gironde, 
bei  Malte-Brun,  Bd    18,  Paris  1812. 

—  1818.  M.  de  S.  Amans.  Voyage  agricole .  botanique  et  pittoresque 
dans  une  partie  des  Landes  de  Lot-et-Garonne  et  de  celles  de  la  Gironde, 
Agen  et  Paris  1818. 

Saint-Pargeau.     Girault  de  Saint-Fargeau.  Dictionnaire  geographique.  historique 

et  commercial  de  toutes  les  communes  de  la  France.  vol.  II,  Paris  1845, 

S.  628—630  (Montauban). 
Saint-Foix.     Germain  Fran^ois    Poullaiu   de    Saint-Foix    (geb.    5.   Febr.    1698, 

st.  25.  Aug.   1776),  Essais  historiques  sur  Paris,  Bd.  2,  Londres  1767. 
Sale  (engl.)     George  Sale  (geb.  1680,  st.   1736).    The  Koran  with  explanatory 

notes,  London  1764. 
Schmit t,  .Jus  primae  nocti-j.  C** 


xxxvin  Titel  der  beiiutzten  Biicher. 

Sale  (franz.).    George  Sale.  Observations  historiques  et  critiques  sur  le  Moha- 

metisme.  Geneve  1751. 
Salis.     Karl    Ulysses    v.    Salis    v.    Marschlins    (geb.    1728.   st.  1800),    Beitrage 

zur     naturlichen    und    okonomischen     Kenntniss     des    Kiinigreichs    beeder 

Sicilien.  Ziirich   1790. 
Salmasius.     Claudii  Salmasii  (Claude  Saumaise.    geb.  1588,  st.  1653)  Plinianae 

exercitationes  in  C.  Julii  Solini  Polyhistora,    Traj.  ad  Rhenum  1689. 
Sanchez.     Thomas  Sanchez  (geb.  1551,  st.  1610),    De  sancto  matrimonii  sacra- 

mento.  Antverp.   1626. 
Schaffner.     AVilhehn  Sch;itt'ner,    Gesclilclite    der    Staats-    und  Rechtsverfassung 

Frankreiclis.  Bd.   2.  Frankfurt  a.  M.   1859. 
Schannat.     Joannis  Friderici  Schannat  (geb.  1683.  st.  1739)  Corpus  traditionum 

Fuldensium,  Lipsiae  1724.  fol. 
Schelling.     P.    van   der  Schelling,    HoHands  Tiend-Regt.  of  Verhandeling  van 

het  Regt  tot  de  Tienden.  toekomende  aan  de  Graafelykheid,  en  de  Heere- 

lykheden  van  HolLand  en  Westvricshiiul  etc.     1.  Deel,  Rotterdam  1727. 
Scherr,  1858.     Johannes    Scherr    (geb.    1817).    Deutsche    Cultur-    und   Sitten- 

geschichte,  2.  Aufl.,  Leipzig  1858  (auch  6.  Aufl. ,  Leipzig  1876). 
—     1865.     Johannes  Scherr,    Geschichte  der  deutschen  Fraiienwelt ,    2.  Aufl.. 

Bd.   1,  Leipzig  1865. 
Sclierz.     Johann  Georg  Scherz    (geb.   1678,  st.   1754),    Glossarium  Germanicum 

medii  aevi,  Argentorati  1781,  1784,  2  Bde. 
ScMlter.     Joh.    Schilter    (geb.    1632,    st.    14.    Mai   1705),    Praxis  .iuris  Romani 

in  foro  Germanico ,  Francof.  1733,  darin  die   Excrcitationes  ad  Pandectas. 
Schlozer.     August  Ludwig  v.  Schlozer  (geb.  1735,  st.  1809),  Nestor"s  russische 

Annalen .    in    ihrer    slavonischen    Gnmdsprache    vergliclicn,    iibersctzt  und 

crkliirt,  Thl.   1   u.  2.  Gottingen   1802,  Thl.  5.  GiHtingen   1809. 
Schmeller-Frommann.      Bayerisches    Worterbuch    von    Joh.    Andreas    Schmeller 

(geb.  6.  Aug.  1785,   st.  27.  Juli  1852),    2.  Ausg. ,    bearbeitet   von    Georg 

Karl  Frommann  (geb.  31.  Dec.   1814),  Bd.  1.  Miinchen   1872. 
Schmid,  Fr.  X.     Franz    Xaver   Schmid.    Cultus    der   christkathoiischen    Kirche, 

3.  Band  (Liturgik),  3.  Aufl.,  Passau  1842. 
Schmid,  R.     Reinhold    Schmid    (geb.    29.   Nov.    1800.    st.   21.  April  1873),  Die 

(lesetze  der  Angelsachsen ,  in  der  Ursprache  mit  Uebersetzung ,    Erlaute- 

rungen  und  einem  antiquarischen  Glossar,  2.  Aufl.,  Leipzig   1858. 
Schmilg.     Joseph    Sclimilg,    Ueber    Entstehung    und    historischen    Werth    des 

Siegeskalenders  Megillath  Ta'anith.  Leipzig  1874. 
Schmitz.     Ludwig  Friedrich  von  Schmitz.  Denkwiirdigkoiten  aus  Soest's  Vor- 

zeit ,  Leipzig  1873. 
Schonemann.     C.    P.    C.    Schiinemann.    Hundert  ISIerkwiirdigkoiten   der  iierzog- 

lichen  Bibliothek  zu  Wolfenbiittel,  Hannover  1849. 
Schonwerth.     Fr.  Schonwerth.    Aus  der  Oberpfalz,  Sitten  und  Sagen,   l.  Tlieil. 

Augsburg  1857. 
Schottel.     Justus  Georg  Scliottel  (geb.  1612,  st.  25.  Oct.  1676),  Dc  singularibus 

antiquis  in  Germania  juribus,  Francof.   et  Lips.  1671. 
Schultens.    Historia  Imperii  vetustissimi  Joctanidarum  in  Arabia  felice,  ex  Abul- 

feda,  Hamza  Ispahanensi,  Nuweirio,  Taberita.    Mesoudio  etc,  excerpta  ab 

Alberto  Schultens  (geb.  1686,  st.  26.  Jan.  1750),  Harderovici  Gelrorum  1786. 
Schultz,  A.     Alwin  Schultz.    Das    hofische    Leben   zur   Zeit    der   Minnesinger. 

2  Bde..  Leipzig  1879  und  1880. 


Titol  der  benutzten  Blicher.  xxxix 

Schweiz.  Gesch.-F.     Dor  Scliwei/erische  Cieschiehtsforsclier .  1.  Bd. ,  Bern  1812. 
Schwenck.     Kourad  Schwenck  (geb.  1793,  st.  18()4),  Worterbiicii  der  deutsclieii 

Sl)raciie.    1.  Aufl.,  Franlvfurt  a.  M.  1855. 
Script.  post  Bedam.     [Sir  Henry  Savile  (geb.  30.  Nov.  1549.  st.  19.  Febr.  1621)], 

Kcruiii    Aiiglicarum    Scriptores    post    Bedam    praecipui,    ex    vetustissimis 

codicii)us  manuscriptis  nunc  primum   in  lucem  editi,  Francof.  1001,  fol. 
Sect  of  Maj.     History    of  thc   Sect    of   Mahar/ijas   or    Vallabhacharyas    in  We- 

stern    India .    London   1865.    mit    Appendix .    containing    specimens    of   the 

evidence    and    tlie    .judiiment    iii    the    libel    case .    with    comments    of    the 

InJian  press. 
Seibertz.     doh.    Suibert    Seil)ertz,    Urkundenbuch    zur    Landes-    und    Rechts- 

geschichte    des    Herzogthums   Westfalen,    3  Biinde,    Arnsberg  1839,  1843 

und  1854. 
Selden.     John  Selden  (geb.   16.  Dec.   1584,    st    30.  ^"ov.   1()54),    Uxor  Ebraica, 

ed,  hova.   Francof.  ad  Oderam    1695  in  4"    (auch    Joannis    Seldeni    Juris- 

consulti  opera  omnia,  vol.  II,  Londini  1726  iii  fol.). 
Sempere.     J.  Sempere,   Betrachtungen   iiber   die  Ursachen  der  Grosse  und  des 

Verfalls  der  spanischen  INIonarchie,  iibers.  und  mit  Anmerk.  begleitet  von 

H.  Schafer,   1.  Theil.  Darmstadt  1829. 
Serrin.     Actions  notables  et  plaidoyez  de  ISIessire  Lovys  Servin  (geb.  um  1555. 

st.  19.  INItirz  1626),  a  la  lin  de^^quels  sont  les  arrests  intervenus  sur  iceux. 

Paris  1631  in  4". 
Sigonius.     Carlo    Sigonio    (geb.    1524,  st.   1584),    Ilistoriarum  de  Regno  Italiae 

libri  viginti.  Francof.  1591. 
Simon.     Padre  Fray  Pedro  Simon    (lebte  in  der  ersten  Halfte  des  17.   Jahrh.), 

Primera  parte  de  ]as  Noticias  historiales  de  las  Conquistas  de  tierra  firme 

en  las  Indias  Occidentales ,  Cuenca  1626. 
Simon  d'01ive.     S.  Olive. 
Simrock.     Karl    Simrock    (geb.    28.    Aug.    1802.    st.  18.  Juli  1876),    Handbuch 

der  deutschen  Mytliologie ,  2.  Autl.,  Bonn  1864. 
Skene,  J.     Regiam  Majestatem  Scotiae,  sive  veteres  leges  et  constitutiones,  ed. 

Joannis  Skenaei  (Sir  John  Skene,  geb.  um  1540,  st.  1617),  Londini  1613. 
Skene,  W.     AVilliam  Forbes  Skene,  Introduction  to  The  Dean  of  Lismore"s  book, 

a  selection  of  ancient  Gaelic  poetry.    edited  by  Th.  M'^'  Lauchlan,    Edin- 

burgh  1862. 
Smallegange.     M.  Smallegange .    Nieuwe  Cronyk   van  Zeeland ,   A-ervattende  de 

voor    desen    uitgegeven    Cronyken    van    de    Heeren    Jacobus    Eyndius    en 

Johan  Reygersberg.  veel  vermeerdert  outrent  deses  Landschaps  Oudheden 

en  Herkomsten  etc.     Tot  ^Middelburg  1696. 
Sohm.     R.  Sohm,  Recht  der  Eheschlies.sung,  Weimar  1875. 
Solinus.     C.  Julii  Solini  (aus  dem  3.  Jahrh.)  Polyhistor,  Lugd.  Bat.  1646  und 

Traj.  ad  Rhenum  1689,  auch  Ausg.  v.  Th.  Mommsen ,  Berol.  1864. 
Sommer.     Johann    Friedrich    Joseph    Sommer,    Handbuch  iiber  die  bauerlicheu 

Rechtsverhiiltnisse  etc. ,   1.  Thl. ,  2.  Band,  Hamm  1830. 
Spelman.     Sir   Henry    Spelman    (geb.    1562,    st.    1641),    Glossarium    Archaeo- 

logicum,  Londini  1664.     (Die  erste  Ausgabe  erschien  1626). 
Spitzer.     D.  Spitzer,  Das  Herrenrecht^  Novelle  in  Briefen,  W'ien  1877. 
Spix.     Johann  Baptist   v.    Spix    (geb.    9.    Febr.  1781,    st.  13.  Mlirz  1826)  und 

Karl  Friedr.  Phil.  v.  Martius    (s.  Martius).    Reise    in  Brasilien,    3.  Theil. 

Munchen  1831. 


XL  Titel  der  benutzteii  Bliclier. 

Spotswood.  John  Spotswood  (geb.  1562,  st.  1641),  The  history  of  the  Church 
and  State  of  Scotland,  beginning  the  year  of  our  Lord  203  and  continued 
to  the  end  of  the  reign  of  king  James  VL.  4.  ed.  London   1677. 

Steinschneider,  1857.  Moritz  Steinschneider  (geb.  30.  ^Marz  1816),  Jewish 
Literature,  London  1857. 

—  1867.  Moritz  Steinschneider.  Alfarabi,  des  arabischen  Philosophen  Leben 
und  Schriften,  nebst  Anhiingen.  eine  am  21.  Miirz  1867  iiberreichte  Denk- 
schrift.  in  den  ^SIeraoires  de  l"Acadomie  des  scienccs  de  St.  Petersbourg, 
tome  13,  Nr.  4,  St.  Petersbourg  1869. 

—  1877.  Moritz  Steinschneider ,  Poleniische  und  apologetische  Literatur  in 
arabischer  Sprache ,  Leipzig  1877,  in  den  Abhandlungen  flir  die  Kunde 
des  Morgenlandes,   Bd.  6. 

Stenzler.  Adolph  Friedrich  Stenzler  (geb.  1807),  CTrihyasutrani.  indische  Haus- 
regeln,  Sanskrit  und  Deutsch,  I.  Agvalayana  (2.  Heft ,  Uebersetzung), 
Leipzig  1865,  und  II.  Paraskara  (2.  Heft,  Uebersetzung) ,  Leipzig  1878, 
in  den  Abhandlungen  fiir  die  Kunde  des  Morgenlandes ,  herausgegeben 
von  der  deutsch-morgenlandischen  Gesellschaft,  Bd.  3  und  Bd.  6. 

Stepf.     Joh.  Heinr.  Stepf,  Gallerie  aller  juridischen  Autoren,    Leipzig    1820  ff. 

Stephen.  Henry  John  Stephen  (st.  im  Dec.  1864),  New  Commentaries  on  the 
Laws  of  England,  5^1^  ed  ,  by  James  Stephen,  London  1863,  4  Bde. 

Strabo.  Strabo  (geb.  um  66  v.  Chr  .  st.  um  24  n.  Chr.) ,  De  situ  orbis,  ed. 
C.  :\ruller,  Parisiis  1853. 

Stryk.     Sam.  Strykii    Usus  modernus  Pandectarum. 

Stumpff,  Joh.  Johann  Stumpfl",  Gemeiner  lobliclier  Eydgenossenschaft  Statten, 
Landen  und  "Volkern  Chronik .  Ziirich  1548. 

Stumpf,  K.  Fr.  Karl  Friedrich  Stumpf,  Chronologisches  Verzeichniss  der 
Kaiserurkunden  des  10.,  11.  und  12.  Jahrhunderts ,  Innsbruck  1865,  und 
Die  Reichskanzler  etc,  Bd.  2,  Innsbruck  1868. 

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St.  Petersburg  1861. 

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Surius.  De  probatis  sanctorum  historiis,  partim  ex  tomis  Aloysii  Lipomani, 
partim  etiam  ex  egregiis  manuscriptis  codicibus ,  optima  fide  collectis 
atque  aliquot  Vitarum  accessione  auctis  per  F.  Laurentium  Surium 
(st.  25.  Mai  1578),  Bd.  3,  Colon.  Agripp.  1579  und    1618. 

Thaumassiere.  Coutumes  de  Beauvoisis,  par  Messire  Philippe  de  Beaumanoire, 
bailli  de  Clermont  en  Beauvoisis,  avec  des  notes  et  observations  par  Gas- 
pard  Thaumas  de  la  Thaumassiere  (geb.  zu  Bourges  um  Mitte  des 
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dcurluchtiglic  Ilooc-hccden,  Graven  van  Vlaenderen .  aus  dcr  Zeit  von 
1560  bis  1629,  Ghendt  162l\ 

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1716,  st.  3.  Juli  1795),  ouvrage  orne  des  figures  etc.  et  qui  contient  une 
histoire    des  Yncas    du    Peru,    Amsterdam  et  Leipzic  1752.  2  Bde.  in  4". 

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Varnhagen.  Johann  Adolph  Theodor  Ludwig  Varnhagen,  Grundlage  der 
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Varthema.  The  travels  of  Ludovico  di  Varthema  (eines  romischen  Patriciers 
aus  Bologna,  der  zu  Anfang  des  16.  Jahrh.  lebte)  in  Egypt,  Syria,  Arabia 
deserta  and  Arabia  felix ,  in  Persia .  India  and  Ethiopia,  A.  D.  1503  to 
1508,  translated  from  the  original  Italian  edition  of  1510,  with  a  preface 
by  John  Winter  Jonef,  and  edited  with  notes  and  introduction  by  George 
Percy  Badger,  London  1863  in  8".  Daneben  sind  auch  zw^ei  deutsche 
Ausgaben  desselben  Verfassers  benutzt,  namlich :  Ludwig  Bartomans, 
eines  romischen  Kathsherrn ,  von  der  Schifffahrt  etc. ,  bei  INIichael  Herr, 
Neue  Welt,  Strassburg  1534,  Bl.  58  ff. ,  und:  Die  ritterliche  vnd  lob- 
wirdige  Reyss  des  Gestrengen  vnd  vber  all  ander  weit  erfarnen  Ritter 
vnd  Landtfarer  Herrn  Ludouico  Vartomans  von  Bolonia  etc.  Frank- 
furt  a.  M.  1556. 

Velly.  Paul  Fran^-ois  Velly  (geb.  9.  April  1709,  st.  4.  Sept.  1759),  Histoire 
de  France,  tome  VI,  Paris  1758. 

Verhuefen.  Indiae  Orientalis  pars  nona ,  historicam  descriptionem  navigationvs 
ab  Hollandis  et  Selandis  in  Indiam  Orientalem ,  sub  imperio  Petri  Gui- 
lelmi  Verhuffii,  cum  novem  majorum  et  quatuor  minorum  navium  classe 
annis  1607,  1608  et  1609  susceptae  continens,  auctore  M.  Gotardo  Ar- 
thusio  Dantiscano,  Francof.  1612. 

Vering,  Arch.     Friedrich  Vering,  Archiv  fiir  Kirchenrecht,  Bd.  40,  Mainz  1878. 

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2-  (3d.  Paris  1871  und  die  1.  Autl.,  Paris  1854.  (Die  3.  Aufl. ,  Paris  et 
Bruxelles  1878,  stimmt  mit  der  2.  iiberein.) 

Vitoduranus.     Joannis   Vitodurani    Chronicon,    die    Chronik    des  Minoriten  Jo- 


XLil  Titel  der  benutzten  Biicher. 

hannes  von  AVinterthur  (st.  nach  1348),  nach  der  Ur!3chrift  herausgegehen 
durch  Georg  von  Wyss ,  Ziirich  1856  (im  Archiv  fiir  schweizerische  Ge- 
schichte,  Bd.  11). 

Voet.  Joh.  Voet  (geb.  3.  Oct.  1647,  st.  17.  Sept.  1714),  Commentariu.s  ad 
Pandectas,  Bd.  1.  Halae  1776. 

Voltaire.  Oeuvres  compl^tes  de  Voltaire  (Marie  Francois  Arouet  de  Voltaire, 
geb.  21.  Nov.  1694,  st.  1778),  avec  des  avertissements  et  des  notes  de 
Condorcet,  imprimees  aux  frais  de  Beaumarchais,  par  les  soins  de  M'. 
Decroix  (Kehl)  1784—1789,  in  40  Banden,  insbes.:  Bd.  8  S.  109—221, 
Le  droit  du  Seigneur,  comedie.  representee  a  Paris,  en  1762,  en  cinq 
actes,  sous  le  nom  de  TEcueil  du  Sage,  qui  u'etait  pas  son  veritable 
titre,  remise  au  theatre  en  1778,  en  trois  actes,  apres  la  mort  de  Tauteur; 
Bd.  27,  S.  191 — 292,  La  defense  de  mon  oncle  (zuerst  1767  erschienen); 
Bd.  37 — 43,  Dictionnaire  philosophique  (vom  Jahr  1764),  unter  Cuissage 
ou  Cullage  und  Taxe.  (Vgl.  Ausg.  Paris  1819-1825  Bd.  5  S.  183-288, 
Bd.  24  S.  247-344,  Bd.  35  S.  44-47,  49,  Bd.  38  S.  362,  363.) 

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volker,  iusbes, :  Thl.  1  (Einheit  des  Menschengeschlechts  und  Naturzustand 
des  Menschen),  Leipzig  1859;  Thl.  3  (die  Amerikaner),  Leipzig  1862.  und 
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von    Gemmingen ,    Bd.   1   (bis  1160),    mit  Benutzung    des   Nachlasses    von 

J.  Fr.  Btihmer  bearbeitet  und  herausgegeben   von  Cornelius   Will,    Inns- 

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Zobel.     Christoph    Zobel,     Ausgabe    des    Sachsenspiegels    mit    Anmerkungcn. 

Leipzig  1561,  fol. 
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Zuckermandel.     M.  S.  Zuckermandel,   Die    Erfurter   Handschrift    der    Tossefta, 

Berlin  1876. 
Zurita.     S.  Qurita. 


Erster  Absclinitt. 

Darstelluiig  iiiid  Beurtlieiluui;  der  uioderueu 
Tlieorieeu  iiber  Jus  priuiae  uoctis. 


I.  EinleituDg.  Art  der  Beweisfulirung. 

A.    BeJiaKptungen    niodenier   Schriftsteller. 

Kapitel  1.  Seit  dem  sechzelmten  Jahrliimdert  verbreitete  sich 
die  Sage,  zur  Zeit  des  Kaisers  Augustus  hatte  Evenus  III.,  Konig 
von  Schottland,  ein  Gesetz  erlassen,  wonach  der  Grundherr  bei 
Hochzeiten  seiner  Untergebenen  das  Recht  haben  sollte,  die  erste 
Keuschheit  der  neuvermiihlten  Jungfrau  zu  kosten.  Dies  Gesetz 
habe  dem  Grundherrn  die  erste  Nacht  gewiihrt  und  sei  erst  nach 
mehr  als  tausend  Jahren  durch  Konig  Malcolm  III.  abgeschafft 
worden.  Manche  Schriftsteller,  die  an  diese  Erzahlung  glaubten, 
verbanden  damit  die  Yorstellung ,  in  andern  Landern  hiitte  das- 
selbe  Recht  gegolten;  und  sie  fanden  darin  das  Mittel,  eine  Reihe 
verschiedenartiger  IS^achrichten  und  Urkunden  zu  erklaren.  Eine 
Zusammenstellung  derselben  steht  schon  in  der  ersten  Ausgabe 
von  Ducange  (1678)  und  im  Glossar  von  Lauriere  (1704)  und  ist 
daraus  mit  mehrfachen  Zuthaten  in  die  neueren  Ausgaben  von 
Ducange  iibergegangen.  Aus  dieser  Quelle  schopften  die  Ency- 
klopiidisten  Boucher  d'Argis  (A.),  Chevalier  de  Jaucourt  (D.  J.) 
und  Garran  de  Coulon  (G.  D.  C.)  ihre  Mittheiluugen ,  die  dann 
von  spiiteren  Schriftstellern  wiederholt  wurden.  Sie  betrachteten 
es  als  geschichtlich  festgestellte  Thatsache,  dass  jenes  Recht  ge- 
golten  habe  *,  oder  wenigstens  von  gewissen  Herren  in  Anspruch 
genommen  worden  sei  ^.     Zu    den  Yertretern  dieser  Meinung  ge- 


*  Encycl.  unter  Culage,  von  Boucher  d"Argis ,  1.  Ausg.  Bd.  4  von  1754, 
S.  548 :  .  .  .  ;,la  coutume  infrtme  qui  donnait  a  ces  seigneurs  la  premiere  nuit 
des  nouvelles  mariees".  .  . 

2  Encycl.  unter  Droits  abusifs,  von  Boiicher  d'xVrgis,  1.  Ausg.  Bd.  5 
von  1755,  S.  142:  .  .  .  „des  droits  de  cullage  ou  de  cuilliage.  et  de  cuisage,  en 

Sclnnidt,  .Jws  primae  noctis.  1 


2  Kapitel  1.    Beliauptungen  moderner  Schriftsteller. 

lioren  Voltaire,  Boutaric,  Renaiildon,  ferner  die  Yerfasser  des 
Grand  Yocabulaire  und  des  Dictionnaire  de  Trevoux,  ferner 
Dulaure,  Merlin,  Dalloz,  Chateaubriand,  Collin  de  Plancy,  Peuchet- 
Chanlaire  und  Girault  de  Saint-Fargeau  ^.  Auch  in  das  Worter- 
buch  der  franzosischen  Akademie  wurde  sie  (1836  und  1844) 
aufgenommen^,  obwohl  sie  inzwischen  durcli  mehrere  Schrift- 
steller  verschiedener  Lander,  insbesondere  durch  J.  Gr.  Heineccius 
(1736),  Wachter  (1737),  Grupen  (1748),  Justus  Moser,  Houard 
(1766  und  1776),  Sir  David  Dah-ymple  Lord  Hailes  (1797)  und 
Raepsaet  (1817)  bekampft  war. 

Dieselbe  Lehre  wurde  in  allen  Formen  von  Unterhaltungs- 
schriften  ^  weit  verbreitet.  Schon  Beaumont  und  Fletcher  machten 
jenes  Recht  zum  Mittelpunkt  eines  Schauspiels ,  „Custom  of  the 
Country".  Auch  Voltaire  *  und  Beaumarchais  schrieben  Schau- 
spiele*  dariiber.  Rastelli  folgte  mit  einer  epischen  Dichtung.  Aus 
dem  Schauspiel  von  Beaumarchais  entnahm  Mozart  den  Text  zur 
Hochzeit  des  Figaro.  Auf  dasselbe  Recht  beziehen  sich  komische 
Opern  von  Martini  und  Laval  und  von  Boieklieu,  und  ein  Vaudeville 
von  Delacour  und  Jaine,  ferner  ein  Roman  ^  von  Charles  Fellens 
und  eine  mittelalterlich  geschriebene  romantische  Erziihlung, 
Historial   du    Jongleur,    die  von  Malivoir    herriilirt,    endlich    eine 


vertu  desquels  eertains  seigneurs  pretendoient  avoir  la  premiere  nuit  des  nou- 
velles  mariees".  .  . 

1  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Cuissage  und  Taxe,  upd  Def.  de  mon  oncle. 
Boutaric,  chap.  15,  unter  Droit  de  marquettes.  Renauldon,  liv.  5  ch.  10 
S.  450,  unter  Droit  de  marquettes.  Grand  Yocab.  Bd.  7  S.  308  und  Bd.  17 
S.  173,  236.  Dulaure.  Adel  S.  241—243.  und  Montauban  S.  27,  28.  Merlin, 
Rep. ,  unter  Culage  und  Markette.  Dalloz  im  Dict.  gen.  und  im  Rep.  unter 
Adultfere.  Chateaubriand  S.  386.  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  165,  166. 
Peuchet-Chanlaire ,  Montauban    S.  23,  24.      Girault   de  Saint-Fargeau   S.  629. 

2  Dict.  Acad.  Suppl.  unter  Markette  und  Prelibation.  Dict.  Acad.  Compl. 
unter  Cullage,  Prelibation  und  Jambage.  —  In  der  siebenten  Ausgabe  des 
Dict  de  TAcademie  Frangaise ,  vom  Jalir  1878,  fehlen  die  betrefFenden  Aus- 
spriiche. 

^  Vgl.  die  Verzeichnisse  bei  Pericaud  S.  10;  Lagr^ze  S.  393;  Delpit 
S.  134—136;    Nuits  d'epreuve  S.  82;    Labessade  S.  181—184. 

*  Nach  Voltaire's  „Droit  du  seigneur"  Avar  dies  Recht  in  der  Picardie 
zur  Zeit  Heinrichs  II.  (1547—1559)  dahin  abgeschwacht,  dass  der  Herr  nur 
noch  das  Recht  hatte,  sich  mit  der  jungen  Frau  eine  gewisse  Zeit  lang  unter 
vier  Augen  zu  unterhalten.  —  Man  behauptet,  der  Schauplatz  der  Picardie  sei 
deshalb  gewahlt  ■worden,  weil  dort  friiher  das  jus  primae  noctis  in  bes»nders 
grosser  Ausdehnung  geherrscht  habe.  Vgl.  Hist.  de  Ponthieu  S.  240;  La- 
bessade  S.  73. 

*  Dem  Vernchmcn  nach  ist  kiirzlich  cln  „pikantor  und  scnsationeller''' 
Roman  iiber  jcnes  Rccht  bei  SchottUinder  in  Breshiu  crschicnen. 


Jvjipitcl    1.    BclKiuptuiigeii  modcrncr  Schriftsteller.  3 

Novcllu  iii  Briufen  von  deni  "Wicner  Publicisten  David  Spitzer. 
Die  letztgenannte  Novelle  vcrspottet  einen  Gelelirten,  der  es 
untcrniranit,  den  Glauben  an  jenes  Recht  durch  wissenschaftliche 
Studicn  zu  erschiittern.  Ein  Roman  iiber  Garibaldi's  "Wirksam- 
keit  in  Uruguay  (1842)  enthiilt  ein  Kapitel  mit  der  Ueberschrift: 
„Jus  primae  noctis",  gebraucht  jedoch  diesen  Ausdruck  in  einem 
anderen  als  dem  gewohnlichen  Sinn  des  Wortes,  indem  er  einen 
ungliicklichen  Spieler  schildert,  der  an  seinem  Hochzeitstage  vor 
der  Trauung  das  jus  primae  noctis  an  seiner  Braut  (der  spiiteren 
Gattin  Garibaldi's,  Aniella  Crousa)  gegen  das  Gold  der  Bank 
einsetzte  ^ 

In  Frankreich  entwickelte  sich  ein  lebhafter  Streit  iiber  jenes 
„Droit  du  seigneur"  aus  Anlass  eines  Berichts,  den  Dupin  der 
Aeltere  am  25.  Marz  1854  in  der  Akademie  der  Wissenschaften 
iiber  ein  Werk  von  A.  Bouthors  verlas.  Dupiu  meinte,  es 
sei  unniuglich  zu  leugnen,  dass  Grundherren  und  sogar  Geistliche 
jenes  Kecht  fiir  sich  in  Anspruch  genommen  hatten.  Diese  Be- 
merkung  wiederholte  das  Journal  des  Debats  (Louis  Alloury)  in 
einem  Leitartikel  vom  2.  Mai  1854.  Hierauf  antwortete  Louis 
Yeuillot  mit  einer  Abhandlung  iiber  das  „droit  du  seigneur"  zu- 
erst  im  Univers  (vom  17.,  20.,  24.  und  29.  Mai  1854),  daun  in  einem 
besonderen  Werke  vom  selben  Jahr  ^.  Er  behauptete,  ein  solches 
Recht  habe  niemals  bestanden;  Alles,  was  dafiir  vorgebracht  sei, 
beruhe  auf  Erfindung,  Liige  und  Unwissenheit.  Der  Siecle  tadelte 
diese  Behauptung  (in  der  Nummer  vom  18.  Mai  1854)  und  ver- 
theidigte  die  Meiuung  Dupin's  (in  den  Nummern  vom  16.,  19.,  22. 
und  26.  Sept.  1854).  Granier  de  Cassagnac  ergriff  im  Constitu- 
tionnel  Partei  fiir  den  Univers.  Auch  Didron  driickte  sein  Ein- 
verstandniss  mit  den  Ansichten  Yeuillofs  aus  ^.  In  der  Zeit- 
schrift  Le  Droit  (in  der  Nummer  vom  23.  Juli  1854)  entwickelte 
G.  Bascle  de  Lagreze,  Rath  am  Appellhof  zu  Pau,  eine  vermit- 
telnde  Meinung,  die  er  seitdem  in  drei  Werken  (1855,  1864  und 
1867)  weiter  ausfiihrte.  In  der  offentlichen  Jahressitzung  der 
Akademie  der  Inschriften  vom  18.  August  1854  w^urde  ein  Kom- 
missionsbericht  verlesen,  der  sich  dahin  aussprach,  dass  jenes  Recht 
(im  Mittelalter)  nicht  gegolten  Iiabe '''.     Der  Redacteur  des  Inde- 


1  Retcliife   S.  47—105,    besonders   61—65.     Der  Banldialter    ruft    (S.  63): 
„Ihr  jus  primae  noctis  —  gegen  die  Banli".  • 

2  Dies  Werk  ist  nicht,  wie  G.  Waitz  Bd.  5  S.  240  meint,  von  „Veuillot  et 
Mercier",  sondern  von  L.  Veuillot  allein  herausgegehen. 

3  Didron  Bd.  15  S.  283,  284. 

■*  Berger  de  Xivrey  S.  24,  25.  —  Jedocli  ist  in  der  Anmerkung  zu  diesem 

1* 


4  ,  Kapitel  1.    Behauptungen  modenier  Schriftsteller. 

pendant  du  departement  de  la  Charente  Inferieure,  V.  Yallein, 
schrieb  im  Jahr  1855  ein  Buch  zur  Widerlegung  Veuillot's.  Der 
Herausgeber  der  Archives  Israelites,  S.  Cahen,  entschied  sich  in 
dieser  Frage  im  Jahr  1856  fiir  Dupin,  gegen  Yeuillot  ^  Auf  Grund 
der  Forschungen  von  Lagreze  bemerkte  Henri  Martin  im  Jahr 
1855,  es  sei  jetzt  klar,  dass  es  an  directen  Beweisen  fiir  jenes 
Recht  nicht  mehr  fehle  ^.  Derselben  Ansicht  schloss  sich  Lafer- 
riere  an".  Jules  Delpit  gab  im  Jahr  1857  ein  umfangreiches 
Werk  heraus,  um  Yeuillot's  Meinuug  zu  widerlegen;  Yeuillot 
entgegnete  darauf  in  der  zweiten  Auflage  seines  Werkes,  im 
Jahr  1871;  Jules  Delpit  replicirte  in  einem  Nachtrag  vom  Jahr 
1873;  diese  Replik  blieb  ohne  Beachtung  in  der  dritten  Ausgabe 
von  Yeuillofs  Schrift,  die  im  Jahr  1878  erschienen  ist.  Im 
Jahr  1865  bestatigte  Abbe  Hanauer  die  Ergebnisse,  zu  denen  die 
Untersuchung  Yeuillofs  gelangt  war.  Anatole  Barthelemy  ver- 
offentlichte  im  Jahr  1866  ein  bereits  zehn  Jahre  zuvor  (im  Univers 
vom  19.  April  1856)  angekiindigtes  Werk  mit  dem  Ergebniss, 
dass  jenes  Recht  nicht  bestanden  habe  *.  Leon  de  Labessade  hat 
in  einem  Werke  vom  Jahr  1878  die  Ausfiihrungen  von  Jules 
Delpit  wiederholt.  Legouve,  Littre  und  Mozin-Peschier  halten 
es  fiir  entschiedene  Wahrheit,   dass  jenes  Recht   gegolten  habe^. 

Derselben  Meinung  sind  der  belgische  Rechtslehrer  F.  Lau- 
rent  "^  und  die  spanischen  Advokaten  Amalio  Marichalar  Marques 
de  Moutesa  und  Cayetano  Manrique  ^. 

In  Deutschland  ist  die  namliche  Meinung  in  der  Augsburger 
Allgemeinen  Zeitung,  in  der  Zeitschrift  „Im  Neuen  Reich"  und  im 
Deutschen  Merkur  (Organ  fiir  katholische  Reformbewegung)  ^  und 
von   zahlreichen   Gelehrten    des   neunzelmten  Jahrhunderts   ange- 


Bericht  die  INIoglichkeit  zugegeben,  dass  sich  unter  den  zahlreichen  Coutumes 
eine  einzelne,  als  „exception  sans  consdquence",  fiuden  moge ,  „oii  le  droit  en 
question  se  trouvat  enonc6  couime  ayant  une  portee  plus  grave  qu'un  impot 
et  une  declaration  de  vassalit6".  — /INIitglieder  der  Kommission  waren  Berger 
de  Xivrey  als  Berichterstatter,  ferner  Jomard  (E.  FranQois  Jomard,  geb.  1777, 
st.  1862),  Dureau  de  la  Malle,  Hase  (Karl  Benedikt  Hase,  geb.  1780,  st.  1864), 
P.  Paris  (Alexis  Paulin  Paris,  geb.  1800),  Vitet  (Louis  Vitet,  geb.  1802, 
st.-  1873)  und  de  Laborde  (L6on  de  Laborde,  geb.  1807,  st.  1869). 

1  Arch.  Isra^l.  Bd.  17  S.  174.  ^  h.  Martin,  4.  Aufl.  Bd.  5  S.  569. 

3  Laferridre  Bd.  5  S.  454,  455.  *  Barthelemy  S.  122. 

5  Legouve  S.  93,  94.  Littr^  unter  CuUage  und  Prelibation.  Mozin- 
Peschier  unter  Cuissage. 

«  Laurent  S.  57.       '  Marichalar  Bd.  6  S.  66—70. 

8  Augsb.  Allg.  Ztg.,  Bcilage  v.  18.  April  1868,  Nr.  109,  S.  1662.  Im  Neuen 
Reich    1872,  Nr.  50,  S.  930.    Deutscher  INIerkur  v.  17.  April  1880,  S.   124. 


Kapitel  1.      Beliauptuiigcn  modcnier  Schriftstellcr.  5 

iioninion,  iusbGsondero  von  Diimgo,  Kolb ,  Jakob  Grimm,  AVoin- 
hold,  Sclierr,  Scluiffnor,  Sugonhoim,  G.  L.  von  Mauror,  Buchmann, 
Felix  Liebrecht,  Bastian  und  von  Hellwakl  ^  Andorerseits  ist 
dioso  Meinung  durch  Ferdinand  Walter,  Adolph  Wuttke  und 
Gierko  ^  bek;impft  und  in  oinom  Artikel  der  Kreuzzeitung  als 
ein  „liboralor  Aberglaube"  bezeichnet,  der  durch  Liige  und  Miss- 
vorstiindniss  entstandcn  sei  ^  Von  derselben  Frago  moint  ZOpfl, 
sie  sei  „wonigstons  fiir  Doutschland"  zu  verneinon*;  und  Mittor- 
maier,  man  habe  die  „an  manchon  Orton  vielleicht  thatsiichlicli 
vorgekommenen  Missbriiuche"  mit  einom  „bogrundoton  Rechte" 
verwechsolt  ^;  Bluntschli  liiilt  os  fiir  fraglich ,  ob  jenes  Recht  je 
gegolton  liabe  ^.  Brinckmeier  moint,  „das  in  don  alten  Zeiten, 
docli  nur  in  einigen  Liindern  und  Gegenden,  angeblich  ausgoiibto 
Recht  der  orsten  Nacht  (jus  defloratlonis,  jus  cunagii)"  sei  wohl 
moistens  abgelost  worden  ^.  Brockhaus  nimmt  an,  dass  die  Loib- 
horren  den  Anspruch  auf  jenos  vermeintliche  Recht  erhobon 
hiltton  ^,   was  Meyer    unontschieden  liisst  ^   und  Herder  leugnet  ^°. 

In  England  ist  dio  Frage,  ob  das  jus  primae  noctis  bestanden 
habe,  von  Blackstone  und  Stephen  ^^  bejaht,  dagegen  von  Astle 
und  Corner  ^^  vornoint  worden. 

Der  italienische  Rechtsgelehrto  Ant.  Pertile  will  nicht  ent- 
scheiden ,  ob  noch  heutzutage  Ueberreste  eines  jus  primae  noctis 
vorkamen  i^,  scheint  also  anzunehmen,  dass  es  friiher  bestanden 
habe.  Dies  wird  von  Angelo  de  Gubernatis  ausdriicklich  be- 
hauptet  und  vertheidigt^*. 


1  Diimge  S.  19,  20.  Kolb  1843,  Bd.  2  S.  72.  Grimm ,  R -A.  S.  380, 
Weinhold  S.  194.  Scherr  1858,  S.  211,  569.  Schaffner  Bd.  2  S.  184,  185. 
Sugenheim  1861,  S.  104.  Maurer  Bd.  3  S.  169.  Liebrecht  1864,  S.  541. 
Scherr  1865,  S.  128—132.  Buchmann  S.  36,  68.  Bastian  S.  179.  Liebrecht  1874, 
S.  138.    V.  Helhvald  S.  451,  494.     Scherr  1876,  S.  237.    Liebrecht  1879,  S.  423. 

2  Walter,  D.  R.-G.,  §  483,  2.  Ausg.  Bd.  2  S.  131.  Wuttke  S.  352,  353. 
Gierke  §  10  S.  27.  ^  Kreuzzeitung,  Sonntagsbeilage  v.   11.  Juli  1875. 

*  Zopfl  §  30  Bd.  2  S.  168  der  4.  Aufl.  Zu  einem  gleichartigen  Ergebniss 
gelangt  die  Erorterung  von  Liirsch.  ^  Mittermaier  S.  278  der  7.  Aufl. 

6  Bluntschli  Bd.  1  S.  190.  Hier  irrt  er  in  der  Meinung,  dass  jenes  Recht 
nur  noch  fiir  Schottland  und  Frankreich  erwllhnt  werde.    Vgl.  unten  S.  19,  20. 

'  Brinckmeier  Bd.  1  S.  307. 

8  Brockhaus  (1880)  Bd.  2  S.  130,  unter  Jus  primae  noctis.  Aehnlich 
Bottger  S.  476. 

9  Meyer  (1876)  Bd.  9  S.  644,  unter  Jus  primae  noctis. 
*o  Herder  (1878)  Bd    3  S.   179,  unter  Jus  primae  noctis. 

"  Blackstone  9.  Aufl.  Bd.  2  S.  83.     Stephen  5.  Aufl.  Bd.   1  S.   216. 
"  Astle  S.  35.     Corner  S.  8,  9.  '^  Pertile  Bd.  3  S.  53. 

^*  Gubernati.s,  Usi  S.  198. 


6  Kapitel  2.    Charakteristik  moderner  Beweisfiilirung. 

B.    Charakteristik  moderner  Beiceisfiihrung. 

Kapitel  2.  Zur  Kennzeichnung  der  Methode,  die  in  neuester 
Zeit  zum  Beweise  eines  jus  primae  noctis  eingeschlagen  wurde, 
mogen  folgende  Beispiele  dienen.  Herr  Dr.  Felix  Liebrecht  zu 
Liittich,  der  dariiber  vier  Abhandlungen  veroffentlicht  hat,  stellte 
in  der  ersten,  vom  Jahr  1864,  unter  Berufung  auf  einige  Schrift- 
steller  des  neunzehnten  Jahrhunderts  und  auf  „die  Erklarer" 
einer  Shakspeare-Stelle ,  deu  Satz  auf,  dass  jenes  Recht  „im 
europaischen  Mittelalter  weithin  beansprucht  wurde",  wie  wenn 
dieser  Satz  keines  weiteren  Beweises  bediirfte;  er  suclite  dann 
darzuthun,  dass  jenes  tyrannische  Recht  „noch  alter"  sei  und 
„weiter  geherrsclit"  habe,  berief  sich  aber  dafiir  lediglich  auf 
fiinf  einzelne  Nachrichten,  die  keineswegs  geeignet  waren,  jenes 
Recht  zu  beweisen.  Gleichwohl  verwies  er  im  Jahr  1869  auf  die 
genannte  Abhandlung,  als  ob  darin  bewiesen  wiire,  dass  jenes  Recht 
„schon  in  altester  Zeit"  und  „fast  in  allen  Welttheilen  und  Liin- 
dern"  bestanden  hatte.  ]S"ur  zur  Ergiinzuug  fiigte  er  einige  Xotizen 
aus  Ferdinand  Wolf,  aus  der  Augsburger  Allg.  Zeitung,  aus  Jakob 
Grimm  und  aus  Bayle  li^inzu.  Dieselbe  Methode  beobachtete  er  in 
den  Aufsiitzen  von  den  Jahren  1874  und  1879.  In  keiner  dieser 
vier  Abhandlungen  findet  sich  eine  selbstiindige  Untersuchung 
iiber  Aechtheit,  Auslegung  undBeweiskraft  der  Quellen  fiir  die  ein- 
zelnen  Nachrichten  und  eine  Begriindung  der  aufgestellten  Hypo- 
thesen.  Dieselben  Fehler  finden  sich  in  noch  weit  hoherem  Grade 
in  einer  phantasiereichen  Abhandlung  vom  Jahr  1879,  die  im 
Organ  der  deutschen  Gesellschaft  fiir  Anthropologie  abgedruckt 
steht^  Ein  franzosischer  Gelehrter  der  Gegenwart,  Herr  Jules 
Delpit  zu  Bordeaux,  hat  in  einem  Buche  iiber  das  „droit  du 
seigneur"  unter  zweiundsechzig  Abschnitten  ^  eine  grosse  Masse 
von  vermeintlichen  Beweisen  fiir  jenes  Recht  zusammengetragen. 
Allein,  abgesehen  von  auffallenden  logischen  Fehlern,  die  darin 
vorkommen^,   ist   in   vielen  Abschnitten   die  Erkh'irung,   wie  aus 


1  M.  Kuiischer  im  Arch.  f.  Anthrop.  Bd.  11  «  215  — Sin.  \'gl.  dariiber 
meine  Bemerkungen  im  Arch.  f.  Anthrop.  Bd.  12  S.  265 — 269,  worauf  Herr 
M.  Kulischer  meines  Wissens  nicht  geantwortet  hat. 

-  Schcinbar  enthiilt  das  Werk  Delpit's  sogar  72  Abschnitte,  da  der  letzte  Ab- 
schnitt  die  Zahl  72  tragt:  allein  in  der  Reihenfolge  der  Abschnitte  fehlen  die 
Nummern  35  bis  44.  —  Das  Buch  von  Leon  de  Labessade  iiber  das  droit  du 
seigneur  ist  im  Wesentlichen  nur  eine  neue  Auflage  von  dem  Werke  Delpit's. 

^  Beispielsweise  wird  bei  Delpit  (S.  71,  72)  aus  der  Nachricht ,  dass  die 
D  omherren  in  Lyon  jenes  Recht  gehabt  htitten ,  ohne  Weiteres  gefolgert .  es 
sei  w-ahrschcinlich.  dass  den  Domherren  in  allen  iibricen  Diocescn  Frankreichs 


Kapitel  2.    Cliarakteristik  nioderner  Beweisfiihrvinj^.  7 

deu  berichteteii  Thatsachen  jenes  Recht  soll  hergeleitct  werden 
konnen ,  nicht  einmal  angedeutet.  Dahin  gehort  nameiftlich  die 
Beschreibung  verschiedener  Spiele,  die  zu  Ehren  des  Grundherru 
aufgefiihrt  wurden  ^,  uud  die  Berufung  auf  sonstige  Gebriiuche, 
worin  eine  ^Analogie"  zum  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  oder 
eine  Anspielung  auf  dasselbe  ohne  Grund  gefunden  wird  ^.     Eine 


dasselbe  Recht  ziigestanden  habe.  (Ueber  die  Domherren  von  Lyon  s.  unten 
Kap.  54.) 

*  Unter  den  vermeintlichen  Beweisen  tur  das  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  findet  sich  z.  B.  bei  Delpit,  Xr.  17,  S.  51  uud  S.  128,  die  Erzahlung, 
dass  in  zwei  Herrschaften  der  Norraandie  zu  den  ^droitures  de  mariage"  die 
Verpflichtung  gehorte,  die  „quintaine"  zu  laufen,  das  heisst,  ein  Spiel  aufzu- 
fiihren,  worin  mit  einer  Lanze  nach  einem  Pfahl  geranut  wurde.  —  Ferner 
findet  Delpit  ohne  jeden  Grund  eine  Beziehung  zum  droit  du  seigneur  in  den 
Spielen,  welche  zu  Laguenne  unter  dem  Namen  ,.tire-vesse"  jedes  siebente 
Jahr  am  31.  December  und  1.  Januar  zur  Belustigung  der  Grundherrschaft 
aufgefiihrt  wiirden;  und  zwar  hauptsachlich  darin,  dass  im  Verlauf  dieser 
Spiele  eine  Reihe  junger  Ehemanner  und  eine  Reihe  von  Junggesellen  gegen- 
iiber  gestellt  wurde,  und  dann  die  Eliemanner  und  Junggesellen  an  den 
beiden  Enden  von  Stricken  rissen,  bis  der  Eine  den  Andern  auf  seine  Seite 
brachte,  oder  der  Strick  zerriss.  Vgl.  dariiber  das  Urtheil  des  Parlaments 
zu  Bordeaux  vom  17.  Juni  1604,  bei  Automue  Tit.  8  §  1  Art.  81:  Encycl. 
mnter  Droits  abusifs;  Delpit  Nr.  61,  S.  89—92:  Labessade  Nr.  61,  S.  27,  28. 

2  Durch  eine  Notariatsurkunde  vom  13.  Juli  1606  verlieh  Jacques  de 
Montmorency,  bailli  et  gouverneur  de  Caen  et  seigneur  chatelain  de  Creve- 
coeur-en-Aulge ,  ein  Stiick  Land  an  den  Barbier  Loys  Varin ,  der  unter 
den  Gegenleistungen  die  Verpflichtung  iibernahm,  dem  genannten  Herrn  und 
seinen  Edelleuten  an  den  Vorabenden  von  Weihuachten  und  Ostern  das  Haar 
zurechtzumachen  und  fiir  den  Fall,  dass  ein  Kammermiidchen  oder  eine  ^NIagd 
aus  dem  Schloss  heirathete,  ihr  gewisse  Haare  (die  pilos  cunni)  abzuschneideu. 
Daraus  folgern  Delpit  (Nr.  16,  S.  51  und  S.  128)  und  Labessade  (Nr.  16, 
S.  20  und  S.  86—91),  der  genannte  Herr  habe  ein  ahnliches  Recht  wie  das  der 
ersten  Nacht  gehabt,  obwohl  davon  in  der  Urkunde  nicht  die  geringste  An- 
deutung  zu  finden  ist.  Labessade  halt  diese  Urkunde  fiir  so  wichtig,  dass 
er  ihren  ganzen  Inhalt  mittheilt;  er  versichert,  zufallig  in  den  Besitz  derselben 
gelangt  zu  sein,  und  berichtet,  dass  sie  am  5.  April  1770  zu  Cambremer 
einregistrirt  worden  sei.  —  Eine  Anspielung  auf  das  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  wollen  Delpit  (S.  125)  und  Labessade  (S.  50)  in  folgendem  Liede  fin- 
den,  das  nach  ihrem  Bericht  in  der  Diocese  Bazas  bei  Anfertigung  des  Ehe- 
vertrags  gesungen  wurde:  „Moussu  cure  n'es  pas  counteu :  Bourre  la  nobie 
et  mey  rargen.  Moussu  cure  n'es  pas  caduc,  Bourre  la  nobie  e  mey  Tescut.  .  . 
Pague,  nobi,  lou  marguilley  Te  hara  deicha  la  nobie  darrey:  Pague  lou,  nobi, 
de  buon  argen,  Te  hara  deicha  la  nobie  dfeden."  D.  h.  „Der  Herr  Pfarrer 
ist  nicht  zufrieden.  Er  mochte  gern  die  Braut  und  nicht  das  Geld.  Der  Herr 
Pfarrer  ist  nicht  gebrechlich.  Er  mochte  gern  die  Braut  und  nicht  den  Tlialer. 
Bezahle,  Briiutigam:  das  Kiistergeld  wird  dir  nun  schon  die  Braut  geben ; 
bezahle    ihn,    Briiutigam;    das  Geld    wird    dir    die  Braut    drinnen    geben."   — 


8  Kapitel  2.    Cliarakteristik  nioderner  Beweisfulirung. 

derartige  Analogie  oder  Anspielung  wird  von  andern  Sehrift- 
stellern  in  sonstigen  Spielen  *  und  Nachrichten  ^  gefunden,  die  in 
"Wahrheit  Nichts  davon  enthalten. 


Desgleichen  berufen  sich  Delpit  (S.  114.  115)  und  Labessade  (Nr.  67.  68, 
S.  28,  29,  105)  auf  zwei  Urtheile  des  Parlaments  zu  Toulouse ,  vora  24.  Jan. 
1549  und  vom  1.  Marz  1558,  um  nachzuweisen ,  dass  sogar  eine  Dame  gleich 
einem  hohen  und  machtigen  Gerichtsherrn  mit  dem  „droit  de  prelibation" 
gespielt  habe.  Allein  das  in  diesen  Urtheilen  erwahnte  „droit  de  fougage" 
bestand  lediglich  in  einer  Abgabe ,  die  von  allen  verheiratheten  Einwohnern 
wahrend  der  Ehe  zu  entrichten  war  und  nicht  den  geringsten  Anlass  bot. 
an  ein  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  zu  denken.  Dies  erhellt  aus  La  Roche- 
Flavin  chap.  4  art.  1  S.  603:  „Par  Arrest  du  24  janvier  1549  le  Sindic  des 
manans  et  habitans  du  lieu  de  Bordes  en  Lauraguois,  et  Magdaleine  de  Binet, 
fut  dict,  et  ordonne  que  en  ce  que  ladite  de  Binet  demandoit  de  pouvoir 
prendre  par  droict  de  fougage  sur  les  habitans  mariez,  et  durant  leur  mariage 
tant  seulement,  demy  cestier  de  bled,  et  autres  droits  par  elle  exigez,  abu- 
sant  et  repugnant  a  la  liberte  du  Sacrement  de  mariage,  le  Syndic  et  habi- 
tans  en  furent  absous  et  relaxez,  et  sans  depens.  Semblable  arrest  ffit  apres 
donne  pour  semblable  subject  entre  TAbbe  de  Sorreze,  comme  Seigneur  de 
Villepinte  audit  pays  de  Lauraguois,  et  le  Sindic  des  manans  et  habitans 
dudit  lieu,  du  1.  mars  1558-'.  (Vgi.  iiber  die  Abgabe  auch  Ragueau  und 
Lauri^re  unter  Fouage.) 

1  Unter  dem  Namen  Merdoulado  wurde  zu  Tulle,  auf  dem  Hiigel  Puy 
Saint-Clair,  jalirlich  am  Sonntag  vor  Fastnacht  ein  Spiel  aufgeflihrt,  woran 
alle  im  letzten  Jahr  verheiratheten  Personen,  bei  Vcrmeidung  einer  scherz- 
haften  Strafe  von  einem  Mass  Hafer,  theilnelimen  m.ussten.  Ohne  jede  Be- 
griindung  meint  Beronie  (S.  139),  es  sei  wahrscheinlich,  dass  die  Vorfahren 
mit  diesem  Spiel  das  droit  de  cuissage  abgekauft  hatten.  —  Zu  Chateauroux 
in  Berry  wurde  jahrlich  am  Dienstag  nach  Pfiugsten  durch  die  Bewohner 
einer  Vorstadt  ein  Fest  zu  Ehren  des  Grundherrn  begangen,  welches  „fete 
du  pot  aux  aulx  ou  du  pot  aux  roses"  genannt  wurde.  Eine  Beschreibung, 
wie  dies  Fest  am  20.  Mai  1777  gefeiert  ward ,  ist  durch  eine  Notariats- 
urkunde  festgestellt  worden.  (Hubert  S.  260—264:  Raynal  Bd.  2  S.  207.) 
Darin  findet  Labessade  (S.  33—35)  eine  Anspielung  auf  das  Herrenreclit  der 
ersten  Nacht. 

^  Dio  Cassius  (lib.  44  cap.  7)  erzahlt,  zur  Zeit  als  die  unmassigsten 
Ehren  auf  Julius  Casar  gehiluft  wurden,  sei  der  Vorschlag  gemacht  worden, 
man  solle  ihm  gestatten,  mit  allen  Frauen  nach  Belieben  zu  verkehrcn. 
Darin  finden  Voltaire  (Dict.  phil.  unter  Cuissage)  und  Collin  de  Plancy 
(Bd.  1  S.  165)  eine  Analogie  zum  Herrenrecht  der  ersten  Nacht.  —  Die  bei 
Livius  (lib  7  cap.  6)  erwiihnte  Sage  von  ^larcus  Curtius,  der  im  Jahr  392 
nach  Erbauung  Roms  sein  Leben  fiir  den  Staat  zum  Opfer  brachte ,  iudem 
er  sich  mit  seinem  Ross  in  den  auf  dem  Forum  plotzlich  entstandenen  Schlund 
hineinstiirzte.  hat  den  Grund  zu  mannigfachen  spjiteren  Erortcrungen  gegcben 
(vgl.  z.  B.  Plinius,  lib.  15  cap.  20,  Bd.  1  S.  746,  Anm.  21;  S.  Augustinus, 
lib.  5  cap.  18  S.  164)  und  ist  im  Mittelalter  zu  folgender  Erzahlung  ver- 
arbeitet  worden,  cap.  43  der  Gcsta  Rom.:  „In  medio  Romae  in  quodam  loco 
aperta    est   semel    terra   et    hiantia    infra    patuerunt    foramina.     Super  hoc  dii 


Kapitel  2.    Charakteristik   modenier  BeAvcisfiilirunj^.  0 

Ein  durcli  Schiedsurthoil  dcs  Erzbiscliofs  von  Lyon,  "Wilhelm 
von  Tliurey,  im  Jalir  11^35  oder  1361  entschiedener  Streit  zwi- 
schen  der  Kirche  von  Maeon  und  den  dortigen  Einwohnern 
wird  soit  1760  von  mehreren  Schriftstellern  ^  als  ein  Hauptbeweis 
fiir  das  Herreurecht  der  ersten  Nacht  angefiihrt,  obwohl  er  sich 
bloss  auf  Anspriiche  bezog-,  die  der  Cantor^  bei  der  Trauung  zu 
erheben   hatte  ^.     Jener  Irrthum    ist    soo^ar  zu  der  ausdriicklichen 


fuerunt  interrogati,  responderunt:  Non  cLaudetur  haec  vorago,  nisi  aliquis 
voluntarie  se  immergat.  Sed  quum  hoc  uemini  persuadere  possent ,  dixit 
Marcus  Aurelius:  Si  per  annum  in  Roma  pro  Hbitu  meo  me  vivere  sinitis, 
anno  elapso  gaudenter  et  voluntarie  me  immergam.  Romani  hoc  audientes 
gavisi  sunt,  concorditer  consenserunt,  nihil  sibi  clauserunt  Qui  rebus  et 
uxoribus  libere  utens  anno  elapso  cum  nobili  equo  saltu  praecipiti  se  immergit, 
ct  statim  terra  se  clausit."  In  dieser  Erzalilung  findet  eine  franzosische  Ab- 
handlung  vom  Jahr  1877  „quelque  rapport  avec  le  droit  du  seigneur". 
Nuits  d'epreuve  S.  82.  —  Einen  andern  Beweis  fiir  das  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht  finden  einige  Schriftsteller  neuester  Zeit  in  einer  zu  Vienne  in 
der  Dauphine  im  Jahr  136.1  erlassenen  Verordnung,  wonach  Miidchen  vor 
der  Heirath  nur  dann,  wenn  Zweifel  an  ihrer  Mannbarkeit  bestiinden ,  und 
in  den  rechtmassig  bestimmten  Fallen  verpflichtet  sein  sollten ,  personlich  vor 
dem  Offizial  zu  erscheinen.  Vgl.  Sugenheim  186 1,  S.  105;  Labessadc  S.  25, 
96,  97;  Kulischer  S  224.  —  In  einer  Urkunde  aus  dem  dreizehnten  Jahr- 
hundert  verzichtete  Graf  Wilhelm  von  Ponthieu  zu  Gunsten  der  Abtei  Foret- 
Moiitier  auf  die  Einkiinfte  einer  gewissen  Herrschaft,  ,,mit  Ausnahme  dreier 
Falle,  namlich  des  Frauenraubes,  des  Schatzes  und  des  Mordes".  Der  un- 
genannte  Verfasser  der  Geschichte  von  Ponthieu,  der  diese  Tliatsachen  unter 
Berufung  auf  eine  Chronik  von  Rumet  mittheilt  (Bd.  1  S.  240—242),  findet 
darin  die  Anerkennung  eines  dem  droit  du  seigneur  ahnlichen  schmahlichen 
Rechtes,  obwohl  die  Stelle  nach  ihrem  klaren  Wortlaut  keinen  andern  Sinn 
hat,  als  dass  die  Geldstrafen  flir  Frauenraub  und  Mord  und  die  Einklinfte 
aiis  dem  Auffinden  von  Schiitzen  dem  Grafen,  und  die  iibrigen  Einnalimen  aus 
der  Gerichtsbarkeit  dem  Kloster  zufallen  sollten.  (Eine  ganz  ahnliche  Ver- 
theilung  solcher  Einnahmen  erfolgte  fiir  die  Stadt  Paris  im  Jahr  1222  durch 
den  Vertrag  von  Melun  zwischen  dem  Konig  Philipp  August  und  Bischof 
Wilhelm  III.  Vgh  Dulaure,  Paris,  Bd.  2  S.  324—331.)  Jener  Irrtlium  ist 
um  so  auffallender,  als  in  dem  Bericht  gesagt  ist,  die  Urkundo  sei  durch  die 
Konigin  Johanna  von  Kastilien  bestatigt  worden. 

*  Carpentier  und  Ducange  unter  Marcheta.  Delpit  Nr.  53 .  S.  74 .  75. 
Sugenheim  1861,  S.  105.     Labessade  Nr.  53,  S.  25,  26,  43,  97,  98. 

^  Ueber  die  Stellung  der  Cantores  vgl.  Ducange  unter  Cantores. 

3  Die  Kirche  behauptete,  die  Einwohner  der  Stadt  Macon,  die  dort  hei- 
ratheten,  seien  verpflichtet,  bevor  sie  zur  Trauung  in  die  Kirche  eintriiten, 
vom  Cantor  eine  Erlaubnisskarie  gegen  Zahlung  einer  Gebiihr  zu  losen. 
Darilber  beschwerten  sich  die  Einwohner^  beim  Parlament.  Doch  gelangte  die 
Sache  nicht  zur  Entscheidung  des  Parlaments;  sondern  der  Streit  wurde  durch 
das  erwahnte  Schiedsurtheil  geschlichtet.  Danach  sollten  die  Bewohner  von 
Macon  fortan  flir  die  Trauung  der  Erlaubnisskarte  nicht  mehr  bediirfen.  wohl 


10  Kapitel  2.    Charakteristik  moderner  Beweisfiihning. 

Behauptung  ausgedehnt  worden,  das  Kapitel  zu  llacon  hiitte  das 
verrufene  Herrenrecht  ausgeiibt  *. 

Andere  Schriftsteller  finden  einen  Beweis  jenes  Bechtes  in 
der  Nachricht,  dass  in  Lithauen  der  letzte  Abend  vor  der  Trauung 
eines  Madchens  „kunigowanie"  heisse^;  ferner  in  der  Bezeichnung 
„vorhure"  (Yorheuer)  fiir  das  bei  Eigenthumsiibertragungen  zu 
entrichtende  hiudemium  ^ ;  und  in  einer  angeblichen  Aeusserung 
irlandischer  Gutsherren  des  achtzehnten  Jahrhunderts  iiber  die 
Bereitwilligkeit  der  Hauslinge,  ihre  ^Yeiber  und  Tochter  dem 
Gutsherrn  zur  Unzucht  zu  iiberlassen ''. 

Die  von  Liebrecht   erwiihnte  Shakspeare-Stelle  ^  ist  ein  Aus- 

aber  verpflichtet  sein.  vor  Eintritt  in  die  Kirche  an  den  zur  Vornahme  der 
Trauiing  berufenen  Geistlichen  pro  jure  cantoriae  sechs  Pfennige  zu  zahlen 
und  dabei  offentlich  zu  erkliiren:  „Hier  sind  sechs  Pariser  Pfennige  fur  die 
Cantorgebiihr  der  Kirche  zu  Macon."  Das  fragliche  Urtheil,  vom  Jahr  1335, 
steM  bei  Carpentier  unter  Marcheta  abgedruckt  und  ist  daraus  in  die  iibrigen 
vorerwahnten  Schriften  iibergegangen.  Bei  Pericaud  S.  8  findet  sich  dieselbe 
Nachricht  mit  der  Abweichung,  dass  die  Jahreszahl  1361  angegeben  ist,  und 
mit  der  miheren  Bestimmung.  dass  der  Streit  zwischen  den  Einwobnern  und 
dera  Kapitel  von  Saint-Vincent  geschwebt  habe. 

1  Dalloz,  Dict.  Bd.  1  und  Rep.  Bd.  3  unter  Adultere.  Danach  behauptete 
Dalloz  im  Jahr  1835,  die  Ausiibung  jenes  Rechts  sei  bis  in  das  siebenzehnte 
Jahrhundert  geschehen  ;  elf  Jahre  spiiter  dagegen,  das  droit  de  prelibation  sei 
durch  das  Kapitel  von  !Macon  bis  zum  vierzchnten  Jahrhundert  ausgeiibt  worden, 
und  Spuren  davon  hiitten  sich  bis  zum  siebenzehnten  Jahrhundert  erhalten. 

-  Post  S.  38.  —  Das  Wort  kunigo  bezeichnet  einen  geistlichen  odcr  sonst 
angesehenen  Herrn.     Mielcke  S.  135. 

3  "Wilhelm  Arnold  (S.  73,  74)  berichtet:  „Das  stjidtisclie  Laudemium  kommt 
unter  den  verschiedensten  Namen  vor:  in  Koln  als  gewerf,  in  Worms  als 
wandelung,  in  Wetzlnr  und  anderen  Stadten  als  vorhure  (Vorheuer),  in  Basel, 
Augsburg  und  oberdeutschen  Stadten  als  erschatz.  Der  lateinische  Name  ist 
erarium,  honorarium  oder  intraium  (intragium,  intrarium)."  Daraus  folgert 
Kulischer  S.  228,  in  dem  Namen,  den  die  Abgabe  in  Wetzlar  fiihrte,  sei  „eine 
Uebertragung  der  deutschen  Benennung  des  jus  primae  noctis  auf  ein  anderes 
Gebiet  zu  bemerken".  Wie  irrig  diesc  Meinung  ist,  liisst  sich  aus  Urkunden 
iiber  Vorheuer  (vorhura),  z.  B.  von  1153,  1160,  1178,  1180,  1187,  1197,  1220, 
1244  und  1249,  bei  Lacomblet  Bd.  1  Nr.  378,  402,  474,  475,  506,  556,  Bd.  2 
Nr.  91,  288,  347,  Bd.  4  Nr.  634,  leicht  ersehen. 

"*  Arthur  Young,  der  seit  dem  Jahr  1776  Irland  durchreiste,  schildert 
die  dortigen  Grundbesitzer  als  Despoten  und  bemerkt  dabei:  „Angesehene 
Gutsherren  haben  mich  versichert,  dass  viele  ihrer  Hiiuslinge  sich  eine  Ehre 
daraus  machen  wiirden,  wenn  sie  ihre  Weiber  und  Tochter  forderten,  bei 
ihnen  zu  schlafen:  ein  Zeichen  der  Sklaverei  zum  Beweise  der  Unterdriickung, 
unter  w-elcher  solche  Leute  leben  miissen".  (Young  Bd.  2  S.  60,  61 ;  Sugen- 
heim  1861,  S.  338).  Daraus  folgert  Kulischer  (S.  228):  ,,Das  lieisst  mit  an- 
deren  Worten,  die  Gutsherren  besassen  das  jus  primae  noctis." 

^  Gemeint    ist    Hciiirich     der    Sechste,    zweitcr    Tlieil ,    vicrter  Act ,    achte 


Kapitel  2.    Charaktcristik  modorner  Bewcisfulirung.  11 

spruch  des  Robellenfuhrcrs  und  vornialigen  Tuchmachers  John 
Cade  aus  Ashford  in  Kent,  der  durch  den  Herzog  von  York  ver- 
fiihrt  war,  Aufruhr  gegen  Konig  Heinrich  VI.  zu  stiften.  Der- 
selbe  gab  sich  fiir  John  Mortimer,  den  angeblich  rechtmassigen 
Thronerben,  aus  und  verkiindete,  er  wolle,  sobald  er  Konig  sei, 
das  Greld  abschaffen  und  Alle  auf  seine  Rechnung  essen,  trinken 
und  nach  einer  Livree  kleiden  lassen,  damit  sie  sich  als  Briider 
vertriigen  und  ihn  als  ihren  Herrn  ehrten;  er  wollte  alle  Rechts- 
gelehrten  umbringen  und  keinen  Lord  oder  Edelraann  leben 
lassen;  er  befahl  seinen  Anhangern:  „Yerbrennt  alle  Urkunden 
des  Reichs;  mein  Mund  soll  das  Parlament  von  England  er- 
setzen,  und  hinfiiro  soll  Alles  gemeinschaftlich  sein."  Li  dieser 
Rolle  erliisst  Cade  den  Befehl,  den  Lord  Say  und  dessen  Schwie- 
gersohn  zu  kopfen;  unmittelbar  darauf  spricht  er  zu  seinen 
Anliangern:  „Der  stolzeste  Peer  im  Reich  soll  nicht  den  Kopf 
auf  den  Schultern  tragen,  wenn  er  mir  nicht  Tribut  entrichtet. 
Dieser  Tribut  soU  darin  bestehen ,  dass  eine  Jungfrau  nicht  hei- 
rathen  soll,  wenn  sie  mir  nieht  ihr  Magdthum  preisgiebt,  bevor 
sie  (die  Peers)  es  haben.  Manner  sollen  meine  Lehnsleute  sein, 
und  Wir  verordnen  und  befehlen,  dass  ihre  Weiber  so  frei  sein 
sollen,  wie  das  Herz  wiinschen  oder  die  Zunge  aussprechen  kaun."  * 


(nicht  siebente)  Scene.  —  Die  Streitfrage.  olj  und  inwieweit  das  Schauspiel 
Heinrich  VI. ,  zweiter  Theil ,  in  Wahrheit  von  Shakspeare  herriihrt .  kann 
hier  unerortert  hleihen. 

1  Ilenry  VI,  Part  II,  Act  4,  scene  8:  .  .  .  Cade:  ...  „The  proudest  peer 
in  the  reahn  shall  not  wear  a  head  on  his  shoulders,  unless  he  pay  nie  tri- 
hute:  there  shall  not  a  maid  he  married,  hut  she  shall  pay  to  me  her  mai- 
denhead,  ere  they  have  it.  Men  shall  hold  of  me  in  capite:  and  we  charge 
and  command,  that  their  wives  be  as  free  as  heart  can  wish,  or  tongue  can 
tell."  —  Diese  ganze  Stelle  spricht  von  den  Peers.  Der  Doppelpunkt  hinter 
„trihute"  deutet  an,  dass  die  folgenden  Worte  angehen,  worin  der  Trihut 
hestehen  soU.  Daher  ist  an  der  Stelle  ,,ere  they  have  it"  das  „they"  auf  die 
Peers  (das  vorher  collectiv  gebrauchte  Peer)  und  das  „it"  auf  maidenhead 
zu  heziehen.  Der  Ausdruck  .,pay  her  maidenhead"  heisst  nicht  „ihre  Jung- 
frauschaft  (in  Geld)  hezahlen",  sondern  „ihre  Jungferschaft  entrichten  oder 
preisgeben".  Unrichtig  sind  daher  die  Uehersetzungen  von  Eschenhurg :  ,,kein 
jMiidchen  soll  sich  verheirathen ,  ohne  mir  ihre  Jungferschaft  zu  hezahlen ,  eli' 
ihr  Mann  sie  bekommt";  von  A.  W.  v.  Schlegel:  „kein  Miidchen  soll  sich 
verheirathen ,  ohne  dass  sie  mir  ihre  Jungferschaft  bezahlt ,  eh'  ihr  Liebster 
sie  kriegt":  und  von  Guizot:  „Pas  une  fille  ne  sera  mariee  qu'elle  ne  paye  uu 
tribut  pour  sa  virginite  avant  qu'on  en  joaiisse."  Delius  hat  die  Worte  „pay  her 
maidenhead"  nicht  erklart  und  in  der  Uehersetzung:  „ehe  diejenigen,  welche 
die  Miidchen  heirathen  wollen,  die  Jungfernschaft  bekommen",  keine  Andeutung 
dariiber  gegeben,  dass  mit  diesen  Mannern  die  Peers  gemeint  sind. 


12  Kapitel  2.    Cliarakteristik  moderner  Beweisfiihrung. 

Also  prahlte  Cade,  er  wolle,  wenn  er  Konig  sei,  das  Vorrecht 
ausiiben,  bei  Heirathen  der  Peers  deren  Braute  zu  defloriren. 
Darin  kann  die  Andeutung  gefunden  werden,  dass  der  Adel 
solche  Schandthat  friiher  an  den  Brauten  der  Unterthanen  aus- 
geiibt  habe  und  jetzt  dafur  bestraft  werden  solle  ^.  —  Etwas 
undeutlicher,  aber  doch  im  Wesentlichen  gleichen  luhalts,  ist  die 
entsprechende  Stelle  eines  gegen  1590  verfassten  und  im  Jahr  1594 
(ohne  Benennung  des  Yerfassers)  durch  den  Buchhandler  Thomas 
Millington  herausgegebenen  Schauspiels  ^,  welches  dem  vorbezeich- 
neten  Schauspiel  zu  Grunde  liegt.  Darin  spricht  Cade :  „Es  soll 
kein  Edelmann  den  Kopf  auf  den  Schultern  tragen,  wenn  er  mii^ 
nicht  Tribut  dafiir  entrichtet.  Und  es  soll  eine  Jungfrau  sich 
nicht  (mit  ihm)  verheirathen ,  wenn  er  sich  nicht  fiir  mich  nach 
ihr  umsieht  (d.  h.  sie  mir  nicht  zuvor  iiberliisst).  Jungferschaft 
oder  etwas  Anderes,  ich  will  es  selbst  haben.  Wahrlicb ,  ich 
will,  dass  verheirathete  Miinner  meine  Lehnsleute  sind,  und  dass 
ihre  Frauen  so  frei  sein  sollen,  wie  das  Herz  denken  oder  die 
Zunge  aussprechen  kann."  ^  —  in  diesen  beiden  Stellen  kann 
eine  Anspielung  auf  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  gefunden 
werden,  im  Sinn  der^Nachrichteu,  die  dariiber  gegen  Ausgang 
des  sechzehnten  Jahrhunderts  verbreitet  waren.  Mehr  ist  daraus 
nicht  zu  ersehen.  Die  bezeichnete  Schilderung  von  dem  Auf- 
treten  des  Eebellenfiihrers  Cade,  wie  sie  im  vierten  Act  des 
Schauspiels  enthalten  ist,  beruhte  auf  der  Chronik  Holinshed's 
(1577),    die    ihrerseits    aus  der  Chronik  Halfs    entnommen   war'*. 


1  Vgl.  Gervinus  S.  212.  213:  .  .  .  ..die  gepredigte  kommunistische  Gleich- 
heit  'beginnt  damit,  dass  Cade  sich  selbst  und  Andere  zu  Rittern  schlagt  und 
das  abscheulichste  aller  Adelsprivilegien  fiir  sich  verlangt".  Auch  Hazlitt 
Bd.  5  S.  503.  Note  2,  findet  in  den  Worten  Cade's  eine  Anspielung  auf  die 
mercheta  mulierum  in  der  von  Skene  angegebenen  Bedeutung  (unten  Kap.  15). 

2  Der  lange  Titel  dieses  Schauspiels  beginnt  mit  den  Worten  :  ,,Der  erste 
Theil  des  Streites  zwischen  den  beiden  beriihmten  Hausern  York  und  Lancaster, 
mit  dem  Tod  des  guten  Herzogs  Humphrey''.  Wer  Verfasser  dieses  Stuckes 
ist,  steht  nicht  fest  Es  werden  Marlowe,  Robert  Greene.  Peel,  Monday 
und  Heywood  genannt.  Vgl.  Drake  S.  485:  Gervinus  S.  207;  Hager  Bd.  4 
S.  189,   195. 

'  The  first  part  of  the  Conteiition  of  the  two  famous  houses  of  Yorke 
and  Lancaster  etc  ,  bei  Delius  Bd.  1  S.  872:  Cade:  .  .  .  „There  shall  not 
a  noble  man  weare  a  head  on  his  shoulders,  but  he  shall  paie  me  tribute  for 
it.  Nore  there  shal  not  a  mayd  be  married,  but  he  shal  see  to  me  for  her. 
Maydenhead  or  else ,  ile  have  it  my  selfe.  Marry  I  will  that  married  men 
shall  hold  of  me  in  capite,  and  that  their  wives  shal  I)e  as  frec  as  hart  can 
thinke,  or  toong  can  tell." 
^  Delius  Bd.   1  S.  853. 


Kapitcl  3.    Etymologie.  13 

In  dieser  Chronik  ^  ist  die  fragliche  Ilede  Cade's  noch  nicht  ent- 
halten.  —  Liebrecht  beruft  sich  auf  ^die  Erkliirer"  der  ange- 
fiihrten  Shakspeare-Stelle ,  zum  Beweise,  dass  im  Mittelalter  das 
jus  primae  noctis  weithin  beansprucht  worden  sei  ^.  Wonn  nun 
„die  Erkliirer"  zu  Shakspeare  den  Glauben  an  das  bezeichnete 
Recht  mit  vielen  andern  modernen  Schriftstellern  theilen ,  so 
kann  dies  zum  Beweis  fiir  die  Zeit  des  Mittelalters  nicht  dienen. 
Yiclleicht  will  Liebrecht  durch  jenes  Citat  andeuten,  dass  bei 
den  Erkliirern  Shakspeare's  die  Geschichtsquellen  des  Mittel- 
alters  iiber  jenes  Recht  zu-finden  seien.  Yon  diesem  Standpunkt 
verdient  seine  Behauptung  Beachtung.  Allein  leider  hat  er  unter- 
lassen,  die  I^amen  jener  „Erkliirer"  anzugeben,  und  niir  ist  ihre 
Entdeckung  nicht  gelungen. 

C.   Etymologie. 

Kapitel  3.  Man  behauptet,  das  Herrenrecht  der  ersten  Xacht 
habe  verschiedene  Namen  gefiihrt,  deren  AYortlaut  zumeist  den 
Ausdruck  „viehischer  Geilheit"  enthalte:  jus  primae  noctis,  jus 
hixandae  coxae,  jus  marchetae,  praelibatio,  droit  de  cuillage.  de 
cuissage,  de  jarabage,  cazzagio  ^.  „In  Piemont  hiess  dieses  Recht 
cazzagio  .  .  .  In  Frankreich  prelibation,  droit  de  cullage,  de  cuis- 
sage  und  lateinisch  jus  cunni."  ''•  Es  hiess  ^culliage"  oder  „cul- 
lage"5,  „droit  de  jambage,  cuissage  oder  marquette"  ^.  Das 
„droit  du  seigneur  oder  jus  primae  noctis  heisst  auch  droit  de 
prelibation,  de  marquette,  de  jambage,  de  braconnage,  de  cuissage, 
de  defloration,  de  deflorement"  ^.  Delpit  und  Labessade  geben 
ein  langes  Yerzeichniss  von  Ausdriicken,  die  „ungefiihr  dasselbe" 
bedeuten  sollen,  wie  „droit  du  seigneur",  niimlich  aus  Deutsch- 
land:  „Reitschot,  reitschoss,  lyre-wite,  lecher-wite,  leger-geldum" ; 
aus  Grossbritannien:  „Amobr,  amobyr ,  amachyr,  gobr-merch, 
gwahr-merched,  merket,  marcheta,  marchetum,  maindenrent" ; 
aus  Flandern  und  den  l!^iederlanden:  „Bed-nood,  bumede,  bur- 
mede,  bathinodium";  aus  Italien:   „Cazzagio,  fodero";  aus  Frauk- 


*  Der   hier    in    Betrach.t   kommende  Ahschnitt  aus  Ilairs  Chronik  steht  ah- 
gedruckt  hei  Delius  S.  854—856. 

2  Liehrecht  1864  S.  541  und  1879  S.  416. 

3  Kolb  1842  S.  496,  497  und  1843  Bd.  2  S.  73. 

*  Dulaure,  Adel  S.  242.  Scherr  1865^  S.  129. 
5  Laurent  S.  57.  6  Schiiffner  Bd.  2  S.  185. 
'  Augsb.  Allgem.  Ztg.  Beil.  v.  18.  April  1868. 


14  Kapitel  3.    Etymologie. 

reicli:  „Braconage,  culage,  culliage,  couillage,  culagium,  cochet, 
coquet,  conchet,  coucliet,  cuissage,  deschaussage ,  deschaussaille, 
jambage,  guerson,  julie,  jus  cunni,  cunnagium,  konnagium  etc."  ^ 
In  diesem  Verzeichniss  sind  nicht  nur  Schreibfehler  ^  enthalten, 
und  Liiuder  verwechselt  ^,  sondern  auch  Ausdriicke  ganz  verschie- 
denen  Inhalts  miteinander  gleichgestellt. 

Einige  der  bezeichneten  Ausdriicke  sind  Namen  von  Heiraths- 
abgabeu ;  insbesondere  bestanden  Heirathsabgaben  unter  folgenden 
Namen:  amobr,  amobyr,  gobr-merch,  gwahr-merched,  raaiden-rent 
in  ^Yales^,  mercheta  oder  marcheta  in  Schottland^,  merchet  in 
Engiand^,  bathinodium  in  Belgien  ^,  bumede  und  burmede  iu 
Deutschland  ®,  culage,  couillage,  culagium,  cochet  und  coquet  in 
Frankreich  ^ ,  neben  vielen  anderen  Namen ,  die  in  vorstehenden 
Verzeichnissen  nicht  erwahnt  sind. 

Bei  Schriftstellern  der  I^euzeit  sind  folgende  Ausdriicke  zur 
Bezeichnung  des  Herrenrechts  der  ersten  Xacht  iiblich  geworden, 
und  zwar  seit  dem  siebenzehnten  Jahrhundert  die  Ausdriicke 
jus  luxandae  coxae,  jus  connagii  ^'^  und  jus  cunnii^,  auch  schon 
jus   primae  noctis^^;    seit  dem    achtzehuten   Jahrhundert    bracon- 


'  Delpit  S.  9;  Labessade  S.  16,  17. 

2  Z.  B.  „maindenreiit"  statt  „maiden-rent". 

^  Beispielsweise  kommen  die  Ausdriicke  „Lyre-wite ,  Lecher-Wite,  Leger- 
Geldum"  in  Deutschland  nicht  vor;  wohl  aber  finden  sich  in  englischen  Ge- 
schichtsquellen  die  Ausdriicke  Layrewite,  Lierwyte  und  Letherwyte,  und 
zwar  in  der  Bedeutung  einer  Unzuchtstrafe.  Vgl.  Kap.  16.  Ferner  gehoren 
die  Ausdriicke  Bumede  und  Burmede  nicht  nach  Flandern ,  sondern  nach 
Deutschland.     Vgl.  Kap.  22. 

♦  Kap.   14.  5  Kap.  15.  -^  Kap.   16. 

'  Kap.  20.  Dort  ist  auch  das  Wort  bed-nood  erwilhnt,  jedoch  nicht 
als  ein  urkundlich  bestiitigter  Ausdruck,  sondern  lediglich  als  eine  ungeschickte 
Uebersetzung  von  bathinodium. 

8  Kap.  22. 

^  Kap.  18  und  Kap.  26.  —  Natiirlich  konnte  auch  ein  Frauenkloster  aus 
grundherrlichen  Rechten  Anspruch  auf  eine  solche  Abgabe  haben;  allein  im 
neunzehnten  Jahrhundert  hat  man  die  darauf  beziiglichen  Urkunden  dahin 
missverstanden,  dass  selbst  Aebtissinnen  und  andere  vornehme  Frauen  das 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht  gehabt  hatten.  Labessade  S.  20  Nr.  11  und 
S.  28,  29  Nr.  67. 

10  Henel  cap.  47  S.  401. 

"  Cathala-Coture  Bd.  1  S.  134:  Hist.  de  Montauban  chap.  7  S.  58,  59. 
Vgl.  Kap.  69. 

i^  AA.  SS.  30.  aprilis,  Bd.  3  S.  822.  —  Von  vornhcrein  konnte  man  meinen, 
dass  der  Ausdruck  jus  primae  noctis  ein  Recht  der  Neuvermiihlten  bedeute, 
oder  dic  Abgabe,  die  sie  fiir  Dispens  von  Beobachtung  der  Tobiasniichte 
(vgl.  Kap.  27)  zu  zahlen  hatten.     In  der  That  suchen  cinige  Schriftsteller  jenen 


Kapitel  3.    Etymologic.  15 

il  fodero  ^,  droit  de  cuissage  oder  jambage  ^ 
droit  de  cullage  oder  culagium  ^,  droit  du  seigneur ,  droit  de 
prelibatiou  •*,  droit  de  marquette  (marquettes,  markette,  markotte)  ', 
droit  de  defloration,  seit  dem  neunzehnten  Jahrhundert  auch  de- 
florement  ^,  oder  derecho  de  prelibacion  ^  und  andere  mehr. 

In  der  Bezeichnung  einer  Heirathsabgabe  kann  eine  ge- 
schlechtliche  Anspielung  nicht  auffallen,  da  sie  durch  die  Xatur 
der  Ehe  erkliirt  wird;  daher  bieten  solche  Bezeichnungen  keinen 
Grund,  an  ein  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  zu  denken.  Und 
soweit  die  vorerwahnten  Ausdriicke  sich  erst  in  der  Xeuzeit  ge- 
bildet  haben^°,  lcann  aus  ihrer  Etymologie  keine  Folgerung  fiir 
altere  Zeiten  gezogen  werden. 


Ausdruck  entAveder  aus  dem  Recht  der  Ehegatten  oder  aus  jener  Abgabe 
zu  erklaren  (vgl.  Moser  Bd.  5  S.  158;  Jacobson  bei  Weiske  Bd.  3  S.  566, 
Anm.  316).  Allein  bisher  ist  meines  Wissens  noch  keine  Urkunde  entdeckt, 
worin  der  eine  oder  der  andere  Sprachgebrauch  zur  Geltung  gekommen  ist. 
Einige  Schriftsteller  sprechen  von  einem  jus  primae  noctis  der  Freunde  oder 
Verwandten  der  Braut  (Giraud-Teulon  S.  68,  69) ;  andere  von  einem  jus 
primae  noctis  der  Priester  (Gubernatis,  Liebrecht,  Gerland,  Post,  Bastian, 
Kulischer).  In  vorllegender  Untersuchung  wird  der  Ausdruck  jus  primae 
noctis  in  dem  heutzutage  gebrauchlichen  Sinn  eines  Herrenrechts  der  ersten 
Nacht  gebraucht,  unter  gleichzeitiger  Beriicksichtigung  der  modernen  Be- 
hauptung .  dass  nicht  bloss  den  weltlichen ,  sondern  auch  den  geistlichen 
Herren  ein  solches  Recht  zugestanden  habe. 

*  Carpentier  unter  Braconnagiiim.     Vgl.  Kap.  55. 
^  Lauriere  unter  Cullage.     Vgl.  Kap.  53. 

3  Rastelli  S.  6.     Vgl.  Kap.  52. 

*  Encycl.  und  Voltaire.     Vgl.  Kap.  11. 

5  Encycl.  unter  Culage  und  Droits  abusifs. 

*  Voltaire .  Dict.  phil.  unter  Cuissage  und  Def.  de  mon  oncle.  —  Merlin 
(Rep.  unter  Markette)  meint,  jenes  Recht  habe  urspriinglich  prelibation  ge- 
heissen ,  wie  aus  einer  Urkunde  vom  Jahr  1507  hervorgehe ;  in  AVahrheit 
jedoch  kommt  in  dieser  Urkunde  (vgl.  unten  Kap.  18)  das  Wort  prelibation 
nicht  vor.  —  In  einer  lateinischen  Urkunde  vom  Jahr  1415,  betr.  die  Ver- 
mahlung  der  Prinzessin  Eleonore  von  Portugal  mit  dem  spMeren  Kaiser  Fried- 
rich  in. ,  steht  das  Wort  praelibatio  im  Sinn  einer  Vorkost  von  Esswaaren: 
„An  demselben  Ort  nahm  sie  mit  ihren  Angehijrigen  die  Vorkost  von  Zucker 
und  kleinen  Fischen  mit  Brot;  und  sie  kehrte  spat  zu  dem  Schiff  zuriick,  wo 
die  Hauptmahlzeit  stattfand."  Hist.  despons.  Frider.  III.  Imper.  cum  Eleon. 
Lusit.  an.  1415,  bei  Carpentier  und  Ducange  unter  Praelibatio. 

"^  Menage  unter  Marquette.  Boutaric  chap.  15.  Renauldon  liv.  5  chap.  10 
S.  450.  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Cuissage  und  Def.  de  mon  oncle.  Grand 
Vocab.  Bd.  17  S.  236  und  S.  173.     Diss.  S.  Claude  Anh.  S.  133,  134. 

8  Kap.  62.  9  Marichalar  Bd.  6  S.  67. 

1"  Z.  B.  droit  de  prelibation  und  droit  de  defloration. 


16  Kapitel  4.    Geschichtliche  Notorietat. 


D.    GeschichtlicJie  Notorietat. 


Kapitel  4.  Man  sagt  theils  wortlich,  theils  dem  Sinne  nach : 
Fiir  das  bekannte  Herrenrecht  der  ersten  Nacht,  dies  in  der 
Geschichte  erhaltene  „Denkmal  tiefster  menschlicher  Erniedrigung 
und  Schmach"  *,  finden  sich  unumstossliche  Beweise  bei  zahl- 
reichen  Schriftstellern ,  deren  Werke  zu  den  Hauptzierden  der 
Neuzeit  gehoren,  namentlich  bei  den  franzosischen  Juristen  Merlin, 
Dalloz ,  Dupin ,  Laferriere ,  dem  Historiker  Henri  Martin ,  deu 
Verfassern  der  Encyklopiidie,  dem  belgischen  Juristen  Laurent, 
dem  englischen  Juristen  Blackstone,  dem  Italieuer  Angelo  de 
Gubernatis,  den  spanischen  E,echtshistorikern  Marichalar-Manrique, 
den  deutschen  Gelehrten  Jakob  Grimm,  Weinhold,  Osenbriiggen, 
Bachofen,  Georg  Ludwig  von  Maurer,  Felix  Liebrecht,  Adolph 
Bastian  und  bei  vielen  anderen  beriihmten  Gelehrten.  Solchen 
Auctoritiiten  gegeniiber  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  jenes  Recht  be- 
standen  hat.  Im  Streit,  der  hieriiber  zwischen  dem  Univers 
und  dem  Siecle  stattfand,  kronte  der  Sieg  die  edlen  Anstren- 
gungen  des  tapfern  Siecle  ^.  Das  Unternehmen  Yeuillot's,  die  viele 
Jahrhunderte  lang  allgemein  angenommene  Meinung  ^  zu  erscliiit- 
tern,  war  ein  Tendenzwerk  "^  und  ist  durch  die  Werke  von  Jules 
Delpit,  Lagreze  und  Labessade  zertriimmert.  Seine  Beweisfiih- 
rung  ist  von  der  Art,  dass  sich  damit  auch  darthun  liesse,  die 
romische  Curie  habe  sicli  nie  das  Recht,  Andersglaubige  zu  ver- 
brennen,  beigelegt^.  Delpit  konnte  im  Jahr  1873  seinen  Sieg 
iiber  Yeuillot  formlich  coustatiren.  Es  ist  leichter  zu  beweisen, 
Chlodwig,  oder  Pipin,  oder  Ludwig  der  Heilige  hatten  nie  gelebt, 
als  den  Xachweis  zu  liefern,  dass  jenes  Recht  nicht  bestanden 
habe^.  „Je  mehr  Archivalien  ans  Licht  treten,  desto  deutlicher 
zeigt  es  sich,  dass  Yeuillot  eine  Sache  vertheidigt,  die  durch  und 
durch  faul  ist." '  Die  Beweise  fiir  dies  Recht  sind  unerschiit- 
terlich  und  fest  wie  die  hochsten  Berge;  es  ist  klar  und  einfach 
wie  ein  Naturgesetz,  offenbar  wie  ein  verkiindetes  Gesetz,  augen- 
scheiulich  wie  der  Tag  oder  ein  Gesetz  der  Mathematik.  Ob- 
gleich  einige  Enthusiasten  der  Gegenwart,  die  das  Feudalsystem 
fiir    weit   vorziiglicher    als    den    modernen    Liberalismus    halten  ^, 


1  Kolb  1842,  S.  498.  2  Labessade  S.  190.  ^  yaliein  S.  227. 

♦  Delpit  1857  und  1873.  ^  Buchmann  S.  37.  «  Delpit   1857. 

■  Buchmann  S.  36,  37. 
s  Luis  Cutchet  bei  Marichalar  Bd.  G  S.  498. 


Kapitcl   4.    Cicscliichtliche  Ni.toriotat  17 

und  romantisclic  Schunfalsclifarber  d(!s  Mittelaltors  das  jus  priniae 
noctis  vertuschen  oder  ganz  leugnen  mochten  ^ ,  so  ist  doch  fiir 
einen  ehrlichen  Mann  (homme  de  bonne  foi)  nicht  der  Schatten 
eines  Zweifels  mfiylich;  jeder  Yersuch,  den  Glauben  an  jenes 
Recht  zu  erschiittern,  muss  der  Liicherlichkeit  verfallen^.  Konnte 
von  den  vielen  Beweisen  aus  allen  Liindern,  die  in  neuerer  Zeit 
gesammelt  sind,  der  eine  oder  andere  in  Frage  gestellt  werden, 
so  wiirde  dies  doch  auf  die  iiberwaltigende  Masse  der  Beweise 
keinen  erheblichen  Eintiuss  ausiiben.  Daher  ist  es  z.  B.  nicht 
nothig,  die  iu  Frage  gestellte  Aechtheit  eines  unter  den  Beweisen 
angefiihrten  Urtheils  vom  Jahr  1302  genau  zu  untersuchen  oder 
in  die  Natur  des  Prozesses,  den  der  Bischof  von  Amiens  vor 
dem  Parlament  zu  Paris  verlor,  kritisch  emzudringen.  Schon 
bevor  die  griindlichen  IJntersuchungen  von  Lagreze  erschienen, 
die  den  Streit  fiir  Frankreich  erledigten^,  war  jenes  Recht  eine 
Thatsache  geschichtlicher  Notorietat^ 

Eine  solche  Beweisfiihrung  ist  unzuL'issig.  Es  kann  Nie- 
mandem  zugemuthet  werden,  die  Lehren  moderner  Schriftsteller 
ohne  Priifung  als  wahr  anzunehmen,  als  ob  sie  Glaubensartikel 
waren.  Daher  bedarf  es  einer  Untersuchung  iiber  die  Beweise, 
auf  die  sich  ihre  Meinung  stiitzt.  Ergiebt  sich  hierbei,  dass  eine 
als  Beweismittel  angerufene  Urkunde  gefalscht,  und  eine  andere 
missverstanden  ist,  so  mindert  sich  dadurch  nieht  nur  die  Zahl 
der  aufgeziihlten  Beweise,  sondern  zugleich  die  ZuverLissigkeit 
des  ganzen  Yerzeichnisses.  Das  Axiom  einer  geschichtlichen  J^o- 
torietiit  ist  nicht  geeignet,  den  Beweis  zu  ersetzen. 

Wer  ernstlich  behaupten  will,  dass  einmal  das  Herrenrecht 
der  ersten  Nacht  gcgolten  habe,  wird  iiber  folgende  Fragen 
Rechenschaft  geben  miissen.  AYann  und  wo  ist  cs  entstanden? 
AYie  hat  es  sich  von  einem  Lande  auf  das  andere  ausgedehnt  ? 
AYann  und  wie  ist  es  untergegangen  ?  Wo  und  wann  hat  es 
gegolten?  In  wclchem  Umfang  ist  es  zur  Ausiibung  gekommen? 
Wie  erkliirt  sich  die  Entstchung  und  Gcltung  ?  —  Ueber  alle 
diese  Fragen  sind  die  vcrschiedensten  Meinungen  verbreitet,  die 
zum  grossen  Thcil  mitcinander  unvereinbar  sind. 

Beziiglich  der  Frage  nach  der  Zeit  der  Entstohung  und  Gcl- 

'  Scherr  1876  S.  237. 

-  Labessade  S.  Gl,  82,  106,  179,  180. 

^  Aiigsb.  AUg.  Ztg.  V.  18.  April  1868,  S,  1662. 

*  Martin  4.  Aufl.  Bd.  5  S.  569:  „uii  fait  de  notoriete  historique".  Vgl. 
Bonnemere  Bd.  1  S.  62;  Delpit  S.  123;  Lahes.sade  S.  51:  Liehrecht  1874 
S.  138  und  1879  S.  416  („hekanntermassen-'). 

Schniidt,  .Juh  iiriiaae  uoctis.  2 


\Q  Kapitel  4.    Geschichtliche  Notorietiit. 

tung  lassen  sieh  die  Meinungen  nach  den  Hauptperioden  der 
Weltgeschichte  gruppiren,  dergestalt,  dass  wieder  in  jeder  Gruppe 
die  Meinungen  auseinandergehen,  etwa  folgendermassen. 

a)  Es  ist  ein  uraltes  Recht,  eine  Sitte  alter  Tolker  ^.  Die 
Zeit  der  Entstehung  liisst  sich  nicht  feststellen  ^.     Oder: 

b)  Es  stanimt  aus  heidnischer  Zeit  und  wurde  durch 
das  Christeuthum  verdrangt  (abgelost),  sobald  dasselbe  zur  Herr- 
schaft  gelangte  ^.  Oder :  Es  wurde  um  die  Zeit  des  Kaisers  Au- 
gustus  dureh  einen  schottischen  Ivimig  eingefiihrt  und  im  elfteu 
Jahrhundert  abgeschafft  ^.  Oder:  Die  ersten  Spuren  findeu  sich 
iu  der  romischen  Kaisergeschichte,  und  zwar  bei  Kaiser  Maximin  "^. 
Oder:  Es  war  ein  Recht  persischer  Satrapen,  ohne  jedoch  von 
ihnen  erfunden  zu  sein  *'.     Oder: 

c)  Es  ist  erst  im  Mittelalter  entstauden ".  Es  galt  im 
elften,  zwolften  und  dreizehnten  Jahrhundert  ^,  jedenfalls  im  drei- 
zehnten  Jahrhundert  ^.  Es  bestand  noch  spilter  und  wurde  erst 
im  sechzehnten  Jahrhundert  beseitigt  i".  Es  ist  langst  abge- 
sehafft^i.     Oder: 

d)  Es  hat  in  der  Xeuzeit  bestanden.  insbesondere  im  sie- 
benzehnten  ^^  und  acLitzehnten  *^  Jahrhundert.  Es  scheint  noch 
heutzutao-e  zu  Q-elten  ^\ 


1  Grimm.  R.-A.  S.  380  (..Sitte  alter  YJilker").  Post  S.  38  (,,dieses  uralte 
Recht").     Liebrecht  1869  S.  810  iind  1879  S.  423. 

2  Augsb.  Allg.  Ztg..  Beil.  v.  18.  April  1868.  S.   1662. 

3  AA.  SS.  30.  Aprilis,  de  S.  Foranno.  Bd.  3  S.  822.  Brodeau  tit.  1  art.  37 
n.  11  S.  273.  Keysler  §  64  S.  485.  Westphal  §  12  S.  37—40.  Estor  §  94 
S.   129.     V.  d.  Schelling  Bd.  1  S.   148.     Harenberg  diss.  8  §  16  S.  1173. 

*  Hector  Boethius.  Buchanan.  Lesly. 

5  Kolb  1842.  S.  4t)5.  ^  Helfferich  S.  418,  419. 

'  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Cuissage  und  Defense  de  mon  oncle.  Merlin. 
Rep.  imter  Culage.  Roquefort  unter  Culaige.  Bibl.  hist.  Bd.  12  S.  232. 
Peuchet-Chanlaire  unter  Montauban,  S.  23,  24.  Saint-Fargeau  S.  629.  Kolb 
1843,  Bd.  2  S.  72,  73.  Scherr  1858.  S.  211.  Marichalar  Bd.  6  S.  67. 
Buchmann  S.  36.  v.  Helhvald  S.  451.  494.  Deutsclier  Merkur  vom  17.  April 
1880.  S.  124. 

8  Dulaure,  Montauban  S.  27,  28  und  Adel  S.  241.  242. 

3  Merlin.  Rep.  unter  Markette.  Dict.  Acad.  Suppl.  (1836)  unter  Markette. 
Kolb   1842  S.  496  („besonders  im  dreizehnten  Jahrhundert"). 

1»  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S-   165,  166.     Labessade  S.  77.  78.  108, 

^*  Encycl.  1.  Ausg.  unter  Droits  abusifs.     Dict.  de  Trevoux  unter  Cullage. 

»2  Augsb.  Allg.  Ztg..  Beil.  v.  18.  April   1868.  S.  1662. 

"  Westphal  .5  12  S.  38.  Renauldon  liv.  5  ch.  10  S.  450.  Welsch  S.  1.  2. 
Chr.  Meyer  S.  371. 

1*  Collin  do  Plancy  Bd.  1  S.  166.     v.  Spix  Bd.  3  S.  1182.     Th.  Waitz  Bd.  5 


Kapitel   4.    Gcschichtliche  Notorietiit.  19 

Die  zur  dritton  Gruppe  gehorigen  Schriftsteller  sind  feruer 
verschiedener  Meinung  iiber  die  Frage,  in  welchem  Umfang  die 
Feudalherren  jenes  Recht  ausgeiibt  haben  soUen.  Man  behauptet, 
einige  Feudalherren  liatten  es  in  Anspruch  genommen^;  oder 
unendlich  viele  ^,  oder  die  meisten  '^. 

Auf  die  Frage,  wo  jenes  Recht  zuerst  aufgekommen  sei, 
geben  die  meisten  Schriftsteller  keine  Antwort.  Doch  sagen 
Einige,  in  Schottland '.  Scherr  vermuthet,  jenes  Recht  sei  „ur- 
spriinglich  ein  keltisches  gewesen"  ^. 

Beziiglich  der  Frage,  wie  jenes  Recht  sich  verbreitet  habe, 
wird  behauptet,  „dass  der  Konig  Evenus  dies  Recht  zuerst  in 
Schottland  eiufiihrte,  von  wo  es  nach  England,  Deutschland,  Pie- 
mont  und  anderen  Theilen  der  Christenheit  iiberging"  **.  Oder: 
Wahrscheinlich  gelangte  es  aus  Frankreich  iiber  England  nach 
Schottland  ''.  Die  Mauren  sollen  es  uach  Spauien  gebracht  haben  ^. 
Es  ist  ein  uraltes  Recht,  das  „schon  in  iiltester  Zeit  fast  in  allen 
Welttheilen  und  Landern"  bestand,  „einst  fast  iiberall  existirte 
und  geiibt  wurde"  und  sich  „aus  urtiltester  Zeit  erhalten"  hat^, 
so  dass  es  keines  speciellen  Nachweises  bedarf,  wie  es  aus  einem 
Lande  zum  andern  gelangt  ist. 

L^eber  die  Frage,  in  welchen  Liindern  jenes  Recht  gegolten 
habe,  finden  sich  folgende  Behauptungen.  Es  galt  bei  den  nord- 
lichen  Yolkern  Europas  ^*',  in  mehreren  romanischen  Landern  ^^ 
bei  den  spiiteren  Romern  ^^,  in  Italien  ^^,  in  Schottland  ^K  in  Eng- 

S.  111,  112.    Bastian  S.  179.  180.     Post  S.  37.    Gubernatis.  Usi  S.  198.    Kuli- 
scher  S.  229. 

*  Encycl.  (1.  Ausg.)  imter  Droits  abusifs.  Grand  Vocab.  unter  Culage. 
Peuchet-Chanlaire  unter  Montauban,  S.  23,  24. 

2  Dulaure.  Montauban  S.  27,  28.  und  Adel  S.   241.  242. 

3  Saint-Fargeau  S.  629. 

^  Sugenheim  1861.  S.  103.  ^  Scherr  1865,  S.   131. 

6  Merlin,  Rep.  unter  Markette,  Bd.  8  v.   1813,  S.   107. 
'  Craig  lib.  2  diegesis  3  n.  31.     Ygl.  hiergegen  Barthelemy  S.  96. 

8  Pujades  Bd.  4  S.  332,  333.     Vgl.  Lagreze  1867.  S.  421:    Helfferich  S.  410. 

9  Liebrecht  1869  S.  810,  ebenso  1874  S.  138.  139  uiid  1879  S.  416-418.  423. 
'"  Fischer  S.  93—96. 

"  Augsb.  Allg.  Ztg.  V.    18.  April  1868.  S.   1662. 

'2  Weinhold  S.  194. 

12  Ducange,  Boucher  d'Argis .  Voltaire,  Dulaure,  Roquefort,  CoUin  de 
Plancy,  Fellens.  Michelet,  Delpit,  Labessade,  L.  Favre  bei  La  Curne,  Kolb, 
Marichalar,  Liebrecht,  Gubernatis. 

**  Ducange,  Bayle,  Encycl.,  Voltaire.  Dulaure,  Blackstone.  Stephen,  Merlin, 
Roquefort,  Delpit,  Labessade ,  Gubernatis,  Diimge .  Kolb.  Sugenheim,  Scherr 
1865,  Bastian,  Liebrecht. 

2* 


20  Kapitel  4     Geschichtliche  Notorietat. 

land  ^,  in  AVales  ^,  in  Irland  ^,  in  Frankreich  '^,  in  Spanien  ^*,  in 
Tirol  ^,  in  Deutschland ",  in  der  Schweiz  ^,  in  Belgien  ^,  in  Hol- 
land  ^^  in  Russhind  *^,  in  anderen  europaischen  Staaten  ^^^  in  ganz 
Europa  ^^.  Es  galt  oder  gilt  in  Asien  *\  Afrika  ^^  und  Amerika  ^**. 
Es  hat  ^anderswo"  gegolten  ^^. 

Auf  die  Frage  nach  der  Entstehung  jenes  Rechts  antwortet 
man :  Es  griindet  sich  auf  Anmassung  oder  Tyrannei  ^^,  auf  Ge- 
walt-Missbrauch  ^^  oder  Kriegsrecht  ^^  und  ist  durch  eine  seltsame 
Gewohnheit  angenommen  2'.  Es  beruht  auf  Gewohnheitsrecht  ^2^ 
auf  Gesetzgebung  ^^. 

Man  sagt:  Jenes  Recht  ist  niemals  durch  gerichtliches  Urtheil 
anerkannt  worden^*.  Oder:  Es  ist  ausdriicklich  anerkannt  in  ge- 
richtlichen  Urtheilen  ^^  und  in  geschriebenen  Gewohnheitsrechten  ^c. 


'   Diimge,  Delpit,  "VVeinhold,  INIarichalar.  Labessade,  Liebrecht. 

2  Ducange,  Delpit,  Labessade. 

^  Sugenheim,  Kulischer. 

^  Garran  de  Coulon ,  Dulaure,  ISIerlin,  Collin  de  Plancy ,  Fellens,  Delpit. 
V.  Hormayr,  Kolb,  Weinhold,  Sugenheim,  Seherr  1865,  Liebrecht. 

*  Lagreze,  Helfferich,  Sugenheifn,  Marichalar,  Wolf,  Liebrecht,  Kulischer. 

'■  Gubernatis,  Kulischer.  ' 

'  V.  Alvensleben,  Dulaure,  INIerlin,  Diimge,  v.  Hormayr,  Kolb ,  Delpit, 
Labessade,  Weinhold,  Scherr,  Liebrecht,  Post,  Kulischer. 

^  Scherr.  v.  Maurer,  Weinhold,  Liebrecht,  Kulischer,  Delpit. 

y  Dulaure,  Diimge.  Bonnemere,  Delpit,  Labessade. 

'"  Dclpit,  Labessade,  Liebrecht. 

<'  J.  MLiller.  Ewers.  Grimm,  3Iichelet,  Weinhold ,  Scherr  1S65,  Liebrecht, 
Post.  Kulischer. 

12  Garran  de  Coulon,  Merlin.  Delpit.  Marichalar. 

**  Labessade  S.  24. 

**  Dalloz .  Cahen,  Giraud-Teuhin ,  Gubernatis,  Bastian,  Liebrecht .  Ku- 
lischer. 

^^  Giraud-Teulon.  Liebrecht. 

^^  Anderson.  Giraud-Teulon.  v.  Spix,  Th.  Waitz.  Bastian.  Post.  Liebrecht. 
Kulischer. 

>'  ISIontaigne  liv.   1  chap.  22  S.   144,  145. 

'"  Graud  Vocab.  unter  Culage. 

'•'  Garran  de  Coulon.  Diss.  S  Claude  Anh.  S.  133.  Merlin ,  Rep.  unter 
Culage.     Kolb   1842  S.  495,  496 

2"  Voltaire.  Defense  de  mon  oncle. 

^*  Dict.  de  Trevoux  unter  Cullage. 

^*  Encycl.  unter  Culage.  Grand  Vocab.  unter  Marquette.  CoUin  de  Plancy 
Bd.  1  S.   165,  166.     Fellens  S.   147.     Labessade  S.  9. 

*■*  Delpit  1857  und  1873.     Vgl.  Voltaire,  Defense  de  mon  oncle. 

^*  Voltaire,  Dict.  phil.  iinter  Cuissage,   und  Defcnsc  dc  mon  oncle.    I^agreze. 

'*  Saint-Amans,  Bibl.  hist.,  Ewers. 

26  Bouthors    Bd.   1  S.  449,  450.     Dupin   S.   131.     Delpit.     Labessade  S.  61. 


Kapitel  5.    Lebeiulige  Ueberlieferunf;.  21 

Es  war  eine  Rechtsinstitution  des  Mittelalters  ^ ,  ein  Recht  des 
Lehnsystems^,  und  wurde  sogar  von  der  Kirche  als  begriindet 
anerkannt  und  beschiitzt  ^. 

Aus  vorstehender  Uebersicht  erhellt,  dass  die  Sehriftsteller, 
die  ini  Allgemeinen  ghauben,  es  hatte  einmal  das  Herrenrecht 
der  ersten  Naclit  bestanden,  im  Einzelnen  in  ihren  Meinungen 
weit  von  einander  abweichen  ,  dass  also  dariiber  eine  Ueberein- 
stimmuug-  der  Schriftsteller  oder  eine  geschichtliche  Notorietiit 
nicht  vorliegt, 

E.    Lebendige   Ueherlieferung. 

K.ipitel  5.  Zum  Beweise,  dass  ein  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  bestanden  habe ,  beruft  man  sich  auf  eine  lebendige 
UeberHeferung*;  man  sagt,  der  Yolksglaube  an  die  Exi- 
stenz  jenes  seltsamen  und  gottlosen  Feudalrechts  wiirde  sich  nicht 
so  allgemein  verbreitet  und  nicht  so  hartniickig  bis  in  die  Gegen- 
wart  erhalten  haben,  wenn  er  nur  auf  Unwissenheit  oder  Yer- 
leumdung  bernhte  ^;  „man  erfindet  nicht  solche  Sachen"  ^.  „Keine 
einzige  geschichtliche  Ueberlieferung  ist  je  bewiesen  worden."  ^ 
Also  geniigt  die  lebendige  Ueberlieferung,  um  den  Beweis  zu 
ersetzen. 

In  der  That  wird  heutzutage  von  mehreren  Liindern  erziihlt, 
dass  dort  jenes  Recht  geherrsclit  habe  oder  noch  herrsche.  In  Tirol 
wurde  mir  geriichtweise  mitgetheilt,  dass  es  in  Ungarn  gelte  ^. 
In  Bosnien  und  in  der  Herzegowina  soll  eine  iihnliche 
Unsitte  bestehen '.  Ueber  Russland  wird  erziihlt,  dass  in 
Klein-Russland ,  insbesondere  in  Kiew,  eine  Yolkssage  den  Ur- 
sprung  einer  mit  dem  Namen  „Mardergabe"  bezeichneten  Hei- 
rathsabgabe  auf  jenes  Recht  zuriickfiihre '°;  dass  dies  „jus  vir- 
ginale"    in  AYolhynien   den   hochsten  Beamten  „noch"  in  neuerer 


'  Kolb   1842  S.  495  und  1843  Bd.  2  S.  72.     Scherr  1865,  S.   129. 

2  Carli  Bd.  1  S.  175. 

3  Buchmann  S.  68.     Deutscher  Merkur  vom    17.  April   1880.  S.   124. 

*  Scherr    1858,    S.    569.      Ygl.    Delpit    Nr.    72    S.    123:    „la    multitude    et 
runanimite  des  traditions'''. 

*  Lagreze  1867,  S.  391. 

*  Delpit  S.  123:  „0n  n'invente  pas  ces  choses-la." 
'  Bachofen  S.  27. 

*  Meine  Erkundigungen  nach  den  Griinden  dieses  Geriichts  sind  vergeblich 
gewesen. 

3  Vgl.  das  Citat  bei  Barthelemy  S.  110. 
^»  Ewers  S.  72. 


22  Kapitel  5.    Lebendige  Ueberlieferuiig. 

Zeit  zugestanden  habe^,  und  dass  auch  in  Bessarabien  und  in 
den  Ostseeprovinzen  dasselbe  Recht  in  Geltung  gewesen  sei  ^. 
Ferner  soU  in  Mecklenburg  die  Sage  vom  jus  primae  noctis 
weit  verbreitet  sein  ^.  Aus  Frankrei  c  h  wird  gemeldet,  in  meh- 
reren  Ortschaften  der  ]^-ovinz  Berry  habe  ein  „droit  de  mar- 
quette"  oder  „droit  de  julie"  bestanden,  das  aus  dem  Herren- 
recht  der  ersten  Nacht  herriihrte  ■^.  Dies  schiindliche  Recht  soll 
in  der  Bretagne  und  in  Limousin  heimisch  gewesen  sein^; 
doch  soll  einmal  nach  den  Annalen  von  Limousin  ein  Herr  von 
Brives-la-Gaillarde  fiir  Ausiibung  dieses  Rechts  die  Strafe  erlitten 
haben,  dass  dessen  Ehegattin  durch  den  gekriinkten  Ehemann 
zum  Ehebruch  verleitet  wurde  ^.  Wie  in  der  Bretagne ,  so  soll 
auch  in  Orleanais,  in  der  Provence  und  iu  Languedoc 
seit  dem  Jahr  1599  die  Ueberlieferung  fortleben,  dass  dort  das 
„droit  du  seigneur"  in  voller  Bliithe  gewesen  sei '.  Insbesondere 
wird  erziihlt,  ein  Herr  aus  Orleanais  habe  dies  Recht  fiir  fiinf 
Sous  verkauft,  und  ein  Herr  von  Betliisy  fiir  neun  und  einen 
halben  Sous^;  die  Canoniker  von  Saint-Victor  zu  Marseille  seien 
berechtigt  gewesen,  mit  den  neuvermtihlten  Frauen  ihrer  Leib- 
eigenen  in  der  ersten  Nacht  zu  schlafen  ^ ;  ein  Mann  aus  dem 
Weichbilde  von  Toulouse  habe,  wie  sein  Sohn  im  Jahr  1760 
dem  Marquis  de  Pins  erkliirte,  in  seinem  Ivirchspiel  nicht  hei- 
rathen  w^ollen,  weil  den  Grundherren,  niimlich  den  Monchen  von 
Ladorade,  „ein  gewisses  Recht"  zustand,  dem  er  sich  nicht  liiitte 
unterwerfen  wollen  ^*';  und  in  Callas  sei  einmal,  vor  dem  Jahr  1789, 
ein  Grundherr  getodtet  worden,  weil  er  jenes  Recht  ausgeiibt 
habe  ^^    Eine  Yolkssage  aus  Bigorre  wird  spiiter  (Kap.  81)  mit- 


*  Post  S    38.  2  Aus  Privatnachrichten. 

^  So  theilt  mir  ein  Herr  mit,  der  zwolf  Jahre  lang  in  Mecklenburg  ge- 
lebt  hat.  Dies  wird  bestiitigt  durch  Scherr  1876,  S.  238.  Dagegen  ist  je- 
doch  zu  bemerken,  dass  ein  solches  Recht  in  Fritz  Reuter"s  „Kein  Hiisung" 
nicht  erwahnt  wird,  obwohl  es  zu  der  Tendenz  dieser  Dichtung  gut  gepasst 
hatte. 

"  Raynal  Rd.  2  S.  209. 

^  Brunct  S.  172.  Augsb.  Allg.  Ztg.  v.  18.  April  1868,  S.  1662.  Lieb- 
recht  1869  S.  811,  ebenso  1874  S.   139  und  1879  S.  418. 

"  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.   173.   174.     Delpit  S.  126. 

'  Labessade  S.  50. 

«  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  172.     Delpit  S.   126. 

9  CoUin  de  Plancy  Bd.  1  S.  176.     Delpit  R.  126. 

10  Delpit  S.  124. 

'1  Delpit  S  124.  Vgl.  Vcuillot  2.  Autl.  S.  300  —  302,  der  diese  Sage 
darauf   zuriickfiihrt,    dass   im    Jahr  1599    dcr    achtzigjahrige   Herr    von    Callas, 


Kiipitel  5.    Lehendif;^  Ueljorlicfernnfr.  23 

getheilt  werden.  Boutaric  und  Renauldon  versichern,  Herren 
gesehen  zu  haben ,  die  jenes  Recht  zu  haben  behaupteten  \ 
Aus  Norditalien  wird  erzahlt,  die  Grafen  von  Monferratp,  von 
San  Martino  zu  Yische  und  von  Valperga  zu  Castellamonte,  ferner 
die  Tizzoni  zu  Crescentino  und  die  Biandrate  zu  San  Giorgio 
hutten  dem  Anschein  nach  sich  das  jus  primae  noctis  angemasst; 
Spuren  eines  solchen  Rechtes  seien  noch  heutzutage  im  Carneval 
von  Ivrea  erhalten ;  auch  werde  der  iSTame  des  Ortes  Feletto  (von 
flere,  weinen)  im  Yolksmunde  auf  jenes  Recht  zuriickgefiihrt  ^. 
Im  Jahr  1848  sollen  nordamerikanische  Soldaten  im  Kriege  gegen 
Mexiko,  kurz  vor  Ueberschreitung  der  mexikanischen  Grenze, 
durch  eine  Anrede  ihres  Hauptmauns  angefeuert  worden  seiu, 
worin  es  hiess :  „AYir  ziehen  in  eiu  Land,  das  ga,nz  dem  Pa- 
pismus  verfallen  ist;  die  Pfaffen  haben  die  Herrschaft  und  fuhren 
das  arme.  Yolk  irre;  von  den  vielen  Greueln,  welche  hier  veriibt 
werden,  will  ich  nur  einen  anfiihren:  der  neue  Ehemann  darf 
nicht  zu  seiner  Frau,  wenu  er  die  Pantoffeln  des  Pfarrers  vor  der 
Thiir  stehen  sieht;  und  das  gilt  acht  Tage  lang!"  ^  Hierin  kijnnte 
die  Anspielung  auf  ein  jus  primae  noctis  des  Pfarrers  gefunden 
werden. 

Allein  aus  derartigen  unbestimmten  Sagen  ist  keiu  Beweis 
zu  entnehmen.  Die  in  Kapitel  1  erwahnten  Schriftsteller  haben 
den  Glauben  an  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  in  der  ge- 
lehrten  Welt  ausgebreitet ;  und  seit  dem  achtzehnten  Jahrhundert 
haben  zahlreiche  Unterhaltungsschriften  und  Theatervorstellungen 
fiir  weitere  Yerbreitung  jenes  Glaubens  Sorge  getragen.  Es 
konnte  daher  nicht  auffallen,  wenn  hier  und  da  die  Meinung, 
dass  ein  solches  Recht  bestanden  hiitte,  selbst  in  den  Yolksghiuben 
iibergegangen  ware.  Hiernach  wiirde  aus  einer  „lebendigen  Ueber- 
lieferung"  oder  aus  einem  „Yolksglauben"  iiber  jenes  Recht  ein 
geschichtliches  Beweismittel  nur  dann  entnommen  werden  konnen, 
wenn   feststiinde,    dass   die  Ueberlieferung   oder  der  Yolksglaube 


Jean  Baptiste  de  Ponteves,  in  einem  Kampf  mit  der  Gemeinde  Callas  (Ijei 
Draguignan  in  der  •Provence)  auf  der  Strasse  getodtet  worden  sei. 

*  Boutaric  chap.  15  und  Renauldon  liv.  5  chap.  10  (Beide  fnit  denselhen 
Worten,  unter  Droit  de  marquettes). 

-  Gubernatis,  Usi  S.  201  —  205. 

^  Dies  erzahlten  zM^ei  Soldaten ,  die  jene  Anrede  gehort  hatten ,  nach 
Beendigung  des  Feldzugs  zu  Holydaysburg  im  Staat  Pennsylvanien  dem  Ilerrn 
P.  Th.  Brunner,  wie  Letzterer  (.jetzt  Prior  zu  Kloster  Scheftlarn  bei  Miinchen) 
mir  mitgetheilt  hat.  Sie  erkundigten  sich  bei  dem  genannten  Geistlichen,  ob 
die  Erzahlung  ihres  friiheren  Hauptmannes  auf  Wahrheit  beruhe. 


24  Kapitel  6.    Erbrecht.    Vorzug  des  zweiten  Sohnes. 

in  den  einzelnen  Liindern  auf  selbstiindigen  Quellen  beruhtie; 
auch  miisste  die  Zeit  der  Entstehung  einer  solchen  Ueberlieferung 
wenigstens  in  annahernder  Weise  ermittelt  werden. 


II.  Theorieen  iiber  Wirkung  des  jus  primae  noctis  im  Erbrecht. 

Kapitel  (>.  Manche  Schriftsteller  glauben,  das  jus  primae 
noctis  sei  die  Ursache,  dass  nach  eiuigen  Erbrechtssystemen  der 
tilteste  Sohn  von  der  Erbschaft  des  Vaters  ausgeschlossen  sei,  und 
an  erster  Stelle  entweder  der  zweite,  oder  der  jiingste  Sohn,  oder 
der  Sohn  der  Schwester  zur  Erbschaft  berufen  w^erde. 

1.   Yorzug    des   zweiten    Sohnes. 

Angelo  de  Gubernatis  behauptet,  es  gebe  in  Indien  Yolker, 
bei  denen  nicht  der  iilteste,  sondern  der  zweite  Sohn  zur  Erb- 
schaft  des  Yaters  berufen  werde;  er  sucht  diesen  Rechtssatz  aus 
einem  vermeintlichen  jus  primae  noctis  zu  erlclaren  ^  Er  meint, 
derselbe  Yorzug  des  zweiten  Sohnes  hiitte  im  germanischen  Mittel- 
alter  bestanden ,  wie  aus  Ducange  zu  ersehen  sei^.  Allerdings 
sagt  Ducange,  das  engli^che  Gewohnheitsrecht  des  Borough-English 
beruhe  auf  dem  Grundsatz,  dass  die  Erbgiiter  eines  Yaters,  der 
melirere  Sohne  hinterlasse,  ausschliesslich  dem  zweitgeborenen 
Sohne  zufielen  ^.  Dies  ist  jedoch  ein  Irrthum.  In  den  Landern 
des  Borough-Englisli  hat  nicht  der  zweitgeborene,  sondern  der 
jiingste  Sohn  einen  Yorzug  im  Erbrecht  ■^,  wie  in  einem  Zu- 
satz  Henschers  zu  Ducange  richtig  beraerkt  wird  ^.  Ein  gleich- 
artiger  Irrthum  findet  sich  bei  Delpit.  Derselbe  meint,  nach  vielen 
deutschen  Gewohnheitsrechten,  insbesondere  in  Sachsen  und  West- 
falen,  ferner  nach  Gewohnheitsrechten  in  der  Picardie,  in  Flan- 
dern,  im  Hennegau  und  in  England,  falle  das  Erbgut  eines  Leib- 
eigenen  nicht  an  dessen  iiltesten,  sondern  an  den  zweitgeborenen 
Sohn.  Eine  Erkliirung  fiir  diese  Eigenthiimlichkeit  findet  er  in 
dem  „droit  du  seigneur"  ^.  Indessen  bezieht  sich  in  den  be- 
zeichneten  Liindern  der  Yorzug  nicht  auf  den  zweitgeborenen, 
sondern  auf  den  jiingsten  Sohn. 


'  Gubernatis,  Indie  S.  137  und  Usi  S.   197. 
-  Gubernatis,  Uai  S.  197. 

^  Ducange    unter    Burglieiiglish.    —    Derselben    Meinung    ist    Laya    Bd.     1 
S.  313. 

*  Blackstone  9.  Aufl.  Bd.  9  S.  83.     Stephen  5.  Autl.  Bd.   1   S.  216. 

*  Henschel  bei  Ducange  unter  Burghenglish. 
«  Delpit  S.   117. 


Kapitel  6.     Erljrecht.     Vorzuf;  iles  zueiten  Sohnes.  25 

Mir  ist  kein  Yolk  Ijokannt,  welches  im  Eibreclit  den  Giund- 
satz  befolgte,  dass  gerade  der  zweite  Sohn  des  Erblassers  einen 
Yorzug  vor  dem  ersten  haben  und  an  erster  Stelle  zur  Erbfolge 
kommen  sollte.  ^Vo  eine  Secundogenitur-Erbfolge  durch  Testa- 
ment  oder  sonst  begriindet  ist,  erkliirt  sie  sich  aus  dem  sonstigen 
Yorzuge  der  Primogenitur;  sie  bildet  eine  Abfindung  des  zweiten 
Sohnes  und  seiner  Xachkommenschaft. 

Es  wiire  nun  allerdings  nicht  absolut  unmoglich,  dass  in 
irgend  einem  Theile  Indiens,  wie  Gubernatis  behauptet,  der 
Eechtsgrundsatz  galte,  dass  der  zweite  Sohn  den  A^orzug  im 
Erbrecht  hiitte;  denn  im  Gebiet  Indiens,  das  so  gross  wie  Europa 
ist,  finden  sich  sehr  A^erschiedene  Rechtseinrichtungen.  AUein 
jedenfalls  ist  die  Behauptung  von  Gubernatis  im  hochsten  Grade 
unwahrscheinlich.  Denn  sie  ist  giinzlich  beweislos  und  beruht 
auf  der  irrigen  Yorausset/.ung,  dass  derselbe  Grundsatz  im  euro- 
paischen  Mittelalter  gegolten  hiitte.  Zudem  steht  sie  in  AYider- 
spruch  mit  den  Grundsatzen  des  indischen  Erbrechts,  wie  solche 
aus  den  indischen  Rechtsbiichern  zu  ersehen  sind.  Apastamba, 
der  nach  den  durch  Biihler  angestellten  Untersuchungen  im 
vierten  oder  fiinften  Jahrhundert  vor  Christi  Geburt  gelebt  habeu 
mag,  lehrte,  der  Yater  solle,  sobald  er  den  altesten  Sohn  mit 
einem  Yermogensstiick  erfreut  habe,  sein  iibriges  Yermogen  bei 
Lebzeiten  unter  alle  Sohne  gleichmiissig  vertheilen;  weder  die 
von  Einigen  vertheidigte  Meinung,  der  iilteste  Sohn  konne  zum 
Alleinerben  bestimmt  werden,  noch  die  Gewohnheit  einiger  Liin- 
der,  dem  iiltesten  Sohn  des  Yaters  Gold,  die  schwarzen  Kiihe 
oder  schwarzes  Eisen  oder  Getreide  zu  bewilligen,  stehe  im  Ein- 
klang  mit  den  Yedas;  denn  in  der  Taittiriya  Sanihita  stehe: 
„Manu  vertheilte  sein  Yermogen  unter  seine  Sohne",  ohne  be- 
sondere  Yorschrift  fiir  den  iiltesten  Sohn,  und  eine  andere  Stelle 
desselben  Yeda,  die  von  einer  Bevorzugung  des  iiltesten  Sohnes 
spreche,  enthalte  nur  die  Angabe  iiber  eine  aufgestellte  Meinung, 
keineswegs  aber  eine  Yorschrift  ^    Ein  iilterer  Rechtslehrer,  Gau- 


*  Apastamba ,  Dharmasiitra  or  Aphorisms  on  the  Sacred  Law  of  the 
Hindus,  Prasma  II,  Patala  6,  Khanda  13  n.  13  bis  Khanda  14  n.  14,  bei 
Biihler  S.  132 — 135:  „After  having  gladdened  the  eldest  son  by  some  choice 
portion  of  his  wealth,  he  should,  during  his  lifetime,  divide  his  wealth 
equally  amongst  his  sona ,-  excepting  the  eunueh ,  the  mad  man ,  and  the 
outcast.  On  failure  of  sons  the  nearest  Sapinda  takes  the  inheritance.  On 
failure  of  then}  the  spiritual  teacher  inherits;  on  failure  of  the  spiritual 
teacher  a  pupil  shall  take  the  deceased^s  wealth ,  and  use  it  for  religious 
works  for  the  deceased's  benefit.  or  he  himself  may   enjoy  it;  or  the  daughter 


26  Kapitel  6.    Erbrecht.    Yorzug  des  zweiten  Sohnes. 

tama,  lehrte  ebenfalls  den  Grundsatz  der  Gleichbereehtigung  aller 
Sohne,  jedoch  mit  der  Abweichung,  dass  in  gewissem  Umfang 
eine  Bevorzugung  des  altesten  Sohnes  gestattet  sei  ^.  Nach  der 
Lehre  von  Baudhayana,  der  nach  Annahme  Buhler's  spater  als 
Gautama,  jedoch  friiher  als  Apastamba  lebte,  konnte  der  Yater 
sein  Vermogen  unter  alle  Sohne  gleichmassig  vertheilen  oder  den 
altesten  Sohn  in  einer  naher  bezeichneten  Weise  bevorzugen  ^. 
Er  beruft  sich  fur  den  Grundsatz  der  Gleichberechtigung  auf 
denselben  Yeda-Satz  wie  Apastamba,  und  fiir  die  Befugnit^s,  den 
altesten  Sohn  zu  bevorzugen ,  auf  die  Stelle ,  von  der  Apastamba 


may  take  the  iiilieritaiice.  On  faihire  of  all  rehations  let  the  king  take  the 
inheritance.  Some  dechire  that  tlie  eldest  son  alone  inherits.  In  some 
countries  gold  or  hlack  cattle  or  bhick  produce  of  the  earth  is  the  share  of 
the  eklest.  The  chariot  and  the  furniture  in  the  house  are  the  fathers  share. 
According  to  some,  the  share  of  the  wife  consists  of  her  ornaments.  and  the 
wealth  which  she  may  have  received  from  her  relations.  That  preference  of 
the  eldest  son  is  forbidden  by  the  Castras.  For  it  is  declared  in  the  Veda, 
without  marking  a  difference  in  the  treatment  of  the  sons :  Manu  divided  his 
wealth  amongst  his  sons.  Now  the  Veda  declares  also  in  conforinity  with 
the  rule  in  favour  of  the  eldest  son  alone:  They  distinguish  the  eldest  by  a 
larger  share  of  the  heritage.  But  to  this  plea  in  favour  of  the  eklest  I  an- 
swer:  Now  those  who  are  acquainted  with  the  interpretation  of  the  law  de- 
clare  a  statement  of  facts  not  to  be  a  rule,  as  for  instanee.  .  .  .  Therefore 
all  sons  who  are  virtuous  inherit."     Vgl.  auch  Biihler  S.  XX. 

1  Gautama,  Dharmacastra .  or  Institutes  of  the  Sacred  Law,  chap.  28 
n.  1—13,  bei  Buhler  S.  299—301:  ..After  the  fathers  death  let  the  sons 
divide  his  estate;  or,  during  his  lifetime,  when  the  mother  is  past  child- 
bearing,  if  he  desires  it,  or  the  whole  estate  may  go  to  the  first-born;  and 
he  shall  support  the  rest  as  a  father.  But  in  partition  there  is  an  increase 
of  spiritual  merit.  The  additional  share  of  the  eklest  son  consisfs  of  a  twent- 
ieth  part  of  the  estate .  a  niale  and  a  female  of  animals  with  one  row  of 
front  teeth,  such  as  cows.  a  carriage  yoked  with  animals  that  have  two 
rows  of  front  teeth ,  and  a  buU.  The  additional  share  of  the  middlemosl 
consists  of  the  one-eyed,  okl,  hornless  and  tailless  animals,  if  there  are  se- 
veral.  Tlie  additional  share  of  the  youngest  consists  of  the  sheep,  grain,  the 
iron  u.-^tensils,  a  house ,  a  cart  yoked  with  oxen,  and  one  of  each  kind  of 
other  animals.  AU  the  remaining  property  shall  be  divided  equally.  Or  let 
the  eklest  have  two  shares,  and  the  rest  one  each.  Or  let  them  each  take 
one  kind  of  property,  selecting  according  to  seniority,  what  they  desire, 
ten  head  of  cattle.  But  no  one  brotlier  shall  take  ten  onehoofed  beasts  or  ten 
slaves".  .  . 

*  Biihler  S.  XXI:  .  .  .  „According  to  him  (niimlich  BaudhAyana) ,  either 
an  equal  share  may  be  given  to  each  son,  or  the  eldest  may  receive  the  best 
part  of  the  wealth,  or .  also.  a  preferential  share  of  one  tenth  of  the  whole 
property.  He  further  alleges  that  the  cows,  horses,  goats,  and  sheep  also 
go  to  the  eldest  son." 


Kapitol  6.    P>breclit.    Vurzuf;  des  jiiiig?teii  Solines.  27 

aiiiiimmt,  dass  sie  keine  Yorschrift  enthalte  ^  Yon  einer  Aus- 
schliessung  des  altestea  Sohnes  ist,  abgesehen  von  bestimmten 
Kiiterbungsgriinden,  in  diesen  und  andern  Gesetzbuchern  keine 
Spur  zu  finden  ^.  Nach  den  Grundsatzen  der  Yedas  fiel  beim 
Tode  eines  Konigs  dessen  AYiirde  regelmassig  auf  den  altesten 
Sohn ''.  Das  Gesagte  wird  durch  eine  gefallige  Mittheilung  des 
Ilerrn  Professors  Dr.  Julius  JoUy  bestatigt:  „Die  Bevorzugung 
(les  iiltesten  Sohnes  bei  der  Theilung  ist  durch  eine  sehr  grosse 
Anzahl  von  Stellen  der  alten  Gesetzbiicher  zu  belegen.  Ueber 
die  Art  dieser  Bevorzugung  finden  mancherlei  DifFerenzen  statt; 
auch  wird  zweifelhaft  gelassen,  ob  nicht  die  Theilung  zu  gleichen 
Theilen  vorzuziehen  sei,  oder  ob  die  Theilung  ganz  unterlassen 
werden  solle ,  wobei  dann  entweder  der  alteste  Sohn  oder  auch 
,selbst  der  jiingste  Sohn ,  wenn  er  dazu  fahig  ist',  an  die  Spitze 
des  Haushalts  treten  soU.  Thatsachlich  bildete  gewiss  die  Fort- 
setzung  der  Giitergemeinschaft,  wie  bei  den  Siidslaven  und  fast 
im  ganzen  Orient,  von  Alters  her  die  Regel.  Die  Bevorzugung 
des  Aeltesten  kam ,  wie  Apastamba  zeigt ,  schon  friih  ausser 
Gebrauch;  schon  den  mittelalterlichen  Juristen  Indiens  erschien 
sie  als  Antiquitat,  und  die  gleiche  Theilung  als  das  allein  Zu- 
lassige."  Yon  einer  grundsatzlichen  Ausschliessung  des  altesten 
Sohnes  zu  Gunsten  des  zweiten  ist  nirgends  die  Rede. 

Dies  wird  geniigen ,  um  die  Grundlage  zu  zerstoren ,  worauf 
eine  Hypothese    iiber  Wirkung   des  jus   priraae  noctis  erbaut  ist. 

2.    Yorzug   desjiingsten    Sohnes.    (Minorate.) 

Yiele  Schriftsteller  meinen,  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht 
sei  die  Ursache,  weshalb  nach  manchen  Rechtssystemen  der  jiingste 
Sohn  im  Erbrecht  bevorzugt  werde.  Plot  vermuthet,  an  den 
Orten,  wo  jetzt  Borough-English  gelte,  habe  friiher  dieselbe 
gottlose  Gewohnheit  bestanden ,  wie  solche  durch  Konig  Evenus 
in  Schottland  eingefiihrt  gewesen  sei;  danach  hatten  die  Bauern 
in  der  Yoraussetzung,  dass  der  alteste  Sohn  durch  den  Lord  er- 
zeugt  sei,  ihre  Lander  auf  den  jiingsten  Sohn  iibertragen,  welchen 


1  Biihler  S.  XXI:  „As  authority  for  the  equal  division  he  gives  the  first 
of  the  two  Vedic  passages  quoted  above;  and  for  the  doctrine  that  the  eldest 
is  to  receive  the  best  part  of  the  estate,  he  quotes  the  second  passage  ■\vhich 
Apastamba  considers  to  be  without  the  force  of  an  injunction." 

^  Vgl.  uber  die  Bevorzugung  des  altesten  Sohnes  Mayr  §  8,  S.  41 — 47. 

^  Vgl.  Muir  2.  Aufl.  Bd.  1  S.  275  (bei  der  Sage  von  Konig  Santanu.  der 
seinen  alteren  Bruder.  Devapi,  verdrJingt  liatte  und  in  dessen  Einsiedelei  auf- 
suchte);  Wheeler  Bd    1  S.  97. 


28  Kapitel  6.    Erbrecht.    Vorzug  des  jiingsten  Sohnes. 

sie  fiir  ihren  eigenen  hielten ;  aus  dieser  Uebung  sei  durch  langen 
Gebrauch  ein  Gewohnheitsrecht  geworden  ^  Auch  Anderson  halt 
es  fiir  wahrscheinlich ,  dass  die  Gewohnheit  des  Borough-English 
aus  dera  Bestreben  entstanden  sei,  die  iibeln  Folgen  des  Ilerren- 
rechts  der  ersten  Nacht  zu  verhiiten;  wenn  namlioh  der  iilteste 
Sohu  fiir  illegitim  gehalten  werden  konnte,  so  habe  man  den 
jiingsten  Sohn  zum  Nafhfolger  berufen,  weil  auf  ihm  kein  Makel 
ruhen  konnte  ^.  Die  Encyklopiidisten  Jaucourt  und  Garran  de 
Coulon  erwahneu  die  Meinung  „mehrerer  gelehrter  Eugliinder", 
dass  der  Ursprung  des  Borough-English  im  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht  zu  suchen  sei  ^.  Blackstone  und  Stephen  erheben 
gegen  diese  Meinung  keinen  anderen  Einwand,  als  dass  nicht 
feststehe,  ob  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  in  England  jemals 
gegolten  habe  ■*. 

Diese  ErkLirung  des  Borough-English  und  iiberhaupt  des 
Yorzugs  der  Jiingstgeburt  aus  dem  vermeintlichen  Herrenrecht 
der  ersten  Nacht  leidet  an  zahlreichen  Gedankenfehlern  •'.  Sie 
iibersieht  erstens,  dass  die  Erzahlung  vom  Gesetz  des  Konigs 
Evenus  und  von  Abschaffung  desselben,  unter  Einfiihrung  der 
raarcheta  mulierura,  eine  Sage  ohne  geschichtlichen  Werth  ist^; 
zweitens,  dass  der  Grundsatz  des  Borough-English  in  andern 
Landesthoilen  gilt  als  die  marcheta  mulierum;  drittens,  dass  die 
Aufkliirung  dariiber  fehlt,  wann  und  wie  das  Herrenrecht  von 
Schottland  nach  England  verpflanzt  sein  soll;  viertens,  dass  die 
Geburt  des  ersten  Kindes  nicht  immer  wiihrend  des  ersten  Jahres 
uach  der  Heirath  stattfindet:  fiinftens,  dass  als  erstes  Kind  ein 
Madchen  geboren  werden  kann;  sechstens  endlich,  dass  nicht  der 
jiingste,  sondern  der  zweite  Sohn  zur  Erbfolge  berufen  werden 
miisste,  wenn  der  iilteste  bloss  wegen  Zweifels  an  seiner  Legi- 
timitat  ausgeschlossen  werden  sollte. 

Schon  ira  Alterthum  hatte  bei  vielen  Yolkerschaften  der  jiingste 
Sohn  oder  das  jiingste  Kind  einen  Yorzug  ira  Erbrecht  ^  Im 
Mittelalter  und  bis  zur  neuesten  Zeit  begriindete  nach  zahlreichen 
Gewohnheitsrechten  die  Jiingstgeburt  einen  Yorzug  ira  Erbrecht, 
besonders    bei    der    biiuerliclien    Erbfolge  ^.      Der    Grundsatz    des 


'   Plot,  eap.  8  n    21.  ^  Anderson  S.  72. 

'  Encycl.  meth  .  Bd.  5  S.  835,  unter  Marquette. 

»  Blackstone  (9.  Aufl.)  Bd.  2   S.  83.     Stephen  (5.  Aufl.)  Bd.  1  S.  216. 
5  Vgl.  Dalrymple   Bd.   1  S.  315.  316.  «  Vgl.  Kap    40. 

~  Bachofen,  an  vielen  Stellen.  vgl.  Register  unter  ,.Jiingstgeburt".     Lieb- 
recht  1879,  S.  431. 

8  Grimni.  R.-A  .  S.  475.  Miltcrmaier  S  468,  Aiim.  l(i.    Bonvalot.  Orbev  S.  42. 


Kai)it('I  (!.    Erl)r('clit.    Vorzug  des  .jiiiigsten   Sohiies.  29 

Borough-Enf^lisli  tiudct  sich  in  Gewohnheitsreehten  der  Graf- 
schaften  Kent  und  Sussex  und  anderer  Theile  Englands,  sowie 
in  Wales.  Ein  ahnlicher  Vorzug  dcr  Jiingstgeburt  bestand  an- 
geblich  in  Flandern  und  im  Hennegan,  in  Brabant,  in  den  franzo- 
sischen  ]S'iederlauden  (insbesondere  in  Cambray,  Valeneiennes  und 
Lille),  ferner  in  eineni  Theil  der  Picardie  nebst  Artois,  in  einem 
Tiioil  von  Russland,  in  Ostfriesland,  in  Oldenburg,  Brauuschweig, 
Hessen-Kassel,  in  einem  Theil  von  AVestfalen,  in  der  Rhein- 
pfalz,  in  Altenburg,  in  Baden,  in  AViirttemberg,  im  Ober-Elsass 
und  in  einigen  Theilen  der  Schweiz.  Er  wurde  theils  durch  das 
Gesetz  vom  15.  Marz  1790  und  theils  durch  Art.  1  des  Ges.  v. 
8.  April  1791  im  damaligen  Gebiete  Frankrcichs  aufgehoben  ^ 
Auch  in  ^orwegen  soU  ein  iilmlicher  Grundsatz,  wie  der  des 
Borough-English  bestanden  haben  ^.  Ferner  soll  bei  den  Ta- 
taren  und  Mongolen  der  jiingste  Sohn  den  Vorzug  im  Erbrecht 
liaben  ^,  desgleichen  in  Xeuseeland,  ^Xeuholland,  in  Capland  unter 
den  Zulu  und  anderwiirts  \ 

Es  kann  hier  nicht  untersucht  werden,  ob  und  inwieweit  jede 
einzelne  dieser  Angaben  richtig  ist.  Was  aber  speciell  das  Elsass 
betrifft,  so  findet  sich  schon  in  einer  Verleihungsurkunde  Lud- 
wigs  des  Frommen  vom  Jahr  824,  zu  Gunsten  der  Abtei  Ebers- 
miinster,  die  Bestimmung,  dass  beim  Tode  eines  Horigen  dessen 
jiingster  Sohn  mit  der  Mutter  als  Nachfolger  belehnt  werden 
sollte  ■'' ;  und  obwohl  das  romische  R(}cht,  wonach  mehrere  Kinder 
als  Erben  ihrer  Eltern  gleichberechtigt  sind,  im  Elsass  recipirt 
wurde^,  so  erhielt  sich  doch  in  vielen  Gewohnheitsrechten  ein 
A^orzug  des  jiingsten  Kindes  in  der  Art,  dass  demselben  das  Recht 
zustand,  in  Anrechnung  auf  seinen  Erbtheil  des  Vatcrs  Hofreite 
oder  Behausung',   den  sogenannten  .,GiiIthof",  zu  iibernehmen  *. 


'  Merlin.  Rep.  nnter  Mainete,  Bd.  T  S.  583—590.  Mittermaier  ^  468, 
Anm.  16.  Grimm,  R -A. ,  S.  475.  Courson  S.  CCLXXIV.  Bonvalot,  Orbey 
S.  42.  48.     Bastian  S.  185.     Liebrecht   1879.  S.  431,  432. 

-  .Anderson  S.  72. 

3  Blackstone,  9.  Aufl. .  Bd.  2  S.  '83.  Encycl.  mrthod.  unter  Marquette, 
Jurispr.  Bd.  5  S.  835.  Stephen  Bd.  1  S.  216.  Bastian  S.  185.  Liebrecht 
1879  S.  432. 

*  Liebrecht  1879,  S.  432.  ">  Bonvalot,  Orbey  S.  44. 

6  Bonvalot.  Ferrette  S.  236.  "^  Coutumes  de  Ferrette.  cap.  20 

8  Der  Giilthof  bestand  aus  dem  vatejlichen  Wohnhaus  nebst  Zubehor, 
dessen  Bestandtheile  durch  verschiedene  Gewohnheitsrechte  bestimmt  waren. 
(Bonvalot.  Orbey  S.  2.)  Sachverstandige  hatten  den  Giilthof  und  den  iibrigen 
Nachlass    abzuschatzen      Gehorten    mehrere    Wohnhauser    zur    Erbschaft,    so 


3Q  Kapitel  6.    Erbrecht.    Yorzug  des  jiingsten  Sohnes. 

Ueber  deii  Ursprung  aller  dieser  Gewohnheitsrechte ,  nach 
denen  im  Erbrecht  der  Kiuder  das  jiingste  Kind  vor  seinen  Ge- 
schwistern  bevorzugt  wird,  sind  verschiedene  Meinungen  verbreitet  *. 
Yiele  erkliiren  dics  besondere  Recht  aus  den  Sitten  derjenigen 
Tolker,  die  hauptsachlich  Yiehzucht  und  Handel  treiben  und  des- 
halb  ein  unruhiges  Leben  fuhren.  Bei  solchen  Yolkern  sei  es 
natiirlich,  dass  die  alteren  Kinder  friihzeitig  mit  Yieh,  Geld  oder 
\Yaaren  ausgestattet  wiirden  und  das  viiterliche  Haus  verliessen, 
um  auswarts  Gewinn  und  Lebensunterhalt  zu  suchen  und  sich  ein 
selbstandiges  Unterkommen  zu  verschaffen,  und  dass  dann  die  im 
Hause  gebliebenen  jiingeren  Kinder  so  lange,  bis  sie  ebenfalls 
ausgestattet  wiirden,  eine  besondere  Fiirsorge  des  Yaters  und  der 


■wahlte  das  jungste  Kind  sich  eins  aus .  und  hatte  das  nachstjUngste  Kind  als- 
dann  ein  Wahlrecht  unter  den  iibrigen  "Wohnhausern ,  und  so  fort  nach  der 
Reihenfolge  der  jiingeren  Geburt.  (Bonvalot,  Orbey  S.  45  und  Ferrette 
S.  235)  In  der  Baronie  Bollweiler,  den  Aemtern  Jungholz,  Rimbach  und 
Brunstatt,  in  Hesingen ,  Sennheim,  Kestenholz,  Ebersheim,  in  der  Herrschaft 
Granvillars  und  in  den  Aemtern  Rappoltsweiler ,  Zellenberg,  Markirch. 
Gemar  und  Wittelsheim  beschrankte  sich  das  Yorzugsrecht  auf  den  jungsten 
Sohn,  so  dass  es  keine  kAnwendung  fand,  -wenn  der  Erblasser  bloss  weib- 
liche  Nachkommen  hinterliess.  Dagegen  in  der  Grafschaft  Pfirt ,  in  Artols- 
heim.  Biesheim,  Amt  Kochersberg ,  Egisheim,  Amt  Eschensweiler ,  Herrschaft 
Herrlisheim.  Hattstatt,  Yoklingshofen,  Hiisseren  und  Sulzbach,  in  Hirsingen, 
Grafschaft  Froberg  (Montjoie),  Bisch,  Emericourt,  Ruderbach  und  Briibach.  im 
Amt  Landser,  in  der  Grafschaft  Horburg.  Herrschaft  Reichenweier,  Rufach.  in 
der  Yogtei  Traubach ,  in  den  Aemtern  Sirenz  und  Wiedensohlen .  in  der 
Grafschaft  Weiler  und  im  Amt  Urbeis  stand  das  bezeichnete  AVahlrecht  dem 
jiingsten  Kinde  ohne  Unterschied  des  Geschlechts  zu.  Bonvalot,  Orbey 
S.  43,, 44.  (Ygl.  jedoch  Bonvalot ,  Ferrette  S.  235,  236,  wo  versichert  wird. 
dass  die  ,.juveigneurie"  im  ganzen  Ober-Elsass  und  in  einigen  Orten  vom 
Unter-Elsass  gegolten  habe,  und  zwar  nicht  bloss  fiir  die  bauerliche  Erb- 
folge.  sondern  fiir  das  Erbrecht  aller  Stande:  und  dass  in  spaterer  Zeit,  seit 
Eindringen  des  Feudalwesens,  der  jiingste  Sohn  uberall  den  Vorzug  vor 
seiner  jiingeren  Schwester  gehabt  habe.)  Es  machte  meistens  keinen  Unter- 
schied,  ob  das  jiingste  Kind  beim  Tode  des  Vaters  grossjjihrig  oder  minder- 
jahrig  war:  meistens  hatte  das  jiingste  Kind  des  Vaters  aus  dessen  letzter 
Ehe  im  AVahlrecht  den  Yorzug  vor  dem  jungsten  Kinde  erster  Elie:  meistens 
stand  das  Wahlrecht  dem  jiingsten  Kinde  zu,  welches  deu  Yater  iiberlebte, 
unter  Ausschluss  der  Enkel  von  einem  vorverstorbenen  jiingeren  Sohne. 
Doch  gab  es  in  allen  diesen  Beziehungen  Abweichungen  in  einzelnen  Ge- 
Avohnhcitsrecliten.  (Bonvalot,  Orbey  S.  44.)  Starb  das  jungste  Kind  nach 
Ausiibung  des  Wahlrechts,  jedoch  vor  Abfindung  seiner  Geschwister,  so 
konnte  sein  jiingstes  Kind  das  grossvaterliche  Wohnhaus  nicht  erlangen, 
sondern  es  fiel  dcm  niiclistjungsten  Sohn  dos  friihercn  Besitzers  zu.  (Bonvalot. 
Orbey  S.  45.) 

1  Vgl.  die  Uebersiclit  bei  Bonvalot.  Orbey  S.  45—51. 


Kapitel  G.    Erbrecht.     Vorzug  <les  juiigsten  Solines.  31 

Gesetze  verdienten  *.  Eine  Bestiitigung  dicser  Erkliiruug  soll 
darin  liegen,  dass  der  Yorzug  der  Jiingstgeburt  vorzugsweise  bei 
Tataren  und  Kelten,  aber  auch  bei  Cimbern  und  Teutonen, 
Gernianen  und  Scandinaviern  vorkomme,  und  dass  diese  Yolker 
sich  urspriinglich  mehr  mit  Viehzucht  als  mit  Ackerbau  beschaf- 
tigt  hatten  ^.  Ob  dies  richtig  ist,  mag  dahingestellt  bleiben. 
Keinenfalls  befriedigt  die  angegebene  Erklarung.  AViire  namlich 
die  unruhige  ]^atur  gewisser  Volker  der  einzige  Grund  fiir  den 
Vorzug  der  Jiingstgeburt ,  so  miisste  dies  Gewohnheitsrecht  mit 
den  Sitten  eines  Volkes  sich  iindern;  es  miisste  allmiihlich  ver- 
schwinden,  weun  das  Volk  die  Gewohnheit  annahme,  Ackerbau 
zu  treiben  und  sich  mehr  mit  Handwerken  und  Grosshandel  als  mit 
Herumziehen  auf  Messen  und  Miirkten  zu  erniihren.  Derartige 
Aenderungen  des  Gewohnheitsrechts  werden  aber  nicht  nachzu- 
weisen  sein.  Im  Gegentheil  findet  sich  der  Vorzug  der  Jiingst- 
geburt  gerade  hauptsiichlich  im  Bauernrecht.  —  Bachofen  findet 
in  den  Bestimmungen ,  welche  dem  jiingsten  Kiude  ein  Vorzugs- 
recht  ira  Erbrecht  gewiihren,  den  Grundgedauken  ausgedriickt, 
dass  die  Fortpflanzung  der  Familie  durcli  das  jiingste  Kind  am 
weitesten  hinausgefiihrt  werde  ^  Es  ist  wohl  moglich,  dass  diese 
oder  eine  verwandte  Anschauung  manchen  Gewohnheitsrechten 
des  Bauernrechts  zu  Grunde  liegt;  auch  mag  dabei  eine  Kiick- 
sicht  auf  Steuern  fiir  Besitzveriinderungen  mitgewirkt  haben  \  - — 
Littleton  meint,  die  Gewohnheit  des  Borough-Englisli  ^  beruhe 
auf  dem  Gedanken,  dass  der  jiingste  Sohn  nacb  dem  Tode  der 
Eltern  wegen  seines  jugendlicheu  Alters  weniger  als  seine  Briider 
sich   selbst    forthelfen  konne ''.     Hiergegen    bemerkt    Corner,    die 


1  Montesquieu  liv.  18  chap.  21.  Blackstone ,  9.  Anfl. ,  Bd.  2  S.  83. 
GarraQ  de  Coulon  in  der  Encycl.  method  unter  ^ilarquette.  Jurispr.  Bd.  5 
S.  835.     Bonvalot,  Orbey  S.  47—51. 

2  Bonvalot,  Orbey  S.  47. 

3  Bachofen  S.  216,  288  ii.  a. 

^  Auf  ahnliche  "Weise  soll  es  in  Oesterreich  vorkommen.  das.s  in  dortigen 
Klostern.  mit  Riicksicht  auf  die  bei  Abtwahlen  zu  entrichtenden  hohen 
Staatsabgaben ,   moglichst  jugendliche  Aebte  gewiihlt  ■\verden. 

*  Littleton,  lib.  2  cap.  10,  tenure  in  burgage,  sect.  165:  ,,Also  for  the 
greater  part  such  boroughes  have  divers  customes  and  usages ,  which  be  not 
had  in  other  townes ;  for  some  boroughes  have  such  a  custome,  that  if  a  man 
have  issue  many  sonnes  and  dyeth,  the  youngest  son  shall  inherit  all  tlie 
tenements  which  were  his  fathers  within  the  same  borough  as  heir  unto 
his  father.  by  force  of  the  custome,  the  which  is  called  Borough  English.'" 

*  Littleton.  lib.  2  cap.  11,  of  villenage .  sect.  211:  ...41so  where  by  the 
custome    called  Burrough  English,    In  some  Burrough  the    youngest  son  shall 


32  Kapitel  6.    Erbrecht.    Vorzug  des  Schwestersohnes. 

MeinuDg  Littleton's  setze  voraus,  dass  der  jiingste  Sohn  allein 
ohne  Ausstattung  im  Haus  des  Yaters  zu  dessen  Yerpflegung 
zuriickbleibe  K  Doch  ist  dies  nicht  richtig.  Die  Meinung  Littleton's 
geht  nur  von  der  Yoraussetzung  aus,  dass  in  vielen  Fiillen  der 
jiingste  Sohn  allein  zuriickbleibe,  und  dass  im  Allgemeinen  der 
jiingste  Sohn  die  Fiirsorge  des  Yaters  in  hoherem  Grade  verdiene, 
als  irgend  ein  iilterer  Sohn  ^.  Allein  es  wird  nicht  leicht  moglich 
sein,  mit  Sicherheit  die  Griinde  zu  ermitteln,  auf  denen  ein  in 
alten  Zeiten  durch  Gewohnheitsrecht  gebildeter  Rechtssatz  beruht. 
Yerschiedene  Anschauungen  konnen  zusammengewirkt  haben. 
Auch  ist  es  moglieh,  dass  ein  Rechtssatz,  der  sich  bewahrt,  aus 
anderen  Ursachen  aufrecht  erhalten  wird,  als  aus  den  Griinden, 
welche  zu  seiner  Ausbildung  gefiihrt  haben. 

Im  Gewohnheitsrecht  des  Landes  Delbriick  in  Westfalen 
war  bis  in  die  neueste  Zeit  der  jiingste  Sohn  eines  Bauern  (YoU-, 
Halb-,  Yiertel-,  Sechzehntel-  etc.  Meiers)  dessen  Anerbe,  das 
heisst  Xachfolger  im  Bauerngut.  Die  iilteren  Sohne  waren  Knechte 
des  Yaters  und  spiiter  Knechte  ihres  jiingsten  Bruders,  sofern 
sie  sich  nicht  mit  einer  Anerbin  verheiratheten  oder  aus  sonstigen 
Griinden  das  viiterliche  Gut  verliessen.  Die  Bewohner  des  Landes 
Delbriick  halten  den  Yorzug  des  Anerben  fiir  selbstverstandlich 
und  nothwendig  wegen  seiner  verhaltnissmassig  grosseren  Hiilfs- 
bediirftigkeit;  sie  erklaren  also  ihren  Rechtsgrundsatz  ahnlich  wie 
Littleton  das  Borough-English.  Moglicherweise  liegt  jedoch  dem 
Grundsatz  des  Delbiiicker  Landrechts  zugleich  die  conservative 
Tendenz  zu  Grunde,  den  Besitzeswechsel  muglichst  weit  hinaus- 
zuriicken;  also  ein  iihnlicher  Gedanke  wie  der,  welchen  Bachofen 
beziiglich  mehrerer  Yolkerschaften  des  Alterthums  entwickelt. 

3.   Ybrzug    des   S  ch  westersohn  es. 

Der  romische  Patricier  und  Seefahrer  Ludovico  de  Yarthema 
aus  Bologna,  der  im  Jahr  1510  die  Beschreibung  seiner  Reisen 
herausgab^,  berichtet,    nach  altem  Herkommen  gelange  bei  dem 


inherit  all  the  tenements,  etc.  this  custome  also  stands  with  some  certain 
reason,  because  that  the  younger  sonne  (if  he  lacke  father  and  mother)  because 
of  his  young  age ,  may  least  of  all  his  brethren  helpe  liimseife.  etc." 

»  Corner  S.  9,   10. 

*  Mittermaier  §  468.  Bd.  2  S.  622,  meint.  das  Minorat  scheine  „thcils 
durch  Billigkeit,  theils  durch  vorkonimonde  Auswanderungsverhiiltnisse'''  ver- 
anla.sst  zu  sein. 

3    In     dcn     /.alilrciclien    Ausgabcn     dic^cr     Reisebeschreibung,     die     durch 


Kapitel  6.    Erbreclit.    Vorzufr  ilcs  Scliwe-^tersolines.  33 

Tudu  Jus  KiJnigs  von  Calicut  niclit  dessen  Sohu  oder  IJruder, 
sondern  sein  Scliwestersohn  zur  Thronfolge,  uud  zwar  deshalb, 
weil  die  Brahmanen  oder  Pfaffon  die  Jungferschaft  der  Konigin 
hatten^,  und  weil  die  Konigiu  auch  sonst  in  Abwesenheit  des 
Konigs    mit    den    Ijrahmanen    vertrauten   Umgang    pflege  ^.     Auf 

Jones  S.  I — XVI  aufji,ezalilt  und  genau  bezeichnet  worden ,  ist  der  Nanie 
des  Verfassers  verschiedcn  geschrieben.  Es  finden  sich  folgende  Lesarten 
iiber  den  Namen  einer  und  derselben  Person  :  Varthema.  Verthema.  Vartoman. 
Barthema  und  Vertomannus. 

*  Varthema  S.  143,  144  (Uebers.  der  ersten  Ausg.,  von  1510):  ,,The  king 
being  dead,  and  having  male  children ,  or  brothers,  01*  nephews  on  his 
l)rother"s  side ,  neither  his  sons ,  nor  his  bi-other,  nor  his  nephews  become 
king;  but  the  heir  of  the  king  is  the  son  of  one  of  his  sisters.  And  if  there 
be  no  son  of  a  said  sister,  the  nearest  [collateral]  relation  of  the  king  succeeds 
him.  And  this  custom  prevails  because  the  Brahmins  have  the  virginity  of 
the  queen."  Vgl.  die  deutsche  Ausgabe  Vartoman"s  vom  Jahr  1534,  Buch  5. 
Kap.  7,  Bl.  74:  ,.So  der  konig  gestirbt .  hat  er  dann  siiu  verlassen ,  briider 
oder  briiders  siin .  so  (M-beii  die  selben  das  reich  nit,  dann  das  reych  gehort 
dem  schwestcr  sun  zu.  von  alteni  herkomcn.  So  aber  kein  schwester  suu 
da  wer,  so  nimbt  der  das  reich  an .  der  dem  kiinig  am  nechsten  verwant  ist, 
das  kumbt  allein  daher  ,  dieweyl  die  Brammini  oder  pfaffen  die  konigin  zum 
ersten  beschlafFen  hond,  wie  oben  gsagt  ist."  (Hieriiber  unten,  Kap.  75.) 
Die  entsprechende  Stelle  lautet  in  der  deutschen  Ausgabe  vom  Jahr  1556 
(ohne  Seiten-  oder  Blatt-Zahl ,  unter  der  Ueberschrift  ,,Von  der  Herrligkeit, 
die  man  helt  nach  des  Konigs  todfj  :  ,,Vnd  so  ein  Konig  zu  Calicut  gestorben 
ist,  vnd  verlesst  er  Son,  Briiders  Siine,  odder  Briider,  die  erben  nit  das 
Konigreich,  das  Reich  bleibet  seiner  Schwester  Son ,  wo  nit  Stine  verhanden 
veren,  von  den  Schwestern,  so  bleibt  Konig  der  nehest  Freund  des  Kiinigs, 
umb  deren  vrsach  wi.len,  das  die  Bramini  odder  Pfaffen  des  Kijnigs  Weib 
defloriert  haben."     Vgl.  Forbes  Bd.   1   S.  416:  Wheeler  Bd.  1  S.  420. 

-  Varthema  S.  144  (hinter  der  in  der  vorigen  Anmerkung  angefiihrten 
Stelle):  „an(l  likewise  when  the  king  travels,  one  of  these  Brahmins,  although 
he  might  be  only  twenty  years  of  age,  remains  in  the  house  with  the  queen, 
and  the  king  would  consider  it  to  be  the  greatest  favour  that  these  Brahmins 
should  be  familiar  with  the  queen.  and  on  this  account  they  say  that  it  is 
certain  that  his  sister  and  he  were  born  of  the  same  person,  and  that  there 
is  more  certainty  about  her  than  of  his  own  children,  and  therefore  the 
inheritance  falls  to  the  sons  of  his  sister."  Ausg.  v.  1534  (Buch  5,  Kap.  7, 
Bl.  74):  ,,So  der  klinig  vber  land  zeucht,  oder  auff  das  gejegs  oder  weyd- 
werck  zeucht,  so  verwaren  die  pfaffen  oder  die  zweintzig  jar  alt  seind  die 
kiinigin  da  heymen,  vnd  seind  steths  bey  jr,  die  kiinden  denn  dem  kiinig 
kein  grosser  eher  vnd  wolgefallen  thun.  sie  iiben  sich  dann  weydlich  bei  der 
kunigin  zu  schlafPen.  Darumb  weysst  der  Kiinig  wol.  dieweyl  die  kiinigin 
so  vil  mannen  gemein  ist,  das  seine  kinder  nicht  fiir  ehelich  gezelt  sollen 
werden."  Au.sg.  v.  1556:  „Desgleichen  s»  der  Konig  auss  rheit,  bleibt  einer 
dersclben  PfafFen  dieweil  bey  der  Konigin ,  der  etlich  zwentzig  oder  vier  und 
zwentzig  jar  alt  sein,  das  wirdt  dem  Konig  fiir  ein  ehr  geacht,  das  er  mit 
der  Konigin  hausshelt ,  vnd  jr  dic  zeit  lang  pflegen  thut.  vnd  das  angesehen, 

Sfhmidt.  .Jiis  iirimae  uocti.s.  3 


34  Kapitel  6.    Ei-brecht.    Yorzug  des  Schwestersohnes. 

diese  Quelle  kouneii  alle  ^S^achrichten  spaterer  Schriftsteller  von 
ahnlichem  Inhalt  zuruckgefiihrt  werden,  obwohl  darin  einige  Aen- 
derungen  enthalten  sind.  Dahin  gehoreu  namentlich  die  Berichte 
des  venetianischen  Juwelenhandlers  Caspar  Balby  iiber  den  Konig 
von  Cocchi  in  Malabar  ^  und  des  mecklenburgischen  Edelmannes 
Albrecht  von  Mandelslo  iiber  die  Erbfolge  in  den  Stadten  Cana- 
mor ,  Cotschin  uud  Calicut  ^ ,  mit  einem  Zusatz  von  Olearius  ^. 
Gubernatis  erklart  ebeufalls  aus  dem  angeblichen  Recht  der  Brah- 
manen  von  Malabar  den  Rechtssatz,  dass  niemals  der  alteste 
Sohn ,  sondern  entweder  der  zweite  Sohn  (woriiber  bereits  obeu, 
Seite  24—27,  gesprochen  ist),  oder  noch  hiiufiger  der  Schwester- 
sohn  des  Erblassers  zur  Erbfolge  gelange  ^*. 

In  der  That  scheiut  bei  den  ]S"airs  in  Malabar  der  Rechts- 
satz  bestanden  zu  liaben  oder  noch  zu  bestehen,  dass  naehster 
Erbe  der  Schwestersohn  ist.  Schon  Varthema  und  Barbosa  er- 
wahnen  diesen  Grundsatz  ^.  Bei  dem  Tode  des  Konigs  von  Cal- 
cutta  gelangte  das  Scepter  nach  altem  Herkommen  an  die  Schwester- 
sohne  des  Konigs'';    die  Erbfolge    der  weiblichen  Linie  blieb  be- 


so  sagen  sie,  das  die  Sctwester  vnd  der  Konig  warlicli  geboren  seien  aiiss 
eiyem  Leib,  vnnd  weniger  zweifTel  von  seiner  Schwester  Siine,  denn  von  sein 
selbs  Son.  dermassen  kompt  die  erbschafft  des  Reichs  an  die  Sim  seiner 
Schwester." 

'  Balbi  Kap.  44.  Dort  wird  die  Gewalt  dcr  Brahmanen.  mit  allen 
Frauen  und  Madchen  fleischlich  zn  verkehren.  als  die  Ursache  fiir  das  Her- 
komnien  bezeichnet.  wonach  bei  dem  Tode  des  Konigs  nicht  dessen  Sohn. 
sondern  der  Sohn  seiner  Schwester  zur  Thronfolge  gelange.  Doch  wird  an 
einer  friiheren  Stelle  desselben  Werkes,  namlich  in  Kap.  27,  nicht  jene  Ge- 
walt  der  Brahmanen ,  sondern  die  allgemeine  Unsicherheit  der  Vaterschaft 
als  Ursache  fiir  das  Erbrecht  des  Schwestersohnes  angegeben. 

-  Mandelslo  Buch  2,  Kap.  10,  S.  100,  101.  Darin  wird  gemehlet,  dass 
in  jenen  Stadten  keine  Jiingfraii  sich  vermahle ,  bevor  ihr  die  .Tungfrauschaft 
durch  einen  Brahmanen  genommen  sei  (vgl.  unten  Kap.  45  und  75):  und 
dass  von  diesem  Gebrauch  „auch  des  Konigs  Braut  nicht  ausgeschlossen"'  sei : 
dann  wird  hinzugefiigt :  ,,so  kann  allhier  des  Konigs  Sohn  uicht  seines  Vaters 
Stuhlerl)e  sein,  sondern  des  Konigs  Schwestersohn .  damit  sie  des  koniglichen 
Gebluts  halber  desto  mehr  versichert  sind.'" 

*  Olearius  zu  v.  Mandelslo,  Buch  2,  Kap.  10,  S.  101,  Anm.  c.  Dort 
wird  aus  dcr  bezeichneten  Gewalt  der  Brahmanen  der  Rechtssatz  erkliirt. 
dass  bei  dem  Tode  des  Konigs  nicht  scin  Sohn ,  soiulcrn  sciii  Schwestersohn 
Konig  werdo. 

^*  (jubernatis,   Indie  S.  137. 

*  Barbosa  S.  326,  327:  .  .  .  „saom  seus  erdciros  seus  sobrinhas  e  das 
mays;  esta  ley  quem  a  iiuizer  conciderar  mais  profundamente.  achara  que 
foi  instituida  com  maior  subedoria  do  que  vulgarmente  se  pensa".  .  . 

6  Varthema  (s.  oben  S.  33).     Forbes  Bd.   1  Kap.  13  S.  416. 


Kapitel  6.    Erbrccht.    Vorzug  des  Schwestersohncs.  35 

stehen,  als  die  Brahmanen  in  Malabar  ihre  Gesetze  einfiihrten  ^ 
"VVie  Franz  Day  nach  Strange  berichtet,  gilt  bei  den  Nairs  von 
Cochin  noch  heutzutage  folgende  Lineal-Erbfolge-Ordnung :  Zuerst 
erben  die  Schwestern  des  Erblassers,  dann  in  folgcnder  Reihen- 
folge :  die  Schwestersolino ,  die  Scliwestertochter ,  die  Sohne  der 
Schwestertochter  und  die  Tochter  der  Schwestertochter;  die  Mutter 
des  Erblassers,  die  Schwester  der  Mutter  und  die  Kinder  von 
der  Mutterschwester;  die  miitterliche  Grossmutter  des  Erblassers, 
ihre  Schwester  und  deren  Kinder  ^.  Hiermit  stimmen  die  Nach- 
richten  von  Talboys  Wheeler  iiberein  ^.  Aehnliche  Grundsiitze 
des  Erbrechts  sollen  bei  einigen  andern  Volkern  gelten  *.  Allein 
diese  Eigenthiimlichkeit  erbrechtlicher  Grundsiitze  ist  leicht  er- 
klarlich.  Bei  den  >'airs  in  Malabar  besteht  oder  bostand  Poly- 
andrie  in  verschiedenen  Formen  ^.  Bei  einer  derartigen  Unsitte 
kann  der  Grundsatz:  „pater  est  quem  justae  nuptiao  demonstrant", 


1  Nelson  S  93  (aus  Ellis):  ..The  Brahmins.  in  introducing  into  this  parf 
of  India,  their  la^vs  and  religion .  were  obliged  in  many  things  ,  to  conform 
to  the  opinion  of  the  original  irihabitants  .  .  .  hence  the  .  .  .  succes.sion  in  the 
female  line  in  rkralabar".   .  . 

2  Day  S.  ;31T  (aus  Strange  pag  67.  Civil  Law) :  ..The  law  of  succession 
to  property  is  as  follows,  it  gnes  to  a  man's  sisters :  sister's  sons,  si3ter's 
daughters:  sister's  daughter"s  sons,  and  daughters:  Mother:  Mother's  sisters. 
their  children:  then  to  his  maternal  grandmother,  her  sisters,  and  their 
children.  Failiug  these,  and  their  stoclc,  in  the  same  way  of  descent,  it 
goes  as  in  other  parts  of  the  Presidency,  to  a  man's  discipie,  and  fellow 
student,  and  then  escheats."  Vgl.  auch  Day  S.  318:  ,,The  succession  in 
this  caste  is  that  best  adapted  to  a  military  people  There  property  etc. 
descends  to  the  eldest  of  their  sister's  children".  .  .  Vielleicht  konnte  die 
Polyandrie  (vgl.  Anm.  5)  nicht  bloss  aus  der  Kriegernatur,  sondern  auch  aus 
Armuth  der  Bevolkerung  erklart  werden. 

3  Wheeler  Bd.   1   S.  420.  ^*  Henne-Am  Rhyn  Bd.   1  S.   70,  71.    • 

•^  Varthema  S.  14(i.  147  (nach  Beschreibung  des  AVeibertausches,  der 
bei  Edelleuten  und  Kauileutcn  in  Calicut  angeblich  stattfand) :  „And  amongst 
the  other  classes  of  Pagans  above-mentioned  one  woman  has  five ,  six  and 
seven  husbands,  and  even  eight.  And  one  sleeps  with  her  oue  night.  and 
another  another  night.  And  when  the  womau  has  children,  she  says  it  is 
the  cbild  of  this  husband  or  of  that  husband ,  and  thus  the  children  go 
according  to  the  word  of  the  woman."  Vgl.  die  deutsche  x\.usg.  v.  J.  1534. 
Buch  5,  Kap.  S,  Bl.  74  Riickseite  :  ..Die  andern  Abgiittischen  halten  gar  ein 
andere  weys ,  dann  ein  yede  fraw  nimbt  sieben  mann ,  die  schlaff"en  eyn 
nacht  umb  die  ander  bey  jr.  Vnd  so  sie  kindt  macht.  so  giebt  sie  es 
welchem  sie  will  von  den  siben ,  daruber  wirt  jm  kein  ander  recht  ge- 
sprochen."  Deutsche  Ausg.  v.  ,1.  1556-  (unter  der  Ueberschrift  „Wie  die 
Edlen  bey  weilen  verwechsslen  jr  AVeiljcr-'):  .  .  .  „vnd  vnder  der  andern 
schar  der  Edlen,  vor  genennet.  so  helt  ein  Fraw  fiinfF,  sechs ,  sieben  vnd 
bey  weilen  acht  Mann .  vnd  ligt  einer  eine  naclit  bey  jr,  die  ander  naclit  ein 

3* 


36  Kapitel  7.    Hetarismus  iind   Hauptlingsrecht. 

keine  Anerkennung  finden;  daher  wird  die  Yerwandtschaft  nur 
durch  Weiber  bestimmt,  und  die  gesetzliclie  Erbfolge  der  Yer- 
wandten  nmss  sich  auf  die  miitterliche  Yerwandtschaft  beschranken  ^. 
AYeun  aber  auch  bei  Yolkern,  bei  denen  Polyandrie  nicht  herrscht, 
das  Erbrecht  des  Schwestersohnes  gilt,  so  lasst  es  sich  daraus 
erkliiren,  dass  bei  ihnen  nur  die  durch  Weiber  vermittelte  Yer- 
wandtschaft  (im  Sinn  des  „Mutterrechts"  ^)  als  rechtsgiiltig  be- 
trachtet  wird. 

Hiernach    ist    es    nicht    gerechtfertigt,    in    den    angegebenen 
Rechtssiitzen  eine  Y^^irkung  des  jus  primae  noctis  zu  finden. 

III.  Theorieen  iiber  Ursprung  und  Entwicklung  des  Jus  primae 
noctis. 

A.   Hetarismiis  iind  HunptUngsrecM. 

Kapitel  7.    Bachofen  meint,  dem  «Yaterrechf  des  griechisch- 
romischen  Zeitalters    sei    ein  Zeitalter   des  -Mutterrechts"    voran- 


anderer,  vrid  also  fiir  und  fiir,  vnd  wenn  eine  ein  Kindt  gebirt,  sagt  sie, 
das  Kindt  ist  dieses,  vnd  das  ander  ist  dieses  Mannes,  demselben  jren  sagen 
glauben  sie ,  vnd  sein  damit  zufrieden."'  Barbosa  S.  324:  ...  „hos  irraaos 
deste  que  ficaom  solteiros  dormem  con  has  mulheres  dos  Nayres  ,  e  eles  ho 
haom  por  grande  honra .  e  pera  Bramenes  nenhua  mulher  se  Ihes  negua ,  mas 
eles  nom  hamde  dormir  com  mulher  mais  uelha  que  sy".  .  .  (Vgl.  auch  Bar- 
bosa  S.  327.)  Weitere  Nachrichten  bei  Linschot  Buch  1,  Kap.  42,  S.  61,  62; 
Faria  y  Sousa  Bd.  1.  Th.  1,  Kap.  9,  S.  84  CLas  mugeres  de  los  Nayres, 
comunes  a  todos.  nias  a  los  Bramenes,  y  por  esse  no  se  le  sabe  Padres  cier- 
tos,  ni  algunos  obligados  a  sustentar  los  hijos");  Balbi  Kap.  44,  S.  120: 
Olearius  zu  v.  jNIandelslo,  Buch  2,  Kap.  10,  S.  100,  101;  Forbes  Bd.  1, 
S  412;  Day  S.  303,  304,  317—319;  Badger  S.  146;  Wheeler  Bd.  1, 
S.  420  und  Bd.  3,  S.  425,  und  besonders  Nelson  S.  141  —  145.  Aus  den  Nach- 
richten  Nelson"s  mag  hervorgehoben  ^verden  (aus  S.  141,  142J  :  „After  marriage 
it  is  customary  for  the  Tottiyar  women  to  cohabit  with  their  husband*s 
brothers  and  near  relatives,  and  with  their  uncles.  .  .  I  should  be  supposed 
to  believe  that  polyandry  is  quite  common  in  the  South  of  India,  taking  the 
form  of  openly  practiscd  concubinage  as  between  the  wife  and  the  husbands 
rolatives.  .  .  Thc  Western  Kallars  of  the  Madura  District  have  a  curious 
eustom  of  assigning  a  woman  as  a  v\-ife  to  ten,  eight,  six  or  two  husbands, 
Avho  are  held  to  be  the  fathers  jointly  and  severally  of  any  children  that 
may  be  born  of  her  body."  —  Mit  den  vorstehenden  Nachrichten  lasst  sich 
der  Bericht  Abulfcda's  (bei  Fleischer  S.  173)  uber  die  „concubitus  promiscui", 
die  bei  don  indischen  Brahmanen  fiir  erlaubt  gehalten  wurden.  einigermassen 
vereinigen.  da  Abulfeda  seine  Quellen  aus  Siidindien  bezogcn  haben  kann. 
Er  schrcibt :  „Concubitus  promiscui  apud  eos  liciti  sunt".  und  iiber  die  Ko- 
mari :  ..lucolae  soli  inter  Indos  concubitus  promiscuos,  ut  nofaiidos,  lege  pro- 
hibent  "   —  Vgl.  auch  S.  35  Anm.  2. 

1  Vgl.  Whceler  Bd.   1   S.  420  und  B.l.  3  S.  425.  -  Vgl    Kap.  7. 


Kapitcl   7.    IletJirismus   iind  Iirmiitlintjsrccht.  37 

gegangcn,  und  noch  friilier,  iu  der  Urzeit  der  Menschlieit,  habe 
,,Hetarismus"  geherrscht.  Danach  soU  anfanglich  das  Zeitalter 
<les  aphroditischen  oder  tellurischen  Hetarismus,  dann  das  Zeit- 
ulter  des  demetrischen  oder  lunarischen  Mutterrechts,  und  endlich 
das  Zeitalter  des  apollinischen  oder  solarischen  Vaterrechts  ge- 
herrscht  haben.  Bachofen  sucht  aus  der  griechischen  Mythologie, 
hauptsiichlich  aus  den  Tragodien  von  Aeschylus  und  Sophocles, 
nachzuweisen,  dass  unter  dem  alten  Recht,  welches  die  Erinnyeu 
beschiitzten,  das  Mutterrecht  zu  verstehen  sei,  und  dass  dies  dem 
neu  entstandenen,  von  Apollo  und  Athene  in  Schutz  genommenen 
Vaterrecht  habe  weichen  miissen.  Er  fiihrt  aus,  das  Vaterrecht 
sei  erst  durch  den  Hellenismus  und  hauptsachlich  durch  die  ro- 
mische  Staatsidee  und  durch  das  romische  Recht  zur  Herrschaft 
gelangt  und  seitdem  in  Geltung  geblieben.  Unter  Hetiirismus 
versteht  er  die  schrankenlose  „Natiirlichkeit  des  reinen,  sich 
selbst  iiberlassenen  Tellurismus",  „ein  rein  thierisches  Naturrecht", 
das  „aphroditische  jus  naturale",  das  „Naturgesetz  des  StoflFes". 
Er  meint ,  in  jenem  urspiiinglichen  Zeitalter  „des  rohsinnlicheu 
thierischen  Lebens"  habe  keine  Ehe  bestanden,  sondern  regel- 
loser  Geschlechtsverkehr  dergestalt  geherrscht,  dass  die  Eingehung 
einer  ausschliesslichen  Geschlechtsgemeinschaft  als  ein  Frevel  und 
als  eine  Verletzung  der  Religionsvorschrifteu  betrachtet  wurdc. 
Der  Kampf  des  demetrischen  Mutterrechts  gegen  deu  Hetarismus 
habe  einen  Zeitraum  von  Jahrtausenden  eingenommen  ^;  er  sei 
theils  durch  Ausartung  des  Mutterrechts  im  Amazonenthum  ^, 
theils  durch  Verbreitung  der  dionysischen  Religion  ^  gehemmt 
worden;  indesscn  habe  der  Hetiirismus  nach  und  nach  vor  deni 
demetrisrhen  Mutterrecht  zuriickweichen  miissen;  das  weibliche 
Siihnopfer,  welches  der  Hetiirismus  verhmgte,  sei  allmiihlich  er- 
leichtert  wordcn  '* ;  einige  Volkcr  hiitten  den  Hetiirismus  auf  die 
Brautnacht  beschriinkt  •";  endlich  Jiabe  die  demetrische  Gyniiko- 
kratie  iiber  deu  aphroditischen  Hetiirismus  den  Sieg  errungen  ^. 
„Mit  der  Gemeinsamkeit  der  Weiber,"  sagt  Bachofen,  „hiingt 
die  Tyrannis  eines  Einzelnen  nothwendig  zusammen  .  .  .  Jeder 
Stamm  hat  seinen  Tyrannos.  Es  ist  das  Recht  der  Zeugung, 
auf  welcher  diese  Herrschaft  beruht.  Da  in  der  Geschlechtsver- 
bindung  keine  Sonderung  eintritt,  mithin  auch  das  individuelle 
Vaterthum  wegfiillt,  so  haben  Alle  nur  Einen  Vater,  den  Tyrannos, 
dessen  Sohnc   und  Tiichter  sie  alle  sind,    und  welchem  alles  Gut 

»  Bachofen  S.  XIX.  2  Rachofen  S.  XXIV,  S.  26.  27. 

3  Bachofen  S.  XXII- XXIV.  "  Bachofen  S.  XIX  und  S.   12. 

5  Bachofen  S.   12,  13  und   18.  6  Bachofen  S    XXVII. 


38  Kapitel  7.    Hetarismiis  und  Haiiptlingsrecht. 

gehort  .  .  .  Dlii-cIi  diese  Yerbindung  erhalt  der  Tyrannos  seinen 
physischen  Zusammenhang  mit  dem  Stamme,  den  der  kephalle- 
nische  Tyrannos  durch  Beiwohnen  mit  jeder  Braut  vollstandiger 
erreicht."  ^  Aus  einer  Stelle  Herodot's  ^  folgert  Bachofen,  „dass 
die  Adyrmachiden  unter  dem  Einfluss  der  gebildeten  Aegypter 
zu  einem  hoheren  Grade  der  Kultur  als  die  iibrigen  libyschen 
Stamme  sich  erhoben  hatten.  Der  Hetiirismus  war  dem  ehelichen 
Leben  gewichen  .  .  .  Im  Anschluss  an  diese  Darstellung  muss 
auch  das  dem  Konige  vorbehaltene  droit  de  culage  als  eine 
Aeusserung  fortgeschrittener  Gesittung  betrachtet  worden  sein.  Es 
erscheint  wirklich  in  solchem  Lichte,  sobald  wir  darin  eine  Be- 
schrankung  des  friiher  weitergehenden  Hetarismus  erblicken.  Der 
Konig  allein  hat  noch  das  alte  Recht,  und  auch  er  nur  in  dem 
ihm  beigelegten  hoheren  religiosen  Charakter."  ^  Aus  dem  Zu- 
sammenhang  dieser  Stelle  und  aus  der  iibrigen  Entwicklung 
Bachofen's  erhellt,  dass  er  mit  dem  Ausdruck  „droit  de  culage" 
das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  bezeichnen  will '^.  Er  meint 
also,  dies  E,echt  sei  der  Ueberrest  des  Hetarismus. 

Ware  eine  derartige  Beweisfiihrung  zuliissig,  so  konnten  aus 
der  grossen  Masse  gesqhlechtlicher  Unsitten  ^  beispielsweise  noch 
folgende  als  Ueberreste  des  Hetarismus  angefiihrt  werden.  „Einige 
Tolker"  iibergeben  ihre  Braute  den  Konigen  zur  Defloration ''; 
bei  andern  Yolkern  gehort  die  Braut  allen  Yerwandten  und 
Freunden  des  Briiutigams  und  erst  zuletzt  ihrem  Manne^;  in 
den  entferntesten  Theilen  Afrikas  werden  die  Briiute  von  Ko- 
nigen   oder  Priestern    deflorirt^;   in  Mozambique,   Malacca,  Pegu 


1  Bachofen  S.  17,  18.  —  Ueber  den  kephallenischen  Tyrannos  vfil.  unteii 
Kap.  34. 

-  Vgl.  unten  Kap.  33. 

^  Bachofen  S.  173.  Aehnlich  S.  328:  .  .  .  „Ueber\vunden  ist  l)ei  deu 
Adyrmachiden  der  Hetarismus,  und  nur  dem  Konige  gegeniiber  noch  in  einem 
einzelnen  Falle  zugelasscn." 

^  Ueber  die  Unrichtigkeit  dieser  Bezeichnung  s.  Kap.  3  ( S.  14.  15)  und  Kap.  18. 

5  Polyd.  Verg.  lib.  1.  cap.  4.  IMutio  fol.  60 --61.  Grand  Vocab.  Bd  17 
S.  171,   172.     Grupen  §  1.     Fischer  S.  93—97.     Bachofen  S.   10,   12.   13. 

6  C.  P.  Hoffmann  S.  58. 

'  Giraud-Teulon  S.  69:  „Cliez  lcs  anciens  Peruvicns,  en  i^thiopie ,  aux 
iles  Baleares,  et,  de  nos  jours,  chez  plusieurs  tribus  aborigenes  de  l'Inde,  au 
Birman,  k  Cachemir,  dans  le  sud  de  rArabie,  k  Madagascar  et  a  la  Nouvelle- 
Zelande,  la  fiancee  appartient  de  droit  k  tous  les  parents  ct  amis  —  le  mari  est 
lc  dernier  admis  k  cet  honneur  et  supporte  en  g^neral  gahunment  ce  jus 
primae  noctis." 

^  Tollius  zu  Lact.  de  mort.  pors  cap.  38.  Hiermit  kann  die  unsichere 
Nachricht    Cantu"s    (Mittehilter    Bd.  4    S.   1472)    vcrglichon    werdon .    dass    l)e  = 


Kapitel   7.    Ilctiirismus  iin<l   Hihiptliiigsreclit.  39 

und  andern  Jjiindern  wird  ein  frenider  Mann  eing-claden,  dem 
Briiutigam  einen  solclieu  Dienst  zu  erwcisen^;  anderwiirts  ge- 
scliieht  diese  Einladung  durch  die  eigenen  Miitter  der  Jung- 
frauen^;  auf  den  rhilippinen  wird  jene  Aufgabe  durch  bezahlte 
Miinner  erfiillr  ^.  Dahin  geliiirt  ferner  die  Erziihlung  iiber  die 
babylonischeu  Frauen  und  iiber  Cypern  * ;  die  Preisgebung  von 
Frauen  und  Tochtern  an  Giiste  ^ ;  die  Erziihlung  des  Ritters  von 
Gruitzow  iiber  „sclione  Weiber  zur  Kurzweil"*^;  und  die  Nach- 
richt,  dass  bei  den  Indianern  Xordamerikas  Jeder,  der  in  eine 
hohere  Klasse  aufriiclve,  seine  Frau  deni  Vorgesetzten  fiir  eine 
gowisse  Zeit  iiberlassen  miisse  '^.  Bei  einigen  Volkerschaften 
muss  die  Neuvermiihlte  in  der  Hochzeitsnacht  alle  Hochzeitsgiiste 
befriedigen,  bevor  sie  ihrem  Ehemann  gehort^;  so  hatte  bei  den 
Nasamonen  die  Braut  in  der  ersten  Nacbt  geschlechtlichen  Yer- 
kehr  mit  deu  einzelnen  Giisten,  von  denen  sie  dafiir  ein  Geschenk 
erhielt'-';    Aehnliches    wird    von    den  Ano-ulern    berichtet  ^*',    des- 


einigen  Negervolkeni  Afrikas  die  Priester  sieh  die  ehelicheu  Priinitien  an- 
massten;  ferner  die  Nachricht  von  geschleclitlichen  Ausschweifungen ,  die  im 
Konigreich  Daliomey  in  Oberguinea,  namentlich  in  der  Provinz  Ardrah  (?)  und 
in  der  Hafenstadt  Widah  (Whyda),  zwisclien  Priesiern  iiiid  Miidchen  angeblich 
stattfinden.     (Kulischer  S.  223.) 

1  Varthema  (iiber  Tarnassari)  S.  202 — 204  der  engl.  Uebers.  der  Ausg. 
v.  1510  (ebenso  in  der  deutschen  Ausg.  v.  1534  Buch  6  Kap.  8  Bl.  80,  und 
in  der  deutschen  Ausg.  v.  1556).  Mutio  fol.  00  v. ,  61.  Linschot  Buch  1 
Kap.  17  S.  22  (iiber  Pegu).  v.  Mandelslo  S.  144.  Olearius  in  der  Anmerk. 
zu  V.  Mandelslo  S.  144.  P^rancisci  S.  937,  938.  C.  P.  HofPmann  S.  58.  Tollius 
zu  Lact.  de  mort.  pers.  cap.  38.  Delpit  S.  272—278.  Gubernatis,  Indie 
S.  137,  und  Usi  S.  197.  «  Liebrecht  1879,  S.  42L  422. 

3  Demeunier  Bd    2  S.  96.    Liebrecht  1874,  S.  14L  142  und  1879.  S.  420,  42L 

♦  Herodot  lib.  1  §  199.  Voltaire,  Def.  de  mon  oncle.  Giraud-Teulon 
S.  73,  81.     V.  Hellwahl  S.  146.   147. 

5  Oviedo  Bd.  2  S.  222,  lib.  24  cap.  3  (betr.  Uruacay).  v.  Martius  1832, 
S.  65.     Arch.  f.  Anthrop.  Bd.    11   S.   127. 

^  Hieran  kniipft  sich  eine  Streitfrage  iiber  „schone  Frauen".  Vgl. 
V.  Hormayr  1832,  S.  38  und  1842,  S.  147;  Anz.  d.  D.  Vorz.  Bd.  6  S.  136  xind 
S.  213  und  Bd.  8  S.  55,  56  (betr.  den  Lehnsrevers  des  alteren  Gotz  von  Ber- 
lichingen.  vom  26.  Miirz   1498);  G.  M.  Weber  S.  543;    Fahne  S.  309. 

'  Nuits  d'epreuve  S-  82. 

«  Montaigne  liv.  1  ch  22  S.  144,  145.  Chr.  Ariiold  S.  100.  Giraud-Teulon 
S.  69.     Kulischer  S.  221. 

'  Herodot    lib.    4    §    172:    ...  ttoojtov    ?s    Ya[j.£OvTo;    Naao(;j.wvo;    dvof;6c   voiao; 

£3Tt    TTjV     v6|J.Ci.T,V    VJXTt    T/]    ZpWTT^    0(7.    -0!VT(OV     OIc^eXSeIv    T(I|V     Oa[TU[J.o'viOV     [J.taYO[J.£VT|V 

Twv  rji  (o;  £/.c<aTo;  o't  [Jf-y^^ri .  otoot  oiTjpov ,  TO  7.V  r/T,  '.icpojj.jvo;  iz  rjiyj/j'-'- .  .  .  VgL 
Polyd  Verg.  lib.  1  cap.  4:  Du  Verd\er  S.  95,  96;  Grupen  §  1  S.  2.  3; 
v.  Martius  S.   6L 

i"  Solinus    ca]).    31.    dc    intimis    gentibus    Libyae :    ..  .  „Angulae    foeminas 


40  Kapitel  T.    Hetarismus  und  Hauptlingsrecht. 

gleiclien  von  den  Bewolinern  der  Balearen  ^,  von  den  Bewohnern 
Perus  (aus  der  Zeit  vor  der  Herrschaft  der  Yncas)  ^,  von  einigen 
Volkern  ini  Nordosten  Sudamerikas  ^  und  von  den  Bewohnern 
Cubas  (aus  dem  achtzehnten  Jahrhundert)  'K  Bei  den  Gebirgs- 
vcUkern  von  Asyr  wird  „das  Recht  der  Brautnacht  dem  reisenden 
Gaste  zugestanden"  ^.  In  Ceylon  theilt  der  Eheraann  seine  Rechte 
an  der  Frau  mit  seinen  Briidern;  nur  auf  die  Hochzeitsnacht 
hat  er  ein  ausschliessliches  Recht  ^.  Bei  andern  Yolkern  besteht 
der  Hochzeitsgebraucli ,  dass  die  Braut  ihre  Jungferschaft  einem 
Gotzenbilde  opfert  ^.  Endlich  konnte  noch  die  Sage  von  den 
sogenannten  Probenachten  ^  hier  angefiihrt  werden. 

"Waren  alle  diese  und  noch  viele  andere  geschlechtliche  Un- 
sitten  bewiesen,  so  konnten  sie  doch  nicht  ohne  AYeiteres  als 
Ueberreste  des  ^Hetarismus"  betrachtet  werden^;  und  noch  weniger 


suas  primis  noctibus  uuptiarum  adulteriis  cogunt  patere :  mox  ad  perpetuam 
pudicitiam  legibus  stringunt  severrimis."  Aehnlich  lauten  die  Nachrichteu 
bei  ^NIela  und  Plinius.     Vgl.  Salmasius   zu  Solinus  cap.  31:     Bachofen  S.  174. 

>  Bachofen  S.   12.   18.     Henne-Am  Rliyn  Bd.  1  S.  67. 

-  Garcilaso  liv.  1  ch.  14,  Bd.  1  S.  57  und  (1>etr.  Manta)  liv.  9  ch.  8,  Bd.  2 
S.  389.     V.  Martius  S.  61.  * 

^  Martius  S.  62. 

*  Carli,  9.  Brief,  vom  2.  Juli   1777,  Bd.  1   S.  175.     Vgl.  Kap.  91. 

^  Chwolsohn  Bd.   1   Kap.  i)  S.   292. 

«    Grand  Vocab.  Bd    17  S.   172. 

'  Barbosa  S.  804 ,  305.  Linschot  Buch  1  Kap.  33  S.  51.  Balbi  Kap.  23. 
Chr.  Arnold  S.  100.  Francisci  Buch  3  S.  936.  C.  P.  Ploffmanu  Th.  2  Kap.  1 
§  8  S.  59.     Demeunier  Bd.  2  S.   102.     Giraud-Teulon  S.  72. 

5  Fisclier.  Danz  Bd.  6  S.  47  ff.  v.  Schmitz  S.  230,  231.  Nuits  d"epreuve. 
Damit  zu  vergleicheu  sind  die  Nachrichten  iiber  Nachtbesuche  der  Brautleute 
bei  den  Afghanen  und  nordwestlichen  Indern  (Zimmer  S.  308,  309),  und  bei 
europaischen  Yolkern  (v.  Dliringsfeld  S.  9,  254),  auch  iiber  die  ..Amannados"' 
(Zusammengewohnung)  in  Ecuador  (Ulloa  lib.  6  cliap.  6  Bd.  1  S.  343,  344. 
und  V.  Martius  S.  56j. 

s  Henne-Am  Rhyn  (Bd.  1  S.  66,  67)  sucht  in  folgender  Weise  dar- 
zuthun,  dass  in  den  Ui-zustanden  der  Menschheit  der  Hetiirismus  geherrscht 
halio.  ..Unverdiichtige  Zeugen  erzahlen  von  den  Massageten  (Herodot  I,  216), 
den  libyschen  Auseern  (ebd.  IV,  180)  und  den  iithiopischen  Garamantcu 
(Strabon),  von  den  Griechen  vor  Kekrops  und  deu  Cliinescn  vor  Fohi,  dass 
bei  denselben  eine  Elie,  d.  li.  dauernde  Verbindung  zwischen  Personcn  ver- 
schiedencn  Geschlechts.  uicht  stattgefunden,  sondern  vollstandige  Zuchtlosigkeit 
allgemein  geherrscht  habe."  An  diesen  Vordersatz  fiigt  er  in  buutem  Mosaik 
mehr  oder  minder  bestimmte  Nachricliten  und  Geriichte  iiber  Unsitten,  die  im 
Lauf  von  Jahrtausenden  bei  einzelnen  Volkerschaften  der  verschiedenen  "Welt- 
theile  gchcrrschl  habcn  sollen,  und  er  schliesst  mit  den  Worteu:  „Aus  diesen 
Thatsachen   muss   wohl  auf   einstige   allgemcino  Herrschaft  des  Hetiirismus  iu 


Kapitel   7.    lletiirNimis  iiiid   Iliiuptliiiirsroclit.  41 

konnten  sie  ziun  lieweise  des  jus  piimae  noctis  dienen.  Die  An- 
nahme,  dass  in  der  Urzeit  der  Menschheit  allgemein  Hetiirismus 
geherrscht  habe,  beruht  auf  blosser  Hypothese,  ist  also  nicht  ge- 
eignet,  als  feste  Grundlage  fiir  weitere  Folgerungen  zu  dienen. 
Zudem  Ijisst  sich  die  Frage,  ob  irgendwo  und  irgendwann  das 
sogenannte  jus  primae  noctis  bestanden  hat,  nicht  wie  eine  an- 
thro])ologische  Hypotliese  behandeln;  sondern  sie  konnte  nur  dann 
und  nur  insoweit  bejaht  werden,  als  geschichtliche  Beweise  dafiir 
erbracht  wiirden. 

I^iemand  wird  leugnen,  dass  in  der  Geschichte  der  Yulker- 
schaften  alter  und  neuer  Zeit  mannigfache  geschlechtliche  Un- 
sitten  verzeichnet  stehen.  Yiele  dieser  Unsitten  sind  auf  irre- 
geleitete  religiose  A^orstellungen  zuriickzufiihren.  Auch  kann  zu- 
gegeben  werden,  dass  gewisse  Unsitten  verschiedener  Yolker  aus 
verschiedenen  Zeiten  miteinander  Aehnlichkeit  haben.  Allein  dies 
geniigt  nicht  zu  der  Yoraussetzung,  dass  dieselben  untereinander 
in  ursachlichem  Zusammenhang  stehen,  Ueberdies  leidet  die  Hy- 
pothese  Bachofen's  auch  an  innerer  Unwahrscheinlichkeit.  Durch 
Fortschritt  der  Civilisation  ist  es  erkliirlich,  dass  ein  Yolk  die  Un- 
sitte  der  Weibergemeinschaft  ablegt  und  dafiir  gesittete  Gewohn- 
heiten  annimmt.  Dagegen  ist  es  unglaublich,  dass  ein  Yolk,  welches 
in  Weibergemeinschaft  lebt,  diese  Unsitte  mit  dem  ausschliesslichen 
Recht  des  Hauptlings  auf  alle  AYeiber  des  Stammes  vertauscht. 
Stiinden  aber  gleichwohl  alle  AYeiber  „vor  Allem  zur  Disposition 
des  patriarchalischen  Hauptlings" ,  und  hiitte  der  Herrscher  „das 
alleinige  Privileg,  Frauen  zu  haben",  so  ware  es  hochst  unwahr- 
scheinlich,  dass  er  eine  Beschrankung  seines  vermeintlichen  Rechtes 
freiwillig  aussprtiche,  indem  er  sich  ein  fiir  alle  Mal  rait  dem 
„Herrenrecht  der  ersten  Nacht"  begniigte,  oder  dass  ihn  die  Be- 
volkerung  zu  einer  solchen  Beschrankung  seiner  AYillkiir  zwingen 
wiirde.  Soweit  es  moglich  ist,  sich  in  die  Anschauungsweise  eines 
wilden  Yolkes    zu  versetzen ,    diirfte    anzunehmen    sein ,    dass  die 


den  Urzustanden  der  Menschheit  geschlossen  werden."  Nnn  sind  aher  be- 
kanntlich  die  Nachrichten  iiber  den  chinesischen  Heros  und  Gesetzgeber  Fohi, 
der  etwa  dreitansend  Jahre  vor  Christi  Gebnrt  gelebt  haben  soll ,  und  iiber 
Kekrops,  den  um  1470  v.  Chr.  Geb.  aus  Sais  in  Aegypten  eingewanderten  Konig 
von  Attika,  bloss  mythische  Erzahlungen;  und  es  ist  ein  Irrthum,  zu  glauben. 
da.ss  es  fiir  die  Sitten  der  Griechen  vor  Kekrops  und  der  Chinesen  vor  Fohi 
„unverdiichtige  Zeugen"  gabe.  Aehnlich  verhalt  es  sich  mit  den  daran  ge- 
reihten  weiteren  Thatsachen,  die  keinen^falls  als  geschichtlich  festgestellt  be- 
trachtet  werden  konnen.  So  wird  aus  morschen  Bausteinen,  die  nicht  einmal 
zusammenpassen,  mit  HiJlfe  lebhafter  Phantasie.  das  Luftgcbiiude  eines  iiber 
die  ganze  Welt  verbreitet  gewesenen  Hetiirismus  errichtet. 


42  Kapitel  7.    Hetarismiis  uiul  Hauptliiigsreclit 

AVilden  entweder  roli  genug  sind,  um  jederzeit  ihre  Frauen  dem 
Belieben  des  Hauptlings  zu  iiberlassen,  oder  genug  Gesittung 
haben,  um  sich  den  Eingriff  iu  ihre  ehelichen  Eechte  iiberhaupt, 
und  insbesondere  auch  fiir  die  Hochzeitsnacht,  zu  verbitten. 

Durch  das  Gesagte  erledigen  sich  die  Hypothesen  aller  iibrigen 
modernen  Schriftsteller  ^    die  theils  aus  eigeuer  Erfinduug,  theils 

'  Sclion  Evvers  (S.  72.  73)  erklJirte  das  jus  primae  uoctis  aus  der  alten 
Stellung  der  Geschlechtshaupter :  ..Der  Stammgenosse  war  urspriinglich  Unter- 
than  des  Stammhauptlings ;  nur  der  Hiiuptling  hatte  jenes  Recht;  ob  aber 
iiber  alle  Stammgenossen ,  auch  iiber  die ,  welche  urspriinglich  zu  dem  Ge- 
schlecht  gehoren,  als  jiingere  Zweige  der  ersten  Hauptlingsfamilie  (die  Edlen 
und  Freien).  oder  nur  iiber  die  allmahlich  in  den  Stamm  aufgenommenen  Ab- 
kommlinge  der  dienenden  Klasse?  —  dariiber  werden  erst  tiefere  Forschungen 
kiinftig  Aufschluss  geben.  Denn  soviel  steht  durch  Vergleichung  wohl  jetzt 
schon  fest:  es  war  kein  Herrscherrecht.  sondern  ein  Recht  des  Hauptlings." 
—  Liebrecht  betheuert  (1874,  S.  141  und  1879,  S.  423,  424),  es  konne  nicht 
der  mindeste  Zweifel  dariiber  herrschen,  dass  sich  in  dem  jus  primae  noctis 
eine  deutliche  Spiir  jenes  Hetarismus,  jener  sntv.oivo;  ;j.t'5'.;  erhalten  habe,  deren 
einstige  Herrschaft  Bachofen  in  seiner  erschopfeuden  Untersuchung  iiber  das 
Mutterrecht  ausfiihrlich  besprocheu  habe.  „Die  luhaber  der  Gewalt  hielten, 
wie  es  scheint,  noch  immer  an  dem  urspriinglich  allgemeinen  Rechte  fest,  als 
es  schon  liingst  in  den  iibr\gen  Volksschichten  verschwunden.  und  das  einstige 
Bestehen  desselben  vergessen  Avar,  so  dass  da,  wo  der  Einzelne  (biirgerliches 
oder  geistliches  Haupt)  es  noch  iibte ,  diesem  Recht  bald  dieser.  bald  jener 
Grund  untergelegt  wurde."  —  Post  schreibt  (S.  36  —  38):  ..Urspriinglich  stehen 
anscheinend  alle  Weiber  der  Geschlechtsgenossenschaft  mit  AVeibergemein- 
schaft  vor  Allem  zur  Dispositiou  des  patriarchalischen  Hauptlings,  auch  in 
Beziehung  auf  den  geschlechtlichen  Gebrauch  Dies  fiihrt  bei  Ausbildung 
eines  despotischen  Konigthums  zu  dem  Satze,  dass  der  Herrscher  das  alleinige 
Privileg  hat ,  Frauen  zu  habeu,  und  vou  diesen  nur  an  seine  Giinstlinge  ab- 
giebt''.  .  .  .  „Das  alte  Recht  des  Hauptliugs  auf  alle  AVeiber  fiihrt  zu  dem  jus 
primae  noctis,  dem  Recht  des  Geschlechtsfiirsten,  alle  zur  Genossenschaft  ge- 
hiirigen  Weiber  zu  entjungfern ,  mit  andern  Worten ,  die  maritalischen  An- 
spriiche  der  Geschlechtsgenossen  gegen  alle  Weiber  vor  den  iibrigen  Genossen 
auszuiiben.  Wo  sich  Spuren  eines  jus  primae  noctis  findcn,  kann  man  mit 
zipmlicher  Sicherheit  darauf  zuriickscliliessen,  dass  bei  dem  betrefifeuden  Volke 
urspriinglich  einmal  Weibergemeinschaft  geherrscht  hat."'  —  Giraud-Teulon 
(S.  1 — 71)  vertheidigt  ebenfalls  die  Hypothese  Bachofen'3,  dass  in  alten  Zeiten 
Hetarismus  geherrscht  habe,  und  damit  die  Eingehung  eiuer  individuelleu  Ehe 
nicht  vereinbar  gewesen  sei;  noch  spater,  versichert  er,  habe  der  Abschluss 
einer  festen  Ehe  als  Verletzung  des  Naturgesetzes  gegolten,  wofiir  Siihne  ge- 
fordert  wurde;  die  Ehegatten  hatten  das  Recht  auf  ihren  ausschliesslichen 
Besitz  gewissermassen  aus  der  Gemeinschaft  einlosen  miissen:  bei  weiterer 
Ordnung  gesellschaftlicher  Zustiindi»  sci  der  Tril)ut .  den  die  Frau  an  die 
Gemcinschaft  verschuldete.  allmiihlich  auf  ciiie  ciiizige  Lcistung  eingeschriiukt 
worden;  so  sei  das  jus  primae  noctis  entstanden ,  welches  den  Hiiuptlingen, 
den  Konigen  oder  den  Priestern  eingeriiumt  wurde.  —  AUe  diese  Hypothesen 
machen  im  Allgemeinen  den  Eindruck.  als  meinten  die  Verfasser.  es  sei  bereits 


Kapitcl  8.    Heidniscbes  iiiid  christliches  Priestcrthum.  43 

utblge  der  von  I^)achofeii  gegobenen  Anregung  in  alinlielier  AVeise 
wie  Baoliofen  das  llerrenreeht  der  ersten  Nacht  zu  begriinden 
suclien. 

B.    HekhuscJies  laid  cltristliches  Friesfertlnon. 

K.ipitel  8.  Yiele  Schriftsteller  der  Xeuzeit  nieinen ,  das 
Herreureclit  der  ersten  Nacht  sei  nSogar"  von  Geistlichen  iu  An- 
spruch  genommen  und  ausgeiibt  worden.  Aus  einigen  derartigen 
Ausspriichen  ist  nicht  deutlich  zu  ersehen,  wie  sich  die  Yerfasser 
die  Entstehung  eines  solchen  Rechts  der  Geistlichkeit  vorstellen. 
An  manclien  Orten  hatte  es  „sogar  der  Ortsgeistliche"  ^  «Sogar 
die  Geistlichkeit  hatte  zuweilen  eine  Yorliebe  fiir  die  siisse  Frucht 
der  ersten  Nacht."  ^  „Die  Pfaffen  und  sogar  die  Monche  be- 
sassen  dieses  Recht  und  genossen  es  in  natura."  ^  „Das  Sclimali- 
lichste  war,  dass  Xiemand  auf  dies  abscheuliche  Recht,  selbst  in 
seiner  urspriinglichen  rohen  Form,  erpichter  gewesen  ist,  als  die 
Clerisei."  ^  „An  der  Richtigkeit  der  Thatsache,  dass  selbst 
Geistliche  jenes  Recht  auszuiiben  suchten,  lasst  sich  leider  nicht 
zweifeln,  wie  selir  man  auch  die  Sache  in  Abrede  zu  stellen  ge- 
sucht  hat."  -^  „Es  war  gar  nichts  Unehrliches  fiir  einen  Dorf- 
pfafFen,  der  doch  die  Keuschheit  heilig  gelobt  und  das  heilige 
Sacrament  der  Ehe  abgeschworen  hatte,  die  Braute  seiner  ganzen 
Pfarre  in  der  ersten  Brautuacht  zu  beschlafen."  *^  Gegen  Bi- 
schofe  und  Aebte  wurden  Strafen  verhangt,  weil  sie  fiir  jenes 
Recht  Geld  annahmen,  „statt  dass  sie  das  Recht  der  Entjung- 
ferung  bisher  personlich,  con  amore,  ausgeiibt  hatten"  '. 

In  andern  Ausspriichen  wird  durch  den  Zusammenhang  an- 
gedeutet  oder  ausdriicklich  gesagt,  dass  die  Geistlichen  in  der 
Eigenschaft  als  Grundherren  jenes  Recht  in  Anspruch  genommen 
hatten.  „Es  ist ,  nicht  zu  bezweifeln,  dass  Aebte  und  Bischofe 
in  ihrer  Eigenschaft  als  weltliche  Herren  dies  Yorrecht  in  An- 
spruch  nahmen;  und  es  ist  nicht  sehr  lange  her,  dass  Priilaten 
von    diesem  Yorrecht  Abstand   genommen    haben,    und   zwar  fiir 

anderweitig  'bewiesen ,  dass  in  alten  Zeiten  das  jus  primae  noctis  geherrscht 
habe.  Sie  suchen  es  zii  erkliiren.  Doch  konnen  einige  Bemerkungen  der 
genaunten  Schriftsteller  auch  in  dem  Sinn  aufgefasst  werden,  dass  darin  Be- 
weise  jenes  Rechts  gefunden  werden  <ollten.  In  jedem  Fall  sind  sie  un- 
begrUndet. 

1  Maurer  Bd.  3  S.  169.  2  SchafPner  Bd.  2  S.  184,  185. 

3  Dulaure,  Adel  S.  242,  243.  *  Sugenheim   1861  S.  104. 

''  Kolb  1842  S.  497.  6  Reynitzsch  S.  275. 

7  Hormavr   1842  S.   146. 


44  Kapitel  8.    Ileidnisches  iind  cliristliclies  Priesterthiim. 

Geldabgabon ,  worauf  sie  ebenso  viel  Recht  hatten,  wie  auf  die 
Jungferschaft  der  juugen  Madchen."  ^  „Das  Anstossigste  ist, 
dass  selbst  geistliclie  Herren  den  Anspruch  auf  Ausiibung  dieses 
Rechts  erhoben."  ^  „Das  unter  dem  Nameu  droit  de  markette, 
cullagium  oder  marcheta  bekannte  schmahliche  Herrenrecht  nah- 
meu  selbst  Pfarrer  fiir  sich  in  Anspruch,  und  Bischofe  verwan- 
delten  es  in  Geldabgaben."  ^  „Aebte  und  selbst  Bischofe  iibten 
es  aus,  wie  Barone."  *  „Die  franzosischen  Bischofe  und  Aebte 
hatten  dies  Recht  sehr  oft  iiber  ihre  Yasallen,  und  die  enthalt- 
samsten  verlangten  Geldentschadigung  fiir  die  ^Nichtausiibung."  ^ 
„Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  Aebte  und  Bischofe  in  der 
Eigenschaft  als  weltliche  Herren  sich  dies  Yorrecht  beilegten. 
Uuter  den  Geistlichen,  welche  dies  Recht  geuiessen,  erkennt 
mau  die  Bischbfe  von  Amiens,  die  Monche  von  Saint-Etienne  zu 
IS^evers,  die  adeligen  Domherren  von  Lyon,  die  x\ebte  von  Saint- 
Theodard  etc.  etc.  etc."  ^" 

Eine  dritte  Klasse  moderner  Schriftsteller  sucht  jenes  Recht 
aus  der  priesterlichen  Gewalt  zu  erkhiren,  und  zwar  aus  der 
Gewalt  heidnischer  sowohl  als  christlicher  Priester '.  Angelo  de 
Gubernatis  spricht  vop  Brahmanen,  die  es  fiir  ihre  religiose  Pflicht 
hielten,  den  jungen  Madchen,  bevor  dieselben  heiratheten,  den 
Schmuck  der  Jungfriiulichkeit  zu  nehmen  * ,  und  kniipft  daran 
die  Bemerkung,  derselbe  Gebrauch  habe  in  Europa  im  Mittel- 
alter  geherrscht,  jedoch  mit  dem  Unterschied,  dass  er  nicht,  wie 
in  x^sien,  durch  die  Priester  aus  Gnade  und  Profession,  sondern 

'  Voltaire.    Dict.  phil.    unter    Cuissage.     Diss.  S.  Claude.  Anh.  S.  133,   134. 

2  Dupin  bei  Mignet  Bd.  28  S.  131.  Journal  des  Debats,  2.  Mai  1854,  auf 
der  ersten   Seite. 

3  Chateaubriand  S.  386. 

"  Merlin,  Eep.  unter  Markette.  Kolb  1842,  S.  497.  Kolb  1843,  Bd.  2 
S.  73.  Vgl.  (in  abgeschwachter  Fassung):  Dict.  Acad..  Suppl.  1836  unter 
Markette. 

*  Marichalar  Bd.  6  S.   70.  "  Labessade  S.  1). 

"  Eine  solche  Gleichstelhing  heidnischer  und  christlicher  Priester  findet 
sich  in  zahlreichen  Schriften  des  ncunzehnten  Jahrhunderts.  Untcr  dem  Ein- 
fluss  dieser  Vorstellung  legen  Einigc  (z.  B.  Dulaure,  Adel  S.  242,  Diimge 
S.  20,  Le  Siecle  vom  26.  Sept.  1854  und  Labessade  S.  23  Nr.  41  u.  42  und 
S.  92)  besonderes  Gewicht  darauf,  dass  selbst  der  gelehrte  Jesuit  Papebroek 
an  das  jus  primae  noctis  geglaubt  habe:  gleichsam  als  ob  dies  Recht  durch 
Zugestiindniss  eines  Priesters  be-\viesen  wcrden  konnte.  Doch  geht  die  Mei- 
nung  Papebroek"s  (AA.  SS.  30.  aprilis.  lid.  3  S.  822)  nur  dahin,  dass  jenes 
Reclit  in  heidnischer  Zeit  bestandeu  habe  und  durch  das  Cliristentluim  ver- 
drangt  sei.     Vgl.  unten  Kap.  20. 

8  Gubernatis  Indie  S.  137  und   Usi  S.   198. 


Kapitcl  «S.     Ilcidiiisclies  iiiul  chri.stliclies  Pricstertlium.  45 

\uii  cleii  i'rietitcrn  uiul  Lelmstriigern  des  Mittelalters  kraft  eines 
Keehtes  ausgeiibt  worden  sei,  so  lange  die  Geduld  der  Unterthanen 
•  liesen  Schimpf  ertragen  konnte  ^  Liebrecht  vermuthet,  da  die 
Caziken  als  weltliche  HiiuptHnge  zugleicli  die  oberste  priester- 
liehe  Gewalt  besassen,  so  moge  das  jus  primae  noctis  den  Ober- 
priestern  oder  iiberhaupt  einem  Priester  verblieben  sein,  „wo  sie 
nicht  mehr  auch  weltliche  Haupter  waren,  wiihrend  diese  es  ver- 
loren  hatten"  ^.  Also  meint  Liebrecht,  jenes  Recht  habe  an- 
fiinglicli  den  weltlichen  Hiiuptlingen  und  spiiter  den  Priestern 
zugestanden.  Ein  anderer  Schriftsteller  der  Gegenwart  meint,  das 
vorlaufige  Paaren  mit  den  neuvermiihlten  Frauen  sei  anfiinglich 
ein  Recht  der  Geistlichkeit  gewesen  und  habe  sich  bei  den  Brah- 
manen  Indiens  ebenso  wie  bei  den  christlichen  Priestern  des 
Mittelalters  auf  die  ersten  drei  ^iichte  erstreckt;  „der  von  der 
Geistlichkeit  angelobte  Colibat"  sei  „kein  Hinderniss  zur  Yoll- 
ziehung  des  vorliiufigen  Begattungsrechts"  gewesen;  a]hiiiihlich 
hiitten  sich  die  weltlichen  Herren  dieses  Rechts  bemiichtigt:  je- 
doch  hiitten  dieselben  den  Umfang  des  Rechts  eingeschriiukt,  in- 
dem  sie  nicht  mehr  das  „trinoctiuni",  sondern  nur  das  jus  primae 
noctis  fiir  sich  in  Anspruch  nahmen  -^ 

In  neuester  Zeit  w^rd  sogar  gelehrt,  die  Kirche  habe  das 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht  als  gerechtfertigt  anerkannt  und  in 
ihreu  besondern  Schutz  genommen.  Die  Zeitung  „Deutscher  Mer- 
kur"  •^  stellt  niimlich  iiber  jenes  „Ehebruchsprivilegium"  folgende 
Siitze  auf:  „Es  hiitte  sich  dieser  Missbrauch  der  grundherrlichen 
Gewalt  leicht  beseitigen  lassen,  wiire  ihm,  so  lange  er  nur  spo- 
radisch  veriibt  wurde,  nur  von  der  Kirche  entgegengetreten  worden. 
L^nter  den  Augen  der  Kirche  wuchs  er  aber  zur  allgemeinen 
Landplage  heran:  sie  aber,  sonst  so  freigebig  mit  ihren  Fliichen, 
liess  das  U ebel  ruhig  weiter  wachsen ,  ohne  daran  zu  denken, 
ihre  Fluchapparate  gegen  diesen  Unfug  spielen  zu  lassen.  L^^nd 
doch  war  schon  der  Tribut,  der  fiir  den  Nichtgebrauch  dieses 
vermeintlichen  Rechts  entrichtet  werden  musste,  nicht  bloss  eine 
schmiihliche  Entwiirdigung  der  armen  iS^euvermiihlten,  sondern 
auch  des  Ehestandes  iiberhaupt.  Aber  davon  hatte  die  Kirche 
so  wenig  eine  Ahnung,  dass  auch  sie  diesen  Tribut  einzog.  Nach- 
dem  wegen  allzu  starken  Gebrauchs  dieser  Ehebruchspriitensionen 


>  Gubernatis,  Usi  S.  198.  2  Liebtecht  1879  S.  420. 

»  Kulischer  S.  223—227. 

^  D.  Merkur    v.    17.    April    1880,    S.   124,     unter    der    Ueberschrift :     ..Der 
Papst  Leo  XIII.  als  Geschichtsbaumeister". 


46  Kapitel  ^s.    Heidnisches  und  christliclies  Priesterthuni. 

Aufstande  vorgekommen  waren,  wurde  daran  gedacht,  durch 
Landesgesetze  diese  Pratensionen  als  unberechtigte  Anmassuugen 
zu  heseitigeu,  womit  auch  der  fiir  den  Mchtgebrauch  eiugefor- 
derte  Tribut  hinfallig  wurde.  Xirgends  ist  der  Impuls  zu  diesen 
Gesetzen  von  deu  Organen  der  Kirehe  ausgegangen ;  wohl  aber 
ist  es  nachweisbar,  dass  sie  nur  mit  Widerwillen  sich  dieselben 
gefallen  liess.  Als  in  Frankreich  einige  Parlamente  bei  ihren 
Entscheidungen  vou  dem  Satze  ausgingen,  dass  es  fiir  Niemanden 
eiu  Ehebruchsrecht  geben  konne,  opponirten  die  Feudalherren, 
und  die  Kirclie  war  auf  ihrer  und  uicht  der  Parlamentsherren 
Seite".  .  .  Es  wird  beliauptet,  aus  jenem  Ehebruchsprivilegium 
habe  die  Kirche  selbst  Nutzen  gezogen;  sie  habe  wohl  auch 
ihren  geweihten  Organen  diese  Profanation  nachsichtsvoll  ge- 
stattet  und  sei  daher  nicht  in  der  Lage  gewesen ,  derselben  mit 
Xachdruck  entgegenzutreten.  „Was  dieser  Umstand  fiir  die  Pflege 
hiiuslicher  und  oflFentlicher  Sitte  zu  bedeuten  hatte,  vermag  man 
erst  dann  vollstiindig  zu  ermessen,  wenn  man  bedenkt,  dass  es 
der  Kirche  gelungen  war,  die  Ehesachen  zu  monopolisiren,  und 
es  niithin  auf  der  ganzen  weiten  Erdenrunde  kein  Forum  mehr 
gab.  bei  welchem  fiir  das  Magdthum  der  Braut  eines  Sklaven 
Schutz  gegen  feudale  Greliiste  hatte  gefundeu  werden  konnen.'"  ^ 
Der  in  jenem  Zeitungsartikel  gelobte  Gewahrsmann  meint,  die 
Kirche  habe  sich  gegeniiber  jenem  Recht  „nicht  uur  passiv"  ver- 
halten.  Denn  es  sei  „eine  historische  Thatsache,  dass  sie  den 
feudalistisclien  EhebruchsprJitensionen  nicht  nur  nicht  entgegen- 
getreten,  sondern  auch  dieses  schiindlichste  aller  Herrenrechte 
als  begriindet  anerkaunt  hat,  indem  entweder  Priistation  in  na- 
tura  oder  im  Falle  der  Yerweigeruug  das  dafiir  iibliche  oder 
festgesetzte  Aequivalent  bcansprucht  wurde.  .  .  Zum  Schutze 
der  Ehe,  fur  welche  die  Kirche  das  ausschliessliche  Gesetzgebungs- 
recht  in  Anspruch  nahm,  hatte  sie  keine  Ceusuren,  keine  Ana- 
theme."  2 

Die  einzelnen  Thatsachen,  die  in  vorstelienden  Ausziigen  er- 
wiilint  werden,  sollen  im  Verlauf  dieser  Untersuchung  gehorig 
beleuchtet  werden.  Die  angefiihrten  Tlieorieen  stimmen  mitein- 
ander  nicht  iiberein  und  leiden  siimmtlich  an  dem  Fehler,  dass 
sie  ein  Rccht  zu  erkliiren  sucheu,  ohne  vorher  nachzuweisen, 
dass  es  iiberluiupt  bestanden  hat.  Eine  weitere  Kritik  der  be- 
zeichneten  Yerirruugen  wird  hier  unterbleiben  konnen. 

1  Buchmann  S.  38. 
-  Buchmann  S.  68,  69. 


Kapitol  i).    Sklaverei  uud  Fcudalitat  47 


SJdaverei  und  Feudalitdt. 


Kiipitel  9.  Weinliold  behauptet,  „der  Gebieter  der  Braut" 
liabe  „bei  den  spateren  Roraern"  das  jus  primae  noctis  gehabt  ^, 
ohne  die  dunkeln  Ausdriicke  ^Gebieter  der  Braut  bei  den  spii- 
tern  Komern"  zu  erkliiren.  Mit  grosserer  Deutlichkeit  driicken 
andere  Schriftsteller  die  Meinung  aus,  jenes  Recht  sei  aus  der 
Sklaverei  entstanden,  Avie  solche  bei  den  alten  Griechen  und 
Roraern  Geltung  hatte  ^.  „Es  ist  wahrscheinlich,  dass  raan  dies 
Recht  von  dera  Augenblicke  an  ergrifF,  wo  es  Sklaven  gab.  Ein 
Mann,  der  sich  eine  unbegrenzte  Gewalt  iiber  das  Lcben  und 
iiber  die  Giiter  aller  seiner  Unterthanen  anniasst,  kann  ebenso 
gut  mit  ihren  Frauen  schlafen."  ^  Masson  meint,  uni  die  Zeit, 
als  die  Sklaven  in  die  Stellung  vou  Unteithanen  aufriickten,  sei 
die  urspriingliche  Rohheit  jenes  Herreureciits  beseitigt  und  durch 
Geldabgaben  ersetzt  worden  ^. 

Eine  derartige  Auffassung  ist  unvereinbar  mir  dem  Begriff 
der  Sklaverei,  die  bei  den  alten  Griechen  und  Roraern  bestand. 
Danacli  war  der  Sklave  rechtlos ;  der  Herr  hatte  das  Eigen- 
thuni ,  also  die  volle  Herrschaft  iiber  den  Sklaven  wie  iiber 
eine  Sache;  nur  aus  polizeilichen  Riicksichten  konnten  Sklaven 
gegen  Gewaltthatigkeiten  ihrer  Herren  geschiitzt  werden;  von 
einzelnen  Rechten  des  Herrn  gegeniiber  deni  Sklaven  konnte 
keine  Rede  sein. 

Andere  Schriftsteller  des  neunzehnten  Jahrhunderts  betrachteu 
das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  theils  als  eine  nothwendige 
Folge,  theils  als  eine  Ausartung  der  Leibeigenschaft  und 
der  Feudalitat.  ^iS^icht  die  niedrigsten  personlichen  Dienste 
der  Leibeigenen  und  ihrer  Kinder  bloss,  selbst  das  jus  primae 
noctis  hatten  sich  die  Leibherren  anzueignen  gewusst."  -"  Dies 
Recht  war  die  „Schande  der  Peudalitat"  ^.  „Es  bestand  mit  dem- 
selbeu  Recht  wie  die  Feudalitat,  wovon  es  eine  ungeheure  Aus- 
artung  bildete."  ^  „Der  feudalistische  L^ebermuth  ersann  neben 
physischen  auch  nioralische  Martern,  uni  den  letzten  Funken  des 
Gefiihls  der  Menschenwiirde  im  Bauer  zu  ersticken.  AYie  die 
Erstlinge    des  Yiehs    und    der  Friichte    des  Fekles,    so   kam  dem 


1  Weinhold  S.  194. 

2  Chateaubriand    S.    386.     CoUin    de    Planey    S.    16,i.     :*Iasson  S.  382.  383. 

3  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  165.         ^*  :\[asson  S.  382.  383. 

5  Welsch  S.  2.     Daraus:  Chr.  Meyer  S.  371. 

6  Bibl.    hist.    Bd.   12  S.  232:  .  .  ..cette  turpitude  de  feodalite". 
"  Labessadc  S.  106. 


48  Kapitel  9.    Sklaverei  und  Feudalitiit. 

Gutsberrn  auch  die  Jungferschaft  seiner  weiblichen  Tnterthanen 
zu.  Er  hatte  das  Recht,  das  Magdthum  der  leibeigenen  Braut 
zu  nehmen,  die  Hochzeitsnacht  mit  ihr  zu  begehen  (jus  primae 
noctis)."  *  „Das  Herrenrecht  der  ersten  Xacht  beweist,  wie 
verderbt  die  Sitten  waren ,  und  in  welcher  Erniedrigung  sich  der 
grossere  Theil  des  Menschengeschlechts  befand,  als  die  Feu- 
dalitat  in  ihrer  ganzen  Kraft  regierte."  ^  Jenes  Recht  war  „eine 
nolhwendige  Folge  des  Feudalwesens,  das  vor  Allem  auf  per- 
sonlicher  Dienstbarkeit  beruhte"  '^.  „Es  ware  zu  verwundern, 
wenn  es  nicht  bestanden  hatte."  ^  „  Jenes  Recht  der  Cxewalt 
und  Unkeuschheit"  war  ein  „gehassiger  Missbrauch  der  driickend- 
sten  Feudalitat."  ""  „"SYarum  sollte  man  dariiber  erstaunen  oder 
aufgebracht  werden?  Weiss  man  nicht,  dass  die  Feudalitat 
grundsiitzlich  das  Recht  der  Gewalt  war;  dass  ein  Mann,  der 
dem  Taumel  der  Gewalt,  dem  Triebe  der  Rohheit  ergeben  ist, 
gegen  seine  Untergebenen  die  wikleste  Bedriickung  ausiiben  kann, 
und  dass  ein  Mann,  der  durch  die  Knechtschaft  seiner  Umgebung 
verdorben  ist,  die  Kenntniss  des  Guten  und  Bosen  verliert,  seine 
Frevelthat  in  Recht  verwandelt  und  so  in  ihrem  ruhigen  und 
schuldbaren  Genuss  s\ch  zu  befestigen  trachtet?  Freilich  kommt 
der  Augenblick,  wo  der  Geist  des  Menschen  erwacht,  wo  die 
wahre  Erkenntniss  des  Rechts  erscheint  und  den  altei\  Besitzer 
verwirrt ;  dann  schiimt  sich  die  Gewalt  vor  sich  selbst;  aber  statt 
ausdriicklich  ihre  alten  Missbriiuche  zu  verurtheilen,  verwandelt 
sie  dieselben  in  Abgaben,  in  Gewohnheiten,  in  Symbole,  die  noch 
ein  Zeugniss  von  ihnen  ablegen  und  sie  eines  Tages  durch  das 
Zeugniss  iiber  ihren  Ursprung  in  der  Geschichte  brandmarken 
werden."  ^ 

Der  Ausdruck  Feudalitat  umfasst  hier  nicht,bloss  den  Yer- 
band  zwischen  dem  Lehnsherrn  nnd  seinen  Yasallen  im  Sinn  des 
eigentlichen  Lehnrechts,  sondern  zugleich  den  Yerband  zwischen 
dem  Grundherrn  und  seinen  biiuerlichen  Unterthanen.  Aus  keinem 
dieser  beiden^Rechtsinstitute  ist  das  Herrenrecht  der  ersten  jS^acht 
zu  begriinden. 

AViire  dies  Recht  aus  dem  Lehnswesen  hervorgegangen, 
oder  konnte  es  daraus  erkliirt  werden,  so  miisste  davon  in  den 
Hauptwerken  iiber  Lehnrecht  die  Rede  sein.  Und  doch  findet 
sich  in  keinem  derselben  auch  nur  eine  Andeutung  jenes  Rechts. 

1  Scherr  1858,  S.  211. 

^  Merlin,  Rep.  unter  Culage  (von  Garran  de  Coulon). 

3  Legouve  S.  94.  ■*  Bonnemere  Bd.  1  S.  G2. 

5  Laierriore  Bd.  5  S.  454.       ^  Laferriere  Bd.  5  S.  457. 


Kapitcl  y      Sklaverei  uiul  Feudalitiit.  49 

Collin  de  Plancy  sucht  dies  daniit  zu  erkliiren,  dass  die  Lob- 
redner  des  Lelinsvvesens  jenes  Recht  verheimlicht  hatten  ^.  Allein 
es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  alle  namhaften  Juristen,  die  das 
Lehnrecht  behandelten,  blinde  Verehrer  jeder  einzelnen  Lehns- 
einrichtung  gewesen  seien  und  aus  Arglist  eine  derselben  ver- 
heimlicht  hiitten.  Zudem  ist  in  zaWreichen  Quellen  des  Lehnrechts 
auf  Ehebruch  oder  sonst  vertraulichen  Umgang  des  Lehnsherrn 
mit  der  Gattin  des  Yasallen  der  Verlust  des  Obereigenthums  oder 
wenigstens  aller  Anspriieho  auf  die  Dienste  des  Vasallen  als 
Strafe  gesetzt  ^. 

Viele  suchen  das  jus  primae  noctis  aus  dem  germanischen 
Recht  des  Grundherrn  iiber  die  Leibeigenen  zu  begriinden. 
Ein  deutsches  Spriichwort  sagt  vom  Leibeigenen:  „er  ist  mein  eigen, 
ich  mag  ihn  sieden  oder  braten''^;  und  ein  franzosisches  Spriich- 
wort:  „entre  toi  et  ton  seigneur,  uul  juge  fors  Dieu"  *.  Daraus 
folgert  Bouthors:  „Wer  sagen  konnte,  dieser  Mann  gehort  mir, 
ich  mag  ihn  sieden  oder  braten,  konnte  aus  demselben  Grunde 
hinzufiigen:  diese  Frau  gehort  mir,  die  Kinder,  welche  sie  zur 
Welt  bringt,  sind  meine  Sache;  daher  kann  ich  von  ihr  den 
Tribut  des  Vergniigens  erheben  und  den  Leib  befruchten,  dessen 
Frucht  mir  gehort."^  Osenbriiggen  meint,  das  Recht  der  ersten 
Nacht  sei  die  juristische  Consequenz  personlicher  Horigkeit,  und 
der  Rechtstitel  fiir  die  in  Wirklichkeit  an  Stelle  jenes  Rechts 
getretenen  Abgaben ''.  Schiiffner  sagt:  „Die  Seigneurs  betrachteten 
sich  als  die  Herren  ihrer  Vilains  und  Hintersassen  und  liessen 
sich  von  diesen  entweder  hohe  Gebiihren  bezahlen  oder  iibten 
selbst  das  verrufene  droit  de  jambage,  cuissage  oder  marquette 
aus."  ^  Buchmann  scheint  anzuuehmen,  dass  die  Sklaverei  zwar 
nicht  bei  den  alten  Heiden,  wohl  aber  im  Mittelalter,  unter  dem 


^  Collin  de  Plancy  Bd.   1  S.   166. 

2  n  Feud.  26  §  24:  vgl.  I  Feud.  5  §  1  und  I  Feud.  17.  Gerber  §  137. 
—  Ira  Gesetzbuch  Castiliens  ,,Las  siete  Partidas"  (..die  sieben  Abtheilungen"') 
aus  der  Zeit  von  1256  bis  1263  ist  die  Bestimmung  enthalten,  dass  ein  Lehns- 
herr,  der  mit  der  Tochter  oder  Schwiegertochter  seines  Vasallen  schlaft  oder 
sie  zu  einer  solcheu  Schiindlichkeit  auch  nur  auffordert.  wegen  dieser  Felonie 
das  Obereigenthum  verliert.  Ygl.  Partida  cuarta,  tit.  26  art.  9,  bei  Lagr^ze 
1867,  S.  396. 

^  Osenbriiggen,  Studien  S.  91. 

*  Dalloz,  Rep.  Bd.  1  (1870)  S.  86.     Vgl.  Bonnemere  Bd.  1  S.  62. 

5  Bouthors  Bd.  1  S.  470.  Sugenheim  ^1861,  S.  103.  Aehnlich :  Le  Siecle 
du  16.  Sept.  1854;    Kolb  1842,  S.  496  („totale  Rechtlosigkeit".) 

6  Osenbruggen,  R.-A.  S.  93  und  Studien  S.  91,  97. 
'  Schaffner  Bd.  2  S.  184,  185. 

Schmidt,  Jus  primae  noctis.  4 


50  Kapitel  9.    Sklaverei  iind   Feudalitat. 

Eiufluss  der  Kirche,  zur  Einfiihrung  jenes  „Eliebruchsprivilegiunis" 
gefiihrt  habe  ^  —  Die  hier  dargelegten  Meinungen  stimmen  darin 
iiberein ,  dass  sie  das  jus  primae  noctis  aus  der  Natur  der  Leib- 
eigenschaft  zu  begriinden  suchen,  weichen  aber  in  der  Art  dieser 
Begriiudung  von  einander  ab.  Manche  Schriftsteller  meinen,  die 
Leibeigenschaft  sei  eine  unbeschrankte  Herrschaft  gewesen,  gleich- 
wie  die  Sklaverei.  Wtire  diese  Auffassung  richtig,  so  konute 
von  einem  einzelnen  E,eclit  des  Grundherrn  gegeniiber  seinen 
Leibeigenen  keine  Rede  sein.  Daher  erscheint  die  Begriindung, 
welche  Bouthors  von  deni  jus  primae  iioctis  giebt,  als  unhalt- 
bar.  Die  andern  Meinungen  beruhen  auf  der  Yorstellung,  dass 
die  Leibeigenschaft  zwar  rechtlich  ein  Institut  gegenseitiger  Rechte 
und  Pflichten,  also  von  der  Sklaverei  grundsatzlich  verschieden 
gewesen  sei,  dass  jedoch  diese  Rechtseinrichtung  thatsachlich  den 
Leibeigenen  keinen  Rechtsschutz  gewahrt,  sondern  unerhorte 
Missbrauche  der  Grundherren  ermoglicht  und  so  die  Entstehung 
des  jus  priniae  noctis  herbeigefiihrt  habe.  Allein  aucli  diese  Yor- 
stellung  ist  in  ihrer  Allgemeinheit  nicht  zu  rechtfertigen  ^. 

iS[ach  einigen  Gewohnheitsrechten  waren  die  Gutsunterthanen 
verpflichtet,  zu  gewissen  Zeiten,  insbesondere  wenn  die  Grund- 
herrin  in  Wochen  lag,  auf  das  Wasser  des  Schlossgrabens  zu 
schlagen,  damit  das  Quaken  der  Frosche  den  Schlummer  der 
Herrin  und  ihres  Kindes  nicht  store.  Diese  und  andere  Gewohn- 
heiten  werden  von  modernen  Schriftstellern  getadelt  ^.  Zu  der  Zeit, 
als  derartige  Dienstleistungen  fiir  rechtsbestandig  galten,  wurden 
sie  wahrscheinlich ,  bei  freundlichen  Beziehungen  der  Gutsunter- 
tlianen  zu  ihrer  Herrschaft,  gern  ausgeiibt.  Dasselbe  gilt  von 
seltsamen  Spielen,  die  an  einigen  Orten  und  an  gewissen  Tagen 
zur  Belustigung  der  Grundherrschaft  aufzufiihren  waren  *.  Manche 
scherzhafte  Ausdriicke  und  Darstellungen  hatten  im  Mittelalter  eine 
harmlosere  Bedeutung,  als  sie  lieutzutage  haben  wiirden.  Es  kann 
nicht  auffallen,  dass  derartige  Gebrauche  auch  bei  Heirathen  sich 
ausbildeten  ^,  und  dass  sie  im  siebzehnten  Jahrhundert  durcli  Lehre 
der   Schriftsteller   und   durch  Urtheile    franzosischer   Parlamente  ^ 


1  Buchmann  S.  38. 

2  Vgl.  Kindlinger:    Mone  Bd.  7  S.  139,  140. 

'  V.  Hormayr  1832,  S.  38  iind  1842,  S.  145.  Dupin  S.  131.  Alloury  im 
Journal  des  Ddbats  v.  2.  Ma,i  1854,  erste  Seite. 

^  Vgl.  die  Beispiele  oben  in  Kap.  2  S.  7  und  8. 

5  Vgl.  z.  B.  Raynal  Bd.  2  S.  207—209. 

^  Vgl.  Automne  ,  tit.  8  §  1  Art.  81  (iiber  den  Lchnsgcbraucli ,  dem  Herru 
eine  Lerche  auf  einem  Ochscnwagcn  zu  iibcrreichen). 


Kaiiitel   10.    Drutalitiit  des  Mittelalter.s.  51 

fiu-  ungiiltig-  orkliirt  wurdon,  weil  sio  nach  den  Yeranderteu 
Anschauungen  der  Zeit  als  lacherlicli  oder  als  unschicklich  er- 
schienen.  Jedenfalls  ist  es  unmoglich,  in  der  vermeintlich  ent- 
wiirdigenden  Natur  dieser  und  anderer  Dienstleistungen  eine 
Erklarung  oder  gar  einon  Beweis  fiir  das  jus  primae  noctis 
zu  fiuden. 


D.    Brntalitat  des  MittelaUers  ^ 

Kapitel  10.  In  der  Keuzeit  meint  man  das  jus  primae 
noctis  aus  den  allgemeinen  Zustanden  des  Mittelalters  erklaren 
zu  konnen.  Man  bezeichnet  dies  Recht  als  eine  „Missgeburt 
des  mittclalterlichen  Eechts"  ^  oder  als  eine  „mittelalterliche  Bar- 
barei"  ^.  Ein  solches  Recht,  sagt  man,  war  nur  moglich  in  einem 
Zeitalter,  worin  „der  Irrthum  nicht  bloss  verbreitet,  sondern  zum 
Dogma  erhoben  war"  *.  „Es  ist  erstaunlich,  dass  man  ira  christ- 
lichen  Europa  den  Gebrauch,  die  Jungferschaft  seiner  Vasallin 
zu  liaben,  selir  lange  Zeit  zu  einer  Art  Lehnsgesetz  gemacht  und 
wenigstens  als  ^ein  Gewohnheitsrecht  betrachtet  hat;  die  erste 
Hochzeitsuacht  der  Bauerntochter  gehorte  ohne  Widerrede  dem 
Grundherrn;  dies  Recht  wurde  festgestellt  wie  das,  mit  einem 
Vogel  auf  dera  Daumen  zu  gehen,  und  sich  bei  der  Messe  mit 
AVeihrauch  berauchern  zu  lassen."  '"  „Es  giebt  nichts  Bezeichnen- 
deres  fiir  den  ganzen  Socialzustand  jener  finsteren  und  greuelvoUen 
Zeiten,  nichts  Sprechenderes,  wie  sehr  alle  sittlichen  und  iiberhaupt 
menschlichen  Begriffe  mit  Fiissen  getreten  und  verhohnt  wurden, 
als  das  sogenannte  jus  primae  noctis,  jener  schamloser  Weise 
zu  einer  Rechtsinstitution  (!)  erkliirte  scheussliche  Gewaltmissbrauch, 
gegen  den  sich  schon  beira  blossen  Gedanken  daran  alle  Gefiihle 
aufs  Tiefste  eraporen  raiissen."  •>  „Das  Mittelalter,  ein  Zeitalter 
furchtbarer  Verwirrung ,  das  die  grossten  Gegensatze  enthalt, 
hat  das  Andenken  an  die  Knechtschaft,  die  iiber  die  Keusch- 
heit  der  jungen  Gattin  ausgeiibt  wurde,  in  den  Ueberlieferungen 
der  Volker  hinterlassen ;   die  Geschichte  ist  nicht  berechtigt,  dies 


1  Ueber  diesen  Ausdruck  vgl.  die  Berichte  und  Erorterungen  der  olfent- 
lichen  Bliitter  iiber  die  Sitzung  des  Preussischen  Hauses  der  Abgeordneten 
vom  15.  Dezember  1880. 

2  Augsb.  Ailg.  Ztg.  V.  18.  April  1868,  S.   1662. 

3  Scherr  1865,  S.  132. 

*  Labessade  S.   179,  auch  S.  222—225. 

*  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Cuissage. 
6  Kolb  1843,  Bd.  2  S.  72. 

4* 


52  Kapitel  10.    Brutalitat   des  Mittelalters. 

Andenken  der  Leibeigenschaft  und  die  Thatsachen,  wodurch  es 
im  Gediichtniss  eines  Yolkes  bewahrt  wurde,  zu  leugnen;  jedoch 
die  Nachweisung  des  Abgrundes,  wohin  die  sich  selbst  iiberlassene 
Gewalt  den  Mann  und  seine  sittliche  Wiirde  fortreissen  kann, 
heisst  nicht,  die  AYurde  der  menschlichen  Isatur  leugnen,  die  sich 
im  Mittelalter  durch  ritterliche  Tugenden  und  erhabene  Regungen 
der  Religion  aufrichtet.  Das  Mittelalter  hat  die  moderne  Welt 
erzeugt  und  ihr  die  grossen  AVege  der  europiiischen  Gesittung 
geoffnet;  das  unparteiische  Studium  des  Mittelalters  ist  zugleich 
ein  Act  der  Gerechtigkeit  und  Dankbarkeit."  ^ 

Manche  Schriftsteller  der  Neuzeit,  z.  B.  Veuillot,  Vallein  und 
Delpit,  legen  fiir  Entscheidung  der  Streitfrage  iiber  das  Herren- 
recht  der  ersten  Nacht  das  Hauptgewicht  auf  eine  Erorterung 
der  allgemeinen  Zustande  des  Mittelalters.  Diese  Untersuchung 
ist  jedoch  iiberflussig.  Denn  selbst  vom  Standpunkt  derjenigen, 
die  sich  das  Mittelalter  als  ein  Zeitalter  der  Brutalitiit  und  Roh- 
heit  vorstellen,  ist  die  Annahme,  dass  darin  jenes  Recht  geherrscht 
haben  konnte,  aus  allgemeinen  Griinden  unerkliirlich.  AVie  ist  es 
moglich,  dass  jeder  „Kampf  um's  Recht"  unterblieb,  wenn  die 
Grund-  oder  Lehnsh^rren  jenes  Recht  fiir  sich  in  Anspruch 
nahmen?  AVie  kann  man  glauben,  dass  Jungfrauen  am  Tage  der 
Hochzeit  sich  schiinden  liessen,  dass  junge  Ehemanner  diesen 
Schimpf  duldeten,  und  dass  keine  Angehorigen  der  Brautleute 
Klage  dariiber  erhoben?  Dann  miisste  man  annehmen,  dass  es 
im  Mittelalter  kein  Rechtsgefiihl  gegeben  hiitte,  wie  Kolb  be- 
hauptet  2,  obwohl  das  Rechtsgefiihl  in  der  menschlichen  Natur 
unausloschlich  begriindet  ist  ^.  Vollig  unglaubwiirdig  ist  die  Be- 
hauptung  eiuiger  Schriftsteller  ^,  dass  die  Jungfrauen  des  christ- 
lichen  Mittelalters  sich  jeuem  Reclit  ohne  Widerstreben  und  ziem- 
lich  gern  unterworfen  hiitten. 

Hatte  das  jus  primae  noctis  im  Mittelalter  geherrscht,  so 
miissten  die  Beweise  dafiir  aus  Gesetzen,  Prozessen  und  Schriften 
des  Mittelalters   zu   entnehmen    sein.     Allerdings  wird  behauptet, 


1  Laferriere  Bd.  5  S.  457.  458. 

2  Kolb  1842,  S.  497:  „Sobald  auch  nur  cin  Fiinkchen  des  einfachsten 
Rechtsgefiihls  wieder  zu  glimmen  begann,  musste  sich  die  menschliche  Natur 
empijrt  flihlen  gegen  jene  skandalose  Einrichtung."  Der  Zusammenhang 
dieser  Stelle  mit  dem  Vorhergehenden  ergiebt  als  Meinung  Kolb's,  dass  ,,der 
finstersten  Zeit  des  ^littelalters"  selbst  jenes  ..Fiinkchcn  des  einfachsten  Rechts- 
gefiihls"  gefehlt  habe. 

3  Ygl.  Ihering. 

*  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Cuissage.    Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  167,  1G9,  177. 


Kapitol  10.    Brutalitiit  des  Mittelalters.  53 

Gesetze  seien  dag-egeu  erlassen  \  Parlamentsurtheile  liatten  es 
geachtet^,  Charten  hiitten  dagegen  geeifert^,  Gemeinden  hatten 
dagegen  revoltirt  '^ ,  Glossatoren  und  Commentatoren  hiitten  da- 
gegen  geschrieben  ^.  Allein  es  fehlt  der  Beweis  fiir  die  Wahr- 
heit  dieser  Behauptungen.  Es  giebt  kein  Gesetz  und  kein  Par- 
lamcntsurtheil  iiber  jenes  Recht  aus  der  Zeit  des  Mittelalters ; 
und  bei  keinem  der  zahh-eichen  Glossatoren  und  Commentatoren 
wird  jenes  Recht  erwiihnt ;  ebensowenig  findet  sich  eine  Er- 
wahnung  desselben  in  den  zahlreichen  Yolksrechten  aus  dem 
sechsten  bis  neunten  Jahrhundert,  in  den  Kapitularien  der  frtin- 
kischen  Konige,  in  den  deutschen  Rechtsbiichern,  den  Gesetzen 
Ludwigs  des  Heiligen  und  der  romischen  Kaiser.  Besonders 
bezeichnend  ist  das  Stillschweigen  der  deutschen  Minnesanger 
und  der  franzosischen  Fabliaux  ^.  Aus  der  gesammten  Litteratur 
des  Mittelalters  ist  meines  Wissens  kein  einziger  geistlicher  oder 
weltlicher  Schriftsteller  ermittelt  worden ,  der  als  Zeitgenosse 
jenen  Missbrauch    tadelte   oder  auch  nur  erwahnte. 

Wie  ist  es  denkbar,  dass  ein  solcher  Missbrauch  geherrscht 
haben  konnte ,  ohne  dass  die  Kirche  dagegen  ihre  Stimme  er- 
hoben  hiitte  ?  Und  doch  steht  Xichts  dariiber  in  den  Quellen 
des  kanonischen  Rechts,  weder  in  den  Decretalen  der  Piipste, 
noch  in  den  Conciliensammlungen  ^. 

Buchmann  fragt,  „wo  denn  damals  der  civilisirende  Einfluss 
der  Kirche  geblieben  sei,  wenn  derselbe  nicht  einmal  im  Stande 
war,  das  Heiligthum  eines  eben  aufgerichteten  hiiuslichen  Heerdes 
vor    der    schandlichsten  Profanation    zu    schiitzen,    die    es    geben 


<  Scherr  1858,  S.  212.  Buchmann  S.  69.  Deutscher  Merk.  v.  17.  April 
1880,  S.  124. 

2  Boutaric  chap.  15  unter  Droit  de  marquettes.  Renauldon  liv.  5  chap.  10 
S.  450.  Vgl.  auch  v.  Hormayr  1832,  S.  38  und  1842.  S.  146;  Buchmana 
S.  69;    D.  Merk.  v.  17.  Apr.  1880,  S.  124. 

'  SchilfFner  1858,  S.  185. 

4  Buchmann  S.  69. 

5  Vallein  S.  225,  226. 

^  Vgl.  den  Kommissionshericht  der  franzosischen  Akademie  der  Inschriften 
vom  11.  August  1854,  Berger  de  Xivrey  S.  23 :  ...  „le  silence  des  fabliaux. 
On  ne  peut  douter  que  si  ce  droit  (namlich  das  „droit  du  seigneur")  efit  exist^ 
comme  on  le  croyait,  il  leur  eut  fourni  quantite  de  traits  malins,  du  genre 
de  ceux  qiii  y  sont  le  plus  frequents."  —  In  dem  grossen  Werk  von  A.  Schultz 
uber  „das  hofische  Leben  zur  Zeit  der  Minnesinger"  ist  vom  jus  primae 
noctis  keine  Rede ;  und  auf  besondei-e  Anfrage  hat  mir  Herr  Professor 
Dr.  Alwin  Schultz  ausdriicklich  erkllirt ,  dass  er  in  den  von  ihm  benutzten 
Quellenscliriften  keine  Spur  von  jenem  Recht  gefunden  habe. 

'  Cheruel  bei  Flechier  S.  157.     Berger    de  Xivrey    S.  24.     Lorsch  S.  446. 


54  Kapitel  11.    Droit  de  cuissage  oder  jambage. 

kann"  \  Collin  de  Plancy  wundert  sich,  dass  Konig  Ludwig  der 
Heilige  keiu  Gesetz  zur  Unterdriickung  des  Herrenrechts  der 
ersten  Nacht  erlassen  habe^.  Dalloz  wundert  sich,  dass  in  dem 
christlichen  Zeitalter,  ungeaclitet  der  strengen  Bestrafung  des 
Ehebruchs,  das  seltsame  „droit  de  prelibation"  habe  bestehen 
konnen  ^.  Labessade  wundert  sich ,  dass  Dante  vergessen  habe, 
diesen  Missbrauch  in  der  Gottlichen  Koraodie  zu  geisseln*.  In 
der  That  wilre  Alles  dies  wunderbar,  wenn  jenes  Recht  im  Mittel- 
alter  bestanden  hatte. 

E.   Droii  de  cuissage  oder  jainbage. 

Kapitel  11.  Einige  Schriftsteller  des  siebzehnten  Jahrhunderts 
erwalmen  unter  den  Missbrauchen,  die  sich  bei  lehns-  und  grund- 
herrlichen  Rechten  eingeschlichen  hiitten,  den  Anspruch  gewisser 
Herren,  am  Hochzeitstage  ihrer  Lnterthanen  ein  Bein  in  das 
Bett  der  Neuvermahlten  zu  legen^.  Im  Jahr  1684  behauptete 
Franz  Chalier,  als  Erwerber  der  Besitzung  Perignat-es-Allier  in 
der  Auvergne,  mit  dieser  Herrschaft  sei  das  adelige  Yorrecht 
des  „droit  de  cuisse"  verbunden;  dariiber  entstand  ein  Prozess, 
und  das  Urtheil  vom  21.  Juni  1686  entschied,  dass  jenes  droit 
de  cuisse  eine  ^Xeuerung  sei,  die  aus  dem  Yerzeichniss  der  herr- 
schaftlichen  Rechte  gestrichen  werden  miisse  ^.  Schon  im  sech- 
zehnten  Jahrliundert  schrieb  Du  Yerdier:  „Ich  habe  mir  sagen 
lassen,  dass  vor  nicht  langer  Zeit  einige  Herren,  sogar  Geistliche, 
nach  altem  Gewohnheitsrecht  befugt  waren,  ein  Bein  in  das  Bett 
zu  legen,  worin  die  neuvermahlte  Frau  in  der  ersten  Nacht 
schlief.  Es  war  einmal  Einer,  der  aus  ungeziigelter  Liisternheit 
iiber  die  Grenzen  der  Pflicht  hinausgehen  und  sein  Yorrecht 
missbrauchen  wollte;  doch  verlor  er  das  Recht  um  den  Preis 
seines  Lebens." '  Auch  bei  andern  Schriftstellern  des  sech- 
zehnten  Jahrhunderts  ®  und  schon  in  einer  Urkunde  vom  Jahr  1486 


1  Buchmann  S.  38. 

2  Collin  de  Plancy  I3d.  1  S.   Uio. 

3  Dalloz,   R^p.  unter  Adult^re   n.  7. 
*  Labessade  S.  117. 

5  Choppin  lib.  1  chap.  31  n.  8,  S.  269.  Automnc  tit.  8  §  1  Art.  81, 
S.  477.  D"01ive  liv.  2  chap.  1,  S.  149,  150.  D"Espeisses  Bd  3  S.  306,  tit.  6 
sect.  9.     Vgl.  unten  Kap.  54   und  85. 

6  Barthelemy  S.   101,  102  (aus  Dominiquo  Branche). 

'  Du  Verdier  S.  96.  Daraus:  La  Curne  do  Sainte-Palaye  unter  Cuissage, 
Bd.  4  V.   1877,  S.  480. 

^  Boerius  dec.  297  n.   17,  vgl.  unten  Kap.  6L 


Kapitel   11.    Droit  de  cuissage  oder  jambage.  55 

wird  ein  ahnlicher  Missbrauch  erwiihnt  K  Dies  sintl  die  Quellen 
fur  den  erst  in  neuerer  Zeit  entstandenen  Ausdruck  „droit  de  cuis- 
sage"  -  oder  „janibage"^,  spanisch  „derecho  de  pernada" ,  italie- 
nisch  ^gambada."  Wiiren  die  Nachrichten  von  deni  bezeichneten 
Yorrecht  bewiesen,  so  wiirde  daraus  gefolgert  werden  konnen, 
dass  seit  Ausgang  des  Mittelalters  und  in  neuerer  Zeit  in  ein- 
zelnen  Ilerrschaften  ein  Gehrauch  entstand,  der  als  symbolische 
Handlung  die  Herrschaft  iiber  die  Unterthanen  kennzeichnen 
sollte.  Dieser  Gebrauch  wiirde  an  eine  deutsche  Sitte  erinnern, 
die  bei  Heirathen  fiirstlicher  Personen,  namentlich  bei  der  Hei- 
rath  des  Kaisers  Friedrich  III.  mit  Leonore  von  Portugal ,  nach 
Zeugniss  von  Aeneas  Silvius  beobachtet  wurde  '^.  Es  wiirde  er- 
klarlicli  sein,  dass  unter  den  Gebriiuchen  und  Ausartungen  der 
lehns-  und  grundherrliclien  Anspriiche  die  vorbezeichnete  Unsitte 
sich  ausbildete. 

Yoltaire  meint,  es  sei  schwer  zu  ermitteln,  ob  die  Ilerren 
sich  damit  begniigten ,  ein  Beiii  in  das  Bett  der  jungen  Frau  zu 
legen,  wie  es  bei  Yerheirathung  einer  Prinzessin  durch  Stell- 
vertreter  geschehe,  oder  ob  sie  beide  Beine  hineingelegt  hatten  ^. 
Diese  Bemerkung  enth.ilt  eine  Anspielung  auf  das  jus  primae 
noctis  und  erinnert  an  die  Erzahlung  von  Du  Yerdier;  sie  kann 
aber  nicht  ernst  gemeint  sein;  denn  es  ist  nicht  anzunehmen,  dass 
derartige  Formlichkeiten,  wenn  sie  iiberhaupt  beobachtet  wurden, 
anders  als  in  Gegenwart  von  Zeugen  und  in  hergebrachter  Art 
stattfanden  *>.  Ebenso  unbegriindet  ist  die  umgekehrte  Yermuthung 
anderer  Schriftsteller,  die  im  droit  de  cuissage  oder  jambage  einen 
Ueberrest  des  iilteren  „droit  de  prelibation"  zu  finden  meinen  ^ 
^S^icht    minder    ungerechtfertigt   ist    die    ileinung*,    das   droit   de 


^  Vgl.  unten  Kap.   70. 

^  Voltaire,  M.  Beaumarchais,  Bd.  29  S.  460.  Dict.  Acad.  suppl.  und 
compl.  unter  Cuis.5age.     Littre  unter  Cuissage. 

^  Voltaire,  ed.  Beaumarchais ,  Bd.  29  S.  460.  Dict.  Acad.  compl.  unter 
Jambage.     Littre  unter  Jambage. 

*  Aeneas  Silvius  S.  84,  85.  Stryk  lib.  2  tit.  2  §  31.  Weinhold  S.  269. 
Delpit  S.  93.     Kulischer  S.  218,  219. 

^  Voltaire,  Def.  de  mon  oncle. 

^  Das  Besteigen  des  Brautbettes  vor  Zeugen  wird  als  indogermanische  Sitte 
geschildert,  A.  Weber  Bd.  5  S.  209,  279,  401,  410,  412.  —  Die  Annahme,  dass 
eine  derartige  Formlichkeit  den  Vorwand  zu  schandlichen  Handlungen  hatte 
bieten  konnen,  ist  mit  guten  Griindeu  widerlegt  im  Kommissionsbericht  der 
franz.  Akademie  der  Inschriften  vom  11.  Aug.  1854,  Berger  de  Xivrey  S.  24,  25. 

'  Dict.  Acad.  compl.  unter  Jambage. 

8  Encycl.    1.    Ausg.    unter    Droits    abusifs.     Voltaire    Ausg.    1819    Bd.    35 


56  Kapitel  12.    Heirathsbeschrankung  der  Yasallen  nnd  Horigen. 

cuissage  oder  jambage  sei  gleichbedeutend  mit  dem  eigentlichen 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht ;  insbesondere  die  Yorstellung  ^,  dass 
zur  Bezeichnung  dieses  Rechts  anfanglich  der  Ausdruck  cullage 
gedient  habe,  und  dass  an  dessen  Stelle  das  Wort  cuissage  getreten 
sei.  Das  droit  de  cullage  war  eine  Heirathsabgabe  ^  und  hatte 
keine  Verwandtschaft  mit  dem   vorbezeichneten  droit  de   cuisse  ^. 

F.    Heirathsheschrunkimg  der   Vasallen  Kud  Horigen. 

Kapitel  1*2.  Im  neunzehnten  Jahrhundert  ist  die  Meinung 
aufgestellt  und  vertheidigt  worden,  das  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  sei  dadurch  entstanden,  dass  die  Vasallen  und  Horigen  zu 
ihren  Heirathen  die  Erlaubniss  der  Lehns-  und  Grundherren  hJitten 
einholen  miissen  *.  „Diese  Dazwischenkunft  des  Herrenwillens 
bei  den  Heirathen  war  bei  einigen  Lehen  der  Ursprung  eines 
schandlichen  Anspruchs,  dessen  Endzweck  mehr  dahin  ging,  von 
dem  zahlungsfahigen  Ehemann  Geld  zu  erpressen  (und  er  zahlte 
immer),  als  einen  schuldbaren  und  schandlichen  Act  der  Ty- 
rannei  auszuiiben  (droit  de  marquette,  braconnage,  cuissage,  scoz- 
zonaria)."  ^     „Es   ist   leider   nur   zu  gewiss,    dass  das  beriichtigte 


S.  49  und  Bd.  24  S.  260.  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  164.  165.  Kolb  1843, 
Bd.  2  S.  73.  Schliffnei-  Bd.  2  S.  184,  185.  Cutchet  bei  Marichalar  Bd.  6 
S.  498.     Marichalar   Bd.  6    S.  69.     Kulischer  S.  2^.     Liebrecht  1879,  S.  417. 

*  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Culage. 

2  Vgl.  Kap.  3  (S.  14)  und  Kap.  18  S.  94  ff. 

^  Jules  Delpit  (S.  127)  berichtet,  bei  Berufung  der  „etats  gen^raux",  im 
Jahr  1789,  hatte  die  senechaussee  von  Dijon  AbschafFung  des  „droit  de  jam- 
bage"  oder  der  zum  Ersatz  desselben  eingefiihrten  Rechte  verlangt.  Der 
Inhalt  der  betreftenden  Bittschrift  ist  mir  nicht  bekannt:  vermuthlich  betraf 
sie  Heirathsabgaben  der  serfs  de  formariage.  Vgl.  unten  Kap.  59.  —  In 
einer  spanischen  Gemalde-Ausstellung  erschien  vor  einigen  Jahren  ein  Bild, 
worin  das  ,.derecho  de  pernada"  behandelt  war;  in  der  Beurtheilung  dieses 
Bildes  machten  die  Zeitungen  Madrids  geltend,  dass  ein  solches  Recht  in 
Spanien  niemals  bekannt  gewesen  sei.  Dariiber  schrieb  mir  am  31.  Marz  1877 
Herr  Vicente  de  la  Juente  (damals  Rector  der  Universitiit  zu  Madrid):  .  .  .  „del 
llamado  jiis  2»'iniae  noctis  en  Espana.  Entre  nosotros  no  fue  conocido  ese 
derecho  inmoral  y  abominable.  Aqui  lo  llaman  los  historiadores  derecho  de 
pernndd ,  equivalente  a  la  (jamhada  de  Italia.  Hace  pocos  aiios  se  presento 
en  una  exposicion  de  pinturas  un  cuadro  que  representaba  ese  derecho  y  la 
prensa  de  Madrid  lo  considero  como  un  error  historico,  y  nego  que  ese  de- 
rccho  fucra  conocido  en  Espaiia.  Yo  no  he  liallado  vestigios  de  ol  y  los  diplo- 
maticos  a  quienes  he  consultado  me  dicen  lo  mismo." 

"  Kolb  1843,  Bd.  2  S.  66,  72,  73.  Cibrario  Bd.  1  S.  38.  Sugcnhclm  1861, 
S.  103.     Scherr  1865,  S.  128—130.     v.  Hcllwald  S.  494. 

*  Cibrario    Bd.  1  S.  38.     Der  Ausdruck  „scozzonaria",    den    ich    sonst  nir- 


Kapitel   12.    Heirathshcsclirankung  der  Vasalleii  und  Hfirigen.  57 

Recht  der  ersteii  Nacht  der  (Jcwohnlieit  vieler  Seigneurs  seinen 
Ursprung  verdankt,  nur  um  den  schandliclien  Preis,  den  es  be- 
zeichnet,  ihren  heirathslustigen  Grundholden  die  fragliche  Erlaub- 
niss  zu  ertheilcn."  ^ 

In  der  Tliat  bestand  an  sdelen  Orten  der  Rechtssatz,  dass 
Vasallen  oder  Horige  zur  Verheiratliung  einer  Tochter  die  Ge- 
nehmigung  des  Lehns-  oder  Grundherrn  nachsuchen  mussten.  Dies 
erklart  sich  aber  durch  die  Natur  dieser  Rechtsinstitute. 

Im  Lehnrecht  war  die  Heirath  einer  Vasallentochter  von 
Einfluss  auf  die  Rechte  des  Lehnsherrn.  "Ware  namlich  die  Wahl 
ihres  Gatten  vollig  frei  gewesen,  so  hatte  ein  Unw^iirdiger  oder 
gar  ein  Todfeind  des  Lehnsherrn  durch  Heiratli  in  den  Besitz 
des  Lehens  gelangen  konnen  ^.  Deshalb  hatte  nach  manchen 
Lehnsgewohnheiten  der  Lehnslierr  fiir  die  Verheirathung  der  Va- 
sallin  Sorge  zu  tragen,  und  die  Letztere  war  verpflichtet,  aus  den 
ihr  durch  den  Lehnsherrn  vorgeschlagenen  Mannern  den  Gatten 
zu  w^ahlcn^.  Jedenfalls  entsprach  es  den  PflicJiten  der  Lehns- 
treue,  dass  ein  Vasall  seine  Tochter  nur  mit  Zustimmung  des 
Lehnsherrn  verheiratliete.  Die  Verletzung  dieser  dem  Lehnsherrn 
schuldigen  Riicksicht  wurde  nach  manchen  Lehnsgesetzen  mit 
dem  Verlust  des  Lehens  bestraft  \  In  Frankreich  hatte  nach 
einer  Verordnung  Ludwigs  des  Heiligen  vom  Jahr  1256  der  Vor- 
mund  einer  Vasallin  dem  Lehnsherrn  Sicherheit  dafiir  zu  leisten, 
dass  sie  nicht  ohne  seine  Einwilligung  heirathcn  wiirdc  ^ ;  doch 
^vurde  seit  dem  fiinfzehntcn  Jahrhundcrt  das  Erforderniss  der 
lehnsherrlichen    Erlaubniss    aufgehoben  **.     In    England  ^    bildete 

nirgends  gefunden  habe ,  scheint  mit  scozzonare  (d.  h.  ein  Pferd  abrichten) 
und  scozzone  (d.  i.  der  die  Pferde  zum  ersten  Mal  zureitet)  zusammenzuhangen. 

1  Sugenheim  1861,  S    103. 

2  Vgl.  Assises  de  Jerusalem .  chap.  191,  192.  242.  und  Etablissements  de 
Saint-Louis,  liv.  1  chap.  Gl,  bei  Dalloz ,  Rep.  Bd.  1  S.  82,  84.  Miclielet 
S.  258.     Bouthors  Bd.   1  S.  473.     Raepsaet  3.  Au.sg.  S.  10,  11. 

3  Glanvilla  lib.  2  cap.  12  §  1.     Dalloz ,  Rep.  Bd.  1  S.  82,  83. 

■»  Schilter,  Pand.  lib.  36  §  32,  S.  342.  Bouthors  Bd.  1  S.  473.  Dalloz, 
Rep.  Bd.  1  S.  82—84  und  S.  130.  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  10—12  und  S.  14.  — 
Als  Graf  Guido  von  Flandern  seine  Tochter  Philippine  mit  Eduard  von  Eng- 
land  verheirathen  wollte,  suchte  er  die  Genehmigung  des  Konigs  Philipp 
von  Frankreich  nach :  doch  erhielt  er  die  Antwort,  als  freier  Herr  konne  er 
liber  seine  Tochter  verfiigen ,  wie  ihm  beliebe.  Urk.  in  Joh.  Iperii  Abb. 
Chronicon   Sythiense    S.  Bertini ,    cap.    53,    ])ars  5,    bei  Martene  Bd.  3  S.  768. 

5  Dalloz,  Rep.  Bd.  1  S.  84.     Schilterv  Pand.  36  §  32  S.  342. 

«  Dalloz,  Rep.  Bd.  1  S.  130. 

'  Die  Justitiarien  hatten  darauf  zu  achtcn  ,  ol)  Kronlehen  durch  Todesfall 
in    die   Hiinde    von    "Weibern     kamcn.      (Assisae    Henrici    Regis    factae    apud 


58  Kapitel  12.    Heirathsbeschriinkmig  der  Vasallen  iind  Horigen. 

sich  der  Grundsatz  aus,  dass  ein  Yasall  das  Lehen  verwirkte, 
wenn  er  eine  Tochter  verheirathete,  ohne  die  Genehmigung  des 
Lehnsherrn  nachgesucht  zu  haben,  dass  aber  andererseits  der 
Lehusherr  nur  aus  gerechter  Ursache  die  Erlaubniss  versagen 
durfte  und  andernfalls  die  Genehmigung  unentgeltlich  ertheilen 
musste  \  Hauptsachlich  konnte  die  Erlaubniss  versagt  werden, 
wenn  die  Tochter  an  einen  Feind  des  Lehnsherrrn  vermahlt 
werden  sollte  ^. 

Die  Leibeigenschaft  oder  Horigkeit  war  in  der  Hof- 
verfassung  so  geordnet,  dass  alle  Horigen  eines  Hofgutes  unter 
Yormundschaft  des  Hofbesitzers  standen^;  dort  war  es  natiirlich, 
dass  sie  nur  mit  Zustimmung  des  Hofbesitzers  heirathen  durften. 
Allein  auch  anderwiirts  konnte  sich  aus  der  rechtlichen  Stellung 
des  Grundherru  zu  seinen  Horigen  der  Rechtssatz  entwickeln, 
dass  zu  jeder  Heirath  eines  Horigen  die  Genehmigung  des  Gruhd- 
herrn  nachgesucht  werden  musste*,  weil  jede  Heirath  auf  Er- 
fiillung  der  Dienste,  zu  denen  der  Horige  verpflichtet  war,  einen 
wesentlicheu  Einfluss  ausiibte.     Dadurch  erkliiren  sich  die  Reclits- 


Clarendon  et  renovatae  apnid  Northamtitne,  Nr.  16.  bei  Philipps,  R.-G.  Bd.  2 
S.  81).  —  Rei  Kronlehen  musste  der  Vasall  die  Zustimmung  des  Konigs  nach- 
suchen,  wenn  er  eine  Tochter,  Schwester,  Nichtc  oder  sonstige  Verwandte 
verheirathen  wollte.  (Leges  Henrici  primi.  cap.  1  §  3.  bei  Schmid  S.  433. 
Macphersou  S.  196.  Philipps,  R.-G.  Bd.  1  S.  121.)  —  Die  Erbin  eines  Va- 
sallen  blieb  auch  nach  erlangter  Grossjiihrigkeit  bis  zur  Verheirathung  (wozii 
die  Einwilligung  des  Lehnsherrn  nothig  ww)  unter  Lehnsvormundschaft 
(Glanvilla  lib.  2  cap.  12  §  1).  Starb  dann  ihr  Ehegatte,  so  trat  sie  zwar 
nicht  in  die  Vormundschaft  des  Lehnsherrn  zuriick;  doch  bedurfte  sie  gleich- 
wohl  zur  Wiederverheirathung,  mit  dem  durch  sie  selbst  gewahlten  Gatten, 
der  Genehmigung  des  Lehnsherrn.  (Leges  Henrici  primi,  cap.  1  §  4,  bei 
Schmid  S.  433.     Glanvilla  lib.  7  cap.  12  §  5.     Fleta  lib.   1  cap.  13  §  6.) 

•  Leges  Henrici  primi,  cap.  1  §  3,  bei  Schmid  S.  433.  Glanvilla  lib.  7 
cap.  12  §§  1 — 5.  Fleta  lib.  1  cap.  13,  de  maritagiis.  Bei  Glanvilla  heisst 
es  iu  §  2 :  „si  quis  "licentiam  quaerit  a  domino  suo  filiam  suam  et  heredem 
alicui  maritandi,  tenetur  dominus  aut  consentire  aut  justam  causam  ostendere. 
quare  consentire  non  debeat,  aliter  enim  etiam  eontra  ipsius  voluntatem 
poterit  mulier  ipsa  de  consilio  patris  sui  et  pro  voluntate  libere  maritari." 

^  Leges  Henrici  primi.  cap.  1  §  3,  bei  Schmid  S.  433:  .  .  .  .,neque  ei 
defendam,  quin  eani  det,  excepto  si  eam  jungerc  vellet  inimico  meo."  — 
Glanvilla  lib.  7  cap.  12  §  2:  .  .  .  ,,requirenda  est  ipsius  domini  ad  id  facien- 
dum  voluntas  et  assensus,  ne  de  inimico  suo  vel  alio  modo  minus  idonea 
persona  homagium  de  feodo  suo  cogatur  recipere.''  —  Fleta  lib.  1  cap.  13 
§  16:  ...  „ne  forte  capitalibus  inimicis  Regis  maritentur."'' 

^  Kindlinger  §  6  S.  15. 

*  Vgl.  G  Waitz  Bd.  5  S.  239  („Das  Rccht  dazu  l)ernht  ohne  Zwcifel  in 
der  Schutzgewalt,  die  der  Herr  hatte^') ;  v.  Diiringsfeld  S.  20. 


Kapitcl    12.    Ileirathshcschriinkung  dcr  Vasallen  und   II<"irifren.  59 

bostiminuiigon,  wonacli  iille  H(>rigen,  oder  \veni<^stens  die  Mitglie- 
der  gowis.-ier  Klassen  von  Horigen,  zu  ihrer  Verheirathung  die  Ge- 
nehniigung  des  Grundherrn  nachsuchen  mussten  ^.  Dor  Mangol  der 
grundhorrlichen  Zustimmung  zu  einer  Heirath  unfreier  Personcn 
war  zwar  nach  einer  Entscheidung  des  Papstes  Hadrian  voni 
Jahr  790  2,  womit  das  biirgorliche  Recht  in  den  meisten  christ- 
lichen  Landorn  iibereinstimmte,  kein  Grund,  die  Ehe  fiir  nichtig 
zu  erkliiren^;  wohl  aber  bildote  jener  Mangel  nach  manchen  Orts- 
rechten  ein  aufschiebendes  Ehehinderniss*,  und  es  waren  Rechts- 
nachtheile  und  Strafen  fiir  den  Fall  festgesetzt,  dass  Heirathen  ohne 
Genehmigung  des  Grundherrn  geschlossen  wurden  ^.  Indessen  fin- 
den  sich  nur  wenige  Orts-  oder  Personah-echte,  in  denen  die  grund- 
horrhche  Genohmigung  als  allgemeines  Erforderniss  fiir  Hoirathen 
der  Hcirigen  unbedingt  aufgestellt  ist.  Nach  manchen  Rochten 
konnte  ein  Mangel  der  grundherrlichen  Genehmigung  durch  den 
Richter    eraranzt  werden  ^.     Fiir   Heirathen    unter    Genossen    war 


1  Vgl.  iiber  Luxemburg  Guicciardini  S.  452  und  v.  d.  Schelling  S.  146.  — 
In  einer  Denkschrift,  die  an  Konig  Philipp  von  Frankreich  gerichtet  wurde,  ist 
gesagt,  dass  in  Corbie  an  der  Schelde  etwa  tausend  Personen  nicht  ohne  Zu- 
stimmung  der  Abtei  heirathen  durften.  ( Mem.  Pic.  Bd.  2  S.  341,  unter  Nr.  7.) 
—  Nach  einigen  englischen  Ortsrechten  bedurften  die  Bauern  der  grundherr- 
lichen  Erlaubniss ,  wenn  sie  eine  Tochter  verheiratheten  oder  einen  Sohu 
Priester  werden  liessen.  Vgl.  die  Urkunden  aus  Brayles  (Grafschaft  AVarwick) 
und  Clymeslond  (Grafschaft  Cornwall)  bei  Hazlitt  S.  37,  77,  78,  und  bei  Astle 
S.  37.  —  Im  xVllgemeinen  vgl.  Ducange  unter  ^laritagium :  Heineccius,  Elem. 
lib.  1  tit.  1  §  46;  Dalrymple  Bd.  1  S.  322:  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  12,  13; 
Grimm,  R.-A.  S.  383,  384. 

2  C.  1   X.  de  conj.  serv.  (4,  9).     Vgl.  Zopfl  Bd.  2  S.  138. 

3  V.  Raumer  Bd.  5  S.  25.  Warnkonig  Bd,  2  §  86.  v.  Maurer  Bd.  3  S.  151, 
§  464  Pertile  S.  13,  14.  Laboulaye  S.  327.  —  Solche  Ehen  wurden  aller- 
dings  bisweilen,  wie  es  scheint,  biirgerlich  ignorirt.  Vgl.  Kindlinger  S.  117; 
Mone  S.  133;  Mevius,  pars  5  dec.  129;  Heineccius.  Elem.  lib.  1  tit.  1  §  46. 
Doch  war  keineswegs  (wie  v.  Hellwald  S.  494  vorau.ssetzt)  die  Niehtigkeit 
einer  solchen  Ehe   ein  allgemeiner  Grundsatz  im  christlichen  Europa. 

*  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  13.  Walter,  K -R.  §  314.  Richter ,  K.-R.  .§  267. 
Vering,  K.-R.  §  203. 

5  Cowel,  Inst.  lib.  1  tit.  10  §  14.  Potgie.s.ser  lil).  2  cap.  2  §§  19  —  21. 
Heineccius,  Antiq.  Bd.  2  Th.  1  S.  473,  474.  v.  Arx  Bd.  2  S.  167.  Kindlinger 
§§  39,  45,  47,  S.  158,  159,  184,  185,  193.  Mone  S.  133,  134.  Cibrario  (Bar- 
neaud)  Bd.  1  S.  38.  v.  Maurer  Bd.  3  S.  153  —  157,  §§  465,  466.  Lagreze  1804, 
S.  130.     Pertile  Bd.  3  S.  42.     Vgl.  auch  unten  S.  60  Anm.  6  und  S.  61  Anm.  1. 

«  Cout.  de  Norm.  Art.  231,  233.  Mittermaier  Bd.  1  §  93.  —  Vgl.  Danz 
Bd.  6  S.  45,  §  544:  „In  Ermanglung  besonderer  gesetzlicher  Bcstimmungen 
bleibt  es  Regel  des  gemeinen  Rechts,  dass  bei  den  ehelichen  Verbindungen 
der  Leibeigenen    die  Einwilligung    des  Leibherrn    zwar    erforderlich    ist,  dass 


60  Kapitel   12.    Heirathi?beschrankung  der  Vasallen  imd  Horigen. 

bisweilen  nur  bei  Standesunterschied  der  Brautleute  eine  grund- 
herrliclie  Erlaubniss  erforderlich  ^;  oder  es  galt  der  Grundsatz, 
dass  dieselbe  zwar  nachgesucht  werden  nmsste ,  aber  nicht 
verweigert  werden  konnte  ^.  Noch  hiiufiger  war  den  Horigen 
allgemein  gestattet,  innerhalb  der  Herrschaft  ihres  Grundherrn 
frei  zu  heirathen ,  ohne  dazu  einer  Genehmigung  zu  bediirfen  ^. 
Zuweilen  waren  auch  Heirathen  zwischen  horigen  und  freien 
Personen  allgemein  erlaubt  * ,  und  nur  Heirathen  unter  Horigen 
verschiedener  Herrschaften  (Ungenossen)  an  die  Genehmigung 
eines  der  beiden  oder  beider  Grundherren  gebunden^.  In  zahl- 
reichen  Urkundeu  fiuden  sich  Bestimmungen  iiber  das  Yerbot 
solcher  ungleichen  Heirathen  ^  und  Strafbestimmungen  fiir  Ueber- 


aber  doch  dieser  die  Heiratlien  seiner  Leibeigenen  weder  ohne  rechtliche 
Ursache  zu  liindern  noch  nach  Gefallen  anzubefehlen  berechtigt  ist:  in 
Streitfallen  tritt  Erkenntniss  des  Richters  ein.**  Es  lasst  sich  dariiber  streiten, 
was  Ausnahme  und  Regel  ist. 

1  Urk.  V.  1166  und  1380,  bei  Kindlinger  Nr    12  und  131,  S.  240  und  486. 

2  Danz  §  544,  Bd.  6  S.  44.  v.  Arx  Bd.  2  S.  166,  167.  Vgl.  auch  die  in 
Kap.  20  S.  107  erwahnten  Urkunden,  die  sich  dahin  ausdriicken,  dass  fiir  die 
Heirathserlaubniss  unter  Genossen  keine  Abgabe  zu  entrichten  sei. 

'  Vgl.  Osenbriiggen,  Stud.  S.  92.  —  Urkundlich  war  fiir  einige  Horige  aus- 
driicklich  bestimmt,  dass  sie  zu  Heirathen  unter  Genossen  keiner  Erlaubniss 
bedurften,  z.  B.  durch  Urk.  v.  1086,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  154,  Nr.  239;  von 
1181,  bei  Piot  Nr.  103,  Bd.  1  S.  140,  141;  v.  1223,  bei  Pertile  Bd.  3  S.  42,  §  89. 

»  Vgl.  V.  Arx  Bd.  2  S.  167,  168;  Bluntschli  Thl  1  §  17B,  S.  188,  189; 
Osenbriiggen,  Stud.  S.  93;  v.  Maurer  §  467,  Bd.  3  S.  161,  162. 

^  Damit  sollte  der  Verlust  von  Arbeit  und  Einnahme,  sowie  jeder  Streit 
unter  den  beiderseitigen  Grundherren  verhiitet  werden.     Vgl.  Mone  S.  131. 

*  Papst  Gregor  der  Grosse  erliess  ein  Verbot  gegen  den  Auszug  der 
Colonen  der  romischen  Kirche  (S.  Gregor.  Epist.  lib.  10  epist.  28,  S.  1022. 
Pertile  Bd.  3  §  88  S  33).  —  Freie  Personen,  die  auf  ihren  Wunsch  in  die 
Altarhih-igkeit  einer  Kirche,  eines  Klosters  oder  eines  Stifts  eintraten.  mussten 
bei  ihrer  Aufnahme  nicht  selten  ausdriicklicli  fiir  sich  und  ihre  Nachkom- 
men  versprechen ,  nur  innerhalb  der  Herr.schaft  oder  mit  besonderer  grund- 
herrlicher  Erlaubniss  zu  heirathen.  Vgl.  z.  B.  Urk.  v.  1086,  bei  Lacom- 
blet  Bd.  1  S.  154,  Nr.  239;  vom  13.  Marz  1425  und  vom  Jahr  1427.  bei 
Mnne  S.  147,  148.  Viele  Altarhorige  von  Sanct-Trond  bedurften  zu  Hei- 
rathen  unter  Ungenossen  einer  speciellen  Erlaubniss  des  Abtes.  Vgl.  die  Ur- 
kundfu  des  Abtes  Wiricus  v.  1150—1180.  des  Abtes  Christian  v.  1208,  1209, 
1212,  1213,  1217  und  Miirz  1222,  und  des  Abtes  Thomas  v.  14.  Juli  1240,  bei 
Piot  Nr.  66,  120,  122,  131,  132,  138,  141,  166,  Bd.  1  S.  89,  160—163,  170, 
175,  177,  178  und  201.  Die  Erlaubniss  musste  nach  einer  Urkunde  v.  1088, 
bel  Piot  Nr.  20,  Bd.  1  S.  27.  vom  Custos,  dagegen  nach  einer  Urk.  von 
1072—1075,  bei  Piot  Nr.  17,  Bd.  1  S.  24,  sowohl  vom  Abt  wie  vom  Custos 
eingeholt  werden.  Nach  einigen  Urkunden  von  Sanct-Trond  war  die  Ver- 
pflichtung.  zu  Heirathen  mit  Ungenosscn  die  Erlaubniss  einzuholen,  allgemein 


Ivapitcl   12.    Heirathsbeschrankiing  der  Vasallen   uiid  Horii^en.  (51 

tretung  der  Yorschriften  iiber  Einholung  der  Heirathserlaubniss  ^ 
Das  Verbot,  sicli  mit  Ungenossen  zu  verheirathen,  galt  bei  einigen 
Horigen  nur  fur  die  Miinner^,  bei  andern  nur  fur  die  Tuchter 
der  Horigen^;  daneben  gab  es  auch  Horige,  die  ohne  Unterschied 


ausgesprochen,  mochte  die  Braiit  oder  der  Brautigam  zur  Abtei  gehoren. 
Diesen  Inhalt  haben  dic  Urkunden  des  Abtes  Christian  v.  1208,  1210.  1211 
und  1212,  bei  Piot  Nr.  119,  124,  126  und  129,  Bd.  1  S.  160,  164  und  168, 
"Weit  hiiufiger  aber  war  die  Erlaubniss  (licentia,  gratia  oder  misericordia 
abbatis)  nur  dann  erforderlich,  wenn  der  Mann,  nicht  wenn  die  Frau  zu  den 
Altarhorigen  gehorte.  Dahin  gehoren  die  Urkundcn  des  Abtes  Gerardus  von 
1152,  des  Abtes  Wiricus  v.  1156—1180,  1158  (zwei)  und  1172,  des  Abtes 
Nicolaus  V.  1180—1193  und  1191  und  des  Abtes  Christian  v.  1193-1222, 
1200,  1210,  1212,  1216  und  1217,  bei  Piot  Nr.  60,  65,  68,  69,  91,  101,  111, 
114,  117,  125,  130,  135  und  136,  Bd.  1  S.  83,  88,  91,  92,  121,  139,  151,  155, 
158,  165,  169,  173  und  174.  Dies  erklart  sich  dadurch,  dass  der  Eintritt  in 
die  Altarhorigkeit  mit  erheblichen  Vortheilen  verbunden  war.  Vgl.  Kap.  20 
S.  106.  —  Nach  einer  Entscheidung  des  Erzbischofs  Friedrich  zu  Koln  v.  1120 
(bei  Eive  S.  390,  391,  Brewer  S.  437—439,  Binterim  Bd.  3  S.  86—88  und 
Sommer  S.  30,  31)  war  bei  allen  Censualen  des  Sanct-Victor-Stifts  von  Xanten 
zu  Heirathen  unter  Genossen  nur  die  Genehmigung  des  Propstes.  dagegen 
zu  Heirathen  unter  Ungenossen  die  Erlaubniss  des  Hofgerichts  (der  curia) 
zu  Bienen  bei  Eees  erforderlich.  —  Vgl.  auch  die  Urk.  aus  Wei-den  v.  1125 
bis  1141  bei  Crecelius  Bd.  7  S.  25,  Nr.  129. 

'  Durch  eine  Urkunde  der  Abtei  Schwarzrheindorf  (bei  Bonn)  v.  1172.  bei 
Lacomblet  Bd.  1  S.  309,  310,  Nr.  444.  Avurden  die  Eigenhorigen  des  dortigen 
Klosterhofes  in  den  Stand  der  Wachszinsigen  erhoben,  mit  der  Bestimmung, 
dass  ein  Mann,  der  sich  mit  einer  Ungenossin  ohne  besondere  Erlaubniss  der 
Aebtissin  verheirathe,  in  den  Stand  der  Eigenhorigkeit  zuriickfalle  und  ein 
ihm  etwa  durch  die  Kirche  verliehenes  Beneficium  fiir  seine  Lebenszeit  ver- 
lieren  sollte;  auch  soUten  seine  Erben  zur  Wiedererlangung  dieses  Beneficium 
die  Genehmigung  der  Aebtissin  nachsuchen.  —  Ausfiihrliche  und  mannigfache 
Strafbestimmungen  fiir  Heirathen  unter  Ungenossen  finden  sich  in  dem  De- 
cretum  Capituli  Monasteriensis  ratione  Cerocensualium  v.  1272  oder  1372  (bei 
Binterim  Bd  3  S  404,  405,  Nr.  234,  Kindlinger  M.  B.  Nr.  58,  S.  327-329, 
Grimm  Weisth.  Bd.  3  S.  126,  127),  wodurch  das  Domstift  zu  Mlinster  die 
Eeclitsverhaltnisse  seiner  Wachszinsigen  feststellte.  Diese  Bestimmungen  wur- 
den  auf  der  Synode  zu  Miinster  vom  11.  Oct.  1405  (Kindlinger  M  B.  Nr.  60, 
S.  332—335)  feierlich  bestiitigt.  —  Nach  der  bei  Potgiesser  S.  365  (ohne  An- 
gabe  des  Datums)  mitgetheiltcn  Urkunde  konnte  die  Sanct-Pelagius-Kirche  zu 
Oberreitenau  von  den  Gotteshausleuten,  die  sich  mit  Ungenossen  verheiratheten, 
eine  willkiirliche  Busse  erheben.  —  Grafin  ]\Iathilde  von  Nevers  ertheilte  durch 
Verordnung  von  1235  allen  ihren  Horigen  die  Erlaubniss,  ihre  Tochter  auch 
ausserhalb  der  Herrschaft  zu  verheirathen  und  ihnen  ihrc  Mobel  mitzugeben; 
doch  fiel  alsdann  ihr  Erbgut  der  Herrschaft  anheim.  (Coquille  cap.  8  art.  16, 
S.  326,  327:  Morellet  Bd.  1  S.  XXXIX.J   —  Vgl.  auch  S.  59  Anm.  5. 

2  Vgl.  oben  Anm.  6  (auf  dieser  Seite). 

3  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  20 ,  S.  365,  366.  Warnkonig  Bd.  2  §  86, 
S.  232.     Weinhold  S.  194.     Mone  S.  130,  131.     v.  Maurer  Bd.  3  S.  146-168, 


62  Kapitel  12.    Heirathsbesclirankung  der  Yasallen  und  Horigen. 

des  Geschlechts  sich  frei  verheiratlien  konnten ,  ohne  einer  grund- 
herrlichen  Erlaubniss  zu  bediirfen  ^ 

Hiiufig  schlossen  die  Herrschaften  miteinander  Yertrage  ab, 
um  Heirathen  zwischen  den  beiderseitigen  Horigen  zu  erleich- 
tern  ^.  Durch  derartige  Yerbriiderungsvertriige  wurden  solche 
Heirathen  allgemein  erlaubt,  z.  B.  von  Dienstleuten  des  Bi- 
schofs  zu  Regensburg  mit  denen  des  Herzogs  von  Bayern^;  von 
Unterthanen  des  Bischofs  von  Freisingen  mit  Unterthanen  des  Ko- 
nigs  von  Bohmen  und  Herzogs  von  Oesterreich,  sowie  mit  Unter- 
thanen  des  Bischofs  von  Augsburg,  des  Domkapitels  zu  Freisingen 
und    einiger  anderer  geistlicher  Herrschaften  "• ;   von  Unterthanen 


§§  464—469.  Hanauer  S.  126—129.  134.  Osenbriiggen,  Stud.  S.  93.  Pertile 
Bd.  3  §  89  S.  42,  53.  —  Die  bei  Pertile  Bd.  3  S.  42  abgedruckte  Sentenza 
della  M.  Corte  sui  diritti  de'  nobili  di  Sorrcnto  vom  Jahr  1223  entschied.  dass 
die  Bauern  der  Herren  von  Sorrent,  mit  Ausnahme  der  Soldaten,  die  Geneh- 
migung  des  Herrn  nachsuchen  miissten,  wenn  sie  einen  Sohn  in  den  geistlichen 
Stand  treten  oder  eine  Tochter  an  einen  Fremden  verheirathen  wollten  — 
Nach  einem  Zinsbuch  vom  Jahr  1538,  bei  Mazure  S.  171,  bedurften  die 
questaux  (Schutzhorigen)  zu  Riviere-Basse  der  Genehmigung  des  Grundherrn. 
um  ihre  Tochter  mif  freien  Mannern  zu  verheirathen. 

^  Vgl.  die  Urkunden  d^s  Herzogs  Friedrich  von  Lothringen  v.  1059  und 
des  Abtes  Gerardus  von  Sanct-Trond  v.  1151,  bei  Piot  Nr.  13  und  59,  Bd.  1 
S.  18  und  82  (worin  ein  solches  Vorrecht  einiger  Altarhorigen  von  Sanct- 
Trond  ausdriicklich  festgestellt  ist);  Urk.  v.  Juni  1260,  Art.  4,  bei  Cassany- 
Mazet  S.  283  (wodurch  ein  derartiges  Recht  den  Bewohnern  von  Villeneuve- 
sur-Lot  durch  den  Grafen  Alphons  von  Toulouse  und  Poitiers  ertheilt  wurde). 
Vielleicht  gehort  hierhin  auch  das  Privileg  des  Erzbischofs  Bruno  II.  zu  Koln 
von  17.  Juli  1134.  bei  Kindlinger  Nr.  9,  S.  235,  236  und  bei  Seibertz  Nr.  91, 
Bd.  1  S.  126,  127,  worin  das  Recht  einiger  Kirchenhorigen  erneuert  "wird, 
„sine  muudiburnio"  zu  heirathen.  (Mundiburnium  ist  abzuleiten  von  mundi- 
burnus,  d.  i.  patronus,  defensor,  tutor,  Vogt.  Vgl.  Ducange  unter  Mundi- 
burnium  und  Mundiburnus;  Dalloz,  R6p.  Bd.  1  S.  98  und  die  Urkunden  bei 
Seibertz  Nr.  4,  8,  18,  23,  34  und  90,  Bd.  1  S.  5,  9,  21,  25,  39  und  125,  bei 
Monc  S.  141  Note  8  und  bei  Hanauer  S.  123.) 

2  V.  Raumer  Bd.  5  S.  25.  Haberlin  S.  170—172.  Mone  S.  138,  139.  —  Auch 
durcii  schiedsrichterlichen  Ausspruch  konnten  solche  Rechtsverhaltnisse  ge- 
ordnet   werden.     Vgl.  Urk.    v.  Juli  1222,    bei    Kindlinger    Nr.  19  S.  255,  256. 

3  Vertrag  v.  Jahr  1213,  bei  Dumont  Bd.  1  S.  145,  Nr.  272  (wonach  das 
erste  Kind  dem  Vater  folgt). 

^  Urkunden  vom  4.  Dec.  1266,  29.  Miirz  und  30.  Oct  1268,  18.  Mai  1277, 
30.  Jan.  1316  u.  a.  m  bei  Meichelbeck,  Instrum.  Nr.  84,  94,  95,  133,  240, 
S.  54,  60,  80  und  153.  In  diescn  Vertriigen  ist  verabrcdet,  dass  die  Kinder 
getheilt  werden  sollten,  jedoch  ist  auffallenderweise  iiber  die  Art  der  Theilung 
Nichts  gesagt.  Vgl.  Haberlin  S.  172.  Anderwiirts  war  es  ublich ,  nach  Ana- 
logie  von  Justinian's  Nov.  162  cap.  3  dem  Herrn  der  Frau  das  erste  Kind  zu- 
zutheilen.  Vgl.  die  folgende  Note,  auch  Laboulaye  S.  329  und  den  dort  er- 
wahnten  Prozess  vom  Jahr   1262  in  Olim    Bd.  1  S.  164,  165.  —  Die  Meinung 


Kapitcl   12.    Iloiratlisbcscliraiikung  der  Vasallcn   und  Ilorigen.  03 

des  rialzgrafen  bei  Rliein  und  Herzogs  von  Bayern  mit  denen  des 
Abts  vonRoth^;  von  Horigen  des  Stifts  Trier  mitHorigen  desStifts 
Sanct-Maximin  ^;  von  Horigen  des  Domkapitcls  zu  Konstanz  mit 
denen  des  Klosters  Petershausen  ^;  von  Horigen  des  Klosters  Sanct- 
Georgen  mit  denen  der  Herren  vonHomburg^;  und  von  Horigen 
der  verbiindeten  Abteien  Zurich,  Reichenau,  Sanct-Gallen  und  Ein- 
siedeln  uutereinander  ^.  Die  Abteien  Sanct-Gallen  und  Pfeffers 
schlossen  sogeuannte  „Raub-  und  AVechselvertrage"  mit  zahlreichen 
Stiftern  und  Klostern.  Danach  waren  die  Heirathen  unter  den  bei- 
derseitigen  Horigeu  im  Voraus  genehmigt,  uud  die  Frau  wurde  Ho- 
rige  derselben  Grundherrschaft,  zu  welcher  der  Mann  gehorte,  so- 
fern  der  Brautigam  vor  der  Hochzeit  an  den  Grundherrn  der  Braut 
fiir  deren  ^Raub"  drei  Pfennige  und  ein  Paar  Handschuhe  gab ''. 
"NVo  die  Heirath  zwischen  einer  freien  und  horigen  Per- 
son  verboten  war,  konnte  eine  Aushiilfe  dadurch  geschaffen 
werden,  dass  entweder  die  unfreie  Person  losgekauft  oder  sonst 
freigelassen  wurde',  oder  die  freie  Person  in  die  Horigkeit 
eintrat^,  AVo  ein  Verbot  gegen  Heirathen  von  Horigen  ver- 
schiedener  Herrschaften  bestand,  konnte  dadurch  geholfen  wer- 
den ,     dass    der    Briiutigam    oder    die     Braut     durch    Verkauf  ^, 


Haberlin's  (S.  172),  dass  seit  dem  vierzehnten  Jahrhundert  Heirathen  zwischen 
Horigen  verschiedener  Herren,  unter  Vorbehalt  der  Theilung  der  Kinder. 
vollig  frei  gewesen  seien,  ist  In  ihrer  Allgemeinheit  nicht  richtig. 

1  Pactum  Ottonis  ill.  Baj.  Ducis  cum  Abbate  Eotensi  circa  Mancipia  mu- 
tiia,  vom  19.  Jan.  1233,  Mon.  Boica  Bd.  1  S.  377,  Nr.  '20.  Vgl.  v.  Raumer 
Bd.  5  S.  25.  In  diesem  Vertrage  ist  bestimmt,  dass  die  Kinder  aus  solchen 
Ehen  unter  den  beiden  Herrschaften  „equaliter  dividantur,  ita  tamen ,  quod 
ab  eo  inciinat  particio  liberoriim,  de  cujus  familia  mater  est". 

2  Kindlinger  §  45  unter  f. 

3  Vertrag  vom  22.  Oct.  1297,  bei  Mone  S    153. 
*  Vertrag  vom  Jahr  1450,  bei  Mone  S.  154. 

^  Liber  mancipiorum  monasterii  Thuricensis  in  der  Zeitschr.  f.  schweiz.  R. 
Bd.  4  Abth.  2  B,  S.  98,  99;  Oefnung  von  Hirslanden  und  Stadelhofen,  daselbst 
S.  79  und  bei  Grimm.  Weisth.  Bd.  4  S.  321,  322.  Osenbruggen,  Stud.  S.  95, 
96.  Vgl.  aucli  Kyburger  Oefnung  aus  der  Zeit  vor  1506,  Art.  3,  bei  Grimm, 
Weisth.  Bd.  1   S.  22. 

«  V.  Arx  Bd.  2  S.  167,  168.  Osenbriiggen,  Stud.  S.  94.  Vgl.  auch  Oefnung 
von  Tannegg  und  Fischingen  von  1432,  bei  Grimm,  "Weisth.  Bd.  1  S.  282. 

'  Vgl.  Urk.  V.  1081—1105,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  172,  Nr.  266;  von  1443 
und  1478,  belMone  S.  169—171 :  aus  der  Zeit  um  1037,  bei  Guerard  Bd.  2  S.  354. 

«  L'rk.  V.  12.  Nov.  1020,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  97,  Nr.  157.  Urk.  v.  1079, 
bei  Dronke  1850  Nr.  766,  S.  372.  Urk.  v.  1101—1131  bei  Seibertz  Nr.  39, 
Bd.  1  S.  44,  45.     Urk.  v.  1462,  1466,    1472  und  1476  bei  Mone  S.  148—150. 

9  Urk.  V.  1247,  1280,  1337,  1339,  1356,  1388,  1395  und  1410  bei  Mone 
S.  161—166.     Kindlinger  §§  29,  45. 


64  Kapitel   13.    Heirathsabgaben. 

Tausch  ^  oder  Schenkung  ^  in  die  andere  Horigkeit  iiberging, 
oder  dass  die  beiderseitigeu  Grundherren  sich  iiber  eine  solche 
Heirath  anderweitig  verstandigten  ^. 

So  weit  und  so  lange  zui'  Heirath  von  Horigen  eine  grund- 
herrliche  Genehmigung  erforderlich  war,  bestand  die  Moglichkeit, 
diese  Genehmigung  von  Gegenleistungen  abhangig  zu  machen"*; 
doch  ist  anzunehmen,  dass  nur  solche  Gegenleistungen  gefordert 
werden  durften,  die  dem  Herkommen  und  der  Billigkeit  ent- 
sprachen.  Obwohl  es  nicht  undenkbar  ist,  dass  einzelne  Grund- 
herren  die  Gewalt  iiber  ihre  Horigen  missbrauchten  ^  und  die  Er- 
theilung  der  Heirathserlaubniss  von  unsittlichen  Zumuthungen 
abhiingig  machten,  so  spricht  doch  fiir  derartige  Missbrauche  keine 
Yermuthung,  und  die  einzelnen  Falle  miissten  streng  bewiesen 
werden.  Geschichtlich  festgestellt  ist  meines  Wissens  kein  einziger 
Fall  dieser  Art. 

G.   Heiratlisahgahen  (im  Allgemeinen). 

Kapitel  13.  Dass  alle  Heirathsabgaben,  die  im  Mittelalter 
oder  in  neuerer  Zeit  von  Horigen  (Leibeigenen)  an  deren  Grund- 
herren  zu  entrichten  .  waren ,  oder  wenigstens  viele  dieser  Ab- 
gaben,  durch  Ablosung  des  Herrenrechts  der  ersten  Nacht  ent- 
standen  seien  und  insofern  die  friihere  Herrschaft  desselben 
bewiesen,  wird  von  vielen  Schriftstellern  des  achtzehnten  und 
neunzehnten  Jahrhunderts  entweder  fiir  moglich  gehalten,  oder 
als  bestimmte  Yermuthuug  ausgesprochen,  oder  ausdriicklich 
behauptet,    oder    als    bekannte    Thatsache    behandelt  *"'.     Die   En- 


1  Sacbsenspiegel  Thl.  1  Tit.  52  §  1.  Zobel  Fol.  131.  Die  oben  (S.  61, 
Anm.  6)  erwahnte  Urk.  v.  1120.  Urk.  v.  1290,  1296,  1297,  1328  und  1348, 
bei  Mone  S.  156—161  und  S.  312.  Kindlinger  §§  28,  45.  Potgiesser  lib.  2  cap.  2 
§  22.     Hurter  Bd.  3  S.  495,  496.     Laboulaye  S.  328,  330. 

2  Urk.  von  1081—1105,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  172,  Xr.  266.  Urk.  v.  1273 
und  1300,  bei  Mone  S.  167,  168. 

3  Urk.  V.  1242  bei  Saint-Foix  Bd.  2  S.  133,  134  und  bei  Dulaure,  Adel 
S.  233.  Urk.  v.  1290,  1294,  1401  und  1462  bei  Mone  S.  151—153.  v.  Arx 
Bd.  2  S.  167. 

*  Ueber  Heirathsabgaben  s.  Kap.  13—25.  ^  Vgl.  Delisle  S.  75. 

«  Grand  Vocab.  unter  Culage  und  Marquette,  Bd.  7  S.  308,  Bd.  17.  S.  236. 
Diss.  S.  Claude,  Anh.  S.  133,  134.  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  172.  Ewers 
S.  72.  Pastoret,  Ord.  Bd.  18  S.  XVL  Raynal  Bd.  2  S.  209.  Noordewier 
S.  160.  Bonnemere  Bd.  1  S.  59,  60.  Laferri^re  Bd.  5  S  457.  Littr6,  unter 
cuissage,  cullage,  marqiiette  und  prelibation.  Scherr  1858,  S.  211,  212,  und 
1865,  S.  131.  Post  S.  38.  Vgl.  auch  Voltaire,  6d.  Beaumarchais,  Bd.  29  S.  460, 
und  gegen  jene  Meinung:  Grupen  §§  2 — 10,  S.  4 — 20;  Berger  de  Xivrey  S.  24,  25. 


Kapitel   13.     HeiratliRat)f:;abcii.  65 

cyklopadisteii  stelleii  dicse  Bcg,riindun^-  dcr  Ilciratlisabgaben  nur 
als  moglich  hin  K  Zopfl  meint,  diese  Entstehung-  der  Ileiraths- 
abg-aben  sei  ^wenigstens  fiir  Deutschland  nicht  nachvveisbar"  ^- 
Jakob  Grimm  halt  fiir  erwiesen,  dass  in  Schottland  und  eini- 
gen  Tiieilen  Frankreichs  die  Heirathsabgaben  aus  jenem  Recht 
hervorgangen  seien,  was  sich  aus  deutsclien  Urkunden  kaum 
nachwcisen  lasse  ^.  Xoordewier  meint,  aus  niederdeutschen  Ur- 
kunden  lasse  sich  nicht  beweisen,  dass  die  Heirathsteuer  (Trow- 
geld),  gleichwie  iu  Schottland  und  in  einigen  Theilen  Frank- 
reichs,  dort  unter  einem  verachtlichcn  iS^amen,  aus  dem  Recht 
des  Herrn  auf  die  erste  Brautnacht  entstanden  sei'*.  Pcrtile 
spricht  von  „Abgaben  fiir  Loskaufung  des  jus  primae  noctis"  ^. 
Chaudruc  de  Crazannes  behauptet,  dies  Reeht  sei  fast  immer  in 
eine  willkurliche  Abgabe  umgewandelt  worden,  dereu  Hohe  sich 
nach  Alter,  Staud  und  Yermogen  der  Neuvermahlten  und  nach 
der  Schonheit  der  jungen  Frau  gerichtet  haben  moge  ''.  Labes- 
sade  bemerkt,  es  sei  in  den  meisten  Fiillen  nicht  in  Xatur  aus- 
geiibt,  sonderu  durch  eine  Abgabe  in  Geld  oder  Lebensmitteln 
ersetzt  worden,  zu  einer  Zeit,  als  die  Ausiibung  in  der  urspriing- 
liehen  Form  unmoglich  wurde  ^.  Jules  Delpit  meint,  die  unter  dem 
Jfamen  ^formariage"  bekannte  Geldabgabe  sei  in  vielen  Fiillen 
eine  Entschadigung  fiir  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  gewesen  ®. 

Daneben  ist  auch  die  entgegengesetzte  Meinung  in  der  Neu- 
zeit  vertreten,  dass  namlich  das  jus  primae  noctis  aus  den  Hei- 
rathsabgaben  sich  entwickelt  habe  ^.  Kolb  meint,  der  Grundsatz, 
dass  die  Leibeigenen  nicht  ohne  ausdriickliche  Zustimmung  ihres 
Herrn  heirathen  durften,  habe  als  Erpressungsmittel  zur  Ein- 
fiihrung  von  Heirathsabgaben  gefiihrt;  daraus  habe  sich,  als  die 
Zeiten  „noch  finsterer"  wurden,  das  jus  primae  noctis  entwickelt; 
spater,  als  die  Cultur  ein  wenig  wieder  stieg,  seien  an  Stelle 
des  jus  primae  noctis  die  Heirathsabgaben  wieder  hergestellt 
worden  ^°. 

Sowohl  die  eine  als  die  andere  Meiuung  ist  haltlos.  Die 
Heirathsabgaben  erklaren  sich  als  Gegenleistungen  fiir  die  grund- 


1  Encvcl.  uuter  Culage ,   von  Boucher   d'Argis,    1.  Ausg.   Bd.  4  v.  J.  1754 
S.  548.     Encycl.  meth.  Bd.  3  v.  J.  1783  S.  434. 

2  Zopfl  Bd.  2  §  30  S.  168  (4.  Aufl.).  ^  Grimm,  R.-A.  S.  384. 

■''  Noordewier   S.   160.  ^  pgrtile   Bd.  3  S.  53.     Vgl.  oben   Kap.  1  S.  5. 

«  Crazannes  S.  145,  146.  '  Labess^de  S.  82,  107. 

s  Delpit  S.  118—122. 
'   9  Laboulaye  S.  331,  332.     Kolb  1843.  Bd.  2  S.  72.  73.     Scherr  18G5,  S.  129 
1"  Kolb  1842,  S.  495—498,  und  1843,  Bd.  2  S.  72—74. 
Schmidt.  Jus  primae  nootis.  5 


6(3  Kapitel  13.    Heirathsabgaben. 

lieiTliche  Heirathserlaubuiss  ^  AYie  die  Yorschrift,  eine  solche 
Erhiubuiss  zur  Heirath  einzuholen,  eine  mehr  oder  niinder  aus- 
gedehute  Geltung  hatte ,  so  erkliirt  sich  auch  die  Yerschiedenheit 
der  Grundsatze,  die  iu  den  eiuzelnen  Laudern  und  Herrschaften 
iiber  Heirathsabgaben  bestandeu.  In  vielen  Herrschaften  waren 
solche  Abgaben  unbekannt;  in  andern  waren  sie  durch  Yertrage 
oder  Herkommen  festgestellt -.  Es  wiirde  denkbar  sein,  dass  an- 
fanglich  die  Grundherren  nach  freiem  Ermessen  entschieden,  ob 
und  unter  welchen  Bedingungen  sie  ihren  Horigen  die  Einwilli- 
gung  zur  Heirath  ertheilen  wollten,  und  dass  erst  spiiter  eine 
Garantie  gegeu  Missbrauch  dieses  Rechts  gefordert,  und  dadurch 
die  Einfiihruug  bestimmter  Heirathsabgaben  veranLasst  sei^;  auch 
ist  die  Mogliohkeit  nicht  zu  bestreiteu,  dass  in  einzelneu  Fallen 
die  Drohung,  eiu  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  auszuiiben,  zur 
Erpressuug  you  Abgaben  dieute  ^  Doch  fehlt  ein  geniigeuder 
Grund  zur  Yermuthung  derartiger  Missbrauche,  uud  mir  ist  kein 
geschichtlich  bewiesener  Fall  dieser  Art  bekannt  geworden. 

Freilassungen  erfolgten  haufig  unter  dem  Yorbehalt,  dass 
die  Freigelasseneu  gewisse  Abgaben,  darunter  auch  bei  Heirathen, 
an  ihreu  friihern  Hevrn  zu  entrichten  hatten;  dies  gesehah  ius- 
besondere  im  zwolften  Jahrhundert,  als  in  den  Stadten  selb- 
staudige  Gemeindeverfassuugen  geschafi^en  und  von  den  bisherigen 
Gruudherren  bestatigt  wurden.  Alsdann  waren  jeue  Abgaben 
ein  Zeichen  friiherer  Unfreiheit,  also  gewissermassen  eine  Bestii- 
tigung  der  erlangten  Freiheit  ^. 

Heirathsabgaben  bestanden  entweder  nur  fiir  Heirathen  mit 
Ungenossen  (forismaritagium),  oder  auch  fiir  Heirathen  unter  Ge- 
nossen  (maritagium) ,  im  letztern  Fall  zur  Anerkennuug  der 
Unfreiheit;  sie  waren  im  Fall  des  forismaritagium  (formariage) 
entweder  an  den  Herrn  der  Braut,  oder  an  den  des  Brautigams, 
oder    an    beide  Herren    zu    entrichten  "^.     In    den    meisteu   Fiillen 


1  Vgl.  obeii  Kap.   12  S.  64. 

-  Sie  siiid  keineswegs,  wie  Ernst  Joachim  Westphal  (§  13  S.  41,  42)  meint. 
durch  Einfiihriing  des  kanonischen  Rechts  aufgehoben .  sondern  stehen  mit 
demselben  in  keinem  Widerspruch  und  haben  sowohl  im  Mittelalter  wic  in 
neuerer  Zeit  in  anerkannter  Geltung  bestanden. 

3  Vgl.  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  14,  20.  *  Barth^lemy  S.  122. 

5  Bouthors  Bd.  1  S.  476.  Louandre  S.  79.  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  17—20. 
Laboulaye  S.  329,  330. 

^  Spelman.  unter  Maritagium.  Lauri^re .  vinter  Formariage  und  Cullage. 
AVestphal  §  12.  Heineccius,  Elem.  lib.  1  tit.  1  §  46  und  Antiquit.  Bd.  2 
lib.  2  cap.  9  §  14  und  §  29.  Kindlinger  §  45  S.  184.  Pcrtile  Bd.  3  S.  53. 
Osenbruggen,  Stud.  S.  93.     Zopfl  Bd.  2  S.  167,  168. 


Kapitcl   13.    Iloiruthsahiraheu.  67 

des  fonnariage  ]uittc*nur  der  Grundherr  der  liraut  (liesen  An- 
sprucli,  was  sicli  dadurcli  erkliirt,  dass  dieselbe  deni  Ehegattea 
folgte  und  aus  ihrer  bisherigen  Horigkeit  befreit  wurde  ^  Die 
Abgabe  ini  Fall  des  formariage  ^  war  eine  Abzugsteuer  (Gebiihr 
fiir  den  Losschein)  oder  eine  Niederlassungsteuer  oder  Beides  zu- 
gleich,  je  nachdeni  sie  von  dem  einen  oder  deni  andern  Grund- 
herrn  oder  von  beiden  erhoben  wurde. 

Wo  von  dem  urspriinglichen  Verbot  des  formariage  (Yer- 
lieirathung  der  Tochter  mit  einem  Ungenossen)  bloss  eine  Abgab^ 
(droit  de  formariage)  iibrig  geblieben  war,  konnte  es  nicht  auf- 
falien,  dass  in  spiiterer  Zeit  das  Bestreben  der  Horigen  hervor- 
trat,  sich  von  dieser  Abgabe  zu  befreien  -\  Konig  Ludwig  XVI. 
von  Frankreich  erkliirte  durch  Edict  vom  August  1779  (unter 
dem  Ministerium  Xecker)  auf  alleu  koniglichen  Domanen  die 
main-morte  mit  ihren  Folgen  fiir  aufgehoben,  namentlich  auch 
die  Beschriinkungen  der  Freiheit ,  sich  zu  verheirathen  * ;  dem- 
nachst  wurden  die  Rechte  aus  dem  formariage,  weil  sie  mit  der 
raain-morte  personelle  zusammenhingen ,  durch  das  am  3.  No- 
vember  1789  promulgirte  Decret  vom  4.  August  1789  allgemeiu 
und  ohne  Entschadigung  aufgehoben^. 

Mitunter  diente  der  Nanie  einer  Heirathsabgabe  zugleich  zur 
Bezeichnung  der  Strafe,  die  bei  dem  Fehltritt  einer  Jungfrau  ent- 
weder  durch  deren  Vater  oder  Vormund,  oder  durch  ihren  Ver- 
fiihrer  an  den  Grundherrn  zu  eutrichten  war.  Diese  doppelte  Bedeu- 
tung  hatten  beispielsweise  die  Ausdriicke  amobyr  oder  amobragium 
in  Wales^,    merchet,    merchetum    oder   marchetum   in  England  ^, 


1  Vgl.  V.  d.  Schelling  Bd.   1  S.  ir)0. 

^  Ragueau,  unter  Formariage.  Lauriere,  unter  Formariage  (wortlich  aus 
Kagueau).  Boutaric,  unter  Droit  de  Formariage.  Encycl.  meth.  unter  3£ain- 
morte  (vou  Henrion).  Dalloz,  Rep.  Bd.  1  S.  95.  Guerard  Bd.  1  §  207  S.  413. 
Kindlinger  S.   15  und  S.  59.     Laboulaye  S.  325—332. 

3  Vgl.  Guerard  Bd.  1  §   IGS  S.  338. 

*  Edit    du  mois  d"aout   1779,  art.   1,  iu  der  Eucyel.  meth.  Bd.  5  S.  G94. 

^  Dalloz,  Rep.  unter  Propriete  f^odale,  Nr.  100. 

6  Leges  Hoeli  Boni ,  ed.  Wottonus,  Gloss.  S.  554:  „Amohr  .  .  .  dicitur  de 
pecunia  quae  vel  pro  maritandis  puellis  vel  pro  pudicitia  violata  domino 
pendebatur".  .  .     Vgl.  Anderson  S.  60.    Naheres  dariiher  s.  uuten  Kap.  14  S.  70. 

'  Spelman,  unter  Merchetum:  „Hoc  est,  quod  Sokemauui  et  nativi  debent 
solvere  pro  filiabus  suis  corruptls  sive  defloratis.'''  Vgl.  Dalrymple  Bd.  1 
S.  319,  320:  Brinckmeier  Bd.  2  S.  190.  —  Ohne  jeden  Grund  setzt  Ducange  dem 
voi-stehenden  Ausspruch  Spelman's  hinzu :  „id  est ,  ni  fallor .  ue  corrumpantur 
aut  deflorentur  a  suis  dominis,  in  prinia  nuptiaruui  suarum  nocte."  S.  unten 
Kap.   16. 


68  Kapitel  14.    Heirathsabgaben  in  Wales. 

marcheta  in  Schottland  ^ ,    Beddemunt  in  Nbrddeutschland  ^. 

Einige  Schriftsteller  meinen  in  dem  Namen  gewisser  Heiraths- 
abgaben,  worin  eine  geschlechtliche  Anspielung-  enthalten  sein 
soll,  eine  Bestatigung  fiir  die  Yermuthung  zu  finden,  dass  sie 
durch  Ablosung  des  Herrenrechts  der  ersten  Nacht  entstanden  seien. 
Wenn  jedoch  eine  solche  Anspielung  iiberhaupt  anzunehmen  ist, 
so  erklart  sie  sich  aus  der  Natur  der  Ehe ,  und  es  liegt  darin 
durchaus  kein  Grund  zu  der  Yermuthung,  dass  die  Abgabe  auf 
einem  schandlichen  Ursprung  beruhe. 

Die  in  diesem  Kapitel  entwickelten  Siitze  werden  durch  den 
Inhalt  zahlreicher  Urkunden  bestatigt,  wie  die  in  den  Kapiteln 
14 — 26  enthaltene  Zusammenstellung  ergiebt.  Keine  einzige  von 
allen  darin  erwahnten  Urkunden  gewiihrt  einen  Grund  fiir  die 
Yermuthung,  dass  eine  Heirathsabgabe  durch  Ablosung  des  be- 
zeichneten  Rechts  entstanden  sei.  Aus  einer  grossen  Zahl  dieser 
Urkunden  erhellt  die  Unmoglichkeit  eines  solchen  Yerdachts,  da 
sie  selbst  den  Titel  iiber  die  Entstehung  jener  Abgaben  bilden, 
und  darin  die  Begriindung  derselben  erklart  ist. 

IV.   Heirathsabgaben  in  den  einzelnen  europaischen  Landern. 

A.  Iu  Grossbritaunicn. 

1.   "Wales:    amohi-,    amobi/r,  amohragium ,    merched,  gohr-vierch ,  girahr- 
merched,  maiden-rent,  chevagium. 

Kapitel  l-t.  Die  dem  Konig  Hoelus  (How^el),  dem  Guten, 
zugeschriebenen  alten    Gesetze    von    Wales  ^   erwahnen  an  vielen 

>  Houard,  Littl.  sect.  257  S.  332  Note  6.     Vgl.  unten  Kap.  15. 

2  Urk.  V.  1120,  bei  Rive.  Anl.  7  S.  390,  391,  und  bei  Sommer  S.  30,  31, 
Beil.  13  :  ...  „si  autem  aliquis  sine  legitimo  thoro  cuiquam  copulata  fuerit, 
foris  factum  suum,  quod  frequenter  usus  Beddemundum  vocat,  supra  dictae 
componat  curiae"  .  .  .  Dieselbe  Urkunde  steht  bei  Brewer  S.  437—439  und 
bei  Binterim  Bd.  3  S.  86—88  mit  der  Lesart  Reddemundum  statt  Beddemun- 
dum;  doch  ist  dies  ein  Druckfehler,  wie  Herr  Archivar  v.  Haeften  im  Jahr 
1865  durch  Einsicht  der  im  Pfarrarchiv  zu  Xanten  befindlichcn  Originalurkunde 
festgestellt  hat,  und  wie  auch  Grimm,  W.-B.  (unter  Bettemund),  uud  G.  Waitz 
(Bd.  5  S.  236,  237)  annehmen.  —  Piper  §  18  S.  33  und  §  6  S.  14  berichtfet, 
dass  im  Fiirstenthum  Minden,  in  der  Grafschaft  Ravensberg,  in  Lippe  und  in 
andern  Gegenden  der  Grafschaft  Hoya  die  geschwJingcrte  Magd  dem  Gutsherrn 
„Bcdemuth"  bezahlen  miisse,  wogegen  im  Hochstift  Osnabriick  der  Schwan- 
gerer  zur  Entrichtung  der  Bedemuth  verpflichtet  gewcsen  sei.  Doch  irrt  Piper 
darin,  dass  er  die  andere  Bedeutung  des  Wortes  bestreitet.  Vgl.  Deutsche 
Encykl.  unter  Bedemund;  Brinckmeier  Bd.  1   S.  306—308;  unten  Kap.  22. 

*   Diese    Gesetze    riihren    nach    den    dariiber    angestellten    Untersuchungen 


Kapitol   14.    IIeiratlis:il)H:iilH'ii  iii  AValcs.  G9 

Stellcii  eiue  Abi^abe  uriter  dem  Nameii  amobyr  oder  amobr. 
Das  AVort  wird  iiergeleitet  voii  am  =  zum  (pour  oder  a  cause) 
und  gwobr  —  Elireng-eschonk  ^  oder  Entschadigung -;  es  heisst 
also  wurtlich  „zum  Ehrengeschenk"  oder  „zur  Entschadigung". 
Die  lateinische  Uebcrsetzung  lautet  amobragium^,  merces  oder 
maritagium.  Diese  Abgabe  sollte  bei  Verheirathung  einer  Jung- 
frau,  wcnn  sie  selbstaudig  war,  von  ihr  selbst,  sonst  von  ihrem 
gesetzlichen  Vertreter  '\  nach  einer  andern  Stelle  von  ilirem  Ehe- 
mann  ^  entrichtet  werden.  Das  amobr  war  in  der  R,egel  nur  fiir 
diejenigen  MildLlien  zu  zaiilen,  deren  Vater  zur  Entrichtung  des 
herezeld  (heriotum)  verpflichtet  war;  doch  gab  es  mehrere  Aus- 
nahmen  von  dieser  Regel  ^.  Der  Betrag  war  so  liocli,  wie  das 
heriotum  des  Vaters  ^  und  denigemass  verschieden,  je  nach  dem 
Stande,   den   der  Vater    einnahm^.     Die    Zeit    der   Falligkeit   be- 


(vgl.  Gengler  S.  78,  79,  169,  170,  fenier  Dalloz ,  Rep.  Bd.  1  S.  28  iind  Pel- 
letier  S.  VI)  aus  dem  zehnten  Jahrhundcrt  lier  und  hattcn  nicht  bloss  in  Wales? 
sondern  auch  in  der  Bretagne  Geltunji;. 

^  Leges  Hoeli  Boni  (ed.  Wottonus)  Ghiss.  S.  554. 

2  Bullet  unter  Am  und  Gobr.  3  Hazlitt  S.  413. 

*  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841),  Venedotian  Code,  book  2  ch.  1 
art.  28:  „Whoever  shall  give  a  woman  to  a  man,  must  pay  her  amobyr,  or 
take  sureties  from  her  for  its  payment:  but  if  she  dispose  of  herself,  let  her 
I)ay  her  amobyr  herself;  because  she  has  been  her  own  disposer." 

*  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841),  Gwentian  Code,  book  2  ch.  39 
art.  Sf) :  „There  are  three  causes  of  blu,shing  to  a  maid:  one  is,  the  being  told 
by  her  father :  maiden ,  I  have  given  thee  to  a  husband;  the  second  is,  the 
desiring  her  to  go  to  her  husband  to  sleep ;  the  third  is ,  seeing  her  rising 
in  the  morning  from  her  husband :  and  on  account  of  those  three,  her  hushand 
pays  her  amobyr  to  the  lord,  and  her  cowyll  and  her  agweddi  to  herself." 
In  der  lateinischen  Ausgabe,  lib.  2  cap.  23  art.  37,  fehlt  die  Angabe,  wer  die 
Zahlung  zu  leisten  hat :  „Triplex  est  pudor  puellae:  primus  est,  cum  pater 
suus,  ipsa  presente,  dixerit  se  viro  illam  dedisse  .  .  .  pro  primo  datur  amobyr 
(amobragium),  pro  secundo  cowyl  (antipherna),  pro  tercio  aguedi  (dos)." 

^  Leges  Hoeli  Boni  (ed.  Wottonus)  lib.  4.  triades  forenses,  art.  189:  „Tres 
sunt  puellae,  quae  maritagium  solvere  debent,  licet  patres  earum  non  teneantur 
heriota  solvere".  .  . 

■^  Leges  Hoeli  Boni,  ed.  Wottonus,  lib.  4  cap.  190  §  8:  „Maritagium  filiae 
cujuslibet  hominis  qui  heriotum  solvere  tenetur,  aequale  erit  ejus  herioto." 

^  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841),  Vened.  Code ,  book  2  ch.  1 
art.  42 — 50:  „The  amobyr  of  the  daughter  of  a  maer  canghellor,  one  pound. 
The  amobyr  of  the  daughter  of  a  maer,  six  score  pence.  The  amobyr  of 
the  daughter  of  a  chief  of  a  kindred,  six  score  pence  and  one  pound.  The 
amobyr  of  the  daughter  of  an  uchelwr,  six  score  pence.  The  amobyr  of 
the  daughter  of  an  aillt,  four  scorc  pence.  The  amobyr  of  the  daughter 
of  an  alltud,  twenty  four  pence.  The  amnbyr  of  the  daughter  of  every 
chief  ofticer.  according  to  some,  a  pound,  according  to  others,  six  score  pence. 


70  Kapitel   14.    Heiratlisabgaben  in  Wales. 

stimmte  sich  durcli  Uebergabe  der  Jungfrau  an  ihren  Ehemann, 
eventuell  durch  offenes  Zusammenleben,  iiusserstenfalls  durch 
Schwangerschaft  ^  Berechtigt  zur  Erhebung  des  amobyr  waren 
die  Herren  oder  Herrinnen,  in  deren  Gebiet  die  Heirath  stattfand  ^. 
Nach  Einzelbestimmungen  erhielt  der  Musikmeister  (pencherd, 
musicus  primarius)  das  amobyr  der  Dichtertochter  ^,  und  der  Jager- 
meister  (penchenid,  princeps  venatorum)  den  dritten  Theil  des 
amobyr  von  den  Jagertochtern  \  Fiir  ein  entfiihrtes  Madchen 
musste  das  amobyr  am  Ort  seiner  Heimath  bezahlt  werden ''. 

Auch  bei  der  Entehrung  einer  Jungfrau  war  ein  amobyr 
zu  zalilen,  und  zwar  im  Allgemeinen  nach  denselben  Regehi  wie 
bei  der  Verheirathung  ••.  Wer  Nothzucht  an  einer  Frauensperson 
veriibte,  hatte  an  ihren  Herrn  ihr  amobyr  und  dirwy,  und  an 
sie  selbst  ihr  saraad.    agweddi    und  dilvswedd   zu  zahlon '.     War 


The  amobyr  of  the  danghters  of  each  of  the  other  ofiicers ,  according  to 
some,  six  score  pence,  according  to  others.  three  score  pence.  The  amobyr 
of  the  daughter  of  a  slave ,  twelve  pence."  Die  entsprechende  Stelle  des 
lateinischen  Textes,  lib.  2  cap.  21,  enthalt  mehrfache  xVbvpeichungen. 

1  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841),  Vened  Code,  book  2  ch.  1  art.  41: 
„In  three  modes  an  amobyr  accrues  to  a  woman :  one  is,  by  gift  and  delivery 
before  she  be  slept  with ;  thc  second  is,  by  open  cohabitation ,  though  there 
may  be  no  gift  nor  delivery:  the  third  is,  by  her  pregnancy." 

2  Ancient  laws  of  W^ales  (Ausg.  1841),  Venedotian  Code,  book  2  chap.  1 
art.  78 :  ..Every  lady  is  intitled  to  the  amobyr  of  the  women  of  her  domain."' 
Art.  79:  ..Every  land  maer  is  to  liave  the  amobyr  of  the  women  of  the  maer- 
trev." 

'  Leges  How-eli  Boni  (Ausg.  1841)  cap.  21  S.  861:  „Pencherd  (musicus 
primarius)  debet  habere  amobor  filiarum  poetarum  sub  se  existentium".  .  . 

*  Leges  Howeli  Boni  (Ausg.  1841)  cap.  21  art.  11  S.  860:  „Penchcnid 
(princeps  venatorum)  debet  habere  tertiam  partem  de  diru  (dirwy)  venatorum, 
et  de  kamgul  (camlwrw)  et  ebediv  (heriota)  ac  ammoboren  merched  ( et  amo- 
bragia  iiliarum)."  In  dieser  Stelle  wird  diirch  „ammoboreu  merched"  die 
Mehrzahl  ausgedriickt. 

*  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg  1841)  ,  Gwentian  Code ,  book  2  chap.  29 
art.  21:  „According  to  where  her  home  may  be,  her  amobyr  is  paid."' 

^  Leges  Hoeli  Boni  (cd.  Wottonus)  Gloss.  S.  554:  „Amobr  .  .  .  dicitur  de 
pecunia  quae  V"el  pro  maritandis  puellis  vcl  pro  pxidicitia  violata  domino  pen- 
debatur".  .  .  Anderson  S.  60:  ..Thc  amobyr  .  .  .  was  paid  cith(>r  for  violating 
the  chastity  of  a  virgin  or  for  tlic  marriagc  of  a  vassal." 

''  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841),  Dimetian  Code ,  book  2  ch.  18 
art.  18:  „Whoever  shall  commit  a  rape  upon  a  woman  is  to  pay  her  amobyr 
and  her  dirwy  to  the  lord;  and  to  the  woman  hc  is  to  pay  her  saraad ,  her 
agweddi  and  her  dilyswydd.  If  the  man  will  to  deny  it,  and  the  woman 
support  it  against  him,  prehendat  pencm  ejus  manu  sinistra  et  dextra  rcliquiis 
imposita,  and  let  her  swear  to  liis  liaving  committcd  a  rapc  upon  her:  and  thus 
he    cannot   withhold   any  of  licr   right."     Der  Schlusssatz    dieser  Stelle    diirfte 


Kapitol   14.    Ileirathsabgaben   In   Walcs.  71 

der  Mann,  der  dio  Nothzucht  veriibt  hatte,  unbekannt,  so  wurde 
kein  amobyr  ontrichtet  ^  Dasselbe  galt  bei  Nothzuclit  an  ciner 
Ehefrau,  weil  deren  amobr  boi  ihrer  Heirath  bezahlt  war  ^. 

In  den  beiden  Bedeutungen,  in  denen  das  Wort  amobyr  in 
den  Cxesetzen  des  Konigs  Howel  vorkommt,  fiir  Yorheirathung 
oder  Entohrung-  oinor  Jungfrau,  findet  es  sich  auch  in  andorn 
Urkunden.  Auf  dem  Parlament,  welches  Konig  Eduard  II. 
von  England  im  Jahr  1316  zu  Lincoln  abhielt,  ward  iiber  ver- 
scliiedone  Antrage  beziiglich  des  Gowohnheitsrechts  von  Nord- 
Wales  ontschieden.  In  der  orsten  dieser  Entscheidungen  wurde 
fiir  das  amobragium,  das  wegen  eines  Yergehens  gefordert 
werden  konnto,  eino  bosonders  streng  bestimmte  Yorjahrungs- 
frist  von  einem  Jahr  eingefiihrt;  zugleich  wurde  bestimmt,  dass 
ein  amobragium  bloss  in  den  Fallen  erholaen  werden  soUte,  in 
denen  es  beroits  zur  Zeit  der  alten  Konige  von  Wales  Geltung 
hatto  ^.  In  oiner  Urkunde  aus  der  Zeit  um  loOo  wurde  das 
amobr,  welches  bei  Yerheirathung,  Entfiihrung  oder  Schandung 
eines  Madchens  zu  zahlen  war,  fiir  die  Tochter  eines  freieu 
Mannes  auf  fiinf,  und  fiir  die  Tochter  eines  Bauern  auf  zwei 
Schillinge  festgesetzt;  eine  Strafe  von  gleicher  Hohe  hatte  oin 
Ehemann  fiir  den  Ehebrucli  seiner  Frau  zu  zahlon,  wenn  or  sio 
bei    sich    behielt ''•.      Boi    dor    am    14.    Xovember    1501    erfolgten 

als  juristischer  Witz  aufziifassen  sein.  in  dem  Sinn,  dass  der  BeAveis  einer 
erlittenen  Nothzncht  fiir  unmoglich  erachtet  Avurde.  Doch  ist  Peignot  andercr 
Meinung. 

*  Ancient  laws  of  AVales  (Ausg.  1841).  Gwentian  Code,  book  2  ch.  29 
art.  24:  ..A  ■vvonian  Avho  shall  be  violated ,  if  she  know  not  who  has  vi(dated 
her,  is  not  to  pay  amobyr:  since  the  king  preserved  her  not  from  violation, 
he  loses  her  amobyr:  and  if  the  vvoman  be  doubted  in  this  respect,  let  her 
give  her  oath ,  that  she  knows  not  who  has  violated  her:  and  that  she  was 
violated  as  aforesaid." 

2  Ancient  laws  of  Wales  (Ausg.  1841).  Vened.  Code,  book  2  ch.  1  art.  68 : 
..If  a  rape  be  committed  on  a  married  woman,  no  amobyr  is  to  be  paid  for 
her:  because  she  herself  paid  it,  when  shc  married." 

3  Urk.  v.  J.  1316,  An.  9  Edw.  II,  bei  Rymer  Bd.  2  (der  Ausg.  Londini  1818) 
Theil  1  S.  283,  284:  .  .  .  „Quod  illa  consuetudo,  quae  vocatur  Amobrayium, 
de  eaetero  non  exigatur ,  nisi  infra  annum  a  tempore  cognitionis  delicti ,  pro 
quo  dicta  consuetiido  solvi  debeat:  ita  tamen  quod,  si  infra  hujusmodi  annum 
exigatur,  licet  durante  anno  illo  non  solvatur,  post  annum  ilhim  finitum  nulla- 
tenus  persolvatur :  et  de  caetero,  tantummodo  levetur  in  casibus  illis.  in  quibus 
temporibus  principum  Walliae  levari  consuevit."  Daraus:  Ducange.  unter 
Amobragiiini. 

^  Extent.  Reddit.  Treth  et  Firm.  de  Moghnant,  fact.  per  R.  anno  regis  Ri- 
cardi  XVI,  im  Glossar  zu  Leges  Hoeli  Boni  (ed.  Wottonus)  S.  554:  .,Et  parcn- 
tes  et  heredes    inter  nativos  tantum    obligentur   ad  solvendum  Amohf  pro  filia 


72  Kapitel  14.    Hcirathsabgaljen  iii  Wales. 

Yermahlung  des  Prinzeii  von  Wales,  Arthurs,  erstgeborueu  Sohues 
des  Konig-s  Heinrich  Vll.  von  England,  mit  der  spanischen  Konigs- 
tochter  Katharina,  wurden  iu  der  Urkunde  iiber  die  assiguatio 
dotis  die  Gerechtigkeiten,  die  zur  Grafschaft  Caernarvon  in  Wales 
gehorten,  einzelu  aufgezuhlt;  dazu  gehorten  auch  die  amobragiai. 
lu  der  Grafschaft  Flintshire  in  Nord-Wales  bestand  eine  Ab- 
gabe  unter  dem  JSTamen  amobragium  im  Betrage  bis  zu  iiinf 
Schillingen,  die  der  Yasall  an  den  Konig  als  deu  Lehnslierrn  zu 
zahlen  hatte  -. 

Als  gleichbedeutend  mit  amobr  oder  amobragium  galten  die 
Ausdriicke  merched,  gobr-merch  oder  gwahr-merched^. 
In  Zusammensetzung  mit  Ableituugen  vou  amobr  kommt  das  Wort 
merched  schou  in  den  alten  Gesetzen  vou  Wales  vor*.  Nach 
dem  Gewohuheitsrecht  von  Dinover  iu  der  Grafschaft  Caermartheu 
hatte  jeder  Bauer  bei  Yerheirathuug  seiner  Tochter  unter  dem 
Namen    „gwahr-merched"    zehn  Schillinge  au  den  Grundherrn  zu 

bastardi  sicut  pro  nata  iii  matrimoiiio.  Et  quilibet  liber  solvet  Domino,  cum 
primo  filiam  suam  maritaverit,  vcl  ipsa  corrupta  fuerit,  seu  rapta  et  defiorata, 
nomine  At/iobr  5  s.  ,  nativa  vero  solvet  2  s.  Et  postea  quotiens  seipsam  ma- 
ritaverit  vel  corrupta  fuerit,  solvat  domino  5  s. ,  nativa  vero  2  s. ,  si  habeat 
unde  distringi  poterint.  Et  quociens  uxor  alicujus  adulteraverit,  ipsa  manente 
cnm  viro.  viz.  Kutkufke,  maritus  solvet  domino  5  s.  nomine  Aniobr ,  nativa 
vero  2  s.  Si  vero  a  communicatione  et  kytkufky  cum  alio  in  adulterium  se 
diverterit,  et  pormanserit  a  viro  suo,  ipsa  sola  solvet  si  habeat  unde  Amobr 
et  propartem  lionorum  quae  sibi  competere  j)osset  post  mortem  viri  sui  de  bonis 
ejusdem  mariti  amittct ,  ni.si  per  ipsum  virum  ante  obitum  suum  reconciliata 
fuerit"  .  .  . 

^  Urk.  V.  14.  Nov.  1501,  bei  Rymer  Bd.  5  der  Ausg..  Hagae  Comitis  1741, 
Theil  14  S.  163:  ..Nos  Arthurus  .  .  .  dotamus  .  .  .  Katharinam  ...  de  et  in 
Dominio,  Castro,  Villa  et  Comitatu  de  Carnarvon  ac  Dominio,  Castro  et  Villa 
de  Coneway  .  .  .  una  cum  omnibus  et  singulis  aliis  Dominiis.  .  .  Amobragiis .  .  . 
Maritagiis,  Releviis,  Escaetis  .  .  .  ac  oninibus  aliis  ad  dictum  Principatum  .  .  . 
spectantibus  sive  pertinentibus."'     Daraus:  Ducange,  unter  Amobragium. 

^  Anderson  S.  60:  „Certain  lands  in  the  county  of  Flint  are  hekl  of  the 
king  by  services  and  by  ammobragium,  which  extended  to  five  shillings  when 
it  happened  " 

^  Leges  Hoeli  Boni.  ed.  Wottonus.  Gloss.:  ^^Amobr  .  .  .  dicitur  etiam  Gobr 
merch".  Tomlins  Bd.  1  unter  Ammobragium  und  Gwabr  Merched,  Bd.  2 
unter  Merchet.  Anderson  S.  60:  „The  Amobyr  or  rather  Gobr-merch  or 
Gwahr-merched  was  a  British  custom  of  great  antiquity."  Vgl.  Boxhorn, 
Lex.  S.  45:  Anderson  S.  58;  Wachter,  unter  Reitschoss ;  Ilazlitt  S.  433  und 
S  413. 

*  Laws  of  Howel  Dha  Buch  1  Kap.  14  und  27,  bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450: 
„Efe  a  gaiff  obreu  Merched  y  maer  biswail"  (lateinisch :  maritagium  filiarum 
villici  dominici  regi  solvetur);  und  die  obon  S.  70  Aiim.  4  angefiihrte  Stelle. 
Vgl.  das  Niihere  unten  Kap.   15  S.  75. 


Kapitel   14.    Ileirathsaljgaben  in  Wales.  73 

eiitricliten  ^  Laya  bcliauptct,  die  Zalilung  dieser  Abg-abe  <;-esclielie 
iinter  der  Bedinyung-,  dass  der  Herr  auf  sein  E,eclit  verziclite, 
die  erste  Nacht  mit  der  jungen  Frau  zu  sclilafen;  doch  bezweifle 
ich,  dass  eine  solche  Bedingung  in  der  (niir  nicht  zug;ingliclien) 
Urkunde  iiber  jenes  Gewohnheitsrecht  ausgedriickt  ist. 

Aus  dem  (xewohnheitsrecht  von  Buelld  oder  Builth  in  der 
Grafschaft  Radnorshire  in  Mittel-Wales  wird  berichtet,  dass  dort 
die  Abgabe,  welche  der  Tenant  bei  Verheirathung  einer  Tochter 
an  den  Lord  zu  zahlen  hatte,  den  Namen  maiden-rent  fiihrte  ^. 
Danach  war  dioser  Ausdruck  gleichbedeutend  niit  amobyr  oder 
gwahr-merched,  und  erklart  es  sich,  dass  Anderson  das  namliche 
Gewohnheitsreclit  als  „custom  of  marcheta"  bezeichnet^.  Xach 
beiden  Berichten  betrug  die  Abgabe  einen  „nobIe". 

Auch  der  Ausdruck  chevagium  oder  chevage ,  welcher 
eine  grundherrliche  Abgabe  bedeutete,  wurde  zur  Bezeiclmung 
einer  Heirathsabgabe  angewendet  ^  Spelman  erkliirt  diesen  Aus- 
druck  aus  dem  franzosischen  Wort  chef  und  meint  deshalb,  er 
bezeichne  allgemein  eine  Abgabe,  die  dem  Herrn  zu  entrichten 
war  ^.  Als  eine  Art  von  chevagium  erwiihnt  er  das  amobyr,  das 
dein  Fiirsten  von  Wales  fiir  Verheirathung  einer  Tochter  einst- 
mals  angeblich  von  allen  Unterthanen,  zu  seiner  Zeit  aber  nur 
von  gewissen,  auch  freien  Unterthanen  gezahlt  wurde ''. 

Obwohl  keine  der  mitgetheilten  Urkunden  vermuthen  lasst, 
dass  irgend  eine  in  "NVales  geltend  gewesene  Heirathsabgabe  aus 
einein  unsittlichen  Ursprung  entstanden  sei,  so  behaupten  doch 
Ducange  und  dossen  Nachfolger,  in  AVales  habe  das  Herrenrecht 
der  ersten  Nacht  unter  dem  Namen  amachyr  oder  amobr  be- 
standen ".     Diese    ^^leinung:    stiitzt    sich    auf   eine    einzio-e   in    den 


'  Jaucuurt  in  der  Encycl.  (erste  Ausg.)  unter  Marchet.  Garran  de  Coulon 
in  der  Encycl.  meth  Jurispr.  Bd.  5  S.  834  unter  Marquette.  Anderson  S.  70. 
Laya  Bd.  2  S.  417. 

^  Leg  Wall.  Hoeli,  Gloss.  unter  Amobr:  „In  the  Mannour  of  Buelld  in 
Radnorshire,  a  noble  paid  by  every  Tenant  at  the  marriap;e  of  a  daughter,  is 
caird  Maidenrent."  Tomlins  Bd.  2  unter  Maiden  Rents.  Vgl.  "Wachter,  unter 
Reitschoss ;  Grupen  §§  10,  15 

'  Anderson  S.  70:  ,,In  the  manor  of  Builth,  in  Radnorshire,  ench  vassal 
paid  a  noble  to  the  lord,  at  the  marriage  of  his  daughter,  for  quitting  of  the 
custom  of  raarcheta." 

*  Spelman  unter  Chevagium.     Tomlins    unter  Ammobragium  und  Clievage. 

5  Spelman  untcr  Chevagium.     Vgl.  auch  Courson  S.  CCLXXXVI. 

^  Spelman  unter  Chevagium :  .  .  .  „E§t  et  insviper  apud  Wallos  chevagii 
genus  quod  Amobyr  vocant,  Principi  Walliae  pro  maritandis  filiabus,  olim  ab 
omnibus  (ut  asserunt),  hodie  a  quibusdam  (etiam  liberis)  persolutum." 

"  Ducange  unter  Marcheta.     Labessade  S.  22,  94,  95. 


74  Kapitel  14.    Heirathsabgaben  in  Wales. 

alten  Gesetzen  von  Wales  enthaltene  Stelle.  Dieselbe  lautet  in 
keltiscber  Sprache:  „Ditfaitb  Brenin  y  dywedir  Morwyn,  ac  wrth 
hynny  ni  ddyly  y  Brenin  ei  hamobr" ;  lateinisch,  in  der  Ausgabe 
von  1730:  „Puella  vocatur  Desertum  Regis,  et  idcirco  maritagium 
Regi  pro  illa  debetur" ;  in  der  Ausgabe  von  1841:  „Puella  di- 
citur  desertum  regis  esse,  et  ob  hoc  regis  est  de  ea  amobyr  (amo- 
bragium)  habere."  ^  Der  Ausdruck  „DiflFaith  Brenin",  lateinisch 
desertum  Regis,  bedeutet  eine  herrenlose  Sache  oder  Person  ^. 
Hieraus  ergiebt  sich  folgende  Uebersetzung:  „Ein  Madchen, 
welches  keinem  Herrc  (namlich  Grund-  oder  Lehnsherrn)  unter- 
worfen  ist,  gehort  zur  Herrschaft  des  Konigs;  deshalb  ist  bei 
ihrer  Verheirathung  das  herkommliche  Ehrengeschenk  an  den 
Konig  zu  entrichten."  ^  Einige  Schriftsteller ''  iibersetzen  das  Wort 
amobyr  in  dieser  Stelle  mit  pretium  virginitatis,  Preis  der  Jung- 
frauschaft;  und  Bullet  bemerkt,  das  AYort  „am"  bedeute  auch  vir- 
ginite;  allein  diese  auffallende  Uebersetzung  beruht.  wie  die 
Yerweisung  auf  den  Abschnitt  von  Amobr  ersehen  lasst,  auf  der 
vorgefassten  Meinung,  dass  amobr  den  Preis  bezeichnete,  den  ein 
Ehegatte  fiir  die  Jungfrauliehkeit  seiner  Braut  zahlte.  „Gobr", 
Preis,  Yergeltung,  in  ^iusammensetzung  „obr";  „am"  also  Jung- 
fraulichkeit"  ■'.  In  der  irrthiimlichen  Yorstellung,  dass  Ducange 
die  von  ihm  mitgetheilte  Stelle  einer  schottischen  Bechtsquelle  ent- 

1  Leges  Hoeli  Boni ,  ed.  Wottonu.^.  lib.  2  cap.  1  art.  82:  ed.  1841  lib.  1 
cap.  19  art.  3.  —  Bei  Dncange.  nnter  Marcbeta.  ist  eine  andere  Lesart  citirt, 
worin  der  Ansdruck  „amachyr"  (statt  amobyr)  steht  und  mit  ,.pretium  virgi- 
nitatis"  erklart  \\-ird,  ohne  uass  sich  ersehen  liisst,  ob  diese  Erkliirung  von 
Ducange  herstammt  oder  aus  der  von  ihm  benutzten  Ausgabe   entnommen  ist. 

2  Leges  Hoeli  Boni  {ed.  Wottonus)  Gloss.  S.  554 :  „Diffaith  Brenin,  Desertum 
Regis,  Vacua  Regia.  Loea  a  nullis  certis  proprietariis  posses.sa  ita  appellabantur, 
ex  quibus  lucrum  omne  quod  per  accidens  oriretur,  ad  Regem  pertinebat,  qualia 
sunt  mare,  loca  inculta  campestria,  vasti  saltus,  quos  nostri  Forestas  vocant. 
Hoc  autem  vocabulo  non  tantum  res,  sed  et  personae  interdum  denotantur. 
Puellae  vocantur  Diffaith  Brenin ,  ob  quarum  matrimonium  honorarium  Regi 
vel  vasallis  ejus  deberetur,  pro  ratione  dignitatis  aut  status  sui  vel  paterni".  .  . 
Vgl.  Leges  Hoeli  Boni  (ed.  Wottonus)  lib.  2  cap.  13  et  21  §  7.  lib.  5  cap.  4  §  35. 

^  Vgl.  Astle  S.  37 :  „Thc  marchet  of  Howel  Dha  was  the  fine  for  the  mar- 
riage  of  a  daughter'':  Anderson  S.  60  (aus  Blount) :  ,.Definition  of  Ammo- 
brogium:  a  pecuniary  acknowledgment  paid  to  the  king  by  the  tenants  —  or 
vassals  to  their  lord  —  for  liberty  of  marrying  or  not  marrying." 

*  Vgl.  Ducange  unter*  Amachyr  und  Marcheta;  Grupen  §  4;  Bullet  unter 
Amobr;  Anderson  S.  60:  Brinckmcier  Bd.   2  S.   190. 

*  ^SIan  konnte  jene  Bemerkung  .sogar  fiir  Ironic  halten.  da  dic  richtige 
ErkUirung  des  Stammes  Am  unmittelbar  dahinter  steht:  „Amobrydd,  Steuer- 
Einnchmer.  Am.  von  jedcr  Seite;  Gobr,  in  Znsammensetzung  obr,  bezeichnete 
jede  Zahlung." 


Kapitcl   15.    Ileiratlisabjraben  in  Schottlarifl.  75 

noiniiHMi  liabe,  sagt  Diimge  von  dem  Recht  auf  die  „erste  Braut- 
naclif* :  „Die  Konigc  Schottlands  dehnten  dieses  Recht  auf  alle 
Br;iute  ihr(!s  Landes  aus,  ohne  Unterschied  des  Standes;  denn, 
hiess  es,  jedes  Madclien  ist  Eigenthum  des  Konigs,  darum  gehort 
auch  dem  Konige  der  Preis  ihrer  Jungfrauschaft."  ^  Diese  Mei- 
nung  beruht  nach  vorsteliender  Entwickhing  auf  Missverstandniss. 

2.  S('ii()TTr,\xi) :  Merrhet,  mercheie,  mercheta  (marclietd)  mulieram. 

Kajdtel  15.  Gleichwie  in  Wales  und  in  England^,  gab  es 
auch  in  Stliottland  eine  Heirathsabgabe  unter  dem  Xamen  merchet 
oder  merchete  (latinisirt  mercheta  oder  marcheta),  die  bei  Ver- 
heirathung  oder  Entehrung  einer  Jungfrau  zu  zahlen  war  ^.  Der 
Ausdruck  kann  aus  dem  keltischen  AVort  merch,  d.  i.  Tochter 
oder  Madchen '^  (lithauisch  ^Merg" ,  altgermanisch  „Marge"j '',  er- 
kliirt  werdeu.  Diese  Auslegung  diirfte  den  Vorzug  verdienen  vor 
derjenigen  von  Edward  Coke,  der  das  AVort  marchet  von  chete 
d.  i.  Strafe,  und  marriage  herleitet  und  daraus  als  eine  Strafe 
fiir  Heirathen  erkliirt'';  desgleichen  vor  der  Meinung  von  Schwenck, 
der  das  Wort  ^marchetum"  aus  dem  Lateinischen,  von  mercari 
(handeln),- ableitet '.  Allerdings  findet  sich  in  mehreren  L'rkunden 
Schottlands  auch  der  Ausdruck  „mercheta  mulierum"  ;  doch  erklart 
sich  hier  das  "NVort  mulierum  als  ein  pleonastis'dier  Zusatz.  Ob 
diese  Worterklarung  haltbar  ist,  mogen  Sprachgelehrte  beurtheilen. 

Das  "Wort  „marc"  oder  ^merk"  bedeutet  Merkmal -,  „marca" 
oder  „marcha"  heisst  eine  Geldmiiuze  ^,  und  „marc'h"  bezeichnet 
eine  Mahre  (ein  Pferd)  ^°.     Hierauf  stiitzen  sich  drei  Erkliirungen 


1  Dumge  S.  19.  20.  ^  Vgl.  obcn  S.  72  und  unten  S.  84  fF. 

^  Heineccius,  Elem.  lib.  1  tit.  1  ,S  46.  Wachter  unter  Merch  und  Reit- 
schoss.  Grupen  §§  3.  o  — T.  Whitaker  S.  205.  Houard.  T  rait(^  Ed.  'l  S.  260 
Chalmers  Bd.    1    S.  450.  451.     Anderson  S.  58.     Hazlitt  S.  433. 

*  Boxhorn.  Lex.  unter  Merch.  Pelletier  S.  595  und  398:  I\Ierc'h-gwerac"h 
und  Gwerches  =  Jungfrau.  Bullet  Bd.  3  unter  Merch ,  ^lerh  und  IMarch. 
Dalrymple  Bd.  1  S.  318.  Chalmers  Bd.  1  S.  450.  Anderson  S.  58,  wo  die 
verschiedenen  Dialekte  verglichen  sind.  —  Merched  ist  der  Plural  von  merch. 

5  Pelletier  S.  595.  Allg.  Lit.  Anz.  1797,  S.  1422,  1423,  und  1800,  S.  22,  23. 
Diimge  S.  25,  26.  —  Hiermit  mag  das  in  der  Bienenzucht  gebrauchliche 
franzosische  Wort  marquette  =  pain  de  cire  vierge ,  .Iungfern\vacli3 .  zu- 
sammenhangen. 

**  Coke  zu  Littleton,  lib.  2  cap.  11  sect.  209.  unten  S.  86   Anm.  1. 

'  Schwenck  S.  394.  ^  Pelletier  S-.  576. 

9  Macpher.5on  S.  198.  Corner  S.  8  Schmid  S.  593  (iiber  inarca  der 
xVngelsachsen). 

'0  Pelletier  unter  :Marc'h  S.  578. 


76  Kapitel  15.    Heirathsabgaben  in  Schottland. 

des  Ausdrucks  marcheta  mulierum,  die  zu  geschmacklos  sind,  als 
dass  sie  angenommen  werden  k(3nnteu.  Nach  der  einen  Erklarung 
soll  der  Ausdruck  von  dem  Geldstiick  herzuleiten  sein,  das  als 
Heirathsteuer  zu  entrichten  war.  Die  zweite  Erklarung  nimmt  an, 
das  Wort  marcheta  stamme  von  einem  gewissen  Merkzeichen  an 
der  neuvermahlten  Jungfrau,  ebenso  wie  der  angeblich  venezia- 
nische  Ausdruck  ^marchetta"  und  das  italienische  Wort  „il  mar- 
chete"  *.  Skene  meint,  marcheta  sei  von  march  in  der  Bedeu- 
tung  Pferd  herzuleiten  und  bezeichne  danach  das  Schiindungs- 
recht  des  Herrn  ^ ;  diese  Meinung  hat  vielen  Beifall  gefuudeu  ^, 
den  sie  nicht  verdient. 

Eine  Hauptstelle  iiber  die  mercheta  oder  marcheta  (mulierum) 
findet  sich  in  „Regiam  Majestatem" ,  einem  Rechtsbuch,  welches 
gegen  Ende  des  zwolften  Jahrhunderts ,  zur  Zeit  des  Konigs 
David  II.  von  Schottland,  auf  Grund  alterer  Quellen  verfasst  sein 
mag^.  Danach  war  der  Betrag  der  Abgabe  ein  verschiedener, 
je  nach  dem  Stande,  den  der  Yater  der  Braut  hatte^;  darin 
stimmte  sie  mit  dem  amobyr  in  Wales  iiberein  •".  Diese  Stelle 
lautet^:  „Nach  dem  Grundgesetz  Schottlands  betriigt  die  mar- 
cheta  ^  mulierum,  mag,  die  Frau  von  adeligem  oder  unfreiem  oder 
Handwerkerstande  sein,  ein  Bind  oder  drei  Schillinge,  und  die 
Gebiihr   des   ,serviens'   drei  Pfennige  ^.     Ist  ihr  Yater  ein  Freier, 


1  M^nage  (Ausg.  1694)  unter  ^NIarquette. 

2  Skene  zu  Reg.  Maj.  lib.  4  cap.  31 :  „March  eqiium  significat  prisca 
Scotorura  lingua.  .  .  Hinc  deducta  metaphora  ab  equitando,  marcheta  mulieris 
dicitur  virginalis  pudicitiae  prima  violatio  et  delibatio".  .  . 

3  Hachenberg  §  12  S.  122.  Keysler  §  64  S.  484.  Westphal  ,§  11  S.  36.  37. 
Gundlingiana,  zehntes  Stiick  S.  504.  SchiifPner  Bd.  3  S.  185.  Kulischer 
S.  223. 

*  Macpherson  S.  175  —  177,  191.  Raepsaet  (Ausg.  v.  1877)  S.  32.  Acts  of 
Parl.  of  Scotl.  Bd.  1  S.  21,  27. 

5  Vgl.  Macpherson  S.   198.  «  S.  ol)en  Kap.  14  S.  69. 

"  Reg.  Maj.  (Ausg.  von  Skene)  lib.  4  cap.  31,  de  marcheta  miilierum : 
,,Sciendum  est,  quod  secundum  assisam  terrae  Scotiae,  quaecunque  mulier 
fuerit,  sive  nobilis  sive  serva  sive  mercenaria,  marcheta  sua  erit  una  juvenca, 
vel  3  solidi,  et  rectum  servientis  3  denarii.  Et  si  filia  liberi  sit,  et  non 
Domini  villae,  marcheta  sua  erit  una  vacca,  vel  sex  soiidi,  et  rectum  ser- 
vientis  sex  denarii.  Item  marcheta  Thani  vel  Ogetharii  2  vaccae  vel  12  solidi, 
et  rectum  servientis  12  denarii.  Item  marcheta  filiae  comitis.  est  Reginae, 
duodecim  vaccae."  Vgl.'  Spelman  unter  Marchet;  Dalrymple  Bd.  1  S.  322; 
Anderson  S.  50. 

^  In  der  amtlichen  Ausgabe  von  1854  findet  sich  in  dom  Kapitel  ,,de 
merchetis  mulierum"  (lib.  4  cap.  54)  nicht  dic  Lesart  marchcta .  sondern 
iiberall  mercheta. 

^  Dieser  Satz  wird  daliin  zu  verstchen  sein,  dass  die  Steuer  im  niedrigsten 


Kapitel   15.    Hcirathsabgaben  in  Scliottland.  77 

aber  iiicht  llerr  der  ,villa',  so  betragt  ihrc  marchcta  eine  Kuh 
oder  sechs  Schillinge,  und  die  Gebiihr  des  serviens  sechs  Pfennige. 
Ist  ihr  Vater  ein  Than  oder  Ochiern^,  so  betriigt  ihre  niarcheta 
zwei  Kiihe  oder  zwolf  Schillinge,  und  die  Gebiihr  des  serviens 
zwolf  Pfennige.  Ist  sie  die  Tochter  eines  Grafen  (Earl) ,  so  be- 
triigt  ihre  marcheta,  und  zwar  fiir  die  Konigin^,  zwolf  Kiihe." 
In  den  drei  ersten  Siitzen  dieser  Stelle  ist  nicht  gesagt,  fiir  wen 
die  Hauptabgaben  (von  einem  Eind  oder  drei  Schillingen,  einer 
Kuh  oder  sechs  Schillingen  und  zwei  Kiihen  oder  zwolf  Schillingen) 
bestimmt  waren.  Moglicherweise  gebiihrten  sie  dem  Konige,  und 
die  Abgabe  war  eine  allgemeine  Steuer  fiir  jede  Heirath  •'.     Der 

Satz  ein  Rind  oder  drei  Schillinge  betnig:  sonst  war  die  Hohe  verschieden, 
nach  deni  Rang  des  Vaters,  wie  die  folgeuden  Siitze- ergeben. 

1  Macpherson  S.  179  — 186  bezeichnet  den  Than  (giilisch  Tierna)  als  den 
Nachsten  nach  dem  Konige,  der  zur  Thronfolge  bestimmt  war  und  den  dritten 
Theil  von  den  Giitern  des  Konigs  besass ,  und  den  Ochiern  oder  Ogetharius 
(aus  Oge-Tierna,  d.  i.  junger  Herr)  als  einen  Wiirdentrager,  der  denselben 
Rang  wie  ein  Sohn  des  Than  einnahm.  Doch  ist  es  bedenklich .  dieser 
Erklarung  zuzustimmen,  da  in  vorstehender  Stelle  aus  Reg.  Maj.  der  Ochiern 
mit  dem  Than  auf  dieselbe  Rangstufe  gesetzt  ist,  und  Beide  niedriger  stehen 
als  der  Comes.     Moglicherweise  hat  die  Bedeutung  der  Wiirden  sich  geandert. 

^  Im  Schlusssatz  ist  ,,est  Reginae"  ein  selbstandiger  Zusatz,  der  so  zu 
verstehen  ist,  als  stande  er  in  Parenthese  oder  in  einem  Relativsatze  (quae 
est  Reginae).  Das  Wort  Reginae  stelit  namlich  im  Dativ.  nicht  im  Genitiv. 
Diese  Auslegung  wird  getheilt  von  Macpherson  (S.  197 :  .  .  .  ..which  belonged 
to  the  Queen")  und  wird  durch  die  Lesart  hestatigt,  die  in  der  von  Skene 
im  Jahr  1609  besorgten  schottischen  Ausgabe  steht,  lib.  4  cap.  31  Nr.  4: 
„Item,  the  merchet  of  the  dochter  of  ane  Earle  perteines  to  the  Quecn  and 
is  twelve  kye."  Der  Sinn  ist  also,  dass  die  letzterwahnte  Abgabe  der  Konigin 
gehort.  Allerdings  steht  in  der  auf  Anordnung  des  Parlaments  besorgten 
neuen  Ausgabe  von  Regiam  Majestatem,  lib.  4  cap.  54  (im  ersten  Bande  der 
Acts  of  the  Parl.  of  Scotl.),  nicht  „est  Reginae",  sondern  „et  reginae".  Doch 
hat  das  Wortchen  „et"  in  diesem  Zusammenhang  keinen  Sinn,  da  es  nicht 
denkbar  ist,  dass  die  Konigin  einer  Steuer  unterworfen  war.  Zudem  ist  es 
leicht  moglich,  dass  ein  Absclireiber  das  „est"  in  ,,ef  verwandelt  hat, 
da  auf  den  ersten  Blick  das  Wort  „est"  nicht  leicht  verstandlich  ist.  Da- 
her  verdient  die  in  der  Ausgabe  von  Skene  enthaltene  Lesart  vor  der  Lesart 
der  neuen  Ausgabe  den  Vorzug. 

^  Dieselbe  Bedeutung  mag  urspriinglich  das  Amobr  in  Wales  gehabt  habeu. 
Vgl.  die  Nachricht  Spelman's,  oben  Kap.  14  S.  73.  Die  Steuer  wurde  nicht 
bloss  von  Tochtern  unfreier  Personen,  sondern  auch  von  freigebornen  Tochtern 
iind  sogar  von  Tochtern  der  Adeligen  erhoben.  Auch  in  England  galt  lange 
Zeit  derselbe  Grundsatz;  doch  schon  zur  Zeit  Bracton's  waren  die  Tochter 
von  freien  Mannern  dieser  Abgabe  nicht  mehr  unterworfen.  Vgl.  unten  Kap.  16 
S.  84.  —  Als  unbegriindet  erscheint  die  Meinung  von  H.  Martin  (Bd.  5  S.  567), 
dass  die  marcheta  mulierum  in  Schottland  bloss  im  Fall  des  formariage  er- 
hoben  worden  sei. 


78  Kapitel   15.    Heirathsahgaben  in  Schottland. 

Zusammenhang-  des  Kapitels  iiber  die  mercheta  mulierum  fiihrt 
zu  der  Yermuthung,  dass  der  mit  dem  Ausdruck  „serviens"  be- 
zeichuete  Beamte  die  Stellung  des  Steuerempfiingers  einnahm, 
da  er  von  jedem  Schilling  einen  Pfennig  (also  ein  Zwolftel 
der  Einnahme)  fiir  seine  Bemiihungen  erhielt;  nur  bei  dem  hoch- 
sten  Steuerbetrage  von  zwolf  Kiihen,  die  der  Konigin  gebiihrten, 
war  von  einem  Abzug  fiir  den  serviens  und  von  einer  Umwand- 
lung  in  Geld  keine  liede  \ 

Hiernach  bietet  diese  Stelle  keineu  Anlass,  an  einen  schand- 
lichen  Ursprung  der  Steuer  zu  denken.  Gleichwohl  glaubt  An- 
derson,  die  "Vermuthung  eines  solcben  Ursprungs  sei  deshalb  ge- 
rechtfertigt,  weil  die  Tochter  aller  Stiinde  der  Abgabe  unter- 
worfen  gewesen  seien  ^.  Alleiu  gerade  der  Umstand ,  dass  selbst 
Tochter  von  freien  Miinnern  die  Steuer  zu  zahlen  hatten,  spricht 
gegen  jene  Yermuthung  ^ ;  man  miisste  denn  annehmen ,  dass 
nur  dem  Konig  urspriinglieh  das  fragliche  Recht  zugestanden 
hiitte,  wofiir  jeder  Grund  fehlt.  Uebrigens  bemerkt  Anderson 
selbst,  dass  er  nieht  eine  Losung  der  aufgestellten  Frage,  son- 
dern  nur  eine  Anregung  zu  weitern  Untersuchuugen  geben  wolle  *. 
Die  im  Jahr  1613  durch  Skene  herausgegebenen  Leges  et 
consuetudines  burgorum  enthalten  das  Wort  marchela  in  folgendem 
Zusammenhang:  „Bei  dem  Biirger  ist  keine  Rede  von  bludewite, 
stingis  dint,  marcheta,  herrezeld  und  irgend  etwas  Aehnlichem."  ^ 
Diese  Stelle   konnte  man  nach  ihrem  Wortlaut  so  verstehen,    als 


1  Dalrymple  (Bd.  1  S.  323)  regt  folgeude  Fragen  an,  ohne  sie  zu  beaut- 
worten:  „1.  Zu  welcher  Zeit  betrug  der  Preis  einer  Kuh  in  Schottland  sechs 
Sehillinge?  2.  Was  heisst  servieus?  Ist  es  der  Sheriff  oder  ein  uiederer 
Beamter?  3.  Zu  welcher  Zeit  betrug  die  Gebiihr  eines  koniglichen  Beamten 
ein  Zwolftel  der  zu  erhebeuden  Summe?  4.  Wie  kam  es,  dass  die  marcheta 
einer  adeligen  Frau  und  die  eiuer  Unfreien  gleich  war?  5.  Wie  kam  es, 
dass  die  marcheta  einer  Than-Tochter  viermal  so  hoch  war,  wie  die  einer 
adelig  Geborneu?  6.  Wie  konnte  es  vorkommen,  dass  die  marcheta  einer 
filia  libera  doppelt  so  hoch  war,  als  die  einer  mulier  nobilis?  7.  Bei  welcher 
Behorde  w'ar  die  marcheta  einzuzitehen ,  falls  die  Tochter  eine  Besitzung  in 
freiem  Biirgerlehen  hatte  ?"  —  Eine  nahere  Untersuchung  dieser  Fragen  wiirde 
zu  weit  fiihren;  doch  sind  sie  zum  Theil  durch  vorstehende  Erkliirung  des 
Textes  erledigt. 

2  Anderson  S.  64. 

3  Vgl.  Houard  Bd^.  2  S.  -200. 

*  Ob  weitere  Untersuchungen  zufolge  diesor  Anrogung  in  Schottland  statt- 
gefunden  haben,  ist  mir  uicht  bekannt. 

^  Leg.  et  consuet.  burg.  Ausg.  v.  Skeue ,  cap.  19,  de  bludewite  et  cousi- 
milibus,  S.  134:  „Scieudum  est,  quod  in  burgo  non  debet  audiri  bludewite, 
stingis    dint,    marcheta,    herrezeld    nec    aliquid  de  similibus";    Leges  quatuor 


Kiipitel   1;").    Heiratlisabgabeii  iii  Scliottlaiid.  79 

wiire  die  maiclieta  (oder  luercliet)  eine  blo.ss  hauerliehe  Abgabe 
und  desluilb  von  den  Pachtern  des  Konigs  in  „free-burgage"  niclit 
zu  zahlen  geweseu  K  Dann  wiirde  sie  aber  niit  der  Stelle  aus 
Regiaui   Majestatem  nicht  zu  vereinigen  sein. 

Wenngleich  iiber  die  urspriingliche  Bedeutung  der  mit  dem 
Nameu  marcheta  oder  mercheta  mulierum  in  Scliottland  be- 
zeichneten  Abgabe  uud  iiber  das  Alter  derselben  nocli  naliere 
Aufklarung  Aviinschenswerth  -  ist,  so  erhellt  doch  mit  Sicherheit 
aus  dem  Zusam;uenluing  der  beiden  Stellen,  aus  der  Etymologie 
des  Wortes  mercheta  oder  marcheta  und  aus  einer  Vergleiclmng 
mit  den  in  Kapitel  14  und  IG  erwahnten  Urkuuden  aus  ^Vales 
und  England,    dass    mit    deni  Ausdruck  mercheta  (mulierum)    so- 

burgorum ,  rubr.  17,  in  den  Act.s  of  the  Parl.  of  Scotl.  Bd.  1:  „Et  sciendum 
est  quod  infra  burgum  non  debet  exaudiri  blodewit  nec  stygisdynt  nec  merchet 
nec  herieth  nec  aliquid  de  consimilibus" ;  daneben  der  schottische  Text : 
„And  it  is  to  wyt  at  in  burgh  fall  noclit  be  herde  bludewyt  na  zit  stokisdynt 
na  merchet  na  herezelde  na  nane  suilk  maiier  of  thyng."  Vgl-  Anderson  S.  58. 
Unter  bludewite  verstand  man  ein  Siihnegeld  flir  vergossenes  Blut,  iinter 
stingis  dint  cine  korperliche  Ziichtigung,  unter  herezelde  eine  aus  dem  Nach- 
lass  des  Horigen  zu  entrichtende  Abgabe,  ilhnlich  wie  heriotum  oder  Best- 
haupt.  Vgl.  Ducange  vinter  Blodwita,  Bludwelf,  Bludewica,  Stingis  dint, 
Herizelde,  Herezelda  und  Heriotum :  auch  Hazlitt  S.  417   unter  Blodwite. 

1  Ygl.  Dalrymple  Bd.  1  S.  322. 

2  Moglicherweise  ist  diese  Abgabe  von  Wales  nach  Schottland  gekommen; 
fiir  eine  solche  Vermuthung  spricht  nicht  bloss  der  Name  mercheta  und  dessen 
Uebereinstimmung  mit  den  iu  den  alten  Gesetzen  von  Wales  enthaltenen 
Benennungen,  sondern  hauptsaehlich  die  innere  Verwandtschaft  der  Rechts- 
grundsatze  liber  die  mercheta  in  Schottland  und  Wales.  Vgl.  Kap.  14  S.  69. 
Andere  (z.  B.  Macpherson  S.  195,  197)  vermuthen,  die  Abgabe  sei  mit  dem 
Lehnswesen  von  England  nach  Schottland  gelangt.  Nun  wird  zwar  glaubhaft 
berichtet,  dass  Konig  Malcolm  III.  von  Schottland  im  Frieden  von  Abernithi 
(um  1072)  in  Ansehung  seiner  in  England  belegenen  Besitzungen  dem  Konig 
Wilhelm  von  England  den  Lehnseid  leistete  (vgl.  Dalrymple  Bd.  1  S.  13 — 17, 
und  Phillips,  R.-G.  Bd.  1  S.  97—99,  111,  112),  und  dass  seitdem  durch  Ge- 
wohnheitsrecht  das  Lehnswesen  in  Schottland  nach  und  nach  Eingang  fand 
(Dalrymple  Bd.  2  S.  28—30).  Allein  es  fragt  sich,  ob  jene  Abgabe  in  Schott- 
land  nicht  iilter  ist,  als  die  Verbreitung  des  englischen  Lehnswesens;  iiber- 
dies  ist  der  Name  mercheta  eher  aus  den  alten  Gesetzen  von  Wales ,  als 
aus  den  jiingeren  englischen  Reclitsquellen  zu  erklaren.  Anderson  (S.  64) 
meint,  der  Ursprung  des  merchet  konne  in  einer  brutalen  Gewalt  weltlicher 
Herren  gefunden  werden,  ahnlich  wie  die  kirchliche  Vorschrift,  wouach  die 
Ehegatten  in  den  ersten  drei  Nachten  Enthaltsamkeit  iiben  sollten,  auf  willkiir- 
licher  Laune  der  Kirche  beruht  habe.  ^  Allein  in  Wahrheit  besteht  zwischen 
der  Kirchenvorschrift ,  die  an  das  Beispiel  des  Tobias  erinnerte  (vgl.  dariiber 
Kap.  27),  und  einer  brutalen  Gewalt  weltlicher  Herren  keine  Aehnlichkeit. 
Daher  verdient  die  Meinung  Anderson"s  keinen  Beifall. 


30  Kapitel  15.    Heirathsabgaben   in  Schottland. 

wohl  eine  Heirathsabgabe  als  auch  eine  Unzuchtstrafe  bezeielmet 
wurde. 

In  zahlreichen  schottischen  Urkunden  aus  der  Zeit  Yom 
z^volften  bis  zum  siebzehnten  Jahrhundert  steht  die  mercheta 
unter  gruudherrlichen  Rechten  verzeichnet.  Osbert,  Abt  von 
Kelso  in  der  Zeit  von  1180 — 1203,  iibertrug  an  Constantin,  Prie- 
ster  von  Lesmahagu,  die  Ortschaft  Doman  in  Strathclyde  mit 
dem  Bemerken,  dass  Letzterer  die  merchetas  von  den  Tochtern 
seiner  Leute  als  Zubehor  seiner  Gerechtigkeiten  beziehen,  dagegen 
von  seinen  eigenen  Tochtern  (Magden?)  die  merchetas  an  den 
Abt  entrichten  sollte  ^  Derselbe  Abt  Osbert  von  Kelso  bestiitigte 
den  Dekan  David  von  Stobo  im  Besitz  der  Landereien  von  Cur- 
roc  in  Strathclyde,  die  derselbe  von  seinem  Yater  hatte,  mit  ver- 
schiedenen  Gerechtigkeiten,  darunter  auch  mit  den  merchetis  seiner 
Leute  ^.  Bei  einem  Zeugenverhor  vom  IL  April  1206,  vor  der 
Synode  von  Perth ,  in  einem  Prozess  zwischen  William,  Bischof 
von  Saint-Andrews,  und  Duncan  von  Arbuthnot,  iiber  Kirktoun 
of  Arbuthnot  (im  Besitz  des  Yiscount  von  Arbuthnot),  bekundete 
der  Zeuge  Isaac  Benein :  Er  sei  Pachter  der  Einkiinfte  des  Konigs 
aus  dem  Gebiet  von  Kirktoun  zu  der  Zeit  gewesen,  als  Osbert 
Olifard,  welcher  das  Jerusalem-Kreuz  zuni  Zuge  ius  heilige  Land 
anlegte,  das  genannte  Gebiet  besass  und  davon  die  Abgaben  an 
den  Konig  verschuldete ;  damals  habe  er,  Zcuge,  daraus  Nichts 
weiter  bezogen ,  als  die  Halfte  von  bloodwicks  und  die  Halfte 
von  der  mercheta  mulierum,  wahrend  die  andere  Halfte  dem 
Bischof  geschuldet  wurde  ^.  Heinrich,  Abt  von  Kelso  in  der  Zeit 
von  1208 — 1218,  iibertrug  an  Gillemor  einen  Theil  der  Landereien 
von  Fincurroc  in  Strathclyde  fiir  eine  jahrliche  Pacht  von  zwanzig 
Schillingen,  mit  der  Bestimmuug,  dass  Gillemor  die  merchetas 
von  den  Tochtern  seiner  Leute  haben  sollte ''.    Dalrymple  erwiihnt 


^  Chart.  Kelso  Nr.  103,  bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450:  .  .  .  „merchetas  de 
filiabus  hominum  suorum  habebit ;  et  de  filiabus  suis  dabit  nobis  merchetas". 
Vgl.  Dalrymple  Bd.  1  S.  322. 

^  Chart.  Kelso  Nr.  3,  bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450:  .  .  .  „cum  molendino, 
et  blodwitis,  et  birthinsak  et  merchetis  hominum  suorum". 

3  Andersou  S.  68 ,  69 :  ...  „Isaac  Benein  depones  that  in  the  time  of 
Osbert  Olifard,  \j\io  took  on  the  Jerusalem  Cross  for  an  expedition  to  the 
Iloly  Land,  he  farmed  the  King's  revenue,  due  by  the  said  Osbert,  out  of 
the  lands  of  Kirktoun;  and  whilst  he  possessed  these  lands,  he  received 
nothing  out  of  the  same,  unless  a  moiety  of  Bloodwicks,  and  of  the  Mercheta 
Mulierum  —  the  other  moiety  being  due  to  the  Bishop." 

*  Chart.  Kelso  Nr.  107,  bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450 :  .  .  .  „habebit  autem 
Merchetas  de  filiabus  hominum  suorum,  curiam  suam". 


Kapitel   15.    lleiratlisabfiabcn  iii  Scliottland.  81 

eine  Urkumlo  aus  Kelso ,  oline  Angabe  des  Datunis,  wonacli  eine 
gewisse  Person  und  ihre  Erben  (als  Besitzer  eines  Gutes)  fiir  ihre 
Tochter  keine  merchet  zu  zahlen  hatten  ^.  Der  Earl  Archibald 
von  Douglas  bestiitigte  durch  Urkunde  vom  Jahr  1403  den  Laird 
Johann  von  Edmonston  im  Besitz  der  Landereien  von  Tulyalon 
in  Perthshire,  rait  verschiedenen  Gerechtigkeiten ,  darunter  auch 
mit  den  merchetis  -.  Derselbe  Earl  hatte  vorher  dem  genannten 
Laird  eine  Pachtung  von  Liindereien  auf  neunzehn  Jahre  mit  den- 
selben  Gerechtigkeiten,  nebst  den  merchetis  mulierum,  iibertragen, 
mit  Riicksicht  auf  240  Mark  schottischer  AYahrung,  die  ihm  in 
seiner  Yerlegenheit  gegeben  waren  ^.  Durch  einen  Yertrag  aus 
Aberdeen  vom  5.  Februar  1447  iibertrug  ^Yittwe  Christiane  von 
Stratoun  an  ihren  Sohn  Alexander  Frog  und  dessen  Gemahlin 
Marianne,  und  fiir  den  Sterbefall  an  den  Ueberlebenden,  alle  ihre 
Liindereien  von  Stratoun  und  Stratounhall,  von  Plingsten  1447  ab 
auf  neunzehn  Jahre  gegen  eine  j;ihrliche  Paehtsumme  von  26  Mark 
(6  Schillingen  und  8  Pfennigen),  mit  der  Erlaubniss,  auf  diesen 
Landern  eine  Miihle  anzulegen  und  Kohlen  und  Steine  zu  gewin- 
nen;  und  zwar  mit  allen  Zubehorungen  und  Gerechtigkeiten,  mit 
Ausnahme  der  bludwite  und  mercliete,  die  sich  die  genannte 
Dame  vorbehielt ''.  Kimig  Jakob  II.  von  Schottland  stellte  im  Jahr 
1450  zu  Gunsten  des  Bischofs  von  Glasgow  eine  Urkunde  aus, 
worin  er  die  Baronie  Glasgow  und  andere  Landereien  des  Bis- 
thums  zu  einer  freien  regality  erhob  und,  abgesehen  von  andern 
Yorrechten  des  Bischofs,  dessen  Recht  auf  die  merchetas  mulierum 


*  Urk.    aus    Kelso,    bei  Dalryinple    Bd.   1    S.  321: Dabit  etiam,    tam 

ipse  quam  haeredes  sui ,  duos  solidos  pro  Plerieth,  et  merchet  de  filiabus 
suis  non  dabunt." 

-  Urk.  V.  1403,    bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450: cum  curiis  et  curiarum 

exitibus ,  cura  hereyeldis  ,  Merchetis''. 

3  Chalmers  Bd.  1  S.  450. 

■*  Indenture  made  at  the  Burgh  of  Aberdene,  Febr.  5.  1447  (bei  Anderson 
S.  67),  „betuix  a  worshipful  lady,  Cristiane  of  Stratoun  of  that  ilke ,  on  ye 
ta  part,  and  Alex.  Frog,  his  sonnys .  and  Marione,  his  spouse,  on  ye  thoyr 
part"',  in  which  she  liad  „set  and  to  farme  latyne  in  hir  pure  wedowhed" 
to  the  said  Alex.  etc.  and  „to  ye  langer  leuer  of  yim .  al  and  sindry  hir 
landis  of  Stratoun  and  Stratounhall ,  with  lefe  and  ful  po\ver  to  big  and  mak 
ane  mylne  Avithin  ve  samyn  landis,  and  for  to  wyn  colis  and  stanis  within 
ye  .saide  landis  to  yair  awue  mast  (maist  or  greatest?)  profit.  sekande  as  for 
thingis  ach  and  to  be  soch  (ath  &  to  be  sothV)  w*  al  profitis  and  pertinends 
ferme  &  unlawis  and  eschaetis  to  ye  saide  landis  pertenit  or  may  pertenc, 
„sauf-ande  andly  (allenerly  or  anerly)  to  ye  said  lady  bludwite  and  merchete, 
for  ye  terme  of  nyntene  yer  fra  Witsunday  nex  folowande  ye  date  of  y"' 
present  endenturis" ,  paying  yearly  20  markis  (6  s.  8  d.)"  etc. 

S  I-  li  m  i  (1 1  .  .Jns  iji-imai'  uuctis.  G 


82  Kapitel  15.    Heirathsabgaben  in  Schottland. 

bestatig-te  ^.  Diese  Rechte  wurden  mit  denselben  Ausdriicken 
durch  Konig  Jakob  III.  im  Jahr  1476  nochmals  bestiitigt^.  Konig- 
Jakob  II.  bestiitigte  durch  Urkunde  vom  Jahr  1452  den  Bischof 
von  St.  Andrews  und  dessen  Nachfolger  im  Besitz  und  Eigenthum 
der  Liindereien  jenes  Bisthums,  mit  Zubehor,  namentlich  mit 
den  „merchetis  mulierum".  Dies  wurde  in  gleicher  Weise  durch 
Urkunden  des  Konigs  Jakob  III.  vom  Jahr  1480  und  der  Konigin 
Maria  vom  Jahr  1553  wiederholt^.  Im  Jahr  1454  stellte  der  Earl 
Cxeorg  von  Angus  eine  Bestatigungsurkunde  iiber  die  Liindereien 
von  Invenethy  in  Strathern  aus,  mit  Zubehor,  darunter  auch 
mit  den  merchetis  mulierum  "^.  Durch  Urkunde  vom  Jahr  1462 
iibertrug  Thomas  Rogerson  von  Drumdewan  mit  Riicksicht  auf 
86  Pf.  St.  13  Schilliuge  und  4  Pfennige  schottischer  "Wahrung,  die 
ihm  in  grossen  Nothen  gezahlt  waren,  an  Johann  Stewart,  Herrn 
von  Lorn,  die  Liindereien  von  Strathier  mit  der  Miihle  und  allem 
Zubehor,  namentlich  mit  den  merchetis  mulierum^.  DurchUrkunde 
vom  24.  Mai  1503  verlieh  Ivonig  Jakob  von  Schottland  seiner  Braut, 
der  Prinzessin  Margarethe,  altesten  Tochter  des  Konigs  von  Eng- 
land,  Liindereien  mit  mannigfachen  Gerechtigkeiten,  insbesondere 
auch  mit  den  merche^tis  mulierum  ^.   Durch  Urkunde  vom  13.  Juni 

1  Urk.  V.  1430,  l)ei  Chalmers  Bd.  1  S.  450,  aus  Chart.  Glasgow  S.  498: 
.  .  .  „Merchetis  mulierum" :  Ducange  unter  Bludwelf  und  unter  Herizelda: 
,.Episcopi  Glasguenses  teneant  de  nohis  dictas  terras  .  .  .  cum  libero  introitu 
et  exitu,  Bludwelf,  herizeldis  et  marchetis  mulierum." 

-  Chalmers  Bd.  1  S.  450  aus  Chart    Glasgow  S.  486. 

3  Urk.  V.  1452,  bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450  (aus  den  Reliquiae  Divi  Andreae 
S.  99—102). 

*  Urk.  V.  1454,  bei  Chalmers  Bd.   1  S.  450. 

^  Urk.  V.  1462.  bei  Chalmers  Bd.  1  S.  450.  —  In  einem  ahnlichen  Zu- 
sammenhang  spricht  eine  Urkunde  vom  Jahr  14TG  von  „mulierum  eschaetis", 
namlich  Charter  of  confirmation  by  James  III.,  dated  at  Edinburgh,  January  31. 
1476,  and  shire  of  Are,  dated  apud  Ila,  Aug.  20.  1476,  bei  Anderson  S.  68: 
.  .  .  „cum  curiis  et  curiarum  exitibus  et  earundem  eschaetis,  cum  averagiis 
et  carriagiis,  cum  bludewitis  et  herezeldis,  ac  mulierum  eschaetis".  Anderson 
nimmt  an,  mit  „mulierum  eschaetis"  sei  hier  dasselbe  wie  mit  mulierum 
merchetis  gemeint.  Hiergegen  ist  jedoch  zu  bemerken,  dass  in  andern  Urkun- 
den  von  eschaetis  im  Unterschied  von  merchetis  die  Rede  ist,  z.  B.  in  der 
schottischen  Urkunde  vou  1447,  oben  S.  81  Anm.  4,  ahnlich  wie  in  der  Ur- 
kunde  aus  Wales  von  1501,  oben  S.  72  Anm.  1,  von  amobragiis  und  spater 
von  escaetis  gesprochen  wird.  In  englischen  Rechtsquellen  hat  das  Wort 
escaeta  verschiedene  Bodeutungen ;  es  bezeichnet  zumeist  das  Heimfallsrecht. 
Vgl.  Tomlins  Bd.   1  unter  Escheat:  Piullips,  R.-G.  Bd.  2  S.  81. 

6  Urk.  d.  d.  Edinburgh  den  24.  Mai  1503,  bci  Rymer  Bd.  13  der  .Vusg. 
Londini  1712,  S.  63:  .  .  .  „una  cum  libere  tenentium  servitiis,  molendinis, 
multuris,    et    eorum    sequelis,    aucupationibus,    venationibus ,    piscationibus, 


Kapitel   16.    Ilcirathsabgaben  in  England.  83 

1598  ubertrug-  ein  schottischer  Lehnsliorr  seineni  Yasallen  Liin- 
dereien  mit  Gerichtsbarkeit  und  mehreren  Gerechtigkeiten,  nebst 
mulierum  merchetis  ^  Anderson,  der  diese  L^rkunde  verofFentlicht 
hat,  bemorkt  dazu,  dass  or  die  Ausdriicke  „cuni  herezeldis  et  mer- 
chetis  mulierum"  in  zahlroichen  alton  Urkundon  gcfunden  habe, 
insbosondore  auch  in  IJewilligungen  zu  Gunsten  von  Frauonkhjstorn, 
in  Leibrentenverloihungen  au  Wittwen  und  in  Urkundon  iiber  Aus- 
stattung  schottischer  Koniginnen  und  anderer  angesehenen  Perso- 
nen^.  Lii  Jahr  1610  iibertrug  der  Laird  Robert  Douglas  von  Glen- 
bervie  an  seinen  zweiten  Sohn,  R.obert  Douglas,  verschiedene  Lan- 
dereien  ini  nordlichen  Theil  von  Kincardinshire,  mit  verschiedeneu 
Gerechtigkeiten,  darunter  aucli  mit  „inulierum  inerchetis"  ^. 

Aus  diesen  Urkunden  erhellt  die  Unmoglichkeit  der  Annahme, 
dass  die  mercliota  durch  AbhJsung  des  jus  primae  noctis  ent- 
standen  sei,  was  gleichwohl  von  zahlreichen  Gelehrton  der  Neu- 


3.  Exgland:  MeirJiefHiii,  merchet,   iiniirJief,  iiiarcJiefw»,  aiiio/j//r. 

Kapitel  10.  Das  Domesday-book  Wilhelms  des  Eroberers 
(1066—1087)  enthielt  bei  den  Gebraucheu  von  Shrewsbury  die 
Bestimmung,  dass  der  Konig  bei  Verheirathung  einer  Wittwe 
zwanzig,  und  bei  Verheirathung  einer  Jungfrau  zehn  Schillinge 
von  derselben  empfangen  sollte  ■".     Wie  es  scheint,  waren  also  in 


petrariis,  turbariis,  carbonariis ,  lapicidiis,  lapide  et  calce  fabrilibus,  brasinis, 
brueriis,  et  genestis,  cum  herezeldis,  bludeAvicis,  et  marchetis  mulierum. 
cum  furca  et  fossa".  .  .  .     Daraus :  Ducange  unter  Bludewica. 

'  Urk.  V.  13.  Juni  1598,  bei  Anderson  S.  56:  .  .  .  „cum  curiis  et  earum 
exitibus ,  et  amertianientis,  herezcldis,  l)luidwiti3,  et  mulierum  marchetis, 
liberoque  introitu  et  exitu". 

2  Anderson  S.  67. 

3  Urk.  V.  1610,  bei  Clialmers  Bd.  1  S.  450:  .  .  .  „euriis  et  exitibus,  Here- 
yeldis,  Bludwitis,  et  mulierum  Merchetis."  —  Samuel  Johnson  erzahlt,  zu 
seiner  Zeit,  also  im  achtzehnteu  Jahrhundert,  habe  auf  der  schottischen  Insel 
Ulva  (westlich  von  MuU  und  nordlich  von  StafTa)  und.  wie  er  glaiibe,  sonst 
nirgends,  die  Bezahlung  der  mercheta  mulierum  noch  fortgedauert ;  es  sei 
das  Losegeld,  das  in  alten  Zeiten  bei  der  Hochzeit  einer  Jungfrau  an  den 
Laird  entrichtet  wer^en  musste;  die  Bezahlung  dieser  Abgabe  sei  friiher  nicht 
mit  Geld,  sondern  mit  einem  Landes-Erzeugniss  geschehen;  und  zwar  habe 
Macquarry,  der  EigenthUmer  der  Insel  Ulva  und  der  umliegenden  kleinen 
Inseln,  einstmals  gewohnlich  ein  Schaf  genommen,  wahrend  er  zu  seiner  Zeit 
eine  Krone  Geld  erhielt.     Vgl.  Johnson  S.  229,  230:  Michelet  S.  264. 

^  Vgl    Kap.  40. 

^  Domesday-book  I,  252,  bei  Spelman  unter  Maritagium  und  bei  R.  Schmid 
S.  609 :  ..Mulier  accipiens  qiiocunque  modo  maritum,  si  vidua  erat,  dabat  regi 
20  s.,  si  puella  10  s.,  quolibet  modo  acciperet  virum."    Ygl.  Macpherson  S.  196. 

6  * 


84  Kapitel   16.    Heirathsabgaben  in  England. 

Shrewsbury  (abnlich  wie  urspriinglich  in  Wales  und  Schottland  *) 
selbst  freie  Miinner  (who  hekl  their  lands  in  free  soccage)  zur 
Entrichtung  der  Heirathsabgabe  verpflichtet  ^.  Joffridus ,  Abt  von 
Croyland  seit  dem  Jahr  1109,  errichtete  ein  Kloster  zu  Wridthorp 
bei  Stanford  und  iiberwies  demselben  gewisse  Liindereien,  eine 
Wassermiihle  und  vierzehn  Horige  nebst  allen  Abgaben,  die  von 
den  Letzteren  bisher  an  die  Abtei  zu  entrichten  waren;  dazu 
gehorte  eine  Heirathsabgabe  unter  dem  Namen  gerson,  und  eine 
Strafe  fiir  entehrte  Tochter  unter  dem  Namen  ourlop^. 

Schon  zur  Zeit  Heinrichs  HI.  (1216 — 1272)  war  die  Yer- 
pflichtung  zur  Zalilung  eines  „merchetum"  auf  unfreie  Personen 
beschriinkt.  Bracton  niimlich  erwiihnt  das  merchetum  als  die 
Heirathsabgabe ,  die  fiir  Tochter  der  Horigen  bei  deren  Yer- 
heirathung  zu  entrichten  war ''.  An  einer  andern  Stelle  erortert 
er  die  Frage,  ob  und  inwieweit  ein  freier  Mann  durch  den  Besitz 
eines  „purum  Aallenagium"  zu  unbestimmten  oder  durch  den  Be- 
sitz  eines  „villanum  socagium"  zu  bestimmten  Knechtsdiensten 
verpflichtet  werde.  Er  setzt  hinzu,  auch  der  Besitzer  eines  freien 
Gutes  (liberum  teuementum)  konne  sich  durch  Yertrag  zu  gewissen 
Diensten  verpflichten.^  „Aber  ein  merchetum  fiir  die  Tochter 
zu  geben,  kommt  dem  freien  Manne  nicht  zu,  unter  Anderm 
wegen  des  Yorreclits  eines  freien  Mannes."  '" 

In  der  Fleta  (einem  Rechtsbuch  aus  der  Zeit  Eduards  L, 
1272—  1307)  findet  sich  das  Wort  merchetum  in  folgendem 
Zusammenhang.  Schenkte  ein  Herr  seinem  Leibeigenen  ein  Gut 
mit  der  Bestimmung,  dass  er  es  fiir  sich  und  seine  Erben  be- 
halten  sollte,  so  wurde  daraus  zugleich  die  Freilassung  des  Leib- 
eigenen  hergeleitet,  wenn  auch  das  Wort  „frei"  vor  dem  Wort 
„bchalten"    nicht   ausgedriickt  war;  doch  blieben  die  Lasten  und 


'  Vgl.  Kap.    14  tS.  73   n.  Kap.  15   S.   77.        =  Vgl.  Maephcrson  S.   196,   197. 

^  Bleseusis  S.  115:  ...  ,.et  solvit  quilibet  -pvo  tiliabus  suis  maritandis 
gerson  Domiuo,  et  ourlop  pro  tiliabus  corruptis  et  Stoth  et  alia  servitia  et 
auxilia,  quae  plenius  in  Cartariis  Monasterii  describuntur.  Qui  [quae]  omnia 
praedictus  Pater  venerabilis  Abbas  Joffridus  suis  praedietis  Monachis  assi- 
gnavit".  .  .  .  Vgl.  Dalrymple  Bd.  1  S.  319:  iiber  den  Ausdrnck  gcrson  Kap.  18. 
S.  91;   iiber  dcn  Ausdruck  ourlop  auch  Kap.   22. 

■*  Bracton  lib.  2  tit  1  cap.  8  n.  2 :  ..Tranavit  totam  Angliam  Marcheti 
hujus  pecuniarii  consuctudo  in  mancipiorum  iiliabus  maritandis'':  an  einer 
andern  Stelle :  ,.Qui  tenet  in  villenagio,  talliari  potest  ad  voluntatem  domini 
.  .  .  item  dare  Mcrclictum  ad  iiliam  maritandam''.     Vgl.  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  21. 

^  Bracton    lil).    2    cap.    8    n.    2     (am    Scliluss): Merchetum    vero    pro 

iilia  dare  non  comi^etit  libero  liomini ,  inter  alia  propter  liberi  lioniiMis  pri- 
vilegium".  .  .  . 


Kapitel   Ki.    Iloirathsabiiaben  in  Enijland.  85 

Abg-aben,  wozu  das  „morc]ictuin  sang-uiniw"  geborte,  insoweit  be- 
stehen ,  als  sie  auf  dem  liesitz  des  Guts  und  nicht  auf  der  Un- 
freiheit  der  Person  beruhten  ^.  Uer  Ausdruck  „merchetum  san- 
g-uinis"  mochte  andeuten,  dass  die  Abgabe  in  der  Rogel  nur  von 
Unfreien  zu  entrichten  war,  also  gcwissermassen  auf  unfreies  Blut, 
den  unfreien  Stand  des  Vaters,  schliessen  liess. 

Der  Grundsatz,  dass  ein  freier  Mann  seine  Tocliter  froi  ver- 
heirathen  konnte,  ohne  dazu  einer  Genehmigung  des  Lord  zu 
bediirfen ,  und  oline  eine  Abgabe  dafiir  entrichten  zu  miissen, 
konnte  dureh  Gewohnheitsrecht  der  Herrschaft  nicht  geandert 
werden,  weil  angenommen  wurde,  dass  thatsachliche  Abweichungen 
von  jenem  Grundsatz  contra  rationem  seien  und  deslialb  keine 
rechtliche  Wivkung  haben  konnten^.  Dagegen  konnte  ein  freier 
Mann  eine  Besitzung  ,,cum  conditione  servili"  vomLord  iibernehmen 
und  durch  diesen  Yertrag'  verpfiichtet  werden,  bei  Verheirathung 
seiner  Tochter  (oder  Sohne)  eine  Abgabe  an  den  Herrn  zu  zahlen; 
obwohl  Littleton  meinte,  es  sei  thoricht,  wonn  oin  freier  Mann 
sich  derartigen  Verpflichtungen  unterwerfe  ^.  Also  konnte  ein 
freier  Mann  bei  Erwerbung  der  Besitzung  jone  Verpflichtung 
iibernehmen,  die  durch  Gewolmheitsreclit  nicht  eingefiihrt  worden 


^  Fleta  lil).  3  cap.  13.  de  donationibus  servi.-i  factis ,  §  1:  .  .  .  ,,snfficit 
ad  libertatem  tantiim  haec  chiusuhi,  Habendum  et  tenendum  sibi  et  heredibus 
suis,  eo  quod  donator  per  hujusmodi  verba  innuit  manifeste,  quod  in  donatione 
voluit  ipsum  esse  liberum,  quamvis  hoc  verbum  libere  non  exprimatur,  non 
obstante  incerto  servitio  ac  vilissimo,  vel  iiiercheto  sanguinis,  vel  aliis  tallia- 
giis  voluntariis  contributis ,  dum  tamen  hujusmodi  praestationes  fiant  ratione 
tenementi  et  non  ratione  personae".  ...  In  den  letzten  Worten  dieser  Stelle 
entspriclit  die  Unterscheidung  von  dinglichen  und  personlichcu  Abgaben  dem 
romischen  Gegensatz  von  vectigalia  und  stipendium. 

-  Littleton  lib.  2  cap.  11,  Villenage ,  sect.  209  (Uebers.  v.  Coke):  ,.Also 
if  the  Lord  of  a  manor  will  prescribe  that  there  hath  been  a  custom  within 
his  manor,  time  out  of  mind  of  man ,  that  every  tenant  within  the  same 
manor,  who  marrietli  hls  daughter  to  any  man  without  licence  of  the  I^ord 
of  the  manor ,  shall  make  fine ,  and  have  made  fine  to  the  Lord  of  the  manor 
for  the  time  being,  this  prescription  is  voyd:  For  none  ought  to  make  such 
fine  but  onely  villeines.  For  every  free  man  may  freely  marry  liis  daugliter 
to  vvhom  it  pleasetli  him  aiul  his  daughter :  and  for  that  this  prescriptiou  is 
against  reason ,  such  prescription  is  voyd.'' 

3  Littleton  lib.  2  cap.  11,  Villenage,  sect.  17-1  (Uebers.  v.  Coke) :  ,.But 
if  a  Free-man  wil  take  any  lands  or  tenements  to  hold  of  his  Lord  by  such 
villeine  service,.  viz.  to  pay  a  fine  to  him  for  the  marriage  of  his  sonnes  or 
daughters,  then  he  shall  pay  such  fine  f(5r  the  marriage,  yet  notwithstanding 
though  it  be  the  folly  of  such  freeman  to  take  in  such  forme  lands  or  tene- 
ments  to  hold  of  the  Lord  by  such  bondage.  yet  this  raaketh  not  the  Free- 
man  a  \  illeine." 


86  Kapitel  16.    Heirathsabgaben  in  England. 

konnte  ^  Ferner  konnte  durch  Gewohnlieitsrecht  in  einer  Herr- 
schaft  der  Eechtssatz  entstehen,  dass  alle  Besitzer,  auch  solche 
freieu  Standes,  welche  ein  Gut  „cum  conditione  servili"  iiber- 
nahmen,  an  den  Lord  eine  Strafe  zu  entrichten  hatten,  wenn  sie 
ohne  dessen  Erlaubniss  eine  Tochter  verheiratheten.  Diese  Strafe 
hiess  „merchet"  oder  ^marchet"  ^. 

In  Blomefield's  Geschichte  von  Norfolk  wird  ein  Prozess  vom 
Jalir  1240  erwahnt,  wonach  der  Prior  von  Shouldham,  als  Grund- 
herr  von  Caversham,  von  einem  Einwohner  dieser  Stadt,  Namens 
AVilliam  de  la  Ferte,  bei  einer  Heirath  die  mercheta  begehrte, 
jedoch  abgewiesen  wurde,  weil  der  Beklagte  kein  horiger  Bauer 
(villain),  sondern  ein  freier  Mann  (freeman)  war  ^.  In  einer  ge- 
richtlichen  Urkunde  vom  Jahr  1250  bekannte  Wilhelm  Maynard, 
Besitzer  in  Heurst,  Grafschaft  Berks,  dass  er  als  Bauer  des  Abts 
von  Abbendon  nach  dem  Recht  der  Horigkeit  (per  villanas  con- 
suetudines)  ein  Gut  besitze,  mit  der  Verpflichtung,  an  den  Abt 
jahrlich  achtzehn  Pfennige  und  bei  Verheirathung  einer  Tochter 
oder  Schwester  ein  maritagium  und  merchetum  (marchetum)  nach 
dem  Willen  des  Abts  zu  zahlen  und  alle  nach  Bauernrecht  her- 
gebrachten  Dienste  z\i  verrichten  ^.   Nach  dieser  Urkunde  war  also 


*  Coke  zu  Littleton  lib.  2  cap.  11  sect.  209:  .  .  .  „though  it  may  be  so 
in  a  particular  case  upon  such  a  special  reservation  of  such  a  fine  upon  a 
gift  of  land,  yet  to  claime  such  a  iine  by  a  general  custome  within  the  Mannor, 
is  against  the  freedome  of  a  freeman .  that  is  not  bound  thereunto  by  parti- 
cular  Teniire." 

^  Coke  zu  Littleton  lib.  2  cap.  1 1  sect.  209 :  ..But  a  custom  may  be 
alleged  within  the  mnnor,  that  every  tenant  (albeit  his  pei-son  be  free).  that 
holdeth  in  bondage  or  by  native  teniire,  the  freehold  being  in  the  Lord, 
shall  pay  to  the  Lord  for  the  marriage  of  his  daughter  without  licence,  a 
fine  :  and  it  is  called  marchet,  as  it  were  a  chete  or  fine  for  marriage.  And 
here  Littleton  saith,  that  none  ouglit  to  pay  such  fines  but  villeines,  that 
is ,  either  villeins  of  blood  or  freemen  holding  in  villenage  or  base  Tenure." 
Vgl.  Coke  zu  Littleton,  lib.  2  cap.  11  sect.  174:  „And  this  villeine  and 
servile  Tenure  is  called  in  old  books  Marchetum  or  merchet". 

5  Hazlitt  S    433. 

*  Placita  de  Banco  a  die  Pasch.  in  15  dies  34  H.  3  Rot.  20  Berks,  bei 
Spelman  imter  Merchetum  und  bei  Hazlitt  S.  157,  158,  unter  Heurst:  ,,\Vill. 
Maynard,  qui  tenuit  terras  in  Heurst,  cognoscit  se  esse  villanum  Abbatis  de 
Abbendon  et  tenere  de  eo  in  villenagio,  et  per  villanas  consuetudines,  viz. 
per  servicium  18  d.  jier  annum,  et  dandi  maritagium  et  marchetum  (bei  H. 
merchetum)  pro  filia  et  sorore  sua,  ad  voluntatem  ipsius  Abbatis,  et  facicndo 
omnes  villanas  consuetudines.''  Vgl.  Plot  cap.  8  n.  22;  Dalrymplo  Bd.  1 
S.  315.  Auffallend  ist,  dass  eine  doppclte  Abgabe,  ,.maritagium  ct  marche- 
tum'',  entrichtct  werden  soUte.  Vielleicht  ist  das  Abkiirzungszeichcn  fiir  vcl 
mit  dem  ahnlichen  fiir  et  durch  den  Abschreiber  verwechselt. 


Knpitcl  16.    Heirathsabfiahen   iii  Eiifrland.  87 

niclit  bloss  iiir  die  Tochter,  soudern  aucli  fiir  die  Schwester  bei 
deren  Yerhoirathung  ein  merclietuni  zu  zahkm  K  Der  Betrag  war 
dem  jedcsmahgen  Uebereinkommen  iiborhxssen.  Im  Jahr  1253 
wurde  gerichtlich  festgostellt,  dass  die  Leute  von  Berkliolt,  Graf- 
scliaft  Huffolk,  nach  einem  seit  Konig  Heinrich  II.  in  Geltung 
gewesenen  (Tewohnheitsrecht,  so  oft  sie  eine  Tocliter  verhoirathen 
wollten,  als  merchetum  zwei  Oer,  im  Werth  von  32  Pfennigen  ^, 
an  die  Herrschaft  zu  entrichten  hatten  ^.  In  einer  gerichtlichen 
Urkunde  vom  Jahr  1330,  die  in  den  Jahren  1357  und  1508  er- 
neuert  wurde,  ist  fiir  die  Herrschaft  Wivenhoe  oder  Wyvenho, 
Grafschaft  Essex,  ausser  andern  herkommlichen  Lasten,  auch  die 
Yerpflichtung  des  merchet  festgestellt ;  dergestalt,  dass  ein  Be- 
sitzer  unter  dieser  Herrschaft ,  welcher  seine  Tochter  an  einen 
auswiirtigen  Mann  von  freiem  Stande  verheirathen  wollte ,  sich 
mit  dem  Herrn  iiber  das  maritagium  verstiindigen  musste:  ver- 
heirathete  er  die  Tochter  an  einen  zur  selben  Herrschaft  gehorigen 
Mann,  so  hatte  er  kein  maritagium,  sondern  nur  das  doppelte 
herezeld  zu  entrichten*.    Nach  dem  Gewohnheitsrecht  von  Thur- 


*  Dieser  Grundsatz  galt  aucli  in  einigeu  audern  Ilerrschafteu.  Vgl.  z.  B. 
die  normannische  Urk.  v.  12.  Jahrh.,  unten  Kap.   18  S.  91. 

-  Also  hatte  ein  Oer  sechzehn  Pfennige.  Nach  einer  Verorduung  des  Kouigs 
Aethelred  (978 — 1016)  sollten  fiinfzehn  Oer  auf  ein  Pfund  gchen.  Institutiones 
Aethelredi  regis,  IV.  de  institutioue  Lundoniae,  cap.  9,  bci  R.  Schmid  S.  221 : 
„Et  ut  monetarii  paiiciores  sint,  quam  antea  fucriut,  .  .  .  omue  pondus  sit 
marcatum  ad  pondus,  quo  pecunia  mea  recipitur,  et  eorum  singulum  signetur 
ita,  quod  XV  orae  libram  faciaut.''  Danach  scheint  das  Oer  eine  angel- 
sachsische  Miinze  gewesen  zii  seiu.  Auch  Hazlitt  berichtet  (S.  434),  jene 
sachsische  Miinze  habe  Anfangs  sechzehn  (spater  zweiundzwanzig)  Pfennige 
betragen.  Dagegen  meint  R.  Schmid,  Gloss.,  Geldwahrung,  6.  Oere,  S.  593,  das 
Oer  sei  eine  diinische  Miinze,  und  es  miissten  sechzehn  Oer  aixf  ein  Pfuud 
gerechuet  werden,  so  dass  ein  Oer  fiiufzehn  Pfenuige  betragen  habe. 

^  Placita  coram  concilio  domini  Regis  Term.  Mich.  37  H.  3  Rot.  4  Suff., 
bei  Spehnann  uuter  Marchetum  uud  (im  Auszug)  bei  Hazlitt  S.  24,  unter 
Berkholt,  Co.  of  Suffolk:  „Johanua  Deakony  attachiata  fuit  ad  respondendum 
hominibus  de  Bei-kholt,  quare  exigit  ab  eis  alia  servicia  etc.  unde  dicit,  quod 
tempore  Regis  H.  avi  Regis,  solebant  habere  talem  consuetudiuem,  quod  quando 
maritare  volebant  filias  suas,  solebant  dare  pro  filiabus  suis  maritaudis  duas  ho- 
ras  [oras],  quae  valent  32  denarios  etc.  Postea  veniunt  homines  et  concedunt, 
quod  domina  Johanna  potest  eos  talliare  semel  in  anno  secundum  facultatem 
eorum,  et  quod  debent  carriare  maeremium,  et  quod  debent  dare  Merchetum 
pro  filiabus  suis  maritandis ,  scilicet  32  d."  Vgl.  Ducange  unter  Marcheta; 
Dalrymple  Bd.  1  S.  322;  Astle  S.  36;  Coruer  S.  7:  Brinckmeier  Bd.  2  S.  190. 

^  Extenta  Manerii  de  Wyvenho  in  Com.  Essex,  reuovata  20.  Mar.  23  H.  7, 
.iuxta  antiquiorcm  18.  Dec.  40.  Ed.  3  et  aliam  13.  Ed.  3  A.  D.  1330,  bei  Spel- 
man  unter  "VVardpenny,  auch  uuter  Marchet:  ,,Ric.  Burre  teuet  uuum  mesuag. 


88  Kapitel  16.    Heirathsahgaben  in  England. 

garton  uud  Horsepoll,  Grafrfcliaft  ]^ottiugham,  hatte  jede  Bauerin, 
die  heirathete  oder  Uuzucht  beging,  als  uierchet  (oder  marchet) 
„fur  Losuug  ihres  Bluts"  fiiuf  Schilliuge  uud  vier  Pfeuuige  zu 
zahlen;  die  Tochter  eines  Kotters  die  Halfte  K  Derselbe  Grund- 
satz  galt  in  Fiskerton  uud  Moretou,  Grafschaft  Nottiugham  ^ ;  des- 
gleicheu  in  der  Abtei  Peterborough^.  Auch  auf  der  Insel  Guern- 
sey  soU  eiu  marchetum  gegolteu  liaben''^.  Astle  berichtet  von 
seiuer  eigenen  Herrschaft,  Manor  of  Great  Tey,  Grafschaft  Essex, 
dass  viele  Besitzungen  dieser  Herrschaft  dem  Recht  der  mar- 
cheta  mulierum  unterworfen  geweseu  seieu  ^. 

lu  eiuem  Renteuverzeichuiss  des  Priors  vou  Tyuemouth, 
Grafschaft  Northumberland,  vom  Jahr  1378  ist  gesagt:  „Alle 
Bauern  von  Tynemouth  haben  vorkommenden  Falls  die  layre- 
vrite  ^  fiir  ihre  Tochter  oder  Miigde  und  das  merchet  fiir  Yer- 
heirathung  ihrer  Tochter  zu   zahleu  ^.     Im  Herrensitz  Burg  oder 

etc.  ...  Et  debet  .  .  .  JilercJief  boc  modo.  quod  si  voluerit  maritare  filiam 
suam  cum  quodam  homine  libero  cxtra  villam ,  faciet  pac.  cum  dom.  pro 
maritagio.  Et  si  eam  maritaverit  alicui  customario  villae  nihil  dabit  pro 
maritagio.  Et  dabit  duplex  heriotum".  .  .  Daraus:  Dalrymple  Bd.  1  S.  321; 
Astle  S.  35:  Corner  S.  8:  Brinckmeier  Bd.  2  S.  190.  Vgl.  Hazlitt  S.  376,  377, 
unter  Wivenboe,  Co.  of  Essex:  ^Ricardus  Burr  tenet  unum  messuagium.  et 
debet  tallagium,  sectam  curiae,  et  merchet  boc  niodo.  quod  si  maritare  vo- 
luerit  filiam  suam  cum  quodam  libero  homine  extra  villam,  faciet  pacem 
domini  pro  maritagio,  et  si  earn  maritaverit  alicui  customario  villae,  nil  dabit 
pro  maritagio.     Anno  Dom.   1230."     (Druckfehler  fur  1330?) 

1  Eeg.  Prior.  de  Thurgarton ,  bei  Blount  S.  143  und  bei  Hazlitt  S.  320. 
unter  Thurgarton  and  Horsepoll,  Co.  of  Nottingham:  .  .  .  „Likew-ise  every 
naif,  or  she  villain ,  that  took  a  husband  or  committed  fornication,  paid 
merchet  [bei  B.  marchet]  for  redemption  of  her  blood.  five  slullings  and 
fourpence ,  and  tlie  daughter  of  a  cottager  paid  but  lialf  a  merchet  [bei  B. 
marchet]."     Ygl.  Astle  S.  37;   Anderson  S.  60. 

2  Reg.  Priorat.  de  Thurgarton,  bei  Hazlitt  S.  123  uuter  Fiskerton  and 
Moreton.  Co.  of  Nottingham :  .  .  .  „Every  she-native  that  married,  or  committed 
fornication ,  paid  for  redemption  of  her  blood  (pro  redemptione  sanguinis) 
five  shillings  and  fourpence  to  the  h^rd.  which  was  in  lieu  of  mercheta 
mulierum."     Vgl.  Dalrymple  Bd.  1  S.  319;    Astle  S.  37. 

^  Spelman  unter  Merchetum:  „Hoc  est  quod  Sokemanni  et  nativi  debeut 
solvere  pro  filiabus  suis  corruptis  sive  dpflorntis,  5  s.  4  d.  Rogist.  Abb.  de 
Burgo  S.  Petri  in  bibl.  Cotton." 

*  Plot  cai>.  8  n.  22  S.  278.  Vgl.  Spelman  unter  Mnrchot:  ,,Floruit  (audio) 
et  mos  iste  in  Gernsey.  insula  Normannica" :  v.  d.  Schelling  Bd.  1  S.  148; 
Anderson  S.  59. 

^  Astle  S.  34—37.     Vgl.  Hazlitt  S.  315.  "  Vgl.  S.  89  Note  2. 

'  Brand  (ed.  EUis)  Bd.  2  S.  177  Anm. :  „1  found  the  subsequent  clause  in  a 
curious  M.  S.  in  the  Cotton  Library,  Vitell.  E.  5.  entitled,  Excerpta  ex  quodam 
antiquo  registi'0  prioris  de  Tynemouth,  remanente  apud  comitem  Northumbriae 


Kapltel    16.    II(.Mrathsal)fial)eii  iii   Enc;iaiid.  89 

|}rug,  Graf-scliaft  Salop,  hatre  eiii  Jiauer,  der  seine  Tochter  ausser- 
halb  dor  Lehnsherrschaft  verheirathete,  drei  Schillingc  an  den 
l^ischof  (als  Lehnshin-rn)  zu  zahlen  \  und  fiir  jede  lierwyte  ^  zwei 
Schillinge. 

In  der  Herrschaft  Clun,  (irafscliaft  Salop,  l^estand  eino  Ab- 
gabe  unter  dem  Namen  amabyr  und  chevage ,  die  Henry  Earl 
of  Arundel  im  Jahr  1557  oder  1558  seinen  Bauern  erliess  ^.  Hier- 
iiber  wurde  eineDenkschrift  des  Mr.  Thomas  Salt  aus  Shrewsbury 
in  der  Jahresversammlung,  welche  das  Archaeological  Institute 
of  Great  Britain  and  Ireland  im  August  1855  zu  Shrewsbury  ab- 
hielt,  am  7.  August  1855  durch  Dr.  Kennedy  verlesen -^. 

Aus    vorstehender    Entwicklung    und    aus    den    mit"etheilten 


de  Baroniis  et  Feodis:  Rcntale  de  Tynemoiith .  factum  A.  D.  1378:  Omnes 
Tenentes  de  Tyncmouth,  cum  contigerit.  solvcnt  Layrewite  [pro]  filiabus 
vel  ancillis  suis,  ct  etiam  Mcrchet  pro  filiabus  suis  maritandis."  Daraus: 
Anderson  S.  61.  Bei  Hazlitt ,  unter  Tinmouth .  Co.  of  Northumberland.  fehlt 
die  Erwahnung  dieser  Urknndc. 

'  Liber  ruber  Castri  Episeopi.  bei  Hazlitt  S.  45  unter  Brug  or  Burg, 
Co.  of  Salop:  ,.Sciendum  est,  quod  quando  customarius  maiierii  de  Burg,  in 
comitatii  Salop ,  moritur,  episcopus  habebit  mclius  averium,  omnes  porcos, 
apes,  baconem  integrum,  pullum  masculum,  pannum  integrum .  ollam  aeneam, 
tenellam  cerevisiae ,  si  sit  plena.  Et  quando  maritabit  filiam  extra  feodum., 
dabit  tres  solidos:    dabit  etiam  pro  qualibet  lierwyte  ii  s."     Vgl.  Astle  S.  37. 

*  Der  Ausdruck  layrewite  oder  lierwyte  bedeutet  Unzucht-Strafe,  von 
dem  angelsiichsischen  leger  =  fornicatio  und  wite  =  mulcta.  Vgl.  R-  Schmid, 
Gloss.  S.  623:  Anderson  S.  60;  Hazlitt  S.  432.  Derselbe  Ausdruck  findet 
sich  in  den  Leges  Henrici  Primi,  cap.  23  ^  1  und  cap.  81  §  3,  sowie  in  der 
Fleta,  lib.  1  cap.  47.  Hiernach  hat  das  "Wort  layrewite  oder  lierwyte  den- 
selben  Sinn,  wie  die  schottische  marcheta  mulierum  oder  das  galische  amobyr 
in  der  einen  Bedeutung  des  Worts.  Vgl.  Anderson  S.  60:  Hazlitt  S.  413. 
Vermuthlich  gleichbedeutcnd  ist  die  ..Letherwyte".  die  unter  den  Abgaben  an 
die  Abtei  Croyland  erwilhnt  wird,  bei  Ingulphus  S.   101. 

^  Hazlitt  S.  77  unter  Clun.  Co.  of  Salop :  .  .  .  „A  custom  in  the  honour 
of  Clun:  Pretium  virginitatis  domino  solvendum.  .  .  .  This  custom  Henry  Earl 
of  Arundel  released  to  his  tenants ,  anno  3  et  4  Phil.  et  Mar.  155."  Corner 
S.  9:  ..In  Walcs.  and  on  the  Shropshire  border,  a  similar  custom  to  the 
marcheta  existed  under  the  name  of  amabyr  or  amvabyr.  It  existed  in  the 
honour  of  Clun,  formerly  belonging  to  the  Earls  of  Arundel,  and  is  mention- 
ed  .  .  .  as  Pretium  virginitatis  domino  solvendum.  .  .  .  This  custom  was 
released  to  his  tenants  by  Henry,  Earl  of  Arundel ,  anno  3  and  4  Pliilipp 
and    Mary,    by   the    name  of  the  custom  of  amahyr  and  chevage." 

^*  The  Archaeological  Journal ,  vol.  XII,  London  1855  S.  385:  ,,The  Rev. 
Dr.  Kennedy  then  red  a  memoir  prejxared  and  entrusted  to  him  by  Mr. 
Thomas  Salt  of  Shrewsbury,  on  the  history  of  the  Manor.  Borough  and 
Forest  of  Clun  in  Shropshire,  and  observations  on  the  Cu.stom  of  Amobyr 
formerly  cxisting  tliere."     Vgl.  Corner  S.  9. 


90  Kapitel   17.    Heirathsabgaben  iii  Irland. 

Urkunden  erhellt  die  Grundlosigkeit  der  Meinung  ^,  dass  in  Eng- 
land  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  bestanden  haben  miisse, 
weil  daselbst  (ebenso  wie  in  Schottland)  die  marcheta  mulierum 
verbreitet  gewesen  sei.  Dieser  Meinung  liegt  der  Irrthura  zu 
Grunde,  dass  die  Erzahlung  des  Hector  Boethius  iiber  den  Ur- 
sprung  der  marcheta  mulierum^  auf  AYahrheit  beruhe.  Aus  dem- 
selben  Irrthum,  in  Yerbindung  mit  der  vorerwahuten  Stelle  aus 
Bracton  (lib.  2,  cap.  8),  erklart  sich  die  Behauptung  Diimge's, 
dass  die  Konige  Euglands,  im  Gregensatz  zu  denjenigen  Schott- 
lands,  jenes  schiindliche  Recht  auf  die  Freigebornen  nicht  hatten 
ausdehnen  konnen  ^.  Besonders  bezeichnend  fiir  die  Unklarheit, 
die  iiber  die  marcheta  bei  einigen  modernen  Schriftstellern  herrscht, 
ist  folgende  Darstelhing  der  spanischen  Advokaten  Marichalar 
und  Manrique.  Sie  meinen,  in  England  habe  unter  dem  Namen 
marcheta  das  Recht  gegolten,  die  jungfrauliche  Keuschheit  zu 
verletzen;  durch  Konig  Evenus  niimlich  sei  den  Grundherren  die 
Braurnacht  eingeriiumt  worden;  doch  sei  dies  Recht  „sehr  bald" 
verschwunden ;  denn  Kouig  Malcolm  III.  habe  es  im  Jahr  1090 
unter  der  Bedinguug  aufgehoben,  dass  der  Brautigam  dem  Grund- 
herrn  fiinf  SchilHnge  und  vier  Pfennige  zahlte  oder  dafiir  Sicher- 
heit  leistete.  „Seitdem  besteht  in  England  die  Gewohnheit,  das 
Recht  abzulosen,  doch  ist  die  Ablosungssumme  eine  verschiedene, 
nach  dem  Vermogensstand  der  Brautleute.  Zur  Zeit  Heinrichs  IIL 
hatte  die  Abtei  Abbendon  das  Recht  der  Marcheta;  der  Brau- 
tigam  loste  es  ab  mit  einer  Summe,  die  der  Abt  festsetzte."  "* 

4.  Irlaxd  :  Lohe)i>pi/. 

K.apitel  17.  Nach  unsicheren  jS^achrichten  soll  in  Irland  un- 
ter  dem  Xamen  Lohempy  eine  Heirathsteuer  bestanden  haben; 
Plot  erkliirt  den  Ursprung  dieser  Abgabe  ebenso,  wie  Hector 
Boethius  die  marcheta  mulierum   von  Schottland^.     Diese  Erklii- 


1  Plot  cap  8  11.  21  S.  278.  Diimge  S.  19.  20.  Marichalar  S.  08.  La- 
bessade  S    22  Nr.  37. 

2  Vgl.  dariiber  Kap.  40.         '  *  Diimge  S.  19.  20. 

*  Marichalar  Bd.  6  S.  68.  Vgl.  zur  Beleuchtuug  der  iu  dieser  Stelle  ent- 
haltenen  Irrthiimer  oben  S.   1  und  S.  86  und  unten  Kap.  40. 

^  Plot  cap.  8  n.  22  (S.  278)  sagt  von  der  maivheta  mulierum:  „Nor  did 
it  only  prevail  in  England  and  Scotland,  but  .  .  .  iu  the  kingdom  of  Ire- 
land  too;  where  as  I  am  told  by  the  Whorshipful  Colonel  Edward  Vernon 
(deputy  high  Steward  of  the  Honor  of  Tutliury,  and  deputy  Lieutenaut  of 
the  Forrest  of  Needwood)  it  is  call"d  Lohempy.''  Vgl.  Dalrymplc  Bd.  1 
S.  315.  —  Das  Wort  Lohempy  ist  bei  Lluyd  und  bei  Windisch  nieht  zu 
finden;  es  erinnert  an  16  g,  in  der  Bedeutung  vou  Lohn,  Preis. 


Kapitfl   IS.    Ilciriitlisaligabon  iii  der  Norniaiulie.  91 

rung-  beruht  auf  dem  Irrtluim^,  dass  die  Erzahlung  des  Hector 
Boethius  vom  Gesctz  des  Konigs  Evenus  als  geschiclitliclie  AVahr- 
heit  zu  betrachten  sei. 

B.  Helrallisabgabeu  iii  Fraiikrpich. 

1.  Xokmaxdik:    Droit    ih'   foymarhiifc,    (jKcrsionma ,   f/asfcaHX   oa  rc</ards, 
mcts  (hi  maria(/c,  ph(t  UKjitial,  droit  de  c>dh((/c,  cida(/ii(m. 

K.apitel  18.  Die  Abtei  Saint-Georgcs  de  Bocherville  empfing 
im  zwolften  Jahrhundert  von  ihreu  Leuten  achtzehn  Pfennige ,  so 
oft  dieselben  eine  Schwester  oder  Tochter  in  einem  auswiirtigen 
Lehen  verheiratheten  ^.  Dies  war  also  ein  droit  de  formariage  ^. 
Ebenso  erhielt  die  Aebtissiu  von  Caen  drei  Sous,  so  oft  die  Bauern 
von  Carpiquet  eine  Tochter  nach  auswarts  vermahlten '^.  Lii  Ar- 
chiv  der  Abtei  Preaux  findet  sich  eine  Urkunde  vom  Jahr  1231, 
wonach  in  einem  von  der  Abtei  abhangigen  englischen  Herren- 
sitz  die  Horigen  fiir  die  Erlaubniss,  sich  oder  ihre  Tochter  zu 
verheirathen,  eiue  ^guersumma"  zu  zahlen  hatten^.  In  einem 
Lehnsanerkenntniss  *"  vom  20.  December  1373  sagt  der  Herr  des 
Halblehens  Chauvigni  zu  Hellon  und  Alencon,  er  habe  das  Recht, 
bei  allen  Heirathen  die  „gasteaux  ou  regards"  zu  erhalten;  diese 


'  Vgl.  Kap.  40. 

-  Urk.  V.  12.  Jahrh.  bei  Delislo  S.  6!):  ,,Si  quis  illornm  maritaverit  sororem 
vel  filiam  suam  in  extraueo  feodo,  prebere  nobis  debet  18  denarios."  Daraus : 
Barthelemy  S.  105  und  Delpit  S.  52. 

^  Vgl.  Kap.  13  S.  66.  —  Ohne  allen  Grund  meinen  Delpit  und  Labessade 
(Nr.  20  S.  20,  21  und  92),  das  Recht  der  Abtei  sei  von  derselben  Natur 
gewesen,  wie  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht. 

*  Urk.  V.  12.  Jahrh.,  bei  Delisle  S.  69-  „Si  dederit  filiam  suam  e.xtra 
vilanagium,  dabit  3  solidos  abbatissae."  Daraus:  Delpit  S.  48.  Seltsamer- 
weise  erblickt  Labessade,  der  Nachfolger  Delpit"s,  (S.  20,  9,  29  und  46)  in 
dieser  Urkunde  den  Beweis  eines  „droit  de  prelibation",  welches  der  Aebtissin 
zugestanden  haben  soU. 

*  Consuet.  de  Tostes  v.  J.  1231,  bei  Delisle  S.  69:  ..Debent  dare  guer- 
summam,  hoc  est  non  possunt  maritare  se  nec  filias  suas  sine  licentia  domini." 
Daraus:  Delpit  S.  50  und  Labessade  Nr.  13  S.  20  und  S.  81.  Der  Ausdruck 
guersumma  bedeutet  sonst  allgemein  eine  Abgabe.  Vgl.  oben  Kap.  16  S.  84, 
Ducange  unter  Gersumma  und  Hazlitt  S.  428  unter  Gersuma.  Ueber  die  be- 
zeichnete  Abtei  vgl.  Mordri  unter  Preaux.  ^ 

^  Ein  aveu  oder  d6nombrement  ist  ein  fiir  den  Lehnsherrn  ausgestelltes 
Anerkenntniss  des  Vasallen ,  dass  er  von  jenem  ein  Lehen  mit  den  im  Ein- 
zelnen  verzeichneten  Rechten  und  Pflichten  habe.  Es  war  ein  Anerkennungs- 
titel  (titre  recognitif),  wovon  der  urspriingliche  Erwerbstitel  (titre  primitif) 
unterschieden  wurde.     Vgl.  Dalloz  unter  Propriete  feodale  Nr.  427,  428. 


92  Kapitel   18.    Heirathr^abgaben  in  der  Normandie. 

Abgabe  betrage  niir  zwei  Sous  und  zwei  Pfennige,  so  dass  die 
Brautleute  die  AVahl  liatten,  ob  sie  diese  Geldsumme  zahlen  oder 
einen  Blumeutisch  niit  zwei  Weizenbroten,  ein  Baril  Wein  von 
hoher  Lage  und  einen  guten  Schweineschinken  liefern  wollten; 
werde  die  Abgabe  binnen  acht  Tagen  nach  der  Hochzeit  nicht 
entrichtet,  so  sei  eine  Strafe  von  noch  fiinfzehn  Sous  zu  zahlen; 
iiberdies  miisse  sein  Sergent  zur  Hochzeit  geladen,  oder  ihm  der 
Betrag  von  acht  Pfennigen  fiir  Haudschuhe  gezahlt  werden;  alle 
diese  Dinge  seien  durch  Abkommen  seiner  Yorfahren  und  seiner 
Leute  festgestellt,  „zum  Ersatz  fiir  andere  Abgaben,  die  friiher 
zu  entrichten  waren"  ^  Nach  Inhalt  der  Schlussworte  hatte  die 
Art  der  Abgaben  (redevances)  im  Lauf  der  Zeit-  sich- geiindert. 
Die  Urkunde  gewiilirt  keinen  Cxrund  fiir  die  Meinung  ^,  dass  der 
H^rr  von  Chauvigni  ahnliche  Reclite  wie  das  der  ersten  Nacht 
ausgeiibt  habe.  In  einem  Lelmsanerkenntniss  vom  Jahr  1400 
sagt  Stephan  von  Sainte  -  Martin  bei  Etrepag,  wer  auf  seinem 
Lehen  heirathe,  miisse  ihm  ein  Stiick  Fleisch,  zwei  Brote  und 
zwei  Kannen  Wein,  in  Begleitung  von  Spielleuten,  in  seiu  Haus 
bringen,  von  derselben  Giite  wie  das,  was  die  junge  Frau  auf 
der  Hochzeit  «•eniesse  ^,    Aelmliche  Bestimmuno-en  finden  sich  in 


1  Aveu  dn  20  dec.  1373.  bei  Delisle  S  70:  ,.Item  je  tiens  et  aveue  tenir 
et  a  avoir  par  reson  de  heritage,  comme  dit  est .  a  avoir  les  gasteaulx  ou 
regars  de  touz  ceulz  qui  se  raarient .  .  .  .  le  dit  gastcl  ou  regart  n'est  que 
de  ij  sous  ij  deniers,  ainsi  que  il  est  au  chois  de  celuy  ou  de  celle  qui  se 
marie  de  poier  les  sommez  d"argent  dessuz  desclarees,  selon  le  temps  des 
dictes  nopces,  ou  de  poier  un  gastel  de  la  fleur  de  ij  hoessiaulx  de  froment, 
un  baril  de  vin  de  haute  vignee.  et  une  jambe  de  porc  bon  et  suffisant,  ainsi 
que  celluy  ou  celle  qui  se  marie  ne  poie  les  choses  dessus  dictes  ou  l'une 
d'icelles,  selon  le  cours  du  tenips  des  dictes  nopces,  dedenz  8  jours  aj)res 
les  dictes  noces,  il  encourt  en  Tamende  de  15  sous  en  oultre  le  dit  gastel 
ou  regart,  et  auxi  convient-il  que  le  sergent  de  mon  dit  deme  fie  soit  as 
noces,  011  que  il  ait  8  deniers  pour  ses  gans,  et  sont  ces  choses  ycy  portees 
par  lettre  de  certain  acort  de  mes  ansesours  et  des  hommes  de  mon  deme 
fieu  en  recompensation  d'autres  redevances.  selon  ce  que  par  les  dictes  lettres 
appert,  qui  furent  faictes  et  passees  il  y  a  onviron  IX^^  ans."  Daraus: 
Delpit  S.  oO 

2  Labessade  S.  84  berichtet,  ,jene  Rechte  des  Herrn  von  Chavivigni  standen 
schon  in  einer  Coutume  vom  Jahr  1193  verzeichnet;  dies  wird  schwerlich 
richtig  sein,  da  die  Schlussworte  der  rrkunde  vom  Jahr  1373  auf  ein  so 
hohes  Alter  ni^ht  hinweisen. 

'  Labessade  S.  20. 

*  Urk.  V.  1400,  bei  Delisle  S.  71:  ..Item.  quant  aucun  se  marie  ou  dit 
fief,  11  doit  une  piece  de  viande,  deux  pains  et  deux  pos  de  vin ,  ct  doit 
estre  pareil  h  celui  de  l'espousee,  et  lc  doivent  aportcr  ou  dit  hostel  en  la 
compaignic  des  menestricrs  faisans  mestier."     Daraus:  Delpit  S.  53. 


Kapitel  18.    IIeirathsal)jLcaben  iii  der  Nonnaiidie.  93 

Lehnsanerkenntnisseu  aus  den  Jahren  1402 — 1416*.  lu  einem 
solchen  Yerzeichniss  der  Barouie  Orglandos  voni  Jaiu"  1454  ist 
gesagt:  „So  oft  einer  meiner  Leute  zu  Goue  heirathet,  schuldet 
er  mir  uuter  Auderm  einen  Kucheu  im  Preis  von  fiinf  Sous  oder 
dafiir  ftinf  Sous  Geld."  ^  Der  Prior  de  la  Bloutiere  sagt  in  einem 
Lehnsanerkeuutniss  vom  selben  Jahr:  „Wir  haben  die  herkomm- 
lichen  Abgaben  fiir  deu  Fall,  dass  uusere  Leute  ihre  Kiuder 
ausserhalb  unseier  Herrschaft  verheirathen,  uud  zwar  fiir  jeden 
Livre,  den  sie  ihren  Kindern  iu  die  Ehe  mitgebeu,  zwulf  Pfen- 
nige  bei  Yerheirathung  des  ersteu  und  sechs  Pfenuige  bei  Yer- 
heirathung  jedes  anderu  Kindes;  ausserdem  fiir  jedes  Ohrgehange 
vier  Pfennige,  fiir  jedes  Kupfergeriith  vier  Pfeunige;  fiir  jede 
Kissenhandhabe  des  Federbetts  vier  Pfenuige ;  ferner  fiir  den 
Backtrog  pro  Fuss  vier  Pfennige:  und  fiir  die  silberne  Schnalle, 
wenn  eine  solche  gegeben  wird,  vier  Pfennige."  ^  In  eiuem  Lehns- 
anerkenntniss  des  Herrn  Heinrich  von  Saucei  fiir  das  Lehen 
Mesuil-Auber  vom  Jahr  1463  ist  erkliirt,  dass,  wer  seiue  Tochter 
verheirathet  und  ihr  eiu  Bett  oder  einen  Backtrog  mitgiebt,  fur 
jede  Federbett-Haudhabe  und  joden  Backtrog-Fuss  zwei  Pfennige 
zu  zahleu  habe"  *.  Der  Herr  vou  Chiiteau-Dassi  bemerkte  in 
eiuem  Lehnsverzeichuiss,  welches  er  dem  Konig  einreichte,  dass 
ihm  von  jedem  Gericht  der  Hochzeitschmiiuse  eine  Schiissel  in 
sein  Haus  gebracht  werden  miisse '".     Der  Marschall   de  la  Force 


1  Urk.  V.  1402,  1403.  1407.  1410  u.  1416  bei  Dellsle  S.  71.  72.  Diese 
Urkiinden  bieten  keinen  Grund  fiir  die  Annahme  Labessade's  (Nr  21,  S.  21  uud 
S.  92.  93).  der  Herr  von  Saint-Martin  bei  Etrepag  hatte  bei  Heirathen  seiner 
Unterthanen  Rechte    von    der  Art    des  Ilerrenrechts  der    ersten  Nacht    gehabt. 

2  Urk.  V.  1454,  bei  Delisle  S.  73:  .,Item,  toutes  et  quantesfois  que  aucun 
de  mes  hommes  du  siege  de  Goue  se  marient,  ilz.  entre  autres  choses,  me 
doivent  ung  gasteau  du  pris  de  cinq  solz  tournois  ou  einq  solz  pour  ycelui."' 

3  Urk.  V.  1454 ,  bei  Delisle  S.  73 :  ,,Item  nous  avons  les  coustumes  des 
mariaiges  que  noz  hommes  font  aux  gens  de  dehors  nostre  dicte  seigneurie, 
pour  chascune  livre  de  monnoye  qu'ilz  donnent  h  mariaige  a  leurs  entfans, 
pour  la  premiere  xij  deniers ,  et  pour  chascune  des  autres  vj  deniers.  Item, 
pour  chascun  orillier,  iiij  deniers:  pour  chascuu  cuevrechief  iiij  deniers; 
pour  la  coycte .  pour  chascune  corniSre  de  traversin  ,  iiij  deniers :  item ,  pour 
la  huge,  pour  chascun  pie  de  huge,  iiij  deniers:  et  s"il  y  a  serreure,  pour 
la  serreure  iiij  deniers." 

^  Urk.  V.  1463,  bei  Delisle  S.  73,  74:  ,,que  chascun  qui  marie  sa  fille. 
s"il  luy  donne  liet  ou  huche,  il  doit  de  cliascune  cornierc  do  couite  et  de 
chascun  pie  de  huche  ij  deniers  tournoi.s.'' 

•"  Lauriere  unter  Mests  de  Mariage:  „C'est  un  droit  du  au  Seigneur  de 
Chateau-  Das.si.  porte  par  ses  aveus  rendus  au  Roy,  que  de  toutes  viandes 
qui  se  mangent    aux    noces,    en    est    dfi  un  plat  au  seigneur ,    portable  en  sa 


94  Kapitel  18.    Heirathsabgaben  in  der  Normandie. 

soll  als  Inliaber  der  Herrscliaft  de  la  Boullaye  bei  Hochzeiten 
seiner  Untertlianen  folgendes  Reclit  gehabt  haben :  „Am  Tage  der 
Hochzeit  muss  der  Brautigam,  unter  Begleitung  einer  Geige  oder 
Bratsche ,  deni  Herrn  das  Hochzeitsgericht  (mests  du  mariage) 
bringen,  und  zwar  zwei  junge  Hiihner,  zwei  Kannen  Wein  und 
eine  Hammelschulter ;  er  muss  dann  einen  Tanz  auffiihren  und 
sich  zuriickziehen."  ^  Yon  dem  Herrensitz  Genesville '^  theilt  Du- 
cange  folgende  Urkundenstelle  mit:  „Und  wenn  Jemand  an  dem 
genannten  Ort  heirathet,  so  ist  er  verpflichtet ,  am  Tag  der 
Trauung  uns  auf  unsern  Herrensitz  von  Genesville  einen  Teller 
Fleisch,  zwei  Brote  und  eine  Kanne  Weiu,  unter  Yorantritt  von 
Spielleuten,  zu  bringen:  dies  Recht  heisst  Hochzeitsgericht  (plat 
nuptial)."  ^  Aehnliche  Heirathsabgaben  soUen  in  vielen  andern 
Herrschaften  der  Normandie  bestanden  haben  ^. 

An  einigen  Orten  der  ISTormandie  fiihrte  die  Heirathsabgabe 
deu  Namen  droit  de  cullage  oder  culagium.  Nach  einer 
Urkunde  vom  Jahr  1235,  aus  Fecamp,  hatte  ein  Bauer,  der  seine 
Tochter  nach  auswarts  verheirathete,  eine  Abgabe  von  drei  Sous, 
unter  dem  xS^araen  ^culagium'^,  an  die  Benedictinerabtei  zu  Fecamp 
zu  eutricliten  ^.  Durcl^  Urkunde  voni  22.  Juli  1238  verzichtete 
Simon  de  Pierrecourt,  mit  Zustimmung  seiner  Gemahlin  Agnes 
und    seines    erstgebornen    Sohnes    Willernus,    in    Gegenwart    des 


maison.'"  Ducange ,  unter  Missus :  ,.Mes  de  mariage ,  jus  quod  domino  castri 
d'Assi  competit,  quod  ejusmodi  est ,  ut  ex  singulis  cibis  qui  in  vassallorum 
nuptiis  apponuntur,  discus  unus  ad  dominum  deferri  debeat."  Das  Datum 
dieses  Verzeichnisses  ist  nicht  angegeben 

1  Galland  bei  Lauriere  Bd.  2  S.  112.  unter  Regal  de  mariage.  Daraus: 
Ducange  unter  Missus:  Mlchelet  S.  266.  267:  Bouthors  Bd.  1  S.  470. 
Lauriere  giebt  das  Datum  einer  etwa  dariiber  ausgestellt  gewesenen  Urkunde 
nicht  an;  die  Angabe  von  Michelet,  dass  die  Urkunde  vom  Jahr  161o  datire. 
scheint  auf  Verwechslung  zu  beruhen. 

2  Genest  in  der  NormandieV  ^  Ducange  unter  Plat  nuptial.  Michelet 
S.  266.     Das  Datum  der  Urkunde  ist  nicht  angegeben. 

*  Vgl.  Labessade  Nr.  22—34,  S.  21:  „Le  seigneur  de  Crennes,  dans  la 
vicomte  de  Vire,  le  seigneur  de  Conde-sur-Risle,  le  seigneur  de  Montbraie. 
le  seigneur  de  Launoy,  a  Saint-Pierre-es-Champs,  le  seigneur  de  Honneteville. 
dans  la  vicomt6  de  Pont-Audemer .  le  seigneur  de  Saint-Etienne  de  Lailler, 
le  seigneur  dc  Chavoi,  le  seigneur  d'Aubigni,  le  seigneur  de  Goue,  le  seigneur 
de  Glatigni .  lc  seigneur  de  Torquenne-en-Aulge ,  le  seigneur  de  Boisbenart, 
le  seigneur  de  Foville,  et  plusieurs  autres  seigneurs  normands  percevaient 
des  droits  de  meme  nature  sur  les  mariages  de  leurs  sujettes." 

*  Polyptych.  Fiscann.  a.  1235,  bei  Ducange  unter  Culagium:  „Cum  villanus 
maritat  filiam  suam  extra  villenagium,  debet  tres  solidos  dc  culagio."  Daraus: 
Laferriere  Bd.  5  S.  457. 


Kapitel   18.    Heirathsabgaben  in  der  Normandie.  95 

Abts  Robert  voii  Faucarmont,  nicht  nur  auf  alle  Jahresabgaben 
seiner  Leute,  sondern  auch  auf  das  „culagium",  was  darin  bestand, 
dass  ilim  seine  Leute,  so  oft  sie  eine  Tochter  verheiratheten,  drei 
Sous  zu  zahlen  hatten  ^  In  einem  Lehnsanerkenntniss  vom  Jahr 
1455  erklarte  der  Herr  von  Trop,  dass  seine  Leute  ihm  den 
„cullage  de  mariages"  zu  entrichten  hatten  ^.  Zufolge  Urtheils 
des  Rechnungsliofes  vom  *i.  April  1507  wurde  die  Grafschaft  Eu, 
die  unter  vormundschaftlicher  Yerwaltung  des  Konigs  als  Ober- 
lehnsherrn  stand,  fiir  die  minderjahrigen  Kinder  des  Grafen  von 
Nevers  und  seiner  Gemahlin  Charlotte  von  Bourbon  abgeschatzt; 
zu  den  abgeschiitzten  Giitern  gehorte  die  Baronie  Saint-Martin- 
le-Gaillard;  bei  deren  Beschreibung  ist  im  AbschatzungsprotokoU 
gesagt,  dass  ihr  bei  Heirathen  das  „droit  de  cullage"  zustehe  ^ 
Offenbar  betrifft  auch  diese  Stelle  lediglichi  eine  Heirathsabgabe, 
und  die  Meinung  der  Schriftsteller,  die  darin  einen  Hauptbeweis 
fiir  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  finden  wollen,  ist  durchaus 
hinfallig. 

Fiir  die  Erkliirung  des  Ausdrucks  culagiuni,  culage  oder  cul- 
lage    sind    verschiedene    Yerniuthungen   moglich.      Soweit    damit 


1  Urk.  V.  22.  Juli  1238  (in  der  Bibliothek  von  Xeufchatel,  Dep.  Seine- 
Inferieure)  ,  bei  Beaurepaire  S.  168  und  bei  Barthelemy  S.  118:  .  .  .  ,,Quitavi 
etiam  dictis  hominibus  quendam  reditum  qui  culagium  dicebatur,  videlicet  tres 
solidi  quos  mihi  singuli  reddebant.  quando  filias  suas  maritabant.''''  Ohne 
Grund  finden  Delpit  (S.  54)  und  Labessade  (Nr.  35  S.  21,  22,  93.  94)  in  dieser 
Urkunde  einen  Beweis  des  Herrenrechts  der  ersten  Nacht. 

2  Aveu  du  fief  de  Trop  en  1455.  bei  Delisle  S.  69 :  ...  „paier  le  cullage 
de  mariages".  Daraus  entnehmen  Delpit  (S.  52)  und  Labessade  (Nr.  19 
S.  20  und  S.  92)  ohne  Grund  einen  Beweis  ftir  das  jus  primae  noctis. 

3  Proces-verbal  fait  par  M.  Jean  Faguier.  auditeur  en  la  cliambre  des 
comptes,  eu  vertu  d"arrest  d'icelle  du  7  avril  1507,  bei  Lauriere  S.  307:  .  .  . 
,.item  a  ledit  Seigneur  audit  lieu  de  Saint-Martin  droit  de  cullage  quand 
i)n  se  marie."  Vgl.  Ducange  unter  Collecta,  Culagium  und  Marcheta;  Grupen 
§  8:  Encycl.  unter  Culage  (von  Boucher  d'Ai-gis);  Voltaire,  Dict.  phil.  unter 
Taxe:  Encyl.  meth.,  Jurispr.  Bd.  3  S.  434;  Merlin,  Rep.  unter  Markette, 
Bd.  8  S.  107:  Raepsaet  3.  Aufl.  S.  23;  Roquefort,  suppl.  S.  106:  Collin  de 
Plancy  Bd.  1  S.  166.  167;  Peuchet-Chanlaire  S.  23:  Delisle  S.  69;  Veuillot 
(2.  Aufl.)  S.  264:  Delpit  S.  55,  56;  Marichalar  Bd.  6  S.  69.  70;  Gubernatis, 
Usi  S.  199:  L.  Favre  bei  La  Curne  unter  Cullage.  Einige  Schriftsteller 
driicken  sich  so  aus.  als  stande  in  jener  Urkunde  „droit  de  prelibation",  Avas 
nicht  der  Fall  ist.  Dieser  Irrthum  findet  sich  namentlicli  bei  Dulaure,  Adel 
S.  243:  Merlin.  Rep.  unter  ^Markette;  Dict.  Acad.  suppl.  unter  Markette: 
Kolb  1842,  S.  497  und  1843,  Bd.  2  S.  73:  Lagreze  1867,  S.  402.  Labessade, 
Nr.  36  S.  22  und  S.  94,  gebraucht  bei  Erwiihnung  derselben  Urkunde  die 
Ausdrucke  droit  de  culage  und  droit  de  prelibation  als  gleichbedeutend. 


96  Kapitel  18.    Heirathsabgaben  in  der  Normandie. 

eine  Niederlassungssteuer  bezeichnet  wird  ^,  liegt  es  nabe,  an  die 
Bauernsprache  zu  deukeu,  worin  der  Name  von  cul  gebildet 
sein  kann  ^,  Es  kann  aber  auch  an  eine  Corruption  des  lateini- 
schen  Ausdrucks  collecta,  collata,  collatio  oder  collectio  (d.  i. 
Abgabe  ^)  gedacht  werden.  La  Curne  de  Sainte-Palaye  leitet 
das  "Wort  culage  von  osculage ,  osculagium  her ''.  Yiele  Schrift- 
steller  endlich  finden  in  dem  Ausdruck  eine  geschlechtliche  An- 
spielung.  Ware  eine  solche  in  dem  AVort  zu  finden,  so  miisste 
sie  auf  die  Natur  der  Ehe  bezogen  werden^.  Keinenfalls  be- 
rechtigt  der  ^Yortlaut  zu  der  Yermuthung,  dass  dem  Grund- 
herrn  das  Recht  zugestanden  hatte,  an  Stelle  des  Brautigams 
die  erste  jSTacht  mit  der  Braut  zuzubringen.  Es  liegt  kein  ge- 
niigender  Grund  vor,  zwischen  den  Ausdriicken  culage  und  cu- 
laige  einen  wesentlichen  U nterschied  zu  machen  ^.  Das  Wort 
culaige  bezeichnet  in  mehreren  Urkunden  eine  Abgabe  oder  ein 
Geschenk  von  Y'ein,  Esswaaren  oder  Geld '.  Dieselbe  Bedeutung 
haben  in  andern  Urkuuden  die  Ausdriicke  cullage  oder  coullage  ^, 


1  Ygl.  unten  Kap.  78. 

^  Vgl.  den  Kommissioiisbericht  der  franz.  Akademie  der  Inschrifteu  vom 
11.  August  1854,  Berger  de  Xivrey  S.  24  („exi)ression  indecente''). 

^  Vgl.  Ducange  unter  Collecta.  *  La  Curne  unter  Cullage  Bd.  4  S.  435. 

*  In  vielen  modernen  Worterbiichern  (z.  B.  bei  Mozin-Peschier  unter  cu- 
lage)  ist  der  Ausdruck  droit  de  cuUage  mit  „Recht  der  Brautnacht"  ubersetzt. 
Dies  ist  schon  deshalb  unrichtig,  weil  das  Wort  droit  in  jener  Zusaramen- 
setzung  nicht  „Recht'',  sondern  „Abgabe"  bedeutet.  AUenfalls  konnte  jener 
Ausdruck  niit  ..Abgabe  fUr  die  Brautnacht"  iibersetzt  werdcn.  in  der  Unter- 
stellung.  dass  die  Abgabc  vor  der  Brautnacht  zu  zalilen  Avar:  alloin  auch  dann 
ist  die  Uebersetzung  ungenau. 

*  Ducange  Bd.  7  (Gloss.  francais)  S.  116  erklJirt  das  Wort  Cullage  fiir  das 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht,  dagegen  Culaige  fiir  ein  Geschenk  in  Fleisch, 
Wein  oder  Geld.  Roquefort  Bd.  1  S  330  halt  zwar  die  Ausdriicke  culaige, 
culage,  cuUage  und  cuUiage  etymologisch  fiir  gleichbedeutend,  meint  aber, 
alle  diese  Ausdriicke  seien  in  zwei  verschiedenen  Bedeutungen  zur  Anwendung 
gekommen,  uamlich  sowohl  zur  Bezeichnung  des  tyrannischen  Herrenrechts  der 
ersten  Nacht,  als  auch  zur  Benennung  des  Geschenks,  welches  der  Neu- 
vermahlte  am  Hochzeitstage  an  seine  Gefahrten  zu  entrichten  hatte.  La 
Curne,  Bd.  4  S.  434,  435,  halt  es  fiir  moglich,  dass  culaige  ebenso  wie  cullage 
das  Herrenrecht  iiber  die  neuvermahlten  Vasallen  bezeichnet  habe.  Dagegen 
bemerkt  L.  Favre  (ebendaselbst) ,  culaige  bedeute  ein  Geschenk.  Offenbar 
ist  in  der  Schreibart  culaige  der  Buchstabe  i  ein  blosses  Dehnungszeichen. 
ebenso  wie  z.  B.  in  mariaige,  oben  S.  93  Anm.  3. 

'  Lettres  de  Charles  VI  du  mois  de  juillet  1415,  bci  La  Curne  unter  Cu- 
laige  Bd.  4  S.  434:  „Je  crois  qirelle  est  allee  boire  du  culaige."'  Vgl.  auch 
die  Urk.  v.  1454  unten  in  Kap.  26. 

8  Vgl.  Urk.  v.  1375  unten  Kap.  26. 


Kapitel   19.    Ileiratlisabgaben  in  Frankreich.  97 

couillage,  couillaige  uud  coillage  *.  Es  ist  daher  erklarlicJi,  dass 
der  Ausdruck  culage ,  wie  culaige ,  eine  Heirathsabgabe  be- 
zeichnet. 

2.    AxDERK  Pkoviszen  Fraxkkeichs. 

Kapitel  19.  "NVie  in  der  Normandie,  so  waren  auch  in  an- 
deru  Pruvinzen  Frankreichs  Heirathsabgaben  mannigfacher  Art 
hergebracht,  von  denen  einige  eine  besondere  Erurterung  ver- 
dienen  ^,  andere  hier  zusammengestellt  werden  raogen. 

Isle  de  France.  Dass  in  der  Provinz  Isle  de  France 
Heirathsabgaben  an  Grundherren  ^  zu  entrichten  waren ,  erhellt 
beispielsw^eise  aus  dem  Bericht  iiber  einen  Prozess,  der  um  1100 
schwebte.  Aus  Anlass  dieses  Prozesses  wurde  anerkannt,  dass 
dem  Stift  Saint-Michel  de  Beauvais  das  Recht  zustand,  von  seinen 
Horigen  bei  deren  Yerheirathung  unter  dem  jS^amen  ^licentia" 
fiinfzehn    Pfennige    zu  erheben  '^.     Ferner  bezog  die  Abtei  Saint- 


1  Vgl.  die  Urkunden  von  1385.  1391.   1396  nnd   1458  unten  in  Kap.  26. 

2  Vgl.  unten,  besonders  Kap.  26,  78  bis  81. 

^  Daneben  gab  es  auch  Heirathsabgaben  zu  Gunsten  der  Geistlichkeit.  die 
den  Namen  „plat  de  noces"  fiihrten  und  in  Speisen  oder  Getranken  bestanden. 
Ueber  die  Vertheilung  dieser  kirchlichen  Einkiinfte  bildeten  sich  feste  Grund- 
satze.  Vgl.  Dulaure,  Paris  Bd.  3  S.  250;  Brillon  Bd.  2  S.  924;  Michelet 
S.  266.  Ein  solches  i^lat  de  noces  erhielten  die  Pfarrer  von  Paris  ausser  der 
in  Kap.  27  S.  148  erwahnten  Gebiihr  flir  Einsegnung  des  Ehebetts.  Die  bei 
Ducange  unter  Fercula  citirten  Synodalstatuten  des  Bischofs  Otto  von  Paris 
(1197  —  1208)  verboten  in  cap.  7  §  4  den  Geistlichen ,  die  unter  dem  Namen 
Fercula  bekannte  Abgabe  schon  vor  der  Trauung  zu  erlieben,  uud  stellten 
ihnen  frei,  diese  Abgabe  nach  der  Trauung  anzunehmen  und  nothigenfalls 
einzutreiben.  (Anderwarts  bezeichnete  das  Wort  Ferculum  eine  Art  von  Be- 
neficium.  z.  B.  in  den  kolnischen  Urkunden  von  1176  und  1190,  bei  Binterim 
Bd.  3  Nr.  51  und  54  ).  Der  Pfarrer  von  Palestin  erhielt  bei  Heirathen  seiner 
Pfarrkinder,  nach  Massgabe  ihres  Vermogens,  als  droit  de  nop^age  zwei  oder 
drei  Sous:  dies  Herkommen  w-ard  durch  Urtheil  des  Parlaments  zu  Paris  vom 
18.  August  1562  als  rechtsgiiltig  anerkannt.  Brillon  Bd.  1  S.  638:  „Par  arret 
du  18  aout  1562  entre  les  Paroissiens  de  Palestin  et  leur  Recteur  est  dit  que 
le  Recteur  levera  les  droits  Rectoriaux  contenus  en  la  Clementine  du  concordat, 
qui  sont  .  .  .  le  droit  de  Nopgages,  autrement  dit,  le  Pact  Nuptial  .  .  .  c'est  a 
sgavoir  .  .  .  pour  le  droit  de  Nopgages  3  sols  tournois  de  ceux  qui  auront  en 
meuble  valant  50  liv.  tournois,  et  au-dessus;  et  des  autres  qui  auront  moins 
de  50  liv.  valant  toutefois  leurs  meubles  plus  de  30  liv.  la  somme  de  2  sols 
tournois,  sans  rien  prendre  de  ceux  desquels  les  meubles  ne  se  monteront 
jusqu'a  la  valeur  de  30  liv.".  .  .  Vgl.  auch  Brillon  Bd.  4  S.  472. 

*  Urk.  circa  1100,  bei  Guerard  Bd.  2  S.  379:  .  .  .  „ibique  propria  r.ianu, 
pro  filia  secum  adducta,  quam  in  conjugium  erat  datura,  consuetudinem  que 
licentia  vocatur,  scilicet  15  denarios,  sancto  Michaeli  ejusque  canonicis ,  uti 
eorum  coliberta,  multis  aliis  videutibus,  donavit."     Vgl.  Guerard  Bd.  1  S.  414. 

ScUmidt,  Jus  primae  noctis.  7 


98  Kapitel  19.    Heirathsabgaben  in  Frankreich. 

Gfermain  -  des  -  Pres  in  mehreren  Ortschaften  bei  Heirathen  im 
Fall  des  formariage  eine  Abg-abe ,  die  um  Mitte  des  dreizehn- 
ten  Jahrhunderts  durch  Zahlung  von  Kapitalsummen  abgelost 
wurde  ^ 

Picardie.  Es  wird  gemeldet,  dass  die  Heirathen  in  der 
Stadt  Saint-Riquier  der  dortigen  Abtei  im  neunten  Jahrhundert 
jahrlich  zwanzig  Pfund  schweren  Silbers  einbrachten  ^.  Vielfach, 
wenigstens  in  spaterer  Zeit,  beschrankte  sich  die  Heirathsabgabe 
auf  Esswaaren  oder  Getranke  ^.  Der  Bischof  von  Amiens  em- 
pfing  bei  Heirathen  seiner  Unterthanen  als  „droit  de  mariage" 
vier  Sester  \Yein  '^,  und  zwar  zwei  von  der  theuersten  und  zwei 
von  der  billigsten  Sorte.  Diese  Abgabe  wurde ,  wie  es  scheint, 
spater  auf  die  Hiilfte  herabgesetzt.  Ein  Urtheil  des  Parlaments 
zu  Paris  vom  9.  Juni  1391  bestatigte  einen  Vergleich,  wonach 
der  Bischof  statt  der  inzwischen  streitig  gewordenen  einzel- 
nen  Heirathsabgaben  im  Ganzen  jahrlich  fiinfzehn  Franken  und 
zwar  auf  Petri  Kettenfeier,  Weihnachten  und  Ostern  jedesmal 
hundert  Sous  (fiinf  Franken),  aus  der  Stadtkasse  von  Amiens 
erhalten  sollte ;  zugleich  wurde  der  Stadt  Amiens  das  K.echt  vor- 
behalten,    diese  RentvO  durch  einmalige  Zahlung  von  fiinfhundert 


'  Urk.  V.  1249  u.  1250,  bei  Gnerard  Bd.  2  S.  385—391,  vgl.  Bd.  1  S.  415: 
Hiillmann  Bd.   1  S.  86. 

2  Urk.  V.  831,  bei  Chateaubriand  Bd.  5  bis,  S.  271,  272:  .  .  .  „Les  mariages 
raj)portaient  annuellement  vingt  livres  d'argent  pesant".  .  . 

3  Bouthors  Bd.  1  S.  470;  Delisle  S.  70—73.     Vgl.  auch  unten  Kap.  78. 

■*  Le  role  de  l'eveche  d'Amiens  de  1301 ,  bei  Grenier  vol.  159  fol.  44  v., 
45:  bei  Thierry,  Mon.  Bd.  1  S.  313;  ferner  (mit  Jahreszahl  1302)  bei  Bouthors 
Bd.  1  S.  469,  475:  „Chi  parole  du  respit  de  Saint  Fremin.  Sachent  tout  chil 
qui  kuellent  le  respit  Saint  Fremin.  Que  tout  li  bourgois  doivent  iij  par. 
chascuns,  et  les  veves  autant  a  rendre  a  le  Saint  Fremin  chascun  an :  Et  qui 
se  marie  il  doit  iiij  sestiers  de  vin  ij  sestiers  du  plus  kier  et  ij  sestiers  du 
plus  bas  fuer;  Et  qui  entre  en  le  commugne  il  doit  XVIII  deniers.  Sen  a 
li  sergens  iij  deniers  qui  doit  amener  chelui  en  le  commugne  a  chelui  qui 
kuelle  le  respit.  Tout  chiaus  qui  sont  extrait  de  bourgoisie  d'Amiens  et 
manans  as  viles  doivent  chascun  iij  deniers  et  le  vin  des  neuches  et  le  vin 
des  cors  fors  de  chiaus  du  chapitre  qui  ne  doivent  que  doubliau  denier 
j.  autant  de  vin  pour  leur  neuches.  j.  autant  de  vin  pour  leur  cors.  qui  li 
bourgois  qui  sont  manans  k  Amiens.  Exceptes  chiaus  de  Polainville  qui  ne 
paient  ne  cors  ne  neuches  fors  ij  deniers  s'il  ne  vont  hors  manoir  de  chele 
vile.  Ne  si  ne  doivent  nient  chiaus  qui  nont  femmes  ou  nont  eues.  Et  si 
sont  tous  jours  kuite.  Tres  kachou  qnil  se  marient,  ne  se  puct  nus  oster  du 
respit  Saint  Fremin  ne  li  respiteur  ni  puent  mcttre  arme  se  il  nen  est  de  droit 
estoc.  Sache  bien  que  uns  hons  (jui  prcnt  femme  (lui  soit  du  respit  ou 
femme  prenge  baron  qui  en  soit,  il  nen  pueent  .jamais  estre  hors  ne  leurs  en- 
fants;  ne  lcur  femme  nen  puet  estre  hors  puis  que  ses   barons  scra  mors".  .  . 


Ka])itoI    li>.    Ileirathsabf^abon  in  Frankreioli.  99 

Franken,  sobald  .sie  wolle ,  abzulosen  ^  Danach  erfolgte  die 
Ablosung-  am  28.  Juli  desselben  Jahres  ^.  —  In  einem  Buch 
vom  Jahr  1767  wird  gcmeldet:  „Jeder  Einwohner  von  llue 
war  verpfliclitet,  an  den  Grafen  von  Pontliieu  eine  Abg-abe  de 
pudore  corporis  sui  zu  entrichten."  ^  Und  in  einer  Schrift  vom 
Jahr  1878  wird  daran  folgende  Erzahlung  gekniipft:  „Rudolph, 
Graf  von  Guines,  liatte  den  Bewohnern  von  Ham  das  Recht  auf 
eine  ahnliche  Abgabe,  die  am  Tag  der  Hochzeit  erhoben  wurde, 
als  Lehen  bewilligt.  Diese  Abgabe  wurde  durch  Graf  Manasses, 
auf  Andrangen  seiner  Gemahlin ,  abgeschafft ,  weil  eine  Frau, 
Namens  Harnide,  sich  dariiber  beschwerte,  dass  die  Gerichts- 
diener  ihr  eine  grosse  Beschiimung  bereitet  hiitten,  indem  sie 
von  ihr  die  Abgabe  in  dem  Augenblick  begehrten,  als  sie  sich 
ins  Ehebett  legen  wollte."  '^  Wcnn  diese  Erziihlungen  auf  Wahr- 
heit  beruhen,  so  sind  sie  auf  Heirathsabgaben  zu  beziehen,  und 
es  liegt  kein  Grund  vor,  einen  schimpflichen  Ursprung  dieser 
Abgaben  vorauszusetzen. 

Champagne.     Ein   Freibrief  der  Stadt    Tannay   vom  Jahr 
1352    enthalt   fiir   die  Herrscliaft   das  Yerbot,    von    uen   Einwoh- 


»  Urth.  des  Parl.  zu  Paris  v.  9.  Juni  1391,  in  der  Bibl.  Nat. ,  Coll.  de 
Pieardie,  D/)m  Grenier,  vol.  158  fol.  144 — 146  (aus  dem  Archiv  von  Amiens, 
cote  B  fol.  XLVII  recto).     Vgl.  Gall.  Christ.  Bd.  10  S.  1197. 

*  Daire  Bd.  2  S.  84.  Unbegriindet  ist  die  Meinung  von  Delpit  (S.  40,  41) 
und  Labessade  (S.  19)  ,  dass  diese  Abgabe  durch  Ablosung  des  Herrenrechts 
der  ersten  Nacht  entstanden  sei.  Eigentlich  bedeutete  respit  (lateinisch  re- 
spectus)  eine  Jahresabgabe  (Ducange  unter  Respectus),  und  „respit  de  Saint- 
Fremin"  diejenige  Jahresabgabe,  welche  an  den  Bischof  als  einen  der  vier 
Landesherren  zu  zahlen  war ;  der  Name  erinnert  an  den  Martyrer  Fremin 
oder  Firmin ,  ersten  Bischof  von  Amiens  (260 — 303).  Vgl.  Thierry ,  Mon. 
Bd.  1  S.  3.  Die  Abgabe  betrug  anfanglich  vier  Pfennige  fiir  jeden  selb- 
standigen  Haushalt  und  ward  durch  Vergleich  vom  6.  Nov.  1226  fur  eine 
durch  die  Stadt  Amiens  gezahlte  Kapitalsumme  von  180  Fr.  auf  drei  Pfennige 
herabgesetzt.  Vgl.  Urk.  vom  6.  Nov.  1226,  bei  Daire  Bd.  2  S.  377  und  bei 
Thierry,  Mon.  Bd.  1  S.  200,  201,  auch  Ducange  unter  Respectus.  Neben 
dieser  Hauptabgabe  stand  die  Heirathsteuer  in  demselben  Verzeichniss,  obwohl 
sie  zu  dessen  Ueberschrift  (respit)  eigentlich  nicht  passte. 

^  Hist.  de  Ponthieu  Bd.  1  S.  237,  238:  „chaque  habitant  de  Rue  ^tait 
oblige  de  payer  au  Comte  de  Pontieu  un  droit  de  pudore  corporis  sui.'- 
Dieselbe  Nachricht  will  Labessade  in  einem  Coutumier  vom  Jahr  1770  ge- 
funden  haben;  er  schreibt  (S.  74):  „chaque  habitant  de  la  ville  de  Rue,  dans 
le  Ponthieu,  payait  un  droit  de  pudore  corporis  sui."  Die  wahre  Quelle  dieser 
Nachrichten  ist  mir  nicht  bekannt;  doch  ii5t  es  moglich,  dass  zu  Rue  eine 
Heirathsabgabe  unter  dem  Namen  „droit  de  culage"  bestanden  hat.  •Vgl.  iiber 
diesen  Ausdruck  Kap.  18  S.  94 — 97. 

*  Labessade  S.  74,  75. 

7* 


JOO  Kapitel  19.    Heirathsabgaben  in  Frankreich. 

nern  bei  deren  Heirath,  „pour  cause  de  nocailles",  eine  Ab- 
gabe  zu  verlangen  ^  In  einem  Lelinsverzeichniss  Ludwigs  von 
Sainte-Maure ,  als  Herrn  von  Caenchi,  Saulx  und  Richebourg, 
vom  Jahr  1615  ist  gesagt:  „Ferner  haben  wir  bei  Heirathen, 
die  in  der  Kirche  von  Saulx  geschlossen  werden,  das  Recht,  von 
den  Neuvermahlten  das  Hochzeitsgericht  (mets  de  mariage)  zu 
erhalten,  welches  die  Frau  in  Begleitung  von  Spielleuten  bis  ins 
Schloss  bringen  muss;  das  Gericht  muss  bestehen  aus  einem 
Hammelstiick,  zwei  jungen  Hiihnern,  zwei  Quart  AVein  im  Werth 
von  vier  Pinten  (pintes),  vier  Broten ,  vier  Kerzen  und  Salz 
(und)  am  Hochzeitstage  (iiberreicht  werden) ,  bei  Yermeidung 
einer  Strafe  von  sechzig  Sous."  ^ 

Burgund.  Ein  Herr  von  Thomirey  klagte  auf  Entrich- 
tung  der  Abgaben  fiir  formariage,  weil  zwei  Frauen,  die  aus 
seinem  Dorf  stammten,  vor  siebenundzwanzig  Jahren  ausserhalb 
seiner  Herrschaft  geheirathet  hatten ;  diese  Klage  ward  durch 
Urtheil  des  Parlaments  zu  Dijon  vom  7.  December  1626  abge- 
wiesen,  weil  der  Klitger  die  Liegenschaften  der  beiden  Frauen 
inzwisclien  durch  Erbschaft  erlangt  hatte  ^. 

Berry.  Es  wird  erziihlt,  zu  Mareuil  habe  der  Brautigam 
bei  einer  ersten  Heirath  einen  Spielball  von  zweiunddreissig  Yier- 
ecken  und  neun  Farben,  bei  einer  zweiten  Heirath  ein  neues  Billard 
von  2^2  Fuss  mit  dem  Kolben  und  zwei  neuen  Kugeln,  bei  einer 
dritten  Heirath  noch  ein  Billard  oder  zwei  Giinschen  und  zwanzig 
Pfennige  an  den  Grundherrn  entrichten  miissen  *.  Dem  Herrn 
de  la  Motte  im  Kirchspiel  Masce  soll  bei  Hochzeiten  seiner  Unter- 
thanen  unter  dem  Namen  mets  de  mariage  dasselbe  Recht  zu- 
gestanden  haben,  wie  dem  Herrn  de  la  BouIIaye  in  der  Nor- 
mandie  ^, 

Poitou.  Der  Priester  Lambert  von  Ardes,  der  zur  Zeit 
des  Konigs  Philipp  August  (1180—1223)  lebte  ^,  theilt  eine  Frei- 


1  Libert.  villae  de  Tannay  an.  1352,  art.  14,  bei  Carpentier  unter  Nup- 
tiaticum:  „Ne  pourront  demander  lidit  seigneur  et  dames  es  diz  habitanz  ne 
avoir  d'iceulx  nulle  chose  pour  cause  de  ost,  de  chevauchee,  de  subvencion, 
.  .  !  de  mortailles,  de  no^ailles  (male  dictum  Notailles),  de  chevalerie"  etc. 

^  Charta  Ludovici  de  Sainte-Maure  D.  de  Caenchi,  de  Saulx  et  de  Riche- 
bourg  ann.  1615,  bei  Ducange  unter  Missus;  ^NIichelet  S.  26G ;  Bouthors  Bd.  1 
S.  470. 

^  Brillon  Bd.  2  S.  924  (aus  Xaintonge,  Plaidoyers  S.  595). 

*  Pastoret  S.  XV. 

*  Laurifere  Bd.  2  S.  112,  untcr  Regal  dc  Mariage  (von  Thaumassiere). 
Vgl.  oben  Kap.  18  S.  94. 

*  Ducange,  im  Register  unter  Lambertus.     Gall.  CIu'ist.  Bd.  2  S.  1281. 


Kapitel   19.    Iloiratlisaligahcn  in  Frankroich.  101 

lassungsurkiin<le  niit,  wonach  dio  Freigelasscncn  und  dcren  Nach- 
kommen  an  don  Abt  eines  Klosters  jahrlich  oinon  Pfennig  und 
bei  jedor  Hoirath  und  jedem  Todosfall  vior  Pfennige  zu  zahlen 
liatton  K 

8aintong-e.  Die  Ileirathsabgaben,  die  in  Saintonge  be- 
standen,  sollen  schon  im  zwolften  Jahrhundert  durch  die  Konigin 
Eleonoro,  Herzogin  von  Guyenne,  aufgehoben  worden  sein  ^. 

Limousin.  In  Limousin  scheint  eine  Niederlassungsteuer 
unter  dem  Namen  „droit  de  gendrage"  fiir  den  Fall  bestanden 
zu  haben ,  dass  die  neuvormahlton  Manner  bei  den  Schwieger- 
eltern  Wohnung  nahmen :  die  Hoho  dieser  Abgabe  hing  von 
der  durch  die  Manner  mitgebrachton  Kapitalsumme  ab  ^.  —  In 
Montmalier,  einer  Vorstadt  von  Limoges,  bestand  ein  Gowohn- 
heitsrocht,  wonach  dio  Frauen,  oder  ihro  Manner  fiir  sie,  bei  der 
Yerraahlung  und  bei  der  Entbindung  mehr  oder  weniger  als  einen 
Thaler,  nach  Massgabo  ihres  Ranges,  zu  zahlen  hatten.  Man 
"nannte  diese  Abgabe  „droit  do  couillage".  Die  Bewohner  cedirten 
den  Anspruch  auf  dieso  Abgabe  an  die  Augustiner  zu  Limoges. 
Ein  einzelner  Bewohner  orkannte  jedoch  die  Cession  nicht  als 
giiltig  an  und  klagte  gegen  einen  gewissen  Duran,  dessen  Gattin 
entbunden  war,  auf  Zahlung  der  Abgabe  (zur  Ortskasse).  Der 
Beklagto  wurde,  obwohl  die  Augustiner  zu  seinon  Gunsten  inter- 
venirten,  durch  den  Senechal  von  Limousin  verurtheilt;  zugleich 
wurde  don  Augustinern  die  Einziohung  dieser  Abgabe  vorboten, 
Dies  Yerbot  ward  in  dor  Berufungsinstanz  durch  Urtheil  des 
Parlaments  zu  Bordeaux  vom  Februar  1620  wiederholt.  Ob  die 
Yerurtheilung  zu  Gunsten  des  Hauptklagers  bestehen  blieb,  ist 
aus  dem  Bericht  von  Automne  nicht  zu  ersehen''. 


'  Lambertus  Ardensis.  pag.  163.  bei  Ducange  unter  Capitale ,  num.  5: 
„Manumisit  et  liberos  resignavit,  dum  ipsi  et  ipsorum  et  posteri  et  successores 
Abbati  jam  dicto  et  ejus  successoribus  annua  pensione  singulos  redderent 
denarios,  et  in  nuptiis  et  in  morte  quatuor." 

2  Veuillot  2.  Aufl.  S.  220. 

^  Galland  bei  Lauriere  unter  Gendrage:  „Droit  qui  se  prend  par  usur- 
pation  par  quelques  Seigneurs  du  Limousin  ;i  raison  de  Targent  que  portent 
les  nouveaux  maries,  allant  loger  et  demeurer  chez  leurs  beaux  peres,  ou 
chez  leurs  femmes."  Encycl.  meth. ,  jurispr.,  unter  Gendrage  (von  Garran  de 
Coulon)      Michelet  S.   265.     Brunet  S    172. 

*  Automne  tit.  8  S  1  (art.  81)  S.  477:  .  .  .  ,,Le  different  qui  estoit  entre 
les  habitans  de  Montmalier.  fauxbourg  de  Limoges,  et  les  Augustins,  n'est 
pas  hors  de  propos.  La  coustume  estoit  de  tout  temps  que  les  nouvelles 
mariees  et  les  nouvelles  accouchees  payoient  un  escu,  plus  ou  moins,  selon 
leur  qualite.     Les  habitans  cedcnt  ce  droit  aux  Religieux  des  Augustins:    un 


102  Kapitel  19.    Heirathsabgaben  iii  Frankreich. 

Querci.  Die  Eiuwolmer  der  Stadt  Fons  stritten  mit  dem 
dortigen  Kloster  iiber  eine  hergebrachte  Getreideabgabe,  die  das 
Kloster  bei  jeder  Heirath  in  der  Stadt  begehrte;  die  Einwohner 
wollten  dieselbe  bloss  dann  leisten,  wenn  der  Prior  auf  Yerlangen 
seine  Sanfte  hergabe,  um  die  Braut  zur  Kirche  zu  tragen.  Dieser 
Streit  ward  durch  schiedsrichterliches  Urtheil  des  Juristen  Geraud 
de  Sabanac  am  30.  Dec.  1296  (ultra  petitum)  dahin  entschieden, 
dass  die  Abgabe  fiir  die  Zukunft  ganzlich  wegfallen  sollte  *. 

Languedoc.  Ein  Urtheil  des  Parlaments  zu  Toulouse 
vom  20.  Juli  1468  entschied,  dass  dem  Armand  de  Polignac,  als 
Prior  des  Klosters  im  Marktflecken  Dumiere-,  bei  Heirathen, 
die  in  der  Ortskirche  von  Ortsangehorigen  geschlossen  wurden, 
AYein,  Brot  und  Speck  oder  gesalzenes  Fleisch  in  der  durch  das 
Urtheil  bezeichneten  Menge  zu  liefern  war  ^. 

Bigorre,  Nach  einer  Urkunde  vom  1.  Juli  1313  hatten 
die  Einwolmer  des  Thales  von  Lavedan  dreissig  Sous  zu  zahlen, 
wenn  sie  einen  Sohn  oder  eine  Tochter  ausserhalb  der  Herrschaft 
verheiratheten  '^. 


des  habitans  s'estant  phxiiict  de  ce  droict  cede.  fait  assigner  un  nomme  Duran 
pour  ]3ayer  ce  droict,  parce  que  sa  femme  s"estoit  accouchee;  les  Augustins 
prennent  la  cause  pour  Duran,  qui  refuse  payer.  Par  sentence  du  Seneschal 
est  ordonne  que  Duran  payera  ledit  droict;  mais  inhibitions  sout  faictes  aux 
Augustins  d'exiger  ce  droit  qu'on  appelle  en  ce  lieu  droit  cle  couillage.  Appel 
en  la  cour.  Par  arrest  de  Bourdeaus,  du  mois  de  fevrier  1620,  plaidans 
Cotsage-le-jeune  et  Ardent,  president  M.  de  Gourgue,  l'appel  et  ce  dont  a 
ete  appelle  est  mis  au  neant,  et  inhibitions  sont  faictes  aux  Augustins  d'exiger 
ce  droict."  Ohne  Grund  finden  Delpit  (S.  88,  89)  und  Labessade  (S.  27  Nr.  60 
und  S.  43)  in  vorstehender  Urkunde  einen  Beweis  flir  das  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht. 

1  Urk.  V.  30.  Dec.  1296,  bei  Veuillot  2.  Aufl.  S.  298,  299  (aus  einer  Mit- 
theilung  von  M.  Lacabane):  „Item  super  eo  quod  predicti  Prior  et  Conventus 
dicebant  et  asserebant,  se  habere  et  se  fuisse  in  sazina  et  possessione  ab  an- 
tiquo  habendi  et  levandi  unum  sestarium  razum  avenae  a  quolibet  nubente 
in  dicta  villa.  Dictis  consulibus  in  contrarium  asserentibus  et  dicentibus 
dictum  Priorem  esse  in  sazina  percipiendi  dictum  sestarium  avenae,  razum  ad 
niensuram  veterem,  tamen  ab  illis  tantum  quibus  requisitus  accommodabat 
suum  palefredum  ad  portandam  sponsam  ad  ecclesiam  et  non  ab  aliis."  L'arbitre 
abolit  la  coutume:  „Item  quod  prefati  sint  quiti  et  liberi  deinceps  a  presta- 
tione  dicti  sestarii  avenae  ratione  nuptiarum  et  ab  aliis  quae  praedicto  Priori 
occasione  praedicta  prestare  consueverunt."  Diese  Urkunde  erwahnen  Delpit 
(S.  106,  107)  und  Labessade  (S.  28  Nr.  65  und  S.  43)  ohne  Grund  als  einen 
Beweis  fiir  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht. 

^  Duniere  in  Languedoc? 

*  Urth.  Parl.  Toulouse  v.  20.  Juli   1468,    bei  Dueaiige  uiiter    Plat  nuptial. 

*  Lagreze   1864,  S.   129. 


Kapitel  20.    Heirathsabgaben  In  Bolgien.  103 

Ein  Ueberblick  iiber  alle  erwalmten  Heirathsabgaben,  die 
im  Gebiet  des  heutigen  Frankreich  erhoben  wurden,  bietet  keine 
Yeranlassung,  an  eincn  unsittlichen  Ursprung  derselben  zu  denken. 

C.    Hoiratlisabgabeu  iii  «leii  Xiederlaudeii. 
1,    Belgiex. 

Kapitel  20.  Nach  Inhalt  einer  vom  5.  April  982  datirteu 
unachten  Urkunde,  die  etwa  im  zwolften  Jahrhundert  angefertigt 
sein  mag,  bestatigte  Kaiser  Heinrich  I.  die  durch  den  hl.  (ierard 
gegriindete  Stiftung  der  Abtei  Bronium  (Brogne)  im  Bisthum 
Namur ;  danach  soUte  der  Abt  ausser  andern  Einkiinften  auch 
Anspruch  auf  die  Heirathsteuern  (abmatrimonia)  haben,  welche 
bis  dahin  dem  Stifter  zugestanden  hatten  ^  Der  im  Jahr  977 
oder  982  gestorbene  Grraf  Eilbert  verschenkte  seine  Herrschaften 
theils  an  seine  beideu  Stiefsohne  Grottfried  und  Arnulph,  theils 
an  die  Kirche  und  Abtei  zu  Wassiors  (Walciodurum) ,  mit  der 
Bestimmung,  dass  die  Horigen  dieser  verschiedenen  Herrschaften 
bei  wechselseitigen  Heirathen  von  der  unter  dem  Namen  „bathi- 
nodium"  hergebrachteu  Steuer  ebenso  befreit  sein  sollten ,  als 
wenn  die  getheilten  Gebiete  noch  eine  einzige  Herrschaft  bil- 
deten  2.  Das  \Yort  bathinodium  erinnert  an  badimonium,  vadi- 
monium  oder  Beddemund  ^.     Auch  kann    es    aus  ^bat"   (Nutzen)"^ 

»  Urk.  V.  5.  April  932,  bei  Miraeus,  Cod.  Don.  S.  123—126:  Mon.  Germ., 
Diploniatum  Regum  et  Imp.  tom.  I  Nr.  43,  S.  77—79:  .  .  .  .,Et  in  hiis  locis 
et  in  omnibus  quae  possidet  concedimus  et  confirmamus  ei  bannum  et  justiciam, 
impetum  et  burinam,  ictum  et  sanguinem  reperturum,  pergum  regium,  fora, 
thelonia,  vicecomitatum,  wagaria,  rectum  et  non  rectum,  vectigalia,  et  quidquid 
pertinet  ad  judicatum,  integritatem  Reipublicae,  et  incolumitatem,  et  campestria 
et  silvestria  jura,  et  mortimanus  suas  et  abmatrimonia  tam  libere  in  sem- 
piternura  possideat,  sicut  fundator  ipsius  loci,  nobili  prosapia  natus,  ante  con- 
versionem  suam  possederat."  Ueber  die  Unachtheit  dieser  Urkiinde  vgl.  Stumpf 
S.  6;  Mon.  Germ.,  Dipl.  Reg.  et  Imp.  Bd.  1  S.  77;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

2  AA.  SS.  30.  Aprilis,  Bd.  3  S.  821,  822,  de  S.  Forannano,  cap.  3  §  21:  .  .  . 
„Constituit  praeterea  quatenus  ex  his  duabus  partibus  et  potestatibus,  quasi 
gens  una  et  populus  unus,  sibi  invicem  familiae  baererent,  et  sine  exactione 
contrarii  et  bathinodii  quaestu  Florinensis  homo  ex  Walciodorensi  potestate 
mulierem  sumens,  legitime  sibi  parem  ducat;  sicut  versa  vice  similiter  Wal- 
ciodorensis,  de  Florinensi  potestate  mulierem  sumendo,  faciet.'"  Vgl.  Dalrymple 
Bd.   1    S.  321;    Bonnemere  Bd.  1    S.  59;    Labessade   S.  23  Nr.  41  und  Nr.  42. 

3  Vgl.  Kap.  22  S.  125-128.  G.  Waitz  (Bd.  5  S.  237)  sagt  iiber  badi- 
monium :  „Es  ist  wohl  Uebersetzung  von  beddemund,  nicht  umgekehrt." 

*  Gothisch  „botan";  in  dem  plattdeutschen  und  alemannischen  Ausdruck 
„es  battet  nichts"',  d.  h.  es  niitzt  nichts,  erhalten. 


104  Kapitel  20.    Heiralhsabgaben  in  Belgien. 

und  „Nod"  (Genosse)  hergeleitet  und  danach  als  Nutzen  von 
Genossen  (Eheleuten)  erklart  werden.  Offenbar  verfehlt  ist  die 
Meinungi,  bathinodium  konne  mit  „Bed-nood"  iibersetzt  und  fur 
eine  Steuer  zur  Ablosung  des  beriichtigten  Herrenrechts  gehalten 
werden. 

Durch  Stiftungsurkunde  vom  Jahr  1133  erwarb  der  Abt  des 
im  selben  Jahr  gegriindeten  Pramonstratenserklosters  zu  Tongerlo 
von  der  adeligen  Dame  Alpeda  das  Recht,  von  ihren  Nachkommen 
bei  deren  Heirath  sechs  Pfennige  zu  beziehen  ^,  Im  Jahr  1173 
schenkte  Walter  von  Mauretanien,  Bischof  von  Laon,  dem  Stift 
zu  Tournai  die  Leibeigenen,  die  er  im  dortigen  Gebiet  hatte, 
mit  der  Bestimmung,  dass  dieselben  bei  ihrer  Heirath  zwei  Sous 
an  das  Stift  zu  zahlen  hatten  ^.  Li  einer  Lrkunde  vom  29.  Mai 
1243  erklarten  der  Burgvogt  (Chatelain  "*)  Hugo  von  Gent  und 
dessen  Gemahlin  Maria  die  Freilassung  ihrer  Leibeigenen  zu 
Gunsten  der  Marienkirche  zu  Antwerpen ;  und  die  Freigelassenen 
begaben  sich  mit  ihrer  I^achkommenschaft  in  Horigkeit  dieser 
Kirche,  mit  der  Yerpflichtung,  bei  jeder  Heirath  sechs  Pfennige 
an  die  Kirche  zu  zahlen  ^.  In  einer  iihnlichen  Urkunde  vom 
Jahr  1251,  die  von  (^emselben  Hugo,  Yogt  von  Gent,  herriihrt, 
wurde  die  Abgabe  von  der  Heirath   ebenfalls  auf  sechs  Pfenniffe 


1  AA.  SS.  30.  aprilis,  de  S.  Forannano,  Bd.  3  S.  822 :  „Bathinodium  .  . .  intelligo 
quod  nos  leniori  dialecto  Bed-nood  possemiis  dicere,  quo  significetur  redimendi 
concubitus  sive  lecti  necessitas :  quae  inter  servos  glebae  ut  vocant  (quales 
etiam  in  Belgio  olim  erant  rustici  et  adhuc  multi  sunt  in  Frisia  et  Germania) 
et  dominos  eorum  intercedebat".  .  .  .  Ducange  unter  Bathinodium.  Le  Si^cle 
du  26  sept.  1854.     Labessade  S.  96. 

2  Urk.  V.  1133,  bei  Miraeus,  Not.  eccles.  cap.  144,  S.  383,  384:  ...  „tam 
viri  quam  feminae  singulis  annis  pro  capitali  censu  unum  denarium  Antwer- 
piensis  monetae,  in  Nativitate  B.  Mariae,  saepe  dictae  ecclesiae  persolvere 
debeant,  et  sex  de  matrimonio  contrahendo ,  et  sex  in  obitu ,  ejusdem  mo- 
netae"  .  .  .     Vgl.  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  25;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  239. 

3  Urk.  v.  1173,  bei  Miraeus,  Don.  Belg.  lib.  1  cap.  71,  S.  144:  „De  uno- 
quoque  eorum,  tam  servo  quam  ancilla,  habebitis  annuatim  sex  denarios  cen- 
suales,  et  de  mortua  manu  duos  solidos  et  cle  maritagio  duos  solidos."  Dar- 
aus:  v.  d.  Schelling  Bd.   1  S.  141;  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  25. 

*  Chatelain  war  in  Flandern  ein  Beamter,  welcher  ein  militiirfsches  und 
zugleich  richterliches  Amt  als  erbliches  Lehen  besass.  Warnkonig  Bd.  1 
S.  357. 

5  Urk.  v.  29.  Mai  1243.  bei  Miraeu.s,  Dipl.  Belg.  lib.  2  cap.  88,  S.  396:  .  .  . 
,,Manumissi  autem  singuli,  in  praesentia  nostra,  obtulerunt  semetipsos  dictae 
ecclesiae,  cura  omni  posteritate  sua,  ad  duos  denarios  Flandrcnses  solvcndos 
annuatim  in  Assumptione  B.  Mariae  nomine  censiis  capitalis.  ct  qiianfJu  iiubiint 
sex  denarios  Flandrenses,  duodecim  vcro  quando  moriuntur."  Daraus:  Du- 
cange  unter  Capitale. 


Kapitol  '20.    Ileirathsabgaben  in   Helgien.  105 

festgesetzt  ^.  Am  2,  Januar  1314  verkiindete  Sigerius  von  Liede- 
kercke,  als  Herr  dc  Boulario,  in  der  Hadrianskirche  zu  Geraldi- 
monte  die  Freilassung-  seiner  namcntlicli  bczeiclmeten  Leibcigenen, 
die  er  in  den  Dienst  der  genanntcn  Kirclie  iibergab,  mit  der 
Bestimmung,  dass  sie,  ausser  andern  Abgabcn,  bei  ihrer  Hcirath 
sechs  Pfonnige  an  dic  genannte  Kirche  zu  entrichten  hattcn  ^. 

Neununddreissig  (in  einer  Sammkmg  von  sechshundert  und 
siebzehri)  Urkunden  aus  der  Benedictinerabtei  Sanct-Trond  (im 
Bisthum  Liittich)  enthalten  Bestimmungcn  iiber  Heirathsabgaben. 
Yon  diesen  Urkunden  stammen  drei  aus  dem  elften,  sechzehn 
aus  dem  zwolften  und  neunzehn  aus  dem  dreizehnten  Jahrhun- 
dert,  dagcgen  keine  aus  spiitercr  Zeit';  von  densclben  wurden 
acht  zur  Zeit  des  Abts  Wiricus  (1150  —  1180)  und  achtzehn  zur 
Zeit  des  Abts  Christian  (1193  -  1222)  aufgenommen.  Durch  diese 
L"rkunden  wurde  entweder  den  darin  bezeichnetcn  Personen  das 
Recht  der  Altarhorigkeit  zuerst  bewilligt,  oder  auf  ihr  Ansuchen 
festgestellt ,  dass  sie  schon  von  altcrcr  Zcit  lier  der  Abtci  an- 
gehorten.  Dafiir  hatten  dicse  Altarhorigcn ,  ausscr  eincr  Kopf- 
steuer  mit  jahrli<h  eincm  Pfennig,  zumeist  noch  andere  Steuern, 
darunter  auch  Heirathsabgaben  ^,  zu  entrichten.  Yiele  dieser 
Altarhorigen  hatten  bei  jcder  Heirath  unter  Gcnossen  ncun  Pfcn- 
nige  (fiir  die  Heirathserlaubniss)  zu  zahlen  ^.     Fiir  Hcirathen  un- 


*  Urk.  V.  1251.  bei  Lauriere  unter  CuUage :  „Ita  quod  singulis  annis  in 
Festo  beati  Bertulphi  duos  denarios  de  capite,  sex  de  »iafyii)iO)iio ,  et  duo- 
decim  de  morte  persolvant>" 

2  Urk.  V.  2.  Jan.  1314,  bei  Miraeus,  Don.  Belg.  lib.  1  cap.  129,  S.  282:  .  .  . 
„et  eosdem  obtuli  sub  schola  beato  Adriano  de  Geraldimonte,  servituros 
ecclesiae  de  duobus  denariis  nomine  census  capitalis  annuatim,  ad  matrimonium 
de  sex  denariis,  et  ad  mortem  de  duodecim,  monetae  Flandriae,  et  mihi  vel 
heredi  meo,  mediante  meliori  catallo,  ab  ipsis  conferendo  in  morte  ipsorum". 
Daraus:  Lauriere  unter  Cullage  (mit  dem  Fehler  2  statt  6  Pf.) :  Ducange  unter 
Capitale:  v.  d.  Schelling  Bd.   1  S.   141,   142. 

'  Dies  kann  jedoch  nur  unter  Vorbehalt  cines  miiglichen  Irrthums  lie- 
hauptet  Averden 

*  In  einigen  andern  Urkunden  dieser  Art  aus  dem  dreizehnten  Jahr- 
hundert  ist  zwar  die  Kopfsteuer  festgestellt ,  jedoch  keine  Rede  von  einer 
Heirathsabgabe.  Vgl.  die  Urkunden  vom  24.  Febr.  1227,  vom  19.  Marz  1242, 
vom  4.  Juli  1247  und  vom  Mai  1262,  bei  Piot  Nr.  152,  172,  194  und  256, 
Bd.  1  S.  187,  206,  194  und  307,  308.  Daher  scheint  der  Gebrauch,  den  Altar- 
horigen  von  Sanct-Trond  eine  Heirathsabgabe  aufzuerlegen,  im  Lauf  des  drei- 
zehnten  Jahrhunderts  allmahlich  ausser-  Uebung  gekommen  zu  sein.  Aus 
spaterer  Zeit,  als  dem  dreizehnten  Jahrhundert,  finde  ich  iiberhaupt  keine 
Urkunde  aus  Sanct-Trond  iiber  Rechte  und  Pflichten  von  Altarhorigen. 

*  Eine  solche  Abgabe  ist  in  folgenden  neunundzwanzig  Urkunden  erwiihnt. 


106  Kapitel  20.    Heirathsabgaben  in  Belgien 

ter  Ungenossen  wurde  nach  einigen  Urkunden,  falls  der  Mann 
zur  'Abtei  gehorte,  die  Hohe  der  Heirathsabgabe  durch  den  i^bt 
nach  freiem  Ermessen  bestimmt  ^  Dagegen  war  durch  einige  Ur- 
kunden  des  dreizehnten  Jahrhunderts  allgemein  (ohne  Beschran- 
kung)  eine  Heirathsabgabe  von  neun  Pfennigen  festgesetzt  ^,  wo- 
raus  sich  entnehmen  liisst,  dass  die  in  diesen  Urkunden  bezeich- 
neten  Altarhorigen ,  sowohl  Manner  als  Frauen,  gegen  Entrich- 
tung  der  Abgabe  berechtigt  waren,  sich  nach  freier  Wahl  mit 
Genossen  oder  mit  Ungenossen  zu  verheirathen ;  und  eine  Urkunde 
vom  Jahr  1168  bestimmte  ausdriicklich  fiir  jede  Heirath,  mochte 
dieselbe  unter  Genossen  oder  Ungenossen  geschlossen  werden,  eine 
Abgabe  von  sechs  Pfennigen  ^.  Andere  Altarhorige  waren  ver- 
pflichtot ,  bei  Heirathen  unter  Ungenossen  neun  Pfennige  zu  ent- 
richten'':    woraus   zu  folffern   ist,    dass    bei   ihnen   die   Heirathen 


aiis  der  Zeit  von  1072—1075,  1088,  1129.  1152.  1150-1180  (zwei) ,  1158 
(zwei),  1172,  1180—1193,  1186,  1191,  1193—1222,  1200,  1208  (zwei),  1209, 
1210  (zwei),  1211,  1212  (drei) .  1213,  1216,  1217  (zwei),  1222  und  vom 
14.  Juli  1240,  bei  Piot  unter  Nr.  17,  20,  32,  60,  65,  66,  68,  69,  91,  101,  109, 
111,  114,  117,  119,  120,  122,  124  bis  126,  129  bis  132,  135,  136,  138,  141 
und  166,  Bd.  1  S.  24,  27,  41,  83,  88,  89,  91.  92,  120,  139,  148,  151,  155, 
157,  160—166,  168—170,  173-175,  177  und  201.  In  den  meisten  dieser  Ur- 
kunden  ist  der  Mann  (Brautigam)  als  der  Zahlungspflichtige  bezeichnet.  Als 
Empfiinger  der  Abgabe  ist  in  den  Urkunden  Nr.  17  und  20  der  Custos,  in  der 
Urkunde  Xr.   119  der  Abt  erwiihnt. 

*  Vgl.  die  Urkunden  des  Abts  Nicolas  von  1181  und  1186,  bei  Piot 
Nr.  103  und  109,  Bd.  1  S.  140  und  148.  Auch  die  Urkunde  des  Abts  Ro- 
dulfus  von  1129,  bei  Piot  Nr.  32,  Bd.  1  S.  41 ,  diirfte  hierhin  gehoren,  da 
dem  Anschein  nach  im  Abdruck,  Seite  42  Zeile  5,  ein  Druckfehler  (extra- 
neum  statt  extraneam)  vorliegt.  Nach  den  oben  Kap.  12  S.  60,  61  erwahnten 
Urkunden  bedurften  die  betrefifenden  Manner  zur  Verheirathung  mit  einer 
Ungenossin  unbedingt  der  Erlaubniss  des  Abtes.  Aus  allen  diesen  Urkun- 
den,  die  nur  von  ^lannern  sprechen,  ist  zu  folgern,  dass  die  weiblichen 
Altarhorigen,  soweit  jene  Urkunden  auf  sie  Anwendung  fanden,  iur  Heirathen 
mit  Ungenossen  keine  Abgabe  zu  zahlen  hatten.  Dieser  Unterschied  erklart 
sich  dadurch,  dass  in  dem  einen  Fall  eine  fremde  Frau  durch  Verheirathung 
in  die  Altarhorigkeit  eintrat,  dagegen  ira  andern  Fall  eine  Altarhorige  durch 
Verheirathung  mit  einem  fremden  Mann  aus  der  Altarhorigkeit  ausschied, 
und  dass  nach  Inhalt  aller  hier  einschlagigen  Urkunden  die  Zugehorigkeit 
zur  Abtei  Sanct-Trond  als  ein  werthvoUes  Recht  betrachtet  wurde. 

^  Vgl.  die  Urkuiiden  des  Abts  Christian  von  1212  und  1217  und  des  Abts 
Heinrich  vom  29.  .luli  1270,  bei  Piot  Nr.  128,  137  und  277,  Bd.  1  S.  167, 
174  und  342. 

^  Urk.  des  Abts  Wiricus  v.  1168,  l)ei  Piot  Nr.  86,  Bd.  1  S.  113,  114:  ...  ..pro 
licentia    nubendi   sive  intra  sive  extra  potcstatem  sex  denarios  debeant  dare'^ 

*  Urk.  von  angeblich  1150  (vermuthlich  1160)  bei  Piot  Nr.  73,  Bd.  1  S.  96. 
Urk.  des  Abtes  Thomas   vom  10.  April  1241,  bei  Piot  Nr.   170,  Bd.  1  S.  205. 


Kapitel  20.    Heirath?abgaheii   iii   l?olgien.  107 

unter  Genossen  keiner  Abgabe  unterlagen.  Einige  Altarhorige 
hatten  nach  ausdriickliclier  Bestimnmng  bei  Heiratlien  unter  Ge- 
nossen  Nichts  zu  zahlen  K  Dass  unter  den  Altarhorigen  von 
Sanct-Trond  einige  Mauner  selbst  bei  Verheirathung  mit  Un- 
genossinnen  keine  Abgabe  zu  entrichten  hatten,  ist  zwar  in  kei- 
ner  Urkunde  (aus  der  Zeit  bis  zum  dreizehnten  Jahrliundert) 
direct  ausgesprochen,  ergiebt  sich  jedoch  aus  den  ini  Kapitel  12 
(Seite  62  Anm.  1)  ervvahnteh  Urkunden. 

Aus  dem  vorstehenden  Bericht  erhellt  die  Unmoglichkeit, 
die  in  den  angefiihrten  Urkunden  aus  der  Zeit  vom  elften  bia 
vierzelinten  Jalu-hundert  bezeichneten  Heirathsabgaben  auf  einen 
unsittlichen  Ursprung  zuriickzufuhren,  da  sie  durch  jene  Stiftungs- 
urkunden  zu  Gunsten  von  Klostern ,  Stiftern  oder  Kirchen  be- 
griindet  wurden. 

Nichtsdestoweniger  behaupten  einige  Schriftsteller,  es  hatten 
in  Belgien  Abgaben  bestanden,  die  aus  Ablosung  des  Herrenrechts 
der  ersten  Nacht  herriihrten.  Schon  Hector  Boeis  (Boethius)  fugt 
seiner  Nachricht  iiber  das  von  Konig  Evenus  erlassene  und 
von  Konig  Malcolm  III.  aufgehobene  Gesetz  hinzu^:  „Etwas 
Aehnliches  geschieht  in  einem  Flecken  nicht  weit  von  Lowen, 
W'0  der  Brautigam  die  Schandung  der  Braut  vom  Yorsteher 
des  Orts  ablost;  nirgends  hat  es  jemals  eine  unerhortere  Knecht- 
schaft  gegeben."  ^  Diesen  Satz  haben  die  Bollandisten ''^  und 
mehrere  neuere  Schriftsteller  ^  wiederholt.  Boxhorn  bemerkt  im 
Anschluss  an  die  Erklarung,  die  Skene  von  der  Marcheta  mulierum 
giebt:  „Solche  Abgaben  werden  bei  uns  in  Belgien  in  einigen 
Bezirkeu  noch  heutzutage  an  die  Herren  der  Ortschaften  be- 
zahlt."  '^  Keysler  sagt:  ^Solche  Abgaben,  Reste  der  zollpflichtigen 
Keuschheit,  bestehen  noch  iiberall  in  Belgien."  ^  Die  Bollan- 
disten  meinen,  Spuren  jenes  beriichtigten  Herrenrechts  fanden 
sich    noch    in    mehreren  Ortschaften  Belgiens  (sowie  in  Friesland 


1  Vgl.  die  Urkunden  von  1095  und  1165,  bei  Piot  Nr.  21  und  83,  Bd.  1 
S.  28  und  110.  Im  Wesentlichen  gleichbedeutend  und  nur  in  der  Fassung 
verschieden  ist  die  oben  Kap.  12  S.  60  erwilhnte  Bestimmung ,  wonach  einige 
Altarhorige  von  Sanct-Trond  zu  Heirathen  unter  Genossen  keiner  Erlaubniss 
des  Abts  bedurften. 

^  Vgl.  dariiber  Kap.  40. 

3  Boethius  lib.  12  fol.  260. 

*  AA.  SS    10.  junii  Bd.  2  S.  332.      - 

5  Delpit  S.  64.     Labessade  S.  23  Nr.  40. 

^  Boxhorn,  Anm.  zu  Suetonius  lib.  4  n.  40 

'  Keysler  §  64  S.  487. 


108  Kapitel  21.    Heirathsabgaben  in  Holland. 

und  Deutschland),  ^wo  gesagt  wird,  dass  die  Bauern  das  Reclit 
der  ersten  Nacht  durch  eine  Abgabe  vom  Grundherrn  einlosen. 
Obwohl  namlich  das  Christenthum  den  abscheulichen  Missbrauch 
des  alten  Heidenthums  abgeschafft  hat,  nach  welchem  der  erste 
Beischlaf  dem  Herrn  iiberlassen  wurde,  so  blieb  doch  der  An- 
spruch  auf  eine  bestimmte  Geldsumme,  die  der  Brautigam  zur 
Anerkennung  des  Herrenrechts  zu  zahlen  hatte ;  unter  Aenderung 
des  Eechts,  soweit  es  mit  der  Religion  in  Widerspruch  stand, 
bleibt  die  Bezeichnung  des  alten  Rechts  iu  der  Redeweise."  ^ 
Dieser  Irrthum  erklart  sich  dadurch,  dass  die  Erzahlung  des 
Hector  Boeis  iiber  ein  Gesetz  des  Konigs  Evenus  IH.  von  Schott- 
land^  ohne  Priifung  als  wahr  angenommen  wurde,  und  dass  sich 
daran  noch  die  ungerechtfertigte  Folgerung  kniipfte,  die  Heiraths- 
abgaben  miissten  in  Belgien  ebenso  wie  in  Schottland  durch  Ab- 
h"5sung  jenes  Rechts  entstanden  sein. 

2.     HOLLAND. 

Kapitel  '21.  In  eiuem  Zusatz  zu  Reygersberg's  Chronik  von 
Seeland,  bei  Beschreibung  der  Stadt  Cortgene,  findet  sich  folgender 
Zusatz  von  M.  Smalle'gange  (1696):  „Es  wird  gesagt,  der  Herr 
von  Cortgene  liabe  seit  ganz  alten  Zeiten  das  Recht  iiber  die 
Jungferschaft  aller  Braute,  die  in  sein  Gebiet  kamen,  um  zu  hei- 
rathen;  dies  Recht  pflege  mit  Geld  abgelost  zu  werden."  ^  Gargon 
(1717)  schreibt  dariiber:  „Der  Herr  von  Cortgene  hatte  in  alten 
Zeiten  das  Jungferschaftsrecht  von  allen  Tochtern,  die  auf  seinem 
Gebiet  heiratheten,  welches  Recht  mit  Geld  abgekauft  wird."  ^* 
Adrian  Pars  berichtet:  „Eins  der  wunderlichsten  Yorrechte, 
welches  in  AViderspruch  mit  den  christlichen  Grundsatzen  einige 
alte  Herrschaften  in  unserm  Land  angeblich  gehabt  haben,  ist 
das  vom  ersten  Beischlaf  bei  den  Brauten,  die  dort  heiratheten, 
auch  Brautgeld  genannt.  Dasselbe  soll  in  Schagen,  Suidwijk, 
Yoshol  (mit  Einscliluss  der  vier  Ortschaften  Swammerdam,   Lan- 


'  1  AA.  SS.  30.  aprilis  Bd  3  S.  822.  Neuere  Schriftsteller  (vgl.  oben  Kap.  8 
S.  44)  haben  diese  Meinung  der  Bollandisten  arg  entstellt. 

-  Vgl.  dariiber  Kap.  40. 

^  Smallegange  1.  Deel,  5.  boek,  3.  hooftdcel,  S.  621:  ,,De  Heer  van  Cort- 
gene  word  geseit.  van  over  gants  oude  tijden  het  Recht  te  hcbben  over  de 
Maegdoni  van  alle  de  Vrysters  die  onder  zijn  gebied  komcn  te  trouwen,  't  wclk 
met  eenig  geld  geredimeert  pleeg  te  worden.''' 

•*  Gargon  Bd.  2  S.  221 :  „De  Heer  van  Cortgene  had  ouds  tijds  het  Maagdom- 
recht  van  alle  Dochters,  die  onder  zijn  gebied  trouwden,  het  geen  met  geld 
wierd  afgekoclit." 


Kapitel  21.    Heirathsabgaben  in  Hollaiid.  109 

geraar,  Korteraar  uiul  Rewijk),  Sluipwijk,  Tempel,  Roou,  Kort- 
gene  und  verschiedenen  anderu  Ilerrscliafton  bestanden  haben, 
die  von  der  graflichen  Rechenkamnier  angeblich  aufgeziihlt  werden 
konnen;  dies  Recht  sollen  die  Staaten  mit  einer  bestimmten 
Geldsumme  abgekauft  haben,  die  an  den  Herrn  jeder  Ortschaft 
zu  zahlen  war."  ^  Eine  ausfiihrliche  Abhandlung  iiber  denselben 
Gegeustand  hat  P.  van  der  Schelling  im  Jahr  1727  verofFentlicht  ^. 
Danach  soll  das  jus  primae  noctis  zur  heidnischen  Zeit  einge- 
fiihrt  und  in  Geltung  gewesen  sein,  uamentlich  in  der  Herrlich- 
keit  Yoshol,  wozu  die  Ortschaften  Zwammerdam,  Langeraar,  Kor- 
teraar,  Reewyk,  der  Tempel  (eiu  Gehoft,  ungefahr  eine  Yiertel- 
stunde  von  Reewyk),  Middelburg  und  andere  gehorten;  auch  in 
Zuidwyk,  das  ebenso  wie  das  erw-iihnte  Middelburg  den  Herren 
von  Breederode  gehorte,  ferner  in  den  Herrlichkeiten  Schagen, 
Sluipwyk  und  Rhoon;  ausserdem  nach  Meinung  einiger  Schrift- 
steller  in  den  (vielleicht  zu  einer  Herrlichkeit,  unter  Johann  von 
Oldenbarneveldt,  vereinigt  gewesenen)  drei  Ortscliaften  Berkel, 
Rodenrys  und  dem  Tempel  bei  Rodenrys  (obwohl  van  der  Schel- 
ling  annimmt,  dass  diese  Meinung  auf  eine  Yerwechslung  mit 
dem  Tempel  bei  Reewyk  zuriickzufiihren  sei);  ferner  in  Nord- 
holland  und  in  einigeu  Herrlichkeiten  von  Zeeland,  namentlich 
in  dem  Orte  Cortgene.  Yan  der  Schelling  meint,  nach  Annahme 
des  Christenthums  sei  jenes  heidnische  Recht  in  den  genannten 
Herrschaften  abgeschafft  oder  vielmehr  durch  eine  Geldsumme, 
die    Brautschatz    oder    Brautgeld    hiess,    abgeliist    worden; 


^  Pars  S.  182,  Katwijkse  Oudheden :  .  .  .  ,.En  van  de  wonderlijkste  Voor- 
regten  (met  het  Kristendom  gants  niet  overeenkomende)  waar  van  men  leest, 
dat  enige  oude  Heerlijkheden  in  ons  Land  souden  gehad  hebben,  is  dat  van 
de  eerste  Bijslaap  bij  de  Bruiden,  dewelke  aldaar  trouden.  ook  genannt,  het 
Briiitgeld.  Gelijk  dat  soude  geweest  sijn.  in  de  Heerlijkheden  van  Schagen, 
Suidwijk,  A^^oshol  (in  sig  begrijpende  nog  4  Plaatsen,  als  Swammerdam, 
Langeraar ,  Korteraar ,  en  Rewijk) ,  Sluipwijk  ,  Tempel ,  Roon ,  Kortgene  ens. 
als  mede  verscheide  andere,  die  op  de  Gravelijksheids  Rekenkamer  soude 
kunnen  werden  opgesogt,  het  welk  de  Staten  hebben  doen  afkopen  met  een 
seker  stuk  Gelds  ,  aan  den  Heer  van  jeder  plaats  te  betalen.  Pr.  de  Nein, 
Lusthov  der  Huwelijken".  .  .  .  Vgl.  Bayle  unter  Sixte  IV,  Bd.  4  S.  224, 
Anm.  H,  Note  56  (wo  eine  altere  Ausgabe  von  Pars  citirt  ist).  Raepsaet 
3.  Ausg.  S.  23.  Veuillot  (2.  Aufl )  S.  248.  Noordewier  S.  160.  Liebrecht 
1869,  S.  811,  ebenso  1874,  S.  140  und  1879,  S.  418,  419.  —  In  der  vor- 
stehenden  Stelle  bezeichnet  der  Ausdruck  „de  Staten''  (die  Staaten)  die  Be- 
horden  der  einzelnen  Provinzen,  also  nicht  etwa,  wie  Liebrecht  (1869,  S.  811, 
auch  1874,  S.  140  und  1879,  S,  419)  annimmt,  die  Generalstaaten. 

2  Schelling  Bd.  1  S.  142—150,  §§  XII— XVIL 


110  Kapitel  21.    Heirathsabgaben  in  HoUand. 

dies  sei  der  Ursprung  mancher  Abgaben,  die  noch  zu  seiner 
Zeit  bestanden.  Er  beriehtet,  dass  eine  solche  Abgabe  in  der 
Herrlichkeit  Voshol  sechzig  Gulden  einbrachte,  ferner  dass  noch 
in  den  Jahren  1676  und  1703  die  Herrlichkeit  Voshol  mit  dem 
erwtihnten,  zum  Tempel  gehorigen  sogenannten  Recht  offentlich 
feilgeboten  und  verkauft  worden  sei;  und  dass  die  bis  zu  seiner 
Zeit  aufbewahrten  Bekanntmachungen  der  Kaufbedingungen  eine 
Beschreibung  jenes  Rechts  enthielten.  Ueber  Cortgene  schreibt 
van  der  Schelling:  Wo  das  Dorf  Cortgene  in  Nord-Beverland 
(oberhalb  der  Stadt  Zierinczee,  Hauptstadt  der  Insel  Schouw^en) 
liege,  habe  friiher  die  alte  Stadt  Cortgene  gestanden;  dieselbe  sei 
bei  der  grossen  Ueberschwemmung  von  Allerheiligen  1532  (worin 
72  Dorfer  Siidhollands  zerstort  wurden,  und  Tausende  von  Men- 
schen  das  Leben  verloren)  ganzlich  vertilgt  worden  * ;  zu  den 
Vorrechten  dieser  friiheren  Stadt  habe,  wie  die  alten  Chroniken 
von  Zeeland  meldeten,  „das  beschriebene  sogenancte  Keeht  oder 
die  Ablosung  oder  der  Freikauf  von  demselben"  gehort. 

Aus  allen  diesen  Berichten  geht  deutlich  hervor,  dass  sie 
von  einer  Sage  sprechen,  die  den  Ursprung  einer  unter  dem 
Namen  ^Brautgeld"  >hergebrachten  Heirathsteuer  durch  Ablosung 
eines  heidnischen  Rechts  erklarte.  Diese  Sage  hielt  van  der 
Schelling  im  Allgemeinen  fiir  glaubwiirdig,  indem  er  nur  im 
Einzelnen  auf  einige  Irrthiimer  aufmerksam  machte.  Im  sieb- 
zehnten  und  achtzehnten  Jahrhundert  war  eine  solche  Sage  nicht 
auffallend.  Sie  wiirde  ein  erliebliches  Interesse  nur  dann  haben, 
wenn  sie  schon  vor  der  Zeit  von  Hector  Boethius  entstanden 
Aviire.  Dies  ist  aber  weder  bewiesen,  nocli  zu  vermuthen.  Viel- 
mehr  erwahnt  van  der  Schelling  ausdriicklich  den  Bericlit  des 
Hector  Boethius  iiber  das  in  Schottland  von  Konig  Evenus  ein- 
gefiihrte  und  von  Malcolm  III.  abgeanderte  siindhafte  Recht,  um 
nachzuweisen,  dass  es  nicht  wunderbar  sei,  wenn  das  niimliche 
Recht  auch  in  Holland  zu  heidnischer  Zeit  gegolten  habe  ^.  Nun 
kann  aber  jener  Bericht  des  Hector  Boethius  auf  Glaubwiirdigkeit 
keinen  Anspruch  machen  ^.  Damit  zerfiillt  die  Grundlage  der 
Meinung*,  dass  jene  Sage  iiber  den  Ursprung  der  holliindischen 
Heiratlisteuer  geschichtlich  beglaubigt  sei. 


1  Vgl.  dariiber  Smallegange  S.  621    (aus  Boxhorn);    Gargon    Bd.  2  S.  221. 

2  Schelling  Bd.  1  S.  146—150,  §§  16  und  17. 
^  Ygl.  unten  Kap.  40. 

*  Liebrecht    1874,    S.  140.     Labessade  S.  23    Nr.  43—46.     Liebrecht   1879, 

418. 


Kapitel  21.    Heiratlisal.c,r;iben   iii  IIoUaiHl.  111 

Gerard  van  Loon  hat  dic  Ausfiihrungen  van  der  Schelling's 
einer  Kritik  unterzogen  ^  Er  fuhrt  aus,  die  Annahme,  dass  bei 
den  Friesen,  als  sie  noch  heidniscli  waren,  das  jus  priniae  noctis 
bestanden  hal)e,  sei  oine  blosse  Vernmthung,  wofiir  nicht  der 
mindeste  Beweis  aus  dem  Alterthum  beigebracht  werden  konne; 
eine  solche  Vermuthung  stehe  mit  den  Nachrichten  des  Alter- 
thums  in  Widerspruch,  insbesondere  mit  den  Nachrichten  von 
Tacitus  iiber  die  Sitten  der  Germanen  und  mit  dem  Inhalt  der 
alten  friesischen  Gesetze.  Ferner  fanden  sich  in  den  Predigten, 
die  der  hl.  Bonifatius  zur  Bekehrung  der  Friesen  hielt,  scharfe 
Riigen  gegen  mancherlei  heidnische  Gebrauche ,  z.  B.  gegen 
Verehrung  heiliger  Haine  und  gegen  Unzucht  im  Allgemeinen, 
dagegen  keine  Bemerkungen  oder  Andeutungen  iiber  das  jus 
primae  noctis,  was  unerklarlich  sein  wiirde,  wenn  dasselbe  da- 
mals  bei  den  heidnischen  Friesen  in  Geltung  geweseu  ware. 
Zudem  sei  es  unglaublich,  dass  ein  solches  Recht  in  der  christ- 
lichen  Zeit  (unter  frankischer  Herrschaft)  abgelost  worden  sei. 
Die  frankischen  Konige  wiirden  gewiss  kein  Losegeld  fiir  Ver- 
zicht  auf  Ausiibung  jenes  heidnischen  Rechts  gefordert  haben. 
An  andere  Herren  kcJnne  nicht  gedacht  werden,  weil  es  zur  fran- 
kischen  Zeit  noch  keine  Herren  der  einzelnen  Herrlichkeiten 
gab.     Alles  dies  ist  vollkommen  richtig. 

Van  Loon  stellt  seinerseits  eine  andere  Vermuthung  iiber 
den  Ursprung  der  niederlandischen  Heirathsabgaben  auf^.  Er 
meint,  die  Vorschrift  des  vierten  Concils  von  Carthago  iiber  die 
Enthaltung,  welche  die  neuvermahlten  Ehegatten  in  der  ersten 
Nacht  beobachten  sollten  ^,  sei  durch  die  Gesetze  der  frankischen 
Konige  nicht  allein  bestatigt,  sondern  nach  dem  Vorbilde  des 
jiingeren  Tobias  auf  drei  Nachte  ausgedehnt  worden;  diese  Ge- 
setze  hatten  in  den  Niederlanden  seit  dem  zwolften  Jahrhundert 
die  Abanderung  erfahren,  dass  den  Brautleuten  gestattet  wurde, 
durch  Zahlung  einer  Gebiihr  Dispens  von  jener  Vorschrift 
zu  erlangen.  Dadurch,  meint  van  Loon,  seien  die  Heirathsab- 
gaben  entstanden.  Sir  David  Dalrymple  halt  diese  Erklarung 
fiir  befriedigend  ^.  Sie  ist  jedoch  schon  deshalb  unhaltbar,  weil 
die    fragliche  Stelle,    worauf  van  Loon   und  Dalrymple   sich  be- 


1  Loon  3.  Theil,  15.  Hauptstuck,  S.  158  —  165.     Daraus :    Dalrymple  Bd.  1 
S.  326,  327. 

2  Loon  3.  Theil,  5.  Hauptstiick.  S.    165—168.     Daraus:    Dalrymple    Bd.   1 
S.  324,  327,  328. 

3  Vgl.  daruber  uiiten  Kap.  27  S.   152. 
♦  Dalrymple  Bd.   1  S.  329. 


-[12  Kapitel  21.    Heirathsabgaben  in  Holland. 

zielien,  nanilich  Capitularium  lib.  7  cap.  463,  kein  frankisches 
Gesetz  ist,  sondern  von  Beuedictus  Levita  herriihrt  ^ 

Yoet  berichtet,  dass  in  einigen  Theilen  von  Geldern  und 
Ziitphen  und  an  andern  Orten  gewisse  Grundherren  von  ihren 
Horigen  eine  Geldsumme  „zur  Einlosung  des  Rechts  des  ersten 
Beischlafs"  erhoben  ^.  Der  Zusammenhang  dieser  Stelle  handelt 
von  Besthauptrecht,  Frohndiensten  und  Yerbot  ungleicher  Hei- 
rathen.  Yielleicht  meinte  Yoet,  gewisse  Geldabgaben  bei  un- 
gleichen  Heirathen  (forismaritagium)  wiirden  „zur  Einlosung  des 
Rechts  des  ersten  Beischlafs"  erhoben,  obwohl  dies  nicht  deutlich 
ausgedrlickt  ist.  Ein  derartiges  Missverstandniss  kann  nicht  auf- 
fallen,  da  zur  Zeit  Yoet's  die  Sage  von  einem  vergangenen  Herren- 
recht  der  ersten  Nacht  schon  weit  verbreitet  war.  Ebenso  erklart 
sich  die  Erzahlung  von  Tollius,  er  habe  vor  einigen  Jahren  am 
Thor  vou  Mastricht  die  Bekanntmachung  einer  Herrschaft  iiber 
verschiedene  Yorrechte  gelesen,  darunter  auch  iiber  das  Recht, 
die  neuvermahlten  Ehefrauen  zu  defioriren,  das  jedoch  mit  Geld 
abgelost  werden  konnte'. 

Es  hegt  also  keiu  Grund  zu  der  Annahme  vor,  dass  hollandische 
Heirathsabgaben  auf  ^eiuem  veriichtlicheu  Ursprung  beruhten^. 


'  Pertz  Bd    2  S.   132.     Walter,  C.  J.  Bd.  2  S.  774.     Vgl.  Kap.  27  S.  152. 

-  Voet  lib.  1  tit.  5  de  statu  hominum  §  3  S.  120:  .  .  .  „quippe  quibus 
defunctis  pro  usu  regionis  cujusque  vario  succedit  dominus  in  quandam 
mobilium  partem,  imponit  certis  temporibus  operas  manu  aut  jumentis  prae- 
standas,  mulctas  illiciti  conjugii  ab  illis  exigit,  quoties  non  de  ejusdem  con- 
ditionis  hominibus  matrimonium  inierint,  pecuniam  in  redemtionem  juris  primi 
concubitus  accipit".  .  .  .  (bei  Auslegung  dieser  Stelle  fragt  es  sich ,  ob  die 
Worte  ,,quoties"  bis  „inierint"  auf  das  Vorgehende  oder  auf  das  Xachfolgende 
zu  beziehen  sind).  Daraus:  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  28  S.  379;  Pertile 
Bd.  3  §  89  Anm.  75  S.  53. 

3  Tollius  zu  Lact.  de  mort.  pers.  cap.  38:  .  .  .  „Apud  nos  autem  Tra- 
jectinae  portae  affixam  proscriptionem  nobilis  dominii  ante  aliquot  annos  legi, 
quae  inter  cetera  jura  et  privilegia  jus  etiam  deflorationis  novarum  nuptarum 
continebat,  quae  tamen  pecunia  a  domino  loci  posset  redimi."  Daraus:  Gru- 
pen  §   14  S.  25. 

*  Einc  solche  Annahme  ist  unvereinbar  mit  einer  Stiftungsurkuade  vom 
21.  Juli  1050,  die  bei  Heda  S.  118—120  abgedruckt  ist.  Darin  ubergab  eine 
freie  Edeldame,  Namens  Berta,  auf  Rath  des  Bischofs  Benno  von  Utrecht  (des 
heiligen  Bernulphus)  sich  und  ihre  Nachkommen  in  Horigkeit  an  das  neu- 
gegriindete  Sanct-Martinskloster  zu  Utrccht  mit  der  Bestimmung,  dass  fiir 
jede  Heirathserlaubniss  (ohne  Unterschied  von  Genossen  und  Ungenossen) 
zwolf  Pfennige  an  das  Kloster  zu  zahlen  seien.  .  .  .  ,Jterum  ne  omnimodo  sine 
respectu  vidcatur  sancta  Dei  Ecclesia,  pro  licentia  nubendi  infra  vel  extra 
concedere  potestatem ,  dcntur  sex  denarii".  .  .  .  Vgl.  Heineccius ,  Antiq. 
Bd.  2  lib.  2  c.  9  §  14  und  §  29;  Grimm,  R.-A.  S.  383;  Noordewier  S.   160. 


Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland.  113 

I».  Heiratli>abtraben  in  Dentschland. 

Kapitel  22.  Die  ziemlich  weit  verbreitete  Meinung,  dass 
deutsche  Heirathsabgaben  durch  Abl()sung  des  jus  primae  noctis 
entstanden  seien  ^,  ist  ebenso  ungerechtfertigt,  wie  die  Annahme  ^ 
dass  jenes  Recht  ausgeiibt  worden  sei,  wenn  die  Abgaben  nicht 
bezahlt  wurden.  Beides  ist  mit  dem  Inhalt  der  Urkunden,  wo- 
durch  Heirathsabgaben  im  Gebiet  des  Deutschen  Reichs  be- 
griindet  oder  anerkannt  wurden,  schlechthin  unvereinbar.  Zum 
Beweis  dieses  Satzes  diene  die  nachfolgende  Uebersicht  iiber  die 
hier  einschlagenden  Stellen  zahlreicher  Urkunden  aus  dem  Mittel- 
alter  und  der  Xeuzeit  (S.  113 — 125).  Auch  bieten  die  besonderen 
Namen  ^,  die  in  Urkunden  oder  Berichten  fiir  einzelne  Heiraths- 
abgaben  gebraucht  wurden  und  im  zweiten  Theil  dieses  Kapitels 
(S.  125 — 136)  zusammengestellt  sind ,  durchaus  keinen  Grund 
zu  jener  Yermuthung.  Die  in  diesem  Kapitel  erwahnten  Urkun- 
den  stammen  zumeist  aus  Rheinland  oder  Westfalen.  Es  wiirde 
leicht  sein,  aus  Urkundensammlungen  und  Archiven  der  einzelnen 
deutschen  Liinder  beide  Yerzeichnisse  betriichtlich  zu  vermehren. 
Doch  diirften  die  Mittheilungen  der  nachsten  Seiten  fiir  die  Auf- 
gabe  der  vorliegenden  Untersuchung  geniigen. 

].    Urhmden    iiber  Becjriindurtg    und  AnerJiennung    von    Heirailisahgahen. 

Aus  der  Zeit  vor  dem  zwolften  Jahrhundert  sind 
nur  wenige  Urkunden  iiber  Heirathsabgaben  veroffentlicht  wor- 
den*.  Nach  einer  Urkunde,  die  sich  auf  die  Zeit  von  794  bis 
800  bezieht,  jedoch  in  der  vorliegenden  Form  (nach  Annahme 
Lacomblet's)  wahrscheinlich  auf  Grund  einer  alten  Aufzeich- 
nung  spater  niedergeschrieben  ist,  trat  um  jene  Zeit  eine  freie 
Frau ,  Namens  Rikildis ,  in  das  Wachszinsrecht  der  Sanct- 
Severins-Stiftskirche  zu  Koln  ein ,  mit  der  Abrede,  dass  ihre 
J^achkommen  fiir  jede  Heirathserlaubniss  sechs  Pfennige  an 
den  Altar-Kiister   entrichten    sollten  '".     Im   Giiterverzeichniss  der 


^  Dieser  Meiuung  sind  z.  B.  folgende  Schiiftsteller  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts:  Diimge  (S.  20,  28),  v.  Hormayr  (1832,  S.  38  und  1842,  S.  146), 
Nork  (S.  191,  192j,  Delpit  (S.  65,  66),  v.  Schmitz  (S.  232),  Post  (S.  38), 
Sugenheim  (1861,  S.  360),  Kulischer  (S.  224.  228). 

2  Dies  meint  Labessade  Nr.  47,  S.  24. 

»  Vgl.  dariiber  auch  Kap.  3  S.  13—15  und  Kap.  18  S.  96. 

■*  Eine  Urkunde  von  1092  ist  unten  S.  131  erwahnt. 

*  Urk.  von  794-800,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  9,  10,  Nr.  15:  ...  „Pro 
licentia  uero  maritali  custodi  altaris  VI  denarios"  .  .  . 

Schmiclt,  Jns  primae  noctis.  '      8 


114:  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

Abtei  Priim,  welches  vom  Jalir  898  datirt  und  mit  einem  Com- 
mentar  des  Exabts  Caesarius  vom  Jahr  1222  versehen  ist,  findet 
sich  die  Bestimmung,  dass  zu  Trittenheim  eine  Leibeigene  bei 
Yerheirathung  mit  einem  auswartigen  Mann  zwei  Hiihner,  zehn 
Eier  und  eine  gewisse  Menge  Flachs  und  Leinsamen  an  die 
Abtei  zu  entrichten  habe  *.  In  einer  Schenkungsurkunde  zu 
Gunsten  der  Abtei  Sanct-Maximin  bei  Trier  aus  der  Zeit  von 
993  bis  996  ist  verfiigt,  dass  die  mitiibergebenen  Leibeigenen 
und  ihre  Nachkommen,  wenn  sie  auswiirts  heiratheten,  ani  Fest- 
tag  des  hl.  Maximin  Wachs  im  Werth  eines  Pfennigs  fiir  die 
Seele  des  Stifters  an  die  Abtei  entrichten  miissten  ^.  In  einer 
Urkunde  aus  dem  Anfang  des  elften  Jahrhunderts  erkliirt  der 
Bischof  Burchard  von  Worms,  gewisse  Einnahmen  der  Gerichts- 
barkeit,  namentlich  auch  die  aus  den  (unerwiinschten)  Heirathen 
von  zinspflichtigen  Mannern  der  Peterskirche  zu  Worms  mit 
AVeibern  aus  andern  Herrschaften ,  seien  bisher  mit  Unrecht  zur 
bischoflichen  Kasse  gezogen;  deshalb  weist  er  diese  Einnahmen 
fur  die  Zukunft  dem  Custos  der  genannten  Kirche  zu  ^. 

Dem  zw(3lften  Jahrhundert  gehort  die  Mehrzahl  der 
Urkunden  an ,  die  \n  neuerer  Zeit  iiber  Heirathsabgaben  ver- 
uffentlicht  sind'*.  Am  4.  Marz  1101  bestiitigte  Erzbischof  Rut- 
hart  von  Mainz  eine  durch  die  Stiftsherren  der  Kirche  zu 
Fritzlar  genehmigte  Yerfiigung  des  Stiftsherrn  Merbodo ,  wo- 
nach    derselbe  mehrere   Allodialgiiter   nebst  einer    ihm  eigenhori- 


1  Reg.  Prumiense.  bei  Beyer,  Bd.  1  S.  100.  Nr.  29:  ,,Et  si  femina  forinse- 
cum  hominem  acceperit,  solvit  i^ullos  II,  ova  X  et  de  lino  clauos  II  et  de 
lino  semine  bacinum  I  "  Ygl.  Potgies:^er  S.  36.i.  und  Ducange  iiber  die  Aus- 
driicke  Clavus  und  Baccinus. 

2  Urk.  V.  993—996,  bei  Beyer,  Bd.  1  S.  327.  Nr.  272:  ...  ,,mancipia  quo- 
que  que  trado  et  posteri  eorum.  si  in  eadem  villa  sederint  uel  nupserint.  tali 
libertate  et  seruicio  perfruantur.  sicut  cetera  confessoris  Christi  inibi  manens 
familia.  Si  qui  uero  foris  nupserint  uel  manserint,  uel  alias  uagati  fuerint. 
unusquisque  eorum  in  festiuitate  s.  Maximini  persoluat  unam  denariatam  cere 
pro  remedium  anime  mee'*  .  .  .     Ygl.  Potgiesser  S.  365. 

3  Urk.  des  Bischofs  Burchard  von  Worms  fnach  1000).  bei  Mone,  Anz. 
1838,  S.  443,  444:  .  .  .  „et  si  aliquis  illorum.  quod  aon  exoptamus.  extraueam 
mulierem  fortuitu  in  suum  conjugium  duceret,  quicquid  justitiae  inde  dijudi- 
caretur"  .  .  .  „Quae  omnia  .  .  .  ad  altare  S.  Petri  apostoli  "\Yormatiensis  et 
cjusdem  altaris  custodi  cum  communi  consilio  nostrorum  fidelium  restitui- 
mus'-  .  .  .     Vgl.  G.  Waitz  Bd.  5  S.  238. 

*  Bestimmungen  iiber  Ileirathsabgaben  stehen  auch  (nach  einer  gefliUigen 
Mittheilung  dcs  Ilerrn  Geheimraths  Dr.  Harles.s)  in  ungedruckten  Urkunden  der 
Abtei  Brauwoiler  von  1159  und  des  Quirinstifts  zu  Neuss  von  1188,  im  Staats- 
archiv  zu  Diisseldorf    —  Vgl.  auch  die   rrkunden  S.  126,  127  und  130. 


Kapitel  22     Heirathsaljgaben  in   Deutschland.  115 

gen  Frau ,  Namens  Mazzecha ,  und  deren  sechs  Kindern  an 
die  genannte  Kirche  iibergeben  und  dabei  unter  Anderm  be- 
•stimmt  hatte,  dass,  so  oft  aus  der  Nachkommensehaft  der  ge- 
nannten  Mazzecha  sich  eine  Frau  rechtmiissig  verheirathe,  deren 
Ehemann  an  den  Oekonomen  der  Kirche  zwei  Schillinge  zu 
zahlen  habe  ^  Im  Jahr  1114  traten  mehrere  freie  Familien  in 
■das  Wachszinsrecht  der  Kapelle  des  Grafen  von  Arnsberg  ein; 
hierbei  verpflichteten  sie  sich  fiir  ihre  weiblichen  Nachkommen, 
bei  der  Yerheirathung  ein  Losegeld  von  sechs  1'fennigen  an  die 
Kapelle  zu  zahlen  ^.  Durch  Urkunde  des  Abts  AVibaldus  oder 
Wicboldus  zu  Corvey  aus  der  Zeit  von  1146  bis  1160  wurden 
auf  Ansuchen  seines  Dienstmanns  Conradus  de  Kaminata  zwei 
Leibeigene,  die  zu  dessen  Beneficium  gehurten,  mit  ihren  kiinf- 
tigen  Nachkommen,  in  das  Wachszinsrecht  der  Sanct-Dionys- 
Kapelle  zu  Kemnaden  aufgenommen,  unter  der  Verpflichtung, 
bei  jeder  Heirath  zwei  Schillinge  an  die  genannte  Kapelle  zu 
entrichten,  wie  in  der  Herrschaft  der  Abtei  Corvey  Gewohn- 
lieit  war  ^.  Conrad,  Abt  zu  Corvey  seit  1160,  beurkundete 
mehreren  Personen,  dass  dieselben  als  freie  Leute  durch  seinen 
Torganger  in  das  Wachszinsrecht  der  Marienkirche  zu  Kem- 
naden  aufgenommen  seien,  unter  der  Yerbindlichkeit,  bei  der 
Yerheirathung  zwei  Schillinge  an  den  Kiister  der  genannten 
Kirche  zu  zahlen  *,  Im  Jahr  1153  bestiitigte  Erzbischof  Ar- 
nold   11.   von   Koln    einen   Vertrao-,    wodurch   Abt  AVolbero   von 


1  Urk.  V.  4.  Miirz  1101.  bei  Kindlinger,  Nr.  6,  S.  228—230:  .  .  .  ,.Femina 
liiijus  posteritatis,  si  legitime  alicui  nubat.  vir  illius  pro  ea  legitime  habenda 
i.i  solidos  Yconomo  fratrum  componat,  et  ex  his,  quae  tum  conveniens  sit. 
clementer  persolvat."     Vgl.  Will  S.  229;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  239. 

2  Urk.  V.  1114,  l)ei  Kindlinger.  IM.  B.  Nr.  16,  S.  99,  und  bei  Seibertz  Nr.  38, 
'Bd.  1  S.  43,  44:  ...  „femina  ex  illa  procreatione  nubens  ....  sex  dena- 
Tiis  redimat"  ...  In  der  Liicke  mag,  wie  Kindlinger  und  Seibertz  ver- 
muthen.  ,,pro  Bedemund'''  gestanden  haben.  Erhard,  Reg.  Nr.  1399,  Bd.  1 
S.  222,  bezeichnet  diese  Urkunde  als  ,.ungemein  -\vichtig  fiir  die  Geschichte 
-der  Horigkeitsverhaltnisse". 

^  Urk.  des  Abts  Wiboldus  zu  Corvey  v.  1146—1160.  boi  Kindlinger,  M.  B. 
Nr.  28,  S.  179,  180,  und  bei  Sommer,  Beilagen  43  und  44.  S.  137,  138: 
^  ,  .  „ut  per  singulos  annos  ad  idem  Altare  duos  denarios  vel  tantum  de  Cera 
persolvant  .  .  ,  Yolumus  autem,  ut  tam  ipsae  quam  posteri  earum  et  omnes 
ad  summum  Monasterium  pertinentes.  sicuti  duos  persolvunt  denarios,  ita  nu- 
bentes  duos  persolvant  solidos,   quemadmodum  apud  nos  consuetudo  esf  .  .'. 

*  Urk.  des  Abts  Conrad  zu  Corvey  "(seit  1160).  bei  Kindlinger,  M.  B, 
Nr.  30,  S.  189—191,  und  bei  Sommer,  Beihige  45,  S.  138.  139:  ...  ,,Cum  ali- 
qua  femina  illarum  nupserit,  sicut  duos  denarios  ad  altare,  ita  duos  solidos 
Custodi  aecclesiae  persolvat'"  .  .  . 

8* 


116  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

Sanct-Pantaleon  ein  Grundstiick  aiif  Erbzins  verliehen  hatte:  da- 
naeh  hatte  jeder  Besitzer  dieses  Grundstiicks  fiir  die  Erlaubniss 
zu  einer  rechtmassigen  Heirath  sechs  Pfennige  zu  zahlen  ^.  Aus- 
weislich  einer  Urkunde  der  Abtei  Corvey  voni  27.  Februar  1153 
iibergab  Conrad  von  Natzungen  mehrere  leibeigene  Weiber  ari 
den  Altar  Sanct-Yeit  zu  Corvey,  niit  der  Bestimmung ,  dass  die- 
selben  bei  ihrer  Verheirathung  als  Preis  ihrer  Schamhaftigkeit 
(Keuschheit)  zwei  Schillinge  an  den  Altar  entrichteu  miissten  ^^ 
Durch  Yertrag  vom  Jahr  1155  wurden  zwei  Schwestern,  die  zum 
Hof  Siirdt  gehorten,  aus  diesem  Hofverband  entlassen  und  in  die- 
Altarhorigkeit  der  Sanct-Georg-Stiftskirche  zu  Koln  aufgenommeny. 
rait  der  Yereinbarung ,  dass  ihre  mannlichen  Xachkommen  fiir 
die  Erlaubniss  zu  einer  rechtmassigen  Heirath  sechs  Pfennige  an. 
den  Stiftskiister  zu  zahlen  hiitten,  und  dass  Letzterer  diese  und 
andere  Abgaben  an  den  Meier  des  Hofes  Siirdt  abliefern  miisse  ^> 
Die  Kammerlinge  des  Benedictinerklosters  zu  Liesborn  hatten,  nach 
einer  L"rkunde  des  Abts  Franco  vom  Jahr  1166,  bei  Heirathen 
mit  Personen  ihres  Standes  oder  mit  Dienstleuten  ein  Goldstiick. 
oder    ein   Bockfell    an    das    Kloster    zu    liefern  ^     Im    namlichen 


1  Urk.  V.  1153.  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  261.  262,  Nr.  378:  .  .  .  .,Si  parl 
suo  nubere  uoluerit,  VI  denarios  pro  licentia  dabit." 

-  Urk.  v.  27.  Febr.  1153,  bei  Falke  §  427,  S.  657,  und  bei  Erbard,  Cod. 
dipl.  Th.  2  S.  51,  Nr.  264:  .  .  .  .,Sed  et  quedam  mancipia  idera  Conradus  ad 
seruiciura  predicte  festiuitatis  altari  beati  Viti  tradidit,  quorum  hec  sunt  no- 
mina  .  .  .  qxiecunque  istarum  feminarum  nupserit.  pro  precio  pudicicie  dabit 
ad  altare  duos  solidos"  .  .  .  Vgl.  Halthaus  unter  Stechgroschen  :  v.  Reynitzsch 
S.  275,  276;  v.  Maurer  Ed.  3  S.  169.  170;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  239.  Die- 
Meinung  der  beiden  letztgenannten  Schriftsteller ,  dass  in  den  Worten  ,.pro- 
precio  pudicicie^'  eine  Erinnerung  an  das  jus  primae  noctis  oder  eine  Hin- 
deutung  darauf  zu  finden  sei ,  wird  durch  den  Zusammenhang  der  Urkunde 
widerlegt.  G.  Waitz  hat  bei  den  iiber  diese  Urkunde  gemachten  Bemer— 
kungen  iibersehen,  dass  sie  bei  Erhard  ahgedruckt  steht.  Wegen  des  Da— 
tums  vgl.  Erhard,  Reg.  Th.  2  S.  24. 

3  Urk.  v.  1155,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  265.  Nr.  383:  .  .  .  ..ut  si  quis  uir 
de  familia  supra  dictorum  legitimam  duxerit  uxorem ,  ad  ducendi  licentiam 
VI  denarios  persoluat  custodi  .  .  .  Hec  autem  scilicet  de  licentia  nubendi  et 
de  meliori  veste  po.5t  mortem  seu  viri  seu  feminae  per  custodem  uillico  pre- 
fatae  curiae  pro  darapni  recompensatione  lideliter  assignentiir*'  .  .  . 

♦  Urk.  V.  1166,  bei  Kindlinger  Nr.  12,  S.  240,  241,  und  bei  Sommer  Beil.  55,. 
S.  181 :  .  .  .  .,\it  de  nuptiis  unus  tantum  aureus  vel  pellis  hercina  .  .  ., 
nostris  utilitatibus  proveniat  .  .  .  quamdiu  uxores  de  sua  condicione  vel  de 
ministerialibus  sibi  copulaverint."  Vgl.  Grimm ,  R.-A.  S.  379;  Brinckmeier 
Bd.  1  S.  307.  —  Ueber  die  Verschiedenheit  des  Gegenstandes  von  Heiraths- 
abgaben  vgl.  Danz  Bd.  6  S.  46,  47  (§  5441:  auch  §  6  des  Hofrechts  des  Amts- 
hofes  zu  Loen.  bei  Sommer  Beil.  54.  S.  160:    ..Item  weret.    dat  eyne  wer  die 


Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland.  117 

Jahr  wurden  einige  Familien,  die  keiner  Horigkeit  unterlagen, 
in  die  Altarhorigkeit  der  Abtei  Sanet-Pantaleon  zu  Koln  aufge- 
noramen,  unter  der  VerpHichtung,  Ijei  jeder  rechtnuissigen  Heirath 
sechs  Pfennige  zu  entrichten,  die  zu  zwei  Dritteln  dem  Custos 
und  zu  einem  Drittel  dem  Magister  der  Abtei  zufallen  sollten  ^. 
Ira  selben  Jahr  wurden  durch  Grafin  Hedwig  von  Meer  und 
•durch  deren  Tochter  Hildegund  die  Yerpflichtungen  ihrer  Ho- 
xigen  in  mehrfacher  Hinsicht  erleichtert,  namentlich  auch  in  der 
Weise,  dass  diejenigen  Horigen,  welche  bisher  fiinf  Schillinge 
fiir  die  Heirathserlaubniss  zu  zahlen  liatten,  fortan  diese  Er- 
laubniss  schon  dann  erhalten  sollten,  wenn  sie  nur  sechs  Pfennige 
sn  die  Sanct-Laurentius-Kirche  zu  Meer  zahlten  ^.  Die  Eigen- 
horigen  des  Klosterhofes  zu  Schwarzrheindorf  wurden  im  Jahr 
1172  in  den  Stand  der  Wachszinsigen  erhoben,  mit  der  Yer- 
pflichtung  eines  jeden  Mannes ,  der  eine  Genossin  heirathete, 
sowie  einer  jeden  Frau,  die  sich  mit  einem  Genossen  oder  Un- 
genossen  verehelichte,  fiir  die  Heirathserlaubniss  sechs  Pfennige  zu 
zahlen  ^.  Nach  einem  Hofrecht  vom  Jahr  1175,  welches  Baltha- 
sar  von  Biiren  als  Erbvogt  des  Oberhofs  Hiininghof  (Kirch- 
spiel  Ascheberg)  im  Jahr  1467  (bei  seiner  Belehnung  durch  den 
Abt  Heinrich  zu  Liesborn)  besratigte,  hatten  die  Leute  des  ge- 
nannten  Oberhofes  bei  ihrer  Yerheirathung  an  die  Kirche  zu 
Liesborn  neun  Pfennige  zu  zahlen,  und  zwar  sechs  an  den  Abt 
und    drei    an    den    Kiister '^.      In    der    Zeit    von    1183    bis    1196 


sick  verander  saten  wolde  vth  dem  Ampte  ,  die  is  schuldig    dem  Ampte  eya 
Pf.  Peppers,  vnd  Tegedere  oer  Recht  so  nha  alss  hie  dingenn  kahn." 

1  Urk.  des  Abts  Wichmann  v.  1166,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  296.  Nr. 
425 :  ,  .  .  ,,Pro  licentia  legitimarum  nuptiarum  VI  denarii  dabuntur  totidem- 
•que  in  obitu  singulorum,  quos  ecclesie  custos  cum  magistro  eorum  hoc  modo 
partietur,  ut  duae  partes  custodi.  tercia  uero  magistro  pro  labore  exactionis 
sue  proueniaf  ... 

2  Urk.  V.  1166,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  288.  Nr.  410:  ..  .  ,.ut  qui  prius 
pro  contrahendi  matrimonii  licentia  dabant  quiuque  solidos.  eandem  licentiam 
datis  sex  denariis  ecclesiae  S.  Laurentii  in  mere  optineant''  .  .  . 

3  Urk.  der  Abtei  Schwarzrheindorf  v.  1172,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  309. 
310,  Nr.  444:  .  .  .  „uir  si  mulierem  ecclesiae  nostrae  ducat,  pro  nubendi 
licentia  VI  denarios  persoluat  .  .  .  Mulier  uero  cuicumque  nupserit,  pro  licen- 
tia  VI  denarios  dabit."  Die  Manner  bedurften  zur  Heirath  mit  einer  Un- 
genossin  der  ausdriicklichen  Genehmigung  der  Aebtissin.  Vgl.  Kap.  12  S.  61, 
Kap.  20  S.   106,  auch  Kap.  28  gegen  Ende. 

*  Urk.  V.  1175,  erneuert  im  Decemb"er  1467  (am  Donnerstag  nach  Mariii- 
Geburt),  bei  Kindlinger  Nr.  181,  S.  604—607,  und  bei  Sommer  Beil.  49, 
S.  149 — 151,  Art.  6:  „Ock  wan  se  syck  nemet  to  Echte .  so  soUen  se  negen 
Pennynge  brenge    to  Leysborne,    dem  Abbete  VI.  dem  Kiister  III  Dr."     Vgl . 


118  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

iibergab  ein  Ritter  Namens  Udo  an  die  Kapelle  zu  Remelinkrode 
(Remlingrath)  zwei  seiner  Eigenhorigen  ■  mit  der  Bestimmung^ 
dass  diese  nunmehrigen  Altarhorigen  und  ihre  Nachkommen  zu 
jeder  Heirath  unter  Standesgenossen  derselben  Kirche  an  den 
Custos  ein  Ziegenfell  oder  neun  Pfennige  fiir  die  Heirathserlaub- 
niss  geben  sollten,  und  dass  sie  zu  jeder  Heirath  unter  Unge- 
nossen  einer  besondern  Dispensation  des  Custos  bediirften  ^  Am 
19.  Juli  1186  erneuerte  Erzbischof  Philipp  I.  von  Koln  die  in 
einer  verbrannten  Urkunde  verzeichnet  gewesenen  Rechte  der 
Familie  des  hl.  Petrus  zu  Soest  nebst  den  dazu  gehorigen  Ober- 
hofen  Hottorp  oder  Gelmen,  Borgelen,  Osinchusen  und  Elfende- 
husen;  darin  ist  bestimmt,  dass  ein  Mann  fon  dieser  Familie, 
wenn  er  innerhalb  derselben  heirathe,  nicht  mehr  als  vier  Schil- 
linge  fiir  die  Heirathserlaubniss  an  den  Schulzen  zu  entrichten 
habe,  und  dass  er  damit  das  Recht  erlange,  seine  Besitzungen 
an  Frau  und  Kinder  zu  verschenken,  dass  dagegen  bei  Heira- 
then  mit  Ungenossen  der  Ehevertrag  nebst  den  Brautgeschenken 
vom  Gutbeiinden  des  Schulzen  abliangen  solle  ^.  Im  Jahr  1187 
iiberliessen  Lambert  von  Wied  und  dessen  Schwestersohn  einige 
ihrer  Horigen  an  die  Stiftskirche  zu  Schwarzrheindorf,  mit  der 
Bestimmung,  dass  die  Kirche  von  diesen  Horigen  fiir  die  Heiraths- 


dazu  den  endlir.hen  Vertrag  zwischen  dem  Kloster  Liesborn  und  Balthasar 
von  Buren  vom  Jahr  1497,  bei  Somnier  Beil.  31,  S.  153—156,  Art.  7:  „Unde 
wanner  sych  de  hofhorigen  Liide  welk  friget ,  so  sal  ich  Baltazar  van  Biiren 
als  eyn  Erffvaget  vor  eyn  Overlaet  hebben  van  den  gennen ,  de  gefriget 
werth,  twe  Mark,  ende  nicht  mer;  unde  wy  Abt  unde  Convent  sullen  darvan 
hebben,  als  sych  dat  geborth  na  Vormoghe  unde  Inholde  unses  Bokes." 

1  Urk.  aus  Werden  v.  1183—1193,  bei  Erhard,  Cod.  dipl.  Bd.  2  S.  168, 
Nr.  437,  und  bei  Crecelius  Bd.  7  S.  33.  34,  Nr.  139:  .  .  .  „Cum  licentiam 
imbendi  requirunt  a  custode,  si  matrimonium  contractum  fuerit  inter  eos  qui 
ecclesiae  sint  et  paris  fuerint  conditionis,  pellem  hircinam  vel  VIIII  denarios 
persoluant.  Alias  si  matrimonium  inter  extraneos  contrahatur,  sub  pia  dis- 
pensatione  custodis  ordinatio  procedaf'  .  .  . 

2  Hofrecht  von  St.  Peter  zu  Soest  v.  19.  Juli  1186,  bei  Seibertz  Nr.  90, 
Bd.  1  S.  124—126,  und  bei  Grimm,  Weisth.  Bd.  6  S.  723—725:  .  .  .  „si  vir 
de  familia  illa  quicunque  uxorem  ducat  de  ipsa  familia  villico  curtis  quatuor 
solidos  non  amplius  dare  teneatur  et  sic  optento  illius  assensu  domum,  agros 
curtis  aut  quidque  habuerit  mobile  aut  immobile  tradat  uxori  et  filiis  si  ha- 
buerit,  nec  tenebitur  uxor  aut  filii  agros  seu  quidque  eis  traditum  fuerit,  de 
manu  villici  vel  cujuscunque  alterius  suscipere,  viri  sive  patris  donacione 
contenti  .  .  .  Si  autem  vir  non  de  familia  ducat  uxorem  de  familia,  vel  si  vir 
de  familia  ducat  uxorem  de  non  familia,  contractus  ille  matrimonii  et  dona- 
ciones  inter  sponsum  et  sponsam  erunt  pro  bene  plaeito  villici"  .  .  .  Vg]. 
Erhard,  Reg.  Nr.  2187,  Bd.  2  S.   71;  v.  Schmitz  S.  58. 


Kapitel  22.    lleirath^abgaben  in  Deutschland.  119 

erlaubniss  nicht  mehr  als  sechs  Pfennige  einziehen  diirfe  ^  Im 
Jahr  1192  wurden  drei  Schwestern  freien  Standes  auf  ihren  An- 
trag  in  die  Hurigkeit  des  Marienaltars  des  Kolner  Dorns  aufge- 
nommen,  mit  der  Abrede ,  dass  ihre  Cognaten,  ohne  Unter- 
schied  des  (leschlechts,  frei  heirathen  diirften,  jedooh  binnen 
Jahresfrist  nach  der  Hochzeit  zwolf  Pfennige  oder  ein  Ziegenfell 
von  gleichem  Werth  an  den  mit  der  Aufsicht  iiber  das  Nacht- 
licht  des  Doms  beauftragten  Domherrn  liefern  miissten  ^.  Im 
Jahr  1196  wurde  festgestellt,  dass  gewisse  Personen,  als  AVachs- 
zinsige  der  Kirche  zu  Meer,  bei  jeder  Heirath  unter  Genossen 
sechs  Pfennige  zu  zahlen  hatten  ^.  Eine  Freie  Namens  Werens- 
vidis  wurde  im  Jahr  1197  durch  die  Aebtissin  Elisabeth  zu  Essen 
unter  die  Wachszinsigen  der  Stiftskirche  oder  des  Altars  der 
hl.  Maria  und  der  hl.  Martyrer  Cosmas  und  Damianus  (der  Pa- 
trone  der  Essener  Kirche)  aufgenommen  und  iibernahm  hierbei 
fiir  ihre  weiblichen  Nachkommen  die  Yerpflichtung,  bei  jeder 
Heirath  ein  Bockfell  oder  zwolf  Pfennige  an  die  Kiisterin  des 
Stifts  Essen  zu  entrichten  *. 

Aus  dem  dreizehnten  Jahrhunderr  mogen  folgende  An- 
gaben  hier  erwiihnt  werden  ^.  Im  Jahr  1224  trat  eine  freige- 
borne  Frau ,  Namens  Rikelindis ,  mit  ihrer  Tochter  Vda  und 
ihrer  kiinftigen  Nachkommenschaft  in  Altarhorigkeit  der  Marien- 
kirche  zu  Aachen,  mit  der  Verpflichtung,  bei  jeder  Heirath  fiir 
die  Erlaubniss   zwolf   Pfenni^e   an    den  Custos   zu   zahlen  ^.     Um 


1  Urk.  V.  1187,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  354,  Nr.  604:  ...  ..Pro  licentia 
uero  matrimonii  contrahendi  neque  uir  neque  femina  amplius  quam  sex  de- 
narios  dare  cogantur''  .  .  . 

2  Urk.  des  Erzbischofs  Bruno  III.  v.  1192,  bei  Lacomblet  Bd.  1  S.  373, 
Nr.  536:  .  .  .  .,Item  mulier  eiusdem  cognationis  libere  nubat,  uir  licenter 
uxorem  ducat.  et  infra  annum  nuptiarum,  seu  uir,  seu  feniina,  predicto  cano- 
nonico  XII  denarios  aut  hircinam  pellem  eiusdem  precii  persoluaf'  .  .  . 

*  Urk.  des  Abts  Herimann  von  Cappenberg  vom  .1.  1196,  bei  Lacomblet 
Bd.  4  6.  789,  Nr.  642:  .  .  .  ,.in  contractu  coniugii  cum  consorte  sua  sex 
nummos." 

♦  Urk.  V.  1197,  bei  Crecelius-Harless  Bd.  16  S.  222:  ...  „et  si  mulier 
ex  hac  progenie  nuberet,  pellem  hircinam  sive  XII  denarios  custodi  conferet.'' 

^  Ausserdem  stehen  Bestimmungen  iiber  Heirathsabgaben  (nach  einer  ge- 
falligen  Mittheilung  des  Herrn  Geheimraths  Dr.  Harless)  in  Urkunden  des 
Gereonstifts  zu  Koln  von  1224  und  der  Pantaleonabtei  zu  Koln  vom  18.  Nov. 
1280,  im  Staatsarchiv  zu  Diisseldorf  —  In  diesen  Zeitraum  gehoren  auch  die 
unten  S.   126,  127  und  130  (Anm.  6)  mitgetheilten  Urkunden. 

6  Urk.  v.  1224,  bei  Quix  Nr.  137,  Bd.  2  S.  99:  ^Volens  etenim  ei  an- 
cillari,  cui  servire  regnare  e.st,  hanc  legem  sibi  et  sue  indixit  successioni,  ut 
annuatim  duo  denarii    aquen.    pro  sirgiila  capita    ad  altare  bte.  Marie  custodi 


120  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

1224  wurde  beurkundet,  dass  die  nicht  angesessenen  Hofliorigen 
des  Stifts  Essen  ini  Salland  fiir  ihre  Heirath  einen  Schilling 
oder  ein  Ziegenfell  an  die  Grundherrschaft  zu  liefern  hatten  ^. 
Kach  einer  Urkunde  des  Erzbischofs  Engelbert  zu  Koln  vom 
Jahr  1225  iibergab  Hermann  von  Yolco  einen  Hofhorigen  und 
dessen  Nachkommen  als  Wachszinsige  an  die  Kirche  zu  Camp 
mit  der  Bestimmung,  dass  dieselben  fiir  die  Erlaubniss  zur  Hei- 
rath  sechs  Pfennige  entrichten  miissten^.  Durch  Urkunde  vom 
Juni  1239  iiberliess  der  Ritter  Friedrich  von  Rindorp  an  die 
dem  deutschen  Orden  gehorige  Katharinenkirche  zu  Koln  einige 
eigene  Leute  und  deren  kiinftige  Nachkommen,  mit  der  Be- 
dingung,  dass  dieselben  bei  jeder  Heirath  fiir  die  Erlaubniss  dazu 
„der  Gewohnheit  gemass"  sechs  Pfennige  zu  entrichten  hatten  ^. 
Am  24.  Mai  1253  bestatigte  Erzbischof  Conrad  von  Koln  den 
Inhalt  einer  durch  den  heiligen  Anno  errichteten  und  durch 
einen  Brand  zerstorten  Urkunde,  worin  das  Recht  der  Wachs- 
zinsigen  an  der  Kirche  zu  Helden  bei  Attendorn  festgestellt  war; 
danach  hatten  diese  Wachszinsigen  dem  plebanus  bei  jeder  Hei- 
rath    eine   Abgabe    von   sechs   Pfennigen    zu    zahlen  *.     In    einem 


soluerentur.  pro  licentia  maritandi  XII  denarij  aquen.  de  mortua  manu  su- 
perior  vestis,  vel  pro  redemptione  similiter  XII  denarij  aquen.''' 

1  Urk.  um  1224.  bei  Kindlinger  Nr.  20  lit.  a,  S.  257—259,  n  11:  ,Jtem 
homo  ecclesiae  mansum  non  habens  pro  contrahendo  matrimonio  solidum 
dabit  vel  pellem  hirci."  Daraus :  Grimm,  R.-A.  S.  379.  Nach  einer  deut- 
schen  Ausgabe  desselben  Hofrechts  vom  Jahr  1224  (bei  Kindlinger  Nr.  20 
lit.  b,  S..  259—262,  n.  11)  betrug  die  Abgabe  fiinf  Schillinge  oder  ein  Zie- 
genfell:  ,,Item  eyn  horich  Mensch  der  Kercken  sal  geven  5  Schillingh  oft 
1  Seghenvel .  dat  he  sich  moghe  bestaden .  welkere  geynen  Hoef  en  hefft." 
Ygl.  Brinckmeier  unter  Bedemund .  Bd.  1  S.  307  (der  sich  fur  diese  Bestim- 
mung  auf  ein  Hofrecht  des  Stifts  Essen  aus  dem  fiinfzehnten  Jahrhundert 
beruft,  ohne  die  Quelle  anzugeben).  Eine  Heiratlisabgabe  von  fiinf  Schillingen 
findet  sich  auch  in  §§  3.  34  und  67  des  Hofreehts  des  Amthofes  zu  Loen,  bei 
Sommer  Beil.  54.  S.  160—180. 

^  Urk.  V.  1225.  bei  Potgiesser  S.  376:  .  .  .  ,.ut  quando  hic  juvenis  ad 
nuptias  transire  desiderat ,  nubendi  licentiam  sex  denariis  redimat"' :  und  bei 
Binterim  Bd.  3  S.  185,  Nr.  75 :  .  .  .  ,.cum  vero  ad  nuptias  transire  desiderat, 
nubendi  licentiam  sex  denariis  redimat"  ...  —  Durch  Urkunde  vom  selben 
Jahr.  bei  Lacomblet  Bd.  2  S.  68.  Nr.  127,  bestiitigte  Konig  Heinrich  VII.  der 
Abtei  Camp  den  ruhigen  Besitz  ihrer  Rechte. 

3  Urk.  V.  Juni  1239,  bei  Hennes  Bd.  2  Nr.  54,  S.  57:  ...  „ita  videlicet, 
quod  quisquis  ipsorum  singulis  annis  pro  iure  cerocensuali  dabit  ecclesie 
predicte  II  denarios  Coloniensis  monete.  Si  autem  aliquis  eorum  matrimo- 
nium  contraxerit,  pro  lieentia.  ut  consuetudinis  est .  dabit  VI  den..  de  obitu 
vero"  etc. 

■*  Urk.  des  Erzbischofs  Conrad  zu  Koln  vom  24.   Mai   1253.  I)ei  Lacomblet 


Kapitel  22.    Heirathaabgaben  iu  Deutscliland.  121 

durch  Bischof  Simou  vou  Taderboru  verkiiudeteu  Synodalbeschluss 
vom  Jahr  1262,  iiber  die  Wachsziusigeu  des  Bi.stliums  Paderborn, 
ist  gesagt:  ^Heirathet  eiu  wachszinsiger  Mauu  eiue  Standesge- 
uossin,  so  hat  er  eiu  Ziegenfoll  oder  einen  Schilling  zu  geben, 
nach  Wahl  des  Herrn;  heirathet  er  aber  eine  Ungenossiu,  uud 
erseheint  er  (zur  Yerantwortung  dariiber)  bei  dreimaliger  Ladung, 
80  soll  er  gegen  Zahluug  von  fiinf  Schillingen  in  seiuem  Recht 
verbleiben."  ^  Derselbe  Grundsatz  galt  bei  den  Wachszinsigen 
des  Domstifts  zu  Miiuster,  nach  eiuem  Weisthum  vom  Jahr  1272 
oder  1'612^.  In  einer  Urkunde  vom  8.  Miirz  1278,  wodurch  Graf 
Adolph  von  Berg  eiuige  Horige  dem  Kloster  Dunwald  als  AVachs- 
ziusige  schenkte,  wurde  vereinbart,  dass  dieselbeu  bei  jeder  Hei- 
rath  fiir  die  Erlaubniss  dazu  sechs  Pfennige  zu  zahlcn  hiitten  ^. 
Im  dreizehnteu  Jahrhuudert  hatten  sich  mehrere  AVachszinsige 
des  Klosters  Cappenberg  ohue  dessen  Erlaubniss  in  der  Stadt 
Liinen '^  niedergelassen,    und  es   war  fiir   sie   uud  ihre  Nachkom- 


Bd.  2  S.  209,  Nr.  391:  ...  „si  quam  [quisV]  vero  ipsorum  matrimonium 
contrahere  contigerit.  siuc  masculus  aut  femina  fuerit.  sex  denarios  dabit 
plebano"  .  .  . 

1  Urk.  V.  17.  Octuber  1262.  bei  Sommer  Beil.  37.  S.  123—125:  ,,Item 
de  cerosensualibus  ita  sententiatum  exstitit.  quod  juris  est,  et  in  omnibus 
Eccis  observatur.  quod  si  vir  cerocensualis  ducat  uxorem  sue  conditionis  dabit 
pellem  hircinam  aut  unum  solidum  et  stat  in  arbitrio  Domini,  quid  duxerit 
eligendum.  Si  vero  duxerit  uxorem .  que  non  est  sue  conditionis,  citandus 
est  tribus  edictis.  et  si  comparuerit  daliit  quinque  solidos ,  et  remanebit  in 
jure  suo"  .  .  . 

^  Decretum  Capituli  Moiiasteriensis  ratione  Cerocensualium .  bei  Binterim 
Bd.  3  Nr.  234,  S.  404.  40."),  und  bei  Grimm,  Weisth.  Bd.  3  S.  126.  127  (mit 
Jahreszahl  1272).  ferner  bei  Kindlinger.  U.  B.  Nr.  58,  S.  327—329  (mit  Jahres- 

zahl  1372) : Quod    ?i    vir    cerocensualia    ducat  uxorem    suae  conditionis, 

dabit  pellem  hircinam  aut  unum  solidum.  et  stat  in  arbitrio  domini,  quid  du- 
xerit  eligendum .  si  vero  duxerit  uxorem  non  suae  conditionis  citandus  est 
tribus  edictis,  et  si  comparuerit ,  dabit  quinque  solidos  et  remanebit  in  Jure 
suo"''  .  .  .  Dies  Recht  wurde  auf  der  Synode  zu  Miinster  am  11.  Oct.  1405 
(bei  Kindlinger,  M.  B.  Nr.  60,  S.  332—335)  nochmals  feierlich  festgestellt. 
Wegen  des  weitern  Inhalts  der  Urkunde  vgl.  oben  Kap.  12  S.  61;  auch 
Brinckmeier  unter  Cerocensualis  Bd.  2  Suppl.  S.  3.  Herr  Geheimrath  Dr.  Har- 
less  zu  Diisseldorf  halt  die  Jahreszahl  1272  fiir  die  richtige. 

3  Urk.  V.  8.  Marz  1273.  wovon  eine  Abschrift  des  siebzehnten  Jahrhun- 
derts  sich  im  Staatsarchiv  zu  Diisseldorf  befindet  ( Redingh.  CoUect.  I  fol.  425) : 
.  .  .  ,.Et  etiam  ipsorum  quilibet  pro  licentia  matrimonii  sex  denarios  Colo- 
nienses  persoluat  super  altare  predictum"  ,  .  .  Bel  Lacomblet  Bd.  2  S.  386. 
387,  Nr.  658,  ist  der  vorstehende  Satz  im  Abdruck  weggelassen.  Vgl.  die 
Anmerkung  daselbst  S.  387. 

*  Geraeint  ist  das  spatere  Dorf  Altenlanen  im  Stift   Miinster. 


122  Kapitel  22.    Heirathsaligaben  in  Deutschland. 

men,  durch  einen  zwischen  dem  Kloster  und  der  Stadt  geschlos- 
senen  Yergleich,  ein  besonderes  Wachszinsrecht  geschaffen,  das 
von  dem  allgemeinen  Wachszinsrecht  in  mehrfacher  Hinsicht  ab- 
wich.  Darauf  entstand  ein  neuer  Streit  iiber  den  Inhalt  des  Yer- 
gleichs,  da  die  urkundliche  Feststellung  desselben  versaumt  war. 
Jene  Einwohner  behaupteten  namlich,  zur  Verheirathung  inner- 
halb  oder  ausserhalb  der  Stadt  berechtigt  zu  sein,  wenn  sie  nur 
zwolf  Pfennige  fiir  die  Heirathserlaubniss  an  den  Kiister  dea 
Klosters  entrichteten.  Demgegeniiber  wurde  durch  Urkunde  vom 
23.  Xov.  1279  nachtraglich  der  ganze  Inhalt  des  Yergleichs  ver- 
brieft,  und  insbesondere  festgestellt,  dass  die  Heirathsabgabe  von 
zwolf  Pfennigen  nur  fiir  die  in  der  Stadt  selbst  geschlossenen 
Heirathen  gelte,  dagegen  fiir  Heirathen  mit  Auswartigen  das 
allgemeine  Wachszinsrecht  zur  Anwendung  komme  ^  Durch  Ur- 
kunden  vom  21.  Sept.  1280  und  20.  Sept.  1309  wurden  die 
Rechtsverhaltnisse  gewisser  Wachszinsigen  der  Kirche  von  Wer- 
den  festgestellt.  Danach  hatten  dieselben  schon  seit  alterer  Zeit 
bei  jeder  Heirath  unter  Genossen  an  den  Custos  sechs  Pfennige 
fiir  die  Heirathserlaubniss  zu  zahlen;  die  Genehmigung  zu  einer 
Heirath  unter  Unoen«ossen  hinjr  vom  Gutbefinden  des  Custos  ab  ^. 


*  Urk.  des  Klosters  Cappenberg  vom  23.  Nov.  1279,  bei  Kindlinger,  ^I.  B. 
Nr.  48,  S.  286—290:  .  .  .  .,Preterea  prehabiti  Cerocensuales  nostri,  et  eorum 
posteri  pro  licentia  contrahendi  matrimonium ,  ubicunque  eis  intra  opidum 
Lunen  contrahere  placuerit,  custodi  nostro  duodecim  denarios  Monasteriensis 
monete  persolvere  non  omittent:  si  vero  extra  opidum  contraxerint,  tunc 
jure  communi  aliorum  nostrorum  in  illo  contractu  Cerocensualium  tenebuntur 
.  .  .  [folgt  weiterer  Inhalt  des  Vergleichs]  .  .  .  Postremo,  cum  compositio 
inter  dictos  Cives  et  nos  per  has  Conditiones  inducta  per  negligentiam  non 
conscriberetur :  prefati  cives  metas  dictarum  conditionum  transgredi  volentes, 
in  eo  quod  tam  infra  quam  extra,  vel  extra  et  infra  opidum  contrahere  licere 
sibi  dicebant,  datis  custodi  nostro  duodecim  denariis;  Bernardus  Custos  noster, 
Conradus  Cellarius,  Warmundus  Sacerdos .  Bertoldus  Camerarius  et  frater 
Henricus  dictus  Horich  juraverunt.  ut  dicti  Cerocensuales  nostri  infra  opidum 
tantum  licentiam  contrahendi  Matrimonium  haberent,  tam  cum  hominibus  sue 
conditionis  quam  aliis,  solutis  pro  eo  Custodi  duodecim  denariis,  ut  superius 
est  expressum;  qui  Bernardus,  Conradus,  Warinus.  et  oeteri  predicte  dissen- 
tionis  fuerunt  Reformatores"  .  .  . 

2  Urk.  von  Rutgerus,  Custos  der  Werdenschen  Kirclie,  v.  21.  Sept.  1280, 
wiederhergestellt  und  erneuert  durch  die  l'rkunde  von  Riquinus,  Prouisor  et 
Thesaurarius  Monasterii  Werdinensis  .  vom  20.  Sept.  1309.  bei  Sommer  Bei- 
lage  74,  S.  230 — 232 :  .  .  .  ,,Pro  licentia  nubendi  si  sue  conditioni  nupserint  sex 
denarios  colonienses ;  sin  aliter,  licentia  consistat  in  beneplacito  Custodis''  .  .  . ; 
iu  der  Erneuerungsurkunde  von  1309:  .  .  .  „pro  licentia  quorum  seu  matri- 
monium  contrahendi,  si  inter  eiusdom  iuris  seu  condicionis  personas  contractus 
matrimonii  fiat,  sex  denarios  brabantinos  dabunt:  sin  aliter.  graoie  seu  ordina- 


Kapitel  22.    Heirathsabgaben  iii  Deutscliland.  123 

Aus  dem  v  i  erzelinten  Jalirhundert  datiren  folgende 
Urkunden  ^  Ein  Kiimmerer  der  Abtei  Werden ,  Godekind  von 
Lo,  verzichtete  am  16.  September  1815  fiir  sich  und  seine 
Nachkommen  auf  alle  Anspriiche,  die  er  gegen  die  Abtei  er- 
hoben  hatte,  unter  dem  Yorbehalt  seines  Rechts  auf  gewisse 
Abgaben  der  Kiimmerlingshorigen ;  zu  den  letzteren  gehiirte  eine 
Gebiihr  von  zwolf  Pfennigen,  die  jeder  Horige  bei  der  Hei- 
rath  zu  zahlen  hatte,  mochte  die  letztere  unter  Genossen  oder 
Ungenossen  stattfinden  ^.  ]S[ach  einer  Urkunde  der  Propstin  Lut- 
gardis  zu  Essen  vom  25.  Octobcr  1821  wurde  eine  Eigenhorige 
des  Oberhofs  Nunning,  Namens  Hilla,  durch  Tausch  in  das 
Wachszinsrecht  der  Propstei  Essen  aufgenommen,  mit  der  Ver- 
abredung,  dass  sie  im  Fall  einer  standesmassigen  Heirath  an  die 
Propstin  zwolf  Pfennige  zu  zahlen  habe  ^.  Der  Kaufmann  Her- 
mann  Schotelmann  zu  Miinster  nahm  als  Vertreter  des  Stifts 
Essen  in  einer  Urkunde  vom  Jahr  1826  fiir  sich  das  Recht  in 
Anspruch,  von  den  Horigen  bei  deren  Heirath  eiue  Licenzgebiihr 
zu  erheben,  wie  solche  durch  Recht  und  Gewohnheit  der  Kirche 
zu  Essen  begriindet  war  *.  Im  Jahr  1328  beurkundete  Dietrich 
von  Hagenbeck ,  nach  Uebernahme  der  lebenslanglichen  Ver- 
waltung  des  von  der  Propstin  zu  Essen  abhiingigen  Oberhofs 
Niinning,    dass    die    Horigen    desselben    fiir    die    Heirathslicenz 

cioni  Thesaurarii  Monasterii  Werden^iis    predicti    qui    pro  tempore    fuerit   pro 
eo  se  submittet"'  .  .  . 

*  In  einer  ungedruckten  Urkunde  des  Neusser  Quirinstifts  vom  12.  Mai 
1352,  im  Staatsarchiv  zu  Diisseldorf,  ist,  wie  mir  Herr  Geheimrath  Dr.  Harless 
mittheilt,  ebenfalls  eine  Bestinimung  iiber  Heirathsabgaben  enthalten.  —  Spa- 
testens  aus  dem  vierzehnten  Jahrhundert  stammt  eine  handschriftliche  Notiz 
zu  einem  im  Pfarrarchiv  zu  Xanten  aufbewahrten  Codex  (liber  ruber) ,  die 
bei  Binterim  Bd.  3  S.  405  abgedruckt  ist:  ...  „sex  vero  denarios  graves 
Colon.  monetae  pro  licentia  nubendi  dabunt".  Aus  einer  Vergleichung  dieser 
Stelle  mit  den  oben  erwahnten  Urkunden  erhellt,  dass  die  Abgabe  in  den 
meisten  Herrschaften  sechs  Pfennige  betrug.  --  Ueber  die  Urkunde  des  Dom- 
stifts  zu  :Munster  von  1372  s.  oben  S.  121. 

2  Urk.  V.  16.  Sept.  1315,  bei  Lacomblet  Bd.  3  S.  111,  112,  Nr.  150:  .  .  „et 
si  matrimonium  contraxerint ,  siue  cum  pari  seu  impari,  siniiliter  habebimus 
XII  denarios  de  eis,  et  in  hiis  consensus  noster  non  est  requirendus"  .  .  . 

3  Urk.  V.  25.  Oct.  1321,  bei  Kindlinger  Nr.  72,  S.  379,  und  bei  Sommer, 
Beilage  66,  S.  212:  .  .  .  „pro  licentia  vero  nubendi,  si  suo  pari  nupserit,  dabit 
nobis  duodecim  denarios  legales  et  persolvet ;  sin  autem ,  procurabit  hujus- 
modi  licentiam  de  nostra  gratia  et  favore." 

*  Urk.  V.  1326.  bei  Kindlinger  Nr.  76,  S.  384—386:  .  .  .  „eo  tamen  nobis 
salvo,  quod  .  .  .  licentiam  pro  matrimoniis  dictorum  hominum  dandam  secun- 
dum  jus  et  consuetudinem  praenarrate  ecclesie  Assyndensis  nobis  licite  pote- 
rimus  vindicare." 


124  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

zwolf  Pfennige  an  ihn  zu  zahlen  hatten  ^  Im  Jahr  1374  wurde 
die  Freie  Blyda  von  Devers  auf  ihren  Antrag  in  das  Wachszins- 
reeht  des  Sanct-Antonius-Ordens  von  AVestfalen  durch  dessen 
Rector  zu  Essen  aufgenommen ,  unter  der  Festsetzung,  dass  sie 
fiir  die  Erlaubniss  zu  heirathen  zwolf  Pfennige  zahlen  miisse  ^. 
Ein  Eigenhoriger  des  Hofes  Xiinning,  Xamens  Rutgherus,  von 
Huttorp,  kam  im  Jahr  1380  durch  Tausch  in  das  Wachszinsrecht 
der  Kirche  von  Essen.  Bei  seiner  Aufnahme  durch  Lyse  von 
Broicke,  Kiisterin  von  Essen,  wurde  vereinbart,  dass  er  das  Recht, 
sich  mit  einer  Standesgenossin  zu  verelichen,  durch  Zahlung  von 
neun  Pfennigen  erlange :  dagegen  sollte  die  Erlaubniss,  eine  Un- 
genossin  zu  heirathen,  von  Gunst  und  Gnade  der  jedesmaligen 
Kiisterin  abhangen  ^. 

Aus  der  Zeit  nach  dem  vierzehnten  Jahrhundert "* 
datiren  zwei  Urkunden  iiber  die  hofhorigen  Leute  des  Oberhofs 
Eickel  in  der  Mark  (zwischen  Iserlohn  undHagen),  dessen  Erb- 
grundherrin  die  Benedictiner-Abtei  Sanct-Pantaleon  zu  Koln  war. 
In  der  iilteren  von  diesen  beiden  L^rkunden  ist  gesagt,  die  Hof- 
leute  hatten  stiftungsgemiiss,  seit  funfhundert  Jahren,  fiir  die 
Erlaubniss  (den  ^Orloff")  zur  Heirath  an  den  Schultheissen  eine 
Abgabe  zu  entrichten;  der  Betrag  war  nach  vier  verschiedenen 
Fiillen  und  nach  der  Yermogenslage  der  Brautleute  abgestuft^. 
In    der    andern  T^rkunde,   vom  26.  Juli  1569,    sind  ahnliche  Be- 


1  Urk.  V.  1328.  bei  Klndlinger  Nr.  77,  S.  386—388:  .  .  .  „de  nubendi 
licentiis  hominum  ad  curtem  eandem  spectantium  duodecim  denario.s  recipiam 
et  h.abebo." 

2  Urk.  V.  1374.  bei  Kindlinger  Nr.  128.  S.  482:  .  .  .  ,,si  ipsa  nubere  vo- 
luerit.  pro  tali  licentia  dabit  XII  denarios.'' 

3  Urk.  V.  1380,  bei  Kindlinger  Nr.  131,  S.  486:  .  .  .  „pro  licentia  nubendi. 
si  pari  suo  nupserit.  dabit  novem  denarios  usuales  et  legales,  si  impari  nup- 
serit,  talem  licentiam  de  nostra  seu  Thesaurarie  tunc  existentis  gratia  pro- 
curabit  et  favore.'" 

■*  In  diesen  Zeitraum  fallen  auch  die  Urkunden  von  1405,  1415,  1433.  1467. 
1496,  1497  und  1571,  oben  S.  117.  118  und  121,  und  unten  S.  127.  128  und 
129.  Aus  einer  mir  unbekannten  Quelle  stammt  folgende  Nachricht  aus  Wtirt- 
temberg.  bei  Danz  Bd.  6  S.  46,  47,  §  544 :  „Im  Jahre  1496  erhielt  der  Pralat 
zu  Neresheim  von  den  Biirgern  und  Biirgerskindern  des  Stadtchens .  welche 
sich  verheiratheten,  eine  Mass  Festwein." 

^  Urk.  um  1500,  bei  Kindlinger  Nr.  195,  S.  645—657,  bei  Sommcr  Heil.  25. 
S.  72—80.  und  bei  Grimm,  Weisth.  Bd.  3  S.  60—65,  Art.  25—28.  Aus  Art. 
25:  ...  „fur  den  OrloflP  sal  der  Jenne,  die  uess  unserem  HofF  gevvesselt  wird. 
geven  dem  Herren  off  Scholtiss  der  reichste  zweien  rinsche  Gulden ,  der 
Middelmassigste  anderhalben  rinsche  Gulden,  der  Arme  einen  rinssschen  Gul- 
den,    der  allerarmste  einen  halven  rinschen  Gulden,  ind  alles  in  Gnaden,  ind 


Kapitel  22.    Heirathsabgahen  in  Deutschland.  125 

stimmuDgen  onrhalten,  jedoch    liuliere  Betiiige  fiir  die    Heiraths- 
abgaben  festgesetzt  ^ 

2.   Besondere  Xainen  zitr  Bezeiclinunfj  ron  Heiraflimhgahen. 

Bei  modernen  Schriftstellern  finden  sich  fiir  deutsche  Hei- 
rathsabgaben  folgende  Bezeichnungen,  die  nur  zum  Theil  durch 
Urkunden  beglaubigt  sind: 

A  b,z  u  g  s  g  e  1  d ,  in  Bayern  ^. 

Bedemund,  Beddemund,  Beddemunt^,  in  Westfalen, 
Braunschweig  und  andern  norddeutschen  Liindern.  Diese  Abgabe 
wird   in   folgenden  T'rkunden    aus   dem  zwOlften    bis    fiinfzehnten 


einen  rinschen  Gulden  mag  man  lietalen  mit  vier  iiml  thwintig  alder  Engelss". 
Die  Abgabe  war  in  Art.  25 — 28  verschieden  bestimmt.  je  nachdem  der  Brautigam 
oder  die  Braut  zu  einem  fremden  Hof  gehorten  .  oder  Beide  Genossen  waren. 
Das  "VVort  OrlofT  erinnert  an  das  englische  Wort  ourlop,  in  Kap.  16.  S.  84. 

1  Vergleich  zwischen  den  Hofherren  und  Leuten  des  Hofes  Eickel  vom 
26.  Juli  1569,  bei  Sommer  S.  80—86,  Beil.  26,  besonders  §§  4  und  5.  Vgl. 
auch  Brinckmeier  Bd.   1  S.  307. 

2  V.  Maurer  Bd.  3   S.  168. 

3  Schottel  cap.  1  §  35,  S.  27,  28;  Westphal  §  13,  S.  39,  40:  Schilter,  Pand. 
36  §  32,  S.  342;  Harenberg,  Diss.  3  §  16,  S.  539,  (der  das  Wort  von  ,.Bede" 
=  Bitte  und  von  „Mund"  ableitet) ;  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  25;  Zedler 
Bd.  3  S.  891.  unter  Bedemundsrecht ;  Piper  §  11  (der  das  Wort  aus  ..Wette" 
und  ,,muthen"  zu  erkliiren  sucht) ;  J.  G.  Heineccius,  Ant.  Bd.  2  lib.  2  cap.  9 
§  29  (..Bedemuthe");  Deutsche  Encykl.,  unter  Bedemund :  Kindlinger  §§  6. 
7,  9,  31  (der  das  Wort  von  .,Bellemund''  =  Unmiindiger  ableitet) ;  Brinck- 
meier,  unter  Bedemund,  Bd.  1  S  306  —  308  (von  Bett  und  Mund  =  Erlaub- 
niss  zur  Besteigung  des  Ehebetts);  v.  Maurer  Bd.  3  S.  168;  Grinim,  W.-B.  un- 
ter  Bettmund  (wo  das  Wort  von  „Mund"  =  Schutz.  und  von  ,,Bett"  abgeleitet 
wird);  Scherr  1865.  S.  129  und  1876.  S.  237;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  236.  — 
Dasselbe  Wort  bezeichnete  auch  die  Strafe  einer  unrechtmiissigen  Geschlechts- 
verbindung,  vgl.  oben  Kap.  13  S.  68.  —  Der  Ausdruck  „Bedemund'"  diirfte 
von  bede  oder  bete  (praestatio.  Abgabe)  und  raund  (mundium,  Schutz)  her- 
zuleiten  sein  und  danach  urspriinglich  den  allgemeinen  Sinn  einer  Abgabe  an 
den  Schutzherrn  gehabt  haben.  Vgl.  cap.  34  ex  Codice  Eberhardi  monachi, 
bei  Dronke  1844,  S.  64:  .  .  .  ..In  hetenhusen  soluant  mancipia  antequam  nu- 
bant  censum  intra  XXX  annorum  spacium.  qui  census  vulgariter  heitemunt 
nuncupatur.  et  est  numerus  quinque  solidorum  uel  optimam  uestem  eius.  In 
franchwarteshusen  similiter"  .  .  .  Hier  bezeichnet  das  Wort  „beiteraunt"  nicht, 
wie  G.  Waitz  (Bd.  5  S.  236)  raeint ,  eine  Heirathsabgabe ,  sondern  eine  Art 
Grund-  oder  Kopfsteuer.  die  der  Leibeigene  zu  zahlen  hatte  .  bevor  er  hei- 
rathete  oder  dreissig  Jahre  alt  wurde.  Das  Recht  zur  Erhebung  dieser  Steuer. 
die  dera  Anschein  nach  durch  Ablosung"  von  Frohndiensten  entstanden  Avar 
(vgl.  cap.  35  Eberh.  Fuld.,  bei  Dronke  1844,  S.  65),  hatte  in  Thiiringen  zu 
den  Einkiinften  des  Konigs  Konrad  (911 — 918)  gehort  und  war  durch  denselben 
an  die  Kirche  zu  Fulda  iibertragen  worden;    sie    betrug    fiir   jeden    dcr   dazu 


126  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Ueutschland. 

Jahrhundert  erwiihnt  K  Durch  eine  Urkunde  aus  der  Zeit  von 
1142 — 1156  erlangten  sammtliche  Wachszinsige  des  Sanct-Patro- 
clus-Stifts  zu  Soest  die  Anerkennung  ihres  Rechts,  ein  Weib  zu 
nehmen  oder  eine  Tochter  zu  verheirathen,  ohne  deshalb  der  mit 
dem  Namen  ^Beddemunt"  bezeichneten  Abgabe  unterworfen  zu 
sein  2.  In  derselben  Bedeutung,  einer  Heirathsabgabe,  findet  sich 
das  AVort  Beddemunt  in  der  bereits  oben  (S.  116)  erwahnten 
Urkunde  des  Abts  Franco  zu  Liesborn  vom  Jahr  1166  ^;  in  eiuer 
vom  Jahr  1171  (irrthumlich)  datirten  Urkunde  des  Propstes  Hunold 
zu  Kloster  Yolchardinchusen  im  AValdeck'schen '^;  in  einer  Urkunde 
des  Erzbischofs  Philipp  I.  von  Koln  aus  Soest  vom  1,  Juni  1172, 
iiber  die  aus  freiem  Stande  in  das  Wachszinsrecht  der  Sanct-Peters- 
Kirche  zu  Medelach  eingetretene  Hadeloch  und  ihreXachkommen  ^: 


verpflichteten  Leibeigenen  fiinf  Schillinge  oder  das  beste  Kleid.  In  noch  an- 
derer  Bedeutung  findet  sich  das  "Wort  Bedemunt  in  eineni  Verzeichniss  des 
Abts  Wedekind  zu  Corvey,  von  118J— 1205,  bei  Sommer.  Beilage  40.  S.  132 
(§  17):  .  .  .  „Hereditates  que  dicuntur  Bedemunt  Abbati  cedunt"  .  .  . 

1  Dazu  kommt  noch  die  bei  Nolten  S.  145  erwahnte  Urkunde,  deren  Alter 
mir  nicht  bekannt  ist.  Nolten  versichert  namlich,  dass  nach  einem  sehr  alten 
Copialbuch  der  Kirche  Sanct-Michael  zu  Hiklesheim  die  Horigen  der  Kirche 
bei  ihrer  Verheirathung,  nach  Beschreitung  des  Ehebetts.  unter  dem  Namen 
Beddemund  neun  Groschen  und  drei  Heller  an  den  Propst  zu  entrichten  hatten. 
Vgl.  iiber  das  Bisthum  Hildesheim  unten  S.  131. 

2  Urk.  V.  1142  —  1156,  bei  Kindlinger,  M.  B.  Nr.  26,  S.  172—174,  bei  Som- 
mer.  Beil.  36,  S.  122,  123,  und  bei  Seibertz  Nr.  43,  Bd.  1  S.  57,  58:  . .  .  ,,Scien- 
dum  est  praeterea.  quod  quilibet  in  tota  familia  illa,  rerum  suarum  donationes 
facere,  uxores  ducere  et  nuptum  [nuptui]  tradere,  omnimodam  libertatem  ha- 
bebit,  nec  aliquis  Ecclesie  Priorum  seu  Canonicorum  per  exactionem  que 
vulgo  BechJemunt  vocatur,  ab  aliquo  quicquam  extorquebit"  .  .  ,  Vgl.  Er- 
hard.  Reg.  Nr.  1600.  Bd.  2  S.  13;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

^  Urk.  des  Abts  Franco  zu  Liesborn  v.  1166,  bei  Kindlinger  Nr.  12,  S.  240. 
241 .  und  bei  Sommer,  Beil.  55.  S.  181  (im  Anschluss  an  die  oben  S.  116 
Anm.  4  citirten  "Worte):  „sin  vero  in  inferiori  gradu .  id  est  in  Ancillis  vel 
mancipiis  matrimonia  contraxerint ,  pueri  ab  illis  procreati  jus  parentum  per 
omnia  obtinebunt,  ex«epto,  quod  hereditas  morientium  jure  mancipiorum  in- 
tegraliter  utilitati  nostre  deputabitur:  porro  per  succedentes  generationes. 
quotquot  fuerint,  dimidium  censum  et  nuptialia  commoda,  quod  dicitur  Bedde- 
munt ,  ac  hereditates  per  omnia  more  litonum  persolvent''  .  .  .  Vgl.  Erhard. 
Reg.  Nr.  1921,  Bd.  2  S.  46;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

"  Urk.  V.  1171  oder  um  1220,  bei  Varnhagen  (Urk -B )  Nr.  3  S.  8.  und 
bei  Wigand  Bd.  3  S.  89—91:  .  .  .  „domine  (d.  h.  an  die  Oberin  des  Augusti- 
nerinnenklosters  Volchardinchusen)  cum  nupserint  heddemuiiditni  persolvere 
debent  duobus  solidis."  Vgl.  Grimm,  W.-B.  unter  Bettemund;  Erhard,  Reg. 
Nr.  1969,  Bd.  2  S.  50  (wo  der  bei  Wigand  abgedruckte  Aufsatz  v.  Spilker"s 
unbeachtet  geblieben  ist). 

5  Urk.  V.   1.  Juni   1172.  bei  Seibertz  Nr.  62,  Bd.  1  S.  87.  88:  ...  „et  tam 


Kapitel  22.    Ileiratlisabgaben  in  Dcutschland.  127 

und  in  eincr  Urkunde  der  Aebtissin  Jutta  zu  Meschede*  vom 
Jahr  121t)  iiber  eine  Wachszinsige  der  Kirche  zu  Mesciiede  ^  In 
rrlvunden  des  Abts  Conrad  zu  Corvey  vom  27.  Mai  1176  ^  und 
des  Herrn  Friedrich  von  Padberg  vom  27.  Miirz  l^DO^  ist  der 
Name  der  Abgabe  auf  die  Bezeichnung  des  Yerlobnisses  iiber- 
tragen.  Nach  einer  Urkunde  des  Erzbischofs  Dietrich  von  Koln, 
als  Yerwesers  des  Bisthums  Paderborn,  vom  Jahr  1415,  hatten  die 
Untersassen  und  Landleute  im  Lande  Delbriick  zufolge  alten 
Landesrechts  als  Beddemund  bei  ihrer  Yerheirathung  (fiir  das 
Yollwort,  d.  h.  fiir  die  Zustimmung  zur  Heirath)  fiinf  Schillinge 
nebst  seclis  Yierlingen  fiir  den  Geldbeutel,  an  den  Bischof  oder  an 
dessen  Amtmann,  zu  entrichten  ^.  Herzog  Heinrich  von  Braun- 
schweig  und  Liineburg  erliess,  mit  Zustimmung  der  braunschweigi- 
schen  Landstiinde,  im  Jahr  1433,  am  Sonntag  Yocem  jucunditatis 
(5.  Sonntag  nach  Ostern),  ein  Gesetz,  wonach  als  Bedemund 
kein  hoherer  Betrag  erhoben  werden  sollte,  als  von  Alters  her 
festgesetzt  war  ^.  Yeranlassung  dieses  Gesetzes  war  (nach  einer 
in  der  Einleitung  enthaltenen  Bemerkung)  der  Missbrauch,  dass 
iibermassige  Betriige  fiir  den  Beddemund  eingefordert  wurden, 
weshalb  viele  Leute  auswanderten. 

Die  unter  deni  Namen  Bedemund  bekannte  Heirathsabgabe 
bestand  noch  in  der  Keuzeit.  Im  Freiengericht,  das  Herzog 
Julius   von  Braunschweig   zu   Sickte   (in   der   Niihe   von  Wolfen- 

ipsa  quam  omnes  femine  propagande  ex  suo  semine  libera  ab  eo  jure  quod 
hedcJemunf  dicunt  semper  permaneat"  .  .  .  Vgl.  Erhard,  Reg.  Nr.  1973, 
Bd.  2  S.  51. 

1  Urk.  V.  1216,  bei  Seibertz  Nr.  142.  Bd.  1  S.  184:  ...  ,,pro  heddemumlf, 
sex  denarii  solvantur."  (In  dieser  und  der  vorgenannten  Stelle  ist  die  Mog- 
lichkeit  nicht  ausgeschlossen .  das  "\Yort  beddemund  in  beiden  Bedeutungen 
zu  verstehen.) 

2  Urk.  des  Abts  Conrad  zu  Corvey  iiber  die  Rechte  des  Stiftskusters  am 
Dorf  Haversfort,  vom  27.  JHai  1176,  bei  Wigand,  Corvey  Nr.  6,  S.  225—228, 
bei  Kindlinger  Nr.  14,  S.  243—245,  und  bei  Sommer,  Beil.  41,  S.  185,  186: 
.  .  .  ,.desponsationes  puellarum,  que  vulgariter  Beddemund  vocantur"  .  .  . 
Vgl    Erhard.  Reg.  Nr.  2017.  Bd.  2  S.  55:  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

3  Urk.  Friedrichs  von  Padberg  vom  27.  Marz  1290.  bei  Seibertz  Nr.  432, 
Bd.  1  S.  522—524:  ...  „11)  Sponsalia  que  vulgo  bedemunt  dicuntur  nomine 
et  vogethdingh  et  frygedingh  nullum  jus  ibi  obtinebunt''. 

*  Urk.  V.  1415,  bei  Kindlinger  Nr.  158,  S.  545—549,  Art.  7:  „Item  wan 
man  eyne  Echtescap  maket ,  de  soUen  dan  na  Wontheit  des  Landes  tor  Del- 
briige  eynem  Bisscope  oder  sinen  Amptliiden  geven  vyff  Schillinge  vor  eynen 
Beddemund ,  unde  sees  Verlinge  vor  eynen  Biidel,  dair  men  dat  Gelt  insteke, 
dair  mede  sal  men  der  Heren  Vulbord  hebben." 

*  Gesetz  v.  J.  1433  (5.  Sonntag  nach  Ostern),  bei  Schottelius  cap.  2  §  13, 
S.  48—51. 


128  Kapitel  '22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

biittel)  im  Jahr  1571  abhalten  liess,  wurde  entsehieden,  dass  die 
Mitglieder  der  vier  Geschlechter  der  Freien  keine  Bedemund  zu 
geben  hatten  ^  Schottel  berichtet :  „Und  hat  es  mit  der  Bede- 
mund  (merces  copulationis  oraliter  petitae)  oder  dem  Bedemunds- 
recht  diese  Bewandtniss,  der  Brautigam  muss  sich  personlich  bei 
der  bestellten  Obrigkeit  auf  dem  Lande  anfinden,  Bedeweiss 
miindlich  sein  Vorhaben  zu  heirathen  anbringen,  und  wenn  solches 
erlaubt  und  verzeichnet  wird,  deshalber  ein  geringes  jedoch  ge- 
wisses  Geld  ins  Amt  erlegen:  und  zwar  zuni  ersten  Mal  giebt 
er  zwanzig  Mariengroschen  und  sechs  Pfennige.  Freiet  er  zum 
andern  Mal,  giebt  er  vierzehn  Mariengroschen  und  vier  Pfennige. 
Zum  dritten  Mal  giebt  er  nur  sieben  Mariengroschen  und  vier 
Pfennige.  Der  aber  zum  vierten  Mal  freiet,  giebt  zur  Bedemund 
Nichts.  Wiewohl  das  Quantum  der  Bedemunds-Groschen,  nach- 
dem  es  Herkommen,  variirt."  ^  In  Pommern,  in  der  Lausitz,  in 
Mecklenburg,  in  Holstein  und  in  Hannover  soU  eine  bauerliche 
Steuer  unter  dem  Xamen  ^Bedemunt"  noch  im  achtzehnten  Jahr- 
hundert  bestanden  haben  ^. 

Brinckmeier  halt  es  fiir  niclit  ganz  unwahrscheinlich,  „dass 
das  in  den  alten  Zeitpn,  doch  nur  in  einigen  Landern  und  Ge- 
genden,  angeblich  ausgeiibte,  meistens  aber  doch  wohl  abgeloste 
Recht  der  ersten  Nacht  (jus  deflorationis,  cunagii)  den  Anlass 
zur  Einfiihrung  der  Bedemund  gegeben  habe"  ^.  Und  Westphal 
bemerkt,  das  Bedemundsrecht  sei  ein  Ueberrest  des  durch  das 
Christenthum  verdriingten  jus  connagii,  wonach  in  alten  Zeiten 
die  deutschen  Herrscher  die  Gewalt  gehabt  hiitten,  bei  Heirathen 
ihrer  Unterthanen  die  jungfrauliche  Keuschheit  in  der  Hochzeits- 
nacht  zu  verkosten  ^.  Diese  Yermuthung  findet  in  den  erwahn- 
ten  Urkunden  keine  Bestatigung  und  ist ,  wie  Danz  richtig  an- 
nimmt  ^  vollig  grundlos.  Sie  ward  schon  in  der  deutschen  Ency- 
klopiidie  fiir  eine  „ungegriindete  Fabel"  erkltirt '. 

1  Freiengericht  zu  Sickte  von  1571,  Art.  7,  bei  Grimm,  Weisth.  Bd.  3  S.  245: 
.  .  .  „Dazu  geben  sie  keine  bedemund  noch  bulebe,   weder  pferd  noch  kiihe''. 

2  Schottelius  cap.  1  §  35,  S.  27,  28.  Vgl.  Deutsche  Encykl.  unter  Bede- 
mund:  „An  den  meisten  Orten  wird  bei  der  ersten  Verheirathung  zehn,  bei 
der  zweiten  vierzehn ,  bei  der  dritten  sieben  Mariengroschen,  und  bei  der 
vierten  gar  Nichts  bezahlt;"  Brinckmeier  Bd.   1  S.  306. 

3  Michelet  S.  CXXIII. 

*  Brinckmeier  Bd.  1  S.  307.  Gleich  nachher  giebt  jedoch  Brinckmeier  selbst 
zu,  dass  der  Ursprung  der  Abgabe  „sich  schon  aus  den  in  manchen  Gegenden 
sehr  ausgedehnten  Eigenthumsrechten  der  Leibcsherren  erkliiren''  lasse. 

5  Westphal  g§  11—13,  S.  37—40. 

*  Daiiz  Bd.  6  S.  45,  ^  544.  "^  Deutsche   Enoykl.  unter  Bedemund. 


Kapitel  22.    Hciratlisabgnben  in  Deutscbland.  129 

B  r  a  u  t  g  e  1  d  o  d  e  r  B  r  a  u  t  g  u  1  d  e  n,  in  Bayern  \  sclieint  niclit 
eine  grundlierrliehe,  sondern  eine  landcslierrliclie  Steuer  gewesen 
zu  sein  ^. 

Brautlauf,  in  Sclnvaben.  Obwolil  dieser  Ausdruck,  wie 
der  lateinische  cursus  nuptialis,  in  der  Regel  die  Hochzeit  be- 
zeichnet^,  so  scheint  er  doch  in  einigen  Gegenden  Deutschlands 
der  Xame  einer  grundherrlichen  Heiratlisabgabe  gewesen  zu  sein  "•. 
Wenigstens  findet  sich  iiber  den  wiirttembergischen,  Yormals 
Kloster  Adelberg'schen  Ort  Bortlingen  (nordlich  von  der  Stadt 
Goppingen)  folgende  ISFachricht:  „Eigenthumlich  war  der  Braut- 
lauf,  welchen  Adelberg^sche  Personalleibeigene  im  Stabe  Bort- 
lingen  entrichten  mussten;  nach  dem  Lagerbuche  von  149G  nam- 
lich:  der  Mann  eine  Scheibe  Salz,  die  Braut  aber  1  Pf.  7  Sch. 
Hlr.  oder  eine  Pfanne,  dass  sie  mit  dem  Hinteren  darein  sitzen 
kann  oder  mag."  ^ 

Brautlosungsgeld  hiess  eine  Abgabe,  welche  Handwerker 
an  die  Zunft  fiir  die  Erlaubniss  zur  Heirath  entrichteten  ^ :  es  war 
also  keine  grundherrliche  Abgabe. 

Bulevinge.  Dies  Wort  soU  dem  Ausdruck  Bumede  ent- 
sprechen  ^,  wonach  man  denken  konnte ,  es  sei  auch  in  der 
Bedeutung  einer  Heirathsabgabe  gebraucht  worden.  Indessen 
war    bulevinge    eine    Abgabe,    die   wegen    der   Heirath    von  Un- 


1  V.  Maurer  Bd.   3  S.   1()8. 

-  Vgl.  Verordnung  des  Konigs  Max  Josepb  von  Bayern  v.  25.  Nov.  1808, 
Bayer.  Reg.-Bl.  1808,  Bd.  2  S.  2822,  wodurcb  ausser  andern  Steuern  die 
..Brautgulden^''  in  den  ebemaligen  Provinzen  Bayern-  und  Oberpfalz,  die 
,.Brautgelder"  in  der  ebemaligen  Provinz  Scbwaben  und  die  ,,Hocbzeitgelder"' 
in  der  ebemaligen  Provinz  Neuburg  aufgehoben  -wurden. 

^  Der  Ausdruck  wird  daraus  erklart,  dass  im  Alterthum  ein  Wettlauf  um 
die  Braut  stattfand.  Vgl.  Deutscbe  Encykl.  unter  Brautlauf;  Grimm.  W.-B. 
unter  Brautlauf;  Grimm,  "Weistb.  an  den  im  Register  unter  Brautlauf  be- 
zeicbneten  Stellen ;  Simrock,  Myth.  §  147,  unter  Hocbzeit;  Schonwertb  Bd.  1 
S.  121;  Diimge  S.  28;  Weinhold  S.  246,  263:  v.  Diiringsfeld  S.  215. 

*  Deutsche  Encykl.  unter  Brautlauf ;  Runde  §  544 :  Danz  §  544.  Bei 
Reynitzsch  S.  276  findet  sich  die  grundlose  ^SIeinung,  dass  der  ..Brautlauf'*'  in 
Bayern  auf  dem  jus  primae  noctis  berube. 

^  Moser  S.  74.  Vgl.  iiber  einen  derartigen  Inbalt  der  Abgabe  auch  v.  Hor- 
mayr  1842,  S.  146;  v.  Scbmitz  S.  232.  Ohne  allen  Grund  meint  Sugenheim 
(1861,  S.  360),  jene  Abgabe  sei  ,,die  alte  Ablosungssteuer  des  beriichtigten 
Rechts  der  ersten  Nacht"  geweseii.  Diese  Nachricbt  Sugenheim's  rechnet  Ku- 
lischer  (S.  224)  zu  den  directen  Zeugniss«n  fiir  die  Existenz  des  jus  primae 
noctis. 

6  Grimm,  W.-B.  Bd.  2  S.  338. 

'  Grimm,  W.-B.  unter  Baulebung, 

Schmidt,  Jus  primae  noctis.  9 


130  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

genossen  nicht   bei    der  Hochzeit,    sondern   erst   nach   dem  Tode 
erhoben  wurde  ^ 

Bumede,  Burmede  oder  Baurmiethe-.  Der  Ausdruck 
Bumede  findet  sich  in  einer  Stiftungsurkunde  des  Kais6rs  Lothar 
vom  1.  Aug.  1135^,  in  einer  Schenkungsurkunde  des  Grafen 
Siegfried  von  Boumeneberg  vom  2.  Nov.  1141  *  und  in  einer 
Urkunde  des  Herzogs  Heinrich  von  Bayern  und  Saclisen  vom 
4.  Nov.  1164^,  zur  Bezeichnung  einer  Abgabe,  die  bei  Heirathen 
unter  Nichtgenossen  zu  entrichten  war.  Der  Sachsenspiegel  er- 
wahnt  die  Burmede  als  Heirathsteuer  der  "Wendinnen,  zum  Be- 
weis  ihrer  Unfreiheit,  ohne  hinzuzufiigen,  dass  diese  Abgabe 
nur  bei  Heirathen  unter  Nichtgenossen  zu  zahlen  sei ''.     Eine  mit 


^  Vgl.  ohen  y.  61  Anm.  1:  Harenberg,  diss.  3  §  16,  S.  539:  Grimm,  'W.-B. 
unter  „Bauiebung" ;  Brinckmeier  \inter  Budelinge ,  Bd.  1  S.  300.  301.  Hier 
wird  Bulevinge  oder  Budelinge  definirt  als  ..das  vorbehaltene  Recht  des  Herrn 
an  eine  Quote  des  Nachlasses  seines  Horigen ,  der  eine  fremde  Horige  zum 
"Weibe  genommen  hat". 

-  Harenberg.  diss.  8  §  16.  S.  1173  (wo  das  Wort  von  „anbuen"  oder  „buen" 
=  genus  propagare,  \ind  „Miethe"  =  pretium  hergeleitet  wird);  Potgiesser 
lib.  2  cap.  2.  ^  15:  G.  Hoffmann  llb.  1  cap.  8.  S.  84—91  (der  ^Burmede'- 
mit  „Bauerniiethe"  =  census  rusticorum  erklart):  Wachter  unter  Bumede 
und  unter  Reitschoss;  Halthaus  unter  Bumede;  Scherz  unter  Bumede:  Zedler 
ISd.  3  S.  "86  unter  Baurmiethe ;  Deutsche  Encykl  iinter  Bedemund  und  unter 
Bauermictlie  (wo  eine  Ableitung  des  Worts  aus  „Braut"  und  „Metha"  =  Ge- 
schenk  erwahnt  wird) :  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  22:  Runde  §  544;  Danz  §  544: 
Grimm,  R.-A.  S.  384:  Brinckmeier  Bd.  1  S.  298;  v.  Raumer  Bd.  5  S.  25: 
V.  Maurer  Bd.  3  S.  168:  Noordewier  S.  160:  Scherr  1865,  S.  129  und  1876. 
S.  -237:  Zopil  4.  Aufl.  Bd.  2  §  30,  S.  167,  168:  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

3  Urk.  V.  1.  Aug.  1135,  bei  Rehtmeier  Bd.  1  S.  298  und  in  den  Orig. 
Guelf.  Bd.  2  S.  524 — 526,  Nr.  524:  .  .  .  „Volumus,  ut  si  qua  mulier  de  fa- 
railia  Ecclesic  servo  nostro  ad  admlnistradium  [aut  uni  ministerialium  ?]  iio- 
strorum  nupserit  data  justitia,  quae  Bunieda  dicitur,  in  perpetuum  cum  ma- 
rito  juri  nostro  remaneat.  Et  e  conver.so  ideni  fiat,  si  qua  de  faniilia  nostra 
Ecclesie  servo  nupserit."  Vgl.  Estor  §  93,  S.  130,  131:  G.  Hoffmann  lib.  1 
cap.  8.  S.  84—91:  v.  Raumer  Bd.  5  S.  25;  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

*  Urk.  v.  2.  Nov.  1141,  bei  Harenberg  S.  707,  708:  .  .  .  „Ad  haec  conce- 
dimus,  ut  si  qua  de  familia  ecclesiae  cuiquara  nostrorura  [nostro  ?]  maritaverit 
servo ,  data  justitia,  quae  vulgo  Bnmeile  dicitur,  juri  nostro  de  cetero  cum 
suo  inaneat  marito .  et  e  converso  fiat  id  ipsum  ,  si  qua  de  nostra  familia  fa- 
mulo  fuerit  Ecclesiae  copulata."     Vgl.  G.  Waitz  Bd.  5  S.  237. 

»  Urk.  V.  4.  Nov.  1]64,  Orig.  Guelf.  Bd:  3  S.  424—425:  .  .  .  ,.Itom  con- 
cedimus,  ut  si  qua  de  familia  Ecclesiae  alicui  nostro  nupserit  servo ,  data 
prius  justicia,  quae  vulgari  eloquio  Btimede  vocatur,  in  reliquum  cum  marito 
juri  nostro  remaneat.  ct  e  converso  idem  fiat  si  quam  de  familia  nostra  Eccle- 
siae  nubere  cnntingat"  .  .  .     Vgl.  v.  Raumer  Bd.  5  S.  25.. 

*  Saclisenspiegel  IH,  73  §  3 :    ,.Man  saget  dat  alle  wendinne  fri  sin,  durch 


Kapitel  22.    Hcirathsaljgaben  iii  I)eutr<chland.  131 

dem  Nanien  bumiete  bezeiclinete  Ifeiratlisabgalje  wird  schon  in 
einer  Urkunde  des  Bischofs  Udo  zu  Hildesheim  vom  24.  Mai 
1092  erwiihnt,  wodurch  die  Dienstleute  der  Kirche  zu  Hildes- 
heim  von  jener  Abgabe  befreit  wurden.  In  dieser  Urkunde  ist 
bemerkt,  dass  die  vollige  Freiheit  zu  heirathen,  wie  solche  den 
Dienstleuten  des  Reichs  und  der  Kirche  zu  Mainz  zustehe,  friiher 
auch  im  Gebiet  der  Kirche  zu  Hildesheim  gegolten  habe,  bis 
jene  Abgabe  durch  die  Bischufe  Azelin  und  Hettilo  zu  Unrecht 
eingefiihrt  worden  sei  ^. 

Bunzengeld  oder  B  u  nze  n  groschen  ^.  Yon  dem  Dorf 
Farnstadt,  welches  im  ehemaligen  Fiirstenthum  Querfurt  liegt  und 
den  Herren  von  Geusa  gehorte,  berichtet  Liinig^:  .  .  ,    „es  muss 


dat  ire  kindere  na  deme  wendischen  vadere  horet ;  des  is  doch  nicht :  wenne 
si  gevet  ire    hurmede  irme  herren,    also  dicke  als  si  man  nemet''  .  .  .     Latei- 

nisch :    suis  dominis .    quotiens    copulantur.  praestant  mercedem  copula- 

tionis"  .  .  .  Diese  Abgabe  soll  von  dem  in  §  2  desselben  Artikels  erwahnten 
Erzbischof  Wichmann  von  Magdeburg  herriihren.  Ygl.  dariiber  Allg.  Lit.  Anz. 
1797,  S.  1423:  Riedel  Th.  2  S.  29;  Homeyer  S.  248.  —  Zobel  (fol.  449  Anm.  c) 
bemerkt,  die  Baurmiethe  sei  fiir  den  Loskauf  von  den  Pfiichten  gegen  den 
Herrn  (fiir  die  Freilassung)  gezahlt  wordeu.  "Ware  dies  sicher .  so  konnte 
daraus  gefolgert  werden,  dass  die  Abgabe  bei  Heirathen  \inter  Genossen 
nicht  zu  zahlen  \var. 

1  Urk.  V.  24.  Mai  1092.  bei  WigaVl  Bd.  1  S.  104— lOG:  ..Vdo  huius 
sancte  scdis  uocatus  episcopus  diuine  miserationis  gratia  tactiis  insuper  et 
fratrum  nostrorum  canonicorum  sancte  Marie  karitate  doctus .  et  seruentium 
nostrorum  beniuola  seruitute  beneiiolus  illis  factus,  et  iusta  proclamatione 
eorum  uictus  sanctio  atqiie  perpetualiter  constituo.  ut  omnes,  legitimi  seruien- 
tes  nostre  ecclesie  et  filie  eorum  liberam  potestatem  cui  uelint  nubendi 
habeant .  sicut  seruientes  ad  regnum  pertinentes  et  mogontine  ecclesie.  Et 
hoc  novum  non  statuo,  quia  autecessores  eorum  idem  ius  a  constitutione 
liuius  ecclesie  habuerunt  usque  ad  tempora  Azelini  et  Hettelonis,  antecesso- 
rum  nostrorum,  qui  uiolenter  sine  ratione  et  sine  consuetudine  aliarum  eccle- 
siarum  eos  coegerunt  ad  reddendum  censum,  quem  uulgo  bi(mietc  uocant. 
Nunc  autem  pro  redemptione  anime  antecessorum  nostrorum  et  nostre  et  pro 
salute  ecclesie  huius  cognosco  iniusticiam  illis  factam  et  iusticiani  quam 
antecessores  eorum  habuerunt .  communi  consilio  fratrum  nostrorum  eis  be- 
nigne  reddo,  et  banno  confirmo."     Ygl.  G.  AVaitz  Bd.  5  S.  237. 

-  Halthaus  unter  Schiirzenzins  und  Stechgroschen:  Diimge  S.  21.  22:  Danz 
Bd.  6  S.  46,  47  (§  544):  Reynitzsch  S.  276:  Grimm,  R.-A.  S.  384,  und  AV.-B. 
unter  ..Bunzengeld"  und  ..Bunzenzins" :  Brinckmeier  unter  Bunzengeld ;  v.  Mau- 
rer  Bd.  3  S.  108:  Scherr  1865,  S.  129;  Zopfl  Bd.  2  S.  168;  Scherr  18J6, 
S.  237.  —  Nach  Halthaus  (unter  Schlirzenzins  und  Stechgroschen)  und  Diimge 
(S.  28)  werden  dieselben  Ausdriicke  auch  von  denjenigen  Abgaben  gebraucht, 
die  von  entehrten  Madchen  an  die  Ortsobrigkeit  oder  an  den  Pfarrer  zu  ent- 
richten  waren.     Ygl.  oben  Kap.   13.  S.  67,  68. 

3  Liinig  Bd.  3  S.  723,  724.  n.  57.  - 

9* 


132  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

eine  jede  Braut  vor  ilirer  Trauung  dem  Gerichtsherrn  drey  gute 
Groschen  bringen,  welche  vormals,  und  nur  noch  vor  etwan  zwolf 
Jahren,  der  Buntzengroschen  genennet  worden,  und  von  der  Braut 
selbst  so  hat  miissen  genennet  werden ;  die  Gerichtsherrschaft  aber 
hat  vor  etwan  zwolf  Jahren  diese  Benennung  aus  guter  christlicher 
Wohlmeinenheit  abgebracht,  und  spricht  anitzo  die  Braut,  wann 
sie  die  drey  Groschen  bringt:  Hier  bringe  ich,  was  ich  schuldig 
bin.  Dabey  ist  zu  merken,  dass  wenn  diese  drey  Groschen 
von  der  Braut,  ehe  ihr  zur  Trauung  ausgelautet,  nicht  erleget 
worden,  der  Gerichtsherrschaft  freystehet,  dass  sie  den  Gerichts- 
knecht  ins  Hochzeithaus  schicken  und  die  sammtiiche  Hochzeit- 
speisen  wegnehmen  lassen  mag,  Den  Ursprung  dieses  Zinses, 
und  warum  es  der  Buntzengroschen  genennet  worden,  kann  man 
nicht  finden,  allein  die  Nachricht  findet  man,  dass  er  iiber  150 
Jahr  so  genennet  gewesen.  ...  In  Eilenburg  findet  man  gleich- 
falls  eine  curieuse  Arth  von  einer  Zinse,  von  deren  Ursprung 
und  Beschaffenheit  folgende  Isachricht  gegeben  zu  werden  pfleget: 
Im  Anfange  des  eilfften  seculi  hat  Friiulein  Hidda  zu  Eilenburg 
in  der  Stadt  und  Yorstadten  daselbst  die  Anordnung  gemacht, 
dass  eine  Wittib ,  w^nn  sie  sich  wieder  verehelichen  wiirde ,  zu- 
vor  auf  das  Schloss,  oder  ins  Amt,  einen  Beutel  ohne  Nath, 
worinn  zwey  Schreckenberger  (sind  7  Groschen),  und  vier  Pfen- 
nige  einlieffern  sollte;  woriiber  noch  heutiges  Tages  gehalten 
wird,  und  bekommt  der  Beambte  die  zwey  Schreckenberger,  der 
Land-Knecht^aber  die  vier  Pfennige." 

Busenhuhn,  Busenrecht,  Busenzins^  Es  wird  ohne 
Angabe  eines  Beweises  behauptet,  dass  fiir  eine  Heirathsabgabe 
der  Ausdruck  ^Busenhuhn"  und  fiir  das  Recht  des  Grundherrn, 
diese  Abgabe  zu  erheben,  der  Ausdruck  „Busenrecht"  vor- 
komme  ^. 

Buteil,  Budeil  oder  B u d t e i  1  war,  ebenso  wie  bulevinge 
(s.  oben),  ein  Anspruch  des  Grundherrn  gegen  den  Nachhiss  der- 
jenigen  Horigen,  die  ohne  seine  Erlaubniss  sich  mit  Ungenossen 
verheirathet  hatten  ^.  Es  war  also  zwar  keine  eigentliche  Heiraths- 
abgabe,  wohl  aber  eine  Strafe  fiir  Heirathen  von  Ungenossen. 


1  Runde  §  544:  Danz  §  344:  v.  Alvensleben  zu  p-ellens  S.   137. 

^  V.  Alvensleben  zu  Fellens  S.  137.  —  Dagegen  gebraucht  v.  Martius 
(1832.  S.  56)  das  "Wort  „Busenrcchf'  fiir  die  Beziehungen  der  Brautleute 
untereinander ,  Avie  solche  bei  vielen  sibirisclion  Volkern,  iusbesondere  bei 
Kalmlicken,  Tataren  und  Baschkiren,  iiblich  sein  sollen. 

*  Vgl.  die  Urltunden,  die  boi  ]?rinokmeier  unter  Budolingc  und  uiitcr  Bu- 
deil,  Bd.  ,1  S.  300  und  S.  428,  429,  citirt  stehen. 


Kapitel  '22.    Heirathsabgabcu  iii  Deutsc-hlanJ.  133 

C  0  n  11  a  y-  i  u  iii  oder  C  u  n  n  a  ii;  i  u  ni  \  E.s  wird  angegeben,  da.ss 
diese  Ausdriicke  zur  Bezeiclinuiig  deutseher  Heirathsabgaben  vor- 
kiimen. 

F  r  a  u  e  n  z  i  n  s  oder  F  r  a  u  e  n  g  e  1  d ,  in  Niedersachsen  - ,  war 
nicht  eine  Heirathsabgabe,  sondern,  falls  eine  darauf  beziigliche 
Erzahlung  Keysler's  iiberhaupt  Glauben  verdient,  eine  Jahres- 
abgabe  verheiratheter  Frauen  ^.  Ein  moderner  Schriftsteller 
meint,  „der  Frauenszins  in  der  Altmark"  sei  ein  Ueberbleibsel 
des  bei  nordlichen  Yolkern  verbreitet  gewesenen  und  in  christ- 
licher  Zeit  durch  einen  Betrag  von  Yieh  oder  Geld  abgekauften 
jus  primae  noctis  oder  jus  connagii,  d.  h.  des  Rechts,  die  Braut 
seines  Yasallen  oder  Unterthanen  zu  entjungfern  *.  Doch  besteht 
fur  diese  Meinung  keine  Berechtigung. 

Freudengeld  ^.  Yon  den  zur  Abtei  Sanct-Peter  zu  Merse- 
burg  gehorig  gewesenen  sogenaunten  Abteidorfschaften  wird  be- 
richtet,  dass  die  Yerlobteu,  bevor  sie  getraut  wurden,  eine  Ab- 
gabe  unter  dem  Namen  „Freudengeh;l"  (an  den  Abteirichter)  zu 
entrichten  hatten  *'. 


1  Hachenberg  S.  122;  Westphal  §  12  S.  38;  Deutsche  Encykl.  unter  Bede- 
mund;  Runde  §  544:  Danz  544.  Zur  Erklarung  des  Wortes  verweist  Wachter 
(unter  Reitschoss)  auf  das  islandische  Wort  kona  =  uxor.  Vgl.  auch  Grimm, 
W.-B.  unter  Kone  und  Kunne;  Schmeller-Frommann  Bd.  1  S.  125(3  — 1258; 
Diefenbach  iinter  Cunnus.  —  Mir  ist  aus  Deutsthland  keine  Urkunde  bekannt, 
worin  das  Wort  connagiuin  oder  cunnagium  vorkommt.  Ueber  das  ..jus 
cunni",  das  zu  Montauban  bestanden  haben  soll ,  vgl.  unten  Kap.  69:  iiber 
die  italienische  Heirathsabgabc  ..connagio"  unten  Kap.  24  S.  139.  Yielleicht 
ist  dies  Wort  durch  volksetymohigische  Umdeutung  aus  connubium  entstanden. 
Fur  die  mehrfach  (z.B.  bei  Westphal  §§  11  —  13.  Kestner  §  1,  Nork  S.  191, 
192  und  Brinckmeier  Bd.  1  S.  307)  aufgestellte  Behauptung,  das  Jus  cunnagii 
sei  gleichbedeutend  mit  dem  Jus  primae  noctis  und  hatte  bei  den  alten  Deut- 
schen  und  andern  nordischen  Yolkern  geherrscht.  fehlt  jeder  Beweis. 

2  Deutsche  Encykl.  unter  Bedemund;  Runde  §  544;  Danz  §  544;  Brinck- 
meier  unter  Frauengeld :  v.  Maurer  Bd.  3  S.  168;  Scherr  1865,  S.  129  und 
1876,  S.  237. 

^  Keysler  (§  64,  S.  487)  berichtet,  er  kenne  eine  Stadt  im  Elbkreise  (.,in 
tractu  Albino"),  wo  die  verheiratheten  Frauen  jiihrlich  zu  Martini  vor  Sonnen- 
untergang  vier  und  einen  halben  Pfennig  an  den  Quastor  zahlen  miissten; 
diese  Abgabe  werde  in  den  Registern  Frauengeld  genannt  und  vom  Yolk  mit 
einem  andern  Namen  bezeichnet ;  dasselbe  Recht  gelte  in  den  Hamburgischen 
Yier  Landen.  Ygl.  auch  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  28,  S.  380,  und  Halthaus 
unter  Frauengeld. 

♦  Nork  S.  191,  192. 

*  Runde  §  544;  Danz  §  544;  v.  Alvensleben  zu  Fellens  S.  137;  Grimm, 
W.-B.  Bd.  4  S.   147. 

^  Dietmann  S.  428.  429 :  ..Diese  Dorfschaften  .  .  .  haben  einen  sogenannten 


134  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutschland. 

Gastschilling,  im  Eichsfeld  ^ 

Hemblaken,  Hembschilling,  Hemdschilling  oder 
Hemdlaken,  in  Niedersachsen,  Braunschweig  und  Bremen^. 
Diese  Abgabe  halt  man  fiir  gleichbedeutend  mit  Bedemund  ^.  Es 
wird  berichtet,  dass  in  gewissen  Herrschaften  Bremens  jeder 
^N^euverraahlte  eine  Abgabe  unter  dem  Namen  nHemdschilling" 
zu  eatrichten  hatte,  die  hochstens  einen  Imperial  betragen  durfte  *. 
Doch  werden  die  Ausdriicke  „Hemdlaken"  und  „Bedemund'^  auch 
nebeneinander  zur  Bezeichnung  verschiedener  Abgaben  erwahnt  ^. 

Jungfernzins''  oder  Jungf  ernpf  enni  g  ".  Dass  solche 
Ausdriicke  fiir  Heirathsabgaben  in  Urkunden  vorkommen,  ist 
zu  bezweifeln;  ahnliclie  Ausdriicke,  namlich  „Jungfern-Zoll'*  und 
.^Jungfer-Tribut",  werden  in  ganz  anderm  Sinn  gebraucht  *. 

Kardiestelgeld^.  Urkunden  iiber  ein e  solche  Bezeichnung 
von  Heirathsabgaben  habe  ich  nicht  gefunden. 

Klauenthaler ,  in  Mecklenburg  ^^.  Keysler  versichert,  in 
Mecklenburg  habe  eine  Heirathsabgabe  im  Betrag  eines  Thalers 
unter  dem  Namen  ^Klauenthaler"  bestanden  *^.  Ob  die  Nachricht 
der  Wahrheit  entspricht ,  kann  unerortert  bleiben.  Jedenfalls 
verfehlt  ist  die  Yermuihung  Keysler's,  der  Ausdruck  sei  dadurch 
zu  erklaren,  dass  die  Jungfrau  durch  Zahlung  des  Thalers  aus 
den  Klauen  ihres  Herrn  entrissen  wurde  ^^. 

Abteirichter,  welcher  aber  unterm  Amte  steht:  ingleichen  mlissen  ein  Paar 
Verlobte.  ehe  sie  getraut  werden,  bei  Rutsche-Recht ,  6  gl.  Freudengeld,  und 
Wittwer  oder  "Wittwen  12  gl.  erlegen;  wofern  sie  versaumen,  solch  Geld  vor 
der  Trauung  zu  bezahlen ,  so  rutsehet  oder  riicket  es  alle  Stunden  weiter 
fort,  in  einer  Stunde  noch  einmal  so  viel."" 

*  V.  Maurer  Bd.  3  S.  168.  —  Zur  Erkliirung  des  Ausdrucks  kann  es  vielleicht 
dienen,  dass  zu  Meissen  im  dreizehnten  Jahrhundert  die  unfreien  Bauern 
..Gasti"  genannt  wurden:  vgl.  Grimm.  W.-B.  unter  Gast. 

2  Vgl.  Deutsche  Encykl.  unter  Bedemund :  Runde  §  544;  Danz  §  544; 
v.  Alvensleben  zu  Fellens  S.  137;  v.  Maurer  Bd.  3  S.  168:  Scherr  1865, 
S.   129  und  1876,  S.  237. 

^  Grimm.  W.-B.  unter  Bettemund. 

*  Brinckmeier  unter  Hemdschilling,  Bd.  1  S.  975.  Wegen  der  Miinze  vgl. 
Brinckmeier  unter  Imperialis.  Bd.  1  S.  1030. 

^  Brinckmeier  unter  Hemdlaken,  Bd.  1  S.  975  ( zwei  Urkunden.  nach  Nolten). 
6  Sclierr  1865,  S.  129  und  1876,  S.  237.  '  Kolb  1842,  S.  497. 

8  Zedler  Bd.   14  S.  1614,  unter  Jungfeni-Zoll. 

9  Runde  §  544;  Danz  §  544. 

1"  Keysler  §  64  S.  487  ;  Deutsche  Encykl.  unter  Bedemund  und  unter 
Bauermiethe;  Runde  §  544;  Danz  §  544;  Grimm,  W.-B.  Bd.  5  S.  1034. 

'•  Keysler  ^  64  S.  487. 

*-  Ebenso  gcschmacklos  ist  die  hei  Diimge  (S.  27)  citirte  Meinung.  dass  der 
Ausdruck  von  ..glau"  herkomme  und  danacli  eine  Steuer  von  schoiicn  Madclicn 


Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutsohland.  135 

Mannthaler^.  Dies  war,  wie  es  scheint,  nicht  eine  grund- 
herrliche,  sondern  eine  landesherrliche  Niederlassungsteuer,  in 
einem  Theil  des  Herzogthums  Calenberg-  ^, 

Marcheta''  oder  Marchzins  \ 

M  a  r  i  t  a  g  i  u  m  -'. 

M  e  i  d  e  n  r  e  n  t  e  ''. 

Fiir  die  drei  zuletzt  genannten  Ausdriicke  sind  meines  Wis- 
sens  keine  Urkunden  aus  dem  Gebiet  des  deutschen  Reichs  ent- 
deckt  worden. 

Nagelgeld'.  In  der  Grafschaft  Raveusberg  bestand  die 
Sitte ,  dass  eine  Leibeigene ,  welche  den  Horigen  eines  fremden 
Herrn  heirathete  und  durch  Tausch  unter  dieselbe  Herrschaft 
kam  ®,  sich  einen  willigen  Herrn  machen  musste,  „das  ist  die  Auf- 
fahrt  oder  AVeinkauff  uud  zugleich  das  Xagel-Geld  entrichten"  ^. 


bedeute.  Glaubhafter  ist  die  eigene  Vermuthung  Dumge's,  dass  die  Abgabe 
urspriinglich  in  einer  Kuh  bestanden  habe,  und  die  Benennung  von  den  Klauen 
der  Kuh  entnommen  sei.  Dafiir  kann  auf  die  Ausdriicke  Klauenseuche, 
Klauensteuer,  Klauenvieh,  Klauenzehnte  verwiesen  werden.  Vgl.  Adelung 
und  Grimm,  W.-B.  unter  den  bezeichneten  Ausdriicken,  auch  Zedler  unter 
Klauensteuer  (Bd.  15  S.  866).  —  In  der  Geschichte  des  Kurfiirsten  Rudolph  I. 
vun  der  Pfalz  (Schwiegersohns  des  Kaisers  Adolph  von  Xassau)  wird  be- 
richtet,  dass  derselbe  eine  bis  dahin  unbekannte  Yiehsteuer  eingefiihrt  habe, 
um  die  durch  den  Krieg  gegen  Kaiser  Albrecht  von  Oesterreich  veriirsachten 
Schulden  zu  decken,  und  dass  man  diese  Abgabe  ..Klauensteuer"  genannt 
habe.     Parei  lib.  4  cap.  2,  S.   157;  daraus:  Diimge  S.  27. 

1  Runde  ,S  544:  Danz  §  544. 

-  Im  Rationarium  Praefecturae  Coldingensls  vom  Jahr  1685  — 1686  sind, 
wie  Pufendorf  Bd-  2  obs.  166,  S.  535,  536,  berichtet,  Einnahmen  aus  den 
..Mannthalern"  unter  den  unbestandigen  Hoheitsgefallen  aufgefiihrt:  die  Amts- 
ordnung  vom  Jahr  1674  erwiilint  ..Maanthaler"  unter  den  Hoheitsgefiillen  und 
Regalien;  eine  Verordnung  vom  14.  Jan.  1660  betriff't  den  ..Huldigungs-  sive 
Mannthaler";  ein  Schreiben  vom  5.  ^Marz  1634  giebt  an,  dass  .,von  allen  neu 
antretcnden  Amtsunterthaiien  ein  Mannthaler  zu  Schutzgeld  nebst  dem  Amts- 
Vogts-Gebiihr  alten  Herkommens  nacli"  erlegt  werde.  Pufendorf  Bd.  3  obs. 
28,  S.   105—107. 

3  Westphal  ^  12  S.  37  und  §  13  S.  41:  Deutsche  Encykl.  unter  Bede- 
mund:  Runde  ^  544;  Danz  §  544. 

*  Zopfl  Bd.  2  S.   168. 

*  Deutsche  Encykl.  unter  Bedemund :  Runde  §  544:  Danz  §  544. 
*>  Runde  §  544 ;  Danz  §  544. 

'  Halthaus  unter  Nagel-Gelt :  Grimm,  R.-A.  S.  384;  Brinckmeier  unter 
Nagelgelt:  v.  Maurer  Bd.  3  S.  168;  Scherr  1865,  S.  129;  Zopfl  Bd.  2  S.  168; 
Scherr  1876,  S.  237. 

^  Vgl.  dariiber  Kap.   12  S.  63.  

^  Potgiesser  lib.  5  cap.  2  ,^  29.  S.  861:    ..Persona  commutata   in  praedium 


136  Kapitel  22.    Heirathsabgaben  in  Deutscliland. 

Keitschoss^  Diesen  Ausdruck  erkliirt  Wachter  aus  Reit 
oder  Rad  in  der  Bedeutung  von  Ehe  und  aus  Schos,  gleich 
Abgabe,    ohne  Urkunden   iiber  diese  Heirathsabgabe  anzufiihren. 

flSchiirzenzins"  oder  „Schiirz  enthaler"  ^.  Es  wird  er- 
zahlt,  der  Abt  des  Klosters  Liraburg,  bei  Diirkheim  in  der  Rhein- 
pfalz,  habe  von  allen  seinen  Leibeigenen  [bei  deren  Yerheirathung] 
den  Schiirzenthaler  erhoben  ^. 

^Sprunk-Daler",  im  Arat  Liichow  (Landdrostei  Liineburg, 
in  Hannover).  „Der  Sprunk-Daler  ist  eine  Abgabe  der  neuan- 
gehenden  Eheleute  ira  Amt  Liichow,  welche  sie  des  Morgens 
nach  der  Hochzeit  dem  Amtmann  sowohl,  als  Pastoren  ihres 
Ortes,  und  zwar  einem  Jeden  einen  Thaler  geben."  ^  ^Js^ach  dieser 
Beschreibung  war  der  Sprunkdaler  eine  Niederlassungsgebiihr, 
die  nicht  bloss  an  die  weltliche,  sondern  auch  an  die  geistliche 
Behorde  entrichtet  wurde.  Ohne  Grund  regt  das  Breraisch-Nieder- 
sachsische  Worterbuch  die  Frage  an,  ob  diese  Abgabe  wohl  noch 
ein  Ueberbleibsel  der  „Abkaufung  des  juris  priraae  noctis  sei". 
Diese  Frage  beruht  auf  der  irrigen  Yoraussetzung,  dass  andere 
Heirathsabgaben  aus  Abkauf  des  jus  primae  noctis  herriihrten. 

Stechgroschen^^.  Ueber  eine  Heirathsabgabe  dieses  ^N^a- 
mens  ist  mir  keine  Urkunde  bekannt. 

„UpspringeI-GeId"  in  Dannenberg,  im  hanuoverschen 
Wendland.  „UpspringeI-GeId  wird  in  Dannenberg  dem  Gerichts- 
schulten  von  einer  jeden  Heirath  entrichtet;  es  betriigt  8  Schill."  ^ 
Die  Frage  des  Bremisch-Niederdeutschen  AVorterbuchs,  ob  darin 
„ein  Ueberbleibsel  der  Abkaufung  des  juris  primae  noctis"  zu 
finden  sei,  ist  zu  verneinen. 

Vogthemd^     Dieser    Ausdruck    soll    dieselbe    Bedeutung 


deducenda  persolvit  domino  laudemium.    dictum  der  Weinkautt".    et  praeterea 
repraesentat  das  Nagel-Geld." 

*  Wacliter  unter  Reitschoss;  G.  Hoffmann  lib.  1  cap.  7,  S.  78—84;  Gru- 
pen  §  10;  v.  Alvensleben  zu  Fellens  S.  137;  Runde  §  544;  Danz  §  544; 
Brinckmeier  unter  Reitschoss. 

2  Halthaus  unter  Schiirtzenzins:  Rcynitzsch  S.  276:  Diirage  S.  28:  Kolb 
1842,  S.  497:  Grimm .  R.-A.  S.  384:  v.  Maurer  Bd.  3  S.  168:  Scherr  1865, 
S.  129  und  1876,  S.  237. 

3  Kolb  1842,  S.  498. 

*  Brem.  N.  W.  Bd.  4  S.  975. 

*  Halthaus  unter  Stechgroschen;  Reynitzsch  S.  275.  276:  Diimge  S.  28; 
Kolb  1842,  S.  497:  v.  Maurer  Bd.  3  S.  168;  Scherr  1865.  S.  129  und  1876. 
S.  237. 

6  Brem.  N.  W.  Bd.  4  S.  975. 

'  Brinckmeier  unter  Vogthemd:  Scherr  1865.  S.   129  und  1876,  S.  237, 


Kapitel  2;}.    Hcirathsahgahcii  in  Oostorreifli-Unjjarii.  137 

haben  wie  Bedenmiid  ^     Dooli  sind  niir  keine  Urkunden  dariiber 
/u  Gesieht  gekoninien. 

E.    Heirathsabgabeu  in  Oesterreith-rngani. 

Kapitel  23.  Es  kann  angenommen  werden,  dass  an  man- 
chen  Orten  ini  Gebiet  des  heutigen  Kaiserreichs  Oesterreich  und 
Konigreichs  Ungarn  wahrend  des  Mittelalters  bei  Heirathen ,  we- 
nigstens  unter  Ungenossen,  soweit  dariiber  nicht  Verbriiderungs- 
vertriige  bestanden^,  Abgaben  an  Grundherren  entrichtet  wur- 
den.  Der  Herzog  Ottokar  von  Steyermark  erkltirte  in  einer 
Stiftungsurkunde  (zu  Gunsten  einer  Abtei)  vom  Jahr  1191,  dass 
Heirathen  zw^schen  Horigen  seiner  eigenen  Herrschaft  und  sol- 
chen  der  Abtei  frei  (ohne  Abgabe)  gesclilossen  werden  konnten, 
und  dass  die  Kinder  aus  diesen  Ehen  getheilt  werden  sollten; 
dass  dagegen  bei  Heirath  eines  Horigen  der  Abteikirche  mit 
einer  Frau  aus  einem  andern  fremden  Gebiet  eine  Heirathsteuer 
von  sechzig  Pfennigen  an  den  Yertreter  der  Abtei  zu  zahlen 
sei  ^^.  Das  Gericht  des  Patriarchen  von  Aquileja  entschied  durch 
Urtheil  vom  Jahr  1276,  dass  an  den  Orten  von  Friaul,  wo 
das  „copulaticum"  bestehe ,  fiir  jede  Feuerstelle  ein  Scheifel 
Getreide  „pro  copulatico"  zu  liefern  sei  ■*.  Danz  berichtet : 
„In  Ungarn  kommen  die  Brautleute  am  Hochzeitstage  in  den 
Schlosshof,  wo  sie  einen  Tanz  anffiihren  und  deni  Leibherrn 
eine  Henne  iiberreiehen.''  ^  Diese  und  iihnhche  Nachrichten 
geben  keinen  Grund  zu  der  Yermuthung ,  dass  die  Heiraths- 
abgaben  durch  Loskauf  eines  unmoralischen  Rechts  entstanden 
seien. 


1  Grimm,  W.-B.  unter  Bettenuuid. 

2  Vgl.  daruber  Kap.  12  S.  62. 

^  Urk.  V.  1191,  bei  Potgiesser  S.  365:  ,.Si  filius  eccle.siae  ex  aliena  familia 
uxorem  duxerit,  cum  Advocato  60  denariis  componat:  Abbatissa  vero  ius 
Ecclesiae  exquirat:  Si  autem  de  familia  Styrensi  matrimonium  contraxerit, 
nullam  vim  utrobique  patiantur,  sed  filii  et  nobis  et  ecclesiae  aeque  divi- 
dantur".  .  .  . 

•*  Urk.  v.  1276,  bei  Pertile  Bd.  3  S.  154  Note  30:  .  .  .  „in  villis,  in  quibus 
copulaticum  persolvitur,  quilibet  massarius  (d.  i.  Hausbesitzer)  residens  cum 
foco  super  aliquo  manso ,  unum  modium  scilicet  3  staria  aniionae  dare  i)ro 
copulatico  debet.  Et  quotquot  massarii  fuerint  super  uno  manso  cum  focis, 
tenentur  pro  unaquaque  domo  unum  modium  annonae  persolvere.  Et  licet 
massarius  habens  unum  focum  decem  mansos  aut  plus  aut  minus  coleret, 
nisi  tantum  unum  modium  persolvere  teneatur.'" 

^  Danz  Bd.   6  8  544.  S.  46.  47. 


138  Kapitel  24.    Heirathsabgaben  in  Italien. 

F.   Heirathsabgaben  in  Italien. 

Kapitel  24.  An  vielen  Orten  Italiens  bestanden  Heiratbs- 
abgaben  *.  Papst  Gregor  I.  (der  Grrosse)  erfuhr,  dass  die  Horigen 
der  Kirche  in  Sicilien  iibermassige  Heirathsteuern  entrichteten,  und 
verfiigte  zur  Abstellung  dieses  Missbrauchs,  dass  jene  Abgaben 
hochstens  einen  Schilling  (fiir  Wohlhabende)  betragen  diirften  ^.  In 
einem  Prozess  der  Gemeinde  Romagnano  gegen  den  Grafen  von 
Romagnano  voni  Jahr  1445  wurde  festgestellt,  dass  der  Graf  be- 
rechtigt  sei,  von  den  Tochtern  seiner  Horigen ,  wenn  dieselben 
ausserhalb  seiner  Herrschaft  heiratheten,  als  Abzugsteuer  unter  dem 
IS^amen  „jus  foeminarum"  zehn  Tarenos  zu  erheben.  Dies  Recht 
galt  noch  im  neunzehnten  Jahrhundert  ^.  Aus  diesen  und  iihn- 
lichen  Nachrichten  kann  ein  Grund  fiir  die  Meinung,  dass  hier 
und  da  eine  „Abgabe  fiir  Abkaufung  des  jus  primae  noctis"  noch 
besteheu  konne  \  nicht  entnommen  werden ''. 

Allerdiugs  findet  sich  in  einem  Werk  von  Hieronymo  Mutio 
aus  dem  Jahr  1553  folgende  Stelle:  „Ich  will  nicht  unterhissen, 
von  einem  andern  Gegenstand  zu  sprechen,  den  ich  nicht  ohne 
Jammer    erwahnen    kann;    nach    Erinnerung    unserer    Yorfahren 

'  Pertile  Bd.  3  §  89. 

2  S.  Gregor.  lib.  1  epist.  42,  Gregorius  Petro  Subdiacono  Siciliae:  .  .  .  „Per- 
venit  etiam  ad  nos,  quod  de  nuptiis  rusticorum  immoderata  commoda  perci- 
piantur:  de  quibus  praecipimus ,  ut  omne  commodum  nuptiarum  iinius  solidi 
summam  nullatenus  excedat.  Si  qui  sunt  pauperes,  etiam  minus  dare  debent. 
Si  qui  autem  divites ,  praefati  solidi  summam  nuUatenus  transgrediantur : 
quod  nuptiale  commodum  nuUatenus  volumus  in  nostram  rationem  redigi, 
sed  ad  utilitatem  conductorum  proficere.'"  Daraus:  Pertile  Bd.  3  §  88  S.  33; 
Laboulaye  S.  334. 

5  Urk.  V.  1445,  bei  AVinspearc  Bd.  1  S.  130  Note  126  (aus  fol.  314  vol.  2 
der  Prozessakten) :  ,.Habet  dictus  comes  jus  faeminarum ,  quae  maritantur 
extra  terram,  a  quibus  recipit  pro  exitura  tarenos  decem.'^  —  Keinc  Hei- 
rathsabgabe.  sondern  eine  Jahresabgabe ,  war  das  „diritto  della  connatica" 
des  Grundherrn  der  Gemeinde  Torepaduli  in  Otranto :  derselbe  hatte  niimlich 
von  jedem  verheirathcten  Horigen,  solange  beide  Eheleute  in  seinem  Gebiet 
lebten,  jahrlich  vier  Carlini ,  von  dem  Witt-vver  jahrlich  zwei  Carlini,  von 
der  "Wittwe  fur  deren  minderjahrigen  Sohn  jahrlich  zwei  Carlini  und  von 
dem  grossjahrigen  Sohn  (bis  zu  dessen  Verheirathung)  ebenfalls  jahrlich  zwei 
Carlini  zu  fordern ;  dies  Recht  wurde,  wie  Winspeare  (Bd.  1  S.  131  Note  126) 
berichtet,  im  Jahr  1750  notariell  anerkannt. 

*  Pertile  Bd    3  S.  53. 

*  Herr  Hofrath  Dr.  Ficker  in  Innsbruck  hat  mir  im  Novbr.  1876  mit- 
getheilt:  „Ich  habe  in  den  letzten  Jahren  ,eine  Menge  italienischer  Archive 
nach  rechtsgeschichtlich  interessanten  Urkunden  durchforscht,  insbesondere 
auch  auf  Ehcrecht  und  verwandte  Dinge  gcachtet,  auch  vieles  Interessante 
gefunden,  al^er  kciiie  Spur  vom  jus   primac  noctis."' 


Kapitel   25.    IleirathsaligabcMi  in  Spanien.  139 

namlich  uiul  iinseror  Viiter  bestand  in  l*iemont  und  auf  den  Ge- 
birgsiibergangen  der  Apenninen  und  franzosisciien  Alpen  der 
Brauch,  dass  die  neuvermahlten  Frauen  die  erste  Nacht  mit  dem 
Herrn  der  Ortschaft  schliefen.  Und  diese  Sache  ist  so  wahr, 
dass  noch  in  irgend  einem  dieser  Orte  ordentliclie  Auflagen  be- 
zahlt  werden,  wodurch  die  Leute  sich  gegeniiber  ihren  Herren 
von  solcher  unziichtigen  Unterwiirfigkeit  befroiten;  diese  Ab- 
gaben  tragen  heute  den  Namen  Connagio."*  Aus  dieser  Stelle 
geht  hervor,  dass  bereits  Hieronymo  Mutio  eine  Sage  erwiihnt, 
welche  den  Ursprung  einer  mit  dem  Namen  nConnagio"  bezeich- 
neten  Abgabe  auf  jenes  vielberufone  Rocht  zuriiclvfiihrte.  Es 
wiirde  jedocli  unzulassig  sein,  daraus  zu  folgern,  dass  jener  Sage 
eine  geschichtliche  Wahrlieit  zu  Grunde  liogo.  Die  Nachricht  ist 
erkliirlich,  da  schon  geraumo  Zeit  vor  der  Abliandlung  des  Hie- 
ronymo  Mutio  die  Geschichte  des  Hoctor  Boethius  erschienen 
und  weit  verbreitet  war,  worin  eine  in  Schottland  horgebrachte 
Heirathsabgabe  in  ahnlicher  Weiso  erkliirt  wurde.  Ein  Bericht 
des  Camillus  Borrellus  iibor  das  „jus  Cunnagii"  beruht  lediglich 
auf  der  erwiihnten  Stello  des  H.  Mutio  ^,  Spatere  Schriftsteller 
haben  dieselbe  Nachricht  weiter  verbreitet  ^. 

G.   Heirathsabg^aben  in  Spanien. 

Kapitel  25.  In  Spanien  mogon  Hoirathsabgaben  wie  ander- 
wiirts  bestandon  haben.  Es  wird  berichtot,  eine  Abgabe,  die 
an  den  Schutzherrn  fiir  Ertheiluug  dor  Hoirathserlaubniss  ent- 
richtet  werden  musste,  habe  den  Namen  „doreclio  de  osas"  oder 
„dar  calzas"  gefiihrt,  und  sei  auf  den  Cortes  von  Segovia  (1256) 

1  H.  Mutio  fol.  61:  .  .  .  „Non  voglio  lasciare  di  dire  una  altra  cosa,  la 
quale  senza  rammario  non  posso  rammemorare;  che  alla  nienioria  de  gli  avoli 
nostri  &  de'  nostri  padri  nel  Piemonti  &  tra  i  gioghi  del  Apennino  &  dell' 
Alpi  di  Francia  si  usava,  che  le  nuove  spose  si  giacevano  la  prima  notte  col 
Signore  del  paese.  Et  e  questa  cosa  tanto  vera,  che  anchora  in  alcuno  dl 
que'  luoghi  si  pagano  delle  gravazze  ordinarie ,  per  le  quali  da'  loro  Signori 
si  liberarono  da  cosi  dishonesta  soggettione:  &  servano  hoggi  il  nome  del 
Connagio."  —  Ueber  die  Etymologie  des  Wortes  connagio  vgl.  Kap.  22  S.  133 
und  Kap.  53. 

^  Borrellus  fol.  6  v.,  cons.  1  num.  150:  ,,Hieronymus  ^Iutius.Tustinopolitanus 
in  tract.  2  de  Matrimonio  ad  Fabritium  Columnam  et  Hippolytam  Gonzagam, 
idiomate  Italico  retulit,  circa  juga  Alpium  (ialliae  et  Montes  Allobrogos  fuisse 
in  pecuniarium  onus  redactum  jus  quorundam  Dominorum,  qui  prima  nuptia- 
rum  nocte  novas  nuptas  eorum  amplexibus  accipere  soliti  fuerunt,  ct  hodie 
apud  illos  obscaeno  vocabulo  Cunnagii  jus  appellari." 

3  Hildebrand  S.  189. 


140  Kapitel  26.    Heirathsabgaben  an  .Tunggesellen. 

(lurch  Konig  Alphons  X.  von  Castilien  und  auf  den  Cortes  von 
Yalladolid  (1258)  abgeschafFt  worden  ^  Ob  diese  Angabe  richtig 
ist,  kann  dahingestellt  bleiben :  in  der  Rechtsgeschichte  von  Mari- 
chalar  und  Manrique  finde  ich  nur  die  Nachricht,  dass  iu  den 
erwiihnten  Cortes  die  Fahigkeit  zu  Heirathen  geordnet,  und  die 
Steuer  fiir  llochzeitsaufwand  neu  bestimmt  worden  sei  -. 


H.    Heiratlisahgabeii  aii  Kameraden  des  Brautigrams: 

coiUage,  couiUage,  conllage,  cukiige,  ciiUage;  cochet,  cocpief ;  droif  da  han; 
schofelen-spgse ;  souUe;  vin  de  mariage. 

Kapitel  26.  Seit  dem  Mittelalter  bestehen  an  vielen  Orten 
Hochzeitsgebrauche,  wonach  der  Brautigam  sich  das  Recht  der 
ersten  N^acht  von  seinen  Kameraden  gewissermassen  erkaufen  muss  ^ ; 
bei  Nichtbezahlung  der  hergebrachten  Abgabe  wird  die  Ruhe  der 
Hochzeitsnacht  durch  Larmen  (Charivari ,  Katzenmusik)  gestort  "^. 
Gerard  van  Loon  bezeugt,  in  den  J^iederLinden  finde  sich  das 
Herkommen,  dass  die  Braut  durch  ihre  Spielgenossen  fiir  eine 
Mahlzeit  von  Fischen  oder  etwas  Anderm  an  den  Briiutigam  ver- 
kauft  und  abgeliefert  werde  ^ ;  und  Raepsaet  meldet  von  den  Braut- 
fiihrern  der  Provinz  Seeland:  „Am  Abend  giebt  es  zarte  Kiimpfe 
zw^schen  ihnen  und  dem  jungen  Gatten,  der  sich  anstrengt,  seine 
Schoue  aus  ihren  Htinden  zu  ziehen,  um  sie  zum  Ehebett  zu 
fiihren,  und  er  erreicht  den  Zweck,  sie  sich  abtreten  zu  lassen, 
nur  durch  eine  Abfindung."  ''    Aus  der  oberen  Pfalz  wird  berichtet, 


1  Wolf  S.  70,  71  aus  T).  Tomas  Munoz  y  Romero ,  Coleccion  tle  fueros 
municipales  y  cartas  pueblas,  Madrid   1847,  tonio  I  p.  223. 

2  Mariclialar   Bd.  3   S.    82  :    ...  ,.se    reglamenta   la    facultad  de  cazar"  .  .  . 

S.  83 : y   encarga   nuevamente    las    disposiciones    sobre  gastos  de  bodas." 

Vgl.    auch    S.  82:    ...  ,,Se    mandaba    que   nadie    por   casamiento    de    parienta 
tomase  ni  diese  calzas".  .  .  . 

^  Ducange  unter  Bannum.  CJrimm ,  R  -A.  S.  167.  168.  Schmeller-From- 
mann  unter  dem  Wort  ,,Hochzeitspasse"  S.  104.').  v.  Diiringsfeld  S.  50,  51, 
126,  159,  166,  183.  —  Dies  konnte  man  jus  primae  noctis  nennen;  doch 
kommt  der  Ausdruck  in  diesem  Sinn  meines  Wissens  in  keiner  Urkunde 
oder  Erziililung  vor. 

*  Barthelemy  S.  119.  In  der  Monographie  iiber  Charivari  von  G.  Phillips 
(1849)  ist  vou  der  Hochzeitsnacht  nicht  speziell  die  Rede. 

5  Loon  S.  168.  —  Vgl.  v.  Duringsfeld  S.  234. 

6  Raepsaet  3.  Aufl.  S.  51,  52.  Moglicherweise  ist  jedoch  diese  Stelle  und 
auch  der  Bericht  van  Loon's  nicht  von  Junggesellen,  sondern  von  vveiblichen 
Spielgenossen  (Brautfiihrerinnen)  zu  verstehen.  —  Vgl.  auch  v.  DUringsfeld 
S.  233  iiber  Texel:  ,.t^inige  Burschen  fragten  l)eim  Heraustreten  aus  der 
Kirche  den  Brautigam:   Die  Braut  oder  ein  FasschenV    Da  er  sclbstverstiindlich 


Kapitel  '2G.    Heiratlisabgaben  an  Junggesellen.  141 

dass  dort  die  jungen  Leute  eines  Durfe.s  an  den  Ilociizeiten  durcli 
^Fange  und  Kaupereyen"  tiieilnelinien,  indeni  sie  in  dcn  Hausern 
die  Tliiiron  auslieben,  die  Kamine  verstopfen ,  ja  ganze  Wagen 
auf  die  Firsten  der  llauser  bringen  (und  dergleichen  mehr) ;  auf 
dem  Weg  zur  Kirche,  wo  die  Yerbindung  vor  sich  gehen  soll, 
sucht  man  die  Braut  wegzuhaschen ,  wo  sie  dann  der  Briiutigam 
durch  ein  Lijsegeld  wieder  befreien  muss  ^  In  Tyrol  und  im 
bayerischen  Oberland  wird  bei  Hochzeiten  ein  sogenannter  Braut- 
fiihrer  aufgestellt,  der  die  Braut  den  ganzen  Tag  zu  bewachen 
hat;  wird  sie  ihm  doch  entfiihrt,  so  muss  der  Brautigam  sie 
von  dem  Entfiihrer  loskaufen.  Von  Nordamerika,  namentlich 
aus  dem  Staat  Pennsylvanien,  beispielsweise  von  dem  Ort  Clear- 
field  am  Susquehana,  ist  mir  erziililt  worden,  dass  dort  in  der 
Hochzeitsnacht  auf  der  Strasse  vor  der  Wohnung  der  Neuver- 
mahlten  entsetzlicher  Larm  gemacht  wird,  wenn  der  Briiutigam 
unterlassen  hat,  seine  Frau  loszukaufen. 

Hierdurch  erklaren  sich  die  nachbezeichneten  scherzhaften  Ab- 
gaben,  die  im  vierzehnten  und  fiinfzehnten  Jahrhundert  in  Frank- 
reich  erhoben  wurden^,  Eine  Urkunde  vom  Jahr  1357  spricht  von 
einem  Herkommen ,  wonach  an  einem  Ort  des  Bisthums  Carnot 
die  Xeuvermahlten  des  Abends  nach  der  Hochzeit  (an  die  jungen 
Leute  des  Dorfes)  eine  Kerze  zu  geben  hatten  ^.  Ausweislich  einer 
Urkunde  vom  Jahr  L378  begehrten  die  Junggesellen  des  Orts 
nach  Beendigung  einer  Hochzeit  zu  Lisines  (Isle  de  France)  im 
Hochzeitshaus  die  hergebraclite  Art  von  Pasteten  ^.  Eine  Ur- 
kunde  vom  Jahr  1375  sagt,  in  Jallon  sur  Marne  und  in  der 
Umgegend  davon  bestehe  seit  langer  Zeit  die  Sitte,  dass  jeder 
Bursch  (^Knappe") ,  mit  Ausnahme  de.r  Gelehrten  und  Adeligen, 
bei   der   Heirath    seinen   heirathsfahifjen    Kameraden   ihren  Will- 


das  Fasschen  gab ,  wurde  bestimmt.  in  welcher  Herberge  es  getrunken  wer- 
den    soUte,    und   die  Burschen    holten   sich   ihre  Miidchen    zur    Hiilfe   herbei; 
allein  konnten  sie  doch  mit  dem  Fasschen  nicht  fertig  werden  " 
^  Schmeller-Frommann  S.  1045. 

*  Carpentier  iind  Ducange  unter  Culagium. 

^  Urk.  V.  1357 ,  bei  Carpentier  unter  Nuptiaticum :  ,.In  villa  de  Uno- 
pano  (dioec.  Carnot)  nuptiae  factae  fuerant.  .  .  .  Ad  domum  sponsae  in  sero 
diei  iverunt  et  petierunt  candelam  per  sponsum  et  sponsam  praedictus,  prout 
actenus  extitit  et  est  in  dicta  villa  in  similibus  fieri  consuetum  sibi  dari." 

*  Urk.  V.  1.373,  bei  Carpentier  unter  Nuptiaticum:  ,,Conime  icelui  Jehan, 
par  maniere  d'esbatement,  feust  ale  avec-pluseurs  jeunes  gens  de  la  ville  de 
Lisines  en  un  certain  hostel,  ouquel  il  avait  noces  celle  journee,  pour  deman- 
der  et  avoir  les  pastez,  comme  Ten  a  coustume  a  faire  en  ladite  ville  en 
tel  cas." 


142  Kapitel  26.    Heirathsabgaben  an  Junggesellen. 

komm  bezahlen  miisse,  was  man  dort  „cullage''  oder  ^coullage" 
nenne  ^  In  ahnlicliem  Zusammenhang  findeu  sich  die  Ausdriicke 
„vin  du  couillage"  und  „droit  de  coillage"  in  Urkunden  von  1385 
und  1391  2.  Eine  Urkunde  vom  Jahr  1390  beschreibt,  wie  nach 
der  Hochzeit  eines  Webers  in  Dreux  (in  Orleanais)  mehrere 
Weber  desselben  Ortes  ihr  „droit  du  ban"  verlangten,  namlich 
ein  oder  zwei  Quart  Wein  oder  deren  AYerth  in  Geld,  wofiir 
sie  dem  Herkommen  nach  ein  Lied  zu  singen  hatten  ^.  In  einer 
Urkunde  vom  Jahr  1396  findet  sich  folgender  Bericht:  „Diese 
Leute  begaben  sich  alle  zusammen  nach  der  Feierabendstunde 
von  La  Greve  nach  Moustier,  um  von  dem  AVinzer  Johann 
Thibaut  seinen  nCoillage"  zu  verlangen,  weil  derselbe  an  dieseni 
Tag  ein  Madchen  aus  La  Greve  geheirathet  hatte  .  .  .  Johann 
Thibaut  wollte  ihnen  Nichts  geben  als  Brot  und  Wein  ..."  * 
Eine  Urkunde  vom  Jahr  1382  berichtet,  dass  zu  Azy  an  der 
Marue,  im  Amt  Titry,  eine  Hochzeit  stattfand,  und  dass  bei  An- 
bruch  der  Nacht  die  Kameraden  sich  gemeinschaftlich  aufmachten, 
um    von   der   jungen   Frau    den    ^cochet"    zu    begehren,    so    wie 


»  Urk.  V.  1375.  bei  Car^entier  und  bei  Ducange  uiiter  Culagium:  ,,Comme 
eu  la  ville  de  Jallon  sur  Marne  et  ou  pais  d'environ,  il  soit  aecoustume  et 
de  long  temps.  que  un  chascun  varlet,  mais  qu'il  ne  soit  clerc  ou  noble, 
quant  il  se  marie,  soit  tenuz  de  paier  aus  autres  compaignons  et  varlez 
a  marier  son  becjaune,  appelle  oudit  pais  Cullage''''  (bei  Ducange:  „Conllage"). 
Ueber  dcn  Ausdruck  Cullage  vgl.  oben  Kap.   18  S.  95.  96. 

-  Urk.  V.  1385.  bei  Carpentier  u.  Ducange  unter  Cuhigium:  .,Le  vin  du 
couillage  du  fils  Petitpas,  qui  fu  de  nouvel  mariez.'"  I"rk.  v.  1391.  ebenda- 
selbst :  ..Auxquelles  noces  certain  grant  debat  fu  meu  entreulx  pour  savoir  a 
qui  appartenait  le  droit  de  coillage,  deu  par  ledit  espouse." 

3  Urk.  V.  1390 ,  bei  Carpentier  unter  Bannum  :  ..Quant  respousee  se 
deust  coucher,  vinrent  pluseurs  tisserans  d'icelle  ville  de  Dreux,  lesquelz 
demanderent  a  rexposant ,  comme  administrateur  du  vin ,  leur  droit  du  han, 
qu'ils  disoient  a  eulx  appartenir:  c'est  assavoir  qu'ilz  dient  avoir  de  cou- 
stume  ou  lieu  et  ou  pays  d'environ,  que,  quant  aucun  se  marie,  ils  doivent 
avoir  de  Tespousee,  ou  de  ses  commis,  une  carte  ou  deux  de  vin,  pour  leur 
ban,  ou  argent  pour  la  valeur ,  et  par  especial  ceulx  qui  sont  de  meme 
mestier  ou  oftice  de  respouse:  et  pour  ce  aussi  qu'il  est  accoustume  de 
chaiiter  par  esbatement  une  chanoon  par  ceulx  iiui  fdiit  laditte  demande, 
ledit  exposant  respondi  amiablement  (pril/.  n"en  auroient  poiiit.  se  ilz  ne 
chantoient  la  chan^on  accoustumee." 

*  Urk.  V.  1396.  bei  Carpentier  und  Ducange  unter  Cuhigium:  ..Lesquelz 
se  partirent  touz  ensemble  du  lieu  de  la  Greve  apr^s  heure  de  cuevrefeu. 
pour  venir  au  lieu  de  Moustier .  en  esp^rance  de  alcr  demander  a  Jehan 
Thibaut  vigneron  son  coillage,  pour  ce  que  ce  jour  il  avait  espous^  une 
fille  dudit  lieu  de  la  Grfeve.  .  .  .  Lequel  Jehan  Thibaut  ne  leur  voult  donner 
aucune  chose ,  fors  .  .  .  que  son  pain  et  son  vin.  et  des  biens  de  son  hostel." 


Kapitcl  26.    Ileirathsab^aben  an  Junggesellen.  143 

herk()mnilicli  aii  mehrcreii  Orten  geschah  ^  Einen  ahnlichen 
Inhalt  liaben  Urkunden  von  den  Jahren  1397,  1400  und  1471, 
die  cbenfalls  den  Ausdruck  „cochet"  enthalten  ^.  Nach  einer 
Urkunde  vom  Jahr  1404  liatte  ein  Gerbernieister  an  die  Gerber 
des  Orts  fur  Hochzeitswein  („vin  de  mariagc")  zwanzig  Sous  zu 
zahlen'.  In  einer  Urkunde  aus  der  Picardie  vom  Jahr  1413 
wird  eine  Landessitte  erwahnt,  wonach  bei  Hochzeiten  unter 
deni  Namen  „coquet"  an  die  heirathsfahigen  Junggesellen  des 
Orts  Wein  uud  Fleisch  geliefert  wurde  '^.  Eine  Urkunde  vom 
Jahr  1428  erzahlt:    -Die  Gefiihrten   beschlossen,    in    das  Zimmer 


'  Urk.  V.  1382.  bei  Carpentier  unter  Cochetus:  .,Jehan  Grigois  estant  en 
la  ville  (le  Azy  sur  Marne  ou  baillage  de  Vitry  .  .  .  en  laquelle  avait  unes 
noces;  et  quant  vint  vers  la  nuit.  ycellui  exposant  et  .lescliz  compaignons  d'un 
accort  se  mirent  ensemble  pour  allcr  querir  le  Cochet  de  Tespousee.  si  comme 
il  est  accoustume  a  faire  en  plusieurs  lieux  ou  pafs.''  Der  Name  dieser  Ab- 
gabe  lasst  sich  durch  die  Vermuthung  erklaren.  dass  urspriinglich  ein  junger 
Hahn  gegeben  wurde ,  zumal  da  eine  Urkunde  v.  1350  (bei  Carpentier  unter 
Cochetus)  die  Ausdrlicke  gallus  und  cochetus  als  gleichbedeutend  gebraucht : 
„Die  nuptiarum  dicti  matrimonii  de  sero  accesserunt  ad  domum  dicti  defuncti 
tunc  sponsi  parentes  et  amici,  qui  ad  nuptias  ipsas  ratione  amicitiae  convene- 
rant  .  .  .  causa  solatii  et  quaerendl  gallum  sen  cochetmn ,  ut  in  partibus  illis 
est  moris."  Zwar  konnte  das  Wort  auch  von  dem  lateinischen  cocetum 
(griech.  ■/.j/.ciuv)  hergeleitet  Averden ,  Avomit  ein  durch  Mischung  mit  Honig 
und  Pfefler  bereitetes  Getrank  bczeichnet  wurde.  Ygl.  Carpentier  I.  c.  und 
Forcellini  (Corradini)  unter  Cocetum.  Allein  die  erstgenannte  Etymologie  ver- 
dient  den  Vorzug,  da  auch  in  Deutschland  ein  Brauthahn  oder  Brauthuhn  nicht 
selten  iinter  den  Hochzeitsgeschenken  erwiihnt  Avird.  Grimm,  R.-A.  S.  441 
(„briuteIhuon,  minnehuon") ;  Simrock  S.  o!)6.  Vgl.  auch  die  folgenden  An- 
merkungen,  2  und  4,-  dieser  Seite. 

^  Carpentier  unter  Cochetus,  Urk.  v.  1397:  „Lesdessuz  nommez  alerent 
querir  et  demander  le  Cochet  de  I'esi)ousee,  si  comme  accoustuine  est .  lequel 
cochet  leur  fut  ordene  par  ycelle  espousee,  et  apres  ce  qu'ils  orent  receu 
ledit  Cochet  s'en  alerent  boire  en  la  sale."  Urk.  v.  1409:  ..Icelui  Oudin 
demandait  un  Cochet ,  qui  par  la  coustume  du  lieu  est  deu  en  tel  cas  (de 
noces)  aux  compaignons  de  la  ville .  qui  sont  a  marier."  Urk.  v.  1471:  ,,Le 
Cochet,  qui  est  le  droit  que  les  espousez  au  pais  ont  accoustume  de  donner 
le  soir  de  leurs  nopccs  aux  compaignons  du  lieu  et  paroisse,  ou  se  font 
lesdites  nopces."  Auch  in  diesen  Stellen  kann  ..le  cochet  de  respousee"  mit 
„Brauthahn"  iibersetzt  werden. 

2  Urk.  V.  1404,  bei  Carpentier  unter  Vinum  maritagii:  ..Chacun  maistre 
dudit  mestier  (de  tanneur)  sera  tenu  payer  pour  ri>i  du  uiariiiigc  vingt  solz 
tournois.'' 

*  Urk.  V.  1413,  bei  Carpentier  unter  Cochetus:  „Le  Coquet,  qui  est  une 
chose  accoustumee  au  pais  de  donner  (aux  jeunes  compaignons)  a  marier,  du 
vin  et  viande  pour  aler  boire  et  esbatre  ensemble;  lequel  Coquet  eust  ete 
baillie"  etc.  Hier  ist  das  Wort  ..coquet"  im  selben  Sinn  wie  cochet  ge- 
braucht:  es  kann  von  coq  (Hahn)  al)geleitet  werden. 


144  Kapitel  26.    Heirathsabgaben  an  Junggesellen. 

der  jungen  Frau  zu  gehen,  um  zwei  Kannen  AVein  fiir  den 
Schlaftrunk  zu  begehren,  wie  bei  solehen  Hochzeiten  in  diesem 
Land  (Rheims)  iiblich  ist,  mit  der  Erkliirung,  dass  die  Frau  nicht 
zu  Bett  gehen  werde,  bevor  sie  ilmen  den  Wein  gegeben  habe."  * 
In  einer  Urkunde  vom  Jahr  1454  wird  iiber  S.  Leu  in  Rethelois 
geschrieben ;  „Die  Gefahrten  schickten  zu  dem  Haus,  wo  die 
Hochzeit  stattfand,  um  nach  dem  Herkommen  dieses  Orts  vom 
Briiutigam  sein  culaige  zu  verlangen."  ^  In  einer  Urkunde  vom 
Jahr  1458  heisst  es:  „Die  Burschen  der  Stadt  S.  Just  verlangten 
den  Wein  oder  den  couillage  (couillaige)  nach  dem  Herkommen 
des  Landes."  ^  In  einer  Urkunde  vom  Jahr  1479  wird  erwahnt, 
dass  in  Semur  die  heirathsfahigen  Junggesellen  sicli  versammelten, 
um  die  herki)mmlichen  Pasteten  von  gewissen  Hochzeiten  zu  be- 
gehren  "^. 

Eine  niederlandische  Verorduung  des  Konigs  IMiilipp  II.  vom 
22.  Juni  1589  richtete  sich  in  Art.  7  gegen  die  Unordnungen, 
welche  an  vielcn  Orten  bei  Hochzeiten  dadurch  veranlasst  wur- 
den,  dass  die  Junggesellen  die  „Schotelen-Spyse"  vom  Brautigam 
verlangten^.    Diese  Bestimmung  wurde  in  folgendem  Prozess  er- 


1  Urk.  V.  1428,  bei  Carpentier  unter  Nuptiaticum:  „Lesquelz  compaignons 
conchircnt  entre  eulx  que  11  convenoit  aler  en  la  chambre  de  respousee  de- 
mander  deux  pots  de  vin  pour  le  vin  de  couchier,  comme  Ten  seult  faire 
en  teles  nopces  oudit  pais  (de  Reims)  disans  s'ils  ne  les  avoient,  Tespous^e 
ne  s"en  iroit  pas  couchier." 

2  Urk.  V.  1454.  bei  Carpentier  und  Ducange  unter  Culagium  und  bei 
L.  Favre  zu  La  Curne  de  Sainte-Palaye  unter  Culaige,  Bd.  4  v.  1877  S.  434: 
..Lesquelz  compaignons  envoyerent .  .  .  oudit  hostel  ou  se  faisaient  les  nopces, 
pour  demander  a  Tepouse  son  cuhtige,  ainsi  qu"ils  ont  accoustume  de  faire 
oudit  lieu.'" 

^  Urk.  V.  1458,  bei  Carpentier  und  Ducange  unter  Culagium :  ,,Fut  par 
les  varles  de  la  ville  de  S.  Just  demande  le  vin  ou  le  coinllage ,  qui  est  une 
ehose  accoustume  au  pays";  bei  L.  Favre  zu  La  Curne  de  Sainte-Palaye 
unter  Culaige,  Bd.  4  v.  1877  S.  434,  in  folgender  Lesart :  „Fu  par  les  varles 
de  la  ville  de  S.  Just  demande  le  vin  ou  couiUaiye,  qui  est  une  chose  accous- 
tum^e  ou  pays'^ 

*  Urk.  V.  147S).  bei  Carjientier  unter  Nuptiaticum:  „Une  meslee  de  gens, 
qui  estoient  assemblcz  au  lieu  de  Semur  pour  cuider  avoir  les  pastes  de  cer- 
taines  noces:  lesquelz  on  a  accoustume  de  bailler  aux  varlets  ii  marier." 

5  Verordnung  des  Konigs  Philipp  II.  v.  22.  Juni  1589,  im  Tweeden  Placaet- 
Bouck,  I.  Bouck,  Rubr.  4  (S.  169—180)  Art.  7:  „Daer-enbouen  willen  Avy, 
dat  inde  Bruyloften  die  ten  platten  Lande  ghehouden  sullen  worden,  mit 
vergaderynghe  van  volcke,  de  Officieren  senden  eenighen  Sergeant  oft  anderen 
persoon  wel  ghequalificeert  wesende,  om  aldaer  te  slisten  ende  neder  te  leg- 
ghcn  alle  twisten  ende  gheschillen,  die  aldaer  zouden  moghen  vallen,  den 
weleken  te  vreden  sal  moeten  wesen,  met  zes  stuyvers  s'  daechs  bouen  zi.jnen 


Kapitol   26.    llciratlisaljgal^en  an  Junggesellen.  145 

wahnt.  Im  Dorf  ilargnies,  in  der  l'rev6te  von  Agimont,  hei- 
ratliete  am  13.  October  169(5  Joliann  Ferdinand  Arnout  aus  Har- 
gnies  ein  Miidchen  aus  demselben  Dorf.  Am  Tag  nach  der 
Hochzeit  sammelten  sich  die  Junggesellen  des  Orts,  acht  oder 
zehn  an  der  Zahl,  unter  Anfiihrung  von  Pierre  Liegeois,  „Capi- 
taine  de  la  Jeunesse"  des  Orts,  auf  der  Strasse,  die  der  Neu- 
vermiihlte  mit  seiner  Frau  auf  dem  Ileimweg  passiren  musste; 
sie  trafen  ihn  um  zehn  Uhr  Nachts,  hielten  ihn  fest  und  ver- 
langten  von  ihm  eine  ^soulle"  (d.  h.  Geld,  um  sich  zu  be- 
trinken) ;  da  er  nur  zwei  Thaler  bei  sich  hatte ,  pfiindeten  sie 
seine  Jacke,  die  sie  mit  sich  zum  AVirthshaus  nahmen.  Arnout 
stellte  den  Antrag  auf  Strafverfolgung  gegen  die  jungen  Leute 
Henry  Brichet  und  Genossen,  worauf  die  Sache  vom  General- 
procurator  betrieben  wurde.  Der  Prevot  von  Agimont  verurtheilte 
am  8.  Xovember  1698  die  Beklagten,  die  Jacke  herauszugeben 
und  sechs  Franken  Schadensersatz  an  den  Kliiger  Arnout  zu 
zahlen,  ausserdem  einen  jeden  Beklagten  zu  einer  Geldstrafe  von 
sechs  Franken  und  zu  den  Kosten.  Gegen  dies  L'rtheil  legten 
Brichet  und  Genossen  Berufung  ein,  woriiber  das  Parlament  von 
Tournay  zu  entscheiden  hatte.  Sie  machten  geltend,  es  liege 
kein  Grund  zu  einem  Strafverfahren  vor,  und  sie  hatten  auf  das 
droit  de  souUe  einen  wohlbegriindeten  Anspruch,  weil  sie  dafiir 
an  die  Gemeinde  jahrlich  zwei  Franken  zahlten.  Yon  der  an- 
dern  Seite  wurde  entgegnet,  es  sei  eine  Gewaltthiitigkeit  veriibt 
w^orden,  und  das  sogenannte  droit  de  soulle  sei  ein  Missbrauch, 
der  weder  durch  Yerjiihrung  noch  durch  einen  entgeltlichen  Titel 
gereclitfertigt  werden  konne;  auch  seien  iihnliche  Missbriiuche 
bereits  durch  das  Placard  Philipp's  11.  vom  22.  Juni  L589  ver- 
boten  worden.  Xach  Anhorung  des  Generalprocurators,  verwarf 
das  Parlament  die  Berufung  durch  Urtheil  vom  7.  Juli  1699,  mit 
dem  gleichzeitigen  Yerbot  fiir  alle  jungen  Leute  der  Prevote  von 
Agimont,  unter  dem  Namen  von  Soulle  oder  unter  einem  andern 
Yorwand  irgend  Etwas  von  Neuvermiihlten  einzuziehen,  bei  Yer- 
meidung  exemplarischer  Bestrafung  ^ 

Ist  bei   allen  solchen  scherzhaften  Abgaben    die  Moglichkeit 

cost:  encle  zuUen  de  voornomde  Officieren  ook  zien  te  beletten  de  onghere- 
geltheden,  die  in  vele  plaetsen  gheschieden,  om  de  Schotelen-spiise ,  die  de 
Jonghesellen  ghewoonliek  syn  vande  Bruydegoms  te  heysschen ,  iae  mits 
stellende  zekcre  boeten  ende  peinen  teghens  de  ghene  di  voortaen  om  sulcke 
zaecke  hen  vergaderen  sullen.'* 

»  Pinault  de  Jaunaux,  tome  2,  arret  265.  S.  359  —  362.  Brillon  Bd.  2  S.  899. 
Raepsaet  3.  Aufl.  S.  52,  53. 

Schmidt,  3\\s  primae  noctis.  10 


146  Kapitel  27.    Religiose  Vorschriften  iiber  die  Hoclizeitsnacht. 

ausg-eschlossen ,  ihre  Entstehung  auf  das  jus  primae  noctis  zu- 
riickzufiihren,  so  dient  dies  zur  Bestatigung  der  Annahme,  dass 
ebensowenig  beziiglich  der  grundherrlichen  Heiratlisabgaben ,  die 
durch  luhalt  und  Namen  ^  mit  jenen  Abgaben  iibereinstimmen, 
an  das  vielberufene  Recht  zu  denken  ist. 

V.  Vorschriften  uber  die  Hochzeitsnaclit. 

J.    Beligidse    Vorschriften. 

Kapitel  "2?.  Aus  der  Xatur  der  Sache  erkliirt  es  sich,  dass 
die  Vollziehung  der  christlichen  Ehe  ^  einen  Gegenstand  kirch- 
licher  Fiirsorge  nach  verschiedenen  Riclitungen  gebildet  hat. 

Es  wurde  die  fromme  Sitte  eingefiihrt,  das  Schlafgemach 
und  das  Bett  der  Neuvermiihlten  kirchlich  einsegnen  zu  lassen  ^. 
Alte  Rituale  von  Salisbury  und  York  sclirieben  vor,  dass  dazu 
AVeihraucli  und  ^Veihwasser  verwendet  werden  solle  ^.  Ein  Pa- 
riser  Missale  aus  dem  fiinfzehnten  Jahrhundert  enthalt  genaue  Vor- 
schriften  iiber  die  Einsegnung  des  Ehebetts  und  der  Ehegatten, 
im  Anschhiss  an  andere  religiose  Vorscliriften,  die  bei  Einfiihrung 
der  Eheoratten  in  ihr  Volmliaus  beobachtet  wurden  ^   Auch  wird 


1  Ygl.  Kap.  3  S.  13.  15  und  Kap.  18  S.  94-97. 

2  Die  katholische  Kirche  lehrt  die  Unauflosliclikeit  einer  unter  Christen 
giiltig  geschlossenen  Ehe  mit  der  Massgabe,  dass  diese  Unaufloslichkeit  aus- 
nahmslos  nur  fiir  das  matrimonium  ratum  atque  consummatum  gilt.  wiihrend 
das  Band  eines  matrimonium  ratum,  nondum  consummatum  durch  das  Ordens- 
gelubde  eines  Ehegatten  und  aus  wichtigen  Griinden  durch  pjipstliche  Dispen- 
sation  gelost  werden  kann.  Vgl.  Cap.  2,  7  und  14  X.  de  conversione  con- 
jugatorum ;  die  Entscheidungen  der  Congregatio  Concilii  bei  Richter.  Conc. 
Trid.,  sess.  24  num.   139—150. 

3  Vgl.  Aeneas  Silvius  S.  85:  Chardon  Bd.  0.  cap.  2  S.  162.  163:  Dulaure. 
Paris  Bd.  2  S.  495,  Bd.  3  S.  249:  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Taxe:  Drake 
S.  110;  Gubernatis,  Thiere  S.  200;  Sohm  S.  155;  A.  Schulz  Bd.  1  S.  494. 

*  Chardon  Bd.  6,  cap.  2  S.  162,  163  (aus  Franc.  Alvarez  lib.  2  cap.  10): 
„Secundum  morem  antiquum  thurificantur  thorus  et  thalamus.'" 

5  ISIissale  von  Paris  aus  dem  15.  Jahrh.,  bei  Fr.  X.  Schmid  Bd.  3  S.  376,  377 : 
.  .  .  Quo  facto  introducit  eos  sacerdos  per  manum  in  domum  dicens:  „In  no- 
mine  Patris  et  Filii  et  Spiritus  sancti.  amen."  Item  in  sero  benedictio  tha- 
laml:  „Benedic,  Domine,  thalamum  hunc,  et  omnes  habitantes  in  eo,  ut  in 
pace  tua  consistant,  et  in  tua  voluntate  permaneant,  et  in  amore  tuo  vivant,  et 
senescant,  et  multiplicentur  in  longitudinem  dierum.  Per  Dominum"  etc. 
Tunc  thurificet  thalamum,  postea  sponsum  et  sponsam,  sedentes  vel  jacentes 
in  lecto  suo,  benedicat  dicens:  ,,Benedic,  Domine,  adolescentulos  istos,  sicut 
benedixisti  Tobiam  et  Saram  filiam  Raguelis:  ita  benedicere  digneria  eos, 
Domine,   in  nomine  tuo.  vivant  et  seiicscant  et  multipliecntur  in  hmgitudinom 


Kapitel  27.    ReligiOse   Vorsehrifteii  iibcr  die  Hochzeitsnacht.  147 

bericlitet,  dass  bei  llochzeiten  in  x\.byssinien  eine  Art  Bett  in 
die  Kirche  gebracht  wurde,  iind  dort  die  Einsegnung  desselben 
stattfand;  und  dass  die  Einsegnung  des  Ehebetts  unterblieb, 
wenn  der  Pfarrer  voraussah,  dass  sie  nach  dem  Zustand  der  An- 
wesenden  nicht  mit  Schicklichkeit  vorgenommen  werden  kiJnne  ^ 
Die  Einsegnung  des  Ehebetts,  die  nocli  heutzutage  in  manchen 
Gegenden  Deutschlands  iiblich  ist ,  geschah  an  vielen  Orten 
Schwabens  am  Tag  vor  der  Hochzeit^;  in  Konstanz  zu  der  Zeit, 
um  welche  das  Ehebett  zurechtgemacht  wurde ,  meist  Abends  ^. 
Nach  einem  Strassburger  Ritual  vom  Jahr  1742  begiebt  sich  der 
Priester  am  Morgen  des  Trauungstages  in  das  Haus  der  Braut- 
leute;  dort  wird  er  von  den  Eltern  oder  andern  betagten  Per- 
sonen  zum  Brautbett  gefiihrt,  vor  welchem  die  Brautleute  knieen ; 
er  besprengt  dann  das  Bett  und  die  Brautleute  mit  Weihwasser, 
spricht    einige  Segensgebete  ^,    besprengt    nochmals    das  Ehebett, 


cUerum.  Per  Christiim"  etc.  Item  alia  benedictio:  ..Benedictio  Dei  omni- 
potentis,  Patris  et  Filii  et  Spiritus  sancti.  descendat  super  vos.  et  maneat 
semper  vobiscum.  In  nomine  Patris  et  Filii  et  Spiritus  sancti,  amen."  — 
Vgl.  uber  die  Pariser  Synodalstatuten  Veuillot  2.  Aufl.  S.   113. 

'  Chardon  Bd    6,  du  mariage  chap.  2  S.   163. 

2  Birlinger  Bd.  2  S.  334,  335  (Obersclnvaben) ,  S.  336  (Umgegend  von 
Saulgau),  S.  344  (Bettringen  bei  Gmlind).  S.  362  (Gegend  von  Ehingen  a.  D.). 
v.  Diiringsfeld  S.  138  (Schvaben). 

^  Birlinger  Bd.  2  S.  401,  Nr.  349:  „Wenn  man  sich  verehelichte  und  das 
Ehebette  zurechte  machte,  so  liess  man  den  Herrn  Pfarrer  oder  einen  INIonch 
zu  sich  bitten,  dasselbe  einzusegnen,  welche  Handlung  meistens  Abends  vor- 
genommen  wurde.  Man  ziindete  zwei  Lichter  an,  der  Geistliche  legte  seine 
Stola  an  und  betete  aus  einem  lateinischen  Buche.  Hierauf  nahm  er  das 
Weihwasser  und  segnete  das  Bett  ein,  wodurch  die  Teufel.  Hexen  und  Schrattle 
(Alp)  verhindert  wurden,  den  Eheleuten  schaden  zu  konnen.  Nacli  vollendeter 
Einsegnung  des  Ehebettes  bewirthete  man  den  Priester  gut.  unterhielt  ein 
munteres  Gespriich  und  drlickte  demselben  beim  Weggehen  noch  ein  Stiick 
Geld  in  die  Hand." 

♦  Ritual  von  Strassburg  v.  ,1.  1742,  bei  Fr.  X.  Schmid  Bd.  3  S.  377:  Sacerdos 
autem  indutus  superpelliceo  et  stola  albi  coloris  aspergit  conjuges  et  thalamum 
aqua  benedicta,  dicens:  „Asperges  me,  Domine,  hyssopo  et  mundabor;  lavabis 
me,  et  super  nivem  dealbabor.  Oremus!  Visita,  quaesumus ,  Domine.  habi- 
tationem  istam,  et  omnes  insidias  inimici  ab  ea  longe  repelle,  angeli  tui  sancti 
habitent  in  ea,  qui  hos  novos  conjuges  in  pace  custodiant.  et  benedictio  tua 
sit  super  ipsos  semper.  Per  Christum  dominum  nostrum.  Amen.'"  Deinde 
alternatim  cum  ministro  dicat  psalmum  „Beati  omnes"  cum  versiculis.  „Ore- 
mus!  Benedic,  Domine,  thalamum  istum  nuptialem  una  cum  his  tuis  conju- 
gibus,  ut  in  tua  pace  consistant,  tua  voluhtate  permaneant,  tuo  amore  vivant 
et  senescant.  et  multiplicentur  in  longitudinem  dierum.  Per  Christum  Do- 
minum  nostrum.  Amen."  Demum  elevans  manum  dexteram  sponsis  benedicat, 
dicens :    „Benedicat  Deus   corpora   vestra  et  animas   vestras,    et  det  super  vos 

10* 


148  Kapitel  27.    Religiose  Vorschriften  iiber  die  Hochzeitsnacht. 

die  Ehegatten  und  alle  Anwesenden  und  halt  eine  kurze  Er- 
mahnung  ^. 

Wo  die  Einsegnung  des  Ehebetts  hergebracht  war,  bestanden 
dafiir  nicht  selten  feste  Stolgebiihren.  In  der  Pfarrei  Saint-Eustache 
zu  Paris  hatte  der  Pfarrer  die  Einnahmen  aus  solchen  Cfebiihren 
nach  Massgabe  eines  Yergleichs  vom  Jahr  1254  mit  dem  Decan 
von  Saint-Germain-rAuxerrois  zu  theilen  ^.  In  den  Bisthiiraern 
Amiens  und  Paris  betrug  die  Gebiihr  fiir  Einsegnung  des  Ehe- 
betts  zufolge  einer  Entscheidung  des  Parlaments  zu  Paris  zwolf 
Pfennige  ^  oder  zwei  Sous  ^.  Voltaire  berichtet ,  diese  Gebiihr 
sei  in  einer  durch  Franz  von  Harlai  de  Chamvallon,  Erzbischof 
von  Paris,  am  30.  Mai  1693  erlassenen  und  durch  das  Parlament 
am  10.  Juni  desselben  Jahrs  genehmigten  Taxe  auf  anderthalb 
Franken  festgesetzt  worden  ^. 

Die  Einsegnung  des  Ehebetts  ist  ein  iiusseres  Zeichen  der 
Ermachtiguug  zum  Beginn  des  ehelichen  Lebens,  Obwohl  diese 
Berechtigung  durch  Abschluss  der  Ehe  begriindet  wird,  so  hatte 
sich  doch   im  Lauf  des  Mittelalters   an  vielen  Orten  theils  durch 


benedictionem  siiam ,  sicut  benedixit  Abraham ,  Isaak  et  Jacob.  Manus  Do- 
mini  sancta  sit  super  vos.  mittatque  angelum  suum,  qui  custodiat  vos  omnibus 
diebus  vitae  vestrae.  Amen.  Beaedicat  vos  Pater  et  Filius  et  Spiritus  sanctus. 
Amen." 

1  Ritual  von  Strassburg  v.  J.  1742,  bei  Fr.  X.  Schmid  Bd.  3  S.  377,  378: 
..L"eglise  ne  peut  rien  dire  de  plus  juste  pour  cette  ceremonie,  que  ce  que 
dit  Tange  au  jeune  Tobie,  que  le  demon  de  l'impurete  a  pouvoir  sur  ceux, 
qui  dans  leur  mariage  bannissent  Dieu  de  leur  esprit  et  de  leur  coeur,  et 
qui  ne  suivent,  comme  les  animaux ,  que  les  moiivemens  de  leur  sensualite: 
c'est  pourquoi  pour  eviter  ce  malheur,  considerez,  qu-^tant  les  enfans  de  Saints, 
vous  ne  pourrez  pas  vous  unir  ensemble  comme  des  paiens,  qui  ne  con- 
noissent  point  Dieu.  Suivez  cet  avis,  que  Tapotre  saint  Paul  donne  a  tous 
les  epoux:  Que  le  mariage  soit  trait^  de  tous  avec  honnetet^,  et  que  le  lit 
nuptial  soit  pur  et  sans  tache."  —  Der  hier  und  in  der  vorstehenden  Note 
(S.  147  Anm.  4)  beschriebene  Gebrauch  ist  gegenwllrtig  dem  Vernehmen  nach 
fast  ganz  abgekommen. 

2  Dulaure,  Paris  Bd.  2  S.  495. 

3  Parl.-Urth.  v.  (5  Miirz  1501  in  den  Syn.  Stat.  des  Bischofs  Poncher  vom 
Jahr  1515  (vgl.  dariiber  unten  Kap.  63):  ...  i,pour  la  benediction  du  lict  en 
lieu  de  ung  (vin?)  paieront  les  nouveaux  maries  douze  deniers  parisis." 
Vgl.  Hist.  de  Ponthieu  S.  286. 

*  Parl.-Urth.  v.  19.  Marz  1409  (s.  untcn  Kap  G3):  .  .  .  „pr()  bencdictione 
lecti  sponsatorum  duos  solidos  parisiensium".  .  . 

*  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Taxe.  —  Ist  dies  richtig,  so  kann  damals  das 
Verbot,  wolches  Konig  Hetnrich  II.  im  Jahr  1556  gegen  die  kirchliche  Ein- 
segnung  des  Ehebetts  erlassen  haben  soll  (Brillon  Bd.  1  S.  573),  nicht  mehr 
in  Geltung  gewcsen  sein. 


Kapitcl  27.    Religinse  Vorschriftcn  ii1)er  die  Hochzeitsnacht.  149 

kircliliolie  Yorsohrifton  ,  tlioils  duroh  kirohliches  nerkornmen  dio 
Regel  gebildet ,  dass  die  Yollziehiing  der  Ehe  nicht  ani  Tag 
der  Trauung,  sondern  erst  spiiter  stattfand  ^.  Eine  Erkhirung  da- 
fiir  liegt  schon  in  der  Sitte,  wahrend  der  Brautmesse  oder  iiber- 
haupt  vor  der  Trauung  zu  conimuniciren  ^.  In  der  morgen- 
hindischen  Kirohe  riigte  Theodor  Balsamon,  Patriarch  von  An- 
tiochien  im  zwolften  Jahrhundert ,  dass  die  altc  Strenge  der 
Enthaltsamkcit  fiir  die  Hochzeitsnacbt  nachgelassen  habe;  er 
schiirfte  sie  von  Neuem  ein  und  berief  sich  hierbei  auf  die 
Uebung  der  Brautleute,  vor  der  Hochzeit  zum  Tisch  des  Herrn 
zu  gehen,  sowie  auf  eine  Synodalbestimmung  des  Patriarchen 
Lucas  -^    Im  Abendland  wurde  noch  grossere  Strenge  geiibt  \ 

Eine  weitere  Erklarung  fiir  die  Enthaltsamkeit,  die  den  Neu- 
vermahlten  fiir  die  erste  Zeit  nach  der  Hochzeit  empfohlen  wurde, 
findet  sicli  im  Beispiel  des  jiingeren  Tobias.  Als  Tobias  durch 
den  Erzengel  Eaphael,  der  die  Gestalt  des  Azarias  angenommen 
hatte,  von  Ninive  nach  Rages  in  Medien  geleitet  wurde,  um  eine 
Darlehnsforderung  von  zehn  Talenten  Silber  fiir  seinen  Yater 
bei  Gabelus  einzuziehen ,  kehrten  beide  Reisende  zu  Ekbatana 
im  Haus  Raguers  ein.  Raguel  gehorte  ebenso  wie  Tobias  zum 
Stamm  Nephtali.  Er  hatte  keinen  Sohn ,  sondern  nur  eine 
Tochter,  Namens  Sara,  auf  deren  Hand  und  Yermogen  (nach  dem 
Gesetz  Mosis  iiber    die  Erbtuchter)  Tobias  als  der  nachste  Stam- 


'  Diese  Regel  steht  in  Einklang  mit  sonstigen  Vorschriften  iiber  eheliche  Ent- 
haltsamkeit.  Die  Beobachtung  derselben  war  beispielsweise  ia  einer  Synodal- 
vorschrift  des  Bischofs  Ratherius  von  Verona  fiir  zwanzig  Tage  uud  Nilchte  um 
Weihnachten.  fiir  die  Octaven  von  Ostern  und  Pfingsten,  fur  die  Vorabende  der 
Festtage  und  fiir  alle  Samstage  und  Sonntage  vorgeschrieben:  in  einer  Ver- 
ordnung  des  Erzbischofs  Theodor  von  Canterbury  fiir  die  Zeit  der  vierzigtagigen 
Fasten  und  fiir  die  ersten  Wochen  nach  Ostern  und  Pfingsten ;  in  einer  Synodal- 
vorschrift  des  Erzbischofs  Egbert  von  York  fiir  die  drei  Tage  und  Nachte  vor 
und  nach  jeder  heiligen  Communion.  Vgl.  Bened.  XIV.  de  Syn.  dioec.  lib.  5 
cap.  1  §  8;  Fr.  X.  Schmid  Bd.  3  S.  379;  Veuillot  2.  Aufl.  S.  125-127.  —  Papst 
Benedict  XIV.  bemerkt  in  seiner  Schrift  iiber  die  Diocesan-Synode,  dass  der- 
artige  Bestimmungen  in  alterer  Zeit  rechtsgliltige  Kirchenverbote  gewesen 
seien  und  erst  spater  die  Natur  blosser  Rathschlage  angenommen  hiitten.  Dies 
mag  richtig  sein ;  doch  waren  die  einzclnen  Bestimmungen  von  einander  ver- 
schieden  und  nur  fiir  einzelne  Kirchensprengel  erlassen;  es  gal)  keine  der- 
artige  Vorschriften  von  bindendem  Charakter  flir  die  ganze  Kirche. 

2  Cliardon  Bd.  6  S.  160.  Calmet  unter  Noces .  Bd.  3  S.  54.  Deutsche 
Encykl.  unter  Brautnacht. 

3  Thomassin  part.   1  lib.  6  cap.  83  num.  10,   S.  496. 

♦  Thomassin  part.  1  lib.  83  num.  11.  Fr.  X.  Schmid  Bd.  3  S.  379.  Veuillot 
2.  Aufl.  S.  126,  127. 


150  Kapitel  27.    Religiiise  Vorschriften  iiber  die  Hochzeitsnacht. 

mesgenosse  Anspruch  erheben  konnte.  Demgemass  sprach  Ra- 
phael  zu  Tobias:  ^Dir  gehort  ihr  ganzes  Yermogen,  und  du  musst 
sie  zur  Frau  nehmen;  bewirb  dich  also  um  ihre  Hand  bei  ihrem 
Yater,  und  er  wird  sie  dir  zur  Gattin  geben."  Doch  war  Sara 
schon  siebenmal  verheirathet  gewesen,  und  jedesmal  ward  ihr 
Gatte  vor  YoUziehung  der  Ehe  durch  einen  bosen  Geist  getodtet. 
Tobias  fiirchtete,  es  moge  ihm  ebenso  ergehen.  Raphael  belehrte 
ihn,  der  Damon  habe  Gewalt  iiber  diejenigen,  die  bei  der  Hei- 
rath  Gott  aus  ihrem  Herzen  ausschliessen  und,  den  unverstandigen 
Thieren  gleich,  ihren  Geliisten  folgen;  Tobias  dagegen  moge 
nach  der  Hochzeit  drei  Tage  lang  sich  des  ehelichen  Umgangs 
enthalten  und  diese  Zeit  gemeinsam  mit  der  vermahlten  Jung- 
frau  zum  Gebet  verwenden^;  erst  nach  der  dritten  Nacht  moge 
er,  mehr  aus  Yerlangen  nach  Kindern,  als  aus  Begierde,  die 
Jungfrau  in  der  Furcht  des  Herrn  zu  sich  nehmen,  um  im  Samen 
Abraham's  Kindersegen  zu  erlangen.  Tobias  befolgte  diese  Rath- 
schlage.  Als  er  nach  dem  Hochzeitsmahl  in  das  Schlafgemach 
gefiihrt  wurde,  fesselte  Raphael  den  Diimon.  Dann  sprach  To- 
bias  zur  Jungfrau:  ^Stehe  auf,  Sara,  wir  wollen  zu  Gott  beten, 
heute,  morgen  und.  iibermorgen.  Diese  drei  ^S^iichte  sind  wir  mit 
Gott  vereint;  nach  Yerlauf  der  dritten  Xacht  woUen  wir  als  Ehe- 
leute  leben;  denn  wir  sind  Kinder  von  Heiligen  und  konnen  uns 
nicht  verbinden  wie  Heiden,  die  Gott  nicht  kennen."  ^  Sie  bete- 
ten  inbriinstig.  Dann  schliefen  sie  zwar  schon  in  der  ersten 
Xacht  nebeneinander  3;  doch  beobachteten  sie  Enthaltsamkeit  bis 
nach  der  dritten  ]S^acht. 

'  Lib.  Tobias  cap.  6  v.  18  (Vulg.):  ,.Tii  autem  cum  acceperis  eam,  in- 
gressus  cubiculum  per  tres  dies  continens  esto  ab  ea,  et  nihil  aliud .  nisi 
orationibus  vacabis  cum  ea.'''  Diese  Stelle  der  Vulgata  fehlt  im  griechi- 
schen,  hebraischen  und  syrischen  Text  und  ist  vom  hl.  Hieronymus  aus  dem 
chaldaischen  Text  mit  Hiilfe  eines  chaldaisch-hebraischen  Dolraetschers  her- 
gestellt  worden.  Epist.  D.  Hieronymi  Bd.  3  S.  22.  In  der  Itala  (dem  Codex 
Sinaiticus)  ist  an  dieser  Stelle  (v.  17)  nur  gesagt:  ,,Und  wenn  du  die  Ehe 
mit  ihr  vollziehen  willst,  so  wachet  erst  zusammen  und  betet  und  bittet  den 
Herrn  des  Himmels,  dass  Erbarmen  und  Heil  auf  euch  komme.'v  Gutberlet 
(§  3  S.  22—27)  nimmt  an,  dass  die  hebraische  Urschrift  des  Buches  Tobias 
verloren  gegangen  ist,  und  davon  die  verschiedenen  Texte  herriihren. 

2  Lib.  Tob.  cap.  8  v.  4.  5  (Vulg.):  ,.Sara,  exurge,  et  deprecemur  deum 
hodie,  et  cras  et  secundum  cras:  quia  his  tribus  noctibus  Deo  jungimur:  tertia 
autem  transacta  nocte,  in  nostro  erimus  conjugio.  Filii  enim  sanctorum  sumus, 
et  non  possumus  ita  conjungi  sicut  gentes  quae  ignorant  Deum."  Auch  bel 
dieser  Stelle  fehlt  die  Erwahnung  der  drei  Nachte  im  griechischcn.  hebriii.schen 
und  syrischen  Text  und  in  der  Itala.    Vgl.  I.  Thessal.  cap.  4  v.  :>. 

3  Lib.  Tob.  cap.  8  v.  15. 


Kapitel  27.    Religiiii^e  Vorschrifteii  iiber  die  Ilochzcitsnacht.  151 

Die  dreitiigige  Enthaltsamkeit  von  Tobias  und  Sara  war  ein 
aussergewolinliclies  Mittel  zum  Scluitz  gegen  ein  aussergewohn- 
liches  Ungliick  ^  Keine  allgemeine  Yorschrift  der  Kirche  ge- 
bietet,  das  Beispiel  des  Tobias  zu  befolgen.  Im  ersten  Brief 
des  Apostels  Paulus  an  dic  Corinther  ist  angedeutet,  dass  die 
Enthaltsamkeit  nur  zeitweise,  mit  gegenseitigcr  Zustimmung,  geiibt 
werden  solle ,  um  freie  Zeit  zum  Gebct  zu  gewahren  ^ ;  und  das 
Concil  von  Trient  ermahnt  nur,  dass  die  j^euvermalilten  nicht 
unter  demselben  Dach  zusammenwohnen  (d.  h.  die  Ehe  nicht 
consummiren)  sollen ,  bevor  die  priesterliche  Einsognung  (die  in 
gewissen  Fallen  bei  Abschluss  der  Ehe  nicht  erfolgen  kann)  in 
der  Kirche  stattgefunden  hat  ^. 

Allerdings  erinnern  einige  Quellenstellen  des  kanonischen 
Rechts  durch  ihren  Inhalt  an  das  Beispiel  des  Tobias.  Eine 
angeblich  aus  den  Decreten  des  Papstes  Soter,  Kapitel  5,  her- 
riihrende  Stelle,  welche  in  die  Decrete  von  Burchard  und  Ivo 
aufgenommen  ist ,  fordert  die  jungen  Ehegatten  auf,  bis  zum 
dritten    Tag    einschliesslich    Enthaltsamkeit    zu    beobachten '^. 

1  Gutberlet  S.  211. 

-  I.  Cor.  7.  5:  Mr^  'j.-fjZ-.z[jil-.t  7./././^//yj; .  it  a/^  ti  iv  i/.  '■j;;.-j,(ovoj  -po:  /.cc.pov, 
iva  ayoXctaTjtc  TJj  •/rp-ti.y.  v.aX  t/j  ~Vjtvy/r^ ,  •/,c(i  rc</.'.v  i-\  to  7.jto  'jvEp/E jili .  iva 
1J.7]    T.v.rA^T^  'J;jta;   6   accrotvoi;  ot-/  Tr,v   c<-/.pajio'.v   •jaujv. 

^  Conc.  Trid.  sessio  XXIV.  de  reform.  matr.  cap.  1 :  .  .  .  Practera  eadem 
sancta  synodus  hortatur ,  ut  conjuges  ante  benedictionem  sacerdotalem  in 
templo  suscipiendam  in  eadem  domo  iioii  cohabitent".  .  .  Vgl.  dazu  Ferraris 
unter   Benedictio  sponsorum  num.  4 — 7.  Bd.  1  S.  402. 

*  Burchardi  Decret.  lib.  9  cap.  5;  Decretum  Ivonis,  pars  8  cap.  145:  .  .  . 
,,biduo  etiam  ac  triduo  abstineant,  et  doceantur  ut  castitatem  inter  se  custo- 
diant."  An  diese  Vorschrift  und  an  das  Beispiel  des  Tobias  erinnert  der 
Inhalt  einer  Legende  des  Bischofs  Aribo  von  Freisingen  (angeblich  764 — 782 
oder  784),  die  in  dem  Werk  Arnoldi  Emmerammensis  monachi  (aus  dem  elften 
Jahrhundert)  de  miraculis  S.  Emmerammi,  lib.  1  num.  3,  wiederholt  ist.  Darin 
sagt  ein  Christ,  der  wider  seinen  Willen  in  der  Gefangenschaft  vermilhlt 
Avurde,  im  Schlafgemach  zu  der  neuvermahlten  Frau:  „Providendum  nobis 
est,  karissima  soror,  ne  gentilium  more,  Christianas  nuptias  sociemus ,  sed 
magis  per  triduum  abstinere  oportet  et  Deum  cum  lacrimis  deprecari ,  ut  det 
germen  justum  in  conjunctione;  quia  mulier  non  propter  libidinem  accipienda 
est,  sed  propter  sobolis  procreationem."  (Dann  -\vurde  er  im  Schlaf,  durch  ein 
Wunder  des  hl.  Emmeram,  von  der  Frau  und  aus  der  Gefangenschaft  be- 
freit  und  nach  Regensburg  zuriickgefUhrt.)  Vgl.  AA.  SS.  22.  Sept.,  Bd.  4  Sept. 
S.  483;  Mon.  Germ.,  scriptores  Bd.  4  S.  550:  Migne  Bd.  141  S.  999—1001; 
Hanauer  S.  137.  Ferner  stimmt  mit  jener  Vorschrift  der  Rath  iiberein,  wel- 
chen  nach  Bericht  von  Aeneas  Silvius  (Ausg.  1685  S.  79)  der  Papst  Nicolaus 
dem,  Kaiser  Friedrich  III.  bei  dessen"Vermiihlung  mit  Leonore  von  Portugal 
ertheilte ;  denselben  Rath  soll  Konig  Ludwig  dcr  Heilige  bei  seiner  Vermahlung 
befolgt   haben    (vgl.  Veuillot  2.  Aufl.  S.   126);   ein   ebenso   strenger  Gebrauch 


152  Kapitel  27.    Religiose  Vorscliriften  iiber  die  Hochzeitsnacht. 

Ein  angeblielies  Schreiben  des  Papstes  Evaristus  an  die  afrika- 
nisehen  Bischofe,  welches  sich  in  den  Sammlungen  von  Ivo  und 
Gratian  befindet,  empfiehlt  den  ]S^eu\'ermahlten,  zwei  oder  drei 
Tage  dem  Gebet  zu  widmen  und  solange  die  Jungfraulichkeit 
zu  bewahren  ^  Ein  dritter  Ausspruch,  der  mit  Unrecht  an  eini- 
gen  Stellen  2  auf  ein  Concil  von  Yalentia,  Kap.  101,  an  andern 
Stellen^  auf  Art.  13  des  vierten  Concils  von  Carthago  *  vom 
Jahr  398  zuriickgefiihrt  wird,  geht  dahin:  „Brautigani  und  Braut 
sollen,  um  den  Segen  des  Priesters  zu  empfangen,  von  ihren 
Eltern  oder  von  Brautjungfern  (Brautfiihrern  ^)  geleitet  werden 
und  nach  Empfang  des  Segens  aus  Ehrfurcht  vor  demselben  die 
erste  Nacht  in  der  Jungfraulichkeit  verharren."  "^  Allein  schon 
die  Yerschiedenheit  dieser  Bestimmungen  lasst  erkennen,  dass  sie 
kein  allgemein  giiltiges  Kirchengesetz  enthalten.  Die  Rechts- 
biicher,  worin  sie  sicli  finden,  haben  keine  Gesetzeskraft  ^ ;  und 
die  erwalmten  Yorschriften  haben  nur  die  Xatur  eines  evange- 
lischen  Ptaths  ^,  dessen  Xichtbefolgung  keine  Siinde  ist  ^ 

soll  bei  den  orientalischen  Armeniern  zur  Zeit  von  Olearius  herkomnilich  ge- 
Avesen  sein  (Olearius.  Buch  4  Kap.  41,  von  der  Armenier  Hochzeit). 

*  Benedictus  Levita  (Capit.  lib.  7  cap.  463)  und  Pseudo-Isidor  bei  Walter.  C.  J. 
Bd.  -2  S.  774,  Pertz  Bd.  2  S.'132  und  Hinschius  S.  87:  Decretum  B.  Ivonis.  pars  8 
cap.4:  Liber  decretorum  sive  panormia  Ivonis  lib.  6  fol.  122  v. :  Gratian.  causa  30 
qu.  5  c.  1:    ...  ,,bi(Jiio  rel  tridtio  orationibus  vacent  et  castitatem  custodiant.'' 

^  Decr.  B    Ivonis.  pars  S  cap.   143:   Burchardi  Decr.  lib.   9  cap.  5. 

^  Coll.  ant.  lib.  1  cap.  61.  Regino  lib.  2  cap.  lo3.  Decr.  B.  Ivonis  pars  8 
cap.  6.  Panormia  Ivonis  lib.  6  fol.  125  v.  Gratiani  Decr.  dist.  23  cap.  33 
und  causa  30  qu.  5  c.  5.     Pseudo-Isidoi'  bei  Migne  Bd.  84  S.  201. 

•*  Vgl  dariiber  Harduin  Bd.  1  S.  975:  Hefele  Bd.  2  S.  63.  64:  Richard 
Bd.   1   S.  345-358:  Hinschius  S.  304. 

^  Aus  dem  Wort  ,.paranymphis"  liisst  sich  nicht  mit  Sicherheit  ersehen, 
ob  Brautjungfern  oder  Brautfiihrer  gemeint  sind,  weil  sowohl  das  AVort  para- 
nymphus  (-oi(iG(vj|j.cf;o;)  in  der  Bedeutung  eines  Brautfuhrers,  als  auch  das  "Wort 
paranympha  in  der  Bedeutung  einer  Brautjungfer  vorkommt.  Vgl.  Kap.  26 
S.  140;  auch  v.  Diiringsfeld  S.  58,  94. 

6  ,,Sponsus  et  sponsa.  cum  benedicendi  sunt  a  sacerdote,  a  parentibus  suis 
vel  a  paranymphis  offerantur,  qui  cum  benedictionem  aeceperint,  ea^em  nocte 
pro  reverentia  ipsius  benedictionis  in  virginitate  permaneant."  In  dieser  Vor- 
schrift  findet  Liining,  Bd.  2  S.  575,  576.  ohne  Grund  eine  Besonderheit  der 
^gallischen"  Kirche. 

'  Philipps,  K.-R.  Bd.  4  §  180.     Dalloz,  Rep.  Bd.  1  S.  161. 

8  Glosse  zu  cap.  33  dist.  23:  „alibi  dicitur  de  biduo  vel  triduo  .  .  .  et  intelligo 
et  illud  et  istud  csse  coneilium."  Lovys  Servin  S.  229:  „cela  estoit  ordonne 
par  conseil.  ct  non  par  precepte,  ex  honestate,  non  ex  necessitate."  d'Espcisses 
Bd.  1  S.  167.  Van  Espen  Bd.  1  pars  2  sect.  1  tit.  12  n.  48  und  Bd.  3  S.  634. 
Calmet  Bd.  1  S.  54,  unter  Noces.     Chardon  Bd.  6,  mariage,  cap.  2  S.  160. 

9  Glosse  zu  Cau.sa  30  qu.  5  c.  5:  „pro  revercntia,  ergo  non  erit  peccatum, 


Kapiti'!  27.    Reli};ioso   Vorschiiftcn   iiber  ilie  Ilochzeitsiiacht  153 

Docli  konute  eine  Yorsclirift ,  die  den  Xeuvermahlten  die 
A^ollziehung  dor  Ehe  fiir  eine  gewisse  Zeit  nach  deren  Abschluss 
untersagte ,  durch  kirchliches  Statutar-  oder  Gewohnheitsrecht 
eingefiihrt  werden.  Dies  geschah  beispielsweise  in  der  DiiJcese 
Amiens  ^  Ferner  finden  sich  derartige  Anordnungen  iu  meii- 
reren  Ritualen  des  fiinf^ehnten  Jaliriiunderts  und  spaterer  Zeit, 
namentlich  von  Lyon,  Liittich,  Limoges  und  Bordeaux  ^.  Das 
Kolner  Provincialconcil  vom  Jahr  1538  beschrankte  sich  auf 
den  Rath,  den  Brautleuten  den  Inhalt  des  Buches  Tobias  mit- 
zutheilen  und  zu  erliiutern^;  und  der  hl.  Karl  Borromiius  em- 
pfahl  auf  einer  Synode  zu  Maihind  deu  Geistlichen  seines  Bis- 
tliums,  die  Gliiubigen  zur  Befolgung  der  erwiihnten  Rathschlage 
zu  ermahnen  ^. 

Soweit  in  dieser  llinsicht  bestinimte  Yorsehriften  galten,  war 
naturgemiiss  der  Bischof  befugt ,  davon  zu  disponsiren.  Fiir  die 
Dispens  konnte  er  eine  Gebiihr  erheben  ^.  Darauf  wiirde  sich 
der  Ausdruck  jus  primae  noctis  anwenden  lassen,  da  das  AYort 
jus,  ebenso  wie  das  franzOsische  Wort  droit,  eine  Abgabe  be- 
zeichnen  kann.  In  der  That  Vvird  der  Ausdruck  in  diesem  Sinn 
von  einigen  modernen  Schriftstellern  gebraucht  ^.  Indessen  fehlt 
der  Nachweis,  dass  dieser  Sprachgebrauch  schon  zu  der  Zeit  be- 
kannt  war,  als  jene  Dispensgebiihren  erhoben  wurden. 

Giinzlich  verfehlt  ist  die  Meinung,  dass  die  angefiihrten  kirch- 

si    aliter    fiat."     Sanchez    lib.  3    ilisp     12.     crEspeis.ses    BJ.    1    S.    167.     Thiers 
liv.  10  ch.  6,  S.  561—565.     Anderer  Meinung  ist  Euchmann  S.  69. 

*  Ygl.  unten  Kap    63. 

2  Deutsche  Encykl.  unter  Brautnaclit.     A^euilhit  2.  Autl    S.    12G. 

=•  Conc.  Colon.  I.  a.  1536  art.  41,  bei  Harduiu  Bd.  9  S.  2010:  .  .  .  ,.Hic 
quae  Tobiae  6,  7  et  8  scribuntur ,  enarrari,  proponi  ac  doceri  conveniet.  Ubi 
locus  pulcherrimus  est,  exemplo  commonstrans,  quemadmodum  bona  uxor  do- 
nuni  Dei  sit".  .  . 

*  Veuillot  2.  Autl    S.   127. 

^  Hanauer  S.  136  :  ...  ,,la  ferveur  se  refroidit;  on  demanda  des  dispenses 
pour  cette  loi,  comme  pour  celle  du  jeune  ou  de  rabstinence;  on  la  remplacja 
par  une  aumone ,  inscrite  parmi  les  revenus  des  eveques  et  des  curea."  —  In 
Frankreich  wurde  die  Berechtigung  zurErhebung  solcher  Gebiihren  bestritten. 
und  dem  Bischof  von  Amiens,  sowie  den  Pfarrern  von  Amiens  und  Abbeville 
durch  Urtheile  des  Parlaments  die  Einziehung  derselben  untersagt.  Ygl. 
unten  Kap.  63.  —  Bei  Mittermaier  (7.  Aufl.  S.  278)  und  Marichalar  (Bd.  6 
S.  70)  finden  sich  Andeutungen,  als  hiitten  bisweilen  Grundherren  sich  jenes 
kirchliche  Dispensrecht  mit  dem  Anspruch  auf  die  Dispensgebuhren  angemasst ; 
doch  ist  mir  kein  Beispiel  eines  solchen  Missbrauchs  bekannt  geworden. 

6  Danz  §  544.  Bd  6  S.  51.  Jacobson  bei  AVeiske  Bd.  3  S.  566.  Vgl. 
■nnten  S.  159. 


154  Kapitel  27.    Religiose  Vorschriften  iiber  die  Hochzeitsnacht. 

lichen  Yorscliriften  mit  dem  jus  primae  noctis  in  der  Bedeu- 
tung  eines  Herrenrechts  in  Zusammenhano;  stehen  konnten  ^  Die 
Deutsche  Encyklopadie  bemerkt,  Priester  und  Bischofe  hatten 
aus  Gewinnsucht  den  neuen  Eheleuten  erlaubt,  in  der  ersten 
Brautnacht  beisammen  zu  sein:  ^daraus  entstand  dann  die  der 
Geistlichkeit  an  der  Ehre  so  nachtheilige  und  so  schmutzige 
Erzahlung  de  jure  primae  noctis  und  du  droit  de  cuissage"  ^. 
In  der  neuesten  Zeit  wird  sogar  behauptet,  sowohl  heidnische 
als  auch  christliche  Priester  hatteu  sich  das  „Recht  der  vor- 
laufigen  Begattung"  fiir  die  ersten  drei  Nachte  augemasst.  „Be- 
wusst  oder  unbewusst  hat  eben  darum  die  Geistlichkeit  gegen 
die  Beschlafung  der  Frauen  durch  die  Ehemanner  wahreud  der 
ersten  drei  Xachte  geeifert.  Es  isr  selbstverstaudlich,  dass  die 
Geistlichkeit  diesem  Yerbote  ein  ganz  anderes  Motiv  unterzu- 
schieben  pflegte,  als  dasjenige ,  dem  es  seinen  Ursprung  zu  ver- 
dankeu  hatte  .  .  ."  ^  Ein  anderer  moderner  Schriftsteller  sagt  von 
dem  jus  primae  noctis:  .,Die  Nonnenkloster  konnten  selbstver- 
standlich  dieses  Feudalrecht  nicht  ausiiben  uud  waren  deshalb 
auch  nicht  befugt,  das  Aequivalent  dafiir  zu  beanspruchen.  Das 
Institut  der  Tobiasnachte,  welches  allen  Xeuvermahlten  aufge- 
zwungen  wurde,  half  aus."  *  Und  das  „Organ  fiir  katholische 
Reformbewegung"  schreibt:  „Als  in  Frankreich  einige  Parlamente 
bei  ihren  Entscheidungen  vou  dem  Satze  ausgingen,  dass  es  fiir 
Xiemanden  ein  Ehebruchsrecht  geben  konne ,  opponirten  die 
Feudalherren,  und  die  Kirche  war  auf  ihrer  und  nicht  der  Par- 
lamentsherren  Seite.  Als  aber  gleichwohl  die  Parlamente  fort- 
fuhren.  in  dem  angegebeneu  Sinne  zu  entscheiden,  wurde  die 
Kirche  demonstrativ  und  forderte  der  weltlichen  Obrigkeit  zum 
Trotze  die  dem  Gebrau''h  substituirte  Abgabe  ftir  drei  Xiichte. 
Das  blieb  ihr  unverwelirt.   bis  die  Rothen  in  der  constituirenden 

^  Dies  erkeniit  Dalrymple,  Bd.  1  S.  324.  aiisdriicklich  an .  obwohl  er  jene 
kirchlichen  Vorschriften  verspottet. 

^  Diese  Bemerkung  der  deutschen  Encyklopiidie  (unter  Brautnacht)  enthalt 
zwei  Irrthiimer:  erstlich,  dass  die  Ertheilung  der  Dispensc  lediglich  auf  Ge- 
winnsucht  der  Priester  und  Bischofe  zuriickzufiihren  sei,  und  zweitens,  dass 
die  Verantwortlichkeit  fiir  jene  schmutzige  Erzahlung  nicht  sowohl  den  Er- 
iindern  derselben ,  als  viehnehr  der  Geistlichkoit  zur  Last  gelegt  wird ,  zu 
deren  Verunglimpfung  jene  Erziilihing  verbreitet  wurde. 

^  Kulischer  S.  223—225. 

*  Buchmann  S.  69.  Danach  scheint  die  Meinung  Buchmann's  dahin  zu 
gehen,  dass  die  Xonnenkloster  eine  Gebiihr  empfingen,  so  oft  der  Bischof  vou 
Beobachtung  der  Tobiasniichte  dispensirte.  Ein  Grund  dieser  seltsamen  Meinung 
ist  nicht  angegeben.     Ebenso  unverstiindlich  ist  der  erste  Satz. 


Kapitel  27.    Religiose  Vorschriften  iiber  die  Iloehzeitsnacht.  155 

Versamnilung  auch  diesem  klerikalen  Unfiige  ein  Ende  machten."  * 
Die  Ilaltlosigkeit  aller  dieser  Yerirrungen  erhellt  aus  der  vor- 
stehenden  Entwickhin^^ 

Der  Gebrauch,  die  drei  „Tobiasnachte"  zu  beobachten,  hat 
sich  in  manchen  Gegenden  Deutschlands  als  Yolkssitte  erhalten  ^, 
verbunden  mit  der  Yorstellung,  dass  davon  Gliick  und  Segen 
des  Ehestandos  abhiinge;  beispielsweise  an  einigen  Orten  der 
Oberpfalz  ^  und  bei  der  oberschwabischen  Hochzeit,  im  Allgiiu, 
namentHch  in  Christatzhofen  und  Egloffs  * ,  auch  in  Bettringen 
bei  Gmiind  ^.  Diese  fromme  Auffassung  fiir  Aberglauben  zu  er- 
klaren*,  durfte  schwerlich  gerechtfertigt  sein. 

In  der  Geschichte  und  Sage  selbst  heidnischer  Yolker  finden 
sich  Sitten  und  Yorstellungen,  die  einigermassen  an  das  Bei- 
spiel  des  Tobias  erinnern  ^.  Bei  den  Griechen  soll  der  Ge- 
brauch,  dass  Braut  und  Briiutigam  nach  der  Hochzeit  die  erste 
Nacht  getrennt  blieben ,  unter  dem  Namen  7.-7.'jX'.7.  bestanden 
haben^.     Nach  einer  Sage  iiber  die  Hochzeitsnacht  des  Franken- 

'  Deutscher  Merkur  v.   17.  April  1880,  S.  124. 

2  Die.s  berichtet  Hanauer  S.  137  von  rnehreren  Genieinden  des  Kochersbergs 
(im  Elsass)  :  vgl.  auch  beziiglich  der  ersten  Hochzeitsnacht  (zu  Sachehiy.  Dep. 
Seine-et-Oise)  v.  Diiringsfeld  S.  250 

3  Schonwerth  Tli.  1  S.  111.  112  (im  Kapitel  iiljer  die  Heimkehr  nacli  der 
Hochzeit):  .  .  .  „Bei  Tiefenbach  kehrt  die  Braut  noch  auf  drei  Tage  zu  ihren 
Eltern  zurlick.  .  .  Bei  Waklmiinchen  zieht  zwar  die  Braut  gleich  bei  dem 
Brautigam  ein:  doch  darf  er  die  ersten  drei  Naclite  nicht  mit  ihr  zusammen- 
schlafen,  weil  sonst  Gliick  und  Segen  weichen  wiirde."'  Daraus :  A.  Weber 
Bd.  5  S.  326. 

*  Birlinger  Bd.  2  S.  334,  Nr.  317:  ,,Eine  wunderschone.  auf  der  Bibel 
beruhende  Sitte  im  Allgau  (z.  B.  Christatzhofen,  Eglofts)  war  —  ob"s  jetzt 
noch  so  ist,  weiss  ich  nicht  — ,  die  Tobiasnachte  zu  halten.  .  .  Die  Ehe  wird 
gliicklicher  ausfallen,  weil  ihr  in  Folge  dieser  Enthaltung  der  Teufel  Nichts  an- 
haben  konne.''    Daraus:  A.  Weber  Bd.  5  S.  455.    Vgl  auch  v.  Diiringsfeld  S.  146. 

5  Birlinger  Bd.  2  S.  354,  Nr.  319:  .,Die  Tobiasniichte  werden  auch  hin 
und  wieder  gelialten.  d.  i.  der  Briiutigam  beriihrt  seine  Braut  drei  Nachte 
nacheinandcr  nicht.  Durch  diese  Enthaltsamkeit  hofFt  man  eine  arme  Seel  zu 
erlosen."  Vgl.  A.  Weber  Bd.  5  S.  455:  ,,Hiernach  liegt  es  in  der  That  wohl 
niiher,  die  deutsche  Sitte  auf  kirchlichen.  resp.  biblischen  Einfluss  zuriickzu- 
fiihren.  statt  sie  als  einen  Rest  aus  indogermanischer  Zeit  zu  betrachten.^' 

«  Dies  geschieht  bei  Wiittke  §  569  S.  352. 

'  Vgl    Simrock  §  147  S.  596. 

8  Haas  S.  331.  Vgl.  C.  P.  Hoffmann  cap.  3  §  1.  und  L.  66  (§  1)  Dig.  de 
don.  inter  virum  et  ux.  (24,  1).  —  Das  Wort  i-aj/.tct  bezeichnet  gewohnlich 
Hochzeitsgeschenke,  aber  auch  den  Tag,  an  welchem  die  Neuvermahlte  mit  dem 
Gatten  schlaft.  Wie  mir  Herr  Oberlehrer  Dr.  Zoller  zu  Colmar  mitgetheilt  hat, 
findet  sich  im  Etymologicum  magnum  (einem  griechischen  Worterbuch  von 
einem    unbekannten    Verfasser,    der    wahrscheinlich    im    zehnten    Jahrhundert 


156  Kapitel  27.    Religiose  Vorschriften  Uber  die  Hochzeitsnacht. 

konig's  Childerich  mit  Basine  (die  er  ihrem  rechtmassigen  Ge- 
mahl,  dem  Konig  Basing  oder  Basinus  in  Thiiringen,  entrissen 
hatte  ^)  sprach  Basine  zu  Childerich:  „Enthalten  wir  unsl  Stehe 
auf,  und  was  du  auf  dem  Hof  sehen  wirst.  das  berichte  deiner 
Dienerin."  Childerich  erhob  sich  und  sah  Thiere  voriibergehen, 
Avelche  Lowen,  Einhornern  und  Leoparden  glichen.  Er  kehrte 
zu  seiner  Gattin  zuriick  und  berichtete ,  was  er  gesehen  hatte. 
Sie  sagte:  „Herr,  gehe  nochmal  und  erziihle  dann  deiner  Dienerin, 
was  du  gesehen  hast."  Childerich  begab  sich  aufs  Neue  hinaus 
und  sah  Thiere  wie  Biiren  und  Wolfe  voriibergehen.  Als  er  dies 
seiner  Gemahlin  erziihlt  hatte,  liess  sie  ihn  zum  dritten  Mal  hin- 
ausgehen  ,  und  er  sah  Thiere  einer  geringeren  Gattung.  Daraus 
erkliirte  Basine  dem  Childerich  seine  Nachkommenschaft,  und  sie 
gebar  einen  Sohn  Xamens  Chlodwig:  dieser  war  gross,  beriihmter 
Krieger,  iihnlich  einem  Lowen  unter  den  Konigen  ^.  Yon  den 
brasilianischen  AVilden  wird  erziihlt ,  dass  bei  ihnen  eine  gewisse 
Enthaltsamkeit  der  Neuvermiihlten  fiir  riihmlich  gehalten  werde  ^. 
Besonders  auffallend  ist  die  Aehnlichkeit  der  im  Buch  Tobias 
enthaltenen  A^orschrift  mit  Bestimmungen  der  indischen  Haus- 
regeln  (Grihyasutrani)  \   iiber  Hochzeitsgebriiuche    (bei  der  Nach- 


lebte,  Ausg.  Heidelberg  1594  und  Leipzig  ISKJ)  folgender  Satz:  ,.ot'.  -6-z 
drj/i-i'.  T.  y.opr^  7."^P-'  "''J  ~^"po?  ofJ/.i^£3l)o!t  ■?,  TOTE  STrofJAUcToc.  Tto  dvopt  /j  yjvr," 
(d.  h.  diiiin  beginnt  das  Madcheu  ausserhalb  des  Hauses  ihres  Vaters  zu 
Avohnen.  oder  dann  zieht  das  Weib  in  die  Wohnung  des  Mannes);  hierzu  kihi- 
nen  die  bei  Stephanus  citirten  Parallelstellen  aus  Pollux.  Hesychius,  Isidor 
und  Acro ,  Pausanias  ap.  Eust.  verglichen  werden.  Das  Citat  aus  PoUux. 
<1.  h.  aus  dem  Onomasticon  von  Pollux  oder  Polydeukes  aus  Naukratis  (um 
180  n.  Chr.  Geb  )  lautet:  lib.  3  cap.  3  oder  3.  39,  40:  es  \vird  sich  in  der 
Ausgabe  von  Imm.  Bekker .  Berlin  1846.  finden  lassen.  Im  griechischen 
Lexikon  von  Suhle  (1875  S.  576)  steht:  ..T-i  i-ocj/.tcc-.  der  Tag  nach  dem 
Hochzeitsbeilager. 

1  Chateaubriand  S.  217,  218.  Michelet,  Hist.  de  France  Bd.  1  S.  120. 
Michelet,  Orig.  S.  37.  Cantu,  Mittelalter  Bd.  1  S.  235.  236.  Thierry.  Lettres 
3.  Brief  S.  31,  32.     Junghans  S.  6,  7. 

2  Chateaubriand  S.  217—218.     Vgl.  Junghans  S.  S. 
2  V.  Martius  (1832)  S.  60.  61. 

*  Die  Literatur  der  vier  Vedas.  namlich  des  Rig-Veda,  des  Yajur-Veda, 
des  Sama-Veda  und  des  Atharva-Veda,  die  als  heilige  Schriften  der  Inder 
gelten  (Colebrooke  Bd.  1  S.  9—113),  hat  drei  Stufen  durchlaufen :  die 
Sanihita-  oder  ^NIantra-Literatur,  die  Brahmana-Literatur  und  die  Sutra- 
Literatur.  Die  Sfitras  zerfallen  Avieder  nach  ihrem  Inhalt  in  verschiedene 
Klassen,  (^rauta-SCitras,  Grihya-Sfttras ,  Dharma-Siitras  (d.  i.  Rechts-Sutras), 
grammatische  Sutras  und  andere.  Die  Grihya-Sutras  gehoren  einer  spiitern 
Zeit  an  als  die  Crauta-Sutras.  Sie  und  die  Dliarma-Sutras  behandeln  im 
Allgemeinen  denselben  StofF.    indem    sie   den  brahmanischen  Inder   von  seiner 


Kaj)itel  27.    Religiose  Vorschriften  iiber  die  Hoclizeitsnaclit.  157 

feier  der  Hochzeit),  dic  aus  don  verscliiedcnen  Bearbeitungcn  durch 
Haas,  wie  folg't,  zusammengefasst  worden  sind:  „Stillschwcigcnd 
sollen  sie  dann  sitzcn  bis  Abends,  wenn  die  Sonne  untergcgangen 
ist:  dann  zeigt  ihr  dcr  Brautigam  unter  freiem  Hinimcl  den  Polar- 
stern  .  .  .  und  die  sicbcn  Stcrnc  des  grossen  Biircn  .  .  .  (mit  der 
Ermahnung),  sie  mogc  ebenso  unwandelbar  und  bcstiindig  sein, 
wie  diese.  Drei  Xachto  von  der  Hochzcit  an  sollen  sie,  auf  dem 
Boden  liegend  und  Keuschheit  bewahrend,  das  Hochzeitsfeuer  unter- 
halten  und  dabci  nur  ungesalzene  Speise,  bestehend  in  Reis  und 
Milch,  geniessen."  ^  Spater:  „Am  vierten  Tag  nach  der  Hoch- 
zeit  .  .  .  soll  man  das  Hochzeitsfeuer  iibertragcn  ins  Innere  des 
Hauses  und  sogleich  Speiscopfer  bereiten  .  .  .  Die  letzten  Con- 
sequenzen  des  Ganzen  zu  ziehcn ,  dazu  ist  endlich,  nach  vier 
Tagen  der  Ceremonic  und  Enthaltung,  am  fiinften  die  Zeit 
gekommen.  Gobhila  sagt,  dass  Einige  nicht  so  lange  warten, 
wozu  eine  Bestiitigung  Paraskara  liefert.  Die  verschiedenen 
Fristen,  die  er  ansctzt,  sind:  drci  oder  sechs  oder  zwolf  Nuchte 
nach  der  Hochzeit,  und  auch  sogar  Jahresfrist  .  .  ."  ^  Dieser  Be- 
richt  wird  durch  den  Wortlaut  dcr  vier  bekanntesten  Grihya- 
siitras  bestiitigt  ^.    Wegen  der  Achnliehkeit  altindischer  Hochzeits- 

Erzeiigung  bis  zu  seiiiem  Tod  beglciten.  E.s  giebt  zahlreiche  l^earbeitungen 
der  Grihya-Sutras,  von  denen  einige  nur  aus  Anfuhrungen  bekannt  sind 
(A.  Weber,  L.-G.,  ed.  Mann,  S.  55,  84,  101.  102,  152,  278).  Herausgegeben 
sind  bis  jetzt  die  Grihya-Siitras  des  C^NkhAyana  und  des  A^vahlyana  zum 
Rig-Veda.  des  Paraskara  zum  Yajur-Veda  und  des  GobhiLa  znm  Sama-Veda. 
(Von  den  Dharma-Sutras  sind  drei  iibcrsetzt.  und  zwar  die  des  Apastamba  und 
Gautama  von  Biihler,  und  die  des  Vishnu  von  Jolly.) 

1  Haas  S.  325,  326.  Vgl.  auch  Colebrooke  Bd.  1  S.  221.  222.  —  Haas 
erinnert  hierbei  (S.  326)  an  das  Naishadhiyacarita .  ,,wo  im  47.  Vers  des 
16.  Gesanges  auch  davon  die  Rede  ist.  dass  Nala  und  Damayanti  drei  >s'aclite 
hei  einander  weilten  und  die  Keuschheit  bewahrten". 

2  Haas  S.  330,  331. 

2  Das  Grihyam  von  CaiikhAyana.  Buch  1  Kap.  17.  bei  Oldenberg  S.  34 
(Weber  Bd.  5  S.  346 1 :  .  .  .  ,,Eine  dreitagige  Frist  sollen  sie  Enthaltsamkeit 
iiben,  am  Boden  schlafen,  .  .  .  Abends  und  Morgens  das  hochzeitliche  Feuer 
umwandeln"  .  .  .:  und  Buch  1  Kap.  18,  bei  Oldenberg  S.  35  (Weber  Bd.  5 
S.  347):  ,,Nun  die  Feier  des  vierten  Tages.  Nach  Ablauf  der  drei  Tage  opfert 
er  von  einer  Topfspeise".  .  .  Paraskara,  Buch  1  Kap.  8  Vers  21.  bei  Stenzler 
S.  21  (Webcr  Bd.  5  S.  359.  360):  ,,Drei  Nachte  sollen  sie  nichts  Gesalzenes 
essen  und  auf  der  Erde  schlafen.  Ein  Jahr  lang  soUen  sie  keine  Beiwohnung 
begehen,  oder  zwolf  Nachte,  oder  sechs  Niichte.  oder  wenigstens  drei  Nachte.''' 
A^valayana's  Hausregel,  Buch  1  ivap.  8  Vers  10  u.  11,  bei  Stenzler 
S.  22  (Weber  Bd.  5  S.  368) :  „Von  da  an  sollen  sie  kein  Salz  essen ,  keusch 
sein,  sich  schmiicken,  auf  dem  Fussboden  schlafen,  drel  Nachte  oder  zwolf 
Niichte.     Oder   ein  Jahr:    denn    dann    wird    ihnen  ein  Rishi  geboren."     Gob- 


158  Kapitel  28.    Rechtliche  Bedeutung  der  Hochzeitsnacht. 

briiiiche  mit  der  biblischeii  Darstellung  ist  die  Frage  angeregt 
worden,  ob  etwa  die  drei  Tobiasniichte  nach  Indien,  als  dein 
Land  ihrer  Entstehung,  zuriickzufiihren  seien  ^  Doch  wiirde 
eine  Bejahung  dieser  Frage  nur  dann  moglich  sein,  wenn  fest- 
stande,  dass  die  Grihyasiitras  aus  alterer  Zeit  stammen,  als  das 
Buch  Tobias.  Solange  hieriiber  keine  Sicherheit  besteht,  kann 
auch  die  umgekehrte  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  das  Buch 
Tobias  als  Quelle  fiir  die  angefiihrten  Bestimmungen  indischer 
Lehrbiicher  anzusehen  ist.  Desgleichen  ist  noch  eine  dritte  An- 
nahme  moglich,  dass  namlich  die  Enthaltsamkeit  der  Neuver- 
mahlten  bei  den  verschiedenen  Yolkern  nicht  auf  Entlehnung, 
sondern  auf  locale  Entstehung  zuriickzufiihren  sei.  Eine  Unter- 
suchung  dieser  Fragen  wird  liier  unterbleiben  konnen. 

B.    Staafs-  und  j^trivatrechtliche  Bestimmungen. 

Kapitel  28.  Der  Ort,  wo  die  Neu^-ermtihlten  die  erste  Nacht 
mitcinander  zubrachten,  war  im  Mittelalter  und  in  neuerer  Zeit 
nach  einigen  Ortsrechten  von  Entscheidung  fiir  wichtige  Rechts- 
verhaltnisse,  ahnlich  wie  heutzutage  nach  vielen  Gesetzen  das 
eheliche  Giiterrecht  durch  den  ersten  Wohnsitz  der  Ehegatten 
bestimmt  wird.  Jene  Ortsrechte  erkliiren  sich  durch  den  alt- 
germanischen  Rechtssatz,  dass  die  vermogensrechtlichen  ^Yirkungen 
der  Ehe    rait    dem  Beihiger    beginnen  ^.     Soweit    die  Rechte    der 

hila,  Bueh  2  Kap.  3  Vers  13,  bei  "Weber  Bd.  5  S.  374.  375:  ,,Von  nun  an 
darf  das  Paar  ein  trinoctium  hindurch  keine  gesalzene  Speise  essen,  muss 
sich  keusch  lialten  und  auf  der  Erde  zusammenliegend  schlafen",  und  Buch  2 
Kap.  5  Vers.  5,  bei  Weber  Bd.  5  S.  377:  „Nach  einem  trinoctium  findet  die 
Beiwohnung  statt,  sagen  die  Einen."  —  Der  indische  Commentator  Nurayana 
(der  im  15.  oder  16.  Jahrhundert  lebte,  vgl.  A.  Weber.  ed.  Mann ,  S.  58) 
meint,  die  Vorschrift  des  Grihyam  von  Agvalayana  iiber  die  Enthaltsamkeit 
konne  durch  Landessitte  nicht  geandert  werden.  Naruyana  bei  Stenzler 
S.  15:  „Wenn  zwischen  den  Sitten  eines  Ortes  und  den  hier  beschriebenen 
Handlungen  ein  Widerspruch  ist ,  so  sollcn  die  letzteren  vollzogen  werden. 
So  findet  z.  B.  bei  den  Vaidehas  das  Beilager  sogleich  statt,  wahrend  die 
Hausregel  vorschreibt,  dass  das  junge  Paar  drei  Niichte  Keuschheit  bewahren 
soll.  Hier  soU  also  der  Mann  die  Vorschrift  der  Hausregel  befolgen,  nicht 
die  Sitte  des  Landes."  (Vgl.  auch  Zimmer  S.  314,  wonach  die  Samhita  keine 
derartige  Vorschrift  enthalten.)  Narayana  stutzt  sich  hierbei  auf  Agvahlyana, 
Buch  1  Kap.  7  §§  1  u.  2,  bei  Stenzler  S.  15:  „Nun  giebt  es  mannigfaltige 
Sitten  der  Liinder  und  der  Oerter;  die  muss  man  bei  der  Hochzeit  bcobachten. 
Was  aber  das  Gemeinsame  ist,  das  wolleu  wir  sagen.^' 

*  Vgl.  A.  Weber  Bd.  5  S.  455,  456;  Gihlemeister  bei  Benfey,  Or.  u.  Occ. 
Bd.  1  S.  745  und  746;  W^uttke  §  569  S.  352. 

2  Vgl.  Sachsenspiegel.  Landrecht  Bucli   1   Art.  45  §   1 :  .  .  .  ,,se    is    sin    ge- 


Knpitcl  28.    Kcehtliche  B("<loutuii<;  dcr  Hnehzcitrtnacht.  159 

EhegattcMi,  im  Gebiet  de.s  ofientliclien  Jvechts  oder  des  Privat- 
rechts,  von  jeneni  Ort  abhing-en,  an  deni  sie  in  der  ersten  Xacht 
verweilten,  kihinte  man  von  eineni  Reclit  der  orsten  Nacht  sprechen; 
doch  findet  sich  cin  solcher  Sprachgebrauch  nieines  "Wissens  in 
keiner  Urkunde  ^ 

Nach  einigen  Ortsrechten  bestinimte  sich  die  Landesange- 
horigkeit  der  Eheleute  nach  dem  Ort,  wo  sie  die  Hochzeits- 
nacht  zubrachten.  Beispielsweise  ist  in  einem  Verzeichniss  der 
Rechte  und  Giiter  des  Bisthums  Strassburg,  das  aus  dem  Anfang 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  herriihren  soll,  von  dem  Dorf 
Wettolsheim  (bei  Colmar  im  Elsass)  Folgendes  gesagt:  „Die 
Halfte  dieses  Dorfes  auf  der  Seite  nach  Rufacli,  in  der  ganzen 
Ausdehnung,  welche  durch  Grenzsteine  bezeichnet  wird,  gehort 
dem  ]3ischof.  Es  besteht  dort  der  Gebrauch,  dass  wenn  Einer 
in  der  genannten  bischofliclien  Halfte  sich  verheirathet  und  da- 
selbst  die  Nacht  mit  seiner  Gattin  zubringt,  er  Unterthan  des 
Bischofs  wird,  sollte  er  sich  auch  spiiter  mit  seiner  Familie  und 
seinem  Yermogen  in  die  andere  Halfte  begeben,  die  dem  Herrn 
von  Horburg  gehort."  ^ 

Nach  einigen  Stiidterechten  hing  das  Btirgerrecht  davon 
ab ,  ob  die  Neuvermtihlten  in  der  Stadt  die  Hochzeitsnacht  zu- 
brachten  ^.  Zuweilen  wurde  dafiir  eine  Steuer  erhoben ''.  Im 
Gewohnheitsrecht  der  Stadt  Aubigny  in  der  Picardie  (Amt  Amiens) 
vom  Jahr  1507,  Art.  26,  ist  gesagt:  „Ferner  kann  nach  dem  Ge- 
wohnheitsrecht  des  genannten  Orts  Niemand  das  Biirgerrecht  er- 
werben,  wenn  er  nicht  Sohn  eines  Biirgers  oder  einer  Biirgerin 
ist;  der  Biirger-Ehemann  kann  seine  Gattin  zur  Biirgerin  machen, 
und   die  Frau-Biirgerin   ihren  Gatten  zum  Biirger:    aber  zur   Er- 

notinne ,  iinde  trit  in  sin  recht ,  Avenne  sc  in  sin  bedde  gaf  .  .  . :  Buch  3 
Art.  45  §  3 :  .  .  .  „I)at  wif  is  ok  des  mannes  genotinne  tohant  alse  sie  in  sin 
bedde  trit''.  .  . 

1  Vgl.  Kap.  3  S.  14  und  Kap.  27  S.   153. 

-  Rcgistre  des  droits  et  biens  de  reveche,  sans  date ,  mais  presume  par 
son  contenu  et  son  caractere  etre  du  commencement  du  quatorzieme  siecle, 
unter  Vettolsheim,  im  Inventaire  des  Titres  des  Bailliages  de  Teveche  de 
Strasbourg,  tome  8,  Obermundat,  von  Duboys  im  Jahr  1758  angefertigt,  boite  17, 
liasse  1  lit.  E;  davon  eine  Abschrift  im  Bezirksarchiv  zu  Colmar,  Serie  G 
Nr.  2,  Bisthum  Strassburg,  S.  439:  „La  moitie  de  ce  village  du  cote  de  Rouf- 
fach  et  dans  toute  Tetendue  que  les  pierres  bornes  lui  donnent,  appartient  k 
Veveque.  II  y  a  un  usage ,  que  si  quelqu'un  se  marie  dans  la  dite  moitie 
^piscopale  et  y  passe  la  nuit  avec  son  epouse.  il  devieut  sujet  de  l'eveque, 
quand  m6me  il  se  transporterait  lui,  sa  famille  et  ses  faeult^s  dans  Tautre 
moitie,  qui  est  aux  sieurs  de  Horbourg. 

^  Vgl.  unten  Kap.  78.  *  Vgl.  unten  Kap.   78. 


1()0  Kapitel  28.    Rechtliche  Bedeutuiig  der  Hochzeitsnacht. 

werbung  dieses  Biirgerrechts  geziemt  es  sich ,  dass  sie  den  Tag 
ihrer  Hochzeit  zusammen  in  der  Stadt  Aubigny  zu  Bett  gehen 
und  die  Schoffen  des  Orts  rufen  lassen,  damit  dieselben  die  Ehe- 
gatten  beieinander  im  Bett  liegen  sehen,  so  dass  Nichts  zwischen 
ihnen  liegt.  Anders  kann  man  nicht  einen  Nichtbiirger  zum 
Biirger  und  eine  Nichtbiirgerin  zur  Biirgerin  machen ;  und  auf 
diese  Art  werden  die  Kinder,  wenn  solche  aus  der  Ehe  hervor- 
gehen,  Biirger  werden;  und  so  sind  die  Ehegatten  gehalten,  von 
dem  Tag,  an  welchem  sie  das  Biirgerrecht  erworben  haben,  die 
Einschreibung  in  die  Schoffenregister  bewirken  zu  lassen."  *  Das 
Stadtrecht  von  Dercy  in  der  Picardie  vom  Jahr  1318  bestimmte, 
dass  die  Bewohner  und  Bewohnerinnen  dieser  Stadt,  wenn  sie 
ausserhalb  heiratheten ,  verpflichtet  waren ,  nach  der  Hochzeit 
die  erste  Nacht  in  Dercy  zu  rulien  ^.  Diese  Vorschrift  erkhirt 
sich  aus  dem  Bestreben ,  die  Ortsangehorigkeit  der  jungen  Ehe- 
leute  festzustellen ;  sie  wird  ohne  Grund  von  Carpentier  und  spa- 
teren  Schriftstellern  ^  als  Beweisstelle  fiir  ein  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht  angefiihrt.  Die  spanischen  Advokaten  Marichalar 
und  Manrique  fiigen  hinzu,  es  sei  im  Yertrag  festgestellt,  dass  alle 
neuvermahlten  Frauen  zum  Palast  des  Herrn  gebracht  werden 
miissten,  „damit  er  sie  deflorirte,  wenn  es  ihm  beliebte"  *,  obwohl 
kein  Wort  hiervon  in  der  Urkunde  zu  lesen  ist.    In  einem  Lehns- 

1  Coutume  d'Aubigny  Art.  26.  bei  Bouthors  Bd.  2  S.  299:  Item .  selon  la 
coutume  dudit  lieu,  nulz  ne  peult  droit  de  bourgoys  acqu6rir,  s'il  n"est  filz 
de  bourgoyz  ou  bourgoise;  le  mari  bourgois  peult  faire  sa  femme  bourgoise, 
et  la  femme  bourgoise  son  mari  bourgois  semblablement :  mais  il  convient, 
pour  acquerir  ladite  bourgoisie,  que  le  jour  de  leurs  espousailles,  ilz  viennent 
couchier  ensemble  en  ladite  ville  d'Aubigny,  et  faire  appeller  les  eschevins 
dudit  lieu  pour  les  voir  tous  deulx  au  lit  pres  l'un  de  Tautre,  et  que  rien  ne 
soit  mis  entre  eulx  deulx.  Autrement  ne  se  peult  faire  le  non  bourgois  bour- 
gois,  ne  semblablement  la  non  bourgoise  bourgoise:  et  par  ces  moyens,  se 
lesdits  conjointz  ont  enffans,  ilz  seront  bourgois;  et  sy  sont  tenus  lesdits  con- 
jointz  eulx  faire  registrer  du  jour  qu*ilz  ont  acquis  ledit  droit  de  bourghesie, 
es  registres  desdis  eschevins."  Vgl.  hierzu:  Bouthors  Bd.  2  S.  549:  Dupin 
S.   138,  139. 

2  Pactum  an.  1318  inter  Joan.  de  Herbigny  dom.  de  Dercy  et  habitatores 
ejusdem  villae  ex  Reg.  59  Chartoph.  reg.  ch.  150,  bei  Carpentier  und  Ducange 
unter  Marcheta:  ,.Se  aucuns  demourans  en  ladite  ville  de  Dercy  se  marioit 
hors  de  ladite  ville  de  Dercy,  il  devait  et  estait  tenuz  a  amener  sa  femme  au 
giste  en  la  devantdite  ville  de  Dercy.  la  nuit  que  il  Tesposoit:  et  se  famme 
de  Dercy  se  marioit  a  aucun  de  dehors,  clle  devait  et  cstait  tenue  h  gesir  b. 
Dercy  la  nuit  que  elle  esposoit." 

3  Delpit  S.  33,  34.  Sugenheim  1861,  S.  120.  Gubcrnatis,  Usi  S.  200. 
Labessade  S.   19,  62,  63. 

"  Marichalar  Bd.  6  S.  69. 


Kapitel  28.    Kechtliche  Bedeutung  der  HochzeLtsnacht.  161 

anerkeimtniss  vom  l;i.  Januar  18G9  ist  gesagt,  dass  wenn  ein 
Mann  in  der  Stadt  Briineu  (in  der  Picardie)  oder  anderswo  hei- 
rathe  und  mit  der  Frau  die  erste  Nacht  in  Brimeu  ruhen  wolle, 
dazu  die  Genehmigung  des  Gruudherrn  eingeholt  werden  miisse; 
dass  jedoch  diese  Bestimmung  auf  den  Vasallen  (homme-iige),  der 
auf  seinem  Lehen  ruhe ,  koine  Anwendung  finde  ^  Ohne  Grund 
wird  auch  diese  Urkunde  von  einigen  Schriftstellern  als  Beweis 
eines  Herrenrechts  der  ersten  Nacht  angerufen.  Dasselbe  gilt 
von  mehreren  Gewolinheitsrechten  vom  Jahr  1.507  aus  dem  Amt 
Amiens  ^. 

Winspeare  berichtet,  der  Baron  von  Castiglione  in  (3tranto 
habe  von  jedem  Neuvermahlten ,  der  die  erste  Isacht  nicht  in 
Castiglione  zubrachte,  fiinfzig  Asses  erhoben ,  und  zufolge  einer 
Beschwerde  der  Gemeinde  Castiglione  habe  die  Feudalcommission 
am  3.  Juli  1810  iiber  diesen  Anspruch  entschieden  ^  Dieser  Be- 
richt  ist  so  kurz,  dass  er  nicht  einmal  den  Inhalt  der  Entschei- 
dung  angiebt.  Doch  ist  darin  keine  Rede  vom  jus  primae  noctis; 
die  fragliche  Abgabe  scheint  eine  Abzugsteuer   gewesen  zu  sein. 

Isach  zahlreichen  Gewohnheitsrechten  galt  im  Erbrecht 
der  Grundsatz,  dass  die  Tochter  eines  Horigen,  welche  sich  mit 
einem  freien  Mann  oder  mit  dem  Hijrigen  einer  andern  Grund- 
herrschaft  vermahlte ,  dadurch  die  Moglichkeit  verlor,  bei  dem 
Tod  ihres  Yaters  dessen  Hof  zu  erben.  Sie  schied  durch  die 
Heirath  aus  der  bisherigen  Horigkeit  aus.  Es  entwickelte  sich 
der  Grundsatz :  „Der  Erbe  muss  sein  huldig  und  horig  nach  dem 
Hofe."'^  Insofern  war  die  Horigkeit  begehrenswerth  ^.  Hieraus 
folgte,  dass  beim  Tod  eines  Horigen,  der  keine  hofhorigen  Erben 


»  Urk.  V.  13.  Jan.  1369,  in  der  Hist.  de  Ponthieu  Bd.  1  S.  238:  .  .  .  „que 
si  aucun  prend  femme  en  la  ville  de  Brimeu ,  ou  hors  d'icelle,  et  s'il  veut 
gesir  la  premiere  uult  avec  elle,  il  convient  qu'il  en  prenne  conge  de  lui,  s'il 
n'est  homme-lige  qui  gise  sur  son  fief."     Vgl.  de  Labessade  S.  74. 

2  Vgl.  Kap.  78. 

3  Winspeare  Bd.  1  S.  131,  132:  .,V.  pure  il  volume  de'  gravami  del  co- 
mune  di  Castiglione  in  Otranto  che  si  dolse  nell'  abolito  sacro  Consiglio  che 
il  barone  esigeva  .a  sponso  quoMbet  asses  quinquaginta  si  prima  nuptiarum 
nocte  in  Castilione  cum  sponsa  sua  non  commoratus  fuerit".  V.  la  decisione 
della  commissione  de'  3  luglio  1810." 

*  Moser  Bd.  5  S.  155.  Vgl.  z.  B.  Lagerbuch  v.  1.  April  1581  Kap.  2  und 
Urk.  V.  11.  .luli  1602,  bei  Sommer,  Beil.  56,  S.  181—186;  Hofrecht  zu  Loen, 
bei  Sommer,  Beil.  54,  S.  160—180;  v.  Maurer  §  464  Bd.  3  S.  150;  Laboulaye 
S.  320,  322. 

*  Vgl.  Urk.  V.  1101  —  1131,  bei  Seibertz  Nr.  39,  Bd.  1  S.  44,  45:  auch  oben 
S.  61,  106,  117. 

Schmiclt,  .Jus  primae  noctis.  11 


162  Kapitel  28.    Rechtliche  Bedeutung  der  Hochzeitsnacht. 

hinterliess,  sein  Gut  an  den  Grrundlierru  zuriickfiel  ^.  Doch  ge- 
stattete  der  Grundherr  nicht  selten,  dass  die  ausserhalb  seiner 
Herrschaft  verheirathete  Tochter  seines  Horigen  zur  Nachfolge 
gelangte ,  wie  wenn  sie  niemals  ausgezogen  ware  ^.  Oder  der 
Uebelstand  wurde  durch  Tausch  ausgegUchen  ^.  In  einigen  Ge- 
wohnheitsrechten  entwickelte  sich  die  Milderung,  dass  die  Toch- 
ter  des  Hof besitzers ,  welche  durch  Heirath  aus  der  Herrschaft 
ihres  bisherigen  Grundherrn  ausschieden ,  sich  ihr  eventuelles 
Erbrecht  am  yaterlichen  Gute  vorbehalten  konnten;  dies  ge- 
schah  bisweilen  dadurch,  dass  die  Xeuvermahlten  die  erste  Nacht 
in  der  Wohnung  des  Yaters  der  Braut  zubrachten,  und  dass  sie 
sich  dariiber  bei  ihrem  Auszug  ein  Anerkenntniss  des  Grund- 
herrn  (gegen  eine  Abgabe)  oder  eine  Notariatsurkunde  aus- 
stellen  liessen*.  Justus  Moser  meint,  wahrscheinlich  sei  hierin 
der  Grund  des  Rechts  der  ersten  Nacht  zu  finden;  es  sei  ein 
Recht  gewesen,  welches  die  Ehegatten  erwarben,  indem  sie  die 
Brautnacht  auf  dem  Hofe  zubrachten  „und  damit  gleichsam 
offentlich  erklarten,  dass  ihre  I^achkommen  als  in  der  Hofhorig- 
keit  erzeugt  angesehen  werden  sollten".  Er  setzt  hinzu:  „Es  ist 
traurig,  dass  die  Spotter  aus  einem  so  edlen  und  sprechenden 
Symbol,  womit  sich  die  Yolker,  ehe  sie  schreiben  konnten,  so 
gut  behalfen,  gerade  eine  der  unmoralischesten  Handlungen  ge- 
macht  haben."  '" 


1  Dies  Recht  des  Grundherrn  hiess  in  Frankreich  „Droit  de  mainmorte'". 
Vgl.  Laboulaye  S.  320:  Dalloz,  Rep.  unter  Propriete  feodale  (oben  Kap.  13, 
S.   67). 

2  Vgl.  z.  B.  Urk.  V.  J.  1227,  bei  Coutant  S.  84  und  bei  Laboulaye  S.  321. 

3  Laboulaye  S.  323,  324  („mariage  par  echange"). 

*  Vgl.  iiber  die  Coutumes  von  Burgund  und  Franche-Comte  unten  Kap.  59 
und  60. 

^  Moser  Bd.  5  S.  158;  daraus:  Kreuzzeitung,  11.  Juli  1875,  Sonntagsbeilage ; 
Herder  Bd.  3  S.  179.     Vgl.  jedoch  oben  S.  159  und  Kap.  3  S.  14,  15.; 


Zweiter  Ab.sehnitt. 

Barstelluii^  uihI  Beurtheiluiij^-  der  einzeluen 
Naehricliten  iiber  das  ju8  primae  noctis. 


A.   Galt  das  jus  primae  noctis  im  Alterthum? 

I.  Asieu. 

a.    Palastina  und  Babylon, 

1.    Eiiip  im   Tah)U(iJ  i^nculode  Xachricht  '. 

Kapitel  29.  Der  Jerusalemische  Talmud,  der  im  funften 
Jahrhundert  nach  Christi  Geburt  redigirt  ist^,  enthalt  in  der  Ab- 
handlung  Kethubhoth  (Yerlobungen),  Abschnitt  I,  zu  Mischna  V, 
eine  Erorterung  iiber  den  Satz  der  Mischna  ^,  dass  „der  Brautigam, 
dessen  Schwiegervater  in  Judaa  zu  Haus  ist,  eine  Klage  wegen 
fehlender  Jungfrauschaft  ^  nicht  anstrengen    kann ,    sobald   er  bei 


1  Die  zu  Kap.  29  und  30  nothigen  Vorkenntnisse.  insbesondere  die  Be- 
schaffung,  Uebersetzung  und  Erklarung  der  hebraischen  Stellen,  verdanke  ich 
theils  dem  Herrn  Dr.  Moritz  Steinschneider  in  Berlin,  theils  dem  Herrn 
Dr.  S.  Landauer  in  Strassburg.  (Fiir  die  aus  der  Worterklarung  gezogenen 
"weiteren  Folgerungen  bin  ich  allein  verantwortlich.)  Den  beiden  genannten" 
Herren  driicke  ich  hiermit  offentlich  fiir  die  mir  bereitwilligst  ertheilten  Be- 
lehrungen  den  verbindlichsten  Dank  aus. 

2  Steinschneider  1857  S.  9  ff.  Vgl.  Griitz  Bd  4  S.  384:  ,.Einer  An- 
deutung  zufolge  scheint  man  in  Tiberias  in  der  erstea  Halfte  des  vierten 
Jahrhunderts    mit    dem    Sammeln  begonnen  zu  haben." 

^  Mischna  heisst  die  miindliche  Lehre  der  Juden.  im  Gegensatz  zu  der 
Bibel.  Gemara  heisst  Ausflihrung.  Mischna  und  Gemara  zusammen  bilden 
den  Talmud.  Vgl.  Gratz  Bd.  4  S.  381 :  ..Die  Mischna  lieferte  nur  die  trockene 
Halacha,  kunstlich  abgerundete  Gesetzesparagraphen.  der  Talmud  aber  gab 
auch  das  Lebendige  der  Gesetzesentwicklung  und  ihren  geistigen  Gehalt.  noch 
dazu  mit  dialektischer  Scharfe.''  (Hier  wird  das  Wort  Talmud  fur  Gemara 
gebraucht).  Nach  Griitz.  Bd.  4  Note  35,  S.  494,  495,  soll  das  Niederschreiben 
von  Mischna  und  Talmud  erst  um  550  n.  Chr.  Geb.  erfolgt  sein. 

^*  Die  Jungferschaftsklage ,  postulatio  de  praerepta  virginitate,  war  die 
Klage  auf  Scheidung  wegen  Mangels  der  Jungfrauschaft.  Vgl.  Selden  lib,  3 
cap.  1. 

11* 


164  Kapitel  29.    Ehie  Nachricht  des  Talniud. 

dem  Yater  seiner  Braut,  ohne  Gegenwart  von  Zeugen,  zu  Tisch 
gesessen  hat,  weil  dort  die  Braut  alleiu  mit  dem  Brautigam 
zu  verkehren  pflegt"  ^  Hierzu  bemerkt  der  Jerusalemische  Tal- 
mud:  „In  friiherer  Zeit  gab  es  eine  Yerfolgung  in  Judaa  (Jehuda), 
die  ihren  Ausgang  in  einer  von  den  Ahnen  der  Yerfolger  iiber- 
kommenen  Ueberlieferung  nahm,  Jehuda  (namlich  der  Sohn  Ja- 
kob's)  habe  den  Esau  umgebracht  .  .  .  Man  knechtete  die  Judaer, 
nothziichtigte  deren  Tochter  und  bestimmte,  dass  der  o-rjd^ 
Tioc^  sie  zuerst  beschlafe.  Da  traf  man  die  Einrichtung,  dass 
der  Brautigam  seine  Braut  schon  im  Haus  des  Schwiegervaters  be- 
schlafe ;  denn  wenn  sie  sich  bewusst  ist,  dass  die  Furcht  (Gewalt^ 
Macht)  ihres  Mannes  iiber  ihr  ist,  so  fiihlt  sie  sich  auch  weiter  zu 
ihm  hingezogen."  Hierauf  folgt  die  Frage:  „Und  wenn  sie  dann 
doch  vom  atpat-.oc  beschlafen  wdrd?"  was  hilft  dann  jene  Mass- 
regel?  Antwort:  „Ja,  dann  ist  sie  genothziichtigt,  und  in  diesem 
Fall  darf  sie  der  Gatte  (gesetzlich)  als  Frau  behalten."  „Was 
thun  aber  Priester-Frauen?"  (Dieselben  wiirden  nach  erlittener 
Nothzucht  wegen  der  Befleckung  zu  ihren  Gatten  nicht  zuriick- 
kehren  diirfen.)  „Die  hat  man  im  Yerborgenen  gehalten." 
„Warum  dann  nicht  ebenso  die  audern?"  „Das  wiirde  nicht 
mehr  geheim  bleiUen ;  die  Regierung  wiirde  es  erfahren,  und  die 
Einen  wiirden  das  Loos  der  Audern  theilen"  .  .  .  „Die  Yerfol- 
gung  ist  nun  wohl  voriiber;  der  Gebrauch  aber  hat  sich  (bei 
den  verlobten  Mannern)  erhalten.  So  trat  die  Schwiegertochter  von 
Rabbi  Hoschaja  schwanger  in  die  Ehe."  ^  Ein  Rabbi  Hoschaja 
lebte  um  300  n.  Chr.  Geb. ;  doch  ist  die  Moglichkeit  nicht  aus- 
geschlossen,  dass  die  Stelle  sich  auf  einen  alteren  Rabbi  Hoschaja 


^  Das  gleiche  Verhaltniss  heriihrt  die  Mischna  im  Tractat  Jehhamoth,  Ab- 
schnitt  IV,  Mischna  XI. 

*  Wie  mir  Herr  Oberlehrer  Dr.  Albrecht  zu  Colmar  mittheilt,  ist  das 
Wort  ctpaTto?  sonst  nicht  als  Hauptwort,  sondern  nur  als  Eigenschaftswort 
bekannt,  namlich  arpiTto;,  a,  ov,  d.  i.  zum  Heer  oder  zum  Krieg  gehorig, 
kriegerisch ;  bei  Aristophanes,  Vespae  618:  [xeya  xai  aTpaxtov  xaT^-apSEv; 
Herodot  V.  119:  it  Atoc  a-rpaTio-j  iptjv  —  und  ot  Att  aTpaTioj  ^uaia;  dvayouai: 
ausserdem  bei  Aristoteles.  Strabo,  Aelian,  Plutarch  und  Lucian. 

2  Jerusalemischer  Talmud,  tractatus  Kethubhoth,  Abschnitt  I  zu  Jlischna  V  : 
"iTn  .  .  .  nc>-  ns  i-in  r:-;:--r  cm2>57:  cnV  r,-i:05:  ••zx  nii-^a  i^ic  1-173  r;:i»N-i3 
li^iprm  .  nViMn  Vyia  ci-i:-iys"N  Nn-r  i-:Tii  ■n^ni:^  ns  vo-"^^"  *~-  V"2?^'Ki  v^'"" 
N-n  iiy  n'^V?  nVja  ns^Nc  nytr  x-nr  "^inx:»  n^2N  niaa  miy  n-Vy  ns  nVva  Nn"»» 
.  nr"2V  mnitt  nDi:Ni  Nin  noi:N  .  on^c-iao^stt  VsainV  nsio  v^*  Dip'c  Vott  .mna: 
NnirVtti  NS11  Vip  [?]  Vn-i»-*  ni:2  tn  i:i>2t2ii  .  i-n  ni:"'ttt2tt  niriy  iin  nw  ni:ns 
irV=  .  V-cr  nV  .•n:«n  •!-/:rn   V-j^r    "e    Vi-   rs  .  .  .  .  v^iivn':    V'V''N1    -fii-^in^  n>'5£a 

;  m=iytt  nc:s:  Niynn  ■'ai  V» 


Kapitel  29.    Eine  Nachricht  des  Talmud.  165 

bezielit,  der  etwa  dreiviertel  Jahrhundert  friiher  lebte  und  ge- 
Avohnlich  mit  dem  Beiwort  Rabba ,  d.  h.  der  Aeltere,  bezeichnet 
wird  K 

Im  Babylonischen  Talmud,  dessen  jiingste  Redaction  aus 
■dem  fiinften  oder  sechsten  Jahrhundert  n.  Chr.  (jeb.  stammt^, 
und  zwar  ebenfalls  im  Abschnitt  Kethubhoth,  fol.  3  y.  ,  erortern 
dic  jiidischen  Gelehrten  Babylons  einen  andern  Satz  der  Mischna, 
namlich  dass  Jungfrauen  Mittwochs,  AVittwen  Donnerstags  hei- 
rathen.  Zuniichst  werden  die  miindlichen  Ueberlieferungenvor- 
getragen.  Die  Mischna  namlich  vermeidet  jede  Discussion,  in 
Gemiissheit  ihres  Codifications-Charakters,  wie  derselbe  aus  der 
letzten  Redaction  des  Rabbi  Jehuda  ha-Nasi  ^  (gegen  200  n.  Chr. 
Geb.)  hervorgegangen  ist ;  doch  stammen  aus  ebenso  alter  Zeit 
viele  gut  iiberlieferte  Erorterungen  des  gleichen  Stoffs ,  die  noch 
mehr  den  Stempel  der  in  den  Schulen  miindlich  gemachten 
Auseinandersetzungen  tragen.  Eine  solche  wiederholt  nun  der 
Tahnud  wortlich:  ^Warum  sollen  Jungfrauen  des  Mittwochs  hei- 
rathen?"  Antwort:  „Damit  der  Ehemann,  falls  er  eine  Jungfer- 
schaftsklage  vorzubringen  hat,  sogleich  den  nachsten  Tag,  der 
Oerichtstag  ist,  vor  das  Tribunal  treten  kann."  *  ^Warum  dann 
nicht  am  Sonntag?  Montag  ist  ja  gleichfalls  Gerichtstag."  Die 
Antwort  lautet:  „Es  sollte  Gelegenheit  geboten  sein,  drei  Tage 
fiir  das  Hochzeitsmahl  sich  zu  bemiihen."  (Daran  hiitte,  wenn 
Sonntags  geheirathet  werden  sollte,  der  vorausgegangene  Sabbath 
gehindert.)  „yon  der  Zeit  der  Gefahr  an  und  spiiter  ward 
es  im  Yolk  Gebrauch,  auch  schon  Dienstags  zu  heirathen;  und 
die  Weisen  wehrten  ihnen  nicht.  Am  Montag  soll  man  nicht 
heirathen;  aber  wenn  ein  Zwang  stattfindet,  ist  es  erlaubt." 
An  das  vorstehende  Referat  kniipft  nun  die  spatere  Babylonische 
Schule  an,  mit  folgender  Interpretation :  „Worin  besteht  die  Ge- 


»  Vgl.  auch  Gratz  Bd.  4  S.  232  und  S.  347,  wo  ,.Rabbi  Uschaja  der  Aeltere. 
zubenannt  der  Vater  der  Mischna'" ,  unter  den  Nachfolgern  von  R.  Juda 
ha-Nasi,  und  „Uschaja  der  Jiingere"  als  Bruder  von  Rabba  bar  Nachmani 
(vgl.  S.   166)  erwahnt  wird. 

-  Nach  Gratz  Bd.  4  S.  409  erfolgte  der  Endabschluss  des  Babylonischen 
Talmud  (auch  Gemara  genannt)  am  2.  Dez.  499. 

3  Vgl.  Gratz  Bd.  4  S.  220  und  Note  1  S.  413,  wonach  der  Abschluss  der 
Mischna  von  Einigen  in  das  Jahr  189,  von  Andern  in  das  Jahr  219  n.  Chr.  G. 
gesetzt  wird.  —  Nach  Gratz  Bd.  4  S.  210  bis  213  lebte  R.  Juda  (Sohn  Si- 
nions  II.),  mit  dem  Beinamen  ha-Nasi-,  d.  h.  der  Fiirst,  von  150  bis  um 
210  n.  Chr.  G.,  und  er  gelangte  zur  Patriarchenwiirde  um  170  n.  Chr.  G. 
Zufolge  seines  hohen  Ansehens  wurde  er  schlechtweg  Rabbi  genannt. 

*  Vgl.  das  Nahere  hieriiber  bei  Selden  lib.  2  cap.   11. 


16(5  Kapitel  29.    Eine  Nachricht  des  Talmud. 

fahf?  Sollte  sie  etwa  darin  liegen,  dass  ein  Befehl  der  Macht- 
haber  erlassen  wurde,  wonach  Jungfrauen,  die  Mittwochs  hei- 
rathen ,  umgebracht  werden  sollten  ?  —  Dann  hatte  man  nicht 
von  Gebrauch  reden  konnen,  sondern  man  hatte  geradezu  ver- 
bieten  miissen,  Mittwochs  zu  heirathen,''  und  nicht  bloss  erlauben, 
am  Dienstag  zu  heirathen.  Hierauf  wird  von  Rabba  folgende  Ant- 
wortgegeben:  „Sie  befahlen,  dass  die  Jungfrau,  welche 
am  Mittwoch  heirathete,  vom  Taphsar  zuerst  be- 
schlafen  werde."  Einwand:  ,,Das  ist  nicht  mehr  Gefahr  zu 
nennen,  das  ist  Zwang/  Ein  Zwang  wiirde  die  Schuld  aufheben. 
Antwort:  «Es  giebt  aber  Ziichtige,  die  lieber  ihr  Leben  verlieren, 
als  sich  dem  Zwaiig  unterwerfen/  Frage:  ^Mochte  man  ihnen  nun 
aber  erkliiren,  dass  bei  einem  Zwang  sie  keine  Schuld  trifft?"  Ant- 
wort:  Nein,  denn  „es  giebt  wieder  Unziichtige  und  Priesterinnen". 
Die  Ersteren  wiirden  sich  leicht  hingeben,  unter  dem  Vorwand, 
Zwang  erduldet  zu  haben;  die  Letzteren  wiirden  wegen  der  Be- 
fleckung  zu  ihren  Ehegatten  nicht  zuriickkehren  (nicht  heirathen) 
diirfen.  Einwand:  „Xun,  dann  wird  der  Taphsar  auch  am  Dienstag 
zum  Actus  sich  prasentiren  ?"  Antwort:  ^Eines  zweifelhaften 
Falles  wegen  (wenn  namlich  der  Dienstag  uur  facultativ  ist)  be- 
miiht  sich  jener  Taphsar  nicht."  ^  Der  in  dieser  Stelle  erwahnte 
Rabba  (bar  Xachmani)  lebte  von  270  bis  330  n.  Chr.  Geb.  und 
bekleidete  die  Resch-Metibta-Wiirde  in  Pumbeditha  seit  309;  er 
gilt  als  Hauptvertreter  der  talmudischen  Dialektik  ^.  Unrichtig 
ist  die  Uebersetzung  Heliferich's :  ^Rabba  sagte,  es  ist  die 
Meinung,  dass  eine  Jungfrau,  welche  sich  an  einem  Mittwoch 
vermahlt,  in  der  Brautnacht  vom  Taphsar  beschlafen  wird."  * 
Ebenso  irrig  ist  die  daran  gekniipfte  Bemerkung,  dass  Rabba  em- 
pfehle,  -sich  am  Mittwoch  zu  verheirathen,  trotz  des  Eingriffs  in 
die  ehelichen  Rechte".  Yielmehr  geht  der  Sinn  der  Stelle  dahin, 
dass  wegen  der  Gefahr,  und  zur  Abwehr   gegen  dieselbe,    durch 


rrr,  c-V-r=  r:r-:  -V  r.-r.  CNS  [?]  •"-=--  C""-  .-s--:  rV-r:  ■-•cx  r^  -:stt  * 
Nr-E  Vn-,s-  r"=  r:pr  Vi-  Z"czr  ■--»■  .  .  .  rr>=  ~S2  Nr:^m  [.]  -,-"  ri-aV  csctt 
•n-K  nV-  -»-Vs2  Z'.:zh  crr  -.;n:  -^V-n-  r.-.zzK-  .  .  .  c-"-  ncVs  n-tisos  nnrj  ciK 
NC-V-N  [?]  n;co  -nk  .  .  .  -r'iz  c^ar  rizr.-c  cx-  =•:=•  nV  -:rc:  [.]  C"c,zr,  dt'3 
— .SN-;  rsn  -,««  [!]  n— p?-:  — ;:c;V  '^^r.'.  i-r-r  'vz-r  c"V  rxr-:r;  nV:n2  ■'-DSN-r 
c-r-c  [!]  NT  c:-N  r:c3  •sn  [.]  nV-^rtr  -cruV  VrcT  'vz-r  c-^c  rsr':r!  nVnns 
...[.]  r".r.z  -k:  az-a'  r";s--is  nc-n  [?]  — ,r  5::n-  tV  ::•■— V-  .  .  .  r-yi:s  nc-int 
:  rrzt:  -.py  nV  Np-soic  [?]  V-yc:  -rs  "c:  -i-Vsc  •cn  ^m 

2  Vgl.  Gratz  Bd.  4  S.  347,  349  und  Kote  32  S.  492,  wo  die  Nachricht 
von  Moed  Katan  28  a  ,  dass  er  nur  40  .Jahre  alt  geworden  sei .  fiir  sagenhaft 
erklart  wird. 

'  Helfferich  S.  411. 


Kapitel  29.    Eine  Nacl)richt  des  Talnnul.  167 

einen  Satz  der  Ueberlieferung,  welchen  Rabba  interpretirtej  eine 
Abweichung  von  der  rituellen  Yorschrift  gestattet  wurde. 

Die  Erorterungen  jiidischer  Gelehrten  iiber  zwei  verschie- 
dene  Siitze  der  Mischna  stimmen  darin  iiberein,  dass  sie  eine 
Be^rimmung  der  Machtliaber  erwiilmen,  wonach  die  Briiute  der 
Juden  geschiindet  werden  sollten.  Diese  Verordnung  wird  zur 
Erkliirung  zweier  Mischnas  und  einer  alten  Ueberlieferung  ver- 
werthet;  es  wird  also  von  einer  Zeit  gesprochen,  die  vor  Ab- 
sciihiss  der  Mischna  liegt. 

Helfferich  meint,  es  liege  nahe,  bei  dem  Ausspruch  Rabba's 
an  ein  persisches  Satrapenrecht  zu  denken^,  weil  Rabba  „um's 
Jahr  320  n.  Chr.  Geb.  unter  dem  persischeu  Konige  Schabur 
(Sapor)  lebte  ^,  der  die  Juden,  auch  die  babylonischen,  stark  be- 
driickte",  und  weil  der  Ausdruck  Taphsar  -^cei:  ,  der  aucli  bei 
Jeremias  51,  27  und  Kahum  3,  17  vorkomme  und  bei  Buxtorf 
durch  princeps  iibersetzt  werde,  mit  dem  persisch-tiirkischen  Wort 
Tephtar  iibereinstimme  oder  durch  Lautverschiebung  aus  Satrap 
entstanden  sei.  Diese  Worterkliirung  ist  an  sich  gewagt  ^,  aber 
auch  unerheblich ,  da  ein  in  der  Bibel  zweimal  gebrauchtes 
Wort  vom  Talmud  aufgenommen  werden  konnte,  ohne  dass 
irgendwie  gefiihlt  wurde,  aus  welcher  Sprache  das  Wort  stammte. 
Ueberdies  bestand  nach  andern  Nachrichten  ein  freundliches  Yer- 
hiiltniss  des  persischen  Hofes  zu  den  Juden  bis  kurze  Zeit  vor 
dem  Tod  Rabba's '.  Zudem  bezieht  sich  die  Stelle  des  Jerusale- 
mischen  Talmud  ausdriicklich  auf  Judiia.  Allein,  ganz  abgesehen 
von  allen  diesen  Bedenken,  ist  die  Meinung  Helfferich's  jedenfalls 
deshalb  unhaltbar,  weil  die  vor  liinger  als  hundert  Jahren,  in 
einem  Satz  der  alten  Ueberlieferung ,  erwiihnte  und  von  Rabba 
erkliirte  „Zeit  der  Gefahr"  nicht  auf  einen  Yorgang  aus  der 
Lebenszeit  Rabba"s  bezogen  werden  kann.  Aus  demselben  Grund 
kann  die  „Zeit  der  Gefahr"  ebensowenig  aus  der  im  Kapitel  37 
erwiihnten  Nachricht  des  Lactantius  iiber  den  ostromischen 
Kaiser  Maximin  erkliirt  werden. 


1  Helfferich  S.  410,  411. 

2  Sapor  oder  Schapur  der  Zweite,  nachgeborner  Sohn  von  Hormizd  II. ,  re- 
gierte  von  309—379:  er  fiihrte  Krieg  mit  den  romischen  Kaisern  Constantius 
und  Julian.     Vgl.  Noldeke  S.  417. 

3  Eine  andere  Erklarung  des  genannt.en  Ausdrucks  findet  sich  bei  Gesenius- 
Miihlau  S.  319  und  hei  Lenormant  Bd.  3  S.  264. 

*  Vgl.  Griltz  Bd.  4  S.  352,  iiber  Verfolgung.  Flucht  und  Tod  Rabba's: 
Noldeke  S.  68. 


168  Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabaer-Aufstandes. 

Rabba  spricht  von  einer  so  alten  „Zeit  der  Gefahr",  dass  er 
keiue  directe  Auskunft  iiber  die  damals  erlassene  Yerordnung  von 
Augenzeugen  oder  sonstigen  Zeitgenossen  empfangen  haben  kann; 
und  er  beruft  sich  auf  keine  urkundliche  Geschichtsquelle.  Daher 
wird  anzunehmen  sein,  dass  er  die  Nachricht  aus  einer  miind- 
lichen  Ueberlieferung  geschopft  hat.  Aus  seinem  Ausspruch  ist 
nicht  zu  ersehen,  zu  welcher  Zeit,  von  welchem  Machthaber,  und 
in  welcher  Form  die  fragliche  Yerordnung  erlassen  wurde. 
Mithin  ist  daraus  nicht  eine  bestimmte  geschichtliche  Thatsache, 
sondern  nur  eine  Sage  zu  entnehmen.  Ist  dies  richtig,  so  kann 
es  nicht  auffallen,  dass  jener  Befehl  des  Machthabers  in  den 
Makkabaischen  Buchern  nicht  erwahnt  wird;  und  es  darf  aus 
diesem  Stillschweigen  nicht  gefolgert  werden,  dass  der  fragliche 
Befehl  erst  nach  der  Zerstorung  Jerusalems  (70  n.  Chr.  G.)  er- 
lassen  sein  konne.  Es  ist  nicht  sicher,  ob  Rabba  den  Satz  der 
Ueberlieferung  von  der  .,Zeit  der  Gefahr"  richtig  erklart  hat; 
vielleicht  bezog  sich  dieser  Satz  auf  einen  andern  Yorgang,  der 
zur  Zeit  Eabba's  nicht  mehr  bekannt  war.  Ware  aber  auch  die 
Auslegung  Rabba's  richtig,  so  wiirde  sich  auf  den  Befehl,  den 
er  anfiihrt,  der  moderjie  Ausdruck  „jus  primae  noctis"  nicht  an- 
wenden  lassen.  Aus  allen  diesen  Griinden  ist  es  ungerechtfertigt, 
dass  Herzfeld  den  apodiktischen  Satz  aufstellt:  „Das  jus  primae 
noctis  muss  einmal  gegen  die  Juden  geltend  gemacht  sein,  denn 
selbst  jiidische  Gebriiuche  erscheinen  danach   abgeandert."  ^ 

2.     Veranlassung  des  Aiifstandes  der  Makkahder'^. 

Kapitel  30.  Einige  Schriftsteller  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts  meinen,  es  sei  geschichtlich  festgestellt,  dass  der  Aufstand 
der  Makkabaer  gegen  den  syrischen  Konig  Antiochus  lY.  Epi- 
phanes  (165  oder  167  v.  Chr.  Geb.)  durch  das  jus  primae  noctis 
hervorgerufen  worden  sei  ^.  Dies  ist  ein  Irrthum.  Abgesehen 
davon,  dass  der  moderne  Ausdruck  jus  primae  noctis  auf  die  in 
Rede  stehenden  Nachrichten  nicht  passt,  gehoren  dieselben  nicht 


1  Herzfeld  Bd.  2  Abschn.  3  Kap.  3  §  60  Anm.  80,  S.  266.  Ilier  ver- 
weist  Herzfeld  auch  auf  die  Tosifta  Ketubot  K.  1.  Darin  tindet  sich  jedoch 
keine  neue  Quelle,  sondern  nur  jene  alte  Ueberlieferung  erwahnt,  die  den 
Ausspruch  Rabba"s  veranlasste.  (Vgl.  auch  unten  S.  173.  Anm.  2).  Ueber 
die  unter  dem  Namen  Tossefta  (d.  i.  Zusatz,  Xachtrag)  bekannte  tiammlung 
vgl.  die  Monographieen  von  Diinner  und  Zuckermandel. 

^  Vgl.  S.  163  Anm.   1,  auch  Lipsius  S.  338—340. 

3  Helfterich  S.  412.     S.  Cahen  in  den  Arch.  Israel.  Bd.   17  S.  174. 


Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabiier-Aufstandes.  169 

der  Geschiclite,  sondern  dor  Sage  an.  Es  liandelt  sich  hierbei 
um  folgende  Xachrichten  iiber  die  Veranlassung  zur  Einfiihrung 
des  Chanukka-Festes,  d,  i.  des  Festes  zur  Feier  der  Befreiung 
der  Juden  von  der  Herrschaft  des  Antiochus  Epiphanes  ^ 

In  den  Scholien  zum  sechsten  Kapitel  der  M^gillath 
Ta'anith  findet  sich  folgende  Erorterung:  „AVomit  haben  die 
griechischen  Kihiige  ihnen  Leides  gethan '?  Sie  setzten  in  den 
Stadten  Quastoren  (castiraoth)  ein,  um  die  Braute  zu  beschlafen 
(zu  nothziichtigen) ;  und  dann  wurden  die  Braute  ihren  Mannern 
zugefiihrt  .  .  .  Und  Xiemand  wollte  eine  Frau  nehmen  wegen 
der  Castiraoth"  .  .  .  „Mattatja  ben  Jochanan,  der  Hohepriester, 
hatte  eine  Tochter:  und  alf  die  Zeit  der  Hochzeit  kam,  erschien 
der  Quastor  (Castrin),  um  sie  zu  verunreini-gen  (zu  beschlafen). 
Abor  man  liess  ihn  nicht  gewahren.  Da  ereiferten  sich  Mattatja 
und  seine  Sohne ,  und  sie  iiberwanden  die  griechische  Regie- 
rung .  .  ."2  Diese  Darstellung  erscheint  als  eine  Sage  aus  dem  sie- 
benten  oder  achten  Jahrhundert  n.  Chr.  Geb.  ^.  In  Wahrheit  hatte 
der  Aufstand  der  Makkabiier  eine  andere  VeranLassung,  wie  aus  dem 


*  Ueber    die  Bedeutung    des  Chauukka-Festes    vgl.   Pfannenschmid  S.  526 
bis  529. 

*  iPgillath  Taanith,  Amsterdam  1711,  fol.  26i"o  imten  (lat.  Uebers.  bei  Lip- 
sius  S.  338)  =  M-gillath  Taanith.  Warschau  1874.  S.  23.  24: 

n:V3-  nx  e*:""  r"-V  r-~"-Jz  r'^~"-z~  ■■-■-"■-  V"  "='-'-  -""-  "*~'^'-  ""-  r."s.' 
-\iziizv  r.-c  C"~.'~  cr.-r-:;:  zv  rrz-j'-  sVr  Vx--;--  rs  "•:"•  -r''ryz'~  .--N-r:  ■"-  zr,ti: 
■-iTn  n^x-^ni^sp"    ■;■:•:   rrN  n-o--V  -jp--;    :-n   r-r   sV-  r:zz~-'   -nx  r-s-    --x.-  r.z-a 

y:2r  -,2-  "■=:!•  c— :-s  ■■-  •:— zz  z"r~  ":;•-,  z'^"--:;  "r-z'  ~:  -•>i'  Z""  V^p 
ni-;.\    rz-    c^-    rr-i-:    =::•  r.r-::-z    Z'—Z'H    "r    '~'r    -•-=-    -:    — s  =•>;•-   "r-::z'   -,zr 


■^  Brann  (S.  375,  452.  453)  sagt :  ,.Die  ^Pgillath  Taanith  ist  eine  Sammlung 
hervorragender  Ereignisse,  die  zur  Zeit  des  zweiten  Tempels  und  wahrend 
der  letzten  Kampfe  unter  Trajan  und  Hadrian  die  Kraftigung  und  Eiuigung 
der  Nation  herbeigefiihrt  haben.  Die  Jahrestage  solcher  Ereignisse  bezeichnet 
der  chaklaische  Grundtext .  der  Ordnung  des  Kalenders  folgend.  in  einem 
schwer  vei-stiindlichen  Lapidarstil.  Hebraische  Xoten,  die  Jahrhunderte  spiiter 
hinzukamen,  machen  den  Versuch .  die  Bedeutung  der  Gedenktage  zu  er- 
lautern.  .  .  .  Die  Daten  des  Textes  besitzen  die  Autoritat  vollgiiltiger  That- 
sachen.  .  .  .  Das  Scholion  darf  nur  mit  iiusserster  Vorsicht  benutzt  werden. 
Es  hat  sagenhafte  Berichte  in  der  kritiklosesten  Weise  durcheinandergemengt 
und  dennoch  Geschichte  darzustellen  genreint.  Darum  kann  auch  den  Nach- 
richten,  deren  sagenhafter  Charakter  nicht  erwiesen  ist,  nur  ein  zweifelhafter 
Werth  zuerkannt  werden'\  .  .  .  Herzfeld  bemerkt  (Bd.  1  S.  266)  von  der 
M*gillath  Taanith :  .,In  ihr  sind  nach  der  Reihenfolge  der  Monate  des  jiidischen 


170  Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabaer-Aufstandes. 

biblischen  Bericht  ^  zu  ersehen  ist.  Zwar  nieint  Gratz,  die  M^^gillath 
Taanith  sei  von  grossem  geschichtlichen  Werth,  als  eine  von  der 
Hauptquelle  unabhangige  Quelle,  welche  sich  auf  die  Haupt- 
begebenheiten  der  Makkabaischen  und  spatern  Geschichte  er- 
streckt^;  doch  wiirde  es,  wie  Herzfeld  richtig  bemerkt,  ungerecht- 
fertigt  sein ,  auf  die  in  den  Scholien  zur  M^^gillath  Ta'anith  ent- 
haltenen  Marchen  einen  hoheren  Werth  zu  legen,  als  auf  den  In- 
halt  der  Makkabaischen  Biicher  ^.  Die  vorstehende  Erzahlung 
erinnert  an  die  im  vorigen  Kapitel  besprochene  Stelle  des  Jeru- 
salemischen  Talmud:  „Man  knechtete  die  Judaer,  nothziichtigte 
deren  Tochter  und  bestimmte,  dass  der  a-rAv.o:  sie  zuerst  be- 
schlafe."  Daher  diirfte  sich  vielleicht  die  Yermuthung  aufstellen 
lassen ,  dass  die  im  Talmud  erwahnte  Sage,  die  von  einer  unge- 
wissen  Zeit  handelt,  spater  auf  den  Aufstand  der  Makkabaer  be- 
zogen  wurde. 

Die   in    den  Scholien  zur  M*gillatii  Ta anith    enthaltene  Sage 
liber    die  Veranlassuno'   zum  Aufstand    der  Makkabaer   ist  in  der 


Kalenders  die  Tage  aufgezahlt,  an  welchen  nicht  gefastet  werden  diirfe,  iind 
die  freudigen  Ereignisge » mitgethellt,  die  fiir  Israel  an  diesen  Tagen  statt- 
fanden,  und  wegen  deren  ihre  Jahrestage  nicht  traurig  begangen  werden 
sollten.  Dies  verbiirgt  zwar  viel  geschichtliche  Wahrheit  in  ihr,  doch  glaube 
ich.  dass  zu  manchen  dieser  halben  Feiertage,  dessen  Veranlassung  mit  der 
Zeit  vergessen  war ,  entweder  vom  Verfasser  selbst  oder  schon  von  seiner 
Quelle ,  Schrift  oder  Sage .  ein  Geschichtchen  hinzugedichtet  worden  ist".  .  .  . 
Diese  Bemerkungen  findet  er  (Bd.  2  S.  266)  bestatigt  bei  der  vorerwahnten 
Stelle.  Eine  Abhandlung  von  Juseph  Schmilg  iiber  die  Entstehung  und  den 
historischen  "Werth  der  M^gillath  Ta  anith  gelangt  auf  Seite  43  zu  folgendem 
Ergebniss :  ..Die  Erklarungen.  die  das  Scholion  giebt,  konnen  keinen  Ansprnch 
auf  geschichtliche  Vollgiltigkeit  erheben,  da  sie  mit  unverkennbaren  Sagen 
vermischt  sind  und  dann  auch  oft  mit  den  uns  anderweitig  bekannten,  aus 
sicheren  Quellen  fliessenden  Nachrichten  in  Widerspruch  stehen."  —  Brann 
(S.  449)  halt  es  fur  sicher.  ..dass  der  Scholiast  nicht  friiher  als  in  das  siebente 
nachchristliche  Jahrlmndert  zu  setzen  ist" ;  Schmilg  (S.  36)  nimmt  an,  dass 
die  Abfassung  des  Kalenders  ..im  siebenten  oder  achten  Jahrhundert  nach 
Christus"  stattgefunden  habe.  Steinschneider  (Ersch  u.  Gruber  Bd.  27  S.  378) 
versichert.  das  unter  dem  Nanien  M^gillath  Taanith  gedruckte  Werk  sei  ein 
schon  im  achten  Jahrhundert  bekannter  Commentar  iiber  Fragmente  der  aus 
dem  zweiten  Jahrhundert  herriihrenden  urspriinglichen  Schrift,  und  setzt  hin- 
zu:  „Eine  .jiingst  versprochene  kritische  Bearbeitung  von  L.  und  G.  ist  noch 
nicht  erschienen".  Dem  Vernehmen  nach  fehlt  die  kritische  Bearbeitung  noch 
heute,  und  die  verschiedenen  Handscliriften  sind  noch  nicht  gepriift. 
'  Erstes  Buch  der  Makkabaer  Kaj).  2. 

2  Griitz  Bd.  3  S.  415. 

3  Herzfeld  Bd.  2  S.  239,  260.     Vgl.  Buxtorf  cap.  28,  S    552  (aus  A.?arias 
in  Meor  enajim  cap.  51). 


Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabaer-Aufstandes.  171 

spatern  judischen  Litteratur  theils  geandert,  theils  weiter 
ausgebildet  worden.  In  Beth  ha-Midraseli,  Sammlung  kleiner 
Midraschim  (d.  h,  Legenden,  Yortrage,  Sagen,  Spriiche),  und  zwar 
ira  Midrasch  fiir  Chanukka,  findet  sich  n.in^ilich  folgende  Erziihlung 
iiber  llanna,  Tochter  Jochanan's,  in  drei  Yersionen  ^  An  der 
einen  Stelle  wird  im  Namen  des  Kabbi  Simon  ben  Jochai  be- 
richtet:  „Zur  Zeit  des  Makkabaerkrieges  nalim  ein  Grieche  eine 
Thora-Rolle  und  brachte  Hanna,  die  Tochter  des  Hohenpriesters 
Jochanan,  die  von  einer  Schonheit  war,  wie  sie  sonst  die  AVelt 
nicht  kannte,  und  die  an  Eleasar,  Sohn  des  Hasmonai,  verheirathet 
war,  und  wollte  sie  beschlafen,  Angesichts  ihres  Gatten  und  Va- 
ters  .  .  .  Eleasar  erhob  das  Schwert  und  brachte  die  Griechen 
um."  2  An  der  zweiten  Stelle  wird  iiber  die  Griechenherrschaft 
erzahlt:  „Sie  (die  Inhaber  der  damaligen  Regierungsgewalt) 
verordneten,  dass  wenn  ein  Mann  heirathe,  die  Frau 
zuerst  von  dem  7)-j'£a(ov  (Hiiuptling)  beschlafen  werde 
und  dann  zu  ihrem  Manu  zuriickkehre;  und  dies  dauerte  drei 
Jahre  und  acht  Monate,  bis  die  Tochter  des  Jochanan,  des  Hohen- 
priesters,  verheirathet  wurde.  Als  man  sie  zu  jenem  r-;zixdy/ 
fiihrte,  entblosste  sie  ihr  Haupt,  sie  zerriss  ihre  Kleider  und  stand 
nackt  vor  dem  Volk.  Da  wurden  Juda  und  seine  Briider  von 
Zorn  erfiillt,  und  sie  befahlen,  sie  hinauszufiihren  und  zu  ver- 
brennen,  damit  es  nicht  der  Regierung  zu  Ohren  korame,  wegen 
Lebensgefahr,  da  sie  die  Frechheit  hatte,  sich  nackt  vor  das  ganze 
Volk  hinzustellen.  Da  sprach  sie  zu  ihra  (Jehuda) :  Wie  sollte  ich 
verachtlich  geworden  sein  vor  nieinen  Briidern  und  Freunden  und 
nicht  verachtlich  geworden  sein  in  den  Augen  des  Unbeschnittenen 
und  Unreinen,  da  ihr  an  rair  den  Frevel  begehen  wollt,  mich  ihm 
zuzufiihren,  dass  er  bei  rair  schlafe?  Als  Juda  und  seine  Briider 
dies  horten,  beschlossen  sie,  den  Hegemon  umzubringen.'^  .  .  . 
Dann  wird  weiter  erzahlt,  wie  die  Braut  mit  grossem  Gepriinge  dem 
y,73aa)v  zugefiihrt,  und  Letzterer  von  Jehuda  getodtet  wurde  ^. 
Die  dritte  Fassung  lautet:  „Als  die  Griechen  (Syrer)  sahen, 
dass  Israel  sich  an  ihre  Befehle  nicht  kehre,  gaben  sie  eine 
bittere  Verordnung  .  .  .  (die  Braut)    miisse    die    erste   Xacht 


1  Jellinek  Theil  1  S.  XXIII  u.   XXIV  und  Theil  6  S.  2,  3. 

-  Jellinek  Tlieil  I  S.  135;  Berliner  Jahrg.  3  S.  036  des  hebriiischen  Textes. 
Vgl.  Herzfeld  S.  266:  Lipsius  S.  351:  ferner  (uber  Hanna  als  Tochter  Matis- 
jahu's  und  ihren  Verlobten,  den  Hasmanaer  Elasarj  Berliner  Jahrg.  3  S.  219; 
auch  (iiber  den  Zusammenhang  der  Sagen  von  Hanna,  Martha  und  Mirjam) : 
Steinschneider  1877  S.  264.  265;  Frankel  Bd.  28  S.  496;  Kayserling  S.  56.  343. 

3  Jellinek  Theil  1  S.  133.     Ygl.  Lipsius  S.  339,  348.  349.  auch  S.  360,  361. 


172  Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabaer-Aufstandes. 

b  e  i  d  e  m  r;  7  3  ;x  (u  v  d  e  s  0  r  t  e  s  v  e  r  b  r  i  n  g  e  n  .  .  .  In  dieser  Weise 
misshaudelten  die  Griechen  die  Jungfrauen  Israels  drei  Jahre  und 
acht  Monate,  bis  die  Geschichte  mit  der  Tochter  des  Hohenpriesters 
Mattatja  sich  ereignete,  die  einen  Hasmonaer,  Namens  Elasar, 
heirathen  sollte.  An  ihrem  Hochzeitstag  namlich ,  als  die  Ange- 
sehensten  in  Israel  zum  Mahl  versammelt  waren,  erhob  sich  Hanna, 
die  Tochter  Mattatja's,  von  ihrem  Ruhebett:  sie  schlug  die  Hande 
zusammen,  zerriss  ihr  Gewand  und  stand  so  entblosst  vor  dem 
ganzen  Yolk  .  .  .  Als  die  Briider  das  sahen,  senkten  sie  vor 
Scham  ihren  Blick  zu  Boden  .  .  .  und  sie  wollten  sie  todten.  Sie 
aber  sprach :  Horet,  ihr  Briider  und  Yettern !  wenu  ich  vor  frommen 
Leuten  nackt  stehe,  ohne  mich  (fleischlich)  zu  vergehen,  ereifert 
ihr  euch;  warum  thut  ihr  das  nicht,  wenn  ihr  mich  dem  Un- 
beschnittenen  iiberantwortet,  dass  er  meiner  hohut?"  ^  .  .  , 

Den  letzterwiihnteu  Midrasch,  der  aus  dem  cod.  h.  Miinchen 
117,  4  herriihrt,  halt  Jellinek  „fiir  die  iilteste  der  drei  Bearbei- 
tungen",  weil  sich  diese  Recension  „an  biblische  Yerse  anlehut", 
uud  weil  die  erste  Recension  (Jellinek  Theil  I  S.  133)  „kurz  zu- 
sammeufasst,  was  hier  ausfiihrlich  erziihlt  wird,  iiberdies  auch 
die  Formel  7:2-1  i;r  *  auf  eiue  bereits  vorhaudene  und  benutzte 
Hagada  hinweist^.  Doch  diirften  diese  Griinde  nicht  ausreichen, 
die  Annahme  Jellinek's  zu  rechtfertigen.  Eine  Yergleichung 
des  Inhalts  der  drei  Fassungen  fiihrt  vielmehr  zu  der  Yermuthung, 
dass  der  an  erster  Stelle  mitgetheilte  Midrasch  (Jellinek  I,  133) 
gerade  wegen  seiner  Kiirze  als  der  alteste  anzuseheu  ist,  uud 
dass  daraus,  unter  Beriicksichtigung  der  iu  den  Scholien  zur 
M-gillath  Ta  auith  enthalteneu  Sage,  mit  weiterer  Ausschmiickung, 
die  beideu  andern  Midraschim  entstanden  sind.  Die  beideu  letz- 
teren  zeigen  untereiuander  grosse  Uebereinstimmung;  beide  spre- 


1  Jellinek  Theil  6  S.  2.  3: 

.  .  m;:  rr-i  crrVy  ■;-i7,i-  :-:y  =nT--T;-  -•-■:--"  Vs-r-  v-'^-  =""  ">!""  ""= 
nrVinaa  C^VVjtt:  c":*"  vr-  .  .  .  z-p-cz-:;  •■";-r  V::s  nVn  -■«•.v-  rV"V  r:::".-  nVi; 
inTinx:  na  Va  r»"-  s=w  -:•  [c-iJ-r;]  C"::a  r;:":;«--  c-:r  sVr  r.r  -cra  •.ir"  V.s-is^ 
r-icis-irt  r.r\ri'!ZZ'  z"  y:<r-v  -••3  ••:r  -t  ■^ti^Vsi  •x:-'crr;  -pV  nsr:^!  V-tj  -,r!3 
.  .  .  •ii-.vz-::^:  r-rr'z  --lacV  VN-ir^  •V--;.  Vc  rucpn:  r:-;";yar;  •'z-  v^ir.vz-  -■■-isxc 
N-^-i:--s  r-"-p-  -T  V?  ••{  n-sc  rpsc:  -"—sx  Vi";  rT-nn:c  na  nr.  r-^cj  -lyoV  -cs^rc: 
■:r:-  -r-^c.-:  -,r  r--s  -N-r  ■•;•=  .  .  .  r'--yz  a^r-cz  VN-r*  Vc  -:sV  r,~.^i':  rVr 
r-z-  ■  ^— —  --x  -:-:":-i-  crV  r--:>5  •  r:.--r'~  r^Vy  ■—::■•  cr— ic  -i-ip-i  yp"ip3  cr;^:s 
-,-N^  c-.s:pr-;  crs  — r  r.—zv  c-r  sVc  r-z—j  c--—^  -:sV  \-i-;?2S»  V^cra  CN 
:  .  .  .  "c  '■::'-^vrr'-  '-—j  —2.  ^i-iOzizh  caif.niz  cns 
Vgl.  noch  daselbst  S.  6,  M^giUath  Antiochus  vers.  47—50,  wo  Aehnliches 
berichtet  wird. 

2  Jellinek  Theil  G  S.  VI  u.  VII. 


Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabiier-Aufstandes.  173 

chen  von  einer  forinlichen  Verordnung  der  griechischen  Regie- 
rung,  wovon  im  ersten  Midrasch  noch  keine  Rede  ist;  doch  wird 
nur  im  dritten  „die  erste  Naclit'  erwiihnt.  Insofern  ist  dieser 
dritte  Midrasch  der  wichtigste  fiir  die  gegenwiirtige  Untersuchung. 
Die  erwiihnte  Miinchener  Handschrift  (cod.  117  Monach.)  ist  nach 
Angabe  des  Katalogs  der  liebraischen  Handschriften,  Seite  57, 
im  Jahr  1433  (nicht  1435,  wie  es  Seite  56  heisst)  geschrieben. 
Daher  wird  bis  auf  Weiteres  das  erste  Drittel  des  fiinfzehnten 
Jahrhunderts  als  die  Zeit  anzunehmen  sein,  in  der  diese  Recen- 
sion  der  Sage  spiitestens  entstanden  ist;  ob  sie  ein  hoheres  Alter 
hat,  steht  noch  nicht  fest. 

Jellinek  zahlt  zur  Erlauterung  der  drei  von  ihm  heraus- 
gegebenen  Bearbeitungen  vier  grausame  Edikte  auf,  welche  die 
Griechen  gegen  die  Juden  erliessen:  „Die  Wohnungen  mussten 
offen  stehen,  die  Hausthiere  den  Gottern  geweiht  werden,  damit 
sie  nicht  gebraucht  und  genossen  werden  diirften,  die  Frauen 
sollten  nicht  das  Reinigungsbad  nehmen,  und  die  Briiute  (sollten) 
durch  das  jus  primae  no  ctis  geschiindet  werden.  Daran 
schliesst  sich  die  Erziihlung  von  der  schonen  Braut  Hanna,  der 
Tochter  des  Mattisjahu  —  in  der  ersten  Recension  zweimal  „des 
Johannes"  —  deren  bevorstehende  Schiindung  das  Signal  zum 
Kampfe  wider  die  Griechen  ward."  ^  In  dieser  Darstellung  diirfte 
die  Anwendung  des  modernen  Ausdrucks.  jus  primae  noctis  ^  nicht 
gerechtfertigt  sein,  da  weder  aus  der  Fassung  der  drei  Midraschim 
noch  aus  andern  Griinden  zu  entnehmen  ist,  dass  schon  zur  Zeit 
der  Abfassung  der  Erziihlungen  von  jenem  Herrenrecht  die  Rede 
war.  Jellinek  fiigt  den  vorstehenden  Erliiuterungen  hinzu:  ^Diese 
Erziihlung,  die  in  allen  hagadischen  ^  Relationen  iiber  Chanukka 

1  Jellinek  Theil  6  S.  VII.  iinter  Verweisung  auf  Raschi  zu  Tr.  Sabbat 
•23  a  und  auf  die  Einleitung  zu  ..M-^gillath  Antiochus". 

-  Derselbe  Fehler  findet  sich  bei  Lipsius  S.  338,  339,  bei  Rosch  S.  20 
und  in  folgendem  Satz  Berliner"s  (Jahrg.  3  S.  219):  ,,Die  Anmassung  des 
jus  primae  noctis  wird  in  Megillat  Taanit  c.  6  er^vahnt,  ebenso  in  Jerusch, 
Ketubot  1,  5  und  Tosifta  daselbst,  womit  Babli  Ketubot  3  b  zu  erganzen 
sein  diirfte". 

3  Nach  Gratz  Bd.  4  S.  17,  18  bezeichnet  das  Wort  Agada  (Hagada)  eine 
Homilie,  d.  h.  eine  zwanglose  Auslegung  der  heiligen  Schrift  ohne  Gesetzes- 
charakter.  Den  Gegensatz  bildet  die  Mischna,  d.  i.  die  Lehre  mit  Gesetzes- 
kraft.  Der  Inhalt  der  Mischna  zerfjillt  in  drei  Lehrweisen,  namlich  erstens 
Halacha  (Herkommen,  Brauch,  Praxis)  in  fest  formulirten  Satzen,  zweitens 
:Midrasch  (Deutung),  d.  h.  Herleitung  des  iiberlieferten  Stoffs  aus  dem  Schrift- 
wort,  und  Talmud  (Gemara),  d.  h.  Anwendung  und  Folgerung  aus  den 
Gesetzesbestimmungen.     Vgl.  oben  S.  163  Anm.  3. 


174  Kapitel  30.    Ursache  des  Makkabaer-Aufstandes. 

erscheint,  muss  einen  histx»rischen  Kern  in  sich  bergen."  ^  Gleich- 
wohl  ist  es  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen,  den  geschichtlichen 
Kern  aus  jenen  Sagen  herauszuschalen. 

In  einem  um  1000  n.  Chr.  Geb.  ^  verfassten  arabischen 
Werk  von  Abu  Raihan  Muhammad  ben  'Ahmad  Albiruni  wird  die 
Sage  iiber  Entstehung  des  jiidischen  Hanukka-  (Reinigungs-)  Festes 
in  folgender  Fassung  mitgetheilt:  „Antiochus,  Konig  der  Grie- 
chen,  hatte  sie  (die  Juden)  lange  Zeit  bezwungen  und  miss- 
handelt.  Er  hatte  die  Gewohnheit ,  in  einem  unterirdischen 
Gewolbe  die  Frauen  zu  schanden,  bevor  sie  ihren  neuvermahl- 
ten  Gatten  zugefiihrt  wurden.  Aus  dem  Gewolbe  fiihrten  zwei 
Stricke  hinaus,  an  deren  Enden  Glocken  befestigt  waren.  So- 
bald  er  nun  eine  Frau  begehrte,  schellte  er  auf  der  rechten 
Seite,  und  die  Frau  trat  ein;  war  er  mit  ihr  fertig,  so  schellte 
er  auf  der  linken  Seite,  und  sie  wurde  entlassen.  Damals  lebte 
ein  Israelit,  der  acht  Sohne  und  eine  Tochter  hatte ;  die  Letztere 
hatte  ein  anderer  Israeiit  zur  Ehe  begehrt.  Nun  sagte  der  Yater 
der  Braut,  der  sie  zu  vermahlen  wiinschte:  Gieb  rair  Zeit,  denn 
ich  stehe  zwischen  zwei  Dingen.  Fiihren  wir  meine  Tochter  zu 
dir,  so  wird  sie  durch  den  verfluchten  Tyranuen  entehrt  werden ; 
und  sie  ist  dann  fiir  dich  nicht  mehr  eine  gesetzmassige  Gattin. 
Will  sie  sich  ihm  aber  nicht  unterwerfen,  so  wird  er  mich  zu 
Grunde  richten.  Wegen  dieser  Sachlage  tadelte  und  schalt  er 
seine  Sohne,  die  sehr  erregt  und  iirgerlich  wurden.  Doch  der 
jiingste  von  ihnen  sprang  auf;  er  kleidete  sich  wie  eine  Frau, 
verbarg  einen  Dolch  in  seinen  Kleidern  und  kam  zum  Thor 
des  Konigs,  indern  er  sich  gleich  einer  Lustdirne  benahm.  Jetzt 
zog  der  Tyrann  die  Schelle  auf  der  rechten  Seite,  und  er  ward 
zu  ihm  gefiihrt;  dort,  allein  mit  ihm,  todtete  er  ihn  (der  Jiing- 
ling  den  Tyrannen) ;  er  schlug  ihm  den  Kopf  ab,  zog  dann  die 
Schelle  auf  der  linken  Seite,  ward  hinausgelassen  und  pflanzte 
(anderwarts)  den  Kopf  auf.  Deshalb  feiern  die  Israeliten  ein  Fest 
an  jenem  Tage  und  an  den  (sieben)  folgenden  Tagen,  nach  der 
Zahl  der  Briider  dieses  Jiinglings.  Gott  weiss  es  am  besten" 
(wie  viel  AVahrheit  dieser  Erzahlung  zu  Grunde  liegt)  ^.  Mit 
dieser   Erzahlungr    stimmt    der  Bericht   von  Abulfeda   iiber    einen 


1  Jellinek  Theil  6  S.  VII. 

*  Die  Jahreszahl  1000  steht  auf  der  Ausgabe  von  Sachau.  Friiher  wurde 
das  Jahr  10:31  als  Zeit  der  Abfassung  angegeben,  bei  A.  Weber  (ed.  Mann) 
S.  201,  253.  261,  262. 

^  Albtrfini  chap.  14  (of  the  Festivals  and  Fast-days  in  the  months  of  the 
Jews),  S.  271  272  (in  der  arabisclien  Textausgabe  S.  278). 


KapLtel  30.    Ursache  des  Makkabaer-Aufstaudes.  175 

„gewis8en  griechischen  Konig",  der  in  Jerusalem  residirte,  mit 
geringen  Abweichungen,  meist  wortlich  iiberein  K  In  beiden  Be- 
richtcn,  von  Albiruni  und  von  Abulfeda,  fehlt  eine  Angabe  iiber 
die  Xamen  der  Juden.  Eine  fernere  Abweichung  von  dem  judischen 
Sagenkreis  besteht  darin,  dass  die  Schandtliaten  nicht  einem  Be- 
amten,  sondern  dem  Kunig  selbst  zugeschrioben  werden.  Danach 
scheinen  die  beiden  arabischen  Berichte  auf  einer  von  der  M*"gillath 
Taanith  unabhiingigen  Quelle  zu  beruhen.  Zwar  ist  es  moglich, 
dass  dem  Biruni  ein  alterer  und  besserer  Text  der  ^Pgillath 
Taanith  vorlag,  als  der  bisher  durch  Druck  bekannt  gewordene. 
Denn  S.  Landauer  bemerkt,  dass  Biruni  fiir  den  Bericht  iiber  die 
Fasttage  der  Juden  das  letzte  Kapitel  der  ^Pgillath  Taanith  fast 
wortlich  „nach  einem  vorziiglichen  Text"  aufgenommen  habe,  und 
dass  er  deshalb  „in  manchen  Punkten  zur  Sicherstellung  des  inter- 
polirten  hebraischen  Originals  dienen"  konne  ^.  Allein  aus  innern 
Griinden  diirfte  es  unwahrscheinlich  sein,  dass  eine  bestimmte  Hin- 
weisung  auf  Konig  Antiochus  in  der  altesten  Gestalt  der  Sage  sich 
vorfand  und  spater  unterdriickt  wurde ;  vielmehr  diirfte  eine  innere 
Wahrscheinlichkeit  dafiir  sprechen,  dass  die  concretere  Form  der 
Sage  erst  in  der  spatern  Entwicklung  hervortrat.  Andererseits  erin- 
nert  die  (bei  Abulfeda  weggelassene)  Bemerkung  AIbiruni's  iiber  die 
„gesetzmassige  Gattin"  au  die  im  vorigen  Kapitel  erorterten  Tal- 
mudstellen.     Sonst  hat  die  Sagre  in  der  arabischen  Fassuno-  Yer- 


1  Abulfeda,  Uebers.  Fleischer's.  S.  161,  163:  „Aliud  festum  est  El-Hanuccah, 
i.  e.  Lustratio,  octo  dierum,  quorum  primus  est  quintus  et  vigesimus  mensis 
Kislev.  Prima  festi  nocte  singulae  lucernae  accenduntur.  secunda  binae,  et 
sic  deinceps ,  donec  nocte  octava  ad  octonas  pervenitur.  Hoc  festo  recolitur 
memoria  adolescentis ,  ex  octo  fratribus  natu  minimi ,  a  quo  rex  quidam 
graecus  interfectus  est ,  qui  imperium  in  Judaeos  adeptus,  sede  Hierosolymis 
fixa,  virginibus,  antequam  ad  sponsos  deducerentur ,  pudorem  eripere  solebat. 
Cryptam  habebat  sub  terra,  unde  duo  funiculi  prodilmnt,  quorum  uterque 
tintinnabulo  instructus  erat.  Quoties  igitur  lubidine  tentabatur,  funiculum 
dextrum  movebat:  quo  signo  audito  mulier  ei  adducebatur;  ea  postquam  abu- 
sus  erat,  moto  funiculo  sinistro  rursus  dimittebatur.  Illo  ipso  tempore  vir 
erat  inter  Israelitas,  qui  octo  filios  unamque  flliam  habebat.  Hanc  aliquis 
popularium  in  matrimonium  duxit:  sed  quum  a  patre  petiisset,  ut  eam  sibi 
traderet,  ille:  ,Si  puellam',  inquit,  .ad  te  deducam.  nebulo  ille  eam  vitiabit'. 
Simul  filios,  talis  scilicet  injuriae  patientes ,  increpuit :  quibus  quum  hac  re 
indignationem  incussisset,  minimus  eorum  prosiluit,  et  sumto  cultu  muliebri. 
pugionem  vestibus  tegens  sororisque  personam  agens  ad  aulam  regiani  venit. 
Rex  funiculum  movet:  adolescens  ad  eum  deducitur:  ceteri  discedunt:  ille 
regem  interficit,  caput  recisum  aufert.  moto  funiculo  sinistro  exit  et  dimittitur. 
Regis  nece  divulgata,  Judaei  magno  gaudio  affecti  festum  octo  dierum  in- 
stituerunt,  quo  memoria  octo  illorum  fratrum  conservaretur." 

2  S.  Landauer  in  den  Gott.  gel.  Anz.  v.  23.  Juni  1880.  Nr.  25,  S.  781. 


176  Kapitel  31.    Konig  Sharahbil  von  Saba. 

wandtschaft  mit  der  Erzahlung  Heraklid's  iiber  den  Tyrannen  von 
Kephalenia  ^  Es  wird  nicht  gesagt,  dass  die  Schandthaten  des 
Konigs  Antiochus  nur  bei  Nacht  stattfanden,  und  zwar  nach  der 
jedesmaligen  Hochzeitsfeier ;  insofern  kann  hier  von  einem  ju& 
primae  noctis  in  der  gewohnlichen  Bedeutung  dieses  Ausdrucks. 
nicht  gesprochen  werden. 

b.   Arabien. 

1.    Vprordnung  des  Konigs  Sharahhil  von  Saha. 

Kapitel  31.  Ueber  die  in  der  heiligen  Schrift  erwahnte 
Konigin  von  Saba,  die  auf  das  Geriicht  von  Salomon's  Weis- 
heit  zu  ihm  kam,  ihn  mit  Rathseln  versuchte  und  nach  gegen- 
seitigen  Beschenkungen  in  ihr  Land  zuriickzog,  theilt  Weil  unter 
dem  Titel  „Salomon  und  die  Konigin  von  Saba"  folgende  Legende 
der  Muselmiinner  mit^:  Konig  Salomon  machte  auf  Anweisung 
Abraham's,  der  ihm  im  Traum  erschienen  war,  eine  Pilgerfahrt 
von  Jerusalem  nach  Jathrib  (Medina)  und  nach  Mekka.  Er  reiste 
mit  Menschen,  Genien  und  Thieren  auf  einem  grossen  Teppich, 
der  von  Vogeln  iiberischattet  und  von  Winden  getragen  wurde. 
In  der  Kaaba  zu  Mekka  predigte  er  iiber  den  kiinftigen  Pro- 
pheten  Mohammed,  Nach  drei  Tagen,  als  die  Riickreise  be- 
ginnen  soUte,  fehlte  ein  Yogel  im  koniglichen  Gefolge,  und  zwar 
der  Wiedehopf.  Derselbe  wurde  durch  den  Adler  herbeigeholt 
und  brachte  dem  Konig  Kunde  iiber  das  Land  Saba  in  Siid- 
arabien  und  iiber  die  Konigin  Balkis.  L^nter  Anderm  erzahlte 
der  Wiedehopf:  „Der  letzte  Konig  von  Saba,  welcher 
Scharahbil  hiess,  trieb  die  Gewaltthatigkeiten  so 
weit,  dass  kein  Madchen  sich  verheirathen  durfte, 
ohne  sich  vorher  ihm  hingegeben  zu  haben^.  Konig 
Scharahbil  sah,  als  Bettler  verkleidet,  auf  einer  Fussreise  die 
dreizehnjahrige  Balkis,  die  so  schon  war,  dass  sie  einer  Huri 
aus  dem  Paradiese  glich.  Diese,  Tochter  eines  friiheren  Yeziers 
und  der  Nymphe  (Djinnstochter)  Umeira,  war  in  stiller  Zuriick- 
gezogenheit  aufgewachsen ,  ,weil  ihr  Yater  fiirchtete,  Scharahbil 
moge  von  ihr  horen  und  sie  nicht  schonender  als  die  andern 
Jungfrauen  Sabas  behandeln'  '*.  Der  Yezier  trat  in  seine  friihere 
Stellung  bei  Konig  Scharalibil  zuriick  und  erijffnete  nach  kurzer 
Zeit   seiner  Tochter:    ,Was.  ich  liingst  befiirchtete,    ist   nun  ein- 

1  Vgl.  Kap.  34.  2  Weil  S.  225  ff. 

3  Weil  S.  253.     Vgl.  Delpit  S.  274.  *  Weil  S.  254. 


( 


Kapitel  31.    Konip;  Sharahl)il  von  Saba.  177 

getroffen.  Dcr  KiJnig  liat  bei  niir  uni  dcine  Hand  angehaltcn,  und 
icli  konnte  sie  ihm  ohnc  Lebcnsgefahr  nicht  versagen,  obgleich 
ich  dich  lieber  ins  Grab  steigen  siihe ,  als  in  das  schandbefleckte 
Eett  dieses  Tyrannen.'  ,Sei  ohne  Furcht,  mein  Vater,'  erwiederte 
Balkis,  ,ich  werde  mich  ,und  mein  ganzes  Geschlecht  von  der 
Liisternheit  dieses  Wolliistlings  zu  befreien  wissen;  zeige  ihni 
nur  eine  heitere  Stirn,  damit  er  keinen  Verdacht  schijpft,  und 
erbitte  dir  als  einzige  Gnade,  dass  die  Vermahlung  hier  im  Stillen 
gofeiert  werde.'  Der  Kiinig  gewtihrte  gern  seiner  Braut  diesen 
Wunsch  und  begab  sich  am  folgenden  Abend,  nur  von  einigen 
Dienern  begleitet,  in  das  Schloss  seines  Veziers,  wo  er  eine 
kijnigliche  Bewirthung  fand.  Nach  der  Tafel  zog  sich  der  Vezier 
mit  allen  Anwesenden  zuriick,  und  Balkis  blieb  allein  bei  dem 
Konig.  Auf  ihren  AVink  erschienen  ihre  Sklavinnen,  von  denen 
die  eine  sang,  die  andere  die  Harfe  spielte,  die  dritte  tanzte,  und 
die  vierte  den  Weinkelch  iiberreichte.  Die  Letztgenannte  war 
nach  Balkis'  Anweisung  besonders  thiitig,  so  dass  der  Konig,  dem 
Balkis  auf  jede  Weise  zusprach  und  von  den  stiirksten  AVeinen 
reichen  liess,  bald  bewusstlos  auf  das  Sopha  hinsank.  Jetzt  zog 
Balkis  einen  Dolch  unter  ihrem  Gewand  hervor;  damit  durchbohrte 
sie  den  Konig,  so  dass  seine  Seele  augenblicklich  zur  Holle  fuhr. 
Sie  rief  ihren  Vater  und  zeigte  ihm  des  Ki3nigs  Leichnam.  Dann 
sagte  sie :  ,Morgen  friih  hisst  du  im  jS^amen  des  Konigs  die  ein- 
flussreichsten  Miinner  der  Stadt,  auch  einige  Hiiupter  der  Truppen, 
auffordern,  ihni  ihre  TiJchter  zu  schicken.  Dies  wird  einen  Auf- 
stand  verursachen,  den  wir  zu  unserm  Vortheil  ausbeuten  konnen.' 
Balkis  hatte  sich  nicht  getiiuscht.  Die  zur  Entehrung  ihrer  Tochter 
aufgeforderten  Miinner  versammelten  ihre  Freunde  und  rotteten 
sich  des  Abends  vor  dem  Schloss  des  Veziers  zusamnien ;  sie 
drohten ,  dasselbe  in  Brand  zu  stecken,  wenn  ihnen  der  KiJnig 
nicht  ausgeliefert  werde.  Balkis  schnitt  der  Leiche  den  Kopf  ab 
und  warf  ihn  den  versammelten  Emporern  zum  Fenster  hinaus. 
Da  erscholl  ein  lautes  Jubelgeschrei  in  der  Menge,  die  Stadt 
wurde  festlich  beleuchtet ,  und  Balkis,  die  Beschiitzerin  aller 
Miidchen,  ward  zur  Konigin  erwiihlt.  Diese  Konigin"  —  so  schloss 
der  Wiedehopf  seine  Erzahhmg  —  „regiert  nun  seit  mehreren 
Jahren  mit  vieler  Weisheit  und  Einsicht  und  lasst  Gerechtigkeit 
in  ihrem  ganzen,  wdeder  hochst  bliihenden  Reiche  walten"  \  .  .  . 
In  diesem  Miirchen  sind  Ausschweifungen  des  Konigs  Sha- 
rahbil   beschrieben,    wobei   nicht   gesagt   ist,    dass    Sharahbil    die 


1  Weil  S.  256—258. 

Schmidt,  .Jns  ijrimae  noctis.  12 


178  Kapitel  31.    Koiiig  Sharahbil  von  Saba. 

Entelirung    der  Jungfrauen    als    ein  Recht   fiir   sich   in  Anspruch 
genommen  oder  gar  ein  Gesetz  dariiber  erlassen  habe. 

Ueber  die  Konigin  Balkis  oder  Belkisa  von  Saba,  d.  h.  Ye- 
men  in  Siidarabien,  und  iiber  ihre  Beziehungen  zu  Konig  Salo- 
mon  sind  in  Ermanglung  urkundlich  beglaubigter  Ueberlieferungen 
viele  unsichere  Nachrichten  verbreitet  ^  Es  wird  erziihlt,  sie  sei 
um  das  Jahr  1000  vor  Chr.  Geb.  Konigin  von  Yemen  geworden, 
habe  sich  naeh  zwanzigjahriger  Regierung  mit  Konig  Salomon, 
dem  Sohn  David's ,  vermahlt  und  sei  durch  denselben  nach 
Jerusalem  gefiihrt  worden  ^.  In  den  Stammtafeln  wird  sie  als 
22.  oder  28.  Konigin  vom  Stamm  Yemen,  als  Nachfolgerin  ihres 
Yaters  Hodhad  oder  Heddad,  des  Sohnes  von  Sharhabil  oder  Schara- 
chil,  bezeichnet^.  Andere  Erzaliluugen  melden,  lange  Zeit,  bis 
zu  der  des  Konigs  Salomon,  hatten  iiberhaupt  nur  Frauen  iiber 
Saba  geherrscht  *.  Daneben  findet  sich  auch  noch  die  Sage,  dass 
Belkisa  nicht  eine  Konigstochter,  sondern  die  Tochter  des 
Dsi-Asrog,  Yeziers  von  Konig  Sjerah,  gewesen  sei  '". 


'  Vgl.  V.  Lilienstern  S.  1.  100,  101,  22.3  (die  Konigin  Balkis  sei  ,.eine  in  der 
spateren  Zeit  des  Judaismus  eingeschwarzte  mythische  Figur'') ;  Steinschneider 
bei  Frankel  1845  S.  273  (Zuriickfiihrung  auf  Malika  Saba,  d.  i.  Konigin  von 
Saba);  Bachofen  S.  173,  174;  Rosch  S.  51,  52.  Ein  arabisches  Gedicht  aus 
dem  zwolften  Jahrhundert,  die  himjarische  Kasideh,  handelt  von  Bilkis  und 
Salomo  in  den  Versen  44 — 48,  bei  v.  Kremer  1865  S.  10  —  13.  (Der  Verfasser 
dieses  Gedichts  starb,  wie  v.  Kremer  1866  S.  45  angiebt,  im  Jahr  573  d.  H., 
also  1195  nach  Chr.  Geb.)  In  denselben  Sagenkreis  gehort  ein  abyssinisches 
Werk  (des  spaten  Mittelalters) ,  ..Lob  der  Konige",  das  im  Jahr  1870  mit 
lateinischer  Uebersetzung  durch  Fr.  Praetoriiis  herausgegeben  ist. 

2  Hamza,  lib.  8,  bei  Gottwaldt  Bd.  2  S.  99  und  bei  Schultens  S.  25:  Abulfeda 
bei  Schultens  S.  7,  9,  und  bei  Fleischer  S.  117  (nach  Ibn  Sayd  Africanus). 
Vgl.  Volney  bei  v.  Lilienstern  S.  29 ;  de  Sacy  S.  501 ;  v.  Lilienstern.  Tafel  1  unter  C. 

*  Hamza,  bei  Gottwaldt  Bd.  2  S.  99.  Pocock ,  Ausg.  von  1806  S.  60  und 
Ausg.  V.  1650  S.  59.  Volney  bei  v.  Lilienstern  S.  29.  30.  102.  Tafel  1  unter 
D.  V.  Lilienstern  aus  Hamza,  Tafel  1  unter  A.  In  einer  Denkschrift  der 
franzosischen  Akademie  der  Wissenschaften  wird  die  Vermuthung  aufgestellt, 
dass  die  nach  Abulfeda  angefertigte  Stammtafel  liiekenhaft  sei.  und  dass  Balkis 
erst  ungefahr  vierhundert  Jahre  nach  dem  Tod  des  Alhodad.  Nachfolgers  von 
Sherhabyl.  zur  Regierung  gelangt  sei.  Vgl.  v.  Lilienstern  S.  25,  26,  228  und 
Tafel  1  unter  B. 

*  Diese  Nachricht  wird  auf  Georgius  Ebno  '1  Amdi  und  auf  den  Patriarchen 
Eutychius  Patricides  (Said  Ebn  Patrik)  zuriickgefiihrt ,  bei  Pocock  Ausg.  v. 
1650  S.  85  und  Ausg.  v.  1806  S.  87 :  „Diebus  Argu  multos  annos  occupavit 
foemina  regnum  Sabae,  et  post  eam  regnarunt  ibi  foeminae  usque  ad  tempus 
Salomonis  filii  Davidis."   .Vgl.  v.  Lilienstern  S.  28.  63. 

5  Noweiri,  bei  Schultens  S.  55,  57:  .,Nos  historiam  Bclkisae  ante  executi, 
diximus    eam    iiliam    fuisse    D.si-Asrogi ;    ejusque    patrem    non    Regem    fuisse. 


Kapitel  31.    KiJnig  Sharahbil  von  Saba.  ]^79 

Ueber  die  Grundlagen  des  vorsteheuden  Marchens  k<»nnen  hier 
nur  Andeutungen  gegeben  werden  \  Im  Koran  steht:  „Ein  Kibitz 
berichtet  dem  Salomo,  dass  dort  ein  Weib  regiere,  verselien  mit 
Allem,  was  zu  einem  Fiirsten  erfordert  wird,  und  mit  einem 
prachtigen  Thron,  aber  sie  und  ihr  Yolk  seien  Anbeter  der  Sonne. 
Deshalb  sandte  ihr  Salomon  durch  denselben  Kibitz  zuerst  einen 
Ermahnungsbrief ,  zum  rechten  Glauben  zuriickzukehren,  dann 
bedrohte  er  sie  mit  Krieg,  worauf  sie  sich  selbst  nach  Jerusalem 
auf  den  Weg  machte."  ^  Ausserdem  erinnert  der  Inhalt  jenes 
Mtirchens  an  verschiedene  Sageu  iiber  den  Regierungsantritt  der 
Bilkis.  Es  wird  erzahlt,  sie  habe  einen  Gegenkonig  dadurch  be- 
seitigt,  dass  sie  ihn  zum  Schein  heirathete,  bei  der  Hochzeit  mit 
AVein  berauscht  machte  und  dann  todtete^.  Eine  andere  Er- 
zahlung  lautet,  sie  habe  ihren  Oheim,  der  nach  ihres  Yaters  Tod 
zur  Thronfolge  gelangte  und  jede  schone  Konigstochter  entehrte, 
durch  scheinbares  Eingehen  auf  seine  Bewerbungen  in  ihr  Schloss 
gelockt  und  dort  durch  Manner  ihrer  Yerwandtschaft  todten  lassen, 
worauf  sie  selbst  zur  Konigin  firwiihlt  worden  sei  ^.  Js^ach  einer 
dritten  Erzahlung  war  sie  die  Tochter  eines  Yeziers;  sie  todtete 
den  Konig,  der  die  Tochter  der  Yornehmen  zu  rauben  pflegte, 
und  wurde  dann  selbst  zur  Konigin  erwahlt  ^.  In  einer  weit- 
verbreiteten  Sage  erscheint  Bilkis  als  Tochter  des  Konigs  Hadhad 
und  einer  Fee,  niimlich  der  in  eine  Gazelle  verzaubert  gewesenen 
Hariira,   Tochter  des  Dschinnenkonigs  Teleb''. 

Liebrecht    fiihrt   in    einer  Abhandlung   iiber   das  jus   primae 


sed  Vezii-ium  Regis  Homeiritarum ,  Sjerahi  Homeiritae  videlicet.  Et  hoc  soli 
Deo  notum.  Dissentitur  autem  circa  eum.  qui  post  Alhadhadum  regnavit. 
Mesoudius  dicit.  Tobbaa  primum.  ejusque  imperio  quadringentos  annos  tribuit. 
Sed  Ibn  Katiba  Alhadhado  successisse  ait  filiam  ejus  Belkis,  conjugem  Salo- 
monis  filii  David,  super  quibus  pax  et  fausta  comprecatio.  Ea  regnum  tenuit 
per  centum  et  viginti  annos".  .  .  .  Vgl.  v.  Lilienstern  S.  101.  113,  228 ; 
Rosch  S.  13. 

*  Weil  sagt  in  der  Einleitung  (S.  4) :  ,,Diese  Sagen  stammen .  einzelne 
spatere  Ausschmiickungen  abgerechnet .  von  Mohammed  selbst  her.  Die 
wesentlichsten  Ziige  sind  sogar  im  Koran  vorhanden,  und  was  nur  angedeiitet 
ist,  wird  durch  die  miindliche  Tradition  weitergesponnen  und  erganzt."  Unter 
den  Quellen  erwahut  Weil  mehrere  arabische  Handschriften  der  herzoglich 
Gothaischen  Sammlung  (Nr.  279,   Nr.  235  und  Kr.  909). 

2  v.  Lilienstern  S.  101. 

'  Ro.sch  S.   18,  19,  aus  der  Prophetengeschichte  von  Taalebi. 

*  Rosch  S.  19,  aus  der  Chronik  von  Ibii-el-Athir  (die  im  Jahr  1867.  leider 
ohne  Uebersetzung.  durch  C.  J.  Tornberg  herausgegebeu  ist). 

5  Rosch  S.   19.  20,  ebenfalls  aus  Ibn-el-Athir. 

6  A.  V.  Kremer  1866  S.  65—67. 

12* 


180  Kapitel  32.    Die  Stamme  Tasm  und  Djedis. 

noctis  aus  der  Schrift  von  Weil  bloss  den  Satz  an:  „Der  letzte 
Konig  von  Saba,  weleher  Scharahbil  hiess,  trieb  die  Gewalt- 
thatigkeit  so  weit,  dass  keine  Madchen  sich  verheirathen  durften, 
ohne  sich  vorher  ihm  hingegeben  zu  haben."  ^  Dies  muss  auf 
den  Leser  den  Eindruck  machen ,  als  werde  hier  eine  geschicht- 
liche  Thatsache  mitgetheilt.  Aus  dem  Yorstehenden  erhellt  je- 
doch,  dass  jener  Satz  einem  Marchen,  und  zwar  der  Erzahlung 
eines  AViedehopfes,  entnommeu  ist. 

2.   Vntergang  der  Arabersfamnw  Tasm  nnd  Djedis. 

Kapitel  32.  Man  sagt ,  ein  Hauptling  des  Araberstammes 
Djadis  habe  das  „droit  du  seigneur"  oder  jus  primae  noctis  iiber 
den  Stamm  der  Tasmiden  ausgeiibt  ^.  „Ein  Tyrann  vom  Stamm 
Tasm,  bei  den  Arabern  vor  Mahomet,  erliess  ein  Gesetz ,  wel- 
ches  anorduete ,  dass  keine  Tochter  dieses  Stammes  sich  ver- 
heiratheu  diirfe,  bevor  er  selbst  zuerst  die  Rechte  des  Ehegatten 
genossen  habe."  ^  Liebrecht  bemerkt  iiber  das  jus  primae  noctis: 
„In  Arabien  masste  es  sich  an  Amlek,  ein  alter  Konig  der 
Stamme  Dschadis  und  ,Tasm."  *  Er  beruft  sich  hierfiir  auf  Caussin 
de  Perceval,  obwohl  Letzterer  deutlich  erklart,  dass  die  von  ihm 
mitgetheilte  Erziihlung  ein  Marchen  sei  ^.  In  der  That  hat  die 
fragliche  Erzahlung  keinen  geschichtlichen  Werth,  wie  aus  fol- 
gender  Darstellung  erhellt. 

In  der  Geschichte  Abulfeda's  wird  liber  die  erloscheuen  ara- 
bischen  Yolkerstammo  berichtet:  „Erloschen  sind  die  Araber- 
Stamme  der  Tasmiten  und  Djedisiten.  Diese  beiden  Stamme  be- 
wohnten  den  Theil  der  arabischen  Halbinsel,  der  El-Jemama 
genauut  wird.  Die  Herrschaft  war  bei  den  Tasmiten.  Nachdem 
diese  Lage  ziemlich  lange  bestanden  hatte,  geiangte  die  Herrschaft 
an  einen  ungerechten  und  gewaltthatigen  Tasmiten,  der  den 
Brauch  einfiihrte,  dass  keine  Jungfrau  vom  Stamm 
der  Djedisiten  ihrem  Brautigam  zugefiihrt  wurde, 
bevor  er  selbst  mit  ihr  zu  thun  gehal)t  und  ihr  die 
Keuschheit  entrissen  hatte.  Nachdem  die  Djedisiten  dies 
geraume  Zeit  erduldet  haben,  werden  sie  durch  die  Nichtswiirdig- 
keit  der  Sache  bewooren,  einen  gemeinsamen  Beschluss  zu  fassen. 


>  Liebrecht  1879,  S.  419. 

-  Perron,  citirt  bei  de  Barthelemy  f>.  110. 

'  Nuits  d'epreuve  S.  82. 

"  Liebrecht  1864,  S.  541,  ebenso   1874,  S.  140  und    1879,  S.  419. 

^  Caussin  de  Perceval  S.  28. 


Kapitel  32.    Die  Stiimme  Tasm  und   Djedis.  181 

Sie  verbergen  ilire  Schwerter  im  Saiid  vind  horeiten  daselhst  dem 
Konig  ein-  Gastmahl.  Der  Kcmig  kommt  /ufol<j-e  ihrer  Einladung 
mit  den  Vornehmsten  der  Tasmiten  zu  dem  bezeichneten  Ort, 
wo  die  ])jedisiten  ihre  Schwerter  ergreifen  und  den  Konig  nehst 
den  meisten  Tasmiten  todten.  Einer  von  ihnen  entwischte  und 
hinterbrachte  die  Sache  dem  Tobba,  Konig  von  Yemen,  welcher 
damals  Hassan,  Sohn  von  Asad ,  gewesen  sein  soll.  Er  beklagte 
sich  bei  diesem  Konig  iiber  die  durch  die  Djedisiten  an  ihrem 
eigenen  Konig  veriibte  Schandthat  und  bat  um  Rache.  Der  Konig 
brach  auf  gegen  die  Djedisiten ,  griff  sie  an  und  vernichtete  sie. 
So  sind  die  Tasmiten  und  Djedisiten  aus  dem  Gedachtniss  der 
Menschen  verschwunden."  ^  Auf  Grund  dieser  Stelle  des  Abul- 
feda  ist  die  Sage,  mit  einigen  Abweichungen ,  durch  Pocock  ^, 
durch  de  Sacv  ^  und  durch  Sale  *  weiter  verbreitet. 


^  Abulfeda  S.  181,  183:  „D('  iis  quae  <Je  Arahu)n  ('.istiiictoruni  liistoria  me- 
moriae  prodif((  sKiif.  Arabes  exstincti  sunt  Tasmitae  et  Djedisitae.  Duae  hae 
tribus  illam  partem  peninsulae  arabicae  incolebant  quae  El-Jemama  appellatur. 
Impcrium  penes  Tasmitas  erat.  Postquam  per  sat  longum  tempus  res  eo  loco 
fuerunt.  imperium  nactus  est  Tasmita  quidam,  vir  iniquus  et  violentus,  qui 
etcm  morem  instifuit ,  iit  nulla  rirgo  e  Djedisitis  ad  sponstmi  dedncerefur,  qiiin 
ipse  prius  cum  ea  r(m  haberet  eisque  pudorem  ^>raerjpere^.  Quod  cum  Dje- 
disitae  aliquamdiu  tulissent,  tandem ,  rei  indignatione  moti.  commune  capiunt 
consilium:  gladios  in  arena  abscondunt  et  regi  eo  in  loco  convivium  parant: 
qui  ubi  invitatus  cum  optimatibus  Tasmitarum  eo  venit,  Djedisitae,  arreptis 
gladiis,  et  illum  et  plerosque  Tasmitarum  occidunt.  Unus  tamen  ex  iis  evasit 
et  causam  detiilit  ad  Thobba"unt,  regem  Jemenensem,  qui  eo  tempore  Hassan 
fil.  As'adi  fuisse  dicitur.  Apud  hunc  igitur  de  facinore  a  Djedisitis  in  ipsorum 
regem  commisso  questus  est,  et,  ut  suorum  vindictam  susciperet.  ab  eo  petiit. 
Itaque  rex,  adversus  Djedisitas  profectus,  eos  adortus  est  et  ad  internecionem 
delevit.  Sic  Tasmitae  et  Djedisitae  hominum  memoria  exciderunt.''  Daraus 
v.  Lilienstern  S.  77. 

2  Pocock,  Ausg.  V.  1650,  S.  37,  38:  Ausg.  v.  1806.  S.  38:  ..Tasmum  e  po- 
steris  Ludi  filii  Semi  statuit  Abu'lfeda .  Jadisum  e  filiis  Getheri :  promiscue 
autem  habitasse  tribus  istas  in  peninsula  Arabum,  imperio  apud  Tasmum  ma- 
nente,  donec  devolutum  tandem  sit  ad  tyrannum  quendam  qui  legem  condidit 
ne  nuptmn  daretur  cuipiam  e  Jadtso  virgo,  nisi  a  se  prius  vitiata:  quod  cum 
aegre  tandem  ferrent  Jadisidae ,  inter  eos  convenisse  ut  gladiis  arena  tectis 
regem  una  cum  viris  e  Tasmo  primariis  ad  convivium  evocatum  adorirentur, 
atque  ita  maximam  Tasmi  partem  e  medio  sustulisse.  De  quo  eorum  facto 
Tasmidarum  quendam  apiid  Tobbaum  Yaraani  regem  questum.  auxilium  ab 
ipso  contra  eos  impetrasse:  qui  ergo  tribum  Jadis  adortus  eos  internecione 
delevit,  adeo  ut  post  haec  nulla  fere  Tasmi  et  Jadis  memoria  supersit." 

'  de  Sacy  S.  547,  548 :  „Arabes  extincti  sunt  Tasmitae  et  Djadisitae.  Duae 
illae  tribus  partem  peninsulae  Arabum  incolebant,  cui  Yemama  nomen  est. 
Apud  Tasmitas  regium  fuit  imperium:  cumqiie  res  eo  statu  per  sat  longum 
temporis  spatium  perdurasset.  solium  consceiiiUt  e  Tasmitis  vir  quidam  iniquus 


182  Kapitel  32.    Die  Stamme  Tasm  und  Djedis. 

Dieselbe  Sage  steht  bei  Nowairi,  in  dessen  Werk  iiber  die 
Kriege  der  Araber  vor  der  Hegira,  in  folgendem  Zusammenhang: 
„Geschichte  des  Untergangs  von  Thasm  und  Gadis. 
Thasm  vrar  der  Sohn  des  Laud,  des  Sohnes  Arem's,  des  Sohnes 
Sem's,  des  Sohnes  Noah's.  Gadis  war  der  Sohn  Amer's,  des 
Sohnes  Arem"s,  des  Sohnes  Sem's,  des  Sohnes  ]^oah's,  Dies 
sind  iichte  Araber,  wie  einige  Geschichtschreiber  versichern.  Sie 
hatten  ihren  Sitz  in  Jemamah,  was  damals  Gu  hiess.  Es  herrschte 
iiber  sie  ein  Thasmite,  Namens  Amlek,  ein  unbilliger  und  un- 
gerechteT  Mann,  der  den  Untergang  beider  Stiimme  herbeifiihrte. 
Zu  ihm  kam  einmal  eine  Frau  ]S^amens  Hazilah,  Tochter  Ma- 
zen"s,  mit  ihrem  Ehemann,  Namens  Mas,  der  sie  verstossen  hatte 
und  nunmehr  den  von  ihr  gebornen  Sohn  fiir  sich  in  Anspruch 
nahm.  Diesen  Streit  brachten  Beide  vor  den  Konig  zum  Schieds- 
spruch.  Hazilah  behauptete,  das  bessere  Recht  auf  den  Sohn 
zu  haben,  weil  sie  ihn  neun  Monate  im  Leib  getragen,  dann 
geboren  und  demnachst  bis  zur  Sattigung  gesaugt  habe  und 
keinen  Xutzen  von  ihni  erlangen  konne,  bevor  er  kraftige  Glie- 
der  erlange...;  jetzt  aber,  sagte  sie,  wolle  ihr  Ehemann  ihr 
den  Sohn  mit  Gewalt'entreissen.  Der  Mann  entgegnete,  er  habe 
der  Frau  eine  reichliche  Ausstattung  gegeben  und  daraus  keinen 
andern  Vortheil  erlangt,  als  den  unmiindigen  Knaben.  Der 
Konig  fallte  das  Urtheil,  dass  der  Knabe  in  die  Zahl  seiner 
Hascher  (Diener)  eingereiht  werden  solle.  Dariiber  entriistet, 
schalt  die  Frau  den  Konig,  worauf  der  Konig  sehr  erziirnt  den 
Schwur  that,  er  wolle  kiinftighin  nicht  gestatten, 
dass   eine   Frau   vom    Stamm   Gadis   ihrem  Gatten   bei- 


et  violentus,  qui  hunc  morem  instituit,  ut  ex  Djadisitis  nulla  virgo  ad  sponsum 
sibi  destinatum  deduceretur ,  quin  prius  eam  rex  ipse  violaret.  Quod  cum  ali- 
quamdiu  tolerassent  Djadisitae,  tale  tandem  facinus  indignati,  in  hoc  consilium 
communi  consensu  convenerunt.  ut  gladiis  sub  arena  conditis.  regem  convivio 
exciperent :  qui  ad  convivium  vocatus ,  ubi  advenit .  praec^uis  Tasmitarum 
eum  comitantibus,  Djadisitae,  arreptis  gladiis,  regem  majoremque  Tasmitarum 
partem  necaverunt.  Horum  quidam  cum  fuga  se  eripuisset,  ad  Tobbaum 
Yemamae  regem  se  contulit,  qui  tunc,  ut  quibusdam  placet,  Hasanus  filius 
Asadi  fuit,  et  de  eo  quod  in  regem  Tasmitarum  a  D.jadisitis  factum  fuerat, 
apud  eum  conquestus,  auxilium  ab  ipso  expetivit.  Itaque  ad  Djadisidas 
profectus  est  Yemamae  rex.  eosque  adortus  internecione  delevit :  ita  ut  post 
haec  nulla  remanserit  Tasmitarum  et  Djadisitarum  memoria." 

*  Sale  (franz.  Ausg.)  S.  22:  ...  „fit  une  loi  defendant  qu"aucune  fille  de 
la  Tribu  de  Jadis  se  mariat  qu'il  n'eut  joui  le  premier  les  droits  de  T^poux"  . . . ; 
Sale  (engl.  Ausg)  S.  10:  ...  „till  a  certain  tyrant  made  a  law,  that  no  maid 
of  the  tribe  of  Jadis  should  marrv.    unless  first  defloured  by  him".  .  . 


Kapitel  32.    Die  Stamme  Tasm  und  Djedis.  183 

w  0  li  n  e,  b  e  V  0  r  e  r  s  e  1  b  s  t  e  i  n  e  u  Y  e  r  s  u  c  h  m  i  t  i  h  r  g  e  ui  a  c  h  t 
habe.  Dies  wurde  auch  eine  Zeit  lang  beobachtet,  bis  Atirah 
(Akirah) ,  die  Tochter  Affar's  (Akkar's) ,  vom  Stamm  Gadis, 
Schwester  Asvad's,  eines  vornehmen  (Tadisiten,  von  ihrem  Ver- 
lobten,  Namens  Schamus,  heimgefiihrt  wurde.  Sie  ward  der 
Gewohnheit  gemiiss  von  Amlek  geschandet  und  begab  sich,  so- 
bald  sie  vou  ihm  entlassen  war,  hinaus  zu  den  Stammesgenossen, 
noch  blutig ,  mit  einem  vorn  und  hinten  zerrissenen  Hemd, 
und  forderte  die  Gadisiten  zur  Rache  fiir  diese  schwere  Be- 
schimpfung  auf.  Die  Gadisiten  pflogen  Rath  und  versprachen 
dem  Asvad,  Sohn  Affar's,  sie  wollten  seine  Befehle  ausfiihren, 
wie  sie  auch  sein  mochten,  'n\  gleicher  Weise,  als  die  Thasmiten 
die  Befehle  ihres  Konigs  befolgten.  Als  sie  das  Bedenken  er- 
hoben ,  die  Thasmiten  seien  ihnen  an  Zahl  und  Zuriistung  iiber- 
legen,  belehrte  er  sie,  wie  er  durch  List  bei  einem  Gastmahl 
Alle  aufheben  und,  wahrend  sie  mit  langen  und  weiten  Ge- 
wandern  bekleidet  seien,  mit  Schwertern  angreifen  wolle.  Afirah 
entgegnete  zwar,  Kunstgriffe  seien  unwiirdig  und  gereichten 
zur  Unzier ;  sie  meinte,  es  sei  besser,  die  Feinde  in  ihrem 
eigenen  Gebiet,  wiihrend  sie  unvorbereitet  seien,  anzugreifen, 
um  in  offenem  Kampf  zu  siegen  oder  mit  Ehren  zu  sterben; 
allein  Asvad  verharrte  bei  seinem  Vorhaben.  Er  bereitete  also 
ein  Gelage  und  befahl  den  Seinigen,  die  blanken  Schwerter  im 
Sand  zu  verbergen.  Der  Plan  gelang.  Dem  Blutbad  entging 
•nur  Einer,  Rejah,  der  Sohn  Morra's.  Derselbe  tiiichtete  sich  zu 
Hasan ,  dem  Sohn  Tobba's ,  und  bat  ihn  um  Hiilfe ,  um  das  Ver- 
brechen  der  Gadisiten  zu  rachen.  Anfanglich  erklarten  die  vor- 
nehmen  Jemenenser,  sie  hatten  keine  Kenntniss  von  Gadisiten  und 
Thasmiten;  und  auf  die  Belehrung,  dass  sie  Briider  (miteinander 
verwandt)  seien,  gaben  sie  den  Besclieid,  dass  sie  keinen  Theil 
an  der  Sache  nehmen  wollten.  Hasan  aber  fragte,  ob  sie  glaub- 
ten,  falls  ihnen  selbst  so  Etwas  begegne,  es  schicke  sich  fiir 
ihren  Konig,  zu  gestatten,  das  Blut  seiner  Unterthanen  ungestraft 
zu  vergiessen,  und  ob  es  nicht  Aufgabe  der  Konige  sei,  Jedem 
das  Seine  zuzutheilen  und  Gerechtigkeit  zu  iiben.  Darauf  billig- 
ten  Alle  die  Meinung  des  Konigs.  Er  befahl  also,  den  Marsch 
nach  Jemamah  anzutreten.  Als  sie  von  dort  noch  drei  Nachtreisen 
entfernt  waren ,  theilte  Rejah,  der  Sohn  Morra's,  dem  Hasan, 
Sohn  Tobba's,  mit,  er  habe  eine  Schwester  Namens  Jemamah, 
die  mit  einem  Gadisiten  verheirathet  sei;  dieselbe  konne  einen 
Reiter  in  der  Eutfernung  von  drei  Nachtreisen  erkennen;  er 
fiirchte    daher,    dass   sie   ihr   Volk   von    der   Ankunft   der   Reiter 


184  Kapitel  32.    Die  Stamme  Tasm  und  Djedis. 

benachrichtigen  moge. 
fehlen,  dass  jeder  Soldat  einen  aus  dem  Boden  gerissenen  Baum 
vor  sich  hertragen  soUe.  Hasan  befolgte  diesen  Rath.  Die 
Schwester  E,ejah"s  sah  die  Baume  und  rief:  ^Gradisiten,  Baume 
kommen  auf  euch  los.'  ,Wie  ist  das  moglich?'  versetzten  sie. 
,Ich  sehe,'  sagte  sie,  ,Baume,  und  hinter  ihnen  Menschen.  Ich 
sehe  hinter  einem  Baum  einen  Mann,  der  entweder  ein  Schul- 
terstiick  (scapulam  ^)  zernagt  oder  einen  Schuh  zusammennaht.' 
Indessen  die  Gadisiten  zeihten  sie  der  Liige  und  unterliessen  des- 
halb  die  Kriegsriistung.  So  kam  es ,  dass  die  Himjariten ,  als 
sie  noch  eine  Nachtreise  von  den  Gadisiten  entfernt  waren ,  sich 
in  Schlachtreihe  stellten  und  friih  Morgens  die  Unvorbereiteten 
erschlugen  und  das  Land  Jemamah  verwiisteten.  Asvad  floh  zu 
den  Thaiten,  welche  ihn  gegen  alle  seine  etwaigen  Yerfolger  in 
Schutz  nahmen.  Yon  seiner  Familie  ist  noch  die  Rede  bei  den 
Thaiten.  Alsdanu  befahl  Hasan,  der  Jemamah  die  Augen  aus- 
zureissen ;  als  dies  geschah ,  fand  man  darin  schwarze  Adern. 
Auf  die  Frage  nach  der  Ursache  davon  erwiederte  Jemamah,  sie 
sei  gewohnt  gewesen,  mit  einem  schwarzen  Stein,  welcher  Ithmid 
heisse,  sich  die  Augen*  einzureiben,  und  habe  dadurch  ein  schiir- 
feres  Augenlicht  erhalten.  Sie  soll  die  Erste  gewesen  sein,  welche 
sich  dieses  Steins  (Minerals)  bediente.  Endlich  liess  Hasan  sie 
,kreuzigen,  am  Thor  von  Gu.  Man  sagt,  von  ihr  sei  das  Land, 
welches  bis  dahin  Gu  hiess,  Jemamali  genannt  worden."  ^ 


'  Dies  Wort  erinnert  an  den  elsassischen  Ausdruck  ..Schiifel"',  d.  i.  eine 
geraucherte  Schweinsschulter. 

-  Nowairi  caput  quintum  de  bellis  Arabum  ante  hegiram,  bei  Rasmussen 
S.  81  —83 :  „Historia  excidii  Tasm  et  Gadis.  Tasm  filius  erat  Laudi,  filii  Aremi, 
filii  Semi.  filii  Noachi.  Gadis  erat  filius  Ameri,  filii  Aremi.  f.  Semi,  f.  Noachi. 
Hi  sunt  genuini  Arabes.  ut  historici  quidam  asseverant.  Sedes  suas  habuerunt 
in  Jemamah.  tunc  temporis  Gu  dicta.  Imperavit  illis  Thasmifa  quidam,  nomine 
Amluk  [Amlek],  vir  iniquus  et  injustus.  qui  utriusque  gentis  exitium  eflPecit. 
Accessit  enim  aliquando  ad  eum  mulier  quaedam,  uomine  Hazilah,  filia  Mazeni. 
cum  marito  suo,  Mas  dicto.  qui  eam  repudiaverat,  et  nunc  quidem  voluit  natum 
ab  ea  filium  sibi  vindicare.  Hanc  litem  ad  regis  arbitrium  retulerunt.  Ha- 
zilah  filium  contendit  optimo  jure  suum  esse .  quia  eum  per  novem  mcnses 
gestaverat,  deinde  partum  ediderat.  tum  ad  satietatem  usque  lactaverat. 
neque  uUam  utilitatem  ex  eo  capere  potuerat,  antequam  articuhjs  robustos 
adeptus  erat ,  et  bene  moratus  evaserat:  nunc  vero ,  inquit,  velle  maritum  vi 
et  violentia  eum  ipsi  adimere.  Contra  maritus  ad  ea  verba  respondit ,  se 
mulieri  plenam  dotem  dedisse,  neque  vero  aliud  emolumentum  ex  ea  dote 
cepisse,  quam  puerum  insipientem.  Rex  eam  tulit  sentcntiam,  ut  puer  satel- 
litibus  (famulis)  suis  insereretur.  Hinc  indignabunda  mulier  versibus  regem 
increpavit:    qui    valde  oftensus  juravit ,    se   unquam    iJeiitceps  permittere  noUe, 


Kapitel  32.    Dip  Stiimiiic  Tasm   uiid   Djedis.  185 

In  der  Darstelluni;-  Nowairi's  finden  sicli  crlieliliehe  Ab- 
weichungen  von  derjenigen  Ahulfeda's.  Nowairi  berichtet  weit- 
laufiger  als  Abulfeda;  er  thoilt  die  Namen  der  betreffenden  Per- 
sonen    mit   und   fiigt   den   Anlass    hinzu ,    der    den   Konig  Amlek 


ttt  foemina  Gadisensis  priiis  cnin  inarito  concuinheret ,  quain  ipse  ejus  experi- 
mentum  cepisset.  Id  etiam  aliquamdiu  observatum  fuit,  donec  Afirah  (v.  Aki- 
rah) ,  filia  Affari  (v.  Akkari) ,  Gadisitis ,  soror  Asvadi ,  domini  Gadisitarum, 
ad  sponsum,  Sohamus  vocatum,  deduceretur.  Illa.  pro  recepto  more  ab  Am- 
luko  vitiata,  ad  gentiles,  ut  primum  ab  eo  dimissa  erat,  exivit,  sanguinolenta, 
lacero  indusio,  tarh  antrorsum .  quam  retrorsum.  versusque  recitavit ,  quibus 
Gadisitas  ad  ulciscendum  hanc  gravem  ignominiam  excitabat.  Gadisitae  igi- 
tur,  collatis  consiliis,  Asvado,  filio  Aftari,  promiserunt,  se  hac  in  re  imperata 
ejus  quaecunque  essent.  haud  minus  ac  Thasmitae  ipsorum  regis,  facere  velle. 
Cum  vero  opponerent,  Thasmitas  plus  numero  et  apparatu  valere,  docebat  se 
velle  eo8  doloso  convivio  omnes  tollere  et,  longls  largisque  chlamydibus  indu- 
tos,  gladiis  adoriri.  Afirah  quidem  opposuit,  indignos  et  dedecori  esse  dolos ; 
melius  esse  affirmavit,  hostes  in  suis  sedibus  imparatos  invadere.  et  ita  aperto 
marte  aut  vincere  aut  honeste  mori;  sed  Asvad  proposito  stetit.  Comparavit 
igitur  epulas,  suosque  jussit,  ut  gladios  nudos  in  arena  conderent.  Pros- 
pere  cessit  institutum.  Necem  solus  evasit  Rejah.  filius  Morrae,  qui  ad  Has- 
sanum ,  filium  Tob1)ai  aufugit,  ejusque  auxilium  ad  ulciscendum  Gadisitarum 
scelus  rogavit.  Negabant  primum  proceres  Jemenenses  scire .  quid  essent 
Gadisitae  et  Thasmitae;  edocti  vero,  quod  fratres  essent,  profitebantur  sibi 
nullas  in  ea  re  partes  fore.  Hasan  autem  interrogavit ,  si  inter  ipsos  tale 
quid  contigisset,  crederentne,  suum  regem  decere,  sanguinem  ipsorum  impune 
effundi  permittere ;  si  quidem  id  ipsum  regum  munus  esset,  suum  cuique 
tribuere  et  justitiam  administrare.  Mox  omnes  sententiam  regis  approbarunt. 
Ille  igitur  jussit  iter  ad  Jemamah  ingredi;  unde  cum  trinoctii  itinere  abessent. 
edocuit  Hasanum,  filium  Tobbai,  Rejah ,  filius  Morrae,  sibi  esse  sororem 
Jemamah  vocatam.  Gadisitae  cuidam  nuptam,  quae  equltem  trium  noctium 
itineris  spatio  distantem  agnoscere  posset;  timere  itaque,  ne  illa  gentem  suam 
de  adventu  equitum  admoneret.  Hinc  regi  persuasit,  ut  juberet  unumquem- 
que  militem  suam  ante  se  gestare  arborem ,  terra  evulsam.  Hasan  consilium 
comprobavit.  Soror  vero  Rejahi,  his  visis.  o  Gadisitae!  inquit ,  arbores  ad 
vos  accedunt.  Quomodo  hocV  responderunt.  Yideo.  inquit,  arbores .  et  post 
eas  homines.  Video  virum  post  arborem.  aut  rodentem  scapulam  aut  calceum 
consuentem.  Sed  Gadisitae  eam  mendacii  arguerunt,  ideoque  se  ad  bellum 
parare  neglexere.  Hinc  factum,  ut  Himjaritae.  acie,  cum  unius  noctis  itinere 
a  Gadisitis  distarent,  instructa,  mane  improvidos  et  incautos  opprimerent, 
ferroque  et  rapinis  regionem  Jemamah  vastarent.  Asvad  ad  Thaitas  aufugit, 
qui  eum .  quamvis  ignotum,  contra  omnes  eum  requisituros  in  tutelam  rece- 
perunt.  Adhuc  de  familia  ejus  inter  Thaitas  mentio  fit.  Deinde  jussit  Hasan 
oculos  Jemamae  erui;  tunc  intra  eos  invenerunt  nigras  venas.  Cujus  rei 
causam  interrogata  Jemamah  respondit,  se  lapidem  nigrum  ithmid  dictum 
oculis  inspergere  solitam,  qui  visum  acutierem  reddidit.  Dicitur  prima  fuisse 
eo  lapide  usa.  Denique  jussit  Hasan  eam  crucifigi  apud  portam  Gu.  Dicunt 
ab  ea  appellatam  esse  regionem,  antea  Gu  dictam,  Jemamah."  Hactenus 
Nuvairius.     Daraus :    v.    Lilienstern  S.    77,    78.  —  Wie    mir    Herr    Dr.    Stein- 


18(3  Kapitel  32.    Die  Stamme  Tasm  und  Djedis. 

zum  Zorn  getrieben  haben  soll.  Nach  Nowairi  hat  der  Konig 
Aralek  nicht  ein  Gesetz  erlassen,  sondern  einen  Schwur  gethan, 
und  der  Inhalt  dieses  Schwurs  ist  etwas  anders  angegeben,  als 
der  Inhalt  des  von  Abulfeda  bezeichneten  Gesetzes.  Eine  von 
Caussin  de  Perceval  mitgetheilte  Erzahlung  derselben  Sage  stimmt 
in  der  Hauptsache  theils  mit  Abulfeda,  theils  mit  Nowairi  iiber- 
ein  und  enthiilt  einige  selbstandige  Angaben,  welche  aus  den  von 
ihm  angefiihrten  andern  Quellen  ^    entnommen  sein  mogen  ^. 

Man  streitet  dariiber,  ob  die  Vernichtung  der  Stamme  Tasm 
und  Gjadis  zur  Zeit  des  Perserkonigs  Darius  Kodomannus  (der 
in  der  Schlacht  bei  Issus  im  Jahr  333  v.  Chr.  von  Alexander 
d.  Gr.  besiegt  wurde)  oder  etwas  friiher  oder  zur  Zeit  Ardeschir's, 
der  gegen  220  n.  Chr.  Geb.  die  Dynastie  der  Sasaniden  griindete, 
oder  noch  spater  erfolgt  ist.  Bei  Hamza  und  Abulfeda  findet 
sich  die  Meldung,  Dhu  Habshan  (Dzu  Djeischan),  der  Sohn  Acran's, 
des  Sohnes  von  Abimalich ,  sei  der  Konig  gewesen,  der  zur  Zeit 
des  Darius,  Sohnes  des  Darius,  des  Sohnes  von  Bahman,  und  seiner 
Nachfolger,  vor  der  Herrschaft  Alexander's ,  die  Tasmiten  und 
Giadisiten   besiegte  -^     Dies   fiihrt   auf  die   Zeit   des  Perserkonigs 


schneider  mittheilt,  wird  Stibium  (Spiessglanz)  schon  bei  Dioskorides  und  bei 
Galenus  als  Augenmittel  empfohlen:  es  ist  ein  Heilmittel  arabischer  Aerzte.  — 
Ueber  die  Erziihlung  vgl.  auch  die  himjarische  Kasideh ,  Vers  77  —  80,  bei 
V.  Kremer  1865,  S.  16  —  19,  und  die  auf  'Ubeid  I.  Sarjeh  zuriickgefiihrte  Sage, 
bei  V.  Kremer  1866.  S.  88. 

1  Diese  Citate  sind:  Aghrmi  III.  15:  Ibn-Khaldoun ,  Ms.  Bibl.  Nat.  R.  B. 
2402  I  1838,  fol.  11;  und  Ibn-Badroun  ed.  R.  Dozy  S.  53—56. 

-  Caussin  de  Perceval  S.  28:  ..Les  tribus  de  Tasm  et  de  Djadis  etaient 
gouvernees  par  un  roi  nomme  Amloiik ,  de  la  race  de  Tasm.  II  tenait  les 
Djadicites  sous  une  dure  oppression.  II  les  avait  obliges  de  se  soumettre  k 
l'humiliant  usage  de  lui  presenter  toutes  les  jeunes  filles  qui  devaient  se 
marier,  et  tie  perrnettait  pas  qa'eUes  fussent  conduites  a  la  demeure  de  leurs 
epoux  '  amnt  qu'il  Jeur  ent  enJeve  Jeur  rirginite.  II  jouit  de  ce  droit  du 
seigneur  pendant  assez  longtemps.  Enfin  il  l'exer§a  sur  la  jeune  Ghofayra, 
surnomm^e  Chamous,  la  retive,  soeur  d*Aswad,  fils  de  Ghifar,  run  des  princi- 
paux  personnages  de  la  tribu  de  Djadis.  Aswad,  pour  venger  cet  affront  et 
delivrer  les  siens  de  la  tyrannie  d'Amlouk ,  forma  un  complot  avec  les  chefs 
Djadicites.  Us  inviterent  Amlouk  et  les  membres  de  sa  famille  k  un  grand 
repas.  Au  milieu  de  la  fete,  saisissant  leurs  armes  qu'ils  avaient  cach^es 
sous  le  sable,  ils  tomberent  sur  Amlouk  et  les  enfants  de  Tasm,  et  les  massa- 
crerent.  Un  seul  ^chappa:  il  s'appelait  Ribrih  ,  fils  de  Mourra.  II  se  r^fugia 
dans  le  Yaman  aupr6s  de  Hassan,  fils  de  Tobba,  souverain  himyarite,  qui,  k 
son  instigation,  entreprit  ensuite  une  expedition  contre  la  tribu  de  Djadis, 
et  l'extermina.'' 

3  Hamza,  lib.  8,  boi  Gottwaldt  Bd.  2  S.  101  und  bei  Schultcns  S.  29,  31; 
Abulfeda  aus  Ilaniza,   bci  Schultens  S.  9.   11   und   lioi   Fleischer  S.   117.     Vgl. 


Kapitel  32.    Die  Stamnie  Tasrn  und  DJodis.  187 

Darius  Kodonianiiu.s  \  Jedocli  nacli  den  welteren  Bericliten  llaniz;a's 
erfolgte  die  Aufiosung-  der  beiden  Stumme  erst  einige  Jahr- 
hunderte  spiiter,  unter  llassan,  dem  Sohn  Tobba's  und  Vorgiinger 
Amr's  2.  Dieser  letztgenannte  Konig  (niimlich  Amr,  mit  dem  Bei- 
namen  Dzu'1-Avad)  soll  ein  Zeitgenosse  des  Perserkonigs  Sapor  I. 
(238—271  n.  Chr.  Geb.)  gewesen  sein  ^  Nun  konnen  zwar  die 
beiden  Nachrichten  Hamza's  dahin  vereinigt  werden,  dass  sowohl 
durch  Konig  Dhu  Habshan,  zur  Zeit  des  Perserkonigs  Darius 
Kodomannus,  als  auch  durch  Konig  Hassan,  zur  Zeit  des  Konigs 
Ardeschir,  Kriege  gegen  Tasm  und  Djadis  gefiihrt,  und  dass 
diese  Stiimme  in  beiden  Kriegen  besiegt,  jedoch  erst  durch 
den  letzteren  vollig  ausgerottet  WHirden.  Allein  es  besteht  Streit 
dariiber,  ob  Dhu  Habshan  zur  Zeit  des  Darius  Kodomannus  oder 
erst  von  160 — 175  n.  Chr.  Geb.  regierte^;  und  oh  Hassan,  der 
Sohn  Tobba's,  etwa  im  Jahr  238  die  beiden  Stiimme  vernichtet  hat^, 
oder    ob    die  Lebenszeit  dieses  Konigs  anders  zu  bestimmen  ist  ^. 


de  Sacy,  Mera.  S.  521,  524.  — Nuweiri,  bei  Schultens  S  59,  61.  bezeichnet  den 
Akran,  Sohn  des  Abimalich  (also  den  Vater  des  erwahnten  Dhu  Habshan).  als 
den  Konig,  der  die  beiden  Stamrae  vernichtete.   Vgl.  dazu  de  Sacy,  Mem.  S.  521. 

>  V.  Lilienstern  S.  78,   137,  323. 

2  Hamza,  lib.  8,  bei  Gottwaldt  Bd.  2  S.   103  und  bei  Schultens  S.  33. 

^  Vgl.  die  bei  Hamza  (Ausg.  von  Gottwaldt  Bd.  2  S.  104)  erwahnte  Nach- 
richt  eines  Schriftstellers :  de  Sacy,  M6m.  S.  525,  538. 

*  Vgl.  de  Sacy,  Mem.  S.  540-542. 

^  Dies  meinen  de  Sacy.  Mom.  S.  538,  539,  und  Caussin  de  Perceval  S.  100, 
vgl.  auch  S.  29. 

^  Ein  Hauptgrund  der  Ungewissheit  liegt  darin,  dass  in  den  Stammtafeln 
weit  hinter  Tobba  dem  Zweiten  wieder  ein  Tobba  der  Erste  und  spater 
ein  Tobba  der  INIittlere  erwahnt  werden  (vgl.  v.  Lilienstern  S.  592,  593, 
Tafel  I  A  bis  B  und  die  Tafeln  III  bis  V),  also  vermuthlich  raehrere  Konige 
Yemens  als  Tobba  I.  etc.  bezeichnet  wurden.  Vgl.  auch  Gottwaldt's  Ausgabe 
von  Hamza,  Bd.  2.  S.  101,  102.  mit  den  Bemerkungen  in  Bd.  1  S.  XIV— XVI 
(wodurch  die  Schwierigkeit  nicht  gehoben  sein  dlirfte).  Ware  ferner  der  ge- 
nannte  Amr  Ibn  Tobba  ein  Zeitgenosse  des  Perserkonigs  Sapor  I.  gewesen,  und 
hatte  Dhu  Habshan  ben  Al-Acran  zur  Zeit  des  Darius  Kodomannus  regiert, 
so  wiirde  zwischen  Beiden  ein  Zeitraum  von  fiinf-  bis  sechshundert  Jahren 
liegen,  und  es  wlirde  unerkliirlich  sein ,  dass  in  dieser  Zwischenzeit ,  wie 
Hamza  (lib.  8,  bei  Gottwaldt  S.  102,  103)  berichtet.  nur  vier  Konige  regierten. 
Deshalb  wird  vermuthet.  dass  die  Stelle  aus  Hamza  liickenhaft  sei.  (Vgl.  de 
Sacy,  Mem.  S.  523.)  Einen  weitern  Fehler  Hamza's  glaubt  de  Sacy  (Mem.  S  541) 
darin  finden  zu  raiissen,  dass  derselbe  den  Kotsay  als  Sohn  von  Cenara  be- 
zeichne :  er  meint,  „Cenara"  sei  ein  Schreibfehler  fiir  Kenana,  doch  sei  Kotsay 
nicht  Sohn  des  Kenana,  sondern  dessen  Nachkomme  im  neunten  Grad  gewesen. 
Reiske  und  de  Sacy  vermuthen ,  Hamza  habe  an  der  Stelle ,  wo  jetzt  der 
Name  Kotsay  steht,  von  Nadhr,  dem  Sohn  des  Kenana,  sprechen  wollen ,  der 
zu  den  Vorfahren  Mohammed's  geliorte  und  um   142  n.  Chr.  Geb.  geboren  sei. 


188  Kapitel  32.    Die  Stiimme  Tasm  und  Djedis. 

Eine  dritte  Nachricht  geht  dahin,  dass  Hassan,  der  Sohn  von  Tobba 
Asad,  zu  der  Zeit  iiber  Yemeu  regierte,  als  Godzaimah  al  Ab- 
rasch  (der  Aussatzige)  Konig  von  Hira  war  ^ ,  dass  also  damals 
die  Yernichtung  der  Stamme  Tasm  und  Djadis  erfolgte.  Jedoch 
besteht  keine  Gewissheit  dariiber,  wann  Godzeimah  der  Aus- 
satzige  regierte ;  die  Nachricht,  dass  er  im  Jahr  44  n.  Chr.  Geb.  zur 
Eegierung  gelangt  sei^  ist  unsicher.  Es  steht  also  nicht  fest,  um 
welche  Zeit  die  Araberstamme  Tasm  und  Gjadis  ausgerottet  wurden. 
Die  Sage,  die  den  Grund  des  Yernichtungskampfes  auf  die 
fraglichen  Gewaltthatigkeiten  eines  Herrschers  vom  Stamm  Tasm 
zuriickfiihrt ,  scheint  erst  gegen  Ende  des  dreizehnten  oder  An- 
fang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  entstanden  zu  sein.  Sie  findet 
sich  weder  bei  Hamza  noch  bei  Abulfaragius  ^.  Der  letztgenannte 
Schriftsteller  bemerkt,  es  gebe  iiber  die  erloschenen  Araberstamme, 
zu  denen  die  Stamme  Tesm  und  Jadis  gehorten,  weder  sichere 
Xachrichten,  noch  Mittel ,  solche  zu  erlangen  ^.  Daher  lasst  sich 
annehmen,  dass  ihm  die  fragliche  Sage  unbekannt  war,  weil  er 
sonst  Yeranlassuug  hatte,  sie  zu  erwahnen.  Die  Quelle,  woraus 
Abulfeda  die  Sage  entuommen  hat,  ist  nicht  bekannt  und  von 
ihm  selbst  nicht  bezeichnet '". 

(Vgl.  de  Sacy.  Mem.  S.  541,  542.)  Diese  Vermuthung  wird  durch  Gottwaldt 
insofern  bestiitigt,  als  derselbe  die  fragliche  Stelle  (Bd.  2  S.  102.  auch  Bd.  1  S.  XV) 
dahin  ubersetzt:  ..li.  qui  Dzu  Djeischano  successerunt,  Alexandri  tempore,  id 
est  tempore  Nadhr,  filii  Kenanae.  regnavere."  A.  v.  Kremer  (1866  S.  XIIJ 
halt  die  Synchronismen  Hamza's  fQr  ungetreu  und  verlegt  die  Herrschaft  des 
ersten  Tobba  in  die  Zeit  von  200—250  nach  Chr.  Geb. 

^  Rasmussen  S.  83 ,  im  Einklang  mit  Hamza  cap.  6 .  de  Lachmitis .  bei 
Rasmussen  S.  4.  5. 

-  Vgl.  de  Sacy.  Mem.  S.  5T9. 

^  Abu'1-Farag  bedeutet  Vater  von  Farag :  Bar  heisst  Sohn.  Daraus 
erklart  sich  der  Name  Abu  '1  Farag  Gregorius  Bar-Hebraeus.  Er  war  Christ, 
Sohn  eines  Juden.  und  schrieb  arabisch.  Pocock  S.  XII  u.  XIII  ( Ausg.  1806) 
nimmt  an,  er  habe  von  1221  bis  1297  oder  1305  gelebt.  Steinsclineider  (1877 
S.  101)  giebt  nach  alteren  Auctoritaten  das  Jahr  1286  als  Todesjahr  an. 

*  Abulfaragius,  bei  Pocock  S.  3:  ,,De  Arabum  moribus  ante  Mohammedem. 
Duo  sunt,  inquit  Al-Kadi  Saeid  Ebn  Ahmed  Andalosenus .  Jiidex  urbis 
Tolaitelae,  Arabum  genera:  unum  quod  periit,  alterum  adhuc  superstes. 
Quod  ad  illos  qui  perierunt,  gentes  erant  copiosae ,  velut  Ad  et  Thomfid  et 
Tesm  et  Jadis,  qui  quod  ita  pridem  deleti  sunt,  certis  eorum  memoriis 
destituimur,  et  defecerunt  prorsus  rationes  quibus  in  ipsorura  vestigia  in- 
quiramus."  Der  hier  erwjihnte  Gelehrte,  Said,  Sohn  des  Ahmed,  starb  am 
16.  Juli  1070.     Vgl.  Steinschneider,  1867  S.  1  und   141. 

^  Vgl.  Abulfeda  S.  181:  „Historiae  scriptores  Arabes  in  tria  genera  divise- 
runt :  Baida ,  Exstinctos,  'Ariha,  Indigenos,  Mostha'  riba,  Insititios.  Ex- 
stincti    sunt    prisci    illi   Arabes,    quorum  historia  accuratior  propter  teniporum 


Kai)    3;5.    Dif  Adyrniacliiden.     Kap.  34.    Ein  Tyrann  von  Kejihalonia.      189 

II.  AlVica:  Hcrodofs  Xacliriclil   iilMT  dic  Advi-niacliidcn. 

Kapitel  ^i^.  Bei  Beschreibung  der  einzelnen  libyschen  Volks- 
stamnie  hebt  Herodot  als  eine  Eigentliiimlichkeit  der  Adyrmachi- 
den,  die  an  Aegypten  grenzten,  den  Gebrauch  hervor,  dass  sie 
die  Jungfrauen,  die  heirathen  wollten ,  dem  Konig  vorstellten, 
und  dass  der  Konig  die,  welche  ihm  gefiel ,  deflorire  ^  Diese 
Nachricht  nimmt  in  den  Untersuchungen  moderner  Schriftsteller 
iiber  das  jus  primae  noctis  einen  hervorragenden  Platz  ein;  und 
sie  verdient  Beachtung  wegen  ihres  hohen  Alters,  da  das  Werk 
Herodot's  um  450  v,  Chr.  Geb.  verfasst  ist.  Allein  zunachst 
konnen  die  Erzahiungen  iiber  sonderbare  Unsitten  barbarischer 
Volker,  die  Herodot  den  grie^hischen  Sitten  gegeniiberstellt,  im 
Allgemeinen  als  geschichtlich  beglaubigt  nicht  ohne  Weiteres  an- 
genommen  werden.  Sodann  ist  es  nicht  gerechtfertigt,  den  mo- 
dernen  Ausdruck  „jus  primae  noctis"  auf  eine  ^sachricht  Hero- 
dot's  anzuwenden.  AVare  der  Beweis  eines  solchen  Rechts  in 
jener  Stelle  zu  fiuden ,  so  wiirde  diese  Xachricht  vereinzelt  da- 
stehen ,  und  kein  Grund  zu  der  Annahme  vorliegen ,  dass  die 
geschilderte  Unsitte  eine  allgemeine  Bedeutung  fiir  die  Cul- 
turgeschichte  damaliger  Zeit  gehabt  habe  ^.  Aber  auch  der 
Inhalt  jener  Stelle  ist  ungeeignet,  als  Beweis  eines  Rechts  der 
ersten  Nacht  zu  gelten.  Es  ist  darin  weder  von  der  Hochzeits- 
nacht,  noch  von  eineni  Reclit  des  Konigs  die  Rede.  Im  Wesent- 
lichen  geht  der  Siun  der  Nachricht  dahin,  dass  die  Adyrmachiden 
den  Gebrauch  beobachteten ,  ihre  heirathsfahigen  Tochter  dem 
Konig  zur  Gesclilechtsgemeinschaft  anzubieten. 

'  III.  Eiiropa. 

a.    Griechenland.     Ein  Tyrann  von  Kephalonia. 

Kapitel  34-.  In  den  Fragmenten  von  Heraclides  Ponticus 
(Schiiler  von  Plato  und  Aristoteles)  wird  von  der  ionischen  Insel 


vetustatem  nos  fugit.  ...     De  Ai-abum  exstinctorum  historia  pancissima  super- 
sunt,  quae  jam.jam  enarrabimus".  .  .  . 

1  Herodot  lib.  4  §  168:  .  .  .  ..ojto'.  os  ij/jjvoi  A'.;jJwv  -rouTO  ipYot^ovTctt,  /.iX 
Tuj  3c(ji/it  aouvot  Toi; -ctpDcvoj;  ac/./.oJjs;  sjvot/.iciv  j-to£i7.vJojjt  •  t^  o£  av  Tilj  ,ja3t- 
/.£t  aocjTT,  ■(ivr-a'..  •j-'v  to jtoj  ota-ap9£v£ J£Tc<f  .  .  .  Ygl.  Polyd.  Verg.  lib.  1 
cap.  4.  S.  19:  Petr.  Gregor.  lib.  9  cap.  1  n.  45.  S.  605:  Ducange  unter  Mar- 
cheta:  C.  P.  Hoffmann  S.  58:  v.  d.  Schelling  Bd.  1  S.  147;  Zedler  Bd.  1 
S.  597  unter  Adyrmachiden;  Demeunier  Bd-  1  S.  237:  Bachofen  S.  173,  328; 
Giraud-Teulon  S.  70:  Liebrecht  1864.  S.  541,  ebenso  1874.  S.  140  und  1879, 
S.  419. 

2  Vgl.  oben  Kap.  4  S.   18  und  Kap.   7  S.  38. 


190  Kapitel  35.    Die  Sklaven  in  Volsinii. 

Kephalonia,  die  damals  Kephalenia  hiess,  Folgendes  erzahlt:  „In 
Kephalenia  herrschte  der  Sohn  des  Promnesus,  ein  unsanfter  und 
rauher  Mann,  der  seinen  Biirgern  nur  zwei  Feste  gestattete  und 
in  jedem  Monat  nur  zehn  Tage  lang  den  Aufenthalt  in  der  Stadt 
erlaubte.  Die  Miidchen  erkannte  er  selbst,  bevor  sie 
verheirathet  wurden.  Ein  gewisser  Antenor  aber  kam  mit 
einem  Schwert,  in  Frauenkleidung,  in  das  Schlafgemach  und 
todtete  ihn.  Deshalb  erlangte  er  solche  Ehre,  dass  er  vom  Yolk 
zum  Fiirsten  erwahlt  wurde.  Aber  auch  das  Madchen,  fiir  wel- 
ches  er  zum  Tyrannen  eintrat,  ward  geehrt."  ^ 

In  dieser  Stelle  finden  einige  Schriftsteller  des  neunzehnten 
Jalirhunderts  einen  Beweis  des  jus  primae  noctis  ^.  Allein  es  ist 
darin  von  der  Nacht  keine  Rede.  ISoch  weniger  wird  von  einem 
Eecht  gesprochen.  Im  Gegentheil  ist  aus  dem  Wortlaut  der 
Nachricht  deutlich  zu  ersehen,  dass  jener  Tyrann,  dessen  Name 
nicht  mitgetheilt  wird,  Gewaltthatigkeiten  veriibte  und  dadurch 
mit  dem  Rechtsbewusstsein  des  Volks  in  Widerspruch  trat;  dass 
er  zur  Strafe  fiir  diese  Yerbrechen  den  Tod  fand;  und  dass  die 
Handlung  dessen,  der  ihn  erschlug,  um  eiu  Madchen  vor  ihm  zu 
schiitzen ,  als  Heldenthat  gefeiert  wurde  und  den  Thater  zum 
Thron  fiihrte.  Es  ist  also  nicht  zuliissig,  die  erwahnten  Schand- 
thaten  eines  einzelnen  Tyrannen  der  Insel  Kephalonia  so  darzu- 
stellen,  als  ob  dieselben  durch  die  Rechtszustande  des  Alterthums 
begriindet  wiirden  ^. 

b.  Romisches  Reicli. 

1.    HerrscJiaft  der  Sklaven  zii   Vohinil. 

K.ai)itel  35.  Valerius  Maximus  erziihlt,  als  die  Sklaven  zu 
Volsinii  in  Etrurien  herrschten,  hatten  sie  ein  Gesetz  erlassen, 
dass  die  von  ihnen  an  Wittwen  oder  Ehefrauen  veriibten  Schan- 
dungen  straffrei  sein  sollten,  und  dass  keine  Jungfrau  sich  mit 
einem  Freien   vermahlen   diirfe,    bevor   Einer   aus   der   Zahl    der 


»  Heracl.  Pont.  XXXII,  K  £  9  a  X  X^  v  co  v ,  bei  Sclmeidewin  S.  25,  bei  C.  Muller 
Bd.  2  S.  222:  Ev  Ka'.pot?,ATjVta  npoij.vT^ao'j  'jto;  VArAixfif  -aolX  yxKz-o^  f|V,  xai  iopTcts 
-/iov  o'jotv  o'JX  dTtETpsTTEV,  0'j5'  iv  Tzokzi  SiatToia&at  ttXeov  rj|j.Epa;  8^-/a  Toij  \t.r^^6z- 
Ta;  T£  y.opa;  7:p6  to'j  Ya[j.i3X£a&at  a-JTo;  lYtv(o3x£v.  'AvTr^viop  81  XajBibv  ;tcptotov  xoit 
yjvatxciav  la&TJTa,  cvO'J3a[j.£vo;  £(;  Tr^v  xoittjv  dTTEXTcivc  •  xal  6  orjij.oc  auTOv  iTiLirjac 
xat  rjY£[j.ova  xaT£aTrj3£'  xai  Tfj  xdpir],  'J7i£p  ^;  ^'jto;  Eiar^ct.  £7ttx)/rjpo?  ^y^'"''"'^' 

2  Bachofen  S.  18.     Liebrecht  1864,  S.  541  und  1879,  S.  419. 

^  Dieser  Fehler  findet  sicli  bei  Bachofen.  Vgl.  dariibcr  oben  Kap.  7 
S.  37,  38. 


Kapitel  36.    Kaiser  Caligula.  191 

Sklaven  sie  entehrt  liabe  K  Diese  Angabe  kann  in  ihrem  Zu- 
sammenhang  nur  dahin  verstanden  werden,  dass  die  Sklaven  die 
kurze  llerrschatt,  welche  sie  durch  einen  Aufstand  in  Volsinii 
erlangten ,  zu  Ausschweifungen  und  \Yillkiirhandlungen  miss- 
brauchten.  Ein  bestimmtes  Zeugniss  fiir  ein  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht  ist  darin  nicht  zu  finden. 

2.    Ein  Gesef.z  des  Kaisers  Caligula. 

Kapitel  36.  Sueton  berichtet,  Kaiser  Caliguia  habe  neue 
und  unerli(»rte  Steuern  erhoben,  ohne  irgend  eine  Menschenklasse 
zu  verschonen,  namentlich  von  Dienstmannern  den  achten  Theil 
ihrer  Tageseinnahme,  und  von  dem  Fang  (der  Einnahme)  der 
Prostituirten  soviel,  als  jede  bei  einem  Beischlaf  verdiene;  nach 
einem  Zusatz  zu  diesem  Theil  des  Gesetzes  sollten  auch  Weiber, 
die  gewerbsmassige  Unzucht,  und  Miinner,  die  Kuppelei  (vor 
Erlass  des  Gresetzes)  getrieben  hatten,  mit  dem  dadurch  erwor- 
benen  Yermogen  zu  der  Steuer  herangezogen  werden,  und  auch 
rechtmassige  Ehen  sollten  der  Steuer  unterworfen 
sein^.  Diese  Stelle  handelt  lediglich  von  Steuern;  sclion  da- 
durch  widerlegt  sich  die  auch  sonst  unverstiindliche  Meinung  eini- 
ger  Schriftsteller  ^,  dass  Caligula  bei  allen  Heirathen  im  rumischen 


'  Val.  Max.  lib.  9  cap.  1  de  luxuria  et  libidine,  §  '2  :  ...  „Postremo  lege 
sanxerunt,  iit  stupra  sua  in  viduis  pariter  ac  nuptis  impunita  essent;  ac  ne 
qua  virgo  ingenuo  nuberet,  cujus  castitatem  non  ante  ex  numero  ipsorum  ali- 
quis  delibasset."  Vgl.  Petr.  Gregor.  lib  9  cap.  1  n.  45.  S.  605;  C.  P.  Hoff- 
mann  S.    57;  Bastian  S.  189. 

^  Suetonius  lib.  4  (Caligula)  cap.  40:  „Vectigalia  nova  atque  inaudita 
primum  per  publicanos ,  deinde ,  quia  lucrum  exuberabat,  per  centuriones 
tribunosque  praetorianos  exercuit.  nuUo  rerum  aut  horainum  genere  omisso. 
cui  non  tributi  aliquid  imponeret.  Pro  edulibus,  quae  tota  urbe  venirent, 
certum  statutumque  exigebatur :  pro  litibus  atque  judiciis,  ubicunque  con- 
ceptis ,  quadragesima  summae ,  de  qua  litigaretur :  nec  sine  poena ,  si  quis 
composuisse  vel  donasse  negotium  convinceretur :  ex  gerulorum  diurnis  quaesti- 
biis  pars  octava,  ex  capturis  prostitutarum,  quantum  quaeque  uno  concubitu 
mereret.  Additumque  ad  caput  legis,  ut  tenerentur  publico,  et  quae  mere- 
tricium  et  qui  lenocinium  fecissent;  nee  non  et  mafriinonia  ohnoxia  essenf}'' 
Vielleicht  ist  der  letzte  Satz  dieser  Stelle  anders  auszulegen ,  als  oben 
geschehen  ist.  Allein  keinenfalls  ist  darin  vom  jus  primae  noctis  die  Rede. 
Die  ganze  Stelle  handelt  lediglich  von  der  Habsucht  des  Kaisers. 

^  Vgl.  Boxhorn  zu  Sueton  lib.  4  cap.  40:  Burmann  bei  Panckrouke  zu 
Sueton  lib.  4  cap.  40.  —  Aus  der  Stelle  .Sueton's  ist  nicht  zu  ersehen ,  nach 
welchen  Rechnungssatzen  die  Steuer  von  Eheleuten  erhoben  werden  sollte, 
auch  nicht,  ob  sie  bloss  einmal  oder  in  wiederkehrenden  Zeitraumen,  etwa 
Jahrlich ,  zu  zahlen  war.     Torrentius  sagt,  die  Steuer  sei  erhoben  worden,  „si 


192  Kapitel  37.    Kaiser  Maximin. 

Reich   fiir   sich   das  Herreurecht    der   ersten  Xacht   in    Anspruch 
genommen  habe. 

3.    E/i)e  Massreyel  des  Kaisers  Maximhi. 

Kai)itel  37.  Nach  Beschreibung  der  Christenverfolgung,  die 
unter  Maximin  *  stattfand,  spricht  Lactantius  von  den  iibrigen 
Schandthaten  dieses  Kaisers.  „Er  iibertraf  alle  seine  Yorganger 
in  der  Begierde,  zu  verfiihren,  die  ich  nur  als  blind  und  unge- 
ziigelt  bezeichnen  kann,  obwohl  sie  mit  diesen  Worten  nicht  in 
ihrer  ganzen  Nichtswiirdigkeit  ausgedriickt  wird.  Die  Sprache 
versagt  den  Dienst  bei  der  Grosse  des  Yerbrechens.  Yerschnittene 
und  Kuppler  durchsuchten  AUes.  Wo  immer  eine  einigermassen 
iippige  Cxestalt  war,  mussten  sich  Yater  und  Ehegatten  von  Toch- 
tern  und  Frauen  trennen.  Den  vornehmen  Frauen  und  den  Jung- 
frauen  wurden  die  Kleider  ausgezogen ,  uud  sie  wurden  an  den 
eiuzelnen  Gliedern  untersucht,  ob  nicht  irgend  ein  Korpertheil  der 
koniglichen  Lagerstatte  unwiirdig  sei.  Hatte  sich  Eine  diesen 
Untersuchungen  entzogen.  so  wurde  sie  ertrankt,  als  ob  Keusch- 
heit  uuter  einem  solchen  Ehebrecher  ein  Majestatsverbrechen  ware. 
Eiuige  Mauuer  todteteu  sich  selbst,  weil  sie  den  Schmerz  nicht 
ertrageu  kouuten ,  dass  ihre  Gattinnen,  die  sie  wegen  ihrer  ehe- 
lichen  Keuschheit  und  Treue  lieb  hatten,  geschandet  waren.  Keine 
Keuschheit  blieb  vor  diesem  Ungeheuer  unverletzt,  sofern  seine 
barbarische  "NYollust  nieht  etwa  durch  ausgezeichnete  Hasslichkeit 
gebiindigt  wurde.  Endlich  hatte  er  sogar  deu  Brauch 
eingefiihrt,  dass  kein  Maun  ohue  seine  Erlaubuiss 
heirathete,  damit  er  selbst  bei  alleu  Hochzeiten.der 
Y  0  r  k  o  s  t  e  r  s  e  i.     Edle  und  unversehrte  Jungfrauen  ffab  er  seinen 


qui  in  matrimonio  turpiter  et  incoutinenter  viverent,  aut  etiam  quoties  con- 
cumberent  conjuges".  Isaak  Casaubonus  meint ,  sie  sei  zu  zahlen  gewesen, 
„q\ioties  liberis  operam  darent".  Diese  Vermuthungen  verdienen  keinen  Bei- 
fall.  da  die  bezeichneten  Voraussetzungen  nicht  leicht  festzustellen  sind. 
Die  Meinung,  dass  die  Steuer  nur  fiir  zAveite  und  spatere  Heirathen  eingefiihrt, 
also  gewissermasen  eine  poena  secundaruni  nuptiarum  gewesen  sei  (Brodeau 
S.  273) ,  ist  mit  dem  Wortlaut  schwer  zu  vereinigen.  Die  Schlussworte 
wiirden  fur  sich  allein  dahin  verstanden  werden  konrien ,  dass  die  Steuer  von 
Prostituirten  auch  dann  erhoben  werden  sollte ,  wenn  sie  verheiratliet  waren ; 
doch  passt  diese  Auslegung  nicht  in  den  Zusammenliang  mit  der  Steuer  der 
Kuppler. 

*  Cajus  Galcrius  Valerius  Maximinus.  Neffe  des  Kaisers  Galerius,  erklarte 
sich  im  Jahre  307  zum  Augustus  und  starb  zu  Tarsis  im  Jahr  313  (an  einer 
schrecklichen  Krankheit  oder  durch  Selbstmord). 


Kapitel  37.    Kaiser  Maximin.  193 

Sklaven  zu  (fattinneii.  Aiich  die  Stattlialter  dieses  Fifrsten 
ahmten  sein  Beispiel  nach  und  verletzten  ungestraft  die  Lager- 
statten  ihrer  Unterthanen.  Wer  hiitte  sich  riiehen  konnen?  Die 
Tochter  geringer  Leute  raubte  Jeder,  wie  ihm  beliebte.  Yor- 
nehnie  Damen,  die  nicht  geraubt  werden  konnten,  wurden  bei 
Gunstbezeugungen  erbeten;  unterschrieb  der  Kaiser,  dass  man 
zu  Grunde  gehen  oder  einen  Barbaren  als  Schwiegersohn  an- 
nehmen  solle,  so  musste  man  sich  dieser  Wahl  unweigerlich 
unterziehen.  Denn  fast  alle  Trabanten  (Leibdiener)  an  seiner 
Seite  gehijrten  zum  Stamm  Derer,  die  zur  Zeit  der  Vicennalien 
(d.  h.  der  Feier  der  zwanzigjahrigen  Regierung  des  Kaisers  Ma- 
ximian,  im  Jahr  304)  aus  ihrem  Land  durch  die  Gothen  vertrieben 
waren  und  sich  dem  Maximian,  dem  Uebel  der  Menschheit,  er- 
geben  hatten,  so  dass  sie  in  der  Flucht  vor  der  Knechtschaft  der 
Barbaren  unter  die  Herrschaft  der  Romer  gelangten.  Yon  solchen 
Helfershelfern  und  Beschiitzern  umringt,  trieb  der  Kaiser  mit  dem 
Morgenland  sein  Spiel."  ^ 

Es  kommt  hier  hauptsachlicli  auf  Auslegung  des  Satzes  an: 
„Postremo  hunc  jam  induxerat  morem,  ut  nemo  uxorem  sine  per- 
missu  ejus  duceret,  ut  ipse  in  omnibus  nuptiis  praegustator  esset." 
Das    AVort    praegustator    (Yorschmecker)   ist   hier ,    wie   der    Zu- 

*  Lactantii  liber  ail  Donatum  Confessorem  de  Mortibus  Persecutorum, 
cap.  38:  .JUud  vero  capitale,  et  supra  omnes,  qui  fuerunt,  corrumpendi 
cupiditas,  quid  dicam  nescio,  nisi  coeca  et  effraenata,  et  tamen  his  verbis 
exprimi  pro  indignatione  sua  non  potest.  "Vincit  officium  linguae  sceleris 
magnitudo.  Eunuchi,  lenones  scrutabantur  omnia.  Ubicunque  liberalior  facies 
erat,  secedendum  patribus  ac  maritis  fuit,  Detrahebantur  nobilibus  foeminis 
vestes,  itemque  virginibus ,  et  per  singulos  artus  inspiciebantur,  ne  qua  pars 
corporis  jegio  cubili  esset  indigna.  Si  qua  detrectaverat,  in  aqua  necabatur; 
tanquam  majestatis  crimen  esset  sub  illo  adultero  pudicitia.  Aliqui,  constu- 
pratis  uxoribus,  quas  ob  castitatem  ac  fidem  carissimas  habebant,  quum  do- 
lorem  ferre  non  possent,  se  ipsos  etiam  necaverunt.  Sub  hoc  monstro,  pudi- 
citiae  integritas  nulla,  nisi  ubi  barbaram  libidinem  deformitas  ini5ignis  arcebat. 
Postremo  hunc  jam  induxerat  inorem ,  ut  nemo  uxorem  sine  permissu  ejus  dii- 
ceret,  ut  ipse  in  omnibus  nuptiis  praegustator  esset.  Ingenuas  virgines  imminutas 
servis  suis  donabat  uxores.  Sed  et  Comites  ejus  sub  tali  Principe  imitabantur 
[hoc  exemplum ,  et  civium]  suorura  cubilia  impune  violabant.  Quis  enim 
vindicaret?  Mediocrium  filias.  ut  cuiqiie  libuerat.  rapiebat.  Primariae,  quae 
rapi  non  poterant,  in  beneficiis  petebantur:  nec  recusari  licebat,  subscribente 
Imperatore.  quin  aut  pereundum  esset,  aut  habendus  gener  aliquis  barbarus. 
Nam  fere  nullus  stipator  in  latere  ei ,  nisi  ex  gente  horum ,  qui  a  Gothis 
tempore  vicennalium  terris  suis  pulsi,  Maxittiiano  se  tradiderunt,  malo  generis 
humani,  ut  illi  barbaram  servitutem  fugientes ,  in  Romanos  dominarentur. 
His  satellitibus  et  protectoribus  cinctus,  Orientem  ludibrio  habuit."  Daraus: 
Grupen  §   1  S.  1;  Michelet  S.  258:  Pericaud  S.  10;  Kolb  1842,  S.  495. 

Schmidt,  Jus  primae  nocti.s.  13 


194  Kapitel  38.    Das  Rigsmal-Lied. 

saramenliang  zeigt ,  nicht  in  seiner  urspriinglichen  Bedeutung, 
sondern  bildlich  zu  verstehen  ^.  Daraus  ergiebt  sich  die  Aus- 
legung,  dass  nach  Meinung  des  Lactantius  der  Kaiser  Maximin 
Gelegenheit  suchte,  die  Braute  seiner  Unterthanen  zu  entehren  ^. 
Das  Mittel,  wie  er  diesen  Zweck  erreichen  wollte,  war  nicht  eine 
kaiserliche  Yerordnung,  sonderu  die  Einfiihrung  eines  Gebrauchs. 
Danach  heirathete  „Niemand''  ^  ohne  Genehmigung  des  Kaisers. 
Also  soll  der  Kaiser  auf  die  Mauner  seiner  Umgebung  und  auf 
alle  Manner,  die  sich  durch  ihu  bestimmen  liessen,  den  Einfluss 
ausgeiibt  haben,  dass  dieselben  nicht  heiratheten,  ohne  ilin  um 
Erlaubniss  zu  fragen ;  und  zwar  in  der  Meinung,  dass  der  Kaiser 
dadurch  Gelegenheit  haben  sollte,  ihre  Braute  zu  entehren.  Als- 
dann  aber  erscheint  die  Nachricht  als  unglaublich,  und  es  liegt  die 
Yermuthung  nahe,  dass  Lactantius  in  dem  Bestreben,  die  Schlech- 
tigkeit  des  Kaisers  zu  schildern ,  einem  iibertriebenen  Bericht 
Glauben  geschenkt  und  Ausdruck  gegeben  hat.  Keinenfalls  ist 
es  gerechtfertigt,  die  Stelle  des  Lactantius  dahin  auszulegen,  dass 
der  Kaiser  und  seine  Statthalter  das  jus  primae  noctis  (oder  jus 
deflorationis)  fiir  sich  in  Anspruch  genommen  und  ausgeiibt  hat- 
ten.  Denn  Lactantius'spricht  nicht  von  Ausiibung  eines  vermeint- 
lichen  Rechts,  sondern  von  Schandthaten  eines  Tyrannen  und 
seiner  Helfershelfer  '^. 

c.  Nord-Europa. 

1.   Eine  Stelle  des  Bhjsmdl-Liedes. 

Kapitel  38.  Helff^erich  meint,  in  der  nordischen  Dichtung 
kamen  Ziige  vor,  die  aus  dem  jus  primae  noctis  ein  Yorrecht  der 
Gotter  machten '".     Dies  ist  ein  L-rthum.     Die  Meinung  stiitzt  sich 


*  Ursprunglich  bezeichiiet  das  Wort  praegustator  Denjenigen.  der  Speisen 
oder  Getranke  vorschmeckt  oder  vorkostet.  bevor  dieselben  Andern  vorgesetzt 
werden.  Vgl.  Baluzius  zu  der  angefuhrten  Stelle  des  Lactantius.  Doch 
braucht  schon  Cicero  in  der  Rede  pro  domo  den  Ausdruck  „praegustator  libi- 
dinum";  deshalb  versteht  Tollius  die  Stelle  des  Lactantius  (in  einer  An- 
merkung  dazu)  von  einem  ,,jus  deflorationis". 

*  Was  hier  von  ,,allen  Hochzeiten"  gesagt  ist.  kann  nach  der  Natur  der 
Sache  nicht  auf  den  Umfang  des  ostromischen  Kaiserreichs  bezogen  werdea, 
sondern  nur  auf  den  Umkreis,  in  welchem  der  Kaiser  seine  WoUust  befriedigte. 

^  „Niemand"  muss  ebenso  wie  der  Ausdruck  „bei  allen  Heirathen"  in  ein- 
geschranktem  Sinn  verstanden  werden. 

*  Vgl.  Grupen  S.  1—4:  de  Gubernatis.  Usi  S.  "200:  .  .  .  ,,pu6  essere  uu  caso 
isolato  di  arbitrio  sovrano".  .  .  . 

*  Helfferich  S.  418,  419. 


Kapitel  39.    Die  Hebriden.  195 

lediglich  aiif  das  Rigsniiil-Lied  der  Edda,  wonach  der  Gott  Heim- 
dallr  unter  dem  Xamen  Rigr  die  griinen  Wege  der  Erde  durch- 
wanderte  und  die  menschlichen  Stande  griindete.  „An  der  Mee- 
reskuste  fand  er  eine  Hiitte  mit  offener  Thiir.  Zwei  Eheleute, 
Ai  und  Edda ,  bewirtheten  ihn  drei  Niichte  mit  grober  Kost. 
Nach  neun  Monaten  genas  Edda  eines  Kindes  mit  schwarzer 
Haut,  von  dem  das  Geschlecht  der  Thrale  (Knechte)  stammt  .  .  . 
Ihm  vermahlte  sich  Thyr,  die  Dirne.  Rigr  aber  wanderte  weiter 
und  fand  ein  Ehepaar,  Afi  und  Amma,  in  eigenem  Hause  woh- 
nen,  bei  dem  er  wieder  drei  Tage  blieb  .  .  .  Nach  neun  Monaten 
genas  Amma  eines  Kindes ,  das  Karl  genannt  ward  ...  Er 
freite  ein  Weib,  das  Snor  hiess;  von  ihnen  stammen  die  freien 
Bauern.  Rigr  aber  wanderte  weiter  und  gelangte  zu  einer  Halle 
mit  leuchtendem  Ring,  worin  Yater  und  Mutter  sassen  und  an 
den  Fingern  spielten  .  .  .  Auch  hier  blieb  Rigr  drei  Nachte, 
bei  guter  Bewirthung;  nach  neun  Monaten  aber  gebar  die  Frau 
ein  Kind  mit  lichter  Locke,  leuchtender  Wange  und  scharfem 
Blick,  das  Jarl  genannt  ward  .  .  .  Dem  Jarl  vermahlte  sich  die 
giirtelschlanke,  adelige ,  artliche  Erna.  Yon  ihnen  stammen  die 
Edeln  und  Fiirsten."  ^  In  dieser  Cxottersage,  worin  die  mensch- 
lichen  Stiinde  auf  gottliche  Griindung  zuriickgefiihrt  werden,  findet 
sich  keine  Spur  eines  jus  primae  noctis,  und  nicht  einmal  eine 
Erwiihnung  der  Hochzeitsnacht. 

2.    Eine  Xachrkht  des  SolinHS  ilber  die  Hehriden. 

Kapitel  39.  Um  die  Behauptung  zu  erlautern,  dass  schon 
in  alter  Zeit  und  bis  nach  Asien  und  Afrika  hin  das  jus  primae 
noctis  geherrscht  habe,  bemerkt  Liebrecht:  „So  iibte  es  nach  So- 
linus  c.  22  der  Konig  der  Ebudischen  Inseln."  ^  Die  „Ebudi- 
schen"  Inseln  liegen  weder  in  Asien,  noch  in  Afrika,  sondern 
in  Europa;  es  sind  die  Hebriden.  Solinus  erzahlt,  der  Konig 
der  Hebriden  habe  kein  Privateigenthum  und  keine  Familie,  son- 
dern  erhalte  Alles  aus  der  Gemeinschaft;  ihm  werde  keine  be- 
sondere  Frau  gegeben,  sondern  er  nehme  abwechselnd  jede  Frau, 
zu  der  er  Neigung  habe,  in  seinen  Gebrauch  ^.    Es  bedarf  keiner 


1  Simrock  §  89,  2.  Aufl.  S.  301.  302.  Vgl.  Grimm,  Myth.  4.  Ausg.  Bd.  1 
S.  194,  299:  Haupt  Bd.  2  S.  266,  267  (im  Aufsatz  J.  Grimm's  uber  die  un- 
gleichen  Kinder  Eva's) :  Scherr  1865,  S.  ItlO,  101. 

2  Liebrecht  1864,  S.  541,  ebenso  1874,  S.  140  und  1879.  S.  419. 

'  Solinus  cap.  25  (oder  cap.  22,  bei  Mommsen  S.  234,  235):  „Haebudes 
inaulae.  .  .  .     Rex  nihil  suum  habet,  omnia  universorum:  ad  aequitatem  certis 

13=^ 


196  Kapitel  40.    Koiiig  Evenus  von  Schottland. 

nahern  Untersuchung  iiber  die  Auslegung  und  den  AYerth  dieser 
Stelle^;  denn  soviel  ist  klar,  dass  von  einem  Reeht  der  ersten 
Xacht  darin  keine  Rede  ist. 


3.    Ein  Gesetz  des  Konigs  Eveniift  III.  con  Schottland. 

Kapitel  40.  In  der  Geschichte  der  Schotten  von  Hector 
Boeis,  welche  zuerst  im  Jahr  1526  erschien^  und  in  zweiter  Auf- 
lage  im  Jahr  1574  von  Ferrerius  herausgegeben  wurde,  findet 
sich  folgende  Erzahlung.  Zur  Zeit  des  Kaisers  Augustus  regierte 
in  Schottland  Konig  Evenus  der  Dritte,  ein  Mann  von  schlechtem 
Lebenswandel;  derselbe  erliess  ein  Gesetz,  wonach  „jeder  Herr 
einer  Ortschaft  die  Gewalt  haben  sollte,  die  erste  Keuschheit  der 
neuvermahlten  Jungfrau  zu  geniessen"  ^;  Versuche  spaterer  Ko- 
nige,  dies  Gesetz  abzuschaffen ,  scheiterten  am  Widerstand  der 
jungen  Magnaten;  erst  durch  Konig  Malcolm  ni.  Canmoir,  auf 
Andrangen  seiner  Gemahlin,  der  heiligen  Margarethe,  wurde  jenes 
Gesetz  aufgehoben,  und  an  Stelle  desselben  eine  Steuer  einge- 
fiihrt,  wonach  bei  der  Hochzeit  einer  verlobten  Jungfrau  ein 
Goldstiick  als  Loskaufsgeld  an  den  Ortsherrn  gegeben  werden 
sollte  ^ ;  diese  Steuer  fiihrte  den  j!s  amen  marcheta.  An  einer 
andern  Stelle  desselben  AVerkes  wird  als  eine  That  Kijnig  Mal- 
colm's  III.  hervorgehoben,  durch  ihn  sei  die  von  dem  heidnischen 
Tyrannen  Evenus  eingefiihrte  abscheuliche  Gewohnheit  abgeschaift 
worden,   wonach  die  Herren  oder  Prafecten  in  ihrem  Gebiet  die 

legibus  stringitur :  ac  ne  avaritia  divertat  a  vero ,  discit  paupertate  justitiam, 
utpote  cui  nihil  sit  rei  familiaris:  verum  aliter  e  publico.  nulla  illi  datur 
foemina  propria,  sed  per  vicissitudines  in  quamcunque  commotus  fuerit, 
usurariam  sumit.  unde  ei  nec  votum  nec  spes  conceditur  liberorum." 

1  Vgl.  Raepsaet  S.  38 — 43,  wo  ausgefiihrt  vvird,  die  Nachricht  beruhe 
wahrscheinlich  auf  einer  Verwechslung  mit  der  rechtmassigen  Polygamie 
des  germanischen  hohen  Adels  im  Sinn  des  Zeugnisses  von  Tacitus,  Germania, 
cap.  18:  vgl.  Caesar,  De  bello  Gall.  lib.  1  cap.  53. 

2  Mackenzie,  Lives  Bd.  2  S.  384,  451. 

3  Boethius  lib.  3  fol.  35:  „Fecit  ad  haec  plura  relatu  indigna,  leges  tulit 
improbas  omnem  olentes  spurcitiam:  ut  liceret  singulis  suae  gentis  plures 
uxores,  aliis  sex,  aliis  decem  pro  opibus  ducere.  Nobilibus  plebejorum  uxo- 
res  communes  essent,  ac  virginis  novae  nuptae  loci  dominus  primam  libandi 
pudicitiam  potestatem  haberet." 

*  Boethius  lib.  3  fol.  35 :  ...  ,,Eam  tandem  Malcolmus  Canmor  rex ,  diva 
Margareta  regina  suadente  veluti  in  Deum  et  homines  iniuriam  prorsus  sub- 
movit  sanciens  nummum  aureum  fMarchetam  nostra  vocat  aetas)  in  nuptiis 
sponsae  pudoris  redimendi  causa  loci  domino  pendendum."  In  dieser  Stelle  ist 
noch  keine  Rede  von  der  ersten  Nacht. 


Kapitel  40.    Konig  Eveiius  von  Schottland.  197 

Jungfraulichkeit  aller  Braute  verkosteten;  statt  dessen  miisse  die 
Braut  fiir  eine  halbe  Silbermark  eine  Nacht  von  den  Gattinnen 
der  Prafecten  einlosen;  diese  Abgahe  bestehe  noch  unter  dem 
Namen  marketa  ^ 

Die  vorstehende  Erziihlung  macht  in  beiden  Grestalten  von 
vornherein  den  Eindruck  einer  Dichtung^.  Undenkbar  ist,  dass 
irg-end  ein  Yolk,  selbst  von  der  niedrigsten  Bildungsstufe,  die 
Ausiibung  der  bezeichneten  Gewaltthiitigkeit  geduldig  ertragen 
soUte  ^.  Gerade  in  den  alten  Zeiten  waren  die  Schotten,  ebenso 
wie  andere  Volker,  zu  stolz  und  unbandig,  als  dass  sie  sich 
unter  eine  solche  Last  hJitten  beugen  konnen''^.  Noch  unglaub- 
licher  ist  es,  dass  jene  Unsitte  bis  zur  Regierung  des  Konigs 
Malcolm  III.  (1059 — 1093),  also  mehr  als  tausend  Jahre  lang, 
geherrscht  habe;  und  dass  selbst  der  grosse  Einfluss,  welchen 
die  Konigin  Margarethe  auf  ihren  Gemahl  ausiibte,  nicht  die 
ganzliche  Abschaff^ung  jener  Unsitte,  sondern  nur  ilire  Umwand- 
lung  in  eine  Geldabgabe  herbeizufiihren  vermochte. 

Ueber  die  alte  Geschichte  Schottlands  herrscht  im  Allgemeinen 
grosses  Dunkel;  die  in  den  offentlichen  Archiven  Schottlands  auf- 
bewahrt  gewesenen  Urkunden  gingen  nach  dem  Tod  des  Konigs 
Alexander  III.  von  Schottland,  zur  Zeit  des  Konigs  Eduard  I.  von 
England  (1272 — 1307),  verloren^;  die  Geschichtsquellen  Schott- 
lands  aus  der  Zeit  bis  zum  Tod  des  Konigs  Malcolm  Canemore 
oder  Canmoir  beschranken  sich  im  Wesentlichen  auf  Nachrichten 
fremder  Schriftsteller  und  auf  miindliche  Ueberlieferungen  **.  Da- 
raus  haben  spatere  Chronikschreiber  eine  Geschichte  hergestellt  ^. 


'  Boethius  lih.  12  fol.  260:  „Illud  vero  inter  caetera  haud  indignum  me- 
moria  cxistimem ,  abrogatam  pessimam  eam  ac  pestilentem  consuetudinem 
olim  ah  Eveno  tyranno  Ethnico  inductam,  ut  domini  praefective  in  suo  terri- 
torio  sponsarum  omnium  virginitatem  praelibarent ,  dimidiata  argenti  marca 
unam  noctem  a  praefectorum  uxoribus  redimente  sponsa;  quam  etiamnum 
pendere  coguntur .  vocantque  vulgo  mulierum  Marketam.''  In  dieser  Stelle 
wird  zwar  „eine  Nachf  erwahnt ,  jedoch  nicht  gesagt .  dass  in  dem  abge- 
schafften  Gesetz  die  erste  Nacht  dem  Herrn  iiberlassen  sei. 

2  Macpherson  S.  193.  195.  Wachter  unter  Reit-schoss.  Whitacker  S.  265. 
Grupen  §  2.  Dalrymple  vol.  3  app.  1.  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  25.  29—35. 
Anderson  S.  56. 

3  Macpherson  S.  193,  194.  *  Macpherson  S.   193. 

*  Acts  of  Parl.  of  Scotl.  Bd.  1  S.  18.  Robertson  Bd.  1  S.  6.  Macpher- 
son  S.  XI.     de  Lagreze  1867,  S.  410. 

^  Acts  of  Parl.  of  Scotl.  Bd.  1  S.  3:  „There  is  probably  no  Scotch  writing 
extant,  whether  of  charter,  record  or  chronicle.  so  old  as  the  reign  of  Mal- 
colm  Canmore ,  who  died  in  the  year  1093".  .  .  . 

'  de  Lagreze  1867.  S.  410. 


198  Kapitel  40.    Konig  Evenus  von  Schottland. 

Hector  Boeis  oder,  wie  er  selbst  schrieb ,  Boethius,  geboren 
zu  Dundee  in  der  Grafschaft  Angus,  Professor  der  Philosophie 
zu  Paris,  dann  seit  1500  bis  zu  seinem  um  1550  erfolgten  Tode 
Yorsteher  der  Universitat  (des  Kings  College)  zu  Aberdeen,  wird 
als  Wiederhersteller  der  schonen  Wissenschaften  und  als  ein 
Schriftsteller  von  gutem  Geschmack  geriihmt,  steht  aber  im  Ruf 
grosser  Unzuverlassigkeit  und  Leichtgliiubigkeit  ^.  Diesen  Vor- 
wurf  bestatigt  der  Inhalt  seines  Geschichtswerks,  namentlich  die 
vorstehende  Erzahlung,  nebst  den  Unklarlieiten  und  Widerspriichen, 
die  in  den  beiden  angefiihrten  Stellen  sich  vorfinden.  Diese 
Stellen  widersprechen  sich  in  Ansehung  der  H5he  der  Los- 
kaufsumme  und  in  Ansehung  der  berechtigten  Personen;  unklar 
ist  die  Bezeichnung  der  Berechtigten,  besonders  die  Stelle,  die 
von  den'  Gattinnen  der  Prafecten  spricht.  Die  schwiilstige  Fas- 
sung  des  Gesetzes  steht  mit  der  Angabe  von  seinem  hohen  Alter 
in  Widerspruch;  die  Ausdriicke  sind  so  gefasst,  als  ware  bereits 
zur  Zeit  des  Konigs  Evenus  das  Lehnswesen  in  Schottland  aus- 
gebildet  gewesen,  was  noch  nicht  einmal  von  der  Zeit  des  Konigs 
Malcolm  IIL  Canemore  feststeht^. 

Ferner  ist  nicht  ajizunehmen,  dass  zur  Zeit  des  Kaisers  Au- 
gustus  ein  Konig  Xamens  Evenus  oder  iiberhaupt  ein  Konig  von 
Schottland  lebte  ^.  Hatte  um  jene  Zeit  ein  einziger  Konig  iiber 
Schottland  geherrscht,  so  wiirden  dariiber  bei  Ciisar  und  Strabo, 
sowie  bei  Pomponius  Mela  und  andern  Schriftstellern  Nachrichten 
zu  finden  sein,  was  nicht  der  Fall  ist^;  sicherlich  hiitte  Solinus 
dariiber  nicht  geschwiegen,  da  er  von  den  fiinf  Hebriden  beson- 
ders  hervorhebt,  sie  lagen  so  nahe  aneinander,  dass  sie  zusammen 
einen  einzigen  Konig  hatten  ^.  Anderson  bemerkt,  unter  Be- 
rufung  auf  mehrere  Geschichtswerke,  es  sei  bekannt,  dass  die 
Caledonier  und  Picten  erst  um  das  fiinfte  Jahrhundert  unter  einem 
Herrscher  vereinigt  wurden,  und  die  Scoten  erst  im  vierten  Jahr- 
hundert,  vielleicht  sogar  erst  um  das  Jahr  503  n.  Chr.  Geb.,  sich 
in   dem    heutigen  Schottland  dauernd  niederliessen  ^     Die    durch 

1  Mackenzie,  Lives  Bd.  2  S.  376—451 :  the  life  of  Hector  Boeis,  principal 
of  the  Kings  CoUege  at  Aberdeen.  Robertson  Bd.  1  S.  5.  Fabricius  S.  195. 
.Jocher  Bd.  2  S.  1426.  Johnson  S.  21,  22,  45.  Michaud  Bd.  4  S.  668.  Didot 
Bd.  6  S.  362,  363.     Potthast  S.   171. 

2  Vgl.  Dalrymple  Bd.  1  S.  28  —  30:  Chalmers  Bd.   1  S.  455—457. 
'  Macpherson  S.  193. 

»  Vgl.  Caeear,  De  bello  Gall.  lib.  4  cap.  27  u.  30,  lib.  5  cap.  22  u.  .50; 
Mela  lib.  3  cap.  6;  Strabo  lib.  4  cap.  5  u.  6   (Ausg.   1853,  S.   165—167). 

5  Solinus  cap.  25. 

6  Anderson  S.  72.     Vgl.  auch  W.  Skene  S.  XXIV  if. 


Kapitel  40.    Kunig  Evenus  von  Schottland.  199 

Casar^,  Solinus^  und  den  hl.  Hieronymus  gemeldeten  Nachrich- 
ten,  wonach  bei  den  alten  Bewohnern  Schottlands  und  der  be- 
nachbarten  Inseln  die  ehelichen  Zustiinde  sehr  ungeordnet  waren, 
und  kaum  feste  Ehen  bestanden,  sind  ebenfalls  mit  der  Erzahlung 
des  Hector  Boethius  unvereinbar. 

Hiitte  ein  Gesetz  des  Konigs  Evenus  in  Schottland  bestan- 
den ,  und  wiire  es,  wie  Hector  Boethius  behauptet,  zur  An- 
wendung  gekommen,  so  miissten  Nachrichten  und  Beschwerden 
dariiber  schon  vor  dem  elften  Jahrhundert  ausserhalb  Schottlands 
bekannt  geworden  und  zum  papstlichen  Stuhl  gelangt  sein.  Mac- 
pherson^  sagt:  „Der  Satiriker  Gildas"^,  welcher  die  heftigsten 
Vorurtheile  gegen  die  Schotten  unterhielt,  wiirde  eine  solche  Cxe- 
legenheit  sich  nicht  haben  entgehen  lassen,  mit  seiner  gewohnten 
Bitterkeit  gegen  sie  zu  eifern;  Beda  ^  selbst,  obwohl  ein  Schrift- 
steller  von  grosserer  Humanitiit  und  Mjissigung,  wiirde  einen  so 
bemerkenswerthen  Theil  ihres  Charakters  nicht  iibersehen  haben, 
zumal  da  er  sie  mehr  als  einmal  anklagt."  John  Pinkerton  hat 
iiber  die  Geschichte  Schottlands  aus  der  Zeit  vor  Konig  Mal- 
colm  III.  eine  kritische  Untersuchung  angestellt  und  'den  Yersuch 
gemacht,  eine  zuverlassige  Geschichte  herzustellen;  doch  finde 
ich  darin  nicht  einmal  den  Namen  des  Konigs  Evenus,  daher  noch 
weniger  dessen  angebliches  Gesetz  erwiihnt  ^.  Die  Yitae  San- 
ctorum  von  Surius,  von  Pinkerton  und  von  Guerin  enthalten 
ausfiihrliche  Lebensbeschreibungen  der  lil,  Margaretlie,  Konigin 
von  Schottland ,  und  viele  Naclirichten  von  den  durch  ihren 
Einfiuss  beseitigten  Missbriiuchen ,  jedoch  keine  Andeutung 
iiber  Aufhebung  eines  Gesetzes  von  Konig  Evenus  ^.  Ebenso- 
wenig  steht  dariiber  Etwas  in  den  AYerken  des  Willielmus  Mal- 
mesburiensis  (st.  1141),  De  Gestis  rerum  Anglorum,  und  des 
Rogerus  de  Hoveden  (st.  nach  1201),  Annalium  pars  prior,  so- 
wie  in  den  bei  Bouquet  (Brial)  abgedruckten  sonstigen  Ge- 
schichtswerken ,   obwohl  in  allen  diesen  Werken  der  Einfluss  der 


'  Caesar,  De  bello  Gall.  lib.  5  cap.  12.  14. 

2  Soliniis  Ausg.  1646,  cap.  25  S.   302.  303.     Vgl.  oben  Kap.  39  S.  195. 

3  Macpherson  S.  194. 

■*  Gildas  Badonicus  sive  Sapiens  starb  570  oder  577.  Vgl.  iiber  ihn  und 
seine  Werke  Potthast  S.  341. 

^  Beda  Venerabilis  (starb  26.  Mai  735),  Chronicon,  und  Historia  ecclesiastica 
gentis  Anglorum.     Vgl.  Potthast  S.  159,  J160. 

^  Pinkerton,  Enquiry. 

'  Wohl  aber  ist  die  Sage  in  die  AA.  SS.  der  Bollandisten  aufgenoinmen, 
Bd.  2  S.  332  Anm.  e. 


200  Kapitel  40.    Koaig  Eveiius  von  Schottland. 

Konigin  Margarethe  auf  Konig  Malcolm  mit  mehreren  Beispielen 
geriihmt  wird  ^ 

Es  fragfc  sich  nun,  woher  Hector  Boeis  die  Nachricht  vom 
Gresetz  des  Konigs  Evenus  entnommen  hat.  Dieselbe  findet  sich 
weder  in  dem  Hauptwerk  der  alteren  schottischen  Geschichte, 
von  Johann  Fordun'-^,  noch  in  der  Geschichte  Schottlands  von 
Joannes  Major  ^.  Letzterer  war  ein  Zeitgenosse  des  Hector  Boeis, 
scheint  aber  die  Erzahlung  vom  Gesetz  des  Konigs  Evenus  nicht 
gekannt  zu  haben ''.  Man  konnte  denken,  Hector  Boeis  habe  jene 
Nachricht  von  seinem  Zeitgenossen  Polydorus  Tergilius  ^  entnom- 
men,  dessen  Werk  (De  rerum  inventoribus)  vom  7.  Aug.  1-499 
in  der  Vorrede  datirt  ist,  also  dem  Anschein  nach  aus  alterer 
Zeit  als  das  Werk  von  Hector  Boeis  (1526)  herruhrt.  Allein  die 
fragliche  Stelle  fehlt  bei  Polydorus  Vergilius  in  den  Ausgaben 
bis  zum  Jahr  1532  '^.  Daher  ist  die  in  den  neueren  Ausgaben 
enthaltene  Stelle  wahrscheinlich  auf  Hector  Boeis  zuriickzufiihren  ". 
Ferner     konnte    man   an    den   Kanzler    von  Schottland,    AVilliam 


'  Script.  post  Bedam  S.  122,  453.  464.  Bouquet  (Brial)  Bd.  11  S.  156, 
176,  315:  Bd.  12  S.  571,  572,  651,  765. 

2  Der  Domherr  Johann  Fordun  von  Aberdeen  schrieb  in  der  zweiten  Halfte 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  eine  Geschichte  Schottlands.  die  mit  Zusatzen 
des  Abts  Walter  Bower  von  S.  Columba  aus  der  Zeit  von  1441  bis  1449 
unter  dem  Titel  Scotichronicon  im  Jahr  1759  herausgegeben  ist.  Darin  ist 
noch  keine  Rede  von  Konig  Evenus. 

^  Die  Historia  Majoris  Britanniae.  tam  Angliac  quam  Scotiae.  per  Joannem 
Majorera,  ist  im  Jahr  1521  erschienen.  also  nur  wenige  Jahre  vor  dem  Werk 
des  Hector  Boethius. 

*  Er  spricht  namlich  von  zahlreichen  Dichtungen.  dle  iiber  dic  alte  Ge- 
schichte  Schottlands  verbreitet  seien,  erwiihnt  al)er  mit  keinem  Wort  einen 
Kijnig  Namens  Evenus  oder  gar  dessen  Gesetz. 

^  Polyd.  Verg.  lib.  1  cap.  4,  in  den  Ausgaben  Basel  1575  und  Amsterdam 
1671:  .  .  .  „Fuit  idem  mos  apud  Scotos.  ut  novam  nuptam  dominus  loci  ante 
virum  comprimeret.  Quod  nempe  institutum  post  homines  Christianos  natos 
turpissimum,  Malcolmus  tertius  eorum  rex  princeps  optimus  sustulit,  circiter 
annum  salutis  humanae  MXC.  constituitque.  ut  nubentes,  pudicitiae  redimendae 
causa.  locorum  dominis  nummum  aureum  penderent.  id  quod  hodie  adhuc 
servatur."     Daraus :  v.  d.  Schelling  Bd.  1  S.  148,  149. 

^  Namentlich  fehlt  die  angefiihrte  Stelle  in  den  Ausgaben,  die  zu  Strass- 
burg  im  Jahr  1509  und  zu  Basel  in  den  Jahren  1521  und  1532  erschienen. 
Die  beiden  jiltesten  Ausgaben,  aus  Vcnedig  von  den  .lalircn  1499  und  1503, 
habe  ich  nicht  vergleichen  konnen. 

"^  Dies  wiirde  selbst  dann  anzunehmen  sein.  wenn  sich  nachweisen  liessc, 
dass  die  in  den  neueren  Ausgaben  enthaltene  Stelle  auf  handschriftlichen 
Aufzeichnungen  von  Polydorus  Vergilius  bcruhtou.  da  derselbe  erst  gegen 
1555  gestorben  ist. 


Kapitel  40.    Konig  Evcnus  von  Schottlaiid.  201 

Elphinston,  denken,  der  eine  in  der  Bodleian  Library  zu  Oxford 
liandschriftlich  aufbewahrte  Geschichte  Schottlands  geschrieben 
hat  ^  Denn  Mackenzie  spricht  in  der  Lebensbesclireibung  Elphin- 
ston's  und  im  Bericht  iiber  seine  Geschichte  Scliottlands  voni 
Gesetz  des  Konigs  Evenus,  wie  wenn  er  die  Nachricliten  dariiber 
aus  der  Greschichte  Elphinston's  entnommen  htitte  ^.  Allein  nach 
dem  speciellen  Bericht,  den  Thomas  Innes  iiber  die  dem  Elphinston 
zugeschriebene  Geschichte  Schottlands  liefert,  ist  dies  Werk  fast 
ganzlich  aus  Fordun  entnommen  und  von  der  Darstellung  des 
Hector  Boeis  ganz  verschieden,  dergestalt,  dass  es  nur  wenige 
Zeilen  iiber  die  ersten  vierzig  angeblichen  Konige  enthalt  ^. 
Drittens  konnte  eine  Schrift  von  Mackenzie  zu  der  Meinung  ver- 
leiten,  dass  dic  Sage  vom  Gesetz  des  Konigs  Evenus  schon  im 
zwolften  Jahrhundert  l)ekannt  gewesen  sei,  namlich  um  die  Zeit 
des  Abtes  Aelred  von  Riedual,  der  am  12.  Januar  1166  starb  ^ 
Denn  in  der  Beschreibung  seines  Lebens  wird  auf  sein  Werk 
iiber  die  heilige  Margarethe  verwiesen,  welches  im  dritten  Band 
von  Surius  abgedruckt  ist.  Hierbei  Ijerichtet  Mackenzie :  „Durch 
ein  altes  Gesetz  von  Evenus  dem  Dritten  waren  alle  Noblemen, 
Gentlemen  und  andern  Grundeigenthiimer  ermachtigt,  bei  jeder 
Heirath  ihrer  Bauern  (tenants)  die  erste  Nacht  der  Braut  zu 
haben;  zur  Abschaffung  dieser  hiisslichen  Sitte  verordnete  un- 
sere  Konigin ,  dass  jeder  Grundherr  verpflichtet  sein  soUe, 
von  seinem  Bauer  bei  dessen  Hoclizeit,  als  Preis  fiir  die  Jung- 
friiulichkeit  der  jungen  Frau,  eine  Mark  Gold  anzunehmen."  ^ 
Der  Zusammenhang  macht  den  Eindruck,  als  sei  diese  Stelle  aus 
der  bei  Surius  abgedruckten  Schrift  des  Abtes  Aelred  entnommen. 
Dies  ist  aber  nicht  der  Fall;  denn  dort  findet  sich  kein  Wort 
von   Evenus  ^.      Hector    Boeis   nennt   als   Quellen   seines   Werks, 

1  Innes  Bd.  1  S.  219,  220.  Mackenzie,  Lives  Bd.  2  S.  118.  —  William 
Elphinston  starb  im  Jahr  1514;  durch  ihn  ward  Hector  Boethius  im  Jahr  1500 
an  das  neu  gegriindete  Kings  College  zu  Aberdeen  berufen.  Vgl.  Mackenzie. 
Lives  Bd.  2  S.  3,  4,  382. 

-  Mackenzie.  Lives  Bd.  2  S.  14:  .  .  .  „and,  by  another  law .  the  Lord  of 
the  ground  was  allow"d  the  maiden-head  of  every  bride". 

3  Lines  Bd.  1  S.  220. 

♦  Mackenzle.  The  live  of  St.  Aelred  Abbot  of  Riedual.  Lives  Bd.  1  S.  123 
bis  140. 

=  Mackenzie.  Lives  Bd.   1  S.  132. 

^  Surius  Bd.  3.  unter  dem  10.  Juni:  „-Vita  S.  Margaretae  reginae  Scotiae, 
quara  quidem  S.  Adelredus  Abbas  primo  conscripsit.  sed  haec,  quam  nos 
edimus ,  ab  alio  quodam  incerto  authore .  ex  illo  brevius  descripta  est" 
(Ausg.  V.   1579    S.  686—690:    Ausg.  v.   1618.    S.    167—169).     Es    bedarf    hier 


202  Kapitel  40.    Konig  Evenus  von  Schottland. 

aiisser  der  Geschichte  Elphinston's,  noch  eine  Geschichte  von  Tur- 
got,  eine  Chronik  von  Inch-Colm  und  hauptsachlich  Veremundus, 
John  Campbell  und  Cornelius  Hybernicus  *.  Das  Werk  von  Tur- 
got  enthiilt  keine  Andeutung  von  einem  Gesetz  des  Konigs  Eve- 
nus  ^.  Ebensowenig  ist  dariiber  Etwas  in  der  Chronik  von  Inch- 
Colm  zu  finden^.  Die  Geschichtswerke  von  Veremundus,  John 
Campbell  und  Cornelius  Hybernicus  sind,  wie  es  scheint,  verloren 
gegangen;  doch  ist  es  sehr  unwahrscheinlich ,  dass  Jichte  Werke 
dieser  Geschichtschreiber  dem  Hector  Boeis  iiberhaupt  vorgelegen 
haben ''.  Hatten  sich  diese  Werke  bis  zu  seiner  Zeit  erhalten, 
so  wiirden  sie  schon  von  friiheren  Schriftstellern  benutzt  wor- 
den  sein.  Keinenfalls  liegt  geniigender  Grund  zu  der  Ver- 
muthung  vor,  dass  in  einem  dieser  drei  alten  AVerke  Etwas  von 
Evenus  und  von  dessen  Gesetz  gestanden  habe,  Andererseits  ist 
dem  Hector  Boeis  nach  seiner  Personlichkeit  nicht  zuzutrauen, 
dass  er  wissentlich  falsche  Berichte  verbreitete.  Daher  diirfte 
die  Vermuthung  von  Innes  Beifall  verdienen ,  dass  Boeis  die 
alte  Geschichte  Schottlands  aus  Biichern  geschopft  habe,  die  als 
Werke  von  Veremundus,  Campbell  und  Cornelius  Hybernicus 
ausgegeben   wurden ,  >  in  AVahrheit   aber   aus  seiner   eigenen   Zeit 


keiner  Erortening  der  Streitfrage,  ob  und  wieweit  diese  Lebensbeschreibung 
vom  hl.  Aelred  •  herriihrt.  Mackenzie  (Lives  Bd.  1  S.  139)  vertheidigt  die 
Urheberschaft  Aelred's  gegen  Du  Pin .  der  behaupten  soll ,  dass  die  meisten 
unter  dem  Namen  Aelred's  mitgetheilten  Lebensbeschreibungen  von  Surius 
selbst  verfasst  seien.  Doch  scheint  auch  hier  ein  Irrthum  von  Mackenzie 
vorzuliegen.  Denn  bei  Du  Pin  findet  sich  keine  derartige  Aeusserung,  son- 
dern  im  Gegentheil  der  Ausdruck  ungetheilten  Lobes  iiber  die  Leistungen 
von  Surius.  Vgl.  Du  Pin,  16<=  siecle,  S.  407—409. 
^  Vgl.  Lines  Bd.  1  S.  218. 

2  Das  Werk  des  Turgot  steht  in  den  AA.  SS.  zum  10.  Juni  abgedruckt. 
Nicht  dies  AVerk,  sondern  nur  eine  Anmerkung  der  Bollandisten  zu  demselben, 
verweist  auf  die  Erzahlung  voii  jenem  Gesetz.  und  zwar  auf  Grund  der  Be- 
richie  von  Hector  Boeis  und  Buchanan. 

3  Denn  die  Chronik  von  Inch-Colm  ist,  wie  Innes  Bd.  1  S.  219  versichert, 
aus  den  ersten  Biichern  von  Fordun  entnommen. 

*  Man  sagt,  diese  alten  Geschichtswerke  seien  im  Kloster  Ycolmkill  auf- 
bewahrt  gewesen  und  dort  zur  Zeit  des  Konigs  Eduard  I.  von  England  vor 
der  Vernichtung  bewahrt  worden:  Hector  Boeis  will  sie  im  Jahr  1525  aus 
der  Bibliothek  zu  Ycolmkill  zugeschickt  erhalten  haben.  Allein  seine  Ge- 
schichte  erschien  schon  im  folgenden  Jahr,  und  es  erscheint  als  unglaublich, 
dass  die  Bibliothek  von  Ycolmkill,  wenn  darin  die  Hauptwerke  der  Geschichte 
Schottlands  aufbewahrt  wurden,  von  der  allgemeinen  Vernichtung  der  Ur- 
kunden  iiber  die  alte  Geschichte  Schottlands  verschont  blieb.  Vgl.  Innes 
Bd.  1   Buch  2  Kap.  3  Art.  2  §  2,  S.  214—225. 


Kapitel  40.    Konig  Evenus  von    Schottland,  203 

stammten  ^  "NVenn  diese  Vermuthung  zutrifFt,  so  kann  Heetor  Boeis 
seine  Nachrichten  im  Glauben  an  die  "NVahrheit  derselben  aus 
AVerken,  die  jetzt  in  Yergessenheit  gerathen  sind,  nachgeschrieben 
und  aus  miindlichen  Ueberliet'erun<jen  von  unsicherm  Wertli  er- 
giinzt  liaben  ^. 

Hiernach  besteht  keine  Sicherheit  iiber  die  Quelle,  woraus 
die  angefiihrte  Erzahlung  von  Konig  Evenus  geschopft  ist, 
wohl  aber  die  Gewissheit,  dass  sie  keinen  Anspruch  auf  ge- 
schichtliche  Wahrheit  erheben  kann  ^.  Die  marcheta  oder  mer- 
cheta  war  eine  Heirathsabgabe;  davon  handeln  zahlreiche  Ur- 
kunden,  die  keinen  Anlass  zur  Vermuthung  eines  unehrbaren 
Ursprungs  dieser  Abgabe  bieten  *.  Nichtsdestoweniger  haben 
zahlreiche  Schriftsteller  die  Erzahlung  fiir  wahr  angenommen 
und  weiter  verbreitet.  Bald  nach  der  zweiten  Ausgabe  des 
Hector  Boeis  erschienen  zwei  Werke  iiber  die  Geschichte  Schott- 
lands  mit  entgegengesetzten  Tendenzen,  namlich  im  Jahr  1578 
zu  Rom  das  (dem  Papst  Gregor  XIII.  gewidmete)  AVerk  des 
Bischofs  John  Lesly  ^  zu  dem  Zweck,  die  Gerechtigkeit  der 
Sache  von  Maria  Stuart  zu  vertheidigen  ^,  und  im  Jahr  1582  zu 
Edinburgh  das  Werk  von  George  Buchanan  ^  zu  dem  Zweck, 
die  Emporung  gegen  die  schottische  Konigsfamilie  zu  recht- 
fertigen  ^.  Diese  beiden  Schriftsteller  haben  die  Erzahlung  des 
Hector  Boeis  vom  Gesetz  des  Kimigs  Evenus  und  von  der 
neuen  Anordnung  des  Konigs  Maleolm  mit  einigen  Aenderungen 


1  Innes  S.  225:  „the  writings  and  memorials  that  passed  under  the  name 
of  Veremund  in  Boece's  time  are  but  late  inventions  about  Boece's  own  time". 

2  Eine  andere  Art  milder  Beurtheilung  des  Hector  Boeis  findet  sicli  bei 
Raepsaet  3.  Ausg.  S.  34. 

3  Derselben  Meinung  sind:  Grupen  §  2  S.  4—6;  Whitacker  S.  265:  Dal- 
rymple  Bd.  1  S.  33;  Astle  S.  35;  Corner  S.  7,  8. 

*  Vgl.  Kap.  15  S.  76—83  und  Kap.  16  S.  84—88. 

5  John  Lesly,  Bischof  von  Ross  (geb.  1526,  gest.  1596),  vertheidigte  an 
mehreren  Hofen ,  namentlich  auch  in  Rom,  die  Sache  seiner  Konigin  Maria 
Stuart  bis  zu  deren  Tod ;  darauf  zog  er  sich  in  ein  Augustinerkloster  bei 
Briissel  zuriick,  wo  er  auch  starb,  Vgl.  Mackenzie,  Lives  Bd.  2  S.  502—618; 
Innes  Bd.  1  S.  290—294;  INIichaud  Bd.  24  S.  295,  296. 

6  Mackenzie,  Lives  Bd.  2  S.  506. 

'  George  Buchanan  (geb.  1506,  gest.  5.  Dez.  1582)  wurde  wegen  dieses 
Werks  vor  den  geheimen  Ratli  geladen,  starb  aber  vor  dem  Tag  des  Ver- 
hors.  Nach  seinem  Tod  wurde  das  Buch  durch  einen  Parlamentsakt  ver- 
boten  (Parl.  8  Jacob  VI.  An.  1584,  chap>  134).  Vgl.  Innes  Bd.  1  S.  305  ff.; 
Mackenzie,  Lives  Bd.  3  S.  156—186;  J5cher  Bd.  1  S.  1446;  Johnson  S.  6; 
Michaud  Bd.  6  S.  198—200. 

s  Mackenzie,  Lives  Bd.  2  S.  171. 


204  Kapitel  40.    Koiiig  Evenus  von  Schottland. 

wiederholt.  Lesly  sagt,  nach  dem  Gesetz  des  Konigs  Evenus  III. 
habe  allen  Adeligen  und  Herren  freigestanden,  sowohl  die  Toch- 
ter  ihrer  Bauern  und  Schutzhorigen,  bevor  dieselben  heiratheten, 
als  auch  die  Ehefrauen  ihrer  Untergebenen  zu  schanden;  dies 
Gesetz  sei  auf  Bitten  der  heiligen  Margarethe  durch  Malcolm  III. 
aufgehoben  worden,  unter  Einfiihrung  einer  noch  giiltigen  Geld- 
abgabe,  wodurch  die  Heirathserlaubniss  eingelost  werde  ^.  Bucha- 
nan  schreibt,  Konig  Evenus  III.,  der  als  sechzehnter  Konig 
Schottlands  vom  Jahr  12  bis  zum  Jahr  4  v,  Chr.  Geb.  regierte, 
habe  ein  Gesetz  erlassen,  wonach  der  Konig  die  Keuschheit  der 
adeligen  Braute,  und  die  Adeligen  diejenige  der  plebejischen 
Briiute  vor  deren  Hochzeit  verkosteten  - ;  und  an  einer  anderen 
Stelle,  Konig  Malcolm  III.  habe  auf  Bitten  der  Konigin  bewilligt, 
dass  die  erste  Nacht  der  vermiihlten  Jungfrau,  die  nach  einem 
Gesetz  des  Konigs  „Eugenius"  den  Htiuptlingen,  mit  gewissen 
Abstufungen,  gebiihrte,  durch  den  Brautigam  mit  einer  lialben 
Silbermark  eingelost  werden  konne ;  dies  Losegeld  heisse  marcheta 
mulierum  ^.  Dieselbe  Erzahlung  wurde  noch  im  sechzehnten 
Jahrhundert  durch  Petrus  Gregorius  (nach  Boeis),  durch  Ragueau 
(nach  Buchanan)  und  durch  Du  Yerdier  weiter  verbreitet  *.  Dann 
folgten  im  siebenzehnten  Jahrhundert:  J.  Skene,  Yannozzi,  Au- 
tomne,  Spelman,  Boxliorn,  Papebroeck,  d'Espeisses,  Plot,  Brodeau, 


*  Leslaeus  lib.  2  cap.  16  S.  96  (Gesetz  des  Konigs  Evenus):  „Ut  omnes 
Nobiles  et  domini  suorum  villicorum  et  clientum  filiabus  ad  libidinem  suam 
explendam  abuterentur,  earumque  pvidicitiam  et  virginitatis  primitias  prius 
delibarent.  quam  libero  legitimi  matrimonii  contrahendi  jure  fruerentur:  simi- 
liter  et  infimorum  iixoribus  Proceres  Nobilesque  pro  suo  arbitratu  uterentur''; 
und  Leslaeus  lib.  6  cap.  86  S.  213  (Geaetz  des  Kimigs  Malcolm  IIL):  ,,nara 
quam  Evenus  tertius  de  primitiis  Virginum  delibandis  fixit  legem ,  iste  ut 
foedissimam  liberalique  homine  indignam  refixit  ac  penitus  antiquavit."  In 
dieser  Darstellung  ist  von  der  Hochzeitsnacht  keine  Rede .  und  der  Betrag 
der  Abfindungssumme  nicht  angegeben. 

2  Buchanan  lib.  4  fol.  31  v.:  ...  „ut  Rex  ante  nuptias  sponsarum  nobilium. 
nobiles  plebejarum  praelibarent  pudicitiam".  An  dieser  Stelle  wird  die  erste 
Nacht  nicht  erwahnt,  wohl  aber  an  einer  andern  Stelle,  worin  von  der  Auf- 
hebung  dieses  Gesetzes  die  Rede  ist.     Vgl.  die  folgende  Anm. 

3  Buchanan  lib,  7  fol.  62  v. :  „Uxoris  etiam  precibus  dedisse  fertur.  ut 
primam  novae  nuptae  noctem,  quae  proceribus  per  gradus  quosdam  lege  Regis 
Eugenii  debebatur,  sponsus  dimidiata  argenti  marea  redimere  posset :  quam 
pensionem  adhuc  Marchetas  mulierum  vocant."  Erst  in  dieser  Stelle  ist 
gesagt,  dass  im  Gesetz  des  Konigs  „Eugenius"  (der  hier  mit  Evenus  ver- 
wechselt  wird)  den  Hiluptlingen  „die  erste  Nacht"  der  Briiute  liberlassen  sci. 

*  Ragueau  unter  Les  marquettes.  Petr.  Gregor.  lib.  9  cap.  1  n.  45.  S.  604, 
605.     Du  Verdier  S.  96. 


Kapitel  40.    Konig  Evenus  von  Schottland.  205 

Moreri,  Ducange  und  Menage*;  im  achtzehnten  Jahrhundert: 
Mackenzie,  Bayle,  Lauriere,  Gundling,  Hildebrand ,  C.  P.  Hoff- 
mann,  Keysler,  van  der  Schelling,  l*otgiesser,  Sale,  die  Heraus- 
geber  von  Beaumont  und  Fletcher,  ferner  Zedler,  die  Encyklo- 
padisten  (de  Jaucourt,  Boucher  d'Argis  und  Garran  de  Coulon), 
Voltaire,  Renauldon,  das  Grand  Yocabulaire  und  das  Diction- 
naire  de  Trevoux,  Dulaure  und  Blackstone^;  im  neunzehnten 
Jahrhundert:  Merlin,  Roquefort,  Collin  de  Plancy,  Peuchet  et 
Chanlaire,  Stephen,  Diimge,  Kolb,  Sugenheim,  Brinckmeier, 
Scherr,  Bastian,  de  Gubernatis,  Liebrecht,  de  Labessade  ^.  Alle 
diese  und  viele  andere  Schriftsteller  haben  ihre  Nachrichten  iiber 
das  von  Evenus  eingefiilirte  und  von  Malcolm  abgeschaffte  Her- 
renrecht  theils  direct,  theils  indirect  aus  dem  Werk  von  Hector 
Boeis  geschopft*. 

Die    einzelnen    Abweichungen    und    Entstellungen    der    von 
Boeis   herriihrenden   Erzahlung   sind   mannigfacher   Art.     So   soll 

*  J.  Skene  ku  Reg.  Maj.  lib.  4  cap.  31.  Vannozzi  Bd.  2  Nr.  529,  S.  253. 
Automne  Tit.  8  §  1  Art.  81,  S.  477.  Spelman  unter  Marchet.  Boxhorn  zu 
Sueton  lib.  4  §  40.  Boxhorn ,  Lex.  unter  Amobr.  AA.  SS.  10.  junii,  S.  Mar- 
garetha,  Bd.  2  S.  332  Anm.  e.  D'Espeisses  Bd.  3  Tit.  6  sect.  9,  S.  306.  Plot 
cap.  8  Xr.  1  S.  278.  Brodeau  S.  273.  Moreri  Bd.  4  S.  294  unter  Evenus  III. 
Ducange  uuter  Marcheta.     Menage  unter  Marquette. 

2  Mackenzie.  Def.  cap.  7  S.  118,  119.  Bayle  Bd.  13  S.  335,  unter  Sixte  IV, 
lit.  H.  Laurifere  unter  CuUage  und  Marquettes.  Gundlingiana  zehntes  Stiick 
S.  503,  verdruckt  statt  599.  Hildebrand  S.  188,  189.  C.  P.  Hoffmanii  S.  58. 
Keysler  §  64  S.  485—488.  v.  d.  Schelling  Bd.  1  S.  148,  149.  Potgiesser 
lib.  2  cap.  2  §  26.  Sale,  franz.  Ausg.  S.  22,  engl.  Ausg.  S.  10.  Beaumont 
und  Fletcher  Bd.  2  S.  5.  Zedler  Bd.  8  S.  2092  unter  Evenus  III.  Encycl. 
1.  Ausg.  Bd.  4  S.  548,  unter  Culage,  von  Boucher  d'Argis,  und  Bd.  10  unter 
Marchet,  von  M.  de  Jaucourt.  Voltaire  ,  Dict.  phil.  unter  Cuissage.  Bd.  39 
S.  209,  und  unter  Taxe  Bd.  43  S.  298.  Renauldon  liv.  5  chap.  10  S.  450. 
Grand  Vocab.  Bd.  17  S.  173.  Encycl.  meth.,  Jurispr.  unter  Culage,  Bd.  3 
S.  434,  und  unter  Marquette,  Bd.  5  S.  834,  835,  von  Garran  de  Coulon. 
Dict.  de  Trevoux  unter  CuUage,  Bd.  3,  und  unter  IMarquette.  Bd.  13.  Dulaure, 
Gesch.  d.  Adels  S.  241,  242.     Blackstone  Bd.  2  (S.  83  in  der  9.  Ausg.). 

^  Merlin.  Rep.  unter  Markette.  Roquefort,  Suppl.  S.  106.  Collin  de  Plancy 
Bd.  1  S.  169—171.  Peuchet  et  Chanlaire  S.  23.  Stephen  Bd.  1  (S.  216  der 
5.  Ausg.).  Diimge  S.  19,  20.  Kolb  1842,  S.  496,  497  und  1843,  S.  73.  Sugen- 
heim  1861,  S.  103.  Brinckmeier  Bd.  2  S.  190.  Scherr  1865.  S.  129.  Bastian 
S.  175.  de  Gubernatis,  Usi  S.  199.  Liebrecht  1874.  S.  138  und  1879.  S.  416. 
de  Labessade  S.  22,  23,  95. 

*  Fallt  diese  Grundlage  zusammen,  so  bleibt  kein  Grund  fiir  die  Meinung 
iibrig,  dass  iu  Schottland  das  jus  primae- noctis  bestanden  habe.  Damit  er- 
ledigt  sich  die  auch  sonst  unhaltbare  Vermuthung  (vgl.  Anderson  S.  73),  das 
jus  primae  noctis  in  Schottland  konne  durch  Ausartung  des  Lehenwesens 
entstanden  sein. 


206  Kapitel  41.    Schlacht  von  Gabhra. 

die  durch  Konig  Evenus  eingefiihrte  Unsitte  urspriinglich ,  wie 
George  Sale  nach  Bayle  angiebt,  die  Namen  ^culliage"  und 
„cullage"  ,  nach  Merlin  den  jSTamen  „prelibation"  gefiihrt  haben. 
Als  ob  die  alten  Caledonier  franzosisch  gesprochen  hatten!  Re- 
nauldon  meint,  noch  Konig  Malcolm  habe  das  Recht  in  Anspruch 
genommen,  mit  den  neuvermahlten  Frauen  zu  schlafen.  Dulaure 
versichert ,  dieser  Gebrauch  sei  noch  im  elften ,  zwolften  und 
dreizehnten  Jahrhundert  in  Schottland  im  Schwung  gewesen  und 
erst  spater  zufolge  von  Emporungen  in  eine  Geldabgabe  ver- 
wandelt  worden.  Collin  de  Plancy  erzahlt,  zwar  sei  schon  Mal- 
colm  III.  durch  zahlreiche  Emporungen  veranlasst  worden,  die 
Ablosung  des  durch  Evenus  eingefiihrten  Rechts  zu  gestatten; 
doch  hatten  die  armen  Leibeigenen,  denen  die  Mittel  des  Los- 
kaufs  fehlten,  sich  nach  wie  vor  die  Ausiibung  des  Herrenrechts 
der  ersten  Nacht  gefallen  lassen  miissen,  und  die  Abschaffung  des- 
selben  sei  erst  viel  spater,  vor  noch  nicht  langer  Zeit,  geschehen. 
Die  Herausgeber  von  Beaumont  und  Fletcher  meinen,  Konig 
Eugenius  III.  von  Schottland,  der  im  Jahr  535  n.  Chr.  Geb.  zur 
Regierung  kam,  habe  jenes  Recht  eingefiihrt  ^  Joachim  Hilde- 
brand  meint,  jenes  .Recht  habe  in  Schottland  seit  Einfiihrung 
des  Christenthums  bestanden  und  sei  durch  Konig  Malcolm  den 
Zweiten  abgeschafft  worden  ^.  Sugenheim  sagt,  Konig  Ewen,  durch 
den  das  jus  primae  noctis  in  Schottland  eingefiihrt  sei,  habe  im 
siebenten  oder  achten  Jahrhundert  regiert  ^.  Alle  diese  Nach- 
richten  sind  theils  auf  Leichtglaubigkeit  und  theils  auf  Erfindung 
moderner  Schriftsteller  zuriickzufiihren. 


4.    Veranlassung  der  Schlacht  voii  Gahhra  in  Irland. 

Kapitel  41.  Mehr  oder  minder  beglaubigte  Nachrichten  iiber 
die  alte  Geschichte  Irlands  beziehen  sich  auf  die  Heldenthaten 
der  Fenier,  der  „Fianna  Eireann",  namlich  der  iiber  ganz  Irland 
verbreiteten  Kriegerschaaren ,  die  im  Dienst  des  Monarchen  das 
Land  gegen  feindliche  Angriffe  vertheidigten  und  mit  grossen 
Yorrechten  ausgestattet  waren  *.  In  jeder  der  vier  Provinzen, 
Ulster,  Connaught,   Munster  und  Leinster,   stand   eine  Hauptab- 


^  Beaumont  iind  Fletcher  Ausg.  1750,  15d.  '1  S.  5. 

2  Hildebrand  S.  188,  189.  ^  Sugenheim  1861,  S.  103. 

^"  Vgl.  0'Kearney  S.  40—46;  W.  Skene  S.  LXIV— LXXVII:  0'Curry 
Bd.  2  S.  376—382;  Windisch  S.  547.  —  Das  Wort  Fian  bedeutet  Held  ( Win- 
disch  S.  547),  wird  aber  auch  von  Fiadach,  d.  i.  Jagen,  oder  von  Fineadha, 
d.  i.  Familien  oder  Stamme,  abgeleitet.     Vgl.  0'Curry  Bd.  2  S.  37G,  377. 


Kapilel  41.    ychlacht  vou  Gabhra.  207 

theilung  dieses  Kriegsheers.  Der  beriilimtestc  Fian  !  lleld)  war 
Finn  oder  Fionn,  Mac  Cumhaill  (Sohn  des  Curahaill,  des  Sohnes 
von  Baoisgne) ;  er  war  Heerfuhrer  in  der  Provinz  Leinster, 
als  Haupt  des  Stammes  (der  Clanna)  Baoiscne  oder  Baoisgne. 
Yon  ihm  wird  gemeldet,  dass  er  durch  den  im  Jahr  26(5  n.  Chr. 
Geb.  gestorbenen  Konig  von  Irland,  Namens  Cormac  Mac  Airt, 
mit  dem  Oberbefehl  iiber  alle  Fenicr  Irlands  betraut  wurde  ^. 
Als  Cormac's  Sohn  und  Nachfolger,  Cairbre  LifFeachair  oder 
Lithfeacair  (268 — 284),  die  Regierung  antrat,  erneuerte  sich  ein 
alter  Streit  iiber  die  unter  dem  Namen  „Boromean  Tribute"  be- 
kannte  Abgabe,  die  der  Monarch  von  den  Konigen  der  Provinzen 
begehrte.  Der  Konig  von  Leinster,  Breasal  Belach,  weigerte 
sich ,  die  Abgabe  zu  entrichten ,  und  riistete  sich  zum  Krieg  ^. 
Er  verleitete  den  Finn  Mac  Cumhaill,  die  Sache  seines  Kriegs- 
herrn  zu  verlassen  und  ihm  beizustehen.  Finn  sammelte  seine 
Truppen  und  besiegte  auf  dem  Schlachtfeld  zu  Cnamhros  den 
Konig  Cairbre  Liffeachair,  der  in  der  Schlacht  seine  drei  Sohne 
und  neuntausend  Mann  seiner  Truppen  verlor  ^  Is^ach  dieser 
Niederlage  schenkte  Cairbre  Liffeachair  sein  ganzes  Vertrauen 
dem  Anfiihrer  der  Connaught-Fianua,  Namens  Aed  Caemh,  von 
der  Clanna  Morna  (Moirna).  Durch  diesen  Stamm,  der  auf  die 
Clanna  Baoisgne  wegen  des  Yorrangs  langst  eifersiichtig  war, 
wurde  Cairbre  zu  einera  neuen  Krieg  angereizt,  und  zwar  gegen 
Mogh  Corb  (Mogha  Cuirb),  den  Konig  von  Munster,  einen  Enkel 
des  inzwischen,  im  Jahr  283,  verstorbenen  Finn  3Iac  Curahaill. 
Finn's  Tochter,  Namens  Samhair,  war  die  Gattin  des  Corraac  Cas, 
Konigs  von  Munster,  und  ihr  Sohn  war  der  genannte  Mogh  Corb 
(Mogha  Cuirb).  Durch  Finn's  Tod  wurde  dessen  Sohn  Oisin 
(d.  i.   der   Dichter    Ossian)    Haupt    des    Stamraes    Baoisgne  *.     In 


<  0"Curry  Bd.  2  S.  377.  -  0"Curry  Bd.  2  S.  383. 

3  0'Curry  Bd.  2  S.  384—386. 

♦  0"Curry  Bd.  2  S.  387.  Danach  ist  die  Nachricht.  dass  Finn  im  Jahr  283 
durch  Aichleach,  Sohn  von  Duibhdreann,  zu  Ath  Brea  am  Boyne  getodtet 
wurde,  aus  den  „Annals  of  the  Four  Masters"  entuommen.  Mit  der  Darstel- 
lung  0'Curry's  stimmen  zwei  Berichte,  die  0"Kearney  aus  alten  Handschriften 
entnommen  hat  (0'Kearney  S.  48  und  59),  im  Wesentlichen  iiberein.  In  dem 
einen  derselben  (0'Kearney  S.  48)  heisst  es:  ...  „the  Clanna  Moirne  pro- 
voked  the  monarch  and  other  princes  of  Ireland  to  warr  upon  Mogha  Cuirb, 
King  of  Munster.  because  he  protected  the  Clanna  Baoisgne,  hoping  by  that 
meanes  that  they  should  be  deserted  by  the  King  of  Munster,  and  so  be 
utterly  expelled  the  kingdom,  which  the  monarch  did  although  that  was  his 
own  daughter'3  (not  sister's)  son.  But  the  King  of  Munster  stuck  faithfuUy 
to  the  Clanna  Baoisgne,  whereupon  issued  the  Battaille  of  Gabhra"  ,  .  . 


208  Kapitel  41.    Schlacht  von  Gabhra. 

der  morderischen  Schlacht  von  Gabhra  ^  kampfte  der  Monarch 
Cairbre  Liffeachair  mit  der  Clanna  Morna  und  andern  Streit- 
kraften  gegen  den  Konig  von  Munster  nebst  den  Feniern  vom 
Stamm  Baoisgne,  unter  dem  Befehl  von  Oisin  (Ossian).  Die 
Letzteren  unterlagen,  und  die  Macht  der  Fenier  vom  Stamm 
Baoisgne  wurde  vernichtet  ^.  Kaum  Einer  blieb  iibrig.  In  der 
Schlacht  wurde  Oscar,  der  beriihmte  Sohn  Oisin's,  durch  Cairbre 
getijdtet,  der  seinerseits  eine  Wunde  von  Oscar  empfangen  hatte 
und  dann  ebenfalls  auf  dem  Schlachtfeld  den  Tod  fand. 

Die  Fenier  Irlands,  namentlich  Fionn  Mac  Cumhaill ,  sein 
Sohn  Oisin  (Ossian)  und  dessen  Sohn  Oscar  (Osgar)  sind  Helden 
der  Finnsage,  die  aus  den  Ossianischen  Gedichten  bekannt  ist^ 
Zu  diesem  Sagenkreis  gehoren  die  liber  die  Schlacht  von  Gabhra 
verfassten  Dichtungen,  die  im  Jahr  1853  durch  Nicholas  0'Kear- 
ney  Esq.  fur  die  Ossianic  Society  in  irischer  Sprache  mit  eng- 
lischer  Uebersetzung  theils  im  Ganzen,  theils  in  Ausziigen 
herausgegeben  Avurden.  Daraus  hat  0'Kearney  folgende  Be- 
schreibung  entnommen:  „Der  Sohn  des  Konigs  der  Decies  er- 
bat   und   erlangte    die    Einwilligung   von    Sgeimh    Sholais    (Licht 


1  0'Curry  (Bd.  2  S.  383  und  387)  sagt,  die  Sehlacht  habe  stattgefunden  zu 
„Gabhra  Aicle,  now  the  hill  of  Skreen,  near  Tara".  0'Kearney  spricht  von 
der  „battle  of  Gabhra,  Garristown  in  the  County  of  Dublin".  Windisch 
(S.  157)  bemerkt  iiber  die  „Schlacht  bei  Gabair  Aicle",  der  im  Englischen 
iibliche  Ausdruck  „the  battle  of  Gabhra"  sei  incorrect,  weil  ..Gabhra"  die 
Genitivform  von  „Gabair"  sei.  —  Ueber  die  Zeit  der  Schlacht  finden  sich  die 
Angaben  folgender  Jahreszahlen :  283  (bei  0'Kearney  S.  5,  60,  und  zwar  mit 
dem  Datum  des  17.  Juni),  284  (bei  0"Curry  Bd.  2  S.  386  und  Windisch  S.  157) 
und  296  (OTlaherty  bei  0'Kearney  S.  60,  Anm.).  Finn  starb  im  letzten  Jahr 
vor  der  Schlacht,  doch  wird  sein  Sterbejahr  ebenfalls  verschieden  angegeben, 
namlich  auf  283  (0'Curry  Bd.  2  S.  387  und  Windisch  S.  146),  273  (Win- 
disch  S.  59)  und  285  (W.  Skene  S.  LXV).  Die  beiden  letztgenannten  An- 
gaben  mogen  Druckfehler  sein. 

2  0"Kearny  S.  40.  0'Curry  Bd.  2  S.  382,  387,  388.  Windisch  S.  157. 
Vgl.  unten  S.  210,  Anm.  3. 

'  Vgl.  Windisch  S.  59.  65.  146 — 158.  Danach  haben  die  Iren  zwei  alte 
Sagenkreise.  Zu  den  Hauptpersonen  des  altern  Sagenkreises  gehort  Concho- 
bar,  Konig  von  Ulster.  der  um  20  n.  Chr.  Geb.  starb.  Der  zvpeite  Sagenkreis 
ist  zweihundert  Jahre  spater  angesetzt:  Hauptheld  desselben  ist  Finn  Mac 
Cumaill.  Die  durch  James  Macpherson  seit  1760  herausgegebenen  Ossiani- 
schen  Gedichte  sind  nicht  blosse  Erfindungen  des  Herausgebers,  sondern  Um- 
arbeitungen  von  zahlreichen  kleinen  Dichtungen.  die  in  Schottland  seit  An- 
fang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  und  in  Irland  noch  friiher  bekannt  Avaren. 
Der  gegenwartige  Stand  der  lebhaft  erorterten  Streitfrage  iiber  die  Ossiani- 
schen  Gedichte  kann  aus  W.  Skene  (S.  XLVII— LXIII)  und  Windiach 
(S.  146  —  155)  ersehen  werden. 


Kapitel  41.    Schlacht  voii  Gabhra.  209 

von  Schonheit),  Tochter  des  Monarchen  Cairbre,  ihn  zu  ihrem 
Bhegatten  anzunehmen.  Als  die  Fenier,  unter  denen  damals 
der  Stamm  Baoisgne  den  Oberbefehl  fiihrte ,  von  jener  Ver- 
lobung  Xachricht  erhielten,  schickten  sie  Botschafter  an  den 
Monarchen,  um  ihn  an  ihre  Vorrechte  zu  erinnern  und  zwanzig 
Unzen  (Barren)  Gold  als  ein  Losegeld  fiir  die  Dame  zu  begehren. 
Cairbre  ward  unwillig  iiber  diese  Zumuthung  und  gelobte,  ent- 
weder  die  Fenier  auszurotten  oder  bei  diesem  Unternehmen  unter- 
zugehen.  Er  liess  die  Konige  der  Provinzen  durch  Botschaf- 
ter  von  seinen  Absichten  in  Kenntniss  setzen  und  erlangte 
die  allgemeine  Zustimmung  seiner  Fiirsten  und  Volker.  Der 
Stamm  Baoisgne,  der  grosse  Unterdriicker  des  irischen  Volkes, 
und  seine  Anhiinger  beschlossen,  dem  Monarchen  und  seinen 
Streitkriiften  in  einer  Schlacht  entgegenzutreten,  und  sicherten 
sich  den  Beistand  der  schottischen  und  brittischen  Fenier."  ^ 
Dann  folgte  die  Vorbereitung  und  Ausfiihrung  der  Schlacht. 
Von  ahnlichem  Inhalt  ist  die  Erzahlung,  womit  eine  in  Prosa 
abgefasste  Schilderung  der  Schlacht  anfangt:  „Cairbre,  Sohn 
von  Art,  des  Sohnes  von  Conn  von  den  hundert  Schlachten, 
hatte  eine  schone,  sanfte,  wiirdevolle  und  bescheidene  Tochter. 
Sie  hiess  Sgeimhsholas  (Licht  von  Schonheit).  Maolsheachlainn 
0'Faolain,  Sohn  des  Konigs  oder  Herrschers  der  Decies,  begehrte 
sie  zur  Frau.  Als  Fionn  und  die  Fenier  von  Irland  dies  horten, 
schickten  sie  Botschafter  an  Cairbre,  um  ihn  zu  er- 
innern,  den  Tribut  zu  zahlen,  namlich  zwanzig  Un- 
zen  (oder  Barren)  Grold  oder  das  Recht,  mit  der  Prin- 
zessin  die  Nacht  vor  ihrer  Hochzeit  zu  schlafen.  Cair- 
bre  ward  unwillig  iiber  die  Botschaft  und  erklarte,  er  werde  sich 
keiner  von  beiden  Bedingungen  unterwerfen.  Fionn  liess  ihm 
sagen,  entweder  miisse  er  zahlen,  oder  nur  der  Kopf  der  Prin- 
zessin  werde  geniigen,  um  die  Verletzung  des  Vorrechts  zu 
siihnen.  Hieriiber  gerieth  Cairbre  in  Zorn,  und  ohne  Verzug 
sandte  er  Herolde."  Die  Kunige  von  Ulster,  Leinster  und  Munster 
wurden  aufgeboten;  sie  erschienen;  und  die  Schlacht  ward  vor- 
bereitet^.     „Obwohl  diese  Erzahlung,"  bemerkt  ^icholas  0'Kear- 


1  0'Kearney  8.  58.  59. 

^  Tlie  hattle  of  Guhhra ,  bei  0'Kearney  S.  135  u.  137:  ,,Cairbre,  the  son 
of  Art,  the  son  of  Conn  of  the  Hiindred  Battles,  had  a  fair,  mild-eyed.  digni- 
fied,  and  modest  daughter.  Sgeimhsholas"(Light  of  Beauty)  was  her  name; 
and  Maolsheachlainn  0'Faolain,  son  of  the  king  or  lord  of  the  Decies,  came 
to  seek  her  as  his  wife.  When  Fionn  and  the  Fenians  of  Ireland  heard  of 
this,  tJiey  despatched  messengers  to  Ca/rbre,  to  remind  him  to  pay  the  trihute, 

Schmidt,  Jns  primae  noctis.  14 


210  Kapitel  41.    Schlacht  von  Gabhra. 

ney,  „keiuenfalls  als  ein  Stiick  iichter  (Teschichte  angesehen  wer- 
den  kann,  so  verdient  sie  doch  aufbewahrt  zu  werden,  weil  sie 
alter  ist  als  irgend  ein  anderer  Bericht  iiber  die  grosse  Schlacht.  .  . 
Es  ist  klar,  dass  der  Yerfasser,  wer  er  auch  gewesen  sein  mag, 
Erinnerungen  von  irischer  Geschichte  hatte,  die  er  in  seinem 
Geiste  vereinigte,  indem  er  Namen  und  Thatsachen  verwechselte 
und  Alles  in  eine  confuse  Masse  zusammenwarf."  ^ 

Dass  die  vorstehende  Erzahlung  „alter  ist  als  irgend  ein  an- 
derer  Berichi  iiber  die  grosse  Schlacht",  diirfte  zu  bezweifeln  sein. 
Deun  sie  findet  sicli,  wie  0'Kearney  selbst  bemerkt,  in  keiner 
audern  Geschichtsquelle  ^  und  steht  mit  den  oben  (S.  207,  208) 
erwalmten  anderweitigen  Ermittlungen  der  Geschichtschreiber,  mit 
Einschluss  der  eigeuen  Darstellung  0"Kearney's,  in  Widerspruch  ^. 
Ueber  das  Alter  der  Schrift,  die  dem  Abdruck  zu  Grunde  liegt, 
hat  0'Kearney  keine  Auskunft  gegeben;  doch  scheint  sie  aus 
der  zweiten  Hiilfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  herzustammen  ^ 


riz.  twenty  ungas  (ingots  or  ounces)  of  gold ,  or  the  right  of  cohahiting  with 
the  princess  the  night  precious  to  her  marriage.  Cairbre  became  very  indignant 
upon  hearing  this  message,  and  declared  he  never  would  submit  to  either  of 
these  conditions.  Fionn  thereupon  sent  him  word  that  he  should  pay  either, 
or  that  the  head  of  the  princess  only  should  satisfy  the  violation  of  the 
privilege.  Upon  hearing  this ,  Cairbre  became  exceedingly  enraged ,  and  lost 
no  time  in  despatching  heralds  to  Conall  Cionnbagair,  king  of  the  province 
of  Ulster ;  to  Criomthan  Culbhuidhe,  king  of  Leinster ;  and  to  Fiacha  Muillea- 
than,  king  of  Munster.  They  all  assembled  at  one  place,  and  Cairbre  ex- 
plained  to  them  the  nature  of  his  difficulty,  and  the  thraldom  under  which 
he  and  his  people  -vvere  lield  by  Fionn  and  the  Fenians  of  Ireland.  .  .  .  The 
kings  and  nobles  of  Ireland  thereupon  became  exceedingly  enraged,  and  came 
to  the  conclusion  not  to  endure  or  tolerate  such  shivery  any  longer.  They 
all  returned  to  their  own  provinces,  and  having  held  council  with  their 
people ,    came    to    the   resolution   nf  expelling    the  Fenians    from  Ireland'''.  .  . 

'  0'Kearney  S.  134. 

-  0'Kearney  S.  134:  „The  account  opens  with  a  piece  of  history  nowhere 
else  to  be  met  with,  namely,  the  intended  marriage  of  the  monarch  Cairbre's 
daughter  with  a  Momoniam  prince,  and  the  tribute  or  tax  claimed  by  the 
Fenians  even  from  royalty  itself  for  permission  to  celebrate  the  nuptials  of 
the  princess  of  Ireland.'' 

3  Der  Widerspruch  liegt  hauptsachlich  in  den  Angaben  iiber  die  Veran- 
lassung  des  Streits,  sodann  aber  auch  in  dem  Bericht  (0"Kearney  S.  59,  137 ), 
dass  selbst  der  Konig  von  Munster  auf  Seiten  des  Monarchen  gestanden  habe, 
und  in  der  angeblichen  Ungewissheit  des  Sieges  (0'Kearney  S.  61) 

^*  Vgl.  W.  Skene  S.  LXI  (wo  zwar  nicht  von  der  hier  fraglichen  Prosa- 
Erziihlung,  wohl  aber  von  dem  im  selben  Bande  veriiffentlichten  Gedicht  iibcr 
die  Schlacht  von  Gabhra  gesagt  wird,  es  gehore  zu  einer  im  .Tahr  1780  an- 
gefertigtcn  Handschriftensammluiig) :  Windisch  S.  149,  150. 


Kapitel  41,    Schlacht  von  (labhra.  211 

Weg-eii  (ler  sclnviilstigen  Fassung  vermutliet  0'Kearney,  dass 
die  Erzahlung  aus  dem  iunfzehnten  Jahriiundert  oder  aus  dem 
Anfang  des  sechzehnten  Jalirliunderts  herriilire  ^  Hiergegen  ist 
einzuwenden ,  dass  eine  solclie  Sciireibart  auch  im  achtzelmten 
Jahrhundert  moglicli  war.  Keineufalls  ist  daraus  fiir  die  Frage, 
wann  die  Sage  in  der  mitgetheilten  Form  entstanden  ist,  etwas 
Sicheres  zu  entnehmen;  und  noch  weniger  konnen  die  An- 
gaben  iiber  die  Yeranlassung  der  Schlacht,  namentlich  iiber 
die  Priitensionen  der  Fenier,  als  geschichtlich  festgestellt  er- 
achtet  werden.  Es  wiirde  daher  ein  grober  Irrthum  sein,  wenn 
man  annelimen  wollte,  die  Erziihlung  iiber  den  Anspruch  der 
Fenier  auf  den  bezeichneten  Tribut  gehore  der  Geschichte  an. 
Zu  diesem  Irrthum  kann  ein  Citat  Helfferieh's  fiihren,  der  in 
einer  Untersuchung  iiber  das  jus  primae  noctis  (mit  Berufung  auf 
eine  Gefiilligkeit  von  Jacob  Grimm)  die  oben  (S.  209)  hervor- 
gehobenen  Worte  ohne  Angabe  des  Zusammenliangs  und  ohne 
Erorterung  iiber  den  Werth  der  Quelle  mitgetheilt  hat  ^. 

Nach  Inhalt  der  vorstehenden  Sage  behaupteten  die  Fenier, 
eine  Yerletzung  ihres  Vorrechts  durch  die  Yerlobung  der  Ko- 
nigstochter  erlitten  zu  haben.  Yielleicht  war  hiermit  das  in 
einer  andern  Dichtung  (iiber  die  Abenteuer  der  Sabia,  Tochter 
von  Eophan  Og)  erwahnte  Yorrecht  gemeint,  wonach  die  Fenier 
verlangen  konnten,  dass  der  Konig,  bevor  er  seine  Tochter  ver- 
lobe,  anfragen  miisse ,  ob  keiner  von  den  Feniern  sie  zur  Frau 
begehre  ^.  AYeil  diese  Anfrage  unterlassen  war ,  verlangten  die 
Fenier  einen  Tribut  von  zwanzig  Unzen  Gold  oder  Anerkennung 
ihres  Rechts,  mit  der  Prinzessin  die  Nacht  vor  ihrer  Hochzeit 
zu  schlafen.  Darin  ist  ein  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  nicht 
zu  finden.  Denn  abgesehen  davon,  dass  die  Fenier  eine  Alter- 
native  zur  Auswahl  liessen,   und   dass   sie   fiir  den  Fall  der  Yer- 


»  0'Kearney  S.  135. 

-  Helfterich  S.  419.  —  Helfferich  bemerkt  dazu :  „Das  celtische  leapta  ist 
belonging  to  a  bed."  Diese  Bemerkung  ist  an  sich  richtig.  (Vgl.  Lluyd 
und  0'Reilly :  „Leaptha,  belonging  to  a  bed".)  Allein  es  ist  nicht  verstandlich, 
wie  sie  mit  der  Schlacht  von  Gabhra  zusammenhangen  soll. 

^  Nach  dieser  Dichtung  (0'Kearney  S.  43)  wurden  einstmals  die  Frauen 
der  Fenier-Hauptlinge  beim  Baden  durch  einen  Fremden  iiberrascht.  Der 
Fremde  erkundigte  sich  nach  den  Sitten  und  Vorrechten  der  Fenier.  Die 
Fenierkonigin  gab  Auskunft  dariiber  und  erzahlte  u  A. :  „Niemand  in  Irland 
darf  Jemandem  eine  Frauensperson  zur  Ehe  geben  ,  ohne  dreiroal  anzufragen, 
ob  unter  den  Feniern  Irlands  kein  Mann  sei,  der  sie  heirathen  wolle;  meldet 
sich  ein  Fian,  so  wird  sie  ihm  gegeben." 

14* 


212  Kapitel  42.    Untergang  von  Harapa. 

weigerung  des  Losegeldes  nicht  auf  die  Hochzeitsnacht ,  son- 
dern  auf  die  Nacht  vor  der  Hochzeit  Anspruch  erhoben,  so 
kann  der  fragliche  Anspruch  der  Fenier  iiberhaupt  nicht  als 
Herrenrecht  bezeichnet  werden,  weil  er  auf  die  Konigstochter 
gerichtet  war. 

B.    Galt  das  jus  primae  noctis  im  Mittelalter? 

I.    Indien. 

a.    Untergang  der  Stadt  Harapa. 

Kapitel  42.  Bastian  fiihrt  zum  Beweise  eines  jus  primae 
noctis  den  Satz  an,  ein  Hauptling  der  weissen  Hunnen,  Namens 
Shorkot,  habe  bei  jeder  Heirath  in  Harapa  das  Vorrecht  des 
Ehemanns  in  Anspruch  genommen  *.  Obwohl  die  Quelle  dieser 
Nachricht  nicht  angegeben,  und  eine  deshalb  gestellte  Anfrage  ^ 
ohne  Antwort  gebliebeu  ist,  so  kann  doch  einige  Aufklarung 
dariiber  gegeben  werden. 

Im  Jahr  1831  reiste  namlich  eine  englische  Gesandtschaft 
mit  Geschenken  fiir  den  Maharaja  von  Lahore  von  Hyderabad 
nach  Lahore  ^.  Alexander  Burnes ,  ein  Mitglied  der  Gesandt- 
schaft,  besichtigte  auf  der  Reise  die  R.uinen  zweier  alten  Stadte, 
und  zwar  Shorkote,  zwischen  den  Fliissen  Chenab  und  Ravee, 
und  Harapa,  seitwarts  vom  linken  Ufer  des  Ravee.  In  seiner 
Reisebesclireibung  wird  eine  Sage  erwahnt,  dass  Shorkote  vor 
ungefahr  1300  Jahren  (also  etwa  im  sechsten  Jahrhundert  nach 
Chr.  Geb.)  durch  einen  Konig  des  Westens  zerstort  worden 
sei.  Burnes  meint  jedoch ,  die  Erzahlung  iiber  Shorkote  sei 
eine  glaubhafte  Ueberlieferung  von  Alexander  d.  Gr. ,  der  an 
diesem  Orte  verwundet  worden  sei ''.  Ueber  Harapa  schreibt 
Burnes :  „Ungefahr  fiinfzig  englische  Meilen  von  Toolumba 
ging  ich  fiinf  Meilen  landeinwarts,  um  die  Ruinen  einer  alten 
Stadt,  Namens  Harapa,  zu  untersuchen.  Die  Ueberreste  sind 
ausgedelmt,    und    der    Ort,    der    von    Backsteinen    erbaut    war. 


*  Bastian  S.  179:  „Shorknt  (leader  of  the  Avhite  Huns)  claimed  the  hus- 
bands  privilege  on  every  marriage  ( in  Harapa)." 

2  Arch.  f.  Anthrop.  Bd.  12  S.  268.  Es  ist  anznnehmen,  dass  Herr  Pro- 
fessor  Dr.  Bastian  von  dieser  Anfrage  Nichts  erfahren  hat. 

^  Die  hekannte  Stadt  Lahore  liegt  am  Fluss  Ravee  oder  Hydraotes,  der 
unterhalb  der  Stadt  Toolumba  in  den  Fluss  Chenab  oder  Acesines  einmiindet; 
der  Fluss  Chenab  miindet  bei  Mooltan  in  den  Indus. 

*  Burnes  vol.  3  chap.  5  S.  131,   132. 


[ 


Kapitel  42.    Untergang  von  Haiapa.  213 

liat  ungotalir  drei  Meilen  im  Umfang.  Dort  sielit  man  eine  zer- 
storte  Citadelle  an  der  Uferseite  der  Stadt;  sonst  ist  Harapa  ein 
vollsttindij^es  Chaos,  ohne  ein  ganzes  Gebaude;  die  Backsteine 
sind  zum  Bau  eines  kleinen  Ortes  mit  dem  alten  Namen,  dicht 
bei  den  Ruinen,  verwendet.  Die  Ueberlieferung  setzt  den  Unter- 
gang  von  Harapa  in  dasselbe  Zeitalter,  wie  den  von  Shorkote  (vor 
1300  Jahren),  und  das  Volk  erklart  die  Zerstorung  der  Stadt 
durch  eine  Rache  Gottes  iiber  Harapa ,  und  zwar  iiber  dessen 
Beherrscher ,  der  gewisse  Vorrechte  bei  jeder  Heirath 
in  seiner  Stadt  beanspruchte  und  in  Verfolg  seiner 
Ausschweifungen  sich  der  Blutschande  schuldig 
raachte.  Zu  einer  spatern  Zeit  wurde  Harapa  eine  muhamme- 
danische  Stadt;  und  dort  ist  das  Grab  eines  Heiligen  der  Glau- 
bigen,  achtzehn  Fuss  lang,  in  der  angeblichen,  aber  fabelhaften 
Grosse  des  Verstorbenen.  Ein  grosser  Stein  von  Ringform  und 
eine  grosse  schwarze  Platte  von  ovaler  Gestalt,  die  neben  dem 
Grabe  liegen ,  sollen  den  Ring  und  den  Edelstein  im  Ring  dieses 
Riesen  darstellen  und  von  werthvollerem  Stoff  gewesen  sein, 
als  dem  gegenwiirtigen  unedlen.  ^Yo  solche  Fabeln  geglaubt 
werden,  miissen  wir  aufhoren,  auf  verstiindige  Dichtung  zu  hoffen. 
Ich  fand  einige  persische  und  Hiudu-Miinzen  in  diesen  Ruinen; 
aber  ich  kann  das  Zeitalter  von  keiner  derselben  bestimmen."  ^ 
In  dieser  Darstellung  sind  die  fraglichen  Vorrechte,  die  der 
Herrscher  von  Harapa  soll  in  Anspruch  genommen.haben,  nicht 
genau  bezeichnet;  und  es  ist  nicht  nothig ,  an  das  jus  primae 
noctis  zu  denken,  zumal  da  der  Bericht  mehrere  (^gewisse") 
Vorrechte  erwahnt.  Auch  fehlt  eine  Angabe  iiber  das  Alter  der 
Volkssage  und  iiber  die  Art,  wie  Burnes  Kenntniss  davon  erhalten 
hat.  Hiernach  ist  ungewiss,  ob  die  im  Jahr  1831  entdeckte  Sage 
aus  alten  Zeiten  herriihrt,  und  ob  sie  in  Indien  entstanden  ist; 
es  ist  daher  nicht  gerechtfertigt ,  ohne  eine  Untersuchung  dieser 
Vorfragen  aus  dem  Bericht  von  Burnes  zu  folgern  oder  auch  nur 
eine  Vermuthung  herzuleiten^,  dass  in  Indien  einst  das  jus  primae 
noctis  geherrscht  habe.  Sicher  ist  nach  dem  Wortlaut  des  Berichts, 
dass  die  Erzahlung  dem  Gebiet  der  Dichtung  oder  Sage  angehort. 
Mithin  wird  die  Behauptung  Bastian's  durch  Burnes  keineswegs 
bestatigt;  abgesehen  davon,  dass  der  Name  Shorkote  nicht  einem 
Hauptling,  sondern  einer  Stadt  zukommt. 


*  Burnes  vol.  3  chap.  5  B.   137. 

2  Dieser    Fehler   findet    sich    bei    Liebrecht    1864,    S.    541,    ebenso    1874, 
S.    141   und   1879.  S.   419. 


214     Kapitel  43.    Konig  von  Tsiampa.     Kapitel  44.    Priester  in  Cambodja. 

b.    Recht  des  Konigs  von  Tsiampa. 

Kapitel  43.  Der  Venetianer  Marco  Polo  soll  im  Jahr  1230 
das  Konigreich  Ziampa  oder  Tsiampa  (Cambodja)  besucht  ha- 
ben  ^  Yon  dieser  Reise  wird  berichtet,  im  Reich  des  Konigs 
von  Ziampa  diirfe  kein  Madchen  von  einiger  Schonheit  heirathen, 
bevor  es  dem  K6nig  vorgestellt  sei;  er  behalte  diejenigen,  die 
ihm  gefielen,  fiir  einige  Zeit  iind  gebe  ihnen  bei  der  Entlassung 
eine  Summe  als  Ausstattung  fiir  eine  standesgemasse  Heirath  ^. 
Hieraus  folgern  zwei  Gelehrte  der  Gegenwart,  dem  Konig  von 
Tsiampa  habe  das  jus  primae  noctis  zugestanden  *.  Doch  ist 
diese  Meinung,  abgesehen  von  der  Frage,  ob  und  inwieweit 
die  Nachricht  Glauben  verdient,  schon  nach  deren  Wortlaut 
unhaltbar.  Denn  danach  bestand  die  Unsitte  darin,  dass  der 
Konig  aus  seinen  Unterthanen  (ohue  Unterschied  des  Standes) 
Madchen,  die  ihm  gefielen,  fiir  seinen  Harem  auswahlte,  und 
dass  er  sie  dort  behielt,  solange  es  ihm  beliebte ;  diese  Tyrannei 
wurde  einigermassen  dadurch  gemildert,  dass  dieselben  bei  der 
Entlassung  eine  Ausstattung  empfingen,  um  sich  verheirathen 
zu  konnen.  * 

c.    Buddha-Priester  in  Cambodja. 

Kapitel  44.  Der  durch  Abel-Remusat  iibersetzte  und  her- 
ausgegebene  Reisebericht  eines  chinesischen  Gesandten  aus  dem 
Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  enthalt  eine  Beschreibung,  wie 
im  Konigreich  Cambodja,  unter  grossen  E^estlichkeiten,  den  Jung- 
frauen  von  einem  Priester  Buddha's  oder  der  Tao-sse-Sekte  durch 
eine  Manipulation  das  Zeichen  der  Jungfraulichkeit  genommen 
wurde  '^.     Dies   geschah   nach  Inhalt    des   Berichts   nicht   bei   den 


'  Ueber  die  Reisebeschreibung  dcs  Marco  Polo  vgl.  Hiillmann  Bd.  4 
S.  357—362.  besonders  S  361:  „Die  Nachrichten  iiber  Indien.  Persien, 
Arabien ,  Aethiopien  sind  ans  arabischen  Schriften  entiehnt." 

'  M.  Polo,  book  3  chap  6  S  586:  .  .  .  „in  his  dominions  no  young  woman, 
of  a  certain  degrefj  of  beauty,  can  be  given  in  marriagc,  iintil  she  has  been 
first  presented  to  the  king.  Those  who  proove  agreeal)le  to  him  he  retains 
for  some  time,  and  when  they  are  di.smissed .  he  furnislies  tliem  with  a  sum 
of  money ,  in  order  that  they  may  be  able  to  obtain .  according  to  their  rank 
in  life,  advantageous  matches".  .  .  .  Hior/u  bemerkt  Marsden  (Note  1174), 
es  lasse  sich  nicht  feststollen,  ob  das  ..droit  du  soigneur"  in  Tsiampa  be- 
standen  habe. 

3  Liebrecht  1864,  S.  541,  ebenso  1874,  S.  141  und  1879,  S.  419  do  (luber- 
natis.  Indie  S.   137. 

*   Romusat    S.    116  —  118:  .  .  .  „Audivi    illuin    oum    virgino  simul   in   proxi- 


Kapitel  45.    Brahmaiien  in  Ostindien.  215 

einzelnen  Heiratlien,  sondern  jilhrlicli  zu  gewisser  Zeit  in  meh- 
reren  Hausern.  Von  einem  jus  primae  noctis  ist  hierbei  keine 
Rede.  (xleichwohl  beruft  sich  ein  moderner  Gelehrter  auf 
diesen  Bericht  fiir  die  an  sich  unklare  Behauptung,  dass  in  Cam- 
bodja  das  jus  priniae  noctis  jenem  1'riester  ^aufliege"  („in- 
combe")*;  woraus  ein  anderer  Schriftsteller  folgert,  „dass  in 
Cambodja  das  jus  primae  noctis  dem  Buddha-Priester  oder  Tao-sse 
gehore"  ^.  Ohne  Grund  erwahnt  auch  Liebrecht  jenes  Yerfahren 
des  Buddha-Priesters  unter  den  vermeintlichen  Beweisen  eines 
jus  primae  noctis  ^. 

d.    Brahmanen  in  Ostindien. 

Kapitel  45.  Dalloz  meint,  die  Brahmanen  hatten  die  Erst- 
linge  (les  premices)  der  neuvermiihlten  Frauen  gehabf^.  Und 
Angelo  de  CTubernatis  versichert,  im  mittelalterlichen  Indien  hatten 
die  Brahmanen  das  jus  primae  noctis  besessen  ^.  Er  berichtet  in 
einem  andern  Werk,  in  Malabar  fanden  sich  Brahmanen,  die  aus 
religioser  Pfiicht  den  jungen  Madchen,  bevor  dieselben  heirathen 
konnten,  das  Zeichen  ihrer  Jungfraulichkeit  abnahmen  und  sich 
dafiir  noch  bezahlen  liessen;  selbst  der  Konig  von  Calicut  raume 
das  jus  primae  noctis  einem  Brahmanen  ein ''.  Zur  Erklarung 
dieses  Missbrauchs  erwahnt  de  Gubernatis  eine  alte ,  in  der  Brah- 
manen-Gesellschaft  Indiens  verbreitete   und  durch  zahlreiche  Ge- 


mum  ciilnculum  ingredi,  il)ique  eam,  maim  adliibita,  constuprare.  Manum 
deinde  in  vinum  immittit.  quo,  si  quibusdam  credideris,  pater,  mater,  proximi 
tandem  atque  vicini,  frontem  signant;  si  aliis,  vinum  ore  ipsi  degustant. 
Sunt  ct  qui  sacerdotem  puellae ,  pleno  coitu  misceri  asserunt,  alii  contra 
contendunt."     Vgl.  Koppen  Bd    1   S    584:  Lassen  Bd.  4  S.  408.  , 

1  Giraud-Teulon  S    71.  -  Kulischer  S.  223. 

■^  Liebrecht  1879,  S.  420. 

**  Dalloz,  Dict.  gen.  Bd.  1  unter  Adultere :  .  .  .  „Ailleurs  les  Bramines  avaient 
les  pr6mices  des  jeunes  mariees."  Hier  i.st  kein  be.stimmtes  Zeitalter  ge- 
nannt;  doch  kann  die  Bemerkung  auf  das  MittelrJter  bezogen  werden 

5   de  Gubernatis,  Thiere  S.   200. 

•*  de  Gubernatis,  Indie  S.  137:  .  .  .  „trovarsi  nel  Malabar  1)ralimani,  i  quali, 
come  per  unico  loro  compito  religioso,  levano  il  tiore  della  virginitii  alle 
fanciulle,  che  per  questo  li  pagano  e  senza  del  che  non  potrebbero  pigliar 
marito.  II  re  stesso  di  Calicut  concede  il  jiis  priniae  noctis  ad  un  brkh- 
mano".  .  .  .  Vgl.  de  Gubernatis,  Usi  S.  197,  198  („idea  di  purificare  la  sposa"). 
Der  Bericht  ist  so  gefasst,  als  soUe  6r  sich  auf  die  Gegenwart  oder 
wenigstens  auf  die  Neuzeit  beziehen;  doch  kann  er  auch  vom  Mittelalter 
verstanden  werden,  da  der  Titel  des  Werkes  auf  die  Zeit  vom  dreizehnten 
bis  sechzchnten  Jahrhundcrt  verweist. 


216  Kapitel  45.    Bralimanen  in  Ostindien 

dichte,  Leg-endeu  imd  Xovellen  bestatigte  Yolksanschauung  \  wo- 
nach  der  Besuch  eines  Brahmanen  als  Segen  fiir  kinderlose  Ehe- 
gatten  gelte,  und  insofern  der  Brahmane  als  Befruchter  betrachtet 
werde  ^. 

Nun  ist  zuvorderst  klar,  dass  de  Gubernatis  in  den  angefiihr- 
ten  Stellen  den  Ausdruck  jus  primae  noctis  in  einem  andern  Sinn 
gebraucht,  als  in  der  seit  dem  achtzehnteu  Jahrhundert  herge- 
brachten  Bedeutung;  denn  nach  dem  Zusammenhang  seiner  Dar- 
stellung  wiirde  das  Yorrecht  des  Brahmauen  darin  bestehen,  dass 
er  auf  Begehren  des  Konigs  oder  anderer  Manner  eine  durch 
religiose  Yorschriften  eingefiihrte  Handlung  vornimmt  und  dafiir 
eine  Gobiihr  empfangt.  Insofern  kann  hier  von  einera  Herren- 
recht  nicht  gesprochen  werden.  Es  ist  aber  auch  nicht  gerecht- 
fertigt,  die  thatsachlichen  Angaben  von  Gubernatis  auf  Treu  und 
Glauben  als  richtig  anzunehmen,  zumal  da  sein  Bericht  an  meh- 
reren  Unklarheiten  leidet  ^,  und  der  weitere  Inhalt  seiner  Schrift 
iiber  das  jus  primae  noctis ,  soweit  derselbe  sich  auf  das  euro- 
piiische  Mittelalter  bezieht,  den  Beweis  liefert,  dass  der  genannte 
Gelehrte  bei  Untersuchung  dieser  Frage  die  Ansichten  von  Du- 
cange  und  spatern  Schriftstellern  ohne  ausreicliende  Priifung  fiir 
richtig  angenommen  hat. 

Hatten  alle  indischen  Brahmanen,  wie  de  Gubernatis  anzu- 
nehmen  scheint,  im  Mittelalter  oder  in  iilterer  Zeit  jenes  Recht 
besessen,  das  er  mit  dem  Ausdruck  jus  primae  noctis  bezeichnet,  so 
miisste  es  leicht  sein,  dies  zu  beweisen.  Es  miissten  dann  die  Be- 
weise  in  der  Sanskrit-Litteratur,  namentlich  in  der  Reclits-Littera- 
tur,  Indiens  in  Fiille  zu  finden  sein.  Zur  altesten  Sanskrit-Littera- 
tur  (Yeda-Litteratur)  gehoren  die  bereits  erwahnten  «Hausregeln" 
(Grihyasutras) '';  darin  sind  die  Hochzeitsgebrauche  der  alten 
Inder  genau  beschrieben;  dort  ware  der  Platz  gewesen,  von 
dem  fraglichen  Recht  der  Brahmanen,    wenn  es  bestanden  hatte, 


'  Diese  Volksanschauung  soU  durch  ganz  Indien  verlireitct  sein.  jener 
Missbrauch  aber  sich  bloss  in  Makbar  ausgebildet  haben.  (Vgl.  Anm.  2.) 
Fiir  diese  Inkongruenz  giebt  de  Gubernatis  keine  ErklJirung. 

-  de  Gubernatis,  Indie  S.  137:  .  .  .  „ruso  di  adoperare  il  brahmana  come 
fecondatore  6  antico  nella  societa  brahmanica;  e  i  poeml  e  le  leggende  e  le 
novelle  dell'  India,  dove  si  parla  di  parenti  che  non  possono  aver  figliuoli  e 
vorebbero  averne ,  dimostrano  come  la  visita  di  un  brahmano  non  fu  mai 
inutile  e  divenne  sempre  una  vera  benedizione:  solamente  nel  Malabar,  oltre 
air  uso  noi  costatiamo  Tabuso  della  cosa".     Vgl.  de  Gubernatis.  Usi  S.  197,  198. 

■*  Vgl.  beziiglich  der  Erbrechtsfrage  oben  Kap.  6  S.  34. 

•  A.  Weber  Bd.  5  S.  267—412.  Stenzler  1865.  Oldcnberg  bei  Weber  Kd.  15 
S.   1-166.     Vgl.  oben  Kap.  27  S.  156,   157. 


Ka])itel  45.    Brahmaneii  in  O^^tindien.  217 

Zeugniss  abzulegen;  daselbst  ist  aber  Nichts  davon  zu  finden. 
Nacli  Auskunft  des  Herrn  Professors  Dr.  Jolly  kommt  aucli  in 
einig-en  ungedruckten  Werken  dieser  Klasse,  die  sonst  manches 
Eigenthiimliche  enthalten,  von  einem  derartigen  Recht  Nichts 
vor.  Zudem  ist  der  Umstand  verdachtig,  dass  das  fragliche 
Recht  gerade  den  Brahmanen  zustehen  soll,  die  als  Triiger  der 
Sanskrit-Litteratur  doch  gewiss  nicht  dariiber  geschwiegen  hat- 
ten  ^  Zu  demselben  Ergebniss  fiihrt  die  Nachforschung  in  den 
indischen  Gesetzbiichern.  Die  geraume  Zeit  vor  Christi  Geburt 
verfassten  Gesetzbiicher  des  Apastamba  und  des  Gautama  ge- 
wiihren  einen  klaren  Einblick  in  die  Sitten  und  Rechtszustiinde 
der  alten  Inder,  worin  keine  Spur  von  unsittlichen  Gebrauchen 
oder  gar  von  einem  jus  primae  noctis  der  Brahraanen  zu  finden 
ist.  Die  darin  enthaltene  Strafbestimmung  gegen  einen  Brahmanen, 
der  mit  der  Ehefrau  eines  Andern  fleischlich  verkehrt^,  giebt 
keine  Andeutung  einer  dafiir  moglichen  Entschuldigung.  Auch 
in  den  Gesetzbiichern  von  Manu,  Yajiiavalkya,  Vishnu,  Yasishi;ha, 
Narada  und  Andern ,  kurz  in  allen  bisher  bekannt  gewordenen 
Gesetzbiichern  des  indischen  Alterthums,  deren  Zahl  sehr  be- 
deutend  ist,  findet  sich  (nach  einer  Auskunft  des  Herrn  Professors 
Dr.  Jolly)  nicht  die  leiseste  Anspielung  auf  eine  derartige  Sitte. 
Nach  Bestimmungen  der  indischen  Gesetzbiicher  wurde  auf  die 
Jungfraulichkeit  der  Braut  ein  so  grosses  Gewicht  gelegt,  dass 
eine  Ehe  fiir  ungiiltig  erklart  werden  konnte,  wenn  die  Gattin 
bei  Abschluss  der  Ehe  nicht  Jungfrau  war:  ferner  dass  der 
Yater,  der  die  Anzeige  eines  solchen  Fehlers  unterliess,  bestraft 
wurde ,  und  dass  der  mit  Unrecht  gemachte  Yorwurf  jenes  Man- 
gels  als  schwere  Beleidigung  galt^.  Hiermit  ist  die  Annahme,  dass 
ein  jus  primae  noctis  bestanden  haben  konne,  schwer  vereinbar. 
Zudem  erortern  die  indischen  Gesetzbiicher  alle  wirklichen  oder 
eingebildeten  Yorrechte  der  Brahmanen  mit  solcher  Yollstiindig- 
keit,  dass  jenes  Recht  der  Brahmanen ,  „selbst  wenn  es  nur  als 
fromraer  Wunsch  existirt  hiitte,  sicherlich  nicht  iibergangen 
worden  ware"  '.  • 


'  Aus  einem  Brief  des  Herrn  Prot.  Jolly. 

-  Apastamba  II,  10,  27  n.  11,  bei  Biihler  S.  165:  ..They  declare,  that  a 
Brahmana  who  has  once  committed  adultery  with  a  married  woman  of  equal 
class,  shall  perform  one-fourth  of  the  penance  prescribed  for  an  outcast." 

3  Vgl.  Manu  8.  224:  NTirada  12.  34^  Manu  9,  72  uud  73:  Yajnavalkya  2, 
1.  ()6:  Vishnu  5,  44—46:  etc. 

*  Aus  einem  Briefe  des  Herrn  Prof.  Jolly. 


218  Kapitel  45.    Brahmanen  in   Ostindien. 

Eiiie  Anfrage  ^  nach  den  Quellen,  worauf  die  Behauptung 
von  de  Gubernatis  beruhe,  ist  unbeantwortet  geblieben,  Zu- 
folge  besonderer  Erkundigung  habe  ich  dariiber  (von  Herrn  Pro- 
fessor  Dr.  Jolly)  folgende  Auskunft  empfangen:  „Mit  der  von 
Gubernatis  angefiihrten  Volksauschauung,  wonach  der  Besuch 
eines  Brahmanen  als  Segen  fiir  kinderlose  Ehegatten  gilt,  sind 
vielleicht  Erzahlungen  wie  die  von  Nala  und  Damayanti  gemeint, 
wo  gleich  zu  Anfang  von  einem  Besuch  des  Damana,  eines  hei- 
ligen  Mannes,  bei  dem  Konig  Bhima  erziihlt  wird.  Zum  Lohn 
fiir  die  gastliche  Aufnahme,  die  er  findet,  schenkt  Damana  dem 
bisher  kinderlosen  Ivonig  drei  Kinder.  Freilich  wird  in  diesen 
und  ahnlichen  Fiillen  der  Brahmane  keineswegs  direct  als  Be- 
fruchter  betrachtet.  Dies  ist  nur  bei  der  Leviratsehe  der  Fall. 
Bei  der  Leviratsehe  aber  handelt  es  sich  um  den  Verkehr,  nicht 
mit  einer  Jungfrau,  sondern  mit  einer  kinderlos  gebliebenen  Frau 
oder  Wittwe.  Die  Ausiibung  dieser  Sitte,  die  schon  Manu  als 
eine  ,viehische'  bezeichnet,  ist  nach  den  Cxesetzbiichern  in  der 
Regel  auf  Verwandte  beschrankt  und  kann  nur  in  Ermanglung 
von  solchen  (einer  oder  zwei  Stellen  zufolge)  auf  einen  beliebigen 
Brahmanen  iibertragen  werden."  Aus  diesen  Anschauungen  er- 
klaren  sich  folgende  vier  Erziihlungen,  von  denen  die  drei  ersten 
iu  dem  grossen  Ileldengedicht  Mahabharata  (d.  i.  grosser  Krieg 
der  Bharata^)  enthalten  sind ;  sie  stammen  dem  Anschein  nach 
nicht  aus  der  Zeit  der  urspriinglichen  Abfassung  des  genannten 
Epos,  sondern  aus  brahmanischen  Bearbeitungen  spaterer  Zeit. 
Als  Raja  Cantanu,  der  Konig  von  Hastinapura  (am  oberen 
Ganges,  nordostlich  von  dem  heutigen  Delhi),  der  Urenkel  des 
grossen  Konigs  Bharata,  gestorben  war,  folgte  nicht  sein  altester 
Sohn,  Namens  Devavrata  (der  auch  mit  dem  Patronymikon  Can- 
tanava,  d.  i.  Sohn  oder  Nachkomme  des  Cantanu,  bezeichnet 
wird),  sondern  die  Herrschaft  fiel  an  seine  beiden  Sohne  zweiter 
Ehe,  zuerst  an  den  iilteren,  Citrangada,  dann,  nach  dessen  Tode, 
an  Vicitravirya.  Denn  Devavrata,  der  Sohn  erster  Ehe,  hatte 
auf  die  Nachfolge  verzichtet  und  feierlich  gelobt,  unvermahlt  zu 
bleiben,  weil  nur  dadurch  sein  Vater  zu  der  zweiten  Gattin, 
Satjavati,  gelangen  konnte.  Seit  jenera  schrecklichen  Geliibde 
wurde  Devavrata  mit  dem  Namen  Bhishma  (d.  i.  der  Schreckliche) 
bezeichnet.    Vicitravirva  starb  kinderlos  und  hinterliess  zwei  Witt- 


'   Arch.  f.   Anthrop.  Bd.   12  S.   268. 

-  BhArata  heissen  die  Nachkommen  des  Stammvaters  Bharata;  iilinlieh  wie 
Vasishtha  das  von  Vasihtha  horriihrende  Gesetzhuch  ist. 


Kapitel  4.").    Brnhmancn  in  Ostindien.  219 

wen,  Ambika  und  Ambalika.  Nun  war  es  Sitte,  dass  beini  Tod 
eines  Mannes,  der  keinen  Solm  hinterliess,  sein  Bruder  oder 
nachster  Verwandter  seine  Wittwen  zai  sieh  nalim  und  aus  ihnen 
Sohne  fiir  den  Verstorbenen  erweckte  K  Die  Koni<;in-Muttcr 
Satyavati  bat  deshalb  den  Bhishma ,  mit  den  Wittwen  des  Konigs 
Vicitravirya  demselben  Sohne  zu  erzeugen.  Bhishma  berief  sich 
auf  sein  (Teliibde.  Darauf  wendete  sich  Satyavati  an  einen  ihrer 
eigenen  Verwandten,  den  Brahmanen  Vyasa,  der  ihren  Wunsch 
erfiillte^.  Ambika  gebar  den  Dhritarashtra,  und  Ambalika  gebar 
den  Pandu.  Nach  einer  andern  Darstelliing  war  Vyasa  ein  Sohn 
der  Satyavati  und  des  Rishi  Paracara,  also  ebenfalls  Halbbruder 
des  Vicitravirya ,  und  er  erfiillte  in  dieser  Eigenschaft  die  be- 
zeichnete  Verpflichtung  ^.  Eine  zweite  Erzahlung  lautet,  der 
Brahmane  Dirghatamas  habe  auf  Bitten  des  Konigs  Bali,  fiir 
ihn  Sohne  zu  erwecken ,  mit  der  Konigin  Sudeslina  fiinf  Sohue 
erzeugt  '^.  Nach  einer  dritten  Erziihlung  erhielt  einmal  der  Konig 
Saudasa  (von  Ayodhya)  Besuch  von  dem  beriihmten  Brahmanen 
Vasishtha,  den  er  bat,  mit  seiner  Frau  einen  Sohn  fiir  ihn  zu 
erzeugen ;  Vasishtha  gewahrte  die  Bitte  und  kehrte ,  als  die 
Konigin  schwanger  war,  in  seine  Einsiedelei  zuriick.  Die  Koni- 
gin  gebar  darauf  einen  Sohn,  Namens  Agmaka,  der  als  Sohn 
des  Saudasa  erzogen  wurde.  Diese  Geschichte  wurde  dem  Arjuna 
erzahlt,  der  daran  Anstoss  nahm.  Deshalb  wurde  ihm  zur  Auf- 
klarung  mitgetheilt,  Saudasa  habe  einst  die  Prophezeiung  er- 
halten,  er  miisse  sterben,  wenn  er  seine  Frau  umarme;   er  habe 


1  Ueber  diesen  Grundsatz  (Manu  9,  59  ff.)  vgl.  Wheeler  Bd.  1  S.  58,  62, 
Bd.  2  S.  583—585:  Lassen  Bd.  1  S.  780;  Mayr  S.  99. 

^  Mahabhfirata ,  Ausg.  von  Calcutta.  Buch  1  Vers  4273—4304:  Ausg.  von 
Bombay,  Buch  1  Kap.  106  Vers  1—32.  Vgl.  Wheeler  Bd.  1  S.  50—62.  be- 
sonders  S.  50,  51,  54. 

3  Lassen  Bd.  1  S.  776,  779—781.  Wheeler  Bd.  1  S.  60,  61.  —  Ein  so 
erzeugter  Sohn  hiess  Kshetrajna-Sohn,  d.  i.  auf  dem  Acker  des  verstorbenen 
Bruders  erzeugt.  Lassen  Bd.  1  S.  780,  781.  —  Es  wird  vermuthet,  dass  nach 
der  urspriinglichen  Fassung  der  Dichtung  Bhishma  selbst  der  bezeichneten 
Verpflichtung  geniigte,  und  dass  die  Erzahlung  von  seinem  Gcliibde  und  von 
der  Hiilfe  des  Brahmanen  Vyasa  (der  als  Verfasser  des  Mahabharata  gilt)  aus 
der  spiiteren  brahmanischen  Bearbeitung  herriihrt.  Vgl.  A.  Holtzmann  Bd.  1 
S.  XI,  Xn  und  S.  37,  88,  211:  Wheeler  Bd.  1  S.  58—63.  Eine  Bestatigung 
dieser  Vermuthung  liegt  darin,  dass  im  weiteren  Verfolg  des  Heldengedichts 
Bhishma  von  den  Sohnen  des  Dhritarashtra  sowolil  wie  des  Pandu  als  Gross- 
vater  bezeichnet  wird. 

^»  Mahabharata,  Ausg.  von  Calcutta,  Buch  1  Vers  4172—4222.  Ausg.  von 
Bombay,  Buch  1  Kap.  104  Vers  1—56.    Vgl.  Lassen  Bd.  1,  2.  Aufl.  S   669-671. 


220  Kapitel  45.    Brahmanen  in  Ostindien. 

daber,  um  seineii  Stamm  fortzusetzen ,  zu  jenem  Ausweg  ge- 
griffen  \  Endlich  wird  aus  dem  Bhagavata-purana  eine  Stelle  an- 
gefiihrt,  wonach  Angiras  einem  kinderlosen  Krieger,  Namens 
Rathitara,  Sohne  erzeugte  ^. 

Aus  diesen  Dichtungen  ist  die  durch  Gubernatis  bezeichnete 
Yolksanschauung  nicht  zu  entnehmen,  und  noch  weniger  seine 
Behauptung  von  einem  jus  primae  noctis  zu  begriinden.  Yon 
einem  derartigen  Recht  weiss,  wie  mir  ein  Hauptkenner  des  indi- 
schen  Epos,  Herr  Professor  Dr.  Holtzmann  zu  Durlach,  mitgetheilt 
hat,  das  Mahabharata  selbst  in  seinen  spatesten  Stellen  Nichts 
zu  melden;  und  „die  Zeit,  aus  welcher  unsere  epische  Poesie 
stammt,  also  die  nachvedische  Heldenzeit,  weiss  von  jenem  jus 
absolut  Xichts".  Im  Gegentheil  dient  der  Inhalt  der  vorstehen- 
den  Dichtungen  zur  Bestatigung  der  Vermuthung,  dass  die  Brah- 
manen  von  einem  Yorrecht,  das  ihnen  bewilligt  worden  ware, 
gewiss  nicht  geschwiegen  hatten. 

Hiitte  ein  jus  primae  noctis  oder  eine  ahnliche  Unsitte  der 
Brahmanen  geherrscht,  so  miisste  dariiber  bei  den  indischen  Ju- 
risten  des  Mittelalters ,  welche  die  alteren  Werke  mit  Commen- 
taren  versehen  und  zu  Systemen  verarbeitet  haben,  nahere  Aus- 
kunft  zu  finden  sein.  '  Davon  ist  aber  Nichts  bekannt  geworden; 
und  Herr  Professor  Dr.  Jolly  hat  mir  auf  Befragen  bestiitigt, 
dass  sich  bei  jenen  Juristen  nirgends  eine  derartige  Anschauung 
oder  Yorschrift  finde. 

In  allgemeinen  Darstellungen  iiber  Religion  und  Rechtsent- 
wicklung  der  Inder  ^  habe  ich  keine  Spur  von  einem  jus  primae 
noctis  oder  von  einem  ^ilhnlichen"  Recht  der  Brahmanen  ent- 
deckt;  und  sowohl  Albrecht  Weber  als  auch  Julius  Jolly  haben 
mir  die  Yersicherung  gegeben,  dass  ihnen  aus  der  indischen  Lit- 
teratur  keine  Stelle  iiber  das  jus  primae  noctis  bekannt  sei. 

Hiernach  ist  es  ungerechtfertigt,  zu  behaupten,  dass  die 
Brahmanen  Indiens,  sei  es  im  Mittelalter  oder  in  alterer  Zeit,  ein 
jus  primae  noctis  oder  ein  „iihnliches"  Recht  besessen  hiitten. 

Allerdings  gilt  das  Gresagte  in  der  Hauptsaclie  nur  von  den 
Indern ,  soweit  solche  zur  indogermanischen  Yolksrace  gehoren, 
nicht    von    den    im    siidlichon    Yorderindien    verbreiteten    Yolks- 


'  Mahabharata.  Ausg.  von  Calcutta.  Buch  I  Vers  4736  und  4737.  auch 
Vers  6787—6791;  Au.sk.  von  Bombay.  Buch  1  Kap.  122  Vcrs  21  u.  22.  auch 
Kap.  177  Vers  43—47.     Vgl.  Muir  2.  Autl.  Hd.   1   S.  4KS. 

-  Muir  2.  Autl.  Bd.   1  S.  224. 

'■*  Benfey,  Indien,  bei  Ersch  u.  Grubcr  Bd.  17.  A.  Weber  Bd.  1  u.  Bd.  2. 
Dalloz.  Rcp.  11870)  S.  5-12. 


Kapitel  4(5.    Das  „Fur.stliche"  iu  Russland.  221 

stammen  der  Dravida-liace  ^.  Von  den  zur  Dravida-Race  geho- 
rigen  Malabaresen  melden  einige  Seefahrer  der  Neuzeit,  dass  bei 
Hochzeiten  des  Kaisers  (Samorin)  von  Calicut  und  bei  Hochzeiten 
anderer  vornehmer  Herren  die  Priester  ersucht  wiirden,  gewisse 
Handlungen  rait  den  Briiuten  vorzunehmen  ^.  Die  Mogliclikeit 
ist  nicht  zu  bestreiten,  dass  iihnliche  Unsitten  schon  im  Mittel- 
alter  bestanden.  Doch  ist  dies  bisher  nicht  bewiesen,  und  kann 
daraus  keinenfalls  ein  jus  primae  noctis  der  Brahmanen  gefolgert 
werden. 

II.    Rnsslaiid. 

Eine  Chronik  iiber  ,,das  Fiirstliche". 

Kapitel  46.  Jacob  Grimm  schreibt :  „In  Russland  musste 
der  leibeigene  Briiutigam  dem  Herrn  der  Braut  einen  schwarzen 
Marder  liefern,  und  ISestor  erziihlt,  im  Jahr  964  habe  Olga  das 
Fiirstliche  abgeschafft  und  dafiir  jene  Abgabe  verordnet.  Das 
fiirstliche  (Recht)  bezieht  man  auf  die  Sitte  alter  Volker,  bei 
welchen  die  erste  Nacht  leibeigener  Briiute  dem  Herrn  gehorte."  ^ 
Weinhold  stellt  die  bestimmte  Behauptung  auf,  in  Russland 
habe  der  Gebieter  der  Braut  das  jus  primae  noctis  gehabt  ^. 
Scherr  versichert,  aus  Russland  werde  glaubwiirdig  bezeugt,  dass 
dort  der  Herr  das  Recht  der  ersten  Nacht  bei  der  leibeigenen 
Braut  gehabt  habe  ^.  Post  meint,  das  jus  primae  noctis  sei  in 
Russland  im  Jahi  964  durch  Olga  abgeschafft  worden;  er  schreibt 
dariiber:  „Dieses  uralte  Recht  lost  sich  spater  in  eiue  Abgabe  auf 
und  verschwindet  endhch  als  solche.  Olga  verordnete,  dass  statt 
desselben  vom  Brautigam  ein  schwarzer  Marder  genommen  wer- 
den  solle,  woher  noch  bis  vor  Kurzem  eine  Abgabe,  welche  der 
Brautigam  fiir  seine  leibeigeue  Braut  dem  Herrn  derselben  ent- 
richtete,  die  Mardergabe  hiess."  "^  Liebrecht  versichert,  das  jus 
primae  noctis  sei  im  Mittelalter  in  Russland  ^  beausprucht  uud 
geiibt  worden^. 

Alle    diese  Behauptungen   sind   auf  eine   Schrift    von  Joseph 

1  Vgl.  dariiber  Andree  S.   73.  —  Ueber  die  Polyandrie  dieser  Volksstiimme 
8.  oben  Kap.  6  S.  35,  36. 

2  Vgl    das  Nahere  dariiber  in  Kap.   75. 

3  Grimm.  R.-A.  2.  Ausg.  S.  379,  380.     Daraus:  Michelet  S.  263. 
*  Weinhold  S.   194. 

5  Scherr  1865,  S.  129.  ^  post  Sr  38. 

'  Auch  nach  dem  Jahr  964? 

8  Liebrecht  1874,  S.  138  und  1879,  S.  416. 


222  Kapitel  46.    Das  „Furstliche"  in  Russland. 

Miiller  aus  dem  Jalir  1812  und  auf  ein  im  Jahr  1826  er- 
schienenes  Werk  von  Ewers  zuriickzufiihren.  Miiller  und  Ewers 
stiitzen  sich  auf  v.  Schlozer's  Arbeiten  vom  Jahr  1809,  und  zwar 
auf  einen  darin  erwahnten  Ausspruch  des  russischen  Schrift- 
stellers  Tatisczev,  der  sich  bei  einer  Stelle  der  russischen  Chronik 
an  das  fragliche  Herrenrecht  erinnerte.  Obwohl  Ewers  den  Ta- 
tisczev  als  einen  „durchaus  unkritischen  Gewahrsmann"  bezeich- 
net" ,  nehmen  doch  Miiller  und  Ewers  die  fragliche  Stelle  der 
russischen  Chronik  fiir  acht  an;  und  sie  meinen,  darin  sei  die 
Rede  von  dem  jus  primae  noctis,  welches  friiher  in  Russland 
stattfand  ^.  Einen  Hauptgrund  fiir  diese  Meinung  findet  Ewers 
darin,  dass  ein  solches  E.echt  in  andern  Landern  gegolten  habe 
und  in  Urtheilen  der  Senechaussee  de  Guyenne  vom  13.  Juli  1302 
und  des  Parlaments  zu  Paris  vom  19.  Mai  1409  formlich  anerkannt 
worden  sei  ^.  Nun  ist  aber  das  angebliche  Urtheil  vom  Jahr  1302 
eine  falschlich  angefertigte  Urkunde  ^ ,  und  das  Urtheil  vom  Jahr 
1409  hat  keinen  Zusammenhang  mit  dem  fraglichen  Herrenrecht  "^. 
Damit  fiillt  die  Hauptstiitze  hin,  worauf  Ewers  seine  Meinung  er- 
baut  hat.  Zwar  bemerkt  er,  in  Russland  fiihre  eine  Abgabe,  die 
der  Briiutigam  fiir  seine  leibeigene  Braut  dem  Herrn  derselben 
entrichte,  noch  jetzt  den  Namen  nMardergabe"  ^.  Allein  daraus 
kann  hochstens  die  Yermuthung  hergeleitet  werden,  dass  als  Ab- 
gabe  Anfangs  ein  schwarzer  Marder,  spater  eine  Geldsumme  zu 
entrichten  war.  Die  weitere  Hypothese  von  Ewers ,  Olga  habe 
ira  Bereich  ihrer  Familienbesitzungen  die  Hauptlinge  bewogen, 
sich  die  Ablosung  ihres  personlichen  Rechts  fiir  einen  bestimmten 
Preis  gefallen  zu  lassen  *•,  ist  unvereinbar  mit  seinem  Bericht, 
dass  die  Ablosungssumme  nicht  bloss  an  die  Herren,  sondern 
auch  an  die  Geistlichkeit  zu  zalilen  gewesen  sei.  Abgesehen  von 
diesen  allgemeinen  Griinden,  ist  leicht  naclizuweisen ,  dass  die 
Meinung  von  Ewers  unhaltbar  ist. 

Ueber  Olga,  Wittwe  des  im  Jahr  945  in  einem  Feldzug 
gegen  die  Drewier  erschlagenen  Grossfiirsten  Igor,  die  fiir  ihren 
Sohn  Sviatoslav  Igorevicz  die  Vormundschaft  fiihrte  und  Reichs- 
verweserin  war,  wird  aus  der  Zeit  um  964  gemeldet:  „Damals 
schaffte  Olga  das  Fiirstliche  ab  und  verordnete,  dass  der  Briiuti- 


1  .1.  Muller  S.  220,  Anm.  97:  Ewers  S.   70. 

2  Ewers  S.  71  u.  7o. 

*  Kap.  62.  ♦  Kap.  63. 

5  Ewers  S.  72.     Vgl.  J.  Miiller  S.  220. 

6  Ewers  S.  73. 


Kapitol  46.    Das  „Fiirstliche"  in  Russland.  223 


SO 


gam  einen  schwarzen  Marder  an  den  Fiirsten  entriclite,  und 
auch  der  Bojar  von  seinem  Unterthan  nehmen  soUe."  ^  Diese 
Stelle  ist  nicht,  wie  Jacob  Grimm  aus  Ewers  entnimmt,  eine  Er- 
ziihlung  Nestor's,  sondern  ein  spjiteres  Einschiebsel  der  russischen 
Chrouik  ^.  Ein  Monch  im  llohlenkloster  (peczerskij  monastyr)  zu 
Kiew,  Namens  Nestor,  geboren  im  Jahr  1056  und  gestorben  im 
Jahr  1116  oder  etwas  spater,  soll  einige  Jahre  vor  seinem  Tode 
eine  russische  Chronik  in  slavonischer  Sprache  geschrieben  haben  ^ 
die  demniichst  von  Abt  Sylvester  und  zwei  ungenannten  Monchen 
bis  zum  Jahr  1203  fortgetzt  wurde  ^  Das  Original  von  Nestor's 
Clironik  ist  verloren  gegangen;  die  iiltesten  bisher  entdeckten  Ab- 
schriften  stammen  aus  der  mongolischen  Periode  ^.  Es  entstanden 
wahrend  der  mongolischen  Herrschaft  (1224 — 1462)  und  spiiter 
zahlreiche  Abschriften  m.it  willkiirlichen  Zusatzen  und  Aenderun- 
gen  bis  zum  Jahr  1630,  so  dass  mehr  als  fiinfhundert  Jahre  mit 
der  russischen  Chronikenschreiberei  vergingen  ^.  Das  Alter  der 
einzelnen  Handschriften  ist  schwer  zu  bestimmen,  da  nach  Ver- 
sicherung  v.  Schlozer's  wenigstens  zu  seiner  Zeit  (1802)  eine 
slavonische  Diplomatik  in  Russland  noch  unbekannt  war  ^.  Im 
Jahr  1732  begann  der  erste  Druck  einer  Uebersetzung,  und  zwar 
nach  einer  einzelnen  Abschrift  ^.  In  den  Jahren  1768 — 1784  er- 
schienen  v^er  Folianten  von  Ausziigen  aus  einer  Menge  von  Hand- 
schriften  bis  zum  Jahr  1462,  die  der  im  Jahr  1750  verstorbene 
Tatisczev  (Geheimer  Rath  und  Gouverneur  von  Astrachan)  seit 
1720  vorbereitet  hatte^.  Von  1767—1800  wurden  zwolf  Hand- 
schriften  der  russischen  Chronik  gedruckt  ^°.  v.  Schlozer  hat  diese 
zwolf  gedruckten  und  noch  neun  ungedruckte  Handschriften  mit- 
einander   verglichen   und  den  Versuch  gemacht,    daraus   den   ur- 


<  Tatisczev  bei  v.  Schlozer  Bd.  5  S.  127  :  „Togdash  otrieszi  Olga  kniasheje, 
i  uloshila  brat'  ot  shenicha  po  czernie  kunie ,  kak  Kniaziu  tak  Bojarinu  ot 
jego  poddannago."  Vgl.  J.  Miiller  S.  131  (wo  sich  folgende  unklare  Ueher- 
setzung  findet:  „Damals  schafFte  Olga  das  Fiirstliche  ab ,  und  verordnete,  von 
dem  Briiutigam  zu  einem  schwai-zen  Marder  zu  nehmen ,  dem  Kniisen  sowohl 
als  den  Bojaren  von  seinem  Unterthan") :  Ewers  S.  70. 

2  V.  Schlozer  Th.  5  S.   126,  127. 

3  V.  Schlozer  Th.   1  S.  3—9;  Potthast  S.  463  und  S.   1009. 

*  V.  Schlozer  Th.  1  S.  16.  17.  Vgl.  hiergegen  jedoch  Rjumin  Bd.  1.  Einl. 
S.  1-3. 

5  V.  Schliizer  Th.  2  S.  14,  287,  295,  Th.  5  S.  5. 

"  V.  Schlozer  Th.  1  S.  20—22,  53—56,  83.  ..-■ 

'  V.  Schlozer  Th.   1  S.  41,  Th    2  S.-287. 

8  V.  Schlozer  Th.  1  S.  80.  »  v.  Schlozer  Th.  1  S.  92.   107,  108. 

1«  V.  Schlozer  Th.  2  S.  I. 


224  Kapitel  46.    Das  ..Fiirstliche"  in  Russland. 

spriinglicheu  Text  Nestor's  wiederherzustellen  ^  Seitdem  scheiuen 
diese  Arbeiten  fortgesetzt  zu  seiu  ^. 

Die  vorbezeichnete  Stelle  liber  ^das  Fiirstliche",  welches 
Olga  im  Jahr  964  abgeschafft  haben  soll,  steht  in  keiner  von  den 
Handschriften,  die  v.  Schlozer  verglichen  hat.  Er  versichert,  sie 
sei  ein  Einschiebsel,  das  sich  bloss  bei  Tatisczev  finde.  „You  dieser 
Stelle  sagt  Tatisczev,  Anmerkung  135,  S.  329,  er  habe  sie  einzig 
und  allein  im  Cod.  Raskoln.  gefimden."  ^  Aus  welcher  Zeit  dieser 
Codex  stammt,  wird  nicht  berichtet.  Es  liegt  nahe,  zu  vermuthen, 
dass  er  aus  verhaltnissmassig  spiiter  Zeit  herriihrt;  denn  es  liesse 
sich  nicht  erklilren ,  dass  diese  Stelle  Jahrhunderte  lang  bei  allen 
neuen  Abschriften  unbemerkt  blieb ,  wenn  sie  schon  in  einer  alten 
Handschrift  gestanden  hiitte. 

Mithin  kann  die  fragliche  Stelle  weder  dem  ersten  Verfasser 
der  russischen  Chronik  zugeschrieben,  noch  iiberhaupt  mit  Sicher- 
heit  fiir  eine  Nachricht  des  Mittelalters  ausgegeben  werden,  und 
es  bedarf  keiner  naheren  Priifung,  ob  und  inwieweit  die  russische 
Chronik  fiir  die  Geschichte  von  Olga  und  Sviatoslav  ^  Glauben 
verdient.  Allein  selbst  wenn  jene  Stelle  AVahrheit  enthielte,  so 
konnte  sie  doch  nicht  zu  der  Meinung  berechtigen,  dass  Olga 
das  jus  primae  nocti^  vorgefunden  und  abgeschafft  habe.  Ta- 
tisczev  sagt  (nach  v.  Schlozer's  Bericht) ,  die  Bedeutung  des  Aus- 
drucks  „das  Fiirstliche"  (kniasheje)  sei  „nicht  voUig  bekannt"; 
„doch  denkt  er  an  die  Sitte  alter  Volker,  bei  denen  die  erste 
Nacht  leibeigener  Braute  den  Herren  gehorte,  und  citirt  dabei 
den  Herodot  IV,  34  und  Justin.  Dieses  schandliche  Recht  habe 
Olga,  wahrend  ihr  Sohn  im  Feld  war  (und  sie  sich  doch  noch 
mit  der  Staatsverwaltung  abgab),  in  eine  Geldabgabe  verwandelt; 
und  diese  werde  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  bei  Hochzeiten 
an  die  Herren  und  die  Geistlichkeit  entrichtet."  '"  Hiernach  wird 
jener  Ausdruck  mit  dem  Recht  der  Herren  auf  ,die  erste  Nacht 
leibeigener  Braute"    nur    deshalb    in  Verbindung    gebracht,    weil 


1  V.  Schlozer  Th.  2  S.  III  u.  IV.  ^   Vgl.  Rjuniin,  Einl.  zum  1.  Bd. 

3  V.  Schlozer  Th.  5  S.  127.  —  Der  vollstandige  Titel  dieses  Codex.  der  dem 
Tatisczev  selbst  gehorte,  lautet:  ..Roscoln.  Golytz.  Poviest'  vremiannych  diej 
Nestora ,  Czernoriztza  Feodo.s.jeva  Peczerskago  monastyria.'"  Vgl.  v.  Schlozer 
Th.  2  S.  4. 

*  Dieser  Theil  ist  nehst  Uehersetzung  und  Commentar  bei  v.  Schlozer 
Th.  5  S.  1—186  abgedruckt.     Vgl.  die  Kritik  Th.  5  S.  T,  8. 

*  V.  Schlozer  Th.  5  S.  127.  Vgl.  J.  Miiller  S.  220.  —  Welche  Stelle  aus 
den  Schriften  von  Justinus  Martyr  in  vorstehenden  Citaten  gemeint  sei,  ist 
nicht  angegeben. 


Kapitel  47.    Das  jus  primae  noctis  in  Deutschland.  225 

Tatisczev,  ein  Schriftsteller  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  meint, 
eine  derartig-e  Unsitte  habe  bei  altcn  Volkern  geherrscht.  Doch  ist 
eine  Berechtigung  fiir  diese  Annahme  weder  aus  Herodot  noch  aus 
Justin  zu  entnehmen.  Zudem  ist  die  Erkhirung  auch  insofern  unver- 
standlich,  als  darin  zwei  verschiedene  Abgaben  (an  die  Herren  und 
an  die  Geistlichkeit)  ohne  jede  Begriindung  gleichgestellt  werden. 

v.  Schlozer  berichtet,  Jelagin  sei  der  Einzige,  der  von  dieser 
Stelle  Notiz  genommen  habe.  Jelagin  zweifelt  nicht  daran,  dass 
hier  „das  im  alten  Europa  allgemein  (?)  geltende  Droit  du  seig- 
neur  (Jus  primae  noctis)  gemeiht  sei:  eine  Folge  des  barbarischen 
Lehenrechts,  welches  ja  anfanglich,  bekanntlich ,  auch  in  Russ- 
land  stattgehabt.  Noch  jetzo  werde  die  Geldabgabe,  die  der 
Briiutigam  fur  seine  Braut  bezahlt,  kunicznoje  (bei  Heym  kunitza) 
genannt".  v.  Schlozer  setzt  hinzu :  „So  hatte  sich  also  ein  fiir  die 
alte  russische  "Welt  wichtiges  Factum  nur  in  einem  einzigen  Co- 
dex  geborgen."  ^  Schon  diese  letzte  Bemerkung,  in  Verbindung  mit 
dem  Fragezeichen  hinter  ^allgemein",  deutet  an,  dass  v.  Sclilozer 
den  Erklarungen  von  Tatisczev  und  Jelagin  keinen  Beifall  spendet. 
Deutlicher  ist  dies  durch  eine  Nachtragsbemerkung  ausgedriickt, 
die  unter  den  Berichtigungen  steht:  „S.  127.  Grupen  in  Uxor 
theotisca  p.  8  beweist,  dass  das  jus  primae  noctis  ein  schottisches 
Marchen  sei."  ^  In  der  Geschichte  Russlands  von  Bestushew- 
Rjumin  findet  sich  keine  Erwiihnung  jener  Erzahlung,  obwohl 
darin  berichtet  wird,  dass  Oleg  den  Drewlanen  die  Verpflichtung 
auferlegt  habe,  einen  schwarzen  Marder  vom  Rduchfang  zu  zahlen, 
und  obwohl  die  Thatigkeit  01ga's  bei  Feststellung  der  Abgaben 
in  ausfiihrlicher  Darstellung  geschildert  wird  ^. 

Aus  allen  diesen  Griinden  fehlt  eine  Berechtigung  fiir  die 
Behauptung,  dass  in  Russland  das  jus  primae  noctis  bestanden 
habe  und  durch  Olga  abgeschafft  worden  sei. 

III.    Deutsclilaiid  nnd  Schweiz. 

a.   nnbestiminte  Nachricliten  aus  Dentscliland. 

Kapitel  47.  Viele  Schriftsteller  des  achtzehnten  und  neun- 
zehnten  Jahrhunderts  *    sind   der  Meinung-,    in  Deutschland    habe 


1  V.  Schlozer  Th.  5  S.  127.  2  v.  Bchlozer  Th.  5  S.  215. 

3  Rjumin  S.  82,  83. 

*  Keysler  §  64  S.  484;  Westphal  §§  11,  12,  S.  37—40;  Pars  S.  182; 
V.  d.  Schelling  Bd.  1  S.  146,  147,  §  16;  Johnson  S.  230  in  der  Anm. ;  v.  Alvens- 
leben  zu  Fellens  S.   148;  Dulaure,  Gesch.  d.  Adels  S.  241,  242;  Merlin,  R6p. 

Schmidt,  .Jus  prinaae  noctis.  15 


226  Kapitel  4".    Das  jus  primae  noctis  in  Deutschland. 

das  Herrenrecht  der  ersten  Nacbt  bestauden.  Ein  Artikel  der 
Augsburger  Allgemeinen  Zeitung  bestreitet  zwar  die  Ricbtigkeit 
dieser  Annabme ,  will  aber  zugeben,  dass  in  einzelnen  Gegenden 
sicb  Andeutungen  fiinden,  wonach  jenes  Recht  „per  nefas  in  An- 
wendung  gebracbt  worden  sei"  *.  Georg  Ludwig  v.  Maurer  be- 
merkt,  in  Deutscbland  fanden  sicb  nur  wenig  Spuren  von  jenem 
Recht ;  und  Christian  Meyer  meint ,  aus  der  Zeit  des  Mittelalters 
sei  „von  einer  tbatsacblicben  Ausiibung  des  sogenannten  jus  pri- 
mae  noctis  in  Deutschland  eine  sichere  urkundlicbe  Beglaubigung 
nicbt  aufzufinden"  ^.  Keysler  bebauptet,  unter  dera  Namen  „jus 
cuuuagii"  sei  bei  uusern  Yorfabren  ein  Recbt  gebrtiucblich  ge- 
wesen,  welcbes  den  Fiirsten  und  allen  Dynasten,  so  oft  Jungfrauen 
aus  ibrer  Herrscbaft  heiratbeten,  die  erste  Yerletzung  und  Yer- 
kostung  der  jungfriiulichen  Keuschbeit  iiberlassen  babe  ^.  Andere 
behaupten ,  der  Braucb  des  jus  primae  noctis  habe  bei  den  Deut- 
schen  im  Mittelalter  vielfach  stattgefunden*;  dies  Recbt  sei  im 
europaischen  Mittelalter  bekanntermassen  in  Deutscliland  ebenso- 
wobl  wie  anderwarts  beansprucht  und  geiibt  worden^;  es  habe 
sich  in  Deutschland  langer  erhalten,  als  manches  andere  aus  dem 
Feudalismus  bervorgegangene  Herrenrecht  "^ ;  die  Herren  in  Deutsch- 
land  hatten  die  Ausiibuug  jenes  emporenden  Rechts  bis  ins  acbt- 
zehnte  Jabrhundert  binein  gefordert  ^. 

Auf  die  Frage,  in  welcben  Tbeilen  Deutscblands  jenes  Recht 
gegolten  habe  oder  ausgeiibt  worden  sei,  geben  die  meisten 
Schriftsteller  keine  Antwort.  Doch  balt  Ludwig  v.  Alvensleben 
die  Lausitz  fiir  das  Land,  wo  sich  die  Ausiibung  jenes  Rechts 
in  Deutschland   am   langsten   erhalten   habe  ^.     Sugenheim  meint. 


unter  Markette :  Diimge  S.  20,  28:  v.  Hormayr  1832.  S.  38  und  1842,  S.  146: 
Kolb  1842,  S.  497:  Nork  S.  190—192:  Delpit  S.  65,  66;  de  Labessade 
Nr.  47  S.  24:  Weinhold  S.  195:  Scherr  1858,  S.  212  (und  1870,  S.  237.  288): 
Scherr  1865,  S.  129;  Liebrecht  1864,  S.  541;  v.  Schmitz  S.  232:  Liebrecht 
1874,  S.  138:  Post  S.  38;  Kulischer  S.  224,  227,  228:  Liebrecht  1879,  S. 
416,  418. 

1  Augsb.  Allg.  Ztg.  V.  18.  April   1868.  Nr.  109  S.  1662. 

2  V.  Maurer  Bd.  3  S.  169:  Chr.  Meyer  S.  365.  ^  Keysler  §  64  S.  484. 
*  Kulischer  S.  227.           ^  Liebrecht  1879,  S.  416. 

«  V.  Alvensleben  zu  Fellens  S.   148.  '  Dulaure,  Adel  S.  241,  242. 

«  V.  Alvensleben  zu  Fellens  S.  148.  —  Eine  Andeutung  iiber  das  angebliche 
jus  primae  noctis  der  Lausitz  findet  sich  schon  in  einer  Anmerkung  des 
Uebersetzers  von  Johnson  (S.  230):  ..Wo  mir  recht  ist,  so  findet  dieses  niim- 
lichc  Herrenrecht  bei  uns  noch  in  den  wendischen  Dorfern  dcr  Lausitz  statt, 
wo  der  Briiutigam  die  primam  noctem  seiner  Braut  mit  Erlegung  eines  Du- 
katen  bei  dem  Gutsherrn  losen  muss." 


Kapitel  47.    Das  jus  primae  noctis  in  Deutschland.  227 

in  Bayorii  hiitten  bis  zti  den  letzten  Decennien  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  die  Leibherren  sich  jenes  Recht  anzueignen  gewusst  ^ 
Daraus  iolgert  ein  spaterer  Schriftsteller,  jenes  Recht  sei  noch 
in  der  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  von  den  Grundbesitzern 
in  Bayern  in  der  primitiven  Form  ausgeiibt  worden  ^.  In  einer 
andcrn  Schrift  findet  sich  die  Meinung,  das  jus  primae  noctis 
erscheinc  „in  so  manchen  Gegenden  des  siidlichen  Deutschlands 
wirklich  als  erwiesen" ,  dagegen  sei  es  ^stark  zu  bezweifeln", 
dass  es  in  der  Umgebung  von  Soest  (in  Westfalen)  gegolten  habe  ^. 
In  Wahrheit  liegt  nicht  die  mindeste  Berechtigung  zu  der 
Annahme  vor,  dass  in  irgend  einem  Theil  der  zum  Deutschen 
Reich  vereinigten  Liinder  zu  irgend  einer  Zeit  das  jus  primae 
noctis  gegolten  habe  oder  auch  nur  thatsachlich  ausgeiibt  worden 
sei.  Kein  Schriftsteller  hat  fiir  die  angefiihrten  Behauptungen 
einen  directen  Beweis  zu  erbringen  versucht.  Dies  gilt  auch  von 
den  Behauptungen,  die  durch  ihre  Fassung  bei  dem  Leser  die  Yor- 
stellung  erwecken,  als  beruhten  sie  auf  urkundlichen  Beweisen. 
Es  wird  behauptet,  in  Deutschland  seien  Gesetze  zur  Bekampfung 
jenes  Rechts  erlassen,  und  die  Geistlichkeit  habe  versucht,  dagegen 
einzuschreiten  ^;  allein  es  fehlt  eine  Bezeichnung  dieser  Gesetze  und 
Massregeln,  die  in  der  Tliat  nicht  existiren,  In  Ermanglung  direc- 
ter  Beweise  konnen  die  vorbezeichneten  Meinungen  nur  auf  Indi- 
cien  oder  Vermutliungen  gestiitzt  werden.  IS^un  ist  es  aber  undenk- 
bar,  dass  jenes  Recht  in  Deutschland  als  giiltig  anerkannt  oder 
auch  nur  thatsachlich  ausgeiibt  sein  sollte,  ohne  in  irgend  einer 
Urkunde  oder  von  irgend  einem  deutschen  Schriftsteller  vor  dem 
achtzehnten  Jahrhundert  erwahnt  zu  werden.  Liebrecht  meint, 
es  miisse  in  Deutschland  bestanden  haben  und  ausgeiibt  worden 
sein,  weil  es  „einst  fast  iiberall  existirte  und  geiibt  wurde"  ^. 
Ein  anderer  Schriftsteller  entnimmt  aus  dem  Xamen  einer  bei 
Eigenthumsiibergangen  in  Wetzlar  giiltig  gewesenen  Abgabe  die 
Yermuthung,  dass  jenes  Recht  in  Deutschland  allgemein  bekannt 
gewesen  sei  ''.  Ferner  wird  in  der  Beschaffung  ^schoner  Frauen" 
eine  ^Ausdehnung  des  droit  du  seigneur"  '  gefunden.  Diese  Bei- 
spiele  kennzeichnen  die  Unhaltbarkeit  der  Yermuthungen,  aus 
denen   gefolgert   wird,    das  jenes  Recht  in  Deutschland  gegolten 


1  Sugenheim  1861,  S.  374.     Vgl.  Welsch  S.  2. 

2  Kulischer  S.  228.  ^  ^.  Schmitz  S.  232.  ^  Scherr  2,  Aufl.  S.  212. 
^  Liebrecht  1869,  S.  811   und  1879,  &  418. 

«  Kulischer  S.  228.     Vgl.  daruber  oben  Kap.  2  S.  10. 
'  Anz.  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  Bd.  6.  S.  136. 

15* 


228      Kap.  48  und  49.     Die  Zwingherren  von  Ravenstein  und  von  Yatz. 

habe.  Die  Meinung  zahlreicher  Schriftsteller,  dass  aus  deutschen 
Heirathsabgaben  und  aus  deren  Benennungen  auf  ein  jus  primae 
noctis  geschlossen  werden  konne,  ist  im  Kapitel  22  widerlegt. 

b.    Aufstacd   gegen  die  Zwinglierren  von  Ravenstein. 

Kapitel  48.  Freiherr  v.  Hormayr  erzahlt,  es  habe  in 
Deutschland  stets  als  unertragliche  Tyrannei  gegolten,  wenn  ein 
Burgherr  das  Recht  der  ersten  Nacht  wirklich  an  Haut  und  Haar 
ausiibte;  „die  Zwingherren  von  Persen,  von  Ravenstein  und  von 
Vatz  erweckten  dadurch  den  Aufruhr,  der  sie  vertrieb"  ^.  So- 
weit  diese  Nachricht  auf  Zwingherren  von  Persen  und  von  Yatz 
sich  bezieht ,  gehort  sie  nicht  in  das  Gebiet  des  gegenwartigen 
Deutschen  Reichs ;  die  Herren  von  Persen  wohnten  in  Siid-Tirol  ^ 
und  die  Herren  von  Yatz  in  der  Schweiz  ^.  Daher  wiirde  die 
K^achricht  im  gegenwiirtigen  Kapitel  nur  beziiglich  der  Herren 
von  Ravenstein  zu  priifen  sein.  AUein  hier  ist  vollig  ungewiss, 
auf  welche  Herren  die  Nachricht  sich  bezieht.  Es  gab  eine 
Herrschaft  Ravenstein  an  der  Maas,  die  aus  eiuer  kleinen  Stadt 
und  zwolf  Dorfern  bestand  %  ferner  ein  Bergschloss  Rauenstein 
im  sachsischen  Erzgebirge '"  und  ein  Bergschloss  Rauenstein  in 
Sachsen-Meiningen  ^.  Leider  hat  Herr  von  Hormayr  fiir  seine 
Xachricht  keine  Quelle  angegeben,  so  dass  sie  bis  zur  Entdeckung 
naherer  Aufklarung  nicht  beriicksichtigt  werden  kann. 

c.   Aufstand  gegen  die  Zwinglierren  von  Vatz. 

Kapitel  49.  "Wie  zu  Anfang  des  vorigen  Kapitels  gesagt 
ist,  behauptet  Freiherr  v.  Hormayr,  die  Zwingherren  von  Yatz 
hiitten  dadurch,  dass  sie  das  jus  primae  noctis  „an  Haut  und 
Haar"  ausiibten,  den  Aufruhr  erweckt,  der  sie  vertrieb  ^.  Er 
giebt  nicht  an,  wie  er  zu  dieser  Nachricht  gelangt  ist.  Mag 
nun  aber  die  Behauptung  auf  eigener  Erfindung^  oder  auf  der 
Erzahlung  eines  andern  Schriftstellers  berulien,   jedenfalls  ist  sie 


»  V.  Hormayr  1832,  S.  38  und   1842.  S.   146. 
■■«  Vgl.  Kap.  50.  3  vgl.  Kap.  49. 

*  Biisching  4.  Theil  S.  194,  195. 

5  Busching  3.  Theil,  2.  u.  3.  Bd    S.  2764. 

6  BUsching  3.  Theil,  2.  u.  3.  Bd.  S.   2942. 

'  v.  Hormayr  1832,  S.  38  und  1842,  S.  146. 

^  In  einem  gefalligen  Schreiben  des  Herrn  Professors  Dr.  E.  Rochholz  zu 
Aarau  ^vird  jene  Behauptung  auf  die  „forcirte  Anekdotenjiigerei"  des  Autors 
zurlickgefiihrt. 


Kapitel  49.    Die  Zwiiigherren  von  Yatz.  229 

uiil)egrundet,  wie  sich  leicht  nachweisen  las.st.  Die  Freiherren 
von  Vatz  (de  Vatio)  waren  Landosherren  in  einem  Theil  Grrau- 
l)iindtens  und  nahmen  schon  im  Jahr  1160  einen  hohen  Rang 
unter  dem  rhatischen  Adel  ein.  Ihre  Geschichte  ist  aus  Urkun- 
ilen  und  sonstigen  Quellenwerken  wohlbekannt  ^  Der  Mannes- 
stamm  dieses  beriihmten  Hauses  erlosch  mit  Johann  Donat  von 
Vatz,  der  zwischen  1380  und  1338,  wahrscheinlich  1333  oder 
1335,  starb.  Seine  Herrschaft  vererbte  sich  auf  seine  beiden 
Schwiegersohne ,  den  Grafen  Friedrich  von  Toggenburg  und  den 
Grafen  Rudolph  von  Werdenberg-Sargans.  Donat  fiihrte  Fehde 
mit  Rudolph  Montfort,  Bischof  von  Chur,  und  besiegte  denselben 
in  der  Schlacht  bei  Villisur,  unweit  des  Schlosses  Greifenstein, 
im  Jahr  1323.  Ueber  Johann  Donat  von  Vatz  sind  mancherlei 
Erziihlungen  verbreitet,  die  ihn  als  einen  Feind  der  Geistlichkeit 
und  als  einen  schrecklichen  Tyranuen  schildern  ^.  Darunter  findet 
sich  eine  Erziihlung,  wonach  er  als  unbussfertiger  Siinder  auf  dem 


^  Vitoduranus  S.  103.  104  (aus  pag.  72  uiul  73  der  Handschrift);  Stumpff 
Bd.  2,  Buch  10,  Kap.  12,  Blatt  308;  Campell  Bd.  1  und  Bd.  2  an  vielen 
Stellen;  v.  Salis-Seewis  in  Schweiz.  Gesch.-F.  Bd.  1  S.  250—313  und  S.  488 
bis  500;    Tschudi  Theil  1,    Buch  5  zum  Jahr  1380;   Leu  Bd.  18  S.  456—458. 

2  Vitoduranus  zum  Jahr  1323,  S.  103,  104  (pag.  72,  73  des  Manuscr.) : 
„Dominus  de  Vazz  jam  memoratus  tantam  seviciam  et  tirannidem,  quamvis 
jurisperitus  seu  canonista  foret,  in  hostes  suos  exercuit,  quod  ipsos  captos 
in  multo  numero  quandoque  laute  refecit  cibo  potuque,  carceri  postea  incon- 
tinenti,  nunquam  ultra  panem  comesturos,  mancipandos.  Fama  communis  de 
ipso  volans  protestatur ,  ipsum  tante  duricie  extitisse  ac  ob.stinate  malicie, 
quod  quandocunque  suos  captivos  seu  turri  inclusos  audivit  lamentabiliter  pre 
nimia  fame  ac  carceris  swalore  et  horrore  ejulare  et  clamare ,  exultavit  non 
modicum,  dicens :  ,Iste  sunt  avicule  mee  dulciter  in  mei8  auribus  personantes!' 
Iste  cum  diu  episcopatum  Curiensem  vexasset  et  bona  ipsius  plurima  sibi 
usurpasset  et  tandem  in  lectum  infirmitatis  ad  mortem  decidisset  et  anmonitus 
fuisset,  quod  anime  sue  salutem  confitendo  peccata  sua  procurasset,  more  fide- 
lium  de  hoc  mundo  transmigrancium ,  respondit,  in  malicia  sua  nimis  indura- 
tus:  ,Ego  confessionem,  licet  ipsam  faciendam  fore  optime  noscam,  non  faciam, 
quia  salubris  michi  nequaquam  esse  poterit,  sed  frustratoria,  cum  eam  absque 
contricione  penitus  agerem.'  Et  sic  heu  absque  penitencia  et  omni  satis- 
factione  et  emenda,  quod  est  miserabile  et  horribile  dictu,  ab  hoc  seculo  de- 
cessit"  .  .  .  Vgl.  ferner  Carapell  Bd.  1  S.  57 :  ..Einst  lud  er  drei  seiner  Un- 
terthanen  zu  einem  reichlichen  Mahle.  Nach  dem  Essen  musste  auf  seinen 
Befehl  der  Erste  sich  heftige  und  unausgesetzte  Bewegiing  machen,  der 
Zweite  daa  Namliche,  aber  nur  mit  Massigung  thun,  der  Dritte  jedoch  schlafen. 
Dann  habe  er  aber  allen  Dreien  den  Leib  aufschneiden  lassen,  um  sich  zu 
iiberzeugen ,  welche  Beschaftigung  die  geeignetste  zur  Verdauung  gewesen, 
und  hierbei  bemerkt,  dass  der  Zweite  am  besten  verdaut  habe."  Ferner 
Campell  Bd.   1   S.   147  betr.  das  Kloster  Curwalden. 


230  Kapitel  50.    Gundobald  von  Pergine. 

Krankenbett  starb.  Diese  Erzahlungen  beruhen  zum  grossen 
Theil  auf  Volkssage  oder  Erfindung.  Schon  Johann  von  Winter- 
thur,  der  Zeitgenosse  Donafs,  beruft  sich  fiir  die  iiber  ihn  mit- 
getheilten  Erzahlungen  auf  die  „fama  communis";  und  nicht  ohne 
Grund  bemerkt  Conradin  v.  Mohr,  dass  die  angeblichen  Grau- 
samkeiten  des  Donat  von  Yatz  vor  der  strengen  historischen 
Kritik  nicht  bestehen  kijnnen  *,  Wie  dem  aber  auch  sein  mag, 
keine  einzige  Erzahlung  aus  seinem  Leben  enthalt  eine  That- 
sache,  woraus  der  Bericht  des  Herrn  von  Hormayr  entnom- 
men  sein  konnte.  Kein  Geschichtschreiber  meldet  Etwas  von 
einem  Aufruhr  gegen  Donat  von  Yatz  oder  von  dessen  Yer- 
treibung;  Alle  stimmen  darin  iiberein,  dass  er  bis  zu  seinem 
Tode  in  seiner  Herrschaft  geblieben  ist;  und  es  findet  sich  keine 
Andeutung  davon,  dass  er  das  jus  primae  noctis  oder  iiberhaupt 
ein  schmachvolles  Recht  in  Anspruch  genommen  oder  gar  aus- 
geiibt  habe.  Zwar  hat  von  Hormayr  nicht  gesagt,  dass  er  von 
der  schweizer  Familie  von  Yatz  rede;  und  nach  dem  Zusammen- 
hang  der  fraglichen  Stelle  konnte  man  vermuthen ,  er  meine 
eine  deutsche  Familie  desselben  Namens.  Indessen  ist  meines 
Wissens  von  einer  solchen  Familie  im  Gebiet  des  Deutschen 
Reichs  Nichts  bekannt. 

ly.  Oesterreich. 

Aufstand  gegen  Gundobald  von  Pergine  (Persen)  in  Siid-Tirol. 

Kapitel  50.  Bei  einigen  Schriftstellern  des  neunzehnten 
Jahrhunderts  findet  sich  die  Behauptung,  die  Herren  von  Pergine 
in  Siidtirol  hiitten  das  jus  primae  noctis  ausgeiibt^.  Tommaso 
Gar  berichtet,  nach  dem  Tod  Friedrichs  von  Pergine,  der  um  1050 
lebte,  habe  dessen  Sohn  und  Nachfolger  Adalbert  zu  friiheren 
Missbriiuchen  den  Anspruch  auf  die  Jungfrauschaft  der  Braute 
hinzugefiigt ;  und  diese  Gewaltthaten  und  Bedrtickungen  seien 
unter  Adalberts  Sohn,  Gundibald,  zum  Uebermass  gewacbsen. 
Er  meint,  jener  „Anspruch  auf  die  Jungfrauscliaft  der  Braute" 
sei  zu  damaliger  Zeit,  also  etwa  um  1100,  weit  verbreitet  ge- 
wesen:  „Dieser  dumme  und  thierische  Missbrauch,  der  die  mensch- 


'  V.  Mohr  zu   Campell  Bd     1   S.  57  und   71. 

^  Vgl.  z  B.  V.  Hormayr  1832,  S.  38  und  1842  S.  146:  „Die  Zwingherren 
von  Persen  .  .  .  erweckten  dadurch  den  Aufruhr ,  der  sie  vertrieb":  Chabert 
Abth.  2  S.  32:  „Der  grausame  Gondebald  von  Pergine  ttbt  das  jus  primae 
noctis":  Kulischer  S.  228:  ..Ein  urkundliches  Zeugniss  iiber  die  Existenz 
dieses  Brauches  fiiiden  ^vir  aucb   in  Wiilsch-Tvrol.'' 


Kapitel  50.    Gundobald  von  Pergine.  231 

liche  Wiirde  in  ihrer  zartesten  Empfindung  verletzt,  war  zu  jenen 
Zeiten  unter  die  Hoheitsrechte  aufgenommen  worden,  und  wurde 
nicht  allein  tliatsachlicii  ausgeubt  oder  in  giinstigeren  Fallen 
durch  Geld  losgekauft,  sondern  war  auch  in  dem  offentlichen 
Recht  eines  fremden  geistlichen  Fiirstentimms  schnuililicher  Weise 
erwahnt."  ^ 

Diese  Behauptungen  stiitzen  sich  tlieils  direct,  theils  indirect 
auf  eine  Urkunde  vom  Jahr  1166,  gegen  deren  Aechtheit  keine 
Bedenken  bestehen  ^. 

Zum  allgemeinen  Verstiindniss  mag  Folgendes  dienen.  Der 
Marktflecken  Pergine  (zu  deutsch  Persen)  liegt  zwischen  Trient  und 
Bassano,  wo  das  Yalsugana  mit  dem  Valle  del  Fersina  zusammen- 
trifft,  auf  dem  schonen  AVege  von  Trient  zum  Lago  di  Caldonazzo. 
Im  Siidosten  des  Marktfieckens ,  auf  einem  freien  Hiigel,  steht 
noch  jetzt  die  alte  Burg  (mit  prachtvoller  Aussicht  vom  Schloss- 
thurm),  wo  vormals  die  durch  Mord,  Brand  und  Raub  beriichtigten 
Herren  von  Pergine  residirten  ^.  Ausserhalb  des  Ortes  an  der 
Landstrasse  nach  Trient,  an  dem  Platz  des  jetzigen  Franziscaner- 
klosters,  stand  das  Benedictinerstift  Wald,  das  im  Jahr  1877 
durch  Ueberschwemmung  zerstort  wurde  '^.  Schon  in  einer  Ur- 
kunde  vom  Jahr  845  iiber  einen  Prozess,  der  zu  Trient  vor  den 
Abgesandten  des  Kaisers  Ludwig  und  des  Herzogs  Liutfred  ent- 
schieden  wurde,  findet  sich  unter  den  Schoffen  der  Name  Avar- 
dus  de  Perfines^.  Kaiser  Conrad  IL  verschenkte  im  Jahr  1027 
das  Herzogthum  Trient,  wozu  damals  die  Herrschaft  Pergine 
gehorte,  an  den  Bischof  von  Trient''.  Es  scheint  jedoch,  dass 
die  Bischofe  nicht  lange  eine  directe  Herrschaft  iiber  Pergine  aus- 
iibten,  sondern  dass  bakl  eine  Ritterfamilie  von  baverischer  Abstam- 


1  Gar  S.  17;  de  Gubernatis,  Usi  S.  200,  201.  —  Aus  der  Stelle  von  Gar 
ist  nicht  zu  ersehen,  au  welches  geistliche  Furstenthum  er  gedacht  hat. 
Ebensowenig  findet  sich  dort  eine  Begriindung  der  Behauptung,  dass  zu  dama- 
ligen  Zeiten  der  ..Anspruch  auf  die  Jungfrauschaft  der  Briiute"  unter  die 
Hoheitsrechte  gezahlt  wurde.  Es  scheint  also,  dass  Tommaso  Gar  diese  That- 
sache  als  notorisch  ansieht  oder,  mit  andern  Worten,  mit  einer  vorgefassten 
Meinung  den  Einzelfall  gepriift  hat. 

2  Bonelli  (Bd.  2  S.  435,  Anm.  a)  versichert,  er  habe  die  Trkunde  (im 
Original,  wie  es  scheint,  nach  Bd.  1  S.  17)  von  Simon  Bartolomei  mitgetheilt 
erhalten,  und  sie  sei  bereits  von  Marzari,  lib.  1  fol.  67,  und  Pagliarini,  lib.  1 
fol.  21 ,  und  zwar  von  Letzterm  aus  dem  Libro  antico  dell'  Archivio  di  Vi- 
cenza,  carte  79,  veriifFentlicht  worden.  Damit  ist  die  Anm.  d  bei  Bimelli 
Bd.  1  S.   17  berichtigt.     Vgl    auch  Gar  g.  27. 

3  B.   Weber  S.  511—516.  *  B.  Weber  S.  513. 
5  Muratori  Bd.  2  S.  9Tl.  ^  Gar  S.   15. 


232  Kapitel  50.    Gundobald  von  Pergine. 

mung  (unter  Lelmsherrliclikeit  der  Bischofe  von  Trient)  zur  Herr- 
schaft  iiber  die  durch  mehrere  Ortschaften  gebildete  Gemeinde 
Pergine  gelangte  \ 

Die  Urkunde  vom  Jahr  1166  wurde  in  dem  genannten  Bene- 
dictinerkloster  notariell,  in  lateinischer  Sprache,  aufgenommen. 
Sie  enthalt  zahlreiche  Sprachfehler,  Liicken  und  undeutliche 
Stellen.  Aus  dem  Schluss  lasst  sich  nicht  ersehen ,  ob  sie  von 
den  im  Text  genannten  Personen  unterschrieben  ist.  Nach  einem 
Abdruck  vom  Jahr  1760,  von  dem  nicht  feststeht,  ob  er 
nach  einer  korrekten  Abschrift  erfolgte ,  lautet  der  Inhalt : 
„Im  Namen  unseres  Herrn  [Jesu  Chrijsti.  Im  Jahr  Seiner  Ge- 
burt  1166,  in  der  vierzehnten  Indiction,  am  dritten  Mai-,  ini 
Kloster  der  Monche  von  Wald  bei  dem  Marktflecken  Persen ,  im 
Saal  der  gewohnlichen  Zusammenkiinfte  zu  Versammlungen  fiir 
das  allgemeine  Wohl,  haben  die  Yorsteher  der  ganzen  Gemeinde 
[Persen]  in  Gegenwart  des  Herrn  Abts  Teutwig  .  .  .  [folgt  Auf- 
zahlung  der  versammelten  Yertreter  der  einzelnen  Ortschaften]  .  .  . 
alle  Senioren  und  Yorsteher  der  Ortschaften  ausserhalb  des 
Marktfleckens  und  des  ganzen  Gemeindebezirks  von  Persen,  mit 
Ausnahme  der  Pomermanni  in  Floruts,  welche  zu  den  Dienst- 
mannen  des  Herrn  gehoren^,  nach  dem  Willen  und  Befehl  ihrer 
Miinner  und  Senioren  in  der  bestmoglichen  Form  .  .  .  zu  ihren 
wahren  und  gewissen  Abgesandten,  Bevollmachtigen  und  Botschaf- 
tern  der  ganzen  genannten  Gemeinde  bestellt  und  ernannt  die 
Herren  Abrian  und  Alimar,  Sohn  von  Asgrand,  aus  Perseu, 
den  Jacobino  aus  Susate  .  .  .  [mit  dem  Auftrage],  zur  Stadt  Vi- 
cenza  sich  zu  begeben  und  sich  dort  unter  Wahrung  der  dem 
Reich  und  der  Kirche  von  Trient  gebiihrenden  Ehre,  .  .  .  dem 
Vogt  (Gewalthaber,  Podesta)  und  den  Vorstehern  der  ganzen 
Gemeinde  und  Stadt  Vicenza  vorzustellen  ....  und  die  ganze 
Gemeinde,  Manner  und  Personen,  in  ihren  Schutz  zu  geben, 
und  um  fiir  die  Manner  des  ganzen  Bezirks  und  der  Gemeinde 
Persen  eidlich  zu  versprechen,  dass  sie  ihre  treuen  Diener, 
Freunde  ihrer  Freunde  und  Feinde  ihrer  Feinde  sein  und  ihnen 
bei    Fehden    ausserhalb    des    Bezirks    Persen    mit    zweihundert, 

'  Vgl.  Gar  S.  15;  B.  Weber  S.  514—516. 

-  Da  das  Jahr  1166  die  Indiction  XIV  hat,  so  ist  ..quarta  ddiina"  zu  iu- 
dictione  und  „tercia"  zu  Madii  zu  ziehen. 

^  „De  Arimania  Domini".  Der  Ausdruck  Ariminuii  wird  von  lleermannen, 
Ehrmannen  oder  Erbmannen  hergcleitet.  Die  Arimanni  hatten  ein  kleines 
Erbgut  als  .■Mlod,  nahmen  jedoch  Dienste  bci  Machtigeron  an.  Vgl.  Hiilhnann 
Bd.  2  S.  -202:  tJar  S.  32. 


Kapitcl  50.    Gundobald  von  Pergine.  233 

innerhalb  des  Bezirks  mit  vierhundert  bewafFneten  Fusssoldaten 
helfen  wollen;  jedoch  unter  folgcnden  Bedingungen,  dass  sie  von 
der  Gemcinde  Yicenza  einen  Vogt  erlialten,  der  mit  einer  ge- 
niigendcn  Zahl  BewafFneter,  gleichzeitig  mit  den  Abgesandten 
und  Botschaftern ,  zu  ihnen  kommen  soll,  bevor  Herr  Gundibald, 
der  gegenwartig  in  Bayern  ist,  zuriickkehrt,  [und  dass  sie  seine] 
Bedriickungen  nicht  gestatten,  sondern  nach  allen  ihren  Kraften 
mit  ihrem  Beistand  ihn  aus  dem  ganzen  Bezirk  vertreiben.  Fer- 
ner,  dass  der  Yogt  denselben  Mannern  und  Personen  gestattet, 
nacli  ihren  eigenen  Gebrauchen,  Gesetzen  und  alten  Gewohnheiten 
zu  leben,  wie  sie  immer,  seit  Menschen-Gedenken  und  schon 
sechshundert  Jahre  lang,  gelebt  haben  und  kiinftig  leben  wollen, 
nach  der  Lex  Salica  und  Longobardica.  Ferner,  dass  sie  ver- 
sprechen,  ohne  Betrug  oder  List,  die  herkommliche  colletta  ^  [nur] 
von  den  Feuerstatten,  nicht  von  den  Liegenschaften,  zu  entrichten 
[zu  erheben?],  und  anderes  Gutes,  wie  es  immer  von  Alters 
her  beobachtet  wurde.  Ferner,  dass  sie  aus  allen  ihren  Kraften, 
mit  ihrem  Beistand  und  mit  starker  Hand,  sie  befreien  und  be- 
freit  halten  sollen  von  der  Tyrannei  und  Herrschaft  des  Herrn 
Gundibald,  Sohnes  von  Adalbert,  des  bisherigen  Beherrschers 
der  Burg  Persen,  der  Burgen  Cuco  und  Caveone  .  .  .  und 
des  ganzen  Bezirks  Persen.  Ferner,  dass  sie  nicht  in  Fehde 
wider  das  Reich  oder  die  Kirche  von  Trient  und  Felters  gefiihrt 
oder  zur  Hiilfeleistung  oder  Begiinstigung  gegen  dieselben  ge- 
nuthigt  werden  diirfen ,  wie  es  Herr  Gundibald  thut  mit  den 
Herren  von  Castrobarco  und  Andern,  und  wie  es  Adalbert  that, 
[und]  der  Grossvater  des  Herrn  Gundibald.  Ferner,  dass  die 
Frolmden  und  Lasten ,  die  durch  denselben  Yater  und  Gross- 
vater   [des   Herrn  Gundibald]    ihnen  auferlegt   sind,    ganz  aufge- 

hoben    und    vernichtet    werden    sollen,     namlich und 

Nutzungen  der  erstenNachtwegenderBriiute.  Ferner, 
dass  der  Yogt  fiir  die  Lasten  und  Dienste ,  die  er  von  ihnen  in 
der  Burg  empfangt,  einen  angemessenen  Lohn  zu  zahlen  hat, 
nach  Massgabe  des  Herkommens,  welches  vor  der  Herrschaft 
des  Herrn  Friedrich,  Grossvaters  des  Herrn  Gundibald,  beobachtet 

*  Vgl.  Ducange  unter  Collecta;  Gar  S.  39:  ,,La  colta  o  coUetta  (coUecta) 
una  tassa  imposta  arbitrariaraente  ora  sui  fondi  ora  sui  fuoclii,  e  che  si  diceva 
biscolta ,  se  esigevasi  due  volte  1'  anno.  Quella  sui  fuochi  importava  solita- 
mente  quaranta  soldi"'.  Zu  Deutsch :  ..Die  Colta  oder  CoUetta  (coUecta)  war 
eine  Abgabe,  welche  willkiirlich  bald  ihren  Liegenschaften,  bald  iliren  Feuer- 
stiitten  auferlegt  ward;  sie  hiess  biscolta,  wenn  sie  zweimal  im  Jahr  erhoben 
"wurde.     Die  der  Feuerstatten  betrug  allein  40  soldi." 


234  Kapitel  50.    Gundobald  von  Pergine. 

und  nur  dadurch  beseitigt  wurde ,  dass  Herr  Friedrich  durch 
Gewalt  und  Kriegsmacht  mit  Bewaffneten  zu  Dienstleistungen 
nothigte,  ohne  Lohn  dafiir  zu  geben,  indem  er  diejenigen,  die 
Lohn  begehrten ,  einkerkerte  und  misshandelte.  .  .  .  Ferner ,  dass 
es  ihnen  erlaubt  sein  soll,  die  gewohnten  Zehnten  an  den  Herrn 
Bischof  von  Felters  abzuliefern,  wie  es  herkommlich  war,  bevor 
Herr  Friedrich  mit  bewaffneten  Mannern  nothigte,  dass  die 
Lieferung  an  ihn  selbst  erfolgte,  [indem  er]  die  Zuwiderhandeln- 
den  mit  .  .  .  und  Hunger  [bestrafte].  Ferner,  dass  die  durch 
Herrn  Gundibald  eingefiihrte  minella  *   von   neuen  Werken  nicht 

erhoben   werden   soll.     Ferner,    dass Ferner,    dass  ihnen 

freistehen  soll,  wie  es  immer  seit  den  altesten  Zeiten  erlaubt 
war,  den  Richter  zu  wahlen,  der  jedoch  unter  ,  .  .  dem  Herrn 
Yogt  stehen  soll.  Ferner,  dass  niemals  aus  irgend  einem  Vor- 
wand '  der  Bezirk  Persen  soll  iibergeben,  cedirt,  verschenkt, 
veraussert  oder  auf  andere  Weise  [weggegeben]  werden  konnen, 
an  Herrn  Adalbert  Gundibald  oder  dessen  Erben,  Yerschwagerte 
und  Andere  von  seiner  Sippe  und  an  seine  Freunde,  auch  nicht 
an  Andere,  ohne  den  freien  Willen  der  Manner  aus  der  Gemeinde 
und  dem  Bezirk  Persen;  und  dass,  wenn  dies  demungeachtet 
geschehen  sollte,  die  'Personen  von  selbst  frei  von  der  Unter- 
thanigkeit  sein  sollen.  Ferner,  dass  sie  nicht  genothigt  werden 
sollen,  auf  Strassen  und  oifentlichen  Wegen  Fehde  zu  fiihren 
und  die  Reisenden  zu  berauben  und  auszupliindern ,  wie  Herr 
Gundibald  eingefiihrt  hat.  .  .  .  Ferner,  dass  die  Herren  Yogt 
und  Yorsteher  ihren  Mannern  unter  Eid  versprechen  sollen,  diese 
Bedingungen  auf  ewige  Zeiten  zu  halten  und  den  an  sie  Abge- 
sandten  eine  Sicherheits-  und  Zustimmungs-Urkunde  ausstellen, 
fiir  sich  und  die  Nachfolger  der  genannten  Stadt  auf  ewige 
Zeiten "  2 


^  Vgl.  Gar  S.  40:  ..La  minella  era  una  tassa  prelevata  siil  dissodamento 
e  riduzione  a  novali  degli  spazii  o  strati  boschivi ;  tassa  che  nel  Patto  Per- 
ginese  6  chiamata  de  laboreriis.^^  Zu  Deutsch :  „Die  Minella  war  eine  Ab- 
gabe  dafiir,  dass  Platze  oder  Waldfliichen  urbar  und  zu  Brachfeld  gemacht 
wurden;  eine  Abgabe,  die  im  [vorliegenden]  Vertrag  von  Pergine  mit  dem 
Ausdruck  de  lahoreriis  bezeichnet  ist." 

*  Carta  spettante  alla  Lega  ofTensiva  e  difensiva  fatta  dalla  Comuniti  di 
Pergine  con  la  ComunitA  e  Cittk  di  Vicenza  contro  i  Signori  di  Castel  Per- 
gine,  ed  altri  seco  loro  coUegati,  bei  Bonelli  Bd.  2  S.  433—435:  ..In  nomine 
Domini  nostri  .  .  .  sti.  Anno  ejusdem  Nativitatis  millesimo  centesimo  sexage- 
simo  sexto  Indictione  quarta  decima  tertia  Madii  in  Cenobio  Monachorum  de 
Uualdo  apud  Burgum  Persines  in  cubile  ubi  consuetum  est  convenire  ad 
adunantias  pro  boiio  publico  Rectores  totius  Communis  .  .  .  in  presencia  Domni 


Kapitel  50.    (hindohald  von  Pergine.  235 

Diese  Urkunde    vom   8.    Mai    1166   enthalt   nieht,  wie   Rapp 

Teutovigi  Abba  .  .  .  presentiljus  Gutlrido  (luond.  Andrec  Benedicto  quond. 
Nicolai  de  Padua  habitactoribus  in  Burgo  Persines  Ruffino  quond.  Marci  et 
Joanne  quond.  Riprandi  de  Turrone  Servitoribus  in  dicto  Cenobio  Testibus 
rogatis.  Ibicjue  Sigefridus  de  Boniolis  Joannes  quond.  Lamperti  Oluradinus 
et  Seniores  in  Burgo  facientes  pro  hoininibus  Burgi  Sivernach  Vallare  et 
Valdeurbano.  Blaxius  qiiond.  Jacobi  de  Prato  Argaitus  quond.  Marci  Bene- 
dictus  quond.  Rumeli  facientes  nomine  hominum  et  personarum  Prati  Vierach 
Porteli  Canestie  Braxesii  Sertzii  et  Arzenach.  Janolus  quond.  Odorici  de 
Madrano  ]\Ialebrutus  quond.  Tieterici  de  Viculzano  facientes  nomine  horainum 
et  personarum  Madrani  Nogarait  Cantzelini  Buxi  Uuarde  Viculzani  Caxilini 
Coste  etc.  .  .  .  Albrectus  de  Susato  Illemarius  de  Canalo  facientes  nomine  ho- 
rainum  et  personarum  Susate  Canale  Costasabine  Runconi  Gebricus  quond.  .  .  . 
de  Gretung  Mansaitus  de  Hoichlait  facientes  nomine  hominum  et  person.  .  .  . 
Fraxilongi  et  Robure.  Halitmarius  quond  Xichi  de  HiscLa  Cutuvertus  quond. 
Kauchi  de  Volchzurige  facientes  nom  .  .  .  hominum  et  personarum  Hiscle 
Tenne  S.  Cristofali  Vignole  et  Volchestan.  Redoxus  quond.  Brente  de  Ca- 
steneto  .  .  .  nom  .  .  .  hominum  et  personarum  Casteneti  Volchnaur  Sancte  Cha- 
terine  omnes  Seniores  et  Rectores  Villarum  extra  Burgum  et  totius  Communis 
et  districtus  Persines  exceptis  Pomermanis  in  Floruts  de  Arimania  Domini  de 
A-oluntate  et  jussione  suorum  hominum  et  Seniorum  omni  meliori  modo  quo 
possunt  forma  et  .  .  .  constituerunt  et  ordinaverunt  suos  veros  et  certos 
Missos  Procuratores  et  Ambaxatores  totius  Communis  predicti  Dominum  Abri- 
aniim  et  Halitmarium  quond.  Ansprandi  de  Persines  Jacobinum  de  Susate  .  .  . 
.  .  .  ire  ad  Civitatem  Vicentie  et  se  presentandum  salvo  honore  Imperii  et 
Eccles.  Trid.  .  .  .  coram  .  .  .  Potestatem  et  Rectores  totius  Communis  et  Civi- 
tatis  Vicentie  pred  .  .  .  secundum  jam  sunt  tres  hebdomade  con  .  .  .  fuit  et 
tradendum  totum  commune  homines  et  personas  sub  protectione  illius  et  ad 
faciendum  promissionem  sub  Sacramento  Juramenti  homines  totius  Districtus 
et  Communis  Persines  se  velle  esse  fideles  servitores  et  amicos  amicorum  et 
inimicos  inimicorum  suorura  et  juvare  in  vvera  extra  districtum  Persines  cum 
bis  centum  armatis  peditibus  et  in  districtu  cum  quadrincentis  .  cum  his  tamen 
condictionibus  quod  recipiant  Potestatem  a  Commune  Vicentie  qui  venire  ha- 
beat  cum  ipsis  Missis  et  Ambaxatoribus  cum  competenti  numero  Armatorum 
antequam  veniat  Dominus  Gundibaldus  qui  ad  presens  est  in  Babaria  .  .  . 
molestari  non  permittant  sed  cum  omni  et  toto  suo  posse  cum  adjutorio  ipso- 
rum  hominum  expellant  a  toto  districtu.  Item  quod  Potestas  permittat  ipsos 
homines  et  personas  vivere  suis  usibus  legibus  et  consuetudinibus  antiquis 
secundum  quod  semper  ab  hominum  memoria  et  in  ante  jam  sunt  centum 
CC  CCCC  annos  vixerunt  et  vivere  volent  tam  ex  lege  Salica  et  Longobar- 
dica.  Item  quod  promittunt  sine  dolo  et  fraude  solvere  consuetam  quantitatem 
collecte  super  focis  non  super  fundis  et  alia  bona  ut  semper  ab  antiquo  ob- 
servatum  fuit.  Item  quod  se  liberent  et  liberatos  teneant  cum  omni  suo 
posse  et  toto  auxilio  forti  brachio  a  tirannide  et  dominatione  Domini  Gundi- 
baldi  quond.  Domni  Adelpreti  usque  ad  presens  Reguli  Castri  Persines  Castris 
Cuco  et  Caveone  Bru  .  .  .  Castelire  et  Viculzani  et  totius  districtus  Persines. 
Item  quod  non  possint  deduci  in  vveram  contra  Imperium  et  Ecclesiam  Tri- 
denti  et  Felters  vel  cogi  contra  illos  auxilium  et  favorem  prestare .  ut  facit 
Diis  Gundibaldus   cum    illis    de  Castrob''^    et   aliis   et   fecit  Adelprectus   Avus 


236  Kapitel  50.    Gundobald  von  Pergine. 

meint*,  die  Yerbriefung-  eines  Schutz-  und  Trutzbiindnisses,  son- 
dern  nur  die  Bestellung  von  Bevollmachtigten,  die  einen  Yertrag 
unter  den  in  der  Yollmacht  bezeichneten  Bedingungen  abschliessen 
sollten.  Anderwiirts  wird  bezeugt,  dass  die  Stadt  Yicenza  das 
ihr  gemachte  Anerbietcn  angenommen  habe;  doch  wird  nicht 
hinzugefiigt,  ob  durch  Hiilfe  der  Stadt  Yicenza  die  Perginesen 
von  der  ihnen  verhassten  Herrschaft  befreit  wurden  ^. 

Bonelli  (1760)  entnimmt  aus  dem  Inhalt  dieser  Urkunde, 
dass  die  Beherrscher  von  Pergine  „nicht  allein  die  Reisenden 
iiberfielen  und  auspliinderten,   sondern  oft  die  \Yaffen  gegen  die 


Dni  Gundibaldi.  Item  quod  hangarias  et  honera  ab  ipso  Patre  et  Avo  suis 
sibi  factis  in  totum  tollantur  et  cassentur  uti  sunt  .  .  .  et  fruictiones  prime 
noctis  de  sponsabus.  Item  quod  pro  honeris  et  serviciis  Potestati  in  Castro 
sibi  solvatur  merces  congrua  juxta  quod  semper  observatum  fuit  usque  ante 
Dominationem  Dni  Friderici  Avi  Diii  Gundibaldi  qui  per  vim  et  forcias  cum 
armatis  coegit  hoperas  facere  et  nihil  pi-o  mercede  dando  includendo  in  car- 
ceribus  qui  mercedem  petebant  et  percutiendo  .  .  .  Item  quod  liberum  sit 
solvere  decimas  consuetas  Domno  Episcopo    de  Felters    prout   consuetum    fuit 

ante  Diium  Fridericum    qui    cum  armatis  hominibus  coegit  sibi  dari 

fame  contrafacientes.     Item  quod  de  novis  laboreciis  factis  et  fiendis  non  exi- 

gatur  minellum    ut    instituit  Diius  Gundibaldus.     Item  quod  sibi 

erat Item  quod  sibi  liceat  usque  semper  ab  antiquissimis  temporibus 

Judicem  sibi  eligere  qui  tamen  sit  sub  .  .  .  Diio  Potestate.  Item  quod  nun- 
quam  districtum  Persines  tradi  cedi  donari  alienari  quolibet  pretextu  causa 
.  .  .  vel  alio  modo  possit  Diio  Adelprecto  Gundibaldo  vel  ejus  filiis  heredibus 
affinibus  et  aliis  de  ejus  parentela  et  amicis  sine  voluntate  ipsorum  hominum 
Communis  et  Districtis  Persines  et  nec  aliis  sine  suo  consensu  et  si  factura 
fuerit  ipse  persone  sint  libere  ipso  facto  a  subjectione  Item  quod  non  pos- 
sint  cogi  ad  facere  vvardam  in  stratis  et  viis  publicis  et  robare  et  spoliare 
comeantes  prout  institiiit  Diius  Gundi  .  .  .  Item  quod  Diii  Potestas  et  Recto- 
res  promittant  de  observando  sibi  hominibus  has  condictiones  sub  Sacramento 
in  perpetuum    et   dare    sibi    Missis  chartam    securationis    et    piaciti    pro    se    et 

Successoribus    dicte    Civitatis   in    perpetuum promittentes    dicti   ho- 

mines  facientes  .  .  .  firma  rata  habere  gesta  suorum  Missorum  .  .  .  Ratorum 
sub  condictionibus  tamen  uti  premissum  fuit  supra  stipuLandis  et  promittendis 
et  non  contrafacere    per   se    nec    per   alios  Succcssores  in  presenti  et  futurum 

perpetuis    futuris   temporibus   nuUo    pretextu nisi    sibi    non   fuerint 

servate    .  .  .    premisse   condictiones    .  .  .    pena    marcliarum  .  .  .  damnorum    et 

expensarum tenere  Missos L.  f  S.     Ego  Ataulfus  quond. 

.  .  .  habitator  in  Burgo  Persines  sacri  Palatii  Notarius  interfui  .  .  .  et  scripsi 
ad  presentiam  .  .  .  ium."  Daraus:  Gar  S.  55—59;  deutscher  Auszug  bei 
Rapp  S.  42,  43  und  S.  •22:  italienische  Uebersetzung  bei  Gar  S.  22 — 27. 

'  Rapp  8    22,  42. 

2  Vgl.  Gar  S.  27,  28.  wo  auf  die  Viccntiner  Geschiclitschreiber  Pagliarini, 
Marzari,  Castellini  und  Maccii  verwiesen  wird.  —  Bei  B.  Weber  (S.  516) 
findct  sich  dic  Notiz ,  dass  die  Herren  von  Pergine  gegen  1300  aus  der  Ge- 
schichte  verschwundeii  seien. 


Kapitel  30.    GiiTKlobald  von  Pergine.  237 

Kirche  und  das  Reicli  er^^riffen,  die  armen  Unterthanen  beschwer- 
ten  und  unterdriickten,  nicht  bloss  den  Kirchen  die  Zehnten, 
sondern  auch  den  Arbeitern  ihren  gerechten  Lohn  versagten,  un- 
aufhorliche  Gewaltthatigkeiten  dem  ungliicklichen  Yolk  zufiigten, 
sogar  den  Anspruch  erhoben,  die  ersten  Bliithen 
der  Ehen  abzupfliicken,  und  mit  aller  ihrer  Macht  so  starken 
Missbrauch  trieben,  dass  damals  die  Vertheidigung  der  weltlichen 
Giiter  der  Kirchen  vor  ihren  gewaltthatigen  und  ungerechten  An- 
massungen  dasselbe  bedeutete,  wie  die  Entziehung  derselben  aus 
den  Handen  jener  Tyrannen,  die,  je  machtiger  sie  gew^orden 
waren,  um  so  mehr  auf  den  Schaden  des  einzelnen  und  offentlichen 
AVolils  hintrachteten"  ^  Rapp  versteht  die  Urkunde  dahin,  dass 
die  Vertreter  der  Stadt  Vicenza  den  Abgesandten  von  Pergine 
versprechen  sollten,  „die  ihnen  von  Gundibald  und  seinen  Ahn- 
herren  aufgebiirdeten  Frohnen  und  Lasten  abzunehmen ,  und 
besonders  den  tyrannischen  Genuss  ihrer  Braute  in 
der  ersten  Nacht  abzuschaffen"  ^.  Tommaso  Gar  iiber- 
setzt  die  Stelle  „et  fruictiones  prime  noctis  de  sponsabus"  mit  den 
Worten:  „e  il  godimento  della  prima  notte  delle  spose"  ^,  was  zu 
Deutsch  heisst:  „und  den  Genuss  der  ersten  ^acht  der  Braute". 
Indessen  ist  die  mehrgenannte  Urkunde  nicht  geeignet,  den 
Nachweis  zu  erbringen,  dass  Gundibald  das  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht  ausgeiibt  oder  auch  nur  Anspruch  darauf  erhoben 
habe;  ganz  abgesehen  davon,  dass  die  fragliche  Stelle,  wenn 
sie  von  jenem  Recht  zu  verstehen  ware ,  nicht  ein  glaubhaftes 
Zeugniss,  sondern  bloss  eine  Anklage  gegen  Gundibald  enthalten 
wiirde.  Das  Wort  „fruictiones"  ^  ist  gleichbedeutend  mit  „frui- 
tiones".  Dann  lautet  die  Uebersetzung  der  betreffenden  Stelle: 
„und  jS^utzungen  der  ersten  Nacht  wegen  der  Braute".  Sicherlich 
wiirde  der  Verfasser  sich  anders  ausgedriickt  haben,  wenn  er  vom 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht  hatte  sprechen  wollen.  Die  Ueber- 
setzung  Rapp's  iibersieht  ausserdem,  dass  sich  vor  den  entscheiden- 
den  Worten  eine  Liicke  befindet.  Ueberdies  ist  es  kaum  glaublich, 
dass  die  Urkunde  den  „tyrannischen  Genuss  der  Braute"  zu  den 
Frohnden  und  Lasten  gerechnet  haben  sollte,     Aus  dem  Abdruck 


1  Bonelli  Bd.  1  cap.  2  g   7  S.   17,  18. 

2  Rapp  S.  43.  3  Qar  S.  25. 

^*  Eine  Erkliirung  dieses  Wartes  finde  ich  weder  bei  Forcelliiii,  noch  bei 
Ducange  oder  Diefenbach.  Doch  ist  es  unbedenklich.  ..fruictiones"  als  gleich- 
bedeutend  mit  ,.fruitiones"'  zu  verstehen,"  da  sich  diese  Eigenthumlichkeit  der 
Schreibart  auch  in  andern  Wortern  der  Urkunde  findet,  z.  B.  ..condictiones" 
statt  conditiones  und  „habitactoribus"  statt  habitatoribus. 


238  Kapitel  50.    Gundobald  von  Pergine. 

bei  Bonelli  ist  niclit  zu  erselien,  ob  in  der  Originalurkunde  die 
Liicke  vor  den  Worten  „et  fruictiones  prime  noctis  de  spon- 
sabus"  deu  Raum  weniger  Worter  oder  etwa  mehrere  Zeilen  ein- 
nimmt.  Yermuthlich  ist  die  Liicke  nicht  unbedeutend,  da  der 
Eingang  der  Stelle  iiber  Frohnden  und  Lasten  so  gefasst  ist,  als 
soUe  eine  Aufziihlung  derselben  im  Einzelnen  folgen.  Bis  zu 
naherer  Aufklarung  iiber  den  Umfang  der  Liicke  wird  angenom- 
men  werden  miissen,  dass  die  bezeichnete  Stelle  den  Schluss  eines 
Abschnitts  iiber  Frohnden  und  Lasten  bildet.  Nun  aber  erscheint 
es  als  undenkbar,  dass  der  Yerfasser  der  Urkunde  am  Ende  eines 
Abschnitts  iiber  Frohnden  und  Lasten  mit  den  angefiihrten  sechs 
kurzen  AYortern,  gewissermassen  wie  einen  K^ebenpunkt,  das 
Herrenrecht  der  ersten  Xacht  bezeichnen  wollte.  Sollte  gegen 
Gundibald  der  Yorwurf  erlioben  werden,  dass  er  den  „tyran- 
nischen  Genuss  der  Braute"  seiner  Unterthanen  beansprucht  habe, 
so  wiirde  dieser  Anklagepunkt  der  wichtigste  von  allen  gewesen, 
und  deshalb  an  die  Spitze  gestellt,  mindestens  aber  in  einem 
besonderen  Abschnitt  behandelt  worden  sein.  Sicherheit  iiber 
Auslegung  der  Stelle  konnte  nur  dann  erlangt  werden,  wenn 
die  Urkunde  ohne  Yerstiimmelung  vorliige.  Yermuthlich  aber 
sind  unter  „Nutzungen  der  ersten  Nacht  wegen  der  Braute"  im 
Sinn  der  vorliegenden  Urkunde  Heirathsabgaben  zu  verstehen. 
Diese  Auslegung  ist  mit  dem  Wortlaut  („de  sponsabus")  gram- 
matisch  besser  vereinbar,  als  die  Erkliirung  von  Bonelli  und 
Rapp.  Es  ist  leicht  moglich,  dass  die  Herren  von  Pergine  bei 
Heirathen  ihrer  Unterthanen  (bei  allen  Heirathen,  oder  nur  bei 
solchen  von  Ungenossen)  Abgaben  erhoben ,  und  dass  dieselben 
vor  Yollziehung  der  Ehe  bezahlt  werden  mussten.  Auch  passt 
diese  Auslegung  in  den  Zusammenhang  des  Abschnitts  iiber  Frohn- 
den  und  Lasten.  Sie  wird  noch  dadurch  bestiitigt,  dass  die  Ur- 
kunde  an  keiner  andern  Stelle  von  Heirathsabgaben  handelt, 
obwohl  uach  anderweitigen  Nachrichten  zu  daraaliger  Zeit  in  der 
Umgegend  von  Trient  zur  Yerheirathung  der  Leibeigenen  die  Zu- 
stimmung  des  Herrn  erforderlich  war^,  daher  die  Yermuthung 
nahe  liegt,  dass  dafiir  Abgaben  durch  die  Beherrscher  von  Per- 
gine  erhoben  wurden. 


^  Gar  S.  35:    ...  ..Spogliati    dci    diritti    inalienabili    della    specie    umana, 
nnn  potevano,  senza  il  consenso  del   fcudatario.  ammogliarsi"   .  .  . 


Kap.  51.    Cardinal  Hier.  della  Rovere.    Kap.  52.  Nizza  della  Paglia.      239 

V.   Italieu  (Piemont). 

a.   Privileg  des  Hauses  della  Rovere. 

Kapitel  51.  Im  Jahr  1610  schrieb  Yaniiozzi,  dieselbe  Un- 
sitto,  welche  in  Schottland  durch  Konig  Evenus  eingefiihrt  und 
durch  Konig  Malcolm  abgeschafft  worden  sei,  habe  seit  der  Heiden- 
zeit  in  Piemont  bestanden ;  der  Cardinal  Hieronymo  della  Rovere 
habe  ihm  mitgetheilt,  dass  er  ein  Privileg  seines  Hauses  liber 
ein  solches  E,echt  eigenhiindig  zerrissen  habe  ^.  Diese  Nachricht 
beweist  nur,  dass  um  die  Zeit  von  1610  von  einem  vergangenen 
Herrenrecht  der  bezeichneten  Art  in  Piemont  gesprochen  wurde. 
Es  ist  moglich,  dass  in  dem  verbrannten  Privileg  des  Cardinals 
Hieronymo  della  Rovere  (der  am  26.  Febr.  1592  gestorben  ist) -, 
eine  Heirathsabgabe  erwahnt  war^,  Niiheres  lasst  sich  dariiber 
niclit  ermitteln,  da  der  ^Yortlaut  der  zerrissenen  Urkunde  nicht 
erhalten  ist. 

1).   Veranlassung  der  Griindung  von  Nizza  della  Paglia. 

Kapitel  52.  In  den  Annalen  von  Alessandria,  die  im  Jahr 
1666  von  Girolamo  Ghilini  herausgegeben  wurden,  findet  sich 
zum  Jahr  1235  folgende  Erziihlung:  Die  Einwohner  von  Lanero, 
Calamandrana,  Garbazuola,  Quinzano,  Lintiliano  und  Belmonte 
konnten  das  unanstiindige  und  tyrannische  Leben  ihrer  Herren, 
der  Grafen  von  Acquasana,  nicht  mehr  ertragen;  diese  Herren 
begniigten  sich  nicht,  die  gewohnlichen  Abgaben  von  ihren  Unter- 
thanen  zu  erheben,  sondern  wollten  auch  die  von  gijttlichen  und 
menschlichen  Gesetzen  verbotenen  Personallasten  wiedererlangen 
und  die  Primizien  der  Jungfrauen,  welche  heirathe- 
ten,  geniessen;  dariiber  aufgebracht,  rachten  sich  die  Ein- 
wohner  der  genannten  Ortschaften,  mit  Hiilfe  der  Einwohner 
von  Alessandria,  ihrer  Bundesgenossen,  indem  sie  nacli  einem 
verabredeten  Zeichen  der  Glocke  von  Belmonte  zu  einer  und 
derselben  Stunde  die  erwiihnten  Grafen  unbarmherzig  nicder- 
metzelten;  sie  wurden  dadurch  von  der  tyrannischen  Herrschaft 
befreit,    zerstorten   die    Schlosser   und   alle  Hiiuser  und  bebauten 

1  Vanozzi  Bd.  2  S.  253  (hinter  der  Nachricht  von  Eveiuis  und  Malcolm)  : 
,,Cotal  costume,  da  Pagani  &  da  Gentili,  fu  gia  in  Piemonte,  &  il  Cardinale 
Illustrissimo  Hieronymo  della  Rovere  mi  diceva,  haver  egli  stesso,  abbrucciato 
il  privilegio,  che  havea  di  cio  la  sua  Casa."  Daraus:  Bayle,  unter  Sixte  IV, 
Bd.  4  S.  224,  Anm.  H. 

2  Mor^ri  Bd.  9  S.  394.  »  Dalrymple  Bd.   1  S.  328. 


240  Kapitel  52.    Nizz.a  della  Paglia. 

auf  gemeinschaftliclie  Kosten  in  der  benachbarteu  Ebene,  am  Fliiss- 
chen  Kizza,  ein  Terrain,  das  den  Xamen  Nizza  erhielt  uud  durch 
die  giinstige  Lage  zwischen  den  Fliissen  Nizza  und  Belbo,  durch 
Yeranstaltung  tou  Ueberschwemmungen,  leicht  gegen  Augriffe  ver- 
theidigt  werden  konnte  *.  AYare  die  ^Yahrheit  dieser  Erzahlung 
erwiesen,  so  wiirde  daraus  nicht  ein  jus  primae  noctis  hergeleitet 
werden  konnen,  sondern  nur  die  Thatsache,  dass  die  Grafen  von 
Acquasana  geaussert  hatten,  sie  wollten  die  Primizien  der  Jung- 
frauen ,  welche  heiratheten ,  geniessen  ^.  Ghilini  giebt  die  Quelle 
der  Erzahlung  nicht  an.  Da  er  iiber  einen  Hergang  spricht,  der 
sich  vierhuudert  Jahre  friiher  zugetragen  haben  soll,  so  kann 
seine  Auctoritat  allein  nicht  geniigen,  um  die  erziihlten  That- 
sachen  zu  beweisen.  Bis  zu  einer  etwaigen  Entdeckung  der  Quelle, 
woraus  Ghilini  die  Nachricht  geschopft  hat,  kann  darin  hochstens 
eine  Sage  des  siebzehnten  Jahrhunderts  gefunden  werden.  Be- 
merkenswerth  ist  die  Uebereinstimmung  dieser  Erzahlung  mit  dem 
Grundgedanken  der  Sage,  die  sich  im  selben  Jahrhundert  iiber 
die  Griindung  der  Stadt  Montauban  verbreitete  ^.  Die  Annalen 
von  Ghilini  sind  nach  der  Zeitfolge  geordnet  und  enthalten  Jsach- 
richten  zu  den  einzelnen  Jahren  von  1168  bis  1659;  bei  dem 
Jahr  1235  findet  sich  nur  die  angefiihrte  Erzahlung  und  die  kurze 
Bemerkung,  dass  zu  Norwich  in  England  die  Juden  ein  Kniiblein 
Namens  AYilhelm  gekreuzigt  liiitten.  Es  ist  nicht  anzunehmen, 
dass  diese  beiden  Nachrichten  auf  kritischen  Untersuchungen 
beruhten. 

Auch  eine  epische  Dichtung  in  zwolf  Gesiingen  von  Sincere 
Rastelli  betrifft  die  Griindung  von  Nizza  della  Paglia.  Das  Yorwort 
dieses  Gedichts  bezeichnet  den  Hergang,  woraus  der  Gegenstand 
geschopft  sei,  unter  Berufung  auf  Ghilini  und  andere  Schrift- 
steller.  Danach  hiitten  die  Grafen  von  Acquasana,  unter  Ober- 
hoheit  des  Marchese  di  Monferrato,  nicht  verstanden,  sich  bei 
ihren  Unterthanen,  den  Einwohnern  der  vorerwahnten  sechs  Ort- 
schaften,  beliebt  zu  machen;  abgesehen  von  andern  Lasten, 
hatten  sie  sich  im  Besitz  eines  sehr  ungerechten  Gesetzes  ge- 
halten,  wonach  alle  neuvermiihlten  Frauen  dem  Grafen,  ihrem 
Herrn,  ihre  Erstlinge  hiitten  geben  miissen ;  die  armen  Einwohner 


1  Ghilini  S.  36.  Vgl.  dariiber  Delpit  S.  68—70:  de  Lagreze  S.  393;  Bueh- 
mann  S.  36;  de  Labessade  S.  25,  Nr.  50. 

2  Ghilini  S.  36:  ...  „volevano  anche  ricoverare  i  personali,  dalle  divine 
&  humane  leggi  proibiti,  e  goder  le  primizie  delle  vergini ,  che  andavano  k 
marito"  .  .  . 

'  Vgl.  darliber  Kap.  69. 


Kapitel  53.    Prelley  und   Parsanni.  241 

hatten  sicli  lange  dieser  Niedertriichtig-keit  gefiigt,  aber  endlich 
im  Jahr  1235  sich  gegen  ihre  Herren  verschworen  und  auf  ein 
verabredetes  Zeichen  der  Glocke  von  Belmonte  die  sechs  Grafen 
in  ihren  Felsen  angcgriffen  und  getodtet,  dann  die  Schlosser  gc- 
schleift,  ihre  eigenen  Wohnungen  zerstort  und  mit  Hiilfc  der 
Alessandriner,  welche  ihnen  gegen  Bonifacio  Marchese  di  Mon- 
ferrato  zu  Hiilfe  kamen,  am  Einfluss  der  Nizza  in  den  Belbo 
die  Stadt  erbaut,  die  Nizza  della  Paglia  heisse.  Diese  Darstellung 
weicht  von  derjenigen  Ghilini's  darin  ab ,  dass  angegeben  wird, 
eine  Zeit  lang  hatten  die  Grafen  von  Acquasana  sich  ini  wirk- 
lichen  Besitz  jenes  angeblichen  Rechts  gehalten,  und  ihre  Uuter- 
thanen  hatten  die  Ausiibung  geduldet;  sowie  in  der  Angabe,  dass 
dies  Recht  „il  Fodero"  geheissen  habe  \  In  demselben  Yorwort 
bemerkt  jedoch  der  Verfasser,  das  Recht  des  Fodero  habe  die 
Unterthanen  eigentlich  nur  zu  einer  bestimmten  Steuer  verpflichtet, 
namlich  zu  Lieferung  von  Getreide  fiir  den  Konig  und  Nahrung 
fiir  die  Soldaten  und  Pferde;  und  es  sei  sicher,  dass  eine  offent- 
liche  Abgabe  dieser  Art  ohne  irgend  einen  schmachvollen  Inhalt 
bestanden  habe;  dagegen  in  dem  Gedicht  nehme  er  das  AYort 
in  der  landlaufigen  Bedeutung,  die  vielleicht  von  Missbriiuclien 
der  Grafen  von  Acquasana  herriihre  ^. 

c.  Aufstand  gegen  die  Herren  von  Prelley  und  Parsanni. 

Kapitel  53.  Im  Jahr  1704  berichtete  Lauriere,  die  Herren 
von  Prelley  und  Parsanni  in  Piemont  hatten  ein  ahnliches  [gleiches] 
Recht,  wie  das  durch  Konig  Evenus  in  Schottland  eingefiihrte, 
ausgeiibt;    dies  Recht    habe    den  i^amen   Cazzagio  ^    gefiihrt;    die 


1  Rastelli  S.  6 :  .  .  .  .,Tra  le  altre  gravezze  si  mantevano  in  possesso  d'nua 
legge  iniqnissima  detta  del  Fodero ,  in  virtii  della  quale  erano  obbligate  tutte 
le  novelle  spose  di  dare  al  Conte  Padrone  le  loro  primizie.  I  poveri  ter- 
razzani  si  adattarono  per  un  pezzo  a  questa  infamia'^  .  .  . 

2  Rastelli  S.  8.  —  Das  Wort  Foderum  oder  Fodero  findet  sich  in  zahl- 
reichen  Urkunden  in  der  Bedeutung  von  Futter  oder  Futter-Abgabe.  Vgl. 
Muratori  Bd.  2  S.  64  und  S.  452:  Ducange  unter  Fodriim;  Sigonius  lib.  7 
bei  dem  Jahr  992.  Hauptsiichlich  v^-urde  so  die  Proviant-Abgabe  bezeichnet, 
die  an  den  deutschen  Konig  zu  entrichten  war,  wenn  er  zur  Kaiserkronung 
nach  Italien  kam.     Vg!.  Gar  S.  39. 

3  Diesen  Ausdruck  habe  ich  in  keinem  altern  Werk  gefunden:  doch  ist 
es  moglich,  dass  eine  Heirathsabgabe  so  bezeichnet  wurde,  da  der  Anfang  des 
Worts  dem  Anschein  nach  von  cazzo  entnommen  ist.  und  die  Endiing  -agio 
ebenso  wie  die  lateinische  Endung  -agium  auf  eine  Abgabe  hindeutet.  (Die- 
selbe  Endung  wiederholt  sich  bei  zahlreichen  Abgaben,  z.  B.  amobragium, 
chevagium,  connagium,  culagium,  maritagium.) 

Schmidt,  .Jus  primae  noctis.  16 


242  Kapitel  53.    Prelley  und  Parsanni. 

Vasallen  hatten  die  Ablosung  begehrt  und,  als  die  Herren  dar- 
auf  nicht  eingehen  wollten,  einen  Aufstaud  erregt  und  sieh  an 
Amadaus,  den  Sechsten  dieses  Namens,  den  vierzehnten  Grafen 
von  Savoyen,  ergeben;  Letzterer  habe  sie  an  seine  Nachfolger 
iiberliefert  ^.  Der  Sinn  dieser  Nachricht  scheint  dahin  zu  gehen, 
dass  Amadaus  der  Sechste  von  Savoyen  geholfen  habe,  die  Orte 
Prelley  und  Parsanni  von  jenem  Herrenrecht  zu  befreien,  und 
dass  er  zufolge  der  dariiber  entstandenen  Fehde  jene  piemontesi- 
schen  Ortschaften  mit  der  Grafschaft  Savoyen  vereinigt  habe. 
Aus  Lauriere  ist  die  IS^achricht,  als  vermeintlicher  Beweis  fiir  das 
jus  primae  noctis,  in  die  Werke  vieler  neueren  Schriftsteller  theils 
direct ,  theils  indirect  iibergegangen  ^ ,  und  zwar  mit  mehreren 
ITngenauigkeiten.  Bei  den  Encyklopadiston  (in  allen  mir  bekannten 
Ausgaben)  und  bei  Voltaire  findet  sich  der  Druckfehler  ^carragio" 
statt  „cazzagio;  bei  Dulaure  ist  Amadaus  als  der  Vierte  (nicht  als 
der  Sechste)  des  ^amens  bezeichnet ;  in  der  Augsburger  Allge- 
meinen  Zeitung  steht  „der  Adel  von  Piemont"  anstatt  der  jS^amen 
Prelley  und  Parsanni.  In  keinem  von  allen  dieseu  Werken  findet 
sich  ein  Anzeichen  selbstandiger  Untersuchung. 

Die  Erzahlung  wurde  durch  Phantasie  moderner  Schriftsteller 
weiter  ausgeschmiickt  ^.  Daraus  entstand  folgende  Darstellung, 
die  in  einer  spanischen  Rechtsgeschichte  zu  lesen  ist:  „In  Italien 
wurde  das  derecho  de  prelibacion,  unter  dem  Namen  cazzagie, 
noch  unertraglicher  (als  in  Belgien  und  in  der  Gascogne).  Es 
bestand  gemeiniglich  darin,  dass  der  Grundherr  die  drei  ersten 
Niichte  mit  der  neuvermahlten  Frau  zubrachte.  Aber  dies  war 
noch  nicht  das  Schliramste;    sondern  inzwischen  musste  der  Ehe- 


^  Lauri^re  unter  Cullage  (hinter  der  aus  Buchanan  entnommenen  Naeh- 
richt  iiber  das  Gesetz  des  Konigs  Evenus  von  Schottland) :  „L'histoire  de 
Savoye  nous  apprend  que  les  Seigneurs  de  Prelley  et  Parsanni  en  Pi^mond 
jouissaient  d'un  pareil  droit,  qu'ils  appelaient  Cazzagio,  dont  les  vassaux  ayant 
denlande  la  commutation  .  le  refus  les  porta  k  la  revolte ,  et  se  dounerent  h 
Am6  VI.  du  nom  quatorzi^me  Comte  de  Savoye,  lequel  les  a  transmis  h  ses 
successeiirs." 

2  Ducange  unter  Marcheta;  Encyclop.  unter  Culage,  in  der  1.  Ausg.  (Ar- 
tikel  von  Bouchcr  d'Argis)  und  in  der  Encycl.  meth.,  Jurispr. ;  Voltaire,  Dict. 
phil.  unter  Taxe;  Dulaure.  Adel  S.  242;  Roquefort  unter  Cullage,  suppl.  S.  106: 
Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  169;  Fellens  Bd.  1  S.  147;  Michelet  S.  264;  Lieb- 
recht  1864,  S.  541,  ebenso  1869  S.  810,  1874  S.  139  und  1879  S.  416,  417: 
Augsb.  AUg.  Ztg.  V.  18.  April  1868  Nr.  109  S.  1662;  Delpit  S.  67;  de  Labes- 
sade  S.  24,  25,  96.  Nr.  48,  49 :  L.  Favrc  bei  La  Curne  unter  Cuissage :  de  Gu- 
bernatis,  Usi  S.  200. 

3  Collin  de  Plancv  Bd.  1   S.   168.  169. 


Kapitel  53.    Prelley  und  Parsanni.  243 

mann  sich  mit  dem,  was  der  Ilerr  ihm  befahi,  beschaftigen, 
zum  Beispiel  fortgehen,  um  in  einer  Nachbarstadt  eine  gewisse 
Zahl  Kerzen  zu  holen,  wahrend  der  Xacht,  gut  oder  iibel,  so 
gut  er  konnte,  ein  Paar  Schuhe  fiir  den  Herrn  anfertigen,  die 
g-anze  Nacht  mit  Springen  iiber  eine  Blase  verbringen  und  andere 
ebenso  verletzende  Handlungen  ausfiihren.  Die  Vasallen  erhoben 
sich  zu  wiederholten  Malen  gegen  die  Excesse  ihrer  Herren,  und 
zuletzt  erreichten  sie,  dass,  wo  die  Herren  friiher  das  Recht 
hatten,  drei  Niichte  mit  der  Neuvermahlten  zu  verbringen,  dies 
Recht  auf  eine  Nacht  beschriinkt  wurde,  und  wo  sie  das  Recht 
fiir  eine  Nacht  hatten,  die  Beschrankung  auf  eine  Stunde  eintrat, 
wahrend  die  Yerpflichtung ,  Scliuhe  anzufertigen  und  iiber  Blasen 
zu  springen,  in  Wegfall  kam,  indem  die  Herren  einwilligten,  dass 
die  Vasallen  die  Nacht  an  der  Thiir  des  Schlafzimmers  zubrachten, 
mit  dem  Recht,  das  Geriiusch  anzuhoren,  was  innerhalb  stattfand."  ^ 
Dass  eine  Dichtung  solchen  Inhalts,  als  ob  sie  Wahrli^it  enthielte, 
den  Platz  in  einer  Rechtsgeschichte  finden  konnte,  ist  ein  Zeichen 
grosser  Leichtgliiubigkeit. 

Die  Frage,  aus  welcher  Quelle  die  Xachricht  Lauriere's  her- 
vorgegangen  ist,  vermag  ich  nicht  zu  beantworten  ^.  Er  selbst 
beruft  sich  auf  „die  Geschichte  Savoyens" ,  ohne  ein  bestimmtes 
Geschichtswerk  zu  bezeichnen,  Die  Angabe,  dass  Amadaus,  der 
Sechste  des  Namens,  vierzehnter  Graf  von  Savoyen  gewesen  sei, 
steht  mit  andern  Nachrichten  in  Widerspruch  und  muss  danach 
als  Irrthum  bezeichnet  werden^.  Ueber  Amadaus  VI.,  den 
.„griinen  Prinzen",  wird  berichtet,  dass  er  mit  seinera  Vetter  und 
Vasallen  Jakob  von  Savoyen,  Fiirsten  von  Piemont,  Streit  hatte, 
und  dass  er  mehrere  Herrschaften  mit  seinen  Staaten  vereinigte; 
doch  ist  dabei  von  den  Herrschaften  Prelley  und  Parsanni  keine 
Rede  '^.     Beziiglich   der   Xamen   Prelley  ^   und  Parsanni   sind  alle 


1  Marichalar  Bd.  6  S.  69. 

2  Das  Werk  Lauri6re's  ist  eine  Umarbeitung  des  im  .1.  1580  erschienenen 
Werkes  von  Frangois  Ragueau,  worin  die  angefiihrte  Nachricht  und  iiber- 
haupt  der  Artikel  CuUage  noch  nicht  enthalten  ist. 

3  Amadaeus  YI.,  „der  grune  Graf",  regierte  von  1343—1383:  er  wird  bei 
Grote  (S.  342)  als  der  neunte,  in  der  Chronique  de  Savoye,  Extrait  de  Pa- 
radin,  vom  Jahr  1602,  als  der  elfte  und  in  andern  Stammtafeln  (vgl.  Bouillet 
S.  1710,  1711;  Martiniere  Bd.  5  S.  181)  als  der  fiinfzehnte.  dagegen  in  kei- 
nem  mir  bekannten  Geschichtswerk  als  der  vierzehnte  Graf  von  Savoyen 
bezeichnet. 

*  Bouillet  S.   1711:  Martini^re  S.  182. 

5  Bekaunt  ist  die  Stadt  und  Herrschaft  Prela  im  Furstenthum  Oneglia 
(vgl.    Dict.  d'Italie  Bd.  2  S.  359:    Martiniere  Bd.  4  S.  371:    Busching  S.   785: 

16* 


244  Kapitel  54.    Die  Kanonikcr  zu  Lyon. 

meine  Nachforschungen  vergeblich  gewesen.  Insbesondere  sind 
diese  Namen  in  dem  grossen  Dizionario  Geografico  von  Groffredo 
Casalis  nicht  zu  finden.  Durch  miindliche  Nachfrage  bei  zahl- 
reichen  Gelehrten,  durch  schriftliche  Anfrage  bei  dem  Herrn 
Departementsarchivar  von  Chambery,  endlich  sogar  durch  eine 
offentliche  Anfrage  *  habe  ich  den  Weg  zu  der  Quelle  gesucht, 
woraus  Lauriere  seine  Nachricht  geschopft  haben  mag.  Alles 
dies  blieb  ohne  Erfolg.  Auch  Louis  Veuillot  versichert,  nach 
der  Quelle  vergeblich  geforscht  zu  haben;  er  ist  zu  der  Mei- 
nung  gelangt,  dass  es  Ortschaften  mit  den  Namen  Prelley  und 
Parsanni  niemals  gegeben  habe  ^. 

Nach  dem  Gesagten  ist  es  ungewiss,  ob  der  Stoff  zu  der 
Nachricht  Lauriere's  aus  alterer  Zeit  herriihrt.  Keinenfalls  ist  sein 
Bericht  geeignet,  einen  Beweis  fiir  das  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  zu  liefern.  Denn  die  Grundlage  der  Erzahlung  beruht, 
wie  ihr  Woftlaut  ergiebt,  auf  der  Yoraussetzung,  dass  die  Yer- 
ordnung  des  Konigs  Evenus  III.  von  Schottland  eine  geschicht- 
liche  Wahrheit  sei.     Dies  ist  aber  ein  Irrthum  ^. 

yi.  Fraukreicli. 

a.  Gewohnheitsrechte. 

1.  Becht  der  Kauoniker  zu  Ljjon. 

Kapitel  54.  Seit  dem  siebzehnten  Jahrhundert  wird  viel- 
fach  behauptet,  die  Domherren  von  Lyon  hatten  das  Herren- 
recht  der  ersten  Nacht  fiir  sich  in  Anspruch  genommen  und 
ausgeiibt  *.    Dies  Recht  soll  sich  nicht  bloss  auf  die  Lehnserbinnen, 


Casalis  Bd.  15  S.  731).  Die  Herrschaft  Prela  soll  mit  der  Grafschaft  Tcnda 
an  Karl  Emanuel  (den  Grossen) ,  der  von  1580—1630  Herzog  von  Savoyen 
war,  abgetreten  sein.  Vgl.  Diet.  d"Italie  Bd.  2  S.  339;  Bouillet  S.  1712. 
Nach  andern  Nachrichten  (Biisching  S.  785)  gelangte  das  Thal  Prela  schon 
in  den  Jahren  1575  und  1579  an  das  Haus  Savoyen.  Auch  steht  ein  Ort 
Namens  Preller.  siidwestlich  von  Alcssandria,  siidlich  von  Nizza  della  Paglia, 
auf  der  Karte  des  Theatrum  Europaeum  ,  im  achtzehnten  Theil,  verzeichnet. 
Aber  kein  Ort  Namens  Prelley  ist  zu  ermitteln. 

1  Arch.  fiir  Anthrop.  Bd.  12  S.  269. 

2  Veuillot  2.  Aufl.  S.  255,  256. 

3  Vgl.  Kap.  40. 

*  Limnaeus  addit.  ad  lib.  4  cap.  7  in  f . ,  Bd.  4  S.  603;  Henel  cap.  47, 
S.  401;  Hildebrand  S.  188,  189;  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  28;  Saintfoix  Bd.  2 
S.  141;  Carli  Bd.  1  S.  175;  Dulaure,  Adel  S.  242;  Collin  de  Plancy  Bd.  1 
S.  175,  176;  Dalloz,  Dict.  Bd.  1  (1835)  und  Il6p.  Bd.  3  (1846)  unter  Adul- 
t^re  n.  7. 


Kapitcl  54.    I)ie   Kaiioiiikcr  zii  Lyon.  245 

sondern  auch  auf  dio  Braute  der  Lelinsmanner  erstreckt  haben  *. 
Carli  meint,  das  fragliche  Recht  des  Lehnsystems  habe  sich  „am 
hingsten  bei  den  kanonischen  Grafen  von  Lyon,  in  ihren  reichen 
Lehen,  erhalten"  ^.  Henel  erzahlt,  die  Grafen  und  spateren 
Kanoniker  von  Lyon  hiitten  von  ihren  Vasallen  die  Befugniss, 
mit  deren  Brauten  zu  sfhlafen,  eingeraumt  erhalten,  durch  ein 
Abkommen,  welches  man  in  alten  Zeiten  jus  luxandae  coxae 
oder  cunnagii  genannt  habe;  doch  hiitten  Choppin  und  Borellus 
entschieden,  dass  dies  schmahliche  Recht  in  eine  Geldabgabe  ver- 
wandelt  werden  miisse  "'.  Yon  Andern  wird  gemeldet,  den  Dom- 
lierren  von  Lyon  werde  auf  Grund  eines  besondern  Statuts  ein 
Lehnscanon  dafiir  bezahlt,  dass  sie  das  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  iiber  die  jungen  Ehefrauen  nicht  mehr  ausiibten;  diese 
Abgabe  nenne  man  „die  Lehensschuldigkeit,  den  Canonicis  die 
Brtiute  die  erste  Nacht  zu  iiberlassen" ;  das  Recht  heisse  jus 
coxae  locandae  (oder  luxandae),  jus  Caxandrae,  Cojae 
oder  Cunnagii*.  Man  behauptet,  es  existire  eine  Urkunde 
vom  Jahr  1132,  worin  die  Kanoniker  von  Lyon  in  aller  Form 
(„en  due  forme")  auf  das  bezeichnete  Recht  verzichtet  hatten  ^. 
Wieder  eine  andere  Behauptung  geht  dahin,  die  Domherren  zu 
Lyon  hiitten  das  Recht,  mit  den  Frauen  ihrer  Leibeigenen  wahrend 
der  Hochzeitsuacht  zu  schlafen,  zu  Anfang  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts,  als  die  Yereinigung  des  Lyonnais  mit  Frankreich  er- 
folgte,  noch  ausgeiibt  und  iiberhaupt  erst  nach  zahlreichen  Klagen 
und  Urtheilen  verschiedener  Gerichte  sich  dazu  verstanden ,  ihr 
Yorrecht  nicht  mehr  offen  geltend  zu  machen  ^.  Zu  diesen  ein- 
ander  widersprechenden  Erzahlungen  wird  noch  hinzugesetzt,  nach 
Angabe  eines  gewissen  de  Bar  oder  Baar  habe  ein  Domherr  von 
Lyon  (dessen  Name  nicht  mitgetheilt  wird)  den  alten  Titel  iiber 
das  erwiihnte  Herrenrecht  so  liicherlich  gefunden,  dass  er  ihn  ver- 
brannt  habe  "^. 

Yerfolgt  man  die  den  vorstehenden  Erzahlungen  hinzugefiigten 
Citate,    so   ergiebt   sich   als   gemeinsame    Quelle   eine   Stelle    voti 

'  Potgiesser  lib.  2  cap.  2  §  28  -  Caili  Bd    1   S    175. 

3  Henel  cap.  47  S.  401. 

*  Westphal  §  12  S  38,  39:  Kestner  S.  4,  5;  Liinig  Bd.  3  S  724  n.  56 
(Note). 

'•>  de  Labessade  S.  97. 

•^  CoUin  de  Plancy  Bd.  1  S.  176.  Wann  und  von  welchen  Gerichten  die 
fraglichen  L'rtheile  erlassen  sein  sollen ,  wird  nicht  gesagt. 

'  Delpit  S.  71,  72.  —  Es  klingt  sonderbar,  dass  ein  Domherr  die  alte  Ur- 
kunde,  die  ihm  nicht  gehorte,  bloss  weil  er  den  Inhalt  liicherlich  fand,  kurzer 
Hand  vernichtete. 


246  Kapitel  54.    Die  Kanoniker  zu  Lyon. 

Rene  Choppin.  aus  dem  sechzehnten  Jahrhundert.  Choppin 
schreibt,  die  Kanoniker  und  gleichzeitigen  Grafen  von  Lyon 
hatten  urspriinglich  das  Patronat-Recht  gehabt ,  bei  Heirathea 
ihrer  mannlichen  und  weiblichen  Unterthanen  am  Tag  ihrer 
Hochzeit  ein  Bein  in  das  Ehebett  zu  legen;  doch  hatten  sie 
zugelassen,  dass  diese  unanstandige  Last  in  eine  am  Hochzeits- 
tag  zu  entrichtende  Abgabe  von  Speisen  umgewandelt  sei  K  Der 
von  vielen  Schriftstellern  als  Gewahrsmann  angefiihrte  Camilhis 
Borrellus  lebte  nicht,  wie  J.  Hildebrand  meint,  im  vierzehnten 
Jahrhundert ,  sondern  war  ein  Zeitgenosse  Choppin"s  und  hat  die 
durch  ihn  weiter  verbreitete  Nachricht  von  Choppin  entnommen  ^. 
Waren  die  Angaben  Choppin's  bewiesen,  so  wiirde  daraus 
hervorgehen,  dass  die  Grafen  und  gleichzeitigen  Kanoniker  von 
Lyon  bei  Heirathen  ihrer  Untergebenen  einstmals  das  Recht  hatten, 
am  Tage  der  Hochzeit  (also  nicht  in  der  Nacht)  eine  Formlich- 
keit  zu  verrichten,  die  ihre  Herrschaft  andeutete^;  und  dass  mit 
ihrer  Zustimmung  diese  anstossige  Last  in  eine  Abgabe  von  Ess- 
waaren  verwandelt  wurde.  Danach  konnte  von  einem  jus  primae 
noctis  nicht  gesprochen  werden.  Indessen  ergiebt  eine  nahere 
Priifung,  dass  die  Erziihlung  von  jener  Formlichkeit  und  ihrer 
Umwandlung  nicht  der  Geschichte,  sondern  der  Sage  angehort. 
Choppin  hat  weder  die  Quelle  seiner  Nachricht  angegeben,  noch 
eine  Andeutung  iiber  die  Zeit  gemacht,  zu  welcher  die  Umwand- 
lung  des  Rechts  in  eine  Abgabe  von  Esswaaren  erfolgte.  Pericaud 
vermuthet,  die  Umwandlung  sei  im  Jahr  1132  geschehen,  als 
der  Erzbischof  und  das  Kapjtel  die  Grafschaft  Lyon  vom  Grafen 
Forez  erwarb  *.    Und  allerdings  ist  es  undenkbar,  dass  im  Kapitel 


1  Choppin  lib.  1  caji.  31  n.  8  S.  269:  ,.Siinili  mndo  Canonici  simul  et 
Comites  Lugdunenses,  quum  patronale  jus  haberent  coxae  locandae  in  geniali 
thoro  subditi  subditaeve  nuptias  ineuntium,  primo  connubiali  die.  passi  sunt 
obscoeni  hujus  oneris  conversionem  in  epulare  munus  eodem  die  nuptiali."' 
Daraus : .  Automne  S.  477;  Simon  d'01ive  liv.  2  chap  1  S.  149:  Brodcau  zu 
tit.  1  art.  37  n.  11  S.  273;  Laurent  S.  57. 

2  Borrellus,  cons.  I  n.  150,  fol.  6  v. :  „quo  loco  refert"  (namlich  Renatus 
Choppinus)  ..Canonicos  et  Comites  Lugdunenses  Dominii  iure  habuisse  primo 
connubiali  die ,  in  thoro  geniali  subditorum  nuptias  ineuntium  Jus  lo- 
candae  coxae ,  et  obscaenum  hoc  onus  conversum  fuisse  in  epulare  munus 
ejusdem  diei."  Daraus,  mit  dem  falschcn  Citat  n.  158  statt  n.  150:  West- 
phal  g  12,  S.  38,  39;  Kestner  §  1  S.  4. 

3  Vgl.  dariiber  oben  Kap.  11  S.  54—56. 

*  Pericaud  S.  9,  10.  Ueber  die  Grafenrechte  der  Erzbischofe  von  Lyon 
vgl.  Gall.  Christ.  Bd.  4  S.  80—82  und  die  dort  abgedruckte  Urkunde  des 
Kaisers  Friedrich  I.  Barbarossa  vom  18.  Nov.  1157  (bei  Bohmer  Nr.  2381, 
Bd.   1  S.   126.  und  bei  Stumpf  Nr.  3787,  S.  333). 


Kapitel  55.    Droit  de  braconnage  (Picardie).  2-47 

vonLyon,  untor  den  Augen  des  Erzblschofs,  jener  fiir  Kanoniker 
besonders  unanstiindige  Gebrauch  entstehen  konnte  \  Anderer- 
seits  ist  aber  eljensowenig  zu  glauben,  dass  schon  vor  dem  Jahr 
1132  jene  unschickliche  Fiirmlichkeit  in  Uebung  gewesen  sei, 
da  die  Ausartungen  der  grundlierrlichen  Rechte  sonst  erst  in 
spaterer  Zeit  hervortraten.  Hiernach  ist  die  Sage  in  der  Gestalt, 
wie  sie  durch  Choppin  mitgetheilt  wird,  von  geringem  Werth. 
Alles  Weitere  aber  ist  auf  Ausschmiickung  neuerer  Schriftsteller 
zuriickzufiihren  und  zeigt  abermals,  wie  der  Glaube  an  das  jus 
primae  noctis  ohne  einen  verstiindigen  Grund  sich  verbreitet  hat. 
Barthelemy  versichert,  er  habe  iiber  das  angebliche  droit  de 
cuissage  der  Grafen-Domherren  von  Lyon  die  genauesten  Er- 
kundigungen  einziehen  lassen,  jedoch  keinen  Beweis  dafiir  er- 
mitteln  konnen  ^.  ^Yare  die  Nachricht  schon  in  alter  Zeit  ver- 
breitet  gewesen,  so  wiirde  sie  von  einiger  Bedeutung  se^n;  fiir 
solche  Annahme  fehlt  aber  ein  geniigender  Grund. 

Nach  Absonderung  dessen,  was  der  Sage  angehort,  bleibt 
die  Angabe  Choppin's  iibrig,  dass  die  Grafen-Kanoniker  von 
Lyon  das  Recht  hatten,  bei  Heirathen  ihrer  Horigen  eine  Ab- 
gabe  vom  Hochzeitsmahl  zu  erhalten.  Dieser  Bericht  ist  zwar 
nicht  durch  Urkunden  beglaubigt,  kann  aber  richtig  sein,  da  an 
vielen  Orten  ahnliche  Rechte  den  Grundherren  zustanden  ^. 


2.  Droif  iJc  hraconnage  des  Herrn  von  MareuU. 

Kai)itel  55.  Mit  besonderem  Isachdruck  wird  im  neunzehnten 
Jahrhundert  behauptet,  den  Herren  von  Mareuil  in  der  Picardie 
habe  das  jus  primae  noctis  urkundlich  zugestanden  ^.  Die  \Yahr- 
heit  ist  folgende.  Julien  Brodeau,  ein  Rechtsgelehrter  des  sieben- 
zehnten  Jahrhunderts,  berichtet,  in  einigen  alten  Lehnsverzeich- 
nissen  und  andern  Titeln,  sowie  in  den  Rechnungen  der  Domane 
Chaulny  und  der  Grafschaft  Ponthieu  werde  ein  ^droit  de  bracon- 
nage"  erwahnt.  Er  giebt  die  Bedeutung  dieses  Rechts  nicht  an, 
sondern  bemerkt  nur,  es  sei  von  dem  in  der  Normandie  bekann- 


*  Von  geringerer  Bedeutung  ist  der  Umstand.  worauf  Pericaud  besonderes 
Gewicht  legt,  dass  Lyon  nicht  zu  den  Liindern  des  Gewohnheitsrechts,  son- 
dern  zuni  Gebiet  des  geschriebenen  fromischen)  Rechts  gehorte. 

2  de  Barthelemy  S.   107. 

^  Vgl.  de  Lauri^re  unter  Mets  de  Mariage;  Ducange  unter  Missus:  Michelet 
S.  266,  267:  Bouthors  Bd    1  S.  470;   Delisle  S.  70—73. 

*  Delpit  S.  34—36;  Buchmann  S.  36;  de  Labessade  S.  19.  43:  Kulischer 
S.  227  (mit  mehreren  Druckfehlern). 


248  Kapitel  55.    Droit  de  braconnage  (Picardie). 

ten  „droit  de  cheuel"  verschieden  geweseu;  letzteres  habe  in  der 
Beihiilfe  bestandeu,  die  dem  Lehusherrn  fiir  die  Eitterschaft  seines 
altesten  Sohnes,  fiir  die  Heirath  seiuer  Jiltesten  Tochter  und  fiir 
seine  Befreiuug  aus  der  Gefangeuschaft  geleistet  werdeu  musste  K 
Ducange  verwies  (in  den  Ausgaben  vou  1678  und  1733)  zur  Er- 
klaruug  des  Wortes  nbracouagium"  lediglich  auf  die  angefiihrte 
Stelle  aus  Brodeau  ^.  Dagegen  stellte  Carpentier  iu  seiuem  zur 
Erganzung  vou  Ducange  bestimmten  Glossarium,  vom  Jahr  1766, 
die  Meinung  auf,  das  Wort  „braconnage"  bezeichne  das  Herren- 
recht  der  ersten  Nacht  ^.  Dieselbe  Bemerkung  ging  als  Zusatz 
in  die  neueren  Ausgaben  von  Ducauge  iiber  *.  Carpentier  beruft 
sich  zum  Beweis  seiuer  Behauptung  auf  ein  Lehnsanerkenntniss 
vom  Jahr  1228,  worin  das  Wort  ^braconner"  jenes  Recht  aus- 
driicke.  Die  betreffeude  Stelle  dieser  Urkunde  lautet:  „Ausser- 
dem  kann  und  soll  mein  Herr  von  Mareuil  droit  de  bracon- 
nage  iiber  Tochter  in  der  genannteu  Herrschaft  haben;  wenn 
sie  sich  verheiratheu ,  und  er  jenes  Recht  nicht  ausiibt ,  so  ver- 
fallen  sie  in  zwei  sous  gegen  die  Herrschaft."  ^  Bei  Auslegung 
dieser  Stelle  beziehen  einige  Schriftsteller  der  Neuzeit  die  AYorte 
„droit  de  braconnage"  und  „si  ne  les  braconue"  auf  das  jus  pri- 
mae  noctis  ^.     Doch   gieht   der  I^ame    „droit    de  braconnage"    fiir 

*  Brodeau  S.  273:  „Ce  qui  se  rapporte  au  droif  de  Brncounage ,  dont  il 
est  parl6  en  quelques  anciens  adveus  et  denombrements ,  et  autres  titres,  et 
dans  les  comptes  du  Domaine  de  Chaulny  et  du  Conite  de  Ponthieu  :  lequel 
droict  est  autre  que  celuy  de  Cheuel  en  Normandie .  qui  est  un  droict  d'ayde 
aux  trois  cas,  pour  la  oheualerie  du  fils  aisn^.  le  mariage  de  la  fille  aisnee, 
et  la  prison  du  Peigueur"  .  .  .  Der  Name  ..Cheuel"  kann  aus  Cheval  (Pferd) 
erklJirt  werden. 

-  Ducange  unter  Braconagium :  ..Yide  Brodaeum  in  consuetud.  Paris.  tom.  I 
p.   li)8." 

^  Carpcntier  unter  Braconagium:  „Adde  pag.  273,  2»^  edit.  ubi  voce  Bra- 
conage  significatur  jus  quoddam  insolitum  doraini  in  puellas  quae  nubunt, 
ipsas  nimirum  deflorandi  in  prima  nuptiarum  suarum  nocte,  ex  comput.  do- 
manii  Calniac.  et  comitatu  Pontiv."  Dieser  Satz  riihrt  nicht  etwa,  wie  aus 
der  Fassung  von  Carpentier  und  von  Ducange-Henschel  angenommen  werden 
konnte,  von  Brodeau,  sondern  erst  von  Carpentier  her. 

*  Ducange  ed    Henschel  unter  Braconagium. 

^  Recognit.  feudalis  Joannis  dom.  de  Mareuil  an.  1228.  bei  Carpentier  unter 
braconagium :  ,,Et  mi  comme  sire  de  Mareuil  puet  et  loit  [doit  ?]  avoir  droit 
de  Braconar/e  sur  filles  et  fiUetes  en  medite  seigneurie :  si  se  marient ,  et  «/ 
nc  les  hracomie ,  eehent  en  deux  solz  enver  ledite  seigneurie."  Daraus:  Mi- 
chelet  S.  265;  de  Labessade  S.  65. 

^  Leng  und  Wolff  (unter  Braconnage)  meinen ,  dies  Wort  hezeichne  „das 
heimliche  Jagen  auf  fremdem  Grunde,  ehemals  soviel  als  droit  de  cuissage  du 
Seigneur,    das  Recht  des  Gutsherrn ,    bei    der  Braut  des  Unterthanen  in  ihrer 


Kapitel  55.    Droit  de  braconnage  (Picardie).  249 

sich  allein  keinen  Grund  zu  einer  solehen  Auslegung,  Man  konnte 
wegen  tler  Endung-  -age  (gleich  der  lateinischen  Endung  -agium) 
an  eine  Abgabe  denken  ^,  zumal  da  der  Ausdruck ,  wie  Brodeau 
berichtet,  in  den  von  ihra  erwahnten  Lehnsverzeichnissen  und 
Rechnungen  vorkommt;  docli  ist  der  Zwischensatz  „si  ne  les 
braconne"  bei  der  Annahme  einer  Heirathsabgabe  nicht  leicht  zu 
erkhiren.  Vielleicht  ist  „braconnage"  (lat.  brachionagium)  mit 
^Umarmung"  und  ^braconner"  (lat.  brachionare)  mit  „umarmen" 
zu  iibersetzen ;  die  offentliche  Umarmung  der  Braut  durch .  den 
Grundherrn  oder  dessen  Yertreter  kann  eine  symbolische  Hand- 
lung  gewesen  sein,  wtfdurch  die  Heirath  des  Vasallen  genehmigt 
wurde.  Mit  Sicherheit  wird  sich  die  Bedeutung  des  fraglichen 
Rechts  erst  dann  feststellen  lassen ,  wenn  die  von  Brodeau  er- 
wiihnten  sonstigen  Urkunden  veroffentlicht  werden.  Allein  die 
Vermuthung,  dass  „braconner"  gleichbedeutend  sei  mit  „deflorer" 
oder  gar  mit  Ausiibung  des  Rechts  der  ersten  Nacht,  erscheint 
als  willkiirlich,  solange  nicht  aus  andern  Quellen  nachgewiesen 
wird,  dass  dies  Recht  damals  bestanden  habe.  Zudem  steht  einer 
solchen  Vermuthung  die  Auctoritat  von  Brodeau  entgegen.  Denn 
er  liatte  die  Urkunden  vor  Augen,  worin  das  „droit  de  bracon- 
uage"  erw^ahnt  war;  er  erkannte  aus  ihrem  Zusammenhang,  dass 
damit  etwas  Anderes  als  mit  dem  „droit  de  chevel"  gemeint  sei ; 
er  war  aber  weit  entfernt  von  dem  Gedanken,  dass  es  ein  Name 
fiir  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  sein  konne.  Und  doch 
kannte  er  die  Sage  von  einem  solchen  Recht;  er  glaubte  sogar, 
es  habe  bei  nordischen  Volkern  bestanden  und  sei  in  christlicher 
Zeit  abgelost  worden  ^.  Hat  er  demungeachtet  nach  Priifung  des 
Inhalts  der  Urkunden  keine  Veranlassung  gefunden,  an  jenes 
Recht  zu  denken,  so  sind  noch  weniger  spiitere  Schriftsteller  be- 
rechtigt,  mit  einer  derartigen  blossen  Vermuthung  die  angefiihrte 
Stelle  zu  erkhiren. 


Hochzeitsnacht  zu  schlafen^'.  Littre  (Ausg.  v  1875)  Bd.  1  S.  404  erklart 
den  Ausdruck  droit  de  braconnage  mit  ,,droit  du  seigneur"  und  die  Worte  ne 
les  braconne  mit  „n'use  du  droit  du  seigneur" .  unter  Verweisung  auf  das 
I)rnvenzalische  Wort  brac  (spanisch  braco,  italienisch  hracco,  deutsch  Bracke). 
Ygl.  daruber  auch  Littre  unter  Braque  und  Grimm ,  W.-B.  unter  Bracke 
(Bd.  2  S.  289).  Liebrecht  1879,  S.  417  meint.  droit  de  braconnage  sei  ein 
Name  des  jus  primae  noctis  gewesen. 

'  Vgl.  Kap.  53  S.  241. 

-  Brodeau  S.  273.  n.  11. 


250  Kapitel  56.    Die  Bauern  von  Verson. 

3.  Recht   der  Aehte    von  Mont-Saint-Mkhel   Uber  die  Bauern   von   Verson. 

Kapitel  56.  Im  neunzehnten  Jahrhundert  ist  die  Behauptung 
aufgestellt  worden,  die  Monche  von  Mont-Saint-Michel  hatten 
iiber  die  Bauern  von  Yerson  in  der  Normandie  unter  dem  Namen 
„droit  de  culage"  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  ausgeiibt  ^ 
Dieser  modernen  Sage  liegen  folgende  Thatsachen  zu  Grunde.  Die 
Ortschaft  Yerson,  am  linken  Ufer  des  Fliisschens  Odon,  hatte  zu 
den  Allodialgiitern  des  im  Jahr  996  gestorbenen  Herzogs  Richard  I. 
von  der  Normandie  gehort  und  war  durch  eine  Schenkung  dieses 
Herzogs,  rait  Zustimmung  seiner  Gemahlin;  Grafin  Gonnor,  an  die 
Abtei  von  Mont-Saint-Michel  iibertragen  ^.  Im  zwolften  Jahrhun- 
dert  emporten  sich  die  Bewohner  gegen  die  Abtei  auf  Anstiften 
oder  wenigstens  unter  Schutz  des  Yicomte  Osbert,  Herren  von  Fon- 
tenay-Pesnel ,  eines  Nachkommen  der  Grafin  Gonnor  ^.  Diesen 
Aufstand  unterdriickte  Raoul  d'Ivry^.  Im  Jahr  1247  wurde  durch 
Abt  Richard  III.,  vor  Notar  N.  de  Bellon,  ein  Yerzeichniss  der 
Einkiinfte  der  Abtei  aus  den  Orten  Yerson  und  Bretteville  auf- 
genommen '".  Auf  derselben  Handschrift  steht  ein  Gedicht  von 
228  Yersen,  welches  sich  auf  die  Abgaben  der  Bewohner  von 
Yerson  bezieht  und  detn  Anschein  nach  von  der  namlichen  Hand 
wie  die  Urkunde  iiber  die  Einkiinfte  der  Abtei  geschrieben  ist  ^. 
Lechaude  d'Anisy  meint,  ein  Monch  der  Abtei  von  Mont-Saint- 
Michel,  und  zwar  wahrscheinlich  der  in  der  Urkunde  bezeichnete 
Notar  N.  de  Bellon,  Kaplan  des  Abtes  Richard  III.,  habe  das  Ge- 
dicht  verfasst  ^.  Danach  wiirde  es  aus  dem  Jahr  1247  herstammeu, 
und  in  einzelnon  Stellen  konnte  eine  Yerhohnung  der  Bauern 
gefunden  werden.  Dagegen  nimmt  Leopold  Delisle  an,  dies  Ge- 
dicht  sei  bereits  im  zwolften  Jahrhundert  verfasst  worden,  und 
zwar  durch  Estout  de  Goz ,  bei  Gelegenheit  des  erwiihnten  Auf- 
standes,  der  mit  dem  grossen  Aufstand  der  Pastoureaux  in  Yer- 
bindung  gestanden  habe  ^.  Dieser  Ansicht  hat  sich  Barthelemy 
angeschlossen  ^.     Danach    konnten   einzelne    Stellen  des   Gedichts 


1  Deipit  a.  49,  50;  de  Labessade  S.  20. 

^  Die  Urlvunden  dariiber  sind  ini  Jalir  1841   verotVentlicht      Vgl.  Lechaude 

88,  89;  de  Barthelemy  S.   105 

3  Lechaude  S.  104,  105. 

*  Deli.sle  S.   121,   124,   125. 

s  Lechaud6  S.  90,  112. 

"  Lechaude  S.  105. 

'  Lechaud^  S.   105. 

8  Delisle  S.  122,  125. 

3  de  Barth61emy  S.   105. 


Kapitcl  5f).    Die  Bauern  von  Verson.  251 

als  Spott  gegen  die  Abtei  gedeutet  werden.     AYelclie  von  beiden 

Annahnien    die    richtige    sei,    kann    liier   unentschieden    ])leiben. 

Ein  Theil  des  Gedichts  bohandclt  die  Hcirathsabg-abo  mit  folgen- 

den  Worten : 

flBiem  me  conta  Rogier  Ade,  Jadis  avint  que  le  vilein 

Qu6  honte  ait  vilein  eschape:  Ballout  sa  fille  par  la  mein 

Se  vilain  sa  fille  marie  Et  la  livrout  a  son  seignor, 

Par  de  dehors  la  seignorie,  Ja  ne  fust  de  si  grant  valor, 

Le  seignor  en  a  le  culoge:  A  faire  idonc  sa  volonte,    . 

iij  sols  en  a  del  mariage;  Anceis  qu'il  li  eust  el  done 

iij  sols  en  a  reison  por  quei,  Rente,  chatel  ou  heritage 

Sire,  je  IVos  di  par  ma  fei:  Por  consentir  le  mariage."  ' 

Diese  Stelle  kann  etwa  folgendermassen  iibersetzt  werden: 
„Wohl  erzahlte  mir  Rogier  Ade,  von  welcher  Schmach  der  Bauer 
befreit  sei :  Wenn  ein  Bauer  seine  Tochter  ausserhalb  der  Herr- 
schaft  verheirathet,  so  hat  der  Grundherr  davon  den  ,culage'; 
drei  Sous  hat  er  von  der  Heirath.  Drei  Sous  bekommt  er  aus 
dem  Grunde,  Herr,  den  ich  Euch  auf  Treue  sage :  fruher  geschah 
es,  dass  der  Bauer  seine  Tochter  an  der  Hand  dem  Herrn  iiber- 
reichte  und  iiberlieferte ,  wenn  sie  auch  nicht  von  so  grossem 
Werth  war,  uni  dann  seinen  Willen  zu  thun,  lieber  als  dass  er 
ihm  etwas  Anderes,  Rente,  beweglicbe  Sachen  ^  oder  Erbgut,  fiir 
die  Zustimmung  zur  Heirath  gegeben  hatte."  ^  Hier  wird  nicht 
von  einem  Herrenrecht  der  ersten  Nacht,  sondern  von  einer  Steuer 
im  Fall  des  formariage  gesprochen.  Die  weitere  Ausschmiickung 
enthalt  eine  scherzhafte  Andeutung,  als  wenn  in  vergangenen 
Zeiten  die  Bauern,  statt  eine  Abgabe  fiir  die  Zustimmung  zur 
Heirath  zu  entrichten,  vorgezogen  hatten,  ihre  Tochter  per^.on- 
lich  dem  Herrn  vorzufiihren ,  „um  dann  seinen  Willen  zu  thun". 
Delpit  und  Labessade  halten  es  fiir  unzweifelhaft ,  dass  der 
Dichter  damit  auf  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  ange- 
spielt  habe,  indem  sie  stillschweigend  voraussetzen,  dass  dem 
Dichter  ein  solches  Recht  bereits  bekannt  gewesen  sei.  Doch 
fehlt  ein  geniigender  Grund  fiir  diese  Annahme.     Zudem  ist  der 

«  Lechaude  S.  107;  Dellsle  S.  671,  (572,  auch  S.  69.  74,  122:  de  Barthelemy 
S.  104;  de  Lagreze  (1867)  S.  400;  Delpit  S.  49,  50:  de  Labessade  S.  47  —  49. 

2  Vgl.  Grand  Vocab.  Bd.  5  S.  147  unter  Catels  ou  Cateux:  Dict.  de  Tre- 
vo«.K  Bd.  2  unter  Catel  ou  Cateux.  Danach  umfasste  der  Ausdruck  catel  in 
der  Picardie  Miihlen,  SchifCe ,  hiingende  Friichte ,  moventia  etc.  „Droit  de 
meilleur  catel"  hiess  das  Besthauptre~eht.  Vielleicht  eutspricht  in  ohiger 
Stelle  das  normiinnische  Wort  „chatel"  dem  englischen  RechtsbegrifF  „chattels". 

*  Vgl.  oben  Kap.   18  S.  94—97. 


252  Kapitel  57.    Guido  von  Chatillon. 

Gedanke  an  ein  jus  primae  nootis  mit  dem  ^Yortlaut  insofern 
unvereinbar,  als  danach  die  fragliche  Leistung,  an  Stelle  der 
Abg-abe,  nicht  Seitens  der  Grundherren  gefordert,  sondern  Seitens 
der  Bauern  angeboten  wurde.  Urkundlich  hatte  in  Yerson  jeder 
Besitzer  eines  vollen  Bauerngutes  (villenagium),  wenn  er  seine 
Tochter  ausserhalb  des  Grebiets  der  Abtei  verheirathete,  achtzehn 
Pfennige,  und  jeder  Besitzer  eines  kleineren  Gutes  einen  ent- 
sprechenden  Theil  dieser  Summe  als  formariage  zu  entrichten  ^ 
Das  vorsteheude  Gedicht  giebt  die  Summe  auf  drei  Sous  (das 
Doppelte  von  achtzehn  Pfennigen)  an ,  ohne  Unterschied  der 
Grosse  des  Bauerngutes.  Ob  diese  Abweichung  als  Uebertreibung 
des  Dichters  oder  anders  zu  erklaren  ist,  mag  dahingestellt 
bleiben. 

4.  RecJd  des  Grafen  Guirlo  vo}t  CJidfiUon  zu  Fere. 

Kapitel  57.  Lauriere  (1704)  berichtet,  die  Bewohner  von 
Fere  in  Tardenois  seien  zufolge  eines  mit  dem  Grafen  Guido 
von  Chatillon  2  geschlossenen  Yergleichs  verpflichtet,  auf  dem 
Schloss  Wache  zu  halten,  so  oft  es  nothig  sei,  und  der  Grund- 
herr  oder  Schlosshauptmann  dazu  auffordere.  Yor  Abschluss 
dieses  Yergleichs  hatten  die  Bewohner  von  Fere  in  driickender 
Knechtschaft  gelebt,  da  sie  nicht  bloss  hundert  Sous  bei  jeder 
Yerheirathung  eines  Kindes  an  den  Grundherrn  hatten  bezah- 
len  miissen,  sondern  ausserdem  zur  Entrichtung  des  „droit  des 
mariages"  verpflichtet  gewesen  seien,  was  ihnen  grossen  Nach- 
theil  gebracht  und  den  Abschluss  vortheilhafter  Heirathen  ver- 
hindert  habe;  beide  Yerpflichtungen  seien  durch  den  erwiihnten 
Yergleich  abgelost  worden  '\  Er  beruft  sich ,  ohne  die  Zeit  des 
Vergleichs  anzugeben,  auf  eine  nicht  naher  bezeichnete  Geschichte 
von  Chatillon,  Buch  9  Kap.  16  Seite  598,  welche  ich  nicht  habe 
ermitteln  konnen,  Er  scheint  bei  dem  Ausdruck  „droit  des  ma- 
riages"  an  ein  Schandungsrecht   gedacht  zu  haben.     Denn  er  er- 


*  Etat  des  revenus  tle  rabbaye  du  ]Mont-Saint-^Iichel  a  Verson  (canton 
Evrei)  XXV.  bei  Delisle  S.  680:  „Item ,  notandum  est ,  quod  quilibet  qui 
tenet  plenum  vilanagium ,  si  maritaverit  filiam  suain  extra  terram  sancti  Mi- 
chaelis,  tenetur  reddere  xviij  d.;  et  qui  minus  tenuerit,  reddet  pro  portione 
quam  tenebit."     Vgl.  de  Barth^lemy  S.  105    (mit  dem  Fehler  intra  statt  extra). 

-  Moglicherweise  bezieht  sich  diese  Nachricht  auf  den  am  2.  October  1662 
gestorbenen  Gui  de  Chatillon,  seigneur  de  Fere  en  Tardenois  etc. ,  der  bei 
Moreri  Bd.  3  S.  570  erwahnt  ist. 

^  Lauriere  unter  Cullage.  Daraus :  Koquefort,  Suiipl.  S.  107:  Miohelet 
S.  265:  Delpit  S.   77;  do   Labessade  S.  26  Nr.  55;   Kullscher  S.  227. 


Kiipltt'1  58.    Lariviere-Bourdet  (Norinaiidie).  253 

wjihnt  os  iii  demsclbcn  Artikcl,  Avorin  cr  dic  Erzahlung  des  Hector 
Bocthius  iibcr  Evenus  III.  von  Schottland  und  dessen  Gesctz  als 
geschichtliche  Wahrheit  vortragt.  Daher  ist  in  vorstehendem  Be- 
richt  eine  Sage  vom  Anfang  des  achtzehnten  Jahrhunderts  zu 
finden ,  solange  eine  altere  Quelle  nicht  entdeckt  wird.  Irrig  ist 
die  Mcinung^,  es  sei  erwicsen,  dass  dem  Herrn  von  Fcre  das 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht  zugestanden  habe.  Die  Behaup- 
tung^,  dass  Guido  von  Chatillon  nicht  vergessen  habe,  „dieses 
Recht  eines  Herrn  par  excellence  sich  vorzubehalten"  ,  steht  so- 
gar  in  directem  Widerspruch  mit  dem  J3ericht  Lauriere's. 

5.   Becht  (Jes  Herrn  ron  Laririere-Boiirdet. 

Kap.  58.  In  einer  Urkunde  des  Herrn  von  Lariviere-Bourdet 
aus  der  Normandie  vora  Jahre  1419  ist  gesagt:  „Am  genannten 
Ort  bin  ich  auch  berechtigt,  von  meinen  Leuten  und  Andern, 
weun  sie  auf  meinem  Gebiet  heirathen,  sechs  Sous  und  eine 
Schweins-Lange  in  der  ganzen  Lange  vom  Riickgrat  bis  zum  Ohr, 
einschliesslich  des  Schwanzes,  mit  einem  Gallon  Getrank^,  wie 
es  auf  der  Hochzeit  vorkommt,  zu  erheben;  oder  ich  kann  und 
muss,  wenn  es  mir  gefallt,  mit  der  neuvermahlten 
Frau  schlafen  gehen,  in  dem  Fall,  dass  weder  ihr  Mann 
noch  Jemand  fiir  ihn  mir  oder  meinem  Vertreter  eine  der  vor- 
bezeichneten  Sachen  liefert."  *  Delisle  bemerkt  zu  dieser  TJrkunde, 
darin  sei  die  Ausiibung  des  sogenannten  Herrenrechts  fiir  den 
Fall  angedroht,  dass  die  geringfiigige  Abgabe  nicht  entrichtet 
werde  ^.     Doch  ist  in  der  Drolumg  von  einem  Recht  nicht  einmal 


1  Michelet  S    265;  Delpit  Nr.  55  S.   77;  de  Labessade  Nr.  55  S.   26. 

2  Kulischer  S.  227. 

^  Bruvaigne  =  biberagium  =  breuvage,  d.  i.  ein  Liqueur  von  Essig  uud 
Milch. 

*  Urk.  V.  1419,  Delisle  S.  72:  „En  dit  lieu  (de  la  riviere  Bourdet,  eu  1419) 
aussi  ay  droit  de  prendre  sur  mes  hommes  et  autres,  quant  ilz  se  marient  eii 
ma  terre,  dix  soulz  tournois  et  une  longue  de  porc  tout  au  long  de  l'eschine 
jiisques  a  roreille ,  et  la  queue  franchement  comprinse  en  ycelle  longue, 
avecques  ung  gallon  de  tel  bruvaige  comme  il  aura  aux  nopces ,  oii  je  puis 
et  dois ,  s'il  me  jitaist ,  aler  couchier  avecque  Vespousee,  en  cas  ou  son  mary 
ou  personne  de  par  lui  ne  me  paieroit  k  moy  ou  k  mon  commandement  Tune 
des  choses  dessus  d^clair^es."  Vgl.  auch  Bonnemere  Bd.  1  S.  61;  de  Barth^lemy 
S.  106;  Delpit  S.  52,  133;  de  Labessade  S.  18,  43,  92. 

*  Delisle  S.  74,  75.  —  Nach  Priifung  aller  in  den  Archiven  der  Normandie 
ermittelten  Urkunden  ist  L6opold  Delisle  zu  dem  Schluss  gelangt,  dass  keine 
dieser  Urkunden  zu  der  Annahme  berechtigt,  es  habe  in  der  Normandie  das 
jus  primae  noctis  bestanden.     Delisle  S.   75. 


254  Kapitel  59.    Coutume  von  Burgund. 

die  Rede,  sonderu  es  wird  nur  gesagt,  was  der  Herr  thun 
konne  und  miisse,  weun  die  Leistung  der  Abgabe  unterbleibe. 
Hieraus  ist  nicht  zu  ersehen,  ob  dem  Yerfasser  der  Urkunde 
die  Sage  von  einem  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  bekannt  war. 
Jedenfalls  enthalten  die  hervorgehobenen  Worte  einen  blossen 
Scherz,  der  zur  piinktlichen  Erfiillung  einer  rechtsgiiltigen  Yer- 
pflichtung  aneifern  sollte.  Ein  iihnlicher  Scherz  findet  sich  in 
einigen  Urkunden  anderer  Lander  ^ 

6.  Dir  alte  Coidume  von  Burf/ioHL 

Kapitel  59.  Jules  Delpit  meint,  in  Burgund  seien  die  Leib- 
eigenen  mit  A^erlust  ihrer  Giiter  bestraft  worden,  wenn  sie  sich 
dem  Herrenreclit  der  ersten  Nacht  nicht  unterwerfen  wollten,  oder 
wenn  sie  den  Herrn  in  die  Unmoglichkeit  der  Ausiibung  dieses 
Rechts  versetzten  2.  Er  beruft  sich  hierfiir  auf  Art.  117  und  118 
des  alten  Gewohnheitsrechts  von  Burgund.     Indessen  mit  Unrecht. 

Im  Herzogthum  Burgund  galt  das  droit  de  formariage  fiir 
diejenigen  Horigen,  von  denen  in  rechtsgiiltiger  Weise  bewiesen 
wurde ,  dass  sie  zu  den  serfs  de  formariage  gehorten  ^.  Fiir  sie 
bestand  der  Grundsatz,  dass  sie  Alles  verloren,  was  sie  hatten, 
wenn  sie  ausserhalb  des  Gebiets  ihres  Herrn  ohne  dessen  Ein- 
willigung  heiratheten  K  Doch  konnte  ein  Mann,  der  zur  Klasse 
der  serfs  de  formariage  gehorte,  den  Yerlust  seiner  Habe  da- 
durch  abwenden ,  dass  er  mit  seiner  jungen  Frau  die  erste  Nacht 
auf  dem  Gebiet  seines  Herrn  zubrachte;  alsdann  folgte  die  Frau 
dem  Recht  des  Mannes;  sie  wurde  als  Horige  fiir  den  Herrn 
ihres  Ehemanns  erworben  ^.  Sollte  die  Frau  gegen  den  Yer- 
hist   ihrer   bisherigen  Horigkeitsrechte  geschiitzt  werden,   so   war 


'  Vgl.  dariiber  Kap.  79  und  88. 

2  Delpit  S.  76,  77,  120:  de  Labessade  S.  26  Nr.  54,  S.  99,  100. 

3  Bouhier,  Cout.  chap.  67  art.   15,  Bd.  2  S.  790. 

*  Anciennes  Coutumes  de  Bourgogne,  Art.  117,  bei  Bouliier  ehap.  67  §  12. 
Bd.  2  S.  790:  „Ceux  de  for-mariage  sont  ceux  qui  ne  puent  marier  fors  de 
dessous  leur  Seigneur,  sans  licence;  et  se  ils  se  maricnt  hors  dessous  leur 
Seigneur,  ils  perdent  quanque  ils  ont"  .  .  Vgl.  Delpit  S.  76;  de  Labessade 
S.  99. 

5  Anciennes  Coutumes  de  Bourgogne,  Art.  117  (hinter  der  in  der  vorigen 
Anmerkung  angefiihrten  Stelle) :  „Toutesvoyes ,  si  homs  se  marie  en  autre 
jurisdiction  et  prand  femme  au  lieu,  s'il  la  meine  gesir  le  premier  soir  dessous 
son  seigneur,  il  ne  perd  rien.  Car  il  acquiert  la  femme  pour  le  seigneur  ct 
la  trait  h  sa  condition.  Et  se  il  ne  gist  le  premier  soir  dessous  le  seigneur. 
il  perd  quanque  il  a.  Et  toutesvoyes  n'est-il  pas  hors  de  servitude ,  qu'il 
demeure  serf,  se  par  desaveu  n'en  part." 


Kaintcl   60.    Acte  de  repret.  255 

es  uothig,  dass  der  Bniutigam  deu  Ilerrn  der  Braut  als  seinen 
Herrn  anerkannte  und  dann  auf  dessen  Herrschaftsgebiet  die 
Hoehzeitsnacht  mit  ihr  zubrachte  ^  Der  Fall  des  formariage  lag 
nicht  vor,  wenn  vor  dem  Beilager  beide  Ehegatten  Horige  des- 
selben  Herrn  geworden  waren  ^.  In  der  Redaction  der  Coutumes 
de  Bourgogne^,  die  Herzog  Johann  der  Gute  von  Burgund  auf 
Antrag  seiner  Stiinde  im  Jahr  1459  bestatigte  \  wurden  die  vor- 
stehenden  Grundsatze  ini  Wesentlichen  aufrecht  erhalten. 

Hieraus  erhellt,  dass  der  Ort,  wo  die  Neuvermahlten  die 
Hochzeitsnacht  zubrachten,  insofern  von  rechthcher  Bedeutung 
war ,  als  der  eine  oder  andere  Ehegatte  an  dem  Ort  der  Hoch- 
zeitsnacht  unter  den  naher  angegebenen  Yoraussetzungen  die  mit 
der  Horigkeit  verbundenen  Vermogensrechte  erwarb  ^,  In  diesem 
Sinn  konnte  man  aus  den  angefiihrten  Bestimmungen  ein  „Recht 
der  ersten  Nacht"  herleiten.  Von  einem  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht   findet  sich  darin  keine  Spur. 

7.    Der  „acte  de  repret"  in  der  Franche-Comte. 

Kapitel  60.  Ein  Recht,  welches  die  Aebte  von  Saint- 
Claude  in  Franche-Comte  ausiibten,  soll  nach  der  Meinung  von 
Jules  Delpit  nur  durcli  Annahme  des  „droit  du  seigneur"  erklart 
werden  konnen  **.  Auch  dies  ist  ein  grober  Irrthum ,  wie  sich 
leicht  zeigen  lasst. 

In  der  Franche-Comte  konnten  die  Kinder  der  Leibeigenen 
(mainmortables)  zur  Erbfolge  in  das  Bauerngut  ihrer  Eltern  nur 
dann  gelangen,  wenn  sie  bis  zu  deren  Tod  in  Giitergemeinschaft 


'  Anciennes  Coutumes  de  Bourgogne,  Art.  118.  bei  Bouhier  chap.  67  §§  14, 
29,  30,  Bd.  2  S.  790,  792,  793;  Delpit  S.  77;  de  Labessade  S.  99,  100:  „Se  la 
femme  serve  et  de  for-mariage  sort  dessous  son  Seigneur,  soit  qu'elle  veigne 
gesir  dessous  son  Seigneur  ou  non,  elle  est  for-mariee  et  desadvouee  taisible- 
ment.  Car  se  elle  gist  au  lieu,  elle  ne  peut  acquerir  Thomme;  et  si  elle 
gist  ailleurs,  l'homme  racquiert.  Pourquoi  elle  est  for-mariee  et  perd  tout  ce 
qu'elle  a.  Mais  se  le  mary  venait  advouer  le  seigneur  de  la  femme  avant 
ce  qu'il  l'eust  eu  [hier  fehlt  ein  Wort]  se  elle  gisoit  au  lieu ,  elle  ne  seroit 
pas  fort  mariee." 

2  Bouhier  chap.  67  §§  29,  30,  Bd.  2  S.  792.  793:  ...  ,,Si  avant  la  con- 
sommation  du  mariage ,  les  deux  mari^s  viennent  demeurer  au  lieu  main- 
mortable  il  n'y  a  point  de  for-mariage''  .  .  . 

^  Coutume  de  Bourgogne,  Art.  107,  bei  Bouhier  chap.  67  §§  13  —  30,  Bd.  2 
S.  790—793. 

*  Dalloz,  Rep.  Bd.  1  S.   134 

5  Vgl.  oben  Kap.  28  S.  161,   162. 

6  Delpit  S.  122. 


256  Kapitel  60.    Acte  de  repret. 

mit  ihnen  geblieben  waren.  Eine  Tochter ,  die  bei  Lebzeiten 
der  Eltern  heirathete,  konnte  sich  ihr  kiinftiges  Erbrecht  vor- 
behalten ,  indem  sie  durch  Worte  oder  Handlungen  ihren  Willen 
erklarte,  die  Giitergemeinschaft  (Rechtsgemeinschaft)  mit  ihren 
Eltern  und  Geschwistern ,  unbeschadet  der  ihr  gegebenen  Aus- 
stattung,  fortsetzen  zu  wollen.  Dies  hiess  nrepret"  ^  Die  Cou- 
tume  du  Comte  de  Bourgogne  vom  Jahr  1459  bestimmte,  dass  an 
den  Orten  der  mainmorte  die  Tochter,  welche  von  ihren  Eltern 
ausgestattet  wurde  uud  sich  verehelichte ,  ihr  bisheriges  Eecht 
beibehalten  konnte,  indem  sie  nach  der  Hochzeit  in  das  elter- 
liche  Haus  zuriickkehrte  und  dort  die  erste  Nacht  zubrachte  ^. 
In  der  Rechtsprechung  des  Parlaments  zu  Besancon  fand  dieser 
Grrundsatz  des  Gewohnheitsrechts  eine  so  milde  Auslegung ,  dass 
die  Ausdriicke  „en  son  partage"  und  „retourner"  nicht  als  Be- 
dingungen,  sondern  als  Beispiele  betrachtet  wurden  ^.  Danach 
entschied  das  Parlament ,  dass  es  nicht  nothig  sei ,  im  elterlichen 
Haus  eine  Nacht  zuzubringen ,  sondern  dass  es  geniige ,  wenn 
dort  das  Hochzeitsmahl  stattfinde  '^ ,  oder  wenn  die  Tochter  am 
Tag  nach  der  Hochzeit  auf  kurze  Zeit  zuriickkehre  ^,  oder  wenn 
sie ,  an  der  Riickkehr  verhindert ,  durch  eine  offentliche  Urkunde 
den  Willen  erkliire,  die  Gutergemeinschaft  mit  den  Eltern  und 
Geschwistern  fortsetzen  zu  wollen*.  Das  ^Repret"  war  ein  Vor- 
recht  der  Leibeigenen.  Dies  erhellt  aus  einem  XJrtheil  des  Par- 
laments  zu  Besancon  vom  19.  Februar  1633^.  Damals  machte 
eine    Tochter   freien   Standes,    die    sich    bei    ihrer    Heirath    nach 


'  Dunod  chap.  3  sect.  4,  clu  repret,  S.  105 — 117,  insbesonclere  S.  107: 
„le  repret;  c'est  ainsi  que  nous  appellons  l'acte  de  fait  ou  de  paroles,  par 
lequel  elle  t^moigne  qu'elle  veut  conserver  la  communion."  Daraus :  Garran 
de  Coulon  in  der  Encycl.  meth.,  jurispr.  Bd.  7  S.  353,  unter  Repret. 

^  Coutumes  generales  du  comt6  de  Bourgogne  v.  J.  1459,  Art.  90,  bei 
Bourdot  de  Richebourg  Bd.  2  S.  1201 ,  und  Coutume  du  Comtc  de  Bour- 
gogne,  Art.  8,  bei  Dunod  S.  105:  „En  lieu  de  ^lainmorte,  la  fille  mariee  en 
son  partage,  peut  retourner  pour  avoir  et  recouvrer  son  partage:  pourvu 
qu'elle  retourne  gesir  la  premiere  nuit  de  ses  noces,  en  son  meix  et  h^ritage." 
Ueber  die  Bedeutung  des  Wortes  meix,  welches  von  mansus  hergeleitet 
wird,  vgl.  Dunod  S.  37,  38,  109.     Vgl.  Moser  Bd.  5  S.   158 ;  Delpit  S.  77. 

^  Vgl.  iiber  die  Worte  „fllle  mariee  en  son  partage":  Dunod  S.  110 — 113 
und  iiber  „retourner" :  Dunod  S.  109,  110. 

*  Urth.  Parl.  Besan^on  v.  7.  Oct.  1600,  bei  Dunod  S.  107;  Urth.  v.  Juli 
1608,  bei  Dunod  S.  107,  108. 

5  Urth.  Parl.  BesanQon  v.  12.  Sept.  1620,  bei  Dunod  S.  108. 

6  Urth.  Parl.  Besan^on  v.  24.  Dec.  1619,  9.  Nov.  1629  und  Juli  1685.  bei 
Dunod  S.  108,  109. 

">  Urth    Parl.  Besanoon  v.   19.  Febr.  1633.  bei  Dunod  S.  106. 


Kapitel  60.    Acte  de  repret.  257 

der  Coutume  gerichtet  hatte,  gegeniiber  ihrer  Schwester,  von  der 
diese  Yorschrift  nicht  beobachtet  war,  Anspruch  auf  das  Allein- 
eigenthum  der  Giiter  der  mainmorte  im  Nachlass  ihrer  Mutter, 
unter  Ausschluss  ihrer  Schwester;  diesen  Ansprucli  verwarf  das 
Parlament  mit  der  Erwiigung,  dass  jene  Vorschrift  der  Coutume 
auf  Personen  freien  Standes  keine  Anwendung  finde.  Bei  dieser 
Sachlage  rechtfertigt  sich  die  Bemerkung  von  Justus  Moser,  dass  die 
Formliclikeit  des  Repret  als  Milderung  des  alten  Grundsatzes:  „der 
Erbe  muss  sein  huldig  uud  horig  nach  dem  Hofe",  zu  betrachten 
sei  und  keineswegs  als  eine  Hiirte  angesehen  werden  konne  ^. 

Zur  Zeit,  als  Yoltaire  zu  Ferney  lebte,  wurde  unter  den 
Leibeigenen,  die  vom  Stift  Saint-Claude  abhingen,  die  Yor- 
stellung  verbreitet,  dass  die  Grundsatze  der  mainmorte  mit  den 
allgemeinen  Menschenrechten  in  \Yiderspruch  stiinden.  Zwei 
Denkschriften  dariiber,  die  deu  Eindruck  machen,  als  seien 
sie  von  Yoltaire  selbst  oder  wenigstens  unter  seiner  Leitung  ab- 
gefasst,  w^urden  an  den  franzosischen  Staatsrath  abgesendet. 
Darin  behauptete  man,  alle  Rechtstitel  der  mainmorte,  worauf 
sich  die  Stiftsherren  beriefen,  seien  durch  deren  Rechtsvorganger, 
die  Benedictiner-MiJnche,  in  vergangenen  Jahrhunderten  falsch- 
lich  angefertigt  worden.  Die  zweite .  der  beiden  Denkschriften 
fand  eine  besoudere  Ungerechtigkeit  darin,  dass  eine  Tochter, 
die  heirathe  und  dadurch  genothigt  werde,  das  elterliche  Haus 
zu  verlassen,  alle  Anwartschaft  auf  die  kiinftige  Erbschaft,  selbst 
den  Pflichttheil,  verliere.  „Man  hat  nur  ein  Mittel  erfunden, 
um  die  emporende  Ungerechtigkeit  dieser  Entscheidung  zu  mas- 
sigen ,  ein  Mittel ,  das  ebenso  wunderlich  ist ,  wie  das  Gesetz 
ungeheuerlich;  man  sollte  errothen,  es  ernstlich  vor  ehrenwer- 
then  Gerichten  vorzutragen:  die  leibeigene  Tochter  kann  sich 
durch  einen  Notar  eine  Bescheinigung  ausfertigen  lassen,  welche 
feststellt,  dass  sie  die  erste  Nacht  ihrer  Hochzeit  im  Haus 
ihres  Yaters  geschhifeu  hat;  man  nennt  dies  acte  de  repret, 
eine  Bezeichnung,  die  keinen  Sinn  hat;  vermittelst  dieser  selt- 
samen  Yorsicht  bewahrt  diese  Tochter  bei  der  Heirath  die  Yor- 
theile,  die  sich  an  ihre  friihere  Gemeinschaft  kniipfen.  Unter- 
lasst  sie  diese  Formlichkeit ,  so  ist  Alles  fiir  sie  verloren;  und 
selbst  das  Rechtsmittel  der  Wiedereinsetzung  in  den  friiheren 
Stand  wird  ihr  verweigert."  ^  Das  Stift  reichte  ebenfalls  Denk- 
schriften    ein,    um   die    vorbezeichneten  Behauptungen   zu  wider- 


1  Moser  Bd.  5  S.  155.     Vgl.  oben  Kap.  28  S.  161,  162. 
^  Diss.  S.  Claude,  seconde  requgte  au  Roi,  Anh.  S.  23,  24. 

Schmidt,  Jus  primae  noctis. 


258  Kapitel  61.    Gascogne. 

legen  und  wohlerworbene  Eechte  zu  vertheidigen.  Durch  Be- 
schluss  vom  18.  Januar  1772  verwies  der  Staatsrath  die  Sache 
an  das  Parlament  zu  Besangon,  mit  dem  Auftrage,  iiber  den  Streit 
der  Parteien  in  erster  und  letzter  Instanz  zu  entscheiden,  und  da- 
bei  sowohl  die  vorgelegten  Urkunden  zu  priifen,  als  auch  den 
Besitzstand  zu  beriicksichtigen.  Inzwischen  verfasste  Yoltaire 
eine  Eeihe  von  Schriften  gegen  die  Anspriiche  des  genannten 
Stifts  ^.  Er  behauptete,  die  vorgelegten  Titel  seien  im  zwolften 
und  dreizehnten  Jahrhundert  falschlich  angefertigt  worden  ^,  Zu- 
gleich  wiederholte  er  die  iibrigen  Behauptungen ,  die  in  den 
Denkschriften  und  in  der  daraus  angefertigten  Dissertation  auf- 
gestellt  waren  ^.  Namentlich  stellte  er  die  irrige  Behauptung  auf, 
es  sei  als  ein  Yerbrechen  beliandelt  und  mit  Yerlust  des  Yer- 
mogens  bestraft  Vorden,  wenn  die  junge  Ehefrau  die  erste  Nacht 
bei  ihrem  Ehegatten,  statt  im  elterlichen  Haus,  zubrachte  *.  Die 
Bemiihungen  Yoltaire's  hatten  keinen  Erfolg  ^,  vermuthlich  deshalb, 
weil  die  Eechte  des  Stifts  wohl  begriindet  waren,  und  die  dagegen 
gerichteten  Angriffe  sich  als  ungerechtfertigt  erwiesen.  Das  Par- 
lament  zu  Besaneon  entschied  den  Streit  zu  Gunsten  des  Stifts 
von  Saint-CIaude ''. 

<S.    Recht  in  der  Gascogne. 

Kapitel  61.  In  den  „Decisiones  Burdegalenses"  von  Nicolaus 
Boerius  sagt  der  Yerfasser,  es  werde,  wie  er  gehort  habe,  erzahlt 
und  fiir  wahr  gehalten,  dass  einige  Herren  der  Gascogne  das  Eecht 
gehabt  hiitten,  in  der  ersten  Hochzeitsnaclit  ihrer  Unterthanen  eineu 
nackten  Schenkel  an  die  Seite  der  neuvermiihlten  Frau  zu  legen 
oder  sich    dariiber  mit   ihren  Untertlianen   abzufinden '.     Dies  ist 


1  Voltaire,  ficrits  povir  les  habitants  du  Mont-Jura  1770—1775,  6d.  Bcau- 
marchais  Bd.  29  S.  455—511. 

2  Voltaire  1.  c.  Bd.  29  S.  479.  Zudem  wird  S.  499  behauptet,  dass  ein 
titre  authentique  de  libertd  vom  Jahr  1390  durch  die  INIonche  bei  Seite  ge- 
schaift  und  erst  im  Marz  1770  wiedergefunden  sei. 

'  Die  Disscrtation  sur  l'abbaye  de  St.  Claude  wird  erwiihnt  und  belobt 
bei  Voltaire  1.  c.  Bd.  29  S.  479. 

">  Voltaire,  ed.  Beaumarchais  Bd.  29  S.  477,  478,  502,  506. 

*  Voltaire,  6d.  Beaumarchais  Bd.  29  S.  461,  462 :  .  .  .  ,,L'61oquence  et  le 
z61e  de  M.  de  Voltaire  ont  6t6  inutiles;  la  servitude  subsistc  encore  au  pied 
du  Mont-Jura." 

«  Krciten  S.  285.  286. 

'  Boerius,  dec.  297  n.  17 :  .  .  .  „Et  pariter  dici  audivi  ct  pro  ccrto  haberi, 
nonmillos  Vasconiae  dominos  habere  facultatem  prima  nocte  nuptiarum  suorum 
subditorum,    ponendi   unam   tibiam    nudam   ad   latus   neogamae  cubantis ,    aut 


Kapitcl  G2.    Urtlieil  vom   13.  Juli  1302  (Guycnne).  259 

eine  Erztihlung  aus  der  Mitte  des  sechzelinten  Jahrhunderts ,  aus 
einer  triiben  Quelle  *.  Sie  bezieht  sich  auf  die  ini  Kap.  11  erorterte 
Formlichkeit,  keineswegs  auf  das  jus  priniae  noctis  im  gewolmlichen 
Sinn  dieses  Ausdruckes.  Ilieraus  ergiebt  sich  die  Unhaltbarkeit  der 
Behauptung,  dass  mehrere  Herren  der  Gascogne  unter  dem  Namen 
„droit  de  cuissage"  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  ausgeiibt 
liiitten  2 ;  oder  dass  die  altherkommliche  Ablosung  dieses  Rechts 
noch  bis  ins  sechzehnte  Jahrhundert  an  die  Grundherren  der 
Gascogne  allgemein  liabe  entrichtet  werden  miissen  ^. 

b.    Gericlitliche  Entscheidungen. 

1.    UrtheU  des  Gross-SeneficJialls  von  Guijenne  rom  13.  Juli  1302. 

Kapitel  62.  Im  Jahr  1812  veroffentlichte  M.  de  Saint-Amans 
eine  „unendlich  merkwiirdige"  Urkunde,  mit  dem  Bemerken,  dass 
ihm  die  Aechtheit  derselben  verbiirgt  sei,  und  dass  er  ihre  Auf- 
findung  dem  Zusammentreffen  gliicklicher  Zufalle  verdanke ;  sie 
sei  in  der  Landessprache  abgefasst,  die  in  Aquitanien  im  drei- 
zehnten  und  vierzelmten  Jahrhundert  gegolten  habe  und  fast  unver- 
iindert  in  Catalonien  erhalten  sei.  Nach  dieser  Yorbemerkung 
folgt  der  AYortlaut  eines  angeblichen  Urtheils  des  CTross-Seneschalls 
der  Guyenue  vom  Mittwoch,  13.  Juli  1302,  in  Sachen  des  Herrn 
Johann  von  Durasfort  als  Grundherrn  von  Blanquefort,  La  Talhan, 
Cantenac ,  Margaux  und  andern  Herrschaften ,  gegen  Catharina 
deu  Soscarrola  aus  Cantenac  und  ihren  Ehegatten  Guilhem  deu 
Becarron  den  Jiingeren,  iiber  das  Recht  „de  premici  et  de  de- 
floroment"  ^.  Eine  franzosische  Uebersetzung  dieser  Urkunde 
wurde  im  Jahr  1819  veroffentlicht  ^.     Seitdem  wird    dies    Urtheil 


componendi  cum  ipsis.^'  Vgl.  (VEspeisses  tit.  6  sect.  9;  Lauriere  unter  Les 
marquettes  des  femmes;  Le  Siecle  du  19  sept.  1854,  erste  Seite:  Vallein 
S.  220;  Delpit  S.  92,  93:  Marichalar  Bd.  6  S.  69:  de  Barthelemy  S.  109. 

1  Vgl.  Naheres  iiber  das  Werk  des  Boerius,  insbesondere  iiber  dec.  297 
n.  17,  in  Kap.  82. 

*  de  Labessade  Nr.  63  S.  28,  vgl.  S.   16,  17. 
3  Sugenheim  1861,  S.  104. 

^*  de  Saint-Amans  1812,  S.  61—65;  daraus  spiiter  abgedruckt  bei  Saint- 
Amans  1818,  S.  65—68  und  bei  Delpit  S.  94—96.  Ein  Abdruck  derselben 
Urkunde,  jedoch  ohne  Angabe  der  Quelle,  steht  auch  bei  Cassany-IMazet 
S.  292—294.  Auf  diese  Urkunde  stiitzt  Cassany-Mazet  (S.  89)  die  Behauptung 
dass  die  Grundherren  zur  Zeit  Philipp's  des  Kiihnen  das  alte  Feudalrecht  der 
ersten  Nacht  „wiederhergestellt' •  hatten.  " 

*  Bibl.  hist.  Bd.  19  S.  232—234.  —  Der  Redacteur  dieser  Zeitschrift, 
C6sar  Eugene  Gossuin,  stand  am  24.  Jan.  1820  als  Angeklagter  vor  dem  Assi- 

17* 


260  Kapitel  62.    Urtheil  vom  13.  Juli  1302  (Guyenne). 

als  Beweis  augefiihrt  *,  dass  im  Mittelalter  das  Feudalrecht  der 
ersteu  Jfacht  thatsachlich  ausgeiibt  und  sogar  gerichtlich  an- 
erkaunt  worden  sei;  und  dass  in  der  Guyenne  der  Neuvermahlte 
„noch"  im  vierzehnten  Jahrhundert  verpflichtet  gcwesen  sei,  seine 
Frau  dem  Seigneur  zur  Ausiibung  des  jus  primae  noctis  sogar 
personlich  zuzufiihren  ^ ;  als  ob  es  selbstverstandlich  wiire ,  dass 
eine  solche  Yerpflichtung  auch  friiher  bestanden  habe.  Die  Aecht- 
heit  jenes  Urtheils  wurde  im  Jahr  1840  durch  Brunet  in  Zweifel 
gezogen  ^  und  seitdem  von  Niemandem  nachgewiesen.  Gleichwohl 
erwahnen  spiitere  Schriftsteller  diese  Urkunde  unter  den  Beweisen 
des  jus  primae  uoctis,  ohne  sich  iiber  ihre  Aechtheit  bestimmt 
auszusprechen  *. 

Nach    Inhalt    dieses    angeblichen    Urtheils^    behauptete    der 


senhof  der  Seine;  er  ward  nach  eiucr  bewegteu  Verhandlung  durch  die  Ge- 
schworenen  fiir  nichtscliuldig  erkliirt  und  demgeniass  durch  den  Assisenprasi- 
denten  von  der  Anklage  losgesprocheu.  Dieser  Process  betraf  lediglich  einen 
im  elften  Band  jener  Zeitschrift  abgedruckten  Aufsatz.  (Vgl.  Moniteur,  Mardi 
25  janv.  1820,  S.  98.)  Deshalb  sind  die  bei  Veuillot  2.  Aufl.  S.  305—310 
aus  diesem  Process  gezogenen  Folgerungen  von  keiner  Erheblichkeit  fiir  die 
im  neunzehnten  Band  enthaltene  Publication.  Ueberdies  kann  dieselbe  als 
eine  Uebersetzung  der  bereits  im  Jahr  1812  verofFentlichten  Urkunde  be- 
trachtet  werden.     (Vgl.  jedoch  S.  262.  267.) 

1  Miot  S.  217.  218:  Ewers  S  71,  75:  Bonnemere  Bd.  1  S.  58;  Marichalar 
Bd.  6  S.  69:  Kulischer  S.  227.  —  Aus  dem  Glauben  an  die  Aechtheit  jenes 
Urtheils  erklart  sich  eine  Bemerkung  der  Augsb.  Allg.  Ztg.  (v.  18.  April  1868) 
und  Liebrecht"s  (1879,  S.  417),  wonach  das  jus  primae  noctis  den  Namen  droit 
de  deflorement  gefiilirt  haben  soll. 

2  Sugenheim  1861,  S.  103  und  1872,  S.  030. 

3  Brunet  S.   172. 

+  Delpit  Nr.  64,  S.  93  ff. :  Labessade  Nr.  64,  S.  28:  ,,Une  sentence,  vraie 
ou  supposee"  .  .  . 

^  Saint-Amans  bei  Malte-Brun  Bd.  18  S.  61—65:  Asso  es  la  carta  et  sta- 
tut  deu  ilreit  de  premici  et  de  defioroment  que  lo  senhor  de  la  terra  et  sen- 
horia  de  Blanquefort  a  et  deu  aver,  en  et  sobren  totas  et  casctmas  las  filhas 
no  nohlas  qui  se  maridan  en  la  deita  senhoria,  lo  primier  jorn  de  las  nopsas : 
„Conaguda  caxisa  sia  que  cum  de  tot  temps  de  dreit,  et  per  costuma  anciaux, 
lo  poderos  senhor  de  la  teri-a  et  senhoria  de  Blanquefort ,  La  Talhan ,  Cante- 
nac,  Margaux  et  autras,  agos  lo  drcit  de  premici  et  dettoroment  en  et  sobren 
totas  et  cascunas  las  filhas ,  no  noblas,  qui  se  maridan  en  la  deita  terra  et 
senhoria  de  Blanquefort,  et  autras  dessus  nompmadas,  lo  primier  jorn  de  las 
nopsas,  empero  lo  maridat  present,  et  tenent  una  cama  de  la  maridata 
penden  que  lo  deit  senhor  prendra  lo  dreit  de  premici  et  fara  h)u  de- 
floroment,  et  lo  deit  defloroment  feit  lo  deit  senhor  no  pot  mech  toquar  la 
deita  maridata,  ct  a  deu  laissar  au  marit.  Et  cum  lo  mes  de  may  dareiro- 
ment  passat,  Catharina  deu  Soscarola  de  la  parropia  deu  deit  Cantenac  se 
fossa  maridata  al  Guilhem  deu  Becarron  lo  joen,    lo  poderos  senhor    en  Johan 


Kapitel  02.    Urtheil  vom   13.  Juli  1302  (Cuyenne).  261 

Kliiger,  auf  Grund  alteii  Gcwohnlicitsrechts  der  genannten  Herr- 
schaften  die  Bcfuirniss  zu  liaben,  an  allen  nicht  adeliffen  Madchen, 


.de  Durasfort,  cavaley,  senhor  de  la  deita  terra  et  senhoria  de  Blanquefort  et 
autras  dessus  nompmadas,  agos  vouhit  uzar  deu  deit  dreit,  et  poder  de  pre- 
mici  et  de  defloroment  en  et  sobre  la  deita  deu  Soscarola,  era  se  fossada  re- 
fusada  d'obedir  au  deit  senhor ,  et  no  vougut  lo  accorda  lo  deit  premici  et 
defloroment,  et  lo  deit  deu  Becarron  si  fos  equalement  apausat,  et  emportat 
de  malas  palauras  envers  lo  deit  senhor,  et  perrason  de  la  desobedientia  de 
la  deita  maridata  ct  las  malas  palauras  deu  deit  maridat ,  lo  deit  senhor  los 
agos  feit  meter  en  carcera  separoment,  et  fos  anat  en  se  clamant  d'una  cla- 
mor  criminosa  envert  Mosseu  lo  Grand  Senescaut  de  Guyana  per  enformar 
de  so  que  dessus  es  deit,  et  a  que  so  feit  enquesta  per  cartas,  et  per  torbas 
de  testimonis  deu  dreit  et  costuma  anciana  en  los  quaiis  ero  lo  senhor  de  la 
deita  terra  et  senhoria  de  Blanquefort,  et  autras  sobredeitas  daver  et  uzar 
deu  dreit  de  premici  et  de  defloromeiit  cn  la  maneira  susdeita,  et  empres  la 
deita  enformation  et  enquestas  feitas  fo  rendut  una  sententia  per  la  cort  se- 
nescala  de  Guienna  de  la  quau  lo  tenor  sen  sec  de  mot  a  mot.  Entre  lo 
noble  et  poderos  senhor  en  Johan  de  Durasfort,  cavaley,  senhor  de  la  terra 
et  senhoria  de  Blanquefort,  lo  Talhan,  Labarda,  Cantenac,  Margaux,  et  autres, 
demandador  en  dreit  de  premici  et  de  defloroment  lo  primier  jorn  de  las 
nopsas  en  et  sobre  totas  et  cascunas  las  ftlhas  no  noblas  que  se  mai-idan  en 
la  deita  terra  et  senhoria  de  Blanquefort  et  autras  dessvis  deitas ,  empero  lo 
maridat  present  et  tenent  una  cama  a  la  maridata  penden  quet  prendra  lo 
deit  premici  et  fara  lo  defloroment,  duna  part,  et  Catharina  deu  Soscarrola 
de  la  parropia  deu  deit  Cantenac  noaroment  maridata  al  Guilhem  deu  Be- 
carron  lo  .joen  defendadora  au  susdeit  dreit  d*autra  part,  et  lo  medis  senhor 
equaloment  demandator  en  reparation  et  castigament  de  malas  palauras  contra 
lo  deit  deu  Becarron  aissi  medis  defendador  au  dreit  susdeit  encora  d'autra 
part,  et  es  esta  bist  per  la  cort  senescala  la  clamor  criminosa  deu  dcit  senhor 
en  Johan  de  Durasfort,  ensemps  las  enformations  enquesta  per  cartas  et  per 
torbas  de  testimonis  et  autras  pessas  deu  contest  entre  las  pardidas,  a  deit  et 
declarat  lo  deit  senhor  cstre  fondat  en  dreit,  et  cn  rason,  et  per  costuma  an- 
ciana  daver  et  poder  prendre  lo  premici  et  far  lo  defloroment  lo  primier  jorn 
de  las  nopsas  en  et  sobren  totas  et  cascunas  las  filhas  no  noblas  que  se  ma- 
ridan  en  la  deita  terra  et  senhoria  de  Blanquefort  et  autras  sobredeitas  em- 
pero  lo  maridat  present  et  tenen  una  cama  a  la  maridata  penden  que  lo  deit 
senhor  prendra  lo  deit  premici  et  fara  lo  defloroment,  et  aquo  feit  lo  deit 
senhor  no  pot  mech  toquar  la  maridata,  mas  la  deu  laissar  au  maridat,  et  per 
rason  de  so  que  dessus  es  declarat,  la  deita  cort  a  condamnat  et  condamna 
la  deita  Catharina  deu  Soscarola,  et  lo  deit  Guilhem  deu  Becarron  lo  joen, 
d'obedir  au  deit  senhor  perche  prenne  son  dreit  en  la  maneira  susdeita;  et 
en  so  que  toqua  las  malas  palauras  que  lo  medis  Guilhem  ave  deitas  au  deit 
senhor,  la  deita  cort  la  condamnat  et  condamna  de  se  amandar  envert  lo  deit 
senhor,  et  lo  demandar  gratia  un  genouil  en  terra,  lo  cap  nud,  et  las  mas  en 
crots  estendudas  sobre  la  peitrina,  en  la,.presentia  de  tot  los  que  foran  assem- 
blats  a  las  nopsas,  et  plus  ordonna  la  deita  cort  que  en  so  que  toqua  lo  dreit 
susdeit  la  presenta  sententia  serbira  de  lex  et  statut  tant  per  lo  temps  pre- 
sent    que    per    lo  temps  advendor,    pcr    lo    deit  senhor  de  la  far  proclamar  et 


262  Kapitel  62.    Urtheil  vom  13.  Juli  1302  (Guyenne). 

die  iii  seiner  Herrschaft  heiratheten,  das  Recht  der  Vorkost  und 
Defloration  auszuiiben  und  dazu  die  Beihiilfe  des  Brautigams  in 
naher  bezeichneter  Weise  in  Anspruch  zu  nehmen ;  die  Beldagten 
hatten  sich  diesem  Recht  bei  ihrer  Heirath,  im  Mai  1302,  nicht 
unterwerfen  wollen,  und  der  Brautigam  habe  sich  sogar  Schimpf- 
reden  gegen  den  Khiger  erhxubt.  Deshalb  hatte  er  Beide  einzeln 
einsperren  lassen,  und  er  wendete  sich  an  den  Gross-Seneschall 
der  Guyenne  (Grand  Senescaut  de  Guyana)  mit  dem  Antrag 
auf  Strafverfolgung  (Clamor  criminosa).  Der  Gerichtshof  erhob 
Beweis  durch  Zeugen  und  Urkunden  iiber  das  Gewohnheitsrecht. 
Das  Endurtheil  erklarte  die  Anspriiche  des  Klagers  fiir  gerecht- 
fertigt,  verurtheilte  demgemiiss  beide  Eheleute,  dem  Herrn  zu  ge- 
horchen,  damit  er  sein  Recht  in  der  bezeichneten  Weise  ausiibe, 
und  den  Ehemann  allein  zu  einer  genau  bestimmten  Demiithigung 
als  Genugthuung  fiir  die  dem  Herrn  zugefiigten  Beleidigungen; 
verordnete,  dass  dies  Urtheil  fiir  alle  Zeiten  als  Qesetz  und  Statut 
dienen  solle,  und  iiberliess  dem  KKxger,  dasselbe  durch  einen 
koniglichen  Notar  oder  durch  einen  Weibel  vor  der  Kirchenthiir 
zu  Cantenac  am  Schluss  der  Pfarrmesse  und  ausserdem  im  ganzen 
Umfang  der  genannten  Herrschaften  bekannt  machen  zu  lassen, 
auch  soviel  Ausfertigungen  davon  zu  nehmen,  als  ihm  beliebe. 
Schon  aus  diesem  Inhalt,  hauptsiichlich  aus  der  Specialvor- 
schrift  iiber  die  Verpflichtung  des  Ehemanns,  dem  Herrn  behiilflich 
zu  sein,  ist  zu  ersehen,  dass  ein  solches  Urtheil  von  keinem 
Richter  erlassen  sein  kann,  und  dass  die  Anfertigung  des  Schrift- 
stiicks  aus  einem  frivolen  Scherz  herriihren  muss  ^  Die  leicht 
verstiindlichen  und  haufig  wiederholten  Ausdriicke  und  Redewen- 
dungen  fiihren  zu  der  Vermuthung,  dass  eine  Uebersetzung  aus 
dem  modernen  Franzosischen  in  die  altere  Sprache  vorliegt,  und 
dass  dafiir  die  einzelnen  AVorter  zumeist  aus  achten  Urkunden  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  entlehnt  wurden,   Die  Arbeit  erscheint  als 


publicar  sia  per  un  Noutari  Reyau ,  sia  per  un  apparitor  au  davant  de  la 
porta  de  la  Gleisa  deu  deit  Contenac  k  la  sailhida  de  la  messa  de  parropia, 
et  per  tota  lestenduda  de  la  deita  senhoria  de  Blanquetbrt  et  autras  sobre- 
deitas,  et  de  far  dressar  cartas  deu  proclamat  a  tan  cum  lo  plaira."  Au  dos 
est  ecrit:  „Sententia  haec  fuit  in  audientia  Seneschallii  Aquitaniae,  die  mer- 
curii  decima  tertia  mensis  Julii,  anno  millesimo  trecentesimo  duo." 

'  In  der  Neuzeit  soU  es  vorgekommen  sein,  dass  zufolge  eines  Scherzes 
eincm  Gerichtsprasidenten  unter  den  „blossen  Unterschriftsachen"  sein  eigenes 
Todesurtheil  mit  haarstrauhendem  Inhalt  vorgelegt,  und  dasselbe  von  ihm 
richtig  unterzeichnet  wurde.  Doch  diirften  derartige  Scherze  im  vicrzehntcn 
Jalirluindert  nicht  so  leicht  als  im  neunzehnten  Jahrliundert  auszufiihren 
gevvesen  sein. 


Kapitel  62.    Urtheil  vom  13.  Juli  1302   (Guyenne).  263 

ziemlicli  ungesclnckt,  da  sie  niclit  einmal  den  Formen  einer  ge- 
riclitliclien  Verliaudlung  oder  einer  Urkunde  aus  jener  Zeit  ent- 
spricht.  Eine  specielle  Sprachvergleichung  kann  hier  unterbleiben  * ; 
denn  die  Falschung  wird  durch  eine  grosse  Zahl  von  Indicien  klar 
bewiesen.  Auf  der  Riickseite  des  Urtheils  soll  geschrieben  stehen, 
es  sei  erlassen  oder  verkiindigt  -  -Mittwoch  den  dreizelinten  .Juli 


1  Fiir  (lcn  Fall,  dass  ein  Sprachgelehrter  diese  Untersuchung  unternehmen 
wollte  ,  wlirde  als  eiu  vorziigliches  Vergleichungsstiick  die  Handschrift  der 
herzoglichen  Bibliothek  zu  Wolfenbiittel ,  Nr.  31  Aug.  in  fol.,  aquitanisches 
Lehnsregister ,  zu  beriicksichtigen  sein.  Dieselbe  ist  aus  dem  Archiv  von 
Bordeaux  vor  dem  Jahr  1627  in  die  Bibliothek  des  Herzogs  August  von 
Braunschweig  gelangt;  sie  ist  gegen  Ende  des  dreizehnten  oder  Anfang  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  angefertigt  und  enthjilt  auf  171  Folio-Blattern  eine 
Abschriftensammlung  von  notariellen  Urkunden  aus  der  zweiten  Hiilfte  des 
dreizehnten  Jahrhunderts,  zur  Feststellung  der  Rechte  des  Konigs  Eduard 
von  England  als  Herzogs  von  Aquitanien.  (Vgl.  auch  die  Beschreibung  dieser 
Handschrift  bei  Schonemann  S.  43  u.  44;  Martial  und  Jules  Delpit,  in  den 
Notices  Bd.  14  S.  296 — 458.)  Einige  dieser  Urkunden  sind  lateinisch,  andere 
iu  der  Landessprache  abgefasst,  und  zwar  letztere  in  verschiedenen  Dialecten. 
Aus  einer  sorgfiiltigen  Vergleichung  dieser  Urkunden  mit  dem  angeblichen 
Urtheil  vom  Jahr  1302  werden  Fachgelehrte  ermitteln  konnen,  ob  letzteres 
in  einer  Sprache  geschrieben  ist,  die  ara  Ende  des  dreizehnten  und  Anfang 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  in  der  Guyenne  gesprochen  wurde.  Andere  Ver- 
gleichungsstiicke  finden  sich  in  mehreren  Urkunden  aus  dem  dreizehnten  und 
vierzehnten  Jahrhundert,  die  in  der  Geschichte  ]Montauban's  von  Le  Bret  ab- 
gedruckt  stehen.  —  Es  mag  richtig  sein,  dass  die  in  der  Urkunde  gebrauchten 
Ausdriicke  mit  der  Sprache,  die  zur  Zeit  von  Saint-Amans  in  Catalonien  ge- 
redet  wurde,  „fast"  libereinstimmen;  wenigstens  ist  eine  gewisse  Aehnlichkeit 
unverkennbar.  (Vgl.  das  catalonisch-spanische  Worterbuch  von  Labernia.) 
Doch  ware  es  auffallend ,  wenn  die  Sprache  sich  in  flinfhundert  Jahren  nur 
wenig  geJindert  haben  sollte.  —  Ueber  die  Verwandtschaft  der  Sprache  von 
Guyenne  und  Catalonien  hat  niir  Herr  Manuel  de  Bofarull  zu  Barcelona  ge- 
schrieben :  „Die  Annahme,  dass  die  Sprache  von  Catalonien  und  Guienue  mit 
einander  iibereinstimme ,  ist  ein  grober  Irrthum.  Die  romanische  Sprache 
zerfallt  in  eine  grosse  Zahi  von  Dialecten  ,  von  denen  jetzt  nur  noch  einige 
gesprochen  werden;  sie  sind  iihnlich  in  der  Syntax,  aber  verschieden  in  an- 
dern  Theilen;  der  Sinn  eines  solchen  Dialects  Msst  sich  errathen  ,  wenn  man 
ihn  auch  nicht  spricht,  w^egen  der  Etymologie  oder  Aehnlichkeit  der  Wurzeln. 
Die  catalonische  Sprache  unterscheidet  sich  von  andern  romanischen  Dialecten 
durch  einen  bestimmten  Charakter;  denn  sie  war  eine  geschichtliche,  amtliche 
und  wissenschaftliche  Sprache ,  die  von  einem  Volk  und  einer  Dynastie 
Jahrhunderte  lang  gesprochen  wurde.  Aus  diesem  Grund  kann  die  Sprache 
von  Catalonien  derjenigen  von  Guienne  ahnlich  sein ,  wie  die  portugiesische 
der  castellanischen ;  aber  sie  ist  nicht  dieselbe,  wie  sich  leicht  beweisen  liisst, 
wenn  man  Namen  vergleicht"  .  .  . 

2  Das  Wort  „publicata"  vor  „fuit"  scheint  in  der  Handschrift  oder  dem 
Abdruck  vergessen  zu  sein. 


264  Kapitel  62.    rrtheil  vom  13.  Juli  1302  (Guyenne). 

1302".  Ein  Schreib-  oder  Druckfehler 'im  Datum  ist  nicht  anzu- 
nehmen,  da  der  ganze  Yermerk  in  Buchstaben  gedruckt  ist.  Nun 
•war  es  aber  um  jene  Zeit  ungewohnlich ,  in  der  heute  iiblichen 
Weise  ein  Datum  durch  Monat  und  Wochentag  zu  bezeichnen;  ge- 
wohnlich  erfolgte  die  Bestimmung  nach  Heiligentagen  und  Festen. 
Sodann  war,  was  besonders  zu  beachten  ist,  der  dreizehnte  Juli 
im  Jahr  1302  nicht  ein  Mittwoch,  sondern  ein  Freitag  \  Ferner 
fehlt  in  der  Urkunde  eine  Angabe  iiber  den  ]S^amen  des  Richters 
und  iiber  den  Ort  des  Gerichts,  sowie  iiber  Siegel  und  Unter- 
schrift  des  Richters  oder  Gerichtschreibers.  Auffallend  ist,  dass 
die  Urkunde  vom  Gross-Seneschall  der  Guyenne  spricht,  obwohl 
dem  Seneschall  der  Guyenne  (dem  Senescalcus  Yasconiae)  die 
Bezeichnung  ^Gross"  nicht  zukam  ^.  Im  hochsten  Grad  verdachtig 
ist  die  Angabe,  dass  die  Urkunde  zufiillig  aufgefunden  sei,  und 
dass  man  dem  M.  de  Saint-Amans  die  Aechtheit  verbiirgt  habe. 
Wer  eine  angeblich  vor  mehr  als  fiinfhundert  Jahren  geschriebene 
Urkunde  herausgiebt  und  deren  Aechtheit  behauptet,  hat  mindestens 
anzugeben,  wo  und  in  welcher  Y^^eise  die  Urkunde  gefunden  ist, 
wo  sie  verwahrt  wird,  und  aus  welchen  ausseren  und  inneren 
Griinden  die  Aechtheit  der  Urkunde  sich  entnehmen  liisst:  dazu 
gehort  eine  Besclireibun'g  des  allgemeinen  Aussehens,  der  Schrift- 
zeichen,  der  Siegel  und  Unterschriften  und  sonstiger  Merkmale. 
Alles  dies  hat  M.  de  Saint-Amans  unterlassen.  Y^are  das  Urtheil 
jicht,  so  miisste  dariiber  in  den  gedruckten  Acten  aus  der  Regierung 
des  Konigs  Eduard  I.  von  England  oder  im  Departements-Archiv 
von  Bordeaux  eine  IS^achricht  zu  finden  sein^.  Im  Jahre  1302  war 
Bertrand  II.  de  Gout  oder  de  Got  (der  spatere  Papst  Clemens  Y.) 
Erzbischof  von  Bordeaux;  in  dessen  Lebensgeschichte  wird  ein 
solches  Urtheil  nicht  erwahnf^.     Ebensowenig   wurde    es    in    den 


1  Wenn  man  die  Muthmassung  aufstellen  konnte,  die  zwar  unsicher  ist, 
aber  nicht  selten  zutrifft .  dass  der  Urheber  der  Falschung  aus  dem  Kalender 
des  Jahrs.  worin  er  schrieb ,  das  Datum  aufs  Gerathewohl  entnommen  habe, 
so  konnte  daraus  em  Fingerzeig  zur  Ermittlung  der  Jahreszahl  der  Arbeit 
gewonnen  werden.  Yor  dem  Jahr  1812  (worin  der  13.  Juli  auf  einen  Montag 
fiel)  war  der  13.  Juli  ein  Mittwoch  in  den  Jahren  1785.  1791,  1796.  1803 
und  1808. 

*  Vgl.  die  erwiihnte  Handschrift  der  Wolfenbiitteler  Bibliothek  (welche 
auch  wegen  dieser  Frage  niiher  durchgesehen  werden  konnte):  ausserdem  eine 
Urk.  V.  1299  bei  Ducange  unter  Senescalcus;    Warnkonig  Bd.   1  S.  361,    362. 

'  Eine  AnfragC;  die  ich  dariiber  an  den  Herrn  Departements-Archivar  zu 
Bordeaux  gerichtet  habe.  ist  ohne  Antwort  geblicben. 

♦  Gall.  Christ.  Bd.  2  S.  829,  830. 


Kapitel  «2.    Urthcil  vom   13.  Juli   1302  (Guyenne).  265 

Arcliiveu  der  Herrschaft  Blanquefort  vorgefiinden  ^  AVare  das 
Urtheil ,  wie  dessen  Schluss  verordnet ,  bekannt  geniaciit  und 
verbreitet  worden,  so  miissten  zahlreiche  Abschriften  angefertigt 
sein,  und  die  Entscheidung  miisste  in  der  Guyenne  Aufsehen 
erregt  haben ;  ferner  wiirden  spatere  Herren  von  Blanquefort  Er- 
klarungen  dariiber  abgegeben,  und  Schriftsteller  mindestens  aus 
dortiger  Gegend,  z.  B.  Automne  im  Commentar  zu  den  Coutumes 
des  pays  Bourdelois,  iiber  dies  merkwiirdige  Urtheil  gesprochen 
haben.  Wie  erklart  es  sich,  dass  dies  „Gesetz  und  allgerheine 
Statut"  vollstandig  verschwand,  bis  es  nach  mehr  als  fiinfhundert 
Jahren  durch  unbekannte  Personen  aufgefunden  und  dem  M.  de 
Saint-Amans  eingehandigt  wurde?  Es  wird  erzahlt,  die  Urkunde 
sei  zum  Yerbrennen  bestimmt  gewesen  und  mit  andern  Feudal- 
titeln  von  dem  auf  der  place  Dauphine  in  Paris  errichteten 
Scheiterhaufen  durch  einen  Sturm  weggefiihrt,  dann  durch  einen 
Reisenden  aufgehoben  und  von  demselben  an  M.  de  Saint-Amans 
mitgetheilt  worden  ^.  Allein  es  fehlt  jeder  Beweis  fiir  die  Richtig- 
keit  dieser  sonderbaren  Erziihlung;  und  es  ist  nicht  einmal  an- 
gegeben,  wo  die  gerettete  Urkunde,  seit  sie  in  Handen  des 
M.  de  Saint-Amans  war,  geblieben  sei.  Die  spanischen  Advocaten 
Amalio  Marichalar  Marques  de  Montesa  und  Cayetano  Manrique 
versichern,  das  Original-Urtheil  gesehen  zu  haben  ^.  Doch  ver- 
dient  diese  Angabe  keinen  Glauben,  solange  nicht  einmal  ge- 
sagt  ist,   wann  und  wo  ihnen  die  Gelegenheit  zur  Einsicht  jener 


1  Delpit  S.  105  (au.s  der  ersten  Auflage  von  Baurein).  In  der  neuen  Aus- 
gabe  von  Baurein  (1876)  finde  ich  keine  Erwahnung  dieses  Urtheils. 

2  Delpit  S.  105,  106  (aus  einer  angeblichen  Mittheilung  des  Prasidenten 
Duprat,  der  eine  Abschrift  des  Urtheils  mit  jener  Erziihlung  besessen  haben 
soll) :  „Cette  piece  a  ete  sauvee  des  flammes  par  un  pur  hasard  ,  lorsqu'en 
execution  du  decret  qui  ordonnoit  de  faire  bruler  tous  les  titres  feodaux,  on 
transporta  des  archives  sur  la  place  Dauphine  plusieurs  charretees  de  vieux 
titres  qui  devoient  etre  livres  aux  flammes.  Au  moment  oii  le  feu  alloit  les 
devorer,  il  se  leva  un  vent  de  sud-ouest  si  violent  qu'un  grand  nombre  de 
ces  papiers  fut  emporte  loin  du  bucher:  entre  autres,  le  singulier  jugement 
que  Ton  vient  de  copier.  II  tomba  aux  pieds  d'un  voyageur  que  la  curiosite 
avoit  amene  a  cet  etrange  auto-da-fe  ,  des  mains  duquel  11  est  passe  dans 
celle  de  M.  de  Saint-Amans."  —  Zum  niihern  Verstandniss  dieser  Erzahlung 
mag  bemerkt  werden,  dass  nach  Art.  6  und  7  des  Decrets  vom  17.  Juli  1793 
alle  Titel  iiber  die  ohne  Entschadigung  aufgehobenen  Feudalrechte  verbrannt 
werden  soUten;  die  Ausfiihrung  dieser  Bestimmung  wurde  durch  Art.  3  des 
Decrets  vom  8  pluv.  II  (27    Jan.  1794)  auf   spatere  Zeiten  verschoben. 

'  Marichalar  Bd.  6  S.  69:  „Ocasion  hemos  tenido  de  ver  una  seiitencia 
original  de  la  Senescalia  de  Guyena"  .  .  . 


266  Kapitel  62.    Urtheil  vom   13.  Juli  1302  (Guyenne). 

TJrschrift  geboten  wiirde  *.  Zu  Alledeni  kommt  hinzu,  dass  der 
Xame  des  angeblichen  Klilgers  mit  den  genealogischen  Nachrichten 
iiber  die  Familie  von  Durasfort  in  Widerspruch  steht^;  danach 
war  zur  Zeit  des  Urtheils  nicht  Johann  von  Durasfort,  sondern 
Eduard  von  England  Herr  von  Blancafort^. 

Kann  somit  kein  Zweifel  dariiber  bestehen,  dass  die  Ur- 
kunde  vom  13.  Juli  1302  unacht  ist,  so  bleibt  noch  die  Frage 
iibrig,  zu  welcher  Zeit,  durch  welche  Persou  und  aus  welchen 
Beweggriinden  die  Anfertigung  geschehen  sei.  Es  ist  mir  nicht 
gelungen,  hieriiber  etwas  absolut  Sicheres  zu  ermitteln.  Yeuillot 
vermuthet,  der  Anfertiger  habe  aus  politischen  oder  personUchen 
Beweggriinden  die  Absicht  verfolgt,  die  Familie  des  Herzogs  von 
Durasfort   zu   verunglimpfen  *.     Hiergegen    bemerkt   Delpit,    die 

1  Es  ware  zu  wiiuschen,  tlass  der  Inhaber  der  Urkunde,  falls  sie  existirte, 
sich  meldete,  um  eine  Priifung  der  Aechtheit  zu  ermoglichen. 

2  P.  Anselm  Bd.  1  cap.   162,  S.  812—814. 

*  Diese  Herrschaft  gelangte  (wie  aus  Baurein  S.  252—262  zu  ersehen  ist) 
erst  im  October  1336  an  die  Familie  Durfort,  und  zwar  an  Aymery  (nicht 
Jean)  de  Durfort,  zufolge  eines  mit  dein  Konig  von  Frankreich  geschlossenen 
Vergleichs.  Nach  Inhalt  der  authentischen  Urkunde  vom  October  1336  ver- 
zichtete  Aymery  de  Durfort  auf  verschiedene  Anspriiche,  die  er  aus  einer 
letztwilligen  Yerfiigung  des  Bertrand  de  Got,  zufolge  kinderlosen  Absterbens 
des  Johann  von  Durfort  (Sohnes  von  Bernard  von  Durfort,  Herrn  von 
Flamarens),  erhoben  hatte :  dagegen  iibertrug  ihm  der  Konig  von  Frankreich 
das  Schloss  Blancafort  mit  Zubehor,  und  zwar  sowohl  diejenigen  Giiter  dieser 
Herrschaft,  welche  der  Konig  bereits  in  Besitz  hatte,  als  auch  diejenigen,  die 
in  Besitz  des  Herzogs  von  Guienne  waren  und  nach  einem  zwischen  dem 
Konig  und  dem  Herzog  geschlossenen  Uebereinkommen  an  Erstern  heraus- 
gegeben  werden  sollten.  (Vgl.  Urk.  v.  Oct.  1336,  Arch.  hist.  Gironde,  Bd.  4 
S.  91—94:  dazu  die  zweite  Urk.  v.  Oct.  1336  S.  94-95.)  Bertrand  de  Got, 
ein  Neffe  des  Papstes  Clemens  V.,  hatte  am  16.  Juni  1308  die  Herrschaft 
Blancafort  von  Konig  Eduard  I.  von  England  geschenkt  erhalten  (unter  der 
Yerpflichtung,  den  Konig  am  romischen  Hof  in  Schutz  zu  nehmen) ;  Eduard 
von  England  hatte  die  eine  Halfte  dieser  Herrschaft  durch  Erbschaft  von 
Helie  de  Talmon  und  dann  die  andere  Halfte  durch  Vertrag  vom  15.  Mai  1270 
von  Alaide  Blanquefort  (Aladis  domina  de  Blancafort)  und  deren  Ehegatten 
Bernhard  von  Trencaleon  (Bernardus  Trenchaleo)  erworben.  Die  oben  S.  263 
erwahnte  Wolfenbiitteler  Handschrift  enthalt  ausser  andern  Urkunden  iiber 
Blancafort  auf  der  Riickseite  von  Blatt  60  unter  Nr.  75  den  Vertrag  vom  Jahr 
1270.  Vgl.  Notices  Bd.  14  S.  330,  453,  454.  —  Gaufreteau  (dessen  Zeugniss 
freilich  keine  grosse  Bedeutung  hat)  verlegt  eine  Verhandlung  vom  Jahr  1270, 
zwischen  Konig  Eduard  und  dem  Alchimisten  Arnaud  de  Villeneufve,  iu  das 
chasteau  de  Blanquefort-les-Bourdeaux,  ist  also  der  richtigen  Meinung,  dass 
dies  Schlo-is  damals  dcin  Konig  Eduard  von  Enghmd  gehiirte.  Gaufreteau 
Bd.  1  S.  3. 

*  Veuillot  2.  Autl    S.  311. 


Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens.  267 

Schrift  des  M.  de  Saint-Amans  sei  gerade  in  royalistischen  Zei- 
tungen  gelobt  worden,  und  der  Sohn  des  Yerfassers  sei  Ritter 
des  Ordens  vom  hl.  Ludwig  und  Hauptmann  der  koniglichen  Garde 
gewesen  K  Danach  miisste  der  Sohn  des  Herausgebers  vor  der 
Hinrichtung  des  Konigs  Ludwig  XVL,  also  vor  dem  2L  Januar  1793, 
Hitter  des  Ordens  vom  hl.  Ludwig  und  Hauptmann  der  konig- 
lichen  Garde  gewesen  sein;  dies  ist  aber  nicht  glaublich,  da  sein 
Vater  (geb.  1748)  im  Jahr  1793  erst  45  Jahre  alt  wurde.  Die 
Vermuthung  Veuillot's  hat  innere  Wahrscheinlichkeit  fiir  sich; 
doch  mag  es  richtig  sein,  dass  M.  de  Saint-Amans  die  Urkunde 
nicht  selbst  angefertigt,  sondern  von  einer  Persou,  deren  Namen 
er  nicht  mittheilt,  empfangen  und  leichtglaubig  fiir  acht  gehalten 
hat.  Es  ist  nicht  nothig,  den  Anfertiger  der  Urkunde  unter  den 
Gegnern  der  Aristokratie  zu  suchen.  Die  Urkunde  kann  schon 
in  der  zweiten  Hiilfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  fabricirt 
worden  sein,  zu  der  Zeit,  als  in  Hof-  und  Adels-Kreisen  die 
Unsitte  bestand,  sich  mit  moglichst  pikanten  und  iiquivoken  Er- 
zahlungen  unterhalten  zu  lassen.  Allein  jedenfalls  fehlt  ein  strenger 
Beweis  fiir  die  Beweggriinde,  die  zu  der  Falschung  gefiihrt  liaben, 
solange  die  Person  des  Thiiters  nicht  ermittelt  ist^. 

2.    Prozess  der  Bisrhofe  von  Amiens  vor  dem  Parlmnent  zu  Paris  ^. 

Kapitel  63.  Seit  dem  achtzehnten  Jahrhundert  werden  die 
durch  Parlamentsurtheile  entschiedenen  Streitigkeiten  des  Bischofs 
von  Amiens  mit  den  Bewohnern  der  Stadte  Amiens  und  Abbe- 
ville  als  Beweis  dafiir  angefiihrt,  dass  ein  Herrenrecht  der  er- 
sten  Nacht  im  Mittelalter  bestanden  habe  und  ausgeiibt  worden 
sei  *.     Ducange   driickt   sich    noch   unsicher   aus ;    er  bemerkt   im 


»  Delpit  S.  99. 

2  Ganz  verfehlt  ist  die  Meinung  Delpit's  (S.  105),  dass  die  Urkunde,  wenn 
sie  liberhaupt  unilcht  sei,  von  einem  Monch  des  Mittelalters  (einem  p^re 
titrier)  angefertigt  sein  musse,  zu  dem  Zweck  ,  dem  Herrn  von  Blanquefort 
einen  Dienst  zu  erweisen.  Denn  abgesehen  davon,  dass  dies  ein  schlechter 
Dienst  gewesen  ware,  sprechen  die  vorbezeichneten  Griinde  gegen  die  Ver- 
muthung,   dass  die  Anfertigung  schon  im  Lauf  des  Mittelalters  geschehen  sei. 

3  Vgl.  Vering,  Arch.  Bd.  40  unter  X,  S.  256—273. 

*  Lauri^re  unter  Culage;  Ducange  unter  Marcheta;  Encycl.  1.  Ausg.  unter 
Culage  und  Droits  abusifs ;  Encycl.  meth.  Jurispr.  unter  Amiens,  Culage  und 
Droits  abusifs;  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Taxe;  Diss.  S.  Claude,  Anh.  S.  134; 
Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  175:  Miot  S.  217,  218;  Ewers  S.  71,  75;  Bouthors 
Bd.  1  S.  469;  Dupin  S.  131,  132;  Delpit  Nr.  9  S.  36  if . ;  de  Labessade  S.  19, 
43,  66,  67;    de  Gubernatis,    Tsi  S.  199:    Schiiffner    Bd.    2    S.    185;    Weinhold 


268  Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens. 

Anschluss  an  die  Geschiclite  vom  Gesetz  des  Konigs  Evenus, 
ihm  scheine,  dass  darauf  auch  der  Anspruch  des  Bischofs  von 
Amiens  bezogen  werden  miisse,  falls  derselbe  sich  nicht  etwa 
auf  eine  Bestimmung  des  vierten  Concils  von  Carthago  gestiitzt 
habe  ^  Voltaire  sagt,  allerdings  hatten  einige  Theologen  die 
Behauptung  aufgestellt,  dass  die  Geldabgabe,  die  der  Bischof 
von  Amiens  begehrte ,  mit  einer  Vorschrift  des  vierten  Concils 
von  Carthago  zusammenhange;  doch  sei  es  wahrscheinlicher,  dass 
jene  Gebiihr  aus  der  infamen  Gewohnheit  herriihre,  die  gewissen 
Herren  die  erste  Nacht  der  jungen  Frauen  ihrer  Vasallen  gewiihrte^. 
Seitdem  haben  viele  Schriftsteller  die  Meinung  vertheidigt,  die 
Gebiihr,  welche  die  neuvermahlten  Ehegatten  fiir  die  Erlaubniss, 
die  ersten  drei  Nachte  beieinander  zu  schlafen,  an  die  Beamten 
des  Bischofs  zu  zahlen  hatten,  sei  aus  dem  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  entstanden^.  Samuel  Sugenheim  halt  es  fiir  „sehr  wahr- 
scheinlich.  dass  die  Bischofe  von  Amiens,  als  sie  den  (1393  bis  1409) 
wiederholten  Verfiigungen  des  Parlaments  noch  langer  geradezu 
Gehorsam  zu  versagen  nicht  rathsam  erachteten,  die  fragliche 
Steuer  unter  einem  piiffig  ausgesonnenen  andern  Titel  noch 
eine  Zeit  lang  forterhoben"  hatten^  Die  spanischen  Advocaten 
Marichalar  und  Manrique  verwechseln  Amiens  mit  Antwerpen 
(Anvers)  und  meinen,  dem  Bischof  von  Antwerpen  habe  in  seiner 
Herrschaft  das  Recht  auf  die  fleischliche  Erkennung  aller  neu- 
vermiililten  Frauen  zugestanden:  doch  habe  man  durch  Zahlung 
von  zehn  bis  dreissig  Franken,  je  nach  dem  Stand  des  Vermogens, 
das  fragliche  Recht  ablosen  konnen  ^.  Sie  erwahnen  an  einer 
andern  Stelle  einen  „Befehl  des  Parlaments  zu  Paris  vom  19.  Mai 
1409"  als  Beweis  dafiir,  dass  „sehr  viele  franzosische  Bischofe 
und  Aebte  jenes  Becht  iiber  ihre  Vasallen  hatten,  und  die  ent- 
haltsamsten  eine  Geldentschiidigung  fiir  die  Nichtausiibung  ver- 
langten"  ^.  Einige  Schriftsteller  stellen  die  bestimmte  Behauptung 
auf,  die  Bischofe  von  Amiens  hiitten  das  Herrenrecht  der  ersten 


S.  195;  Sugenheim  1861,  S.  104.  105:  Marichalar  Bd.  6  S.  69:  Buclimann  S.  69: 
Kulischer  S.  224. 

*  Ducange  unter  Marcheta.  —  Eine  ahnliche  Unsicherheit  findet  sich  bei 
einigen  spatern  Schriftstellern:  Boucher  d'Argis  in  der  Encycl.  unter  Culage: 
"Weinhold  S.  195  in  Verbindung  mit  S.  269.  —  Ueber  die  fragliche  Be- 
stimmung  ..des  vierten  Concils  von  Carthago''  s.  oben  Kap.  27  S.  152. 

2  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Taxe. 

3  Bouthors  Bd.  1  S.  469;  Dupin  S.  131,  132;  Sugenheim  1861,  S.  104, 
105:  Kuli.scher  S.  224. 

"*  Sugenheim  1861.  S.   104.   105. 

5  Marichalar  Bd.  6  S.  69.  «  Mariclialar  Bd.  6  S.  70. 


Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens.  269 

Naclit  thatsjichlich  ausgeiibt.  „Die  Bischufe  voii  Amiens  geuossen, 
in  ihrer  Eigeuschaft  hoher  Baroue,  dieses  Priilibatsrecht  iu  seiner 
gauzeu  Fiille."  ^  Es  wird  erziihlt,  dies  Recht  iiber  die  Frauen 
ihrer  Yasallen  uud  Baueru  sei  ihneu  zu  Aufaug  des  fiinfzehnten 
Jahrhunderts  auf  Verlaugen  der  Ehemiiuuer  durch  Urtheil  ab- 
erkauut  worden;  vorher  hatten  in  vieleu  Cantouen  der  i*icardie 
die  Pfarrer  das  schlechte  Beispiel  des  Bischofs  nachgeahmt  und 
an  seiner  Stelle  das  Herrenrecht  ausgeiibt;  ein  Vergleich  vom 
Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  habe  das  droit  de.  cuissage 
der  Pfarrer  fiir  die  drei  ersteu  Niichte  aufrecht  erhalten  und  nur 
die  Ablcisung  dieses  Rechts  den  Ehemiinnern  gestattet;  erst 
durch  Urtheil  vom  Jahr  1409  sei  das  Recht  selbst  aufgehoben 
worden  ^.  Dalloz  behauptete  anfiinglich,  das  Capitel  vou  Amiens 
habe  das  verrufene  Herrenrecht  bis  ius  siebenzehnte  Jahrhun- 
dert  hinein  thatsachlich  ausgeiibt^.  Elf  Jahre  spater  schrieb 
er,  uugeachtet  der  strengen  Bestrafung  des  Ehebruchs  sei  das 
„droit  de  prelibation"  durch  das  Christenthum  lange  Zeit  auf- 
recht  erhalten  und  bis  zum  vierzehnten  Jahrhuudert  durch  das 
Capitel  von  Amiens  ausgeiibt  worden;  Spureu  davon  hatten  sich 
bis  zuni  siebenzehuten  Jahrhundert  erhalten"^.  Bei  Leon  de  La- 
bessade  findet  sich  folgender  Satz:  „Die  Bischofe  von  Amiens 
waren  besonders  versesseu  auf  das  droit  du  seigueur,  obwohl  das 
beriihmte  Concil  von  Trient  unter  Strafe  des  Baunes  verboten 
hatte,  sich  den  Heirathen  der  Unterthanen  zu  widersetzeu."  ^  Er 
meint  also,  das  „droit  du  seigneur"  sei  durch  die  Bischofe  von 
Amiens  selbst  nach  dem  Concil  von  Trient  (nach  L563)  aus- 
geiibt  worden  *'. 

Eine  grosse  Verwirrung  herrscht  in  den  Angaben  iiber  Be- 
zeichnung  des  Jahres  und  Tages,  wanu  das  Parlamentsurtheil 
iiber  die  fraglicheu  Streitigkeiten  erlassen  ist.  Es  werden  Urtheile 
von  zehn  verschiedenen  Tagen  erwahnt ''.  Mehrfach  wird  be- 
hauptet,  die  Bischofe  von  Amiens  hiitten  die  fraglichen  Anspriiche, 


1  Dulaure,  Adel  S.  242.  ^  Collin  de  Plancy  S.  176  —  178. 

^  Dalloz,  Dict.  Bd.  1  uuter  Adultere. 

*  Dalloz,  Rep.  Bd.  3  unter  Adultere  n.  7.  ^  de  Labessade  S.  66,  67. 

6  An  einer  andern  Stelle  bemerkt  de  Labessade  (S.  77—79),  die  Bischofe 
von  Amiens  hiitten  bis  zum  sechzehnten  Jahrhundert  das  Herrenrecht  der 
ersten  Nacht  hartnackig  festgehalten. 

'  Diese  Tage  sind:  17..Januar  1383,  17.  Januar  1393,  1.  und  11.  Marz 
1401,  19.  Marz  1407,  19.  Marz  1409,  19.^und  26.  Mai  1409,  6.  und  11.  Marz 
1501.  Boucher  d'Argis  nennt  an  einer  Stelle  den  19.  Miirz ,  an  einer  andern 
Stelle  den  19.  Mai  1409  als  den  Tag  der  Entscheidung. 


270  Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens. 

ungeachtet  der  dagegen  erlassenen  ausdriicklichen  Verbote  des 
Kouigs  Philipp  VI.  vom  10.  Juli  1336  und  des  Konigs  Karl  VI. 
vom  5.  Marz  1388,  noch  in  spaterer  Zeit  aufrecht  erhalten  oder 
erneuert  *.  Danach  berechnen  einige  Schriftsteller  die  Dauer  des 
Prozesses  auf  mehr  als  sechzig  Jahre  (von  1336  bis  1409)  ^; 
Labessade  sogar  auf  165  Jahre  (von  1336  bis  1501)^. 

Gliicklicherweise  sind  die  Quellen  zur  Erkenntniss  der  frag- 
lichen  Streitigkeiten  nicht  auf  die  Berichte  der  Schriftsteller  be- 
schrankt,  sondern  hauptsachlich  in  den  Acten  des  Pariser  Par- 
laments  zu  finden*. 

Nun  erhellt  zunachst  aus  dem  Inhalt  der  koniglichen  Ver- 
ordnungen  vom  10.  Juli  1336  und  5.  Mtirz  1388,  dass  der  darin 
erwahnte  Streit  nicht  das  Recht  der  ersten  Nacht,  sondern 
den  Umfang  der  bischoflichen  Gerichtsbarkeit ,  und  zwar  iiber 
Ehebruchsachen ,  betraf '".  Die  in  der  erstgenannten  Verord- 
nung  ^    erwahnte    BeschM-erde    der    Stadt    Amiens    ging    namlich 


1  Daire  Bd.  2  S.  84,  85:  Raepsaet  1.  Aufl.  S.  32,  33  (3.  Aufl.  S.  55.  56); 
Lonandre  chap.  20,  S.  223,  224;  Schaifner  Bd.  2  S.  185:  de  Labessade  S.  77. 

2  Delpit  S.  44,  46;  Buchmann  S.  69. 

3  de  Labessade  S.  77.     ' 

*  Die  im  Staatsarchiv  zu  Paris  aufbewahrten  amtlichen  Parlamentsproto- 
l^olle  sind  nicht  vollstandig.  Zu  ihrer  Ergiinzung  dienen  die  Abschriften. 
Avelche  Grenier  aus  dem  Archiv  der  Stadt  Amiens  entnommen  hat;  die 
Sammlung  dieser  Abschriften  findet  sich  in  der  Bibliotheque  Nationale ,  Dep. 
des  manuscripts,  Collection  de  Picardie,  Dom  Grenier,  vol.  158  und  159. 
Yermuthlich  sind  die  Urschriften  davon  und  vielleicht  noch  andere  zur  Be- 
urtheilung  der  fraglichen  Streitigkeiten  erhebliche  LTrkunden  im  Archiv  der 
Stadt  Amiens  aufbewahrt  (worin  ich  keine  Nachforschungen  angestellt  habe) : 
doch  konnen  die  Abschriften  Grenier*s  als  hinreichend  beglaubigt  angesehen 
werden,    da   sie  in  Paris  dasselbe  Ansehen  wie  die  Urschriften  geniessen. 

5  Ebenso:  Gall.  Christ.  Bd.  10  S.  1193,  wo  sich  jedoch  ein  Irrthum  in  der 
Jahreszahl  (1366  statt  1336)  vorfindet. 

•*  Konigl.  Verordnung  v.  10.  Juli  1336,  bei  Grenier,  vol.  158  fol.  142  (aus 
Cartul.  de  l"H6tel  de  Ville  d'Amiens  cotte  B,  fol.  XLVI  R») ;  ,,Philippus  Dei 
gratia  Francorum  Eex  Baillivo  Ambianensi  aut  ejus  locum  tenenti  salutem.  sua 
nobis  Major  et  Scabini  ville  Ambianensis  gravi  conquestione  monstraverunt, 
quod  cum  ipsi  super  eo  quod  officialis  Ambianensis  vices  gerens  Episcopi 
dicte  ville,  et  alie  ipsius  Episcopi  gentes  Joannem  de  Argeuve  et  plures  alios 
dicte  ville  Burgenses  nostros  coram  ipsis  conveniri  et  citari  faciebant.  impo- 
nentes  eisdem  Joanni  et  aliis  nostris  Burgensibus  quod  ipsi  feminas  alias 
quam  suas  desponsatas  carnaUter  cognoverant ,  ipsos  ad  solvendum  emendas 
propter  hoc  compellendo,  vcl  etiam  tractando  coram  dilectis  et  fidclibus  Gen- 
tibus  nostris  Parlamentum  nostrum  Parisiis  tcnentibus,  in  tua  prcscntia  con- 
questi  fuissent;  asserentcs  premissa  fore  in  magnum  [et]  prcjudicium  nostrum 
et  dictorum  conquerentium    ac  predictorum  oranium  in  dicta  Villa  commoran- 


Kapitel  63.    Die  Bischiife  von  Amiens.  271 

dahin,  dass  der  bischofliche  Offizial  f;'egen  Johann  von  Argeuve 
und  andere  Miinner ,  obwohl  dieselben  Unterthanen  des  Ko- 
nigs  seien ,  Ladungen  erlassen  uud  Geldstrafen  verhangt  habe, 
weil  sie  mit  andern  Weibern  als  ihren  rechtmiissigen  Gattinnen 
fleischlichen  Yerkehr  gehabt  Iiatten  ^  Mithin  irrt  Lauriere ,  in- 
dem  er  die  Beschwerde  so  versteht,  als  habe  die  bischofliche 
Behorde  Geldstrafen  auch  von  denjenigen  Miinnern  erhoben,  die 
mit  ihren  eigenen  Frauen  ehelich  verkehrten  ^.  Diese  Auslegung 
ist  mit  den  Worten  der  betreffenden  Stelle  und  mit  dem  Zusammen- 
hang  der  ganzen  Urkunde  unvereinbar.  Dies  wird  noch  bestiitigt 
durch  den  Wortlaut  der  koniglichen  Yerordnung  vom  5.  Marz 
1388  ^     Nach   Inhalt   der   in    dieser   Yerordnung   erwiihnten   Be- 


tium .  ciimqut'  de  procepto  Gentium  nostrorum  predictorum  tibi  ore  tenus 
facto  ipsum  Episcopum  ad  desistendum  de  premissis  per  ipsius  temporalitatis 
captionem  compellere  voluisses.  tamen  tu,  pretextu  quarundam  litterarum  re- 
giarum  tibi  per  ipsum  Episcopum  directarum,  continentium  inter  cetera,  ut 
dicitur,  quod  sua  temporalitas  nisi  de  nostro  speciali  mandato  nuUatenus  ar- 
restetur  ,  a  premissis  omnino  cessasti ,  in  dictorum  conquerentium  et  omnium 
in  dicta  villa  habitantium  dampnum  non  modicum  ac  periculum  et  gravamen, 
sicufc  dicunt.  tandem ,  auditis  super  lioc  partibus  coram  predictis  Gentibus 
nostris  ordinatum  fuit,  quod  dictus  Episcopus  compelleretur  ad  desistendum 
a  premissis ,  seu  desisti  faciendum ,  per  ipsius  temporalitatis  captionem  in- 
dilate  compellas.  Litteris  predictis  per  ipsum  Episcopum  seu  ejus  Gentes 
tibi  super  hoc  directis  vel  ostensis ,  et  aliis  irapetratis  a  nobis ,  etiam  impe- 
trandis,  non  obstantibus  quibuscumque.  Datum  Parisiis  in  Parlamento  nostro. 
die  X  Julii  anno  Domini  millesimo  CCCo  tricesimo  sexto.  ressigillant  sigillo 
nostri  Karoli,  Dei  gratia  Francorum  Regis  Illa  die  Julii  anno  Domini  mille- 
simo  CCCC"  sexto  regni  vero  nostri  XXVI.  Ainsi  signees.  Hangest.  Lecta 
per  Cameram  dupt."  Vgl.  Daire  Bd.  2  S.  395,  396;  Lauri^re ,  Ord.  Bd.  2 
S.  117,  118. 

1  Allerdings  enthJilt  der  Abdruck  bei  Lauriere  die  Lesart :  ,.quod  ipsi  foe- 
minas  aliasg^^e  suas  desponsatas  carnaliter  cognoverant",  anstatt  der  bei  Grenier 
und  Daire  befindlichen  Lesart:  „quod  ipsi  feminas  alias  qiiam  suas  desponsatas 
carnaliter  cognoverant''.  Allein  offenbar  ist  die  letztere  Lesart  die  richtige ; 
uberdies  wiirde  selbst  die  Lesart  von  Laurifere,  wenn  sie  richtig  ware,  nur 
dahin  verstanden  werden  konnen,  dass  die  betreffenden  Manner  nicht  bloss 
ihre  rechtmassigen  Frauen  (foeminas  im  Sinn  von  uxores),  sondern  auch  an- 
dere  nach  vorgangiger  Vcrlobung  fleischlich  erkannt  hatten;  drese  Auslegung 
wiirde  zwar  einigermassen  gezwungen,  jedoch  nothig  sein,  um  den  Worten 
irgend  einen  Siun  beizulegen. 

2  Lauriere,  Ord.  Bd.  2  S.  117,  Note. 

^  Konigl.  Verordnung  v.  5.  Marz  1388,  bei  Grenier,  vol.  158  fol.  143  (aus 
Cartul.  de  l'H6tel  de  Ville  d'Amiens  cotte  B,  fol.  XLVII  R"):  ,,Karolus  Dei 
gratia  Francorum  Rex  Baillivo  Ambianefisi  aut  ejus  locum  tenenti  ac  primo 
Parlamenti  nostri  Hostiario  seu  servienti  nostro,  qui  super  his  requireretur, 
Salutem.     Major  et  Scabini  ville  Ambianensis  curie  nostre  Parlamenti  conque- 


272  Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens. 

schwerde  verliangten  die  Archidiakone  von  Amiens  nnd  Ponthieu, 
als  Bisthumsverweser ,  gegen  verheirathete  Biirger  der  Stadt 
Amiens  Geldstrafen,  weil  die  Letzteren  mit  andern  Weibern  als 
ihren  rechtmassigen  Ehegattinnen  fleischlichen  Umgang  hatten. 
Grenier  hat  eine  Beschwerde  des  Capitels  von  Amiens  in  latei- 
nischer  Sprache,  mit  Angabe  der  Jahreszahl  1336,  und  darunter 
auf  demselben  Blatt  eine  Beschwerde  der  Bewohner  von  Amiens 
in  franzosischer  Sprache,  ohne  Angabe  der  Jahreszahl,  in  Aus- 
ziigen  mitgetheilt  ^ ,   welche   sich  auf  die  fraglichen  Streitigkeiten 


rendo  monstrarunt ,  qnod  cum  super  debato  olim  moto  et  pendente  in  dicta 
curia,  inter  dictos  conquerentes  ex  una  parte.  et  Episcopum  Ambianensem  ex 
altera,  super  eo  quod  dictus  Episcopus,  ejus  officialis,  alieque  ejus  Gentes  et 
officiarii  trahebant  in  causam  Burgenses  et  habitatores  ville  et  Episcopatus  Am- 
blanensis  uxoratos,  eis  imponendo  se  alteras  muUeres  quam  suas  uxores  in 
facie  ecclesie  desponsatas  carnaliter  cognovisse ,  ab  ipsis  emendas  pecuniarias 
exigendo.  partibus  auditis,  per  arrestum  seu  ordinationem  curie  dictum  fuit  et 
mandatnm  Baillivo  Ambianensi,  seu  ejus  locum  tenenti,  tunc  existertti,  ut 
dictum  Episcopum,  ejus  officialem,  Gentes  et  alios  officiarios  suos  quoscunque 
compelleret  per  captionem  et  tentionem  eorum  temporalitatis  ad  cessandum 
a  compulsionibus  et  exactionibus  predictis.  Nihilominus ,  predictis  non  ob- 
stantibus,  Archidiaconi  Pontivensis  et  Ambianensis,  qui,  Sede  Episcopatus 
vacante,  ut  est  de  presentii  in  Ecclesia  Ambianensi  habent  regimen  spiritua- 
litatis  ipsius  Episcopatus,  Burgenseg  et  Habitatores  ville  et  dioecesis  predicto- 
rum  de  facto  percitationis ,  monitiones,  excoramunicationum  sententias,  pro- 
mulgationes  et  pecuniarum  exactiones  causa  predicta  prosecuntur  •,  et  adeo 
vexant,  tam  laboribus,  quam  expensis,  quod  vexationes  suas  rtdimendo  nec 
non  obviare  satagendo.  jurgiis,  que  in  facto  matrimonii  sequi  possent,  cum 
prefatis  Archidiaconis  et  eorum  officiariis ,  ad  certas  pecuniarum  sociis  [sum- 
mas?]  componunt:  ipsasque  suas  indebite  exigunt  et  levant,  contra  tenorem 
arresti  seu  ordinationis  predictorum  temere  veniendo :  quod  in  ipsorum  con- 
querentium  non  solum  prejudicium  et  gravamen,  sed  nostri  et  predicti  cui-ie 
contemptum  redundat,  si  est  ita.  quare  vobis  et  vestrum  cuilibet  committendo 
mandamus,  quatenus  de  et  supra  predictis  vos  diligenter  infoftnetis,  et  infor- 
mationem,  quam  inde  feceritis,  quam  citius  dicte  curie  remittatis:  ut  ipsa 
visa  dicta  curia  providere  valeat,  ut  fuerit  rationis.  et  insuper  Archidiaconis, 
eorum  officialibus,  officiariis  et  servitoribus  et  eorum  cuilibet,  sub  certis  ma- 
gnis  penis  nobis  applicandis,  precipiatis  et  injungatis,  ex  parte  nostra,  ut  a 
predictis  monitionibus,  citationibus,  sententiarum  excommunicationibus,  et  po- 
tissimum  pecuniarum  exactionibus  omnimode  de  cetero  se  desistant,  litteris 
subrepticiis  impetratis  vel  impetrandis  non  obstantibus  quibuscunque.  Datum 
Parisiis  in  Parlamento  nostro  V  die  martii  anno  Dui  M>^>  CCCo  octogesimo 
octavo,  sub  sigillo  nostro,  in  abscentia  magni,  ordonato.  Ainsi  sign^cs:  per 
Cameram.     J.  Jouvente  clerici."     Vgl.  Lauriere,  Ord.  Bd.  2  S.  117,  118. 

»  Grenicr,  vol.  159  fol.  28,  Plaintes  dii  Chapitre  d'Amiens  contre  Veceque, 
an  1336:  „Item  quod  a  LX  annis  et  citra  et  a  tempore  et  per  tempus, 
cujus  contrarii  memoria  hominum  non  existit,  mos  fuit  et  consuetudo  lau- 
dabilis    civitatis     et    dioecesis    Ambianensis,    in    eisdem    civitate     et    diocesi 


i 


Kapitel  63.    Die  Bischijfe  von  Amlens.  273 

beziehen.  l)ie  Richtung  dieser  beiden  Denkschriften  scheint  ver- 
schicden  g-ewesen  zu  sein,  dergestalt,  dass  die  Beschwerde  des 
Domcapitels  deshalb  erhobon  wurde,  weil  dcr  Bischof  Johannes 
von  Beobachtung  einer  guten  Sitte  iiberhaupt  di.spensirte,  wahrend 
die  Bewohner  von  Amiens  sich  iiber  die  Hohe  der  Dispensgebiihr 
beklagten.  Daraus  ist  nicht  deutlioh  zu  erselien,  wann  die  Streitig- 
keiten  bogonnen  liaben.  Doch  mag  es  richtig  sein,  dass  sie  Jahre 
hing  schwebten,  bis  die  Entscheidung  des  Parlaments  begehrt  wurde, 
und  dass  die  Beweisaufnahme  und  sonstige  Instruction  in  "beiden 
Prozessen,  vor  dem  Parlament,  geraume  Zeit  in  Anspriich  nahm. 
Ueber  den  Streit  zwischen  deni  Bischof  eiuerseits  und  den 
Vertrctern  der  Stadt  Amiens  andererseits,  in  Betreff  des  Kechts 
der  ersten  Naclit,  urtheilte  das  Parlament  am  17.  Januar  1393; 
der  gleichartige  Prozess  des  Bischofs  mit  den  Bewohnern  der  Stadt 
Abbeville  wurde  durch  Parlamentsurtheil  vom  19.  Miirz  1409 
entschieden  ^     Yon  den  acht  iibrigen,   bei  verschiedenen  Schrift- 


Ambianensi,  notorie  et  iiiconcusse  .servati;  salvo  qiiocl  infra  dicetur:  quod 
lectus  Nubentium  duntaxat  tertia  nocte  post  contractum  matrimonium .  jier 
verba  de  presenti  et  traditionem  factum ,  benedici  debet ,  et  sic  ab  antiquo 
servatum  extitit  in  civitate  et  diocesi  Amb.  praefatis  palam  et  notorie. 
Item  quod ,  non  obstante  consuetudine  et  more  prefatis ,  et  conlra  morem 
prescriptum  domlnus  Joliannes,  pro  daudo  licentiam  ijcnedicendi  prima  nocte 
lectos  nubentium  praelibatos.  pecuniam  a  iionnullis  personis  civitatis  et 
dioccesis  Ambianensis  praedictarum  exegit  et  recepit  et  exigit  et  reciiiit: 
videlicet  a  Johanne  de  Monte  Desiderio  iiii  libras  et  ab  omnlbus  aliis,  nisi 
paupertas  excusat."  ex  instrumento  appellationis  ad  Regem.  —  Condoleance 
des  habitans  au  Roy:  „Ttera  pour  donner  licence  de  benistre  lcs  lits 
des  Mariars  nouvellement .  en  li  premiere  nuict:  lesquels  lis  ne  doit  estre 
beneis,  selon  le  coustume  anchien  de  le  Ciste  d"Amiens,  avanstes  a  le 
tierche  nuit;  li  dis  Eveskes  ou  ses  gens  en  prendent  cascun  jour,  que  li  cas 
eskiet,  XX.  XXX.  XL.  livres  ou  plus,  selon  la  faculte  des  personne.s.  et 
s'aucune  fois  cet  avenu  que  on  ait  fait  che  sans  se  licence,  il  constraint  les 
faisant  a  grant  amende ,  si  comme  il  li  plaist."  extrait  d'un  manuscript.  — 
Augustin  Thierry  (Mon.  13d.  1  S.  463)  hat  den  Auszug  aus  der  Beschwerde 
der  Bewohner  von  Amiens  abdrucken  lassen  vind  die  Jalireszahl  1336  hinzu- 
gesetzt.  Hierdurch  ist  die  riclitige  Jahreszalil  der  Beschwerde  nicht  festge- 
stellt.,  Aber  auch  die  durch  Grenier  bei  dcr  Beschwerde  des  Capitels  an- 
gegebene  Jalireszalil  scheint  unsicher  zu  sein  ,  da  er  die  Stelle  dcr  Urkunde, 
wo  das  Datum  angegeben  war,  nicht  mitgetheilt  hat.  Aus  dem  Namen  des 
Bischofs  ist  wenig  iiber  die  Zeit  der  Beschwerde  zu  entnehmen,  da  Johannes  I. 
von  1323—1372,  Johannes  II.  bis  1376,  Johannes  III.  bis  1388  und  Johan- 
nes  IV.  bis  1410  den  bischoflichen  Stuhl  zu  Amiens  einnalmien. 

*  Das  Urtheil  vom  17.  Jan.  1393  steht  in  den  Registres  du  Parlement  de 
Paris,  in  den  Archives  nationales  z\\  Paris ,  reg.  X.  1  a.  40,  fol.  128  recto, 
ausserdem   auch    in    der  Sammlung  Grenier's,  vol.  158  fol.   147.     Das   Urtheil 

Schmidt.  .Ju.s  primae  iioctis.  18 


274  Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens. 

stelleru  erwahnten  Tagen  sind  keine  Parlamentsurtheile  iiber  die 
fraglichen  Streitigkeiten  in  Paris  zu  finden.  Die  Nachricht  iiber 
ein  Lrtheil  vom  17.  Januar  1383,  aus  der  Zeit  des  Bischofs 
Johann  III.  (von  1376  bis  1388),  riihrt  aus  der  Gallia  Christiana 
her  *  und  beraht  auf  einer  Yerwechslung  mit  dem  Urtheil  vom 
17.  Januar  1393,  aus  der  Zeit  des  Bischofs  Johann  lY.  (von  1389 
bis  1410).  Die  Beriehte  iiber  Urtheile  vom  19.  Miirz  1407  2,  vom 
19.  Mai  1409  3  und  vom  26.  Mai  1409 '^  scheinen  sammtlich  auf 
Irrthiimern  im  Datum  zu  beruhen  und  sich  auf  das  Urtheil  vom 
19.  Miirz  1409  zu  beziehen.  Ein  Urtheil  vom  1.  Miirz  1401,  welches 
iu  lateinischer  Sprache  von  Paponius  -^  und  in  franzosischer  Sprache 


vom  19.  Marz  1409  findet  sich  in  der  Sammlung  Greniei"'s.  voh  158,  fol.  148 
iind  i^die  Fortsetzung)  voL  159  foL  31—34  v.  Dies  letztere  Urtheil  hat 
Veuillot  (1.  Ausg.  S.  451  —  459)  angeblich  aus  den  Acten  des  Staatsarchivs 
(Arch.  Imp.  X.  57)  abdrucken  lassen:  doch  ist  dasselbe  dort  nicht  zu  finden. 
Der  Wortlaut  bei  Veuillot  weicht  in  mehreren  Punkten  von  der  Abschrift 
Grenier"s  ab,  obwohl  dadurch  der  Sinn  keine  wesentliche  Aenderung  erleidet. 

1  Gall.  Christ.  Bd.  10  S.  1196,  zum  Jahr  1383:  ..Anno  eodem  17.  Januarii 
senatus  Parisiensis  decreto  abolita  est  consuetudo  numerandae  pecuniae  epi- 
scopo  Ambianensi  ad  impetrandam  licentiam  accedendi  ad  uxorem  noviter 
ductam  ante  tres  noctes  a  teontractis  nuptiis  :  olim  enim  tribus  illis  prioribus 
noctibus,  nisi  accederet  episcopi  dispensatio,  a  concubitu  abstinebant  con- 
juges."     Vgl.  Veuillot.  2.  Aufl.  S.   149. 

-  Thierry,  Recueil  Bd.  2  S.  55. 

^  Paponius  lib.  13  tit.  3  n.  8:  „Jura  inepta,  ridicula  et  abusiva  tolerari 
ac  confirmari  non  debent,  quamcunque  tandem  possessionem  vel  quamcunque 
tituli  speciem  quis  allegare  velit,  exempli  gratia ,  accipiendi  pecuniam  pro 
impeti-anda  licentia  prima  nocte  cum  sponsa  dormiendi,  prout  faciebat  Episco- 
pus  Ambianensis,  a  quo  praetenso  jure  depulsus  fuit  Arresto  19.  Maji  1409." 
Vgl.  Brillon  Bd.  2  S.  917:  d'Espeisses  Bd.  3  Tit.  6  sect.  9:  Boucher  d'Argi!^ 
in   der  Encycl.  unter  Droits  abusifs;  Voltaire,  Dict.  phil.  unter  Taxe. 

*  Charondas  liv.  7  resp.  79,  S.  279 :  .  .  .  „nous  lisons  en  un  ancien  arret 
du  26.  jour  de  May  1409  donne  contre  TEvesque  d'Amien3 .  par  lequel  non 
obstant  Tancienne  coustume  de  son  diocese,  de  prendre  argent  des  nouveaux 
mariez,  pour  la  premiere  licence  de  coucher  avec  leurs  femmes,  ledit  Evesque 
fut  deboute  du  droit  de  ladite  prestation  pecuniairc."  VgL  Dalrymple 
Bd.   1  S.  3-25. 

5  Paponius  lib.  15  tit.  1  arrestum  1:  „Prima  dic  ^lartii  1401  declaratum 
et  Arresto  judicatum  fuit,  Episcopos  Ambianenses  et  Curiones  AljaviUauos. 
plus  uno  solido  Parisiensi  pro  chartula  banni  ad  proclamandum  matrimonium. 
si  qua  oppositio  esset,  exigere  non  debcre:  pro  licentia  despondendi  in  altera 
Parrochia  non  plus  uno  solido  Turonensi;  pro  consecratione  nuptiali  non  plus 
trodecim  denariis,  pro  instrumento  nuptiali  non  plus  duobus  solidis:  pro  cele- 
bratione  Missae  non  plus  duobus  solidis  sex  denariis.  Ei  autem  qui  Missam 
cantat  praeter  ea,  omne  quod  ofFcrtur,  deberi,  nisi  cum  Curione  transegisset. 
quo  casu  transactione  eum  contentum  esse  debere :    pro  boncdictione  Camerac 


Kapitel  G3.    Die  Bischufe  voii  Amiens.  275 

von  Baluzius  ^  und  Daire  ^  mitgetheilt  wird,  und  ein  bei  Carpentier 
und  Ducange^  erwahntes  Urtheil  vom  11.  Miirz  1409  stimmt  im 
Wesentlichen  mit  dem  Urtheil  vom  1!).  M;irz  140i)  iiberein;  dies 
fiihrt  zu  der  Vermuthung,  dass  am  1.  oder  11.  Marz  1401  die 
Klage  der  Bewohner  von  Abbeville  gegen  den  Bischof  von  Amiens 
bei  dem  Konig  eingereicht  wurde,  oder  eine  vorliiufige  Entschei- 
dung  des  Parlaments  erging,  und  das  Endurtheil,  nach  der  Be- 
weisaufnahme,  erst  am  19.  Miirz   1409  erfolgte. 

Endlich  ist  noch  ein  Urtheil  vom  6.  Miirz  1501  in  den  Synodal- 
statuten  des  Bischofs  Stephan  Poucher  von  Paris  enthalten  "*. 
Dieser  Bischof  bestiitigte  am  13,  Mai  1515  eine  von  Joh.  Ran- 
dinus  besorgte  Ausgabe  der  Pariser  Synodalstatuten ;  darin  ist 
das  erwiihnte  Urtheil,  zur  Yerhiitung  einer  appellatio  in  causa 
abusus,  mit  der  Bestimmung  abgedruckt,  dass  der  Inhalt  dieses 
Urtheils  auch  in  der  Diocese  Paris  befolgt  werden  solle,  soweit 
er  dort  nicht  mit  besonderen  Gewohnheitsrechten  in  Widerspruch 
trete ;  es  ist  franzosisch  abgefasst  und  mit  der  Unterschrift  Brunart 
versehen  ^.     Dies  Urtheil  hat  einen  iihnlicheu  Inhalt  wie  das  vom 


sponsorum  non  plus  decem  deiiariis  Parisiensibus  pro  vino  exigerc  posse : 
sponsosque  citra  scrupuhim  et  /inpefratain  ejus  veuiam  ^jr/wui  tiocte  una  con- 
cuiubere  jiosse."     Daraus :  Dalrymple  Bd.   1  S.  325. 

'  Baluzius  S.  657  (aus  einer  handschriftlichen  CoUectio  Arrestatorum  Ma- 
thaei  Chartier  Advocati  Parisiensis)  :  „Le  premier  jour  de  Mars  1401  l'Arrest 
donne  contre  TEveque  d'Amiens  sur  la  taxe  de  Sacremens  et  autres  choses 
ecclesiastiques." 

^  Daire  Bd.  2  S.  85 :  .  .  .  ,,les  habitans  d"Abbeville  porterent  leur  plainte 
au  Parlement  en  1401.  La  cour  fit  le  premier  Mars  un  Reglement  provisoire 
pour  les  honoraires  des  fiangailles  et  mariages,  et  accorda  la  recreance  aux 
nouveaux  Maries,  le  Proces  pendent.  et  jierniit  aux  Espouses  ile  coiicher  fraii- 
chement  avec  lenrs  femmes."     Ygl.  Brillon  Bd.   1  S.  637. 

^  Urth.  V.  11.  Marz  1401,  bei  Carpentier  und  Ducange  unter  Marcheta 
(angeblich  aus  vol.  9  arrestatorum  Parlamenti  Parisiensis) :  „Quamvis  de  jure 
communi  viris  desponsatis  cum  suis  uxoribus  libere  cubare  prima  nocte  sui 
con.iugii  concedatur,  dictus  tamen  episcopus  (Ambianensis)  per  se  aut  suos 
officiarios  ipsos  componit  et  componere  satagit,  quosdam  ad  decem,  alios  ad 
duodecim,  nonnullos  ad  viginti  vel  triginta  francos ,  prius  quam  ipsis  de  cu- 
bando  prima  nocte  cum  suis  de  novo  uxoribus  licentiam  impertiri  vclit .  aut 
aliter  ipsos  compellendo  a  suis  uxoribus  per  tres  noctes  abstinere." 

*  Als  irrthlimlich  erschelnt  die  Angabe  von  Baluzius  (S.  587,  657,  658)  und 
einigen  spatern  Schriftstellern  (z.  B.  Labessade  S.  72,  73),  dass  dies  Urtheil 
vom  11.  Marz  1501  datirt  sei:  doch  findet  sich  dasselbe  Datum  in  dem  Ab- 
druck  bei  Yeuillot,  2.  Aufl.  S.  164,  165. 

^  Decreta  Sinodalia,  edita  a  D.  Jo.  Randino  J.  C.  L.,  approbata  per  Rev. 
Dominum  episcopum  et  senatum  Parisiensem ,  in  4",  ohne  Angabe  von  Ort. 
Zeit  und  Seiten,    hinter  dem  Abschnitt  „De  sacramento  eucharistiae  seu  alta- 

18* 


276  Kapitel  63.    Die  Bischbfe  von  Amiens. 

19.  Miirz  1409,  mit  dem  es  grossentheils  wortlich  iibereinstimmt. 
In  beiden  Urtheilen  findet  sich  der  Xame  Johann  Martel.  Auch 
enthalten  beide  ein  Yerzeichniss  von  Taxeu  fiir  kirchliche  Ge- 
biihren.  Doch  sind  die  Taxen  in  dem  Urtheil  vom  6.  Marz  1501 
meist  geringer,  als  in  dem  vom  19.  Miirz  1409.  Daher  diirfte 
die  Meinung  tou  Bahizius  \  dass  die  Synodalstatuten  einen  blossen 
Druckfehler  im  Datum  enthielten,  nicht  haltbar  sein.  Andererseits 
ist  nicht  leicht  anzunehmen,  dass  iiber  dieselben  Streitpunkte 
unter  denselben  Parteien  in  den  Jahren  1409  und  1501  be- 
sondere  Urtheile  ergingen,  ohne  dass  in  dem  letzteren  auf  das 
erstere  verwiesen  "svurde.  Zur  Losung  der  Schwierigkeit  lasst 
sich  vermuthen,  dass  ein  franzosischer  Auszug  aus  dem  Urtheil 
vom  19.  Marz  1409,  unter  Beriicksichtigung  spaterer  Gebiihren- 
Ermassigungen,  durch  Parlamentsurtheil  vom  6.  Marz  1501  neu 
redigirt  wurde. 

Die  bezeichneten  Urtbeile  halien  folgenden  Inhalt. 

Die  Yertreter  der  Stadt  A  m  i  e  n  s  klagten  gegen  ihren  Bischof 
vor  dem  Gericht  des  koniglichen  Amtmanns,  mit  dem  Antrag, 
zu  erkennen,  dass  die  Bewohner  von  Amiens  sogleich  nach  Ab- 
schluss  der  Ehe  die  Hochzeit  feiern  und  die  Ehe  vollziehen 
diirften,  ohne  den  zweifen  und  dritten  Tag  abzuwarten:  und  dass 


ris"' :  .  .  .  .,Et  ut  nullus  incidat  in  errorem  vel  periculosos  processus  cum  de 
similibus  simile  judicatum  sit  ferendum  in  dubiis  pro  nonnullis  taxis  a  par- 
lamenti  curia  factis  hic  vobis  infero  formam  arresti  parlamenti  parisiensis  de 
quo  tenor  sequitur  de  verbo  ad  verbum  quoniam  si  aliter  ageretur  possent 
forte  in  majores  sumptus  teneri  ubi  appellatio  Interponeretur  in  causa  abusus. 
Et  hec  est  forma.  Entre  les  maire  et  eschevins  de  abbeville  et  le  procureur 
du  roy  nostre  sire  dune  part  et  maistre  jehan  martel  dautre.  Veu  les  me- 
moires  et  tout  considere.  Dit  a  este  que  la  cause  demourera  et  nauront  conge 
ne  despens  les  evesques  ne  cures  et  sont  contraires  a  toutes  fines.  Et  .  .  . 
au  regard  des  fiansailles  payeront  ceux  qui  seront  fiances  douze  denlers  paris. 
pour  la  lettre  de  bans  ou  11  y  aura  oppositioii.  Pour  lun  ou  lautre  des 
maries  deux  soulz  parisiz.  .  .  .  pour  la  benediction  du  lict  en  lieu  de 
ung  paleront  les  nouvcaux  maries  douze  deniers  parisis,  pour  les  espou- 
sailles  treize  deniers  paris.  pour  une  foys  pour  la  messe  du  marie  .  .  .  quant 
a  non  coucher  de  troys  nuyz  avec  sa  femme  au  commencement  du  mariage 
les  demandeurs  auront  la  recreance  le  proces  pendcnt  et  jjourront  les  esj^ouses 
coucher  francheinent  les  troys  ^^remieres  nuyz  avec  leurs  femmes.  Quant 
aux  intestaz  11  seront  enterres  et  ensepuells  franchement  sans  lettre.  Sil  ny 
a  autre  canonique  empeschement  au  regard  du  testat  .  .  .  Quant  aux  prestres 
mortuaires  lestat  sera  baille  aux  curez  selon  quil  le  declaireront.  Pronunce 
en  parlement  le  YI.  jour  de  mars  lan  mil  cinq  cent  et  ung.  Signe  hrumtrt. 
Omnia  in  praedicto  arresto  contenta  approbamus  absque  praejudicio  lauda- 
bilis  consuetudinis  ecclesiarum  nostrae  dioecesis  ubi  in  contrarium  obstaref'  .  .  . 
<  Baluzius  S.  657.  658. 


Kapitel  03.    Die  Bijchofe  von  Amiens.  277 

sie  deshalb  fiir  einen  von  der  bischoflichen  Behorde  an  don  Pfarrer 
zu  richtenden  Erlaubnissschein  keine  Gebiihr  zu  zahlen  hiitten.  Der 
Richter  entschied  in  erster  Instanz  und  im  vorlaufigen  Yerfahren, 
unter  Yorbehalt  aller  Rechte  fiir  den  bereits  angestellten  Haupt- 
prozess,  nach  dem  Klageantrag.  Das  Urtheil  wurde  durch  den 
Bischof  mit  Berufung  angefochten,  jedoch  in  der  Berufungsinstanz 
durch  Urtheil  des  Parlaments  zu  Paris  vom  17.  Januar  1393  be- 
stiitigt  K  Ueber  den  Ausgang  des  Hauptprozesses  habe  ich  Nichts 
ermitteln  kfmnen  ^. 


1  Urtheil  des  Parlaments  zu  Paris  v.  17.  Jan.  1393,  aus  den  Eegistres  du 
Parlement,  in  den  Archives  nationales  zu  Paris.  re<r.  X.  1  a  40.  fol.  128  recto : 
,,Cum  a  quadem  sententia  per  locumtenentem  baillivi  nostri  Ambianensis.  ad 
utilitatem  majoris  et  scabinorum,  nomine  communitatis  dicte  ville  Ambia- 
nensis,  Johannis  dicti  Wicart  et  Andree  Coutelarii,  habitancium  dicte  ville, 
et  contra  dilectum  nostrum  episcopum  Ambianensem,  racione  recredentie  rei 
contenciose  in  certa  causa  novitatis  et  saisine  corain  dicto  baillivo  mote,  quam 
recredentiam  dicti  major,  scabini  et  habitantes  ad  se  pertinere  debere  dice- 
bant,  quod  videlicet  singuli  dictorum  habitancium.  habiles  et  volentes  contra- 
here  matrimonium  et  sponsalia ,  possent  die  dictorum  sponsaliorum  et  solem- 
nizationis  matrimonii ,  messiare,  prandere,  cenare  ac  simul  eodeni  die  ciibare 
et  alias  solennitates  die  dictorum  sponsaliorum  et  matrimonii  contracti  neces- 
sarias  et  opportunas  facere  et  complere,  ahnque  hoc  qitod  secundam  aut  terciam 
diem  exj^ectare  tenerentur  vel  deberent,  aut  si  dictis  habitantibus  aut  singulis 
eorumdem  placeret,  licentiam  et  cedulam  eorum  curatis  dirigendam  a  dicto 
episcopo  et  suis  officiariis  petere  libere  et  absque  aliqua  peccunie  solutione 
habere  deberent  lata,  per  quam  dictus  locumtenens  partes  praedictas  super 
recredentia  absque  factis  deliberari  posse  dictam  recredentiam  majori  et  sca- 
binis  ac  habitantibus.  principali  processu  in  causa  novitatis  et  saisine  inter 
dictas  partes  durante,  raediante  tamen  caucione  sufficienti,  et  absque  pre- 
judicio  dicti  principalis  proce.s3us  faciendo,  et  dictum  episcopum  in  eorum 
expensis  condempnando  pronunciaverat .  fuisset  pro  parte  dicti  episcopi  ad 
nostram  parlamenti  curiam  appellatum;  auditis  igitur,  in  dicta  curia  nostra 
partibus  ante  dictis  in  causa  appellationis  predicte ,  processuque  utrum  bene 
vel  male  fuisset  appellatum  ad  judicandum  recepto,  eo  viso  et  diligenter  ex- 
aminato,  per  arrestum  dicte  curie  nostre  dictum  fuit  locumtenentem  bene 
judicasse  et  pronunciasse  et  dictum  episcopum  male  appellasse  ,  et  emendabit 
appellans,  ipsum  in  expensis  hujus  cause  appellacionis  condempnando ,  ea- 
rumdem  expensarum  taxatione  dicte  curie  nostre  reservata.  Pronunciatum 
XVIIa  Januarii  Nonagesimo  tercio.  Marle-BJanchet."  —  Dasselbe  Urtheil, 
aus  einer  andern  Ausfertigung  (mit  kleinen  Abweichungen),  die  im  Archiv 
der  Stadt  Amiens  aufbewahrt  wird ,  stelit  voUstiindig  abgedruckt  bei  Daire 
Bd.  2  S.  407  (mit  der  Unterschrift  Villeqnin)  und  bei  Thierry,  Mon.  Bd.  1 
S.  792,  793.  Ausziige,  angeblich  aus  Bd.  8  der  Parlamentsurtheile,  finden 
sich  bei  Ducange  und  Carpentier  unter  dem  AVort  Marcheta. 

^  In  der  Gallia  Christiana  Bd.  10  S.  1197  wird  ein  zu  Gunsten  der  Be- 
■wohner  von  Amiens    erlassenes  Urtheil    vnm    19.  Miirz  1409  erwiihnt:    doch 


278  Kapitel  63.    Die  Bischofe  von  Amiens. 

Aus  dem  Urtheil  vom  19.  Marz  1409,  wie  solches  in  der 
vollstandigen  Abschrift  Grenier's  aufbewahrt  wird  und  in  zahl- 
reichen  Ausziigen  bekannt  gemacht  ist^,  ergiebt  sich  folgende 
Prozessgeschichte.  Biirgermeister  uud  Schoffen  der  Stadt  Abbe- 
ville  riehteten  an  Konig  Karl  YI.  von  Frankreich  eine  Be- 
schwerde  iiber  verschiedene  Gebiihren,  welche  sie  theils  an  den 
Bischof,  theils  an  ihre  Pfarrer  fiir  geistliche  Amtshandlungen  zu 
zahlen  hatten.  Sie  verlangten  Abschaffung  aller  dieser  Gebiihren, 
weil  dieselben  mit  den  Yorschriften  des  canonischen  Rechts  in 
Widerspruch  stiinden  und  missbrauchlich  eingefiihrt  seien.  Ein 
Beschwerdepunkt  ging  dahin,  dass  die  bischofliche  Behorde  den 
Neuvermahlten  nicht  gestatte,  auf  Grund  des  gemeinen  Eechts 
schon  die  erste  Nacht  beieinander  zu  schlafen,  sondern  sie  zu 
einer  Enthaltsamkeit  fiir  die  drei  ersten  Nachte  nothige  und 
eine  Dispens  davon  nur  gegen  Zahlung  von  zehn,  zwolf,  zwanzig 
oder  dreissig  Franken  ertheile  ^.  Durch  konigliches  Schreiben 
wurde  dem  Bischof  und  den  Pfarrgeistlichen  bei  Strafe  verboten, 
die  in  der  Beschwerde  aufgezahlten  Gebiihren  ferner  zu  er- 
heben.  Der  Bischof  und  die  Pfarrgeistlichen  legten  gegen  Yoll- 
streckung  dieser  Yerordnung  Einspruch  ein,  woriiber  das  Parla- 
ment  zu  entscheiden  hatte  ^.  Hierauf  folgte  der  Prozess  vor 
dem  Parlament,  in  Sachen  des  koniglichen  Generalprocurators, 
sowie  der  Biirgermeister  und  Schoffen  der  Stadt  Abbeville  iu 
Ponthieu,  als  Klager,  gegen  den  Bischof  von  Amiens,  sowie 
gegen  Johann  Martel,    Pfarrer   von  St.  Jacob   zu  x\bbeville,  und 


scheint     dies    eine    Yerwechslung    mit    der    zu    Gunsten     der    Be^vohner     von 
Abbeville  erlassenen  Entscheidung  zu  sein. 

1  Baluzius  S.  657,  658  (aus  einer  Handschrift  des  Antonius  Vion  Hero- 
vallius) ;  Thomassiere  chap.  11  S.  392;  Lauriere,  Gloss.  unter  Executeurs  und 
unter  Cullage :  Lauriere.  Ord.  Bd  2  S.  118;  Montesquieu  liv.  28  chap.  41; 
Grupen  §  11  S.  22;  Frank  Bd.  1  S.  139:  Roquefort ,  Suppl.  S.  107:  Velly 
Bd.  6  S.  147:  Hist.  de  Ponthieu  Bd.  1  S.  239;  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  56; 
Bouthors  Bd.   1  S.  469;  Dupin  S.   131,  132:  Labessade  S.  71. 

2  Urth  V.  19.  Mlirz  1409,  bei  Grenier  Bd.  159  Bl.  31  :  ...  ,,Et  quamvis 
de  jure  communi  maritis  cum  uxoribus  suis  prima  nocte  nuptiarum  cubare 
libere  concedatur,  dictus  tamen  Episcopus ,  per  se  aut  suos  officiarios ,  dictos 
conjuges,  quosdam  ad  decem,  alios  ad  duodecim,  nonnullos  ad  viginti  vel  tri- 
ginta  francos,  priusquam  ipsis  de  cubando  dicta  prima  nocte  cum  suis  de 
novo  uxoribus  licentiam  impertiri  vellet,  exigebat,  aut  aliter  ipsos  a  suis 
uxoribus  per  tres  noctes  abstinere  compellebat.''' 

*  iJrth.  v.  19.  Marz  1409,  bei  Grenier  Bd.  159  Bl.  32:  .  .  .  „virtute  cer- 
tarum  literarum  a  nobis  obtentarum  Inhibitiones  et  prccepta  sub  certis  penia 
dictis  defPensoribus  facte  fuerant,  ut  a  dictis  exactionibus  et  interprisiis  ces- 
sarent,  executioni  quarum  deffensores  se  op])osuerant"  .  .  . 


Kapitcl  ()3.    Die  Bischofe  von  Amiens.  279 

mehrere  andere  einzeln  beuannte  Tfarrer,  als  Beklagte.  Die 
Klager  beantragten,  die  streitigen  Gebiihren  siimmtlich  fiir  miss- 
briiuchlich  zu  crkhiren,  daher  den  Einsprueh  des  Bischofs  und 
der  Pfarrgeistlichen  zu  verwerfen,  die  Beklagten  zur  Riickzahlung 
der  empfangenen  Gebiihren  und  zu  einer  Busse  von  zehntausend 
Franken  oder  einer  andern  Summe  zu  Gunsten  der  Kliiger  zu 
verurtheilen ,  ihnen  die  Erhebung  jener  Gebiihren  fiir  die  Zu- 
kunft  zu  untersagen  und  dem  Bischof  die  Kosten  aufzuerlegen  ^. 
Die  Beklagten  beantragten ,  ihren  Einspruch  als  reehtlich  be- 
griindet  anzuerkennen,  sie  in  ihren  Rechten  zu  schiitzen,  die 
Antriige  der  Khiger  zu  verwerfen  und  dieselben  zu  den  Kosten 
zu  verurtheilen  2.  Die  Pfarrer  fiihrten  aus,  dass  die  streitigen 
Gebiihren  auf  rechtmiissigem  Gewohnheitsrecht  beruhten  und  sich 
durch  den  Mangel  an  geniigenden  sonstigen  Pfarreinkiinften 
erkliirten.  Der  Bischof  bemerkte,  die  durch  Gewohnheitsrecht 
entstandene  Yorschrift,  dass  Ehcleute  nicht  vor  Ablauf  der  dritten 
Nacht  beieinander  schlafen  sollten,  bestehe  in  der  Stadt ,  dem 
Decanat  und  dem  Bann  von  Abbeville  seit  alten  Zeiten,  im 
Einklang  mit  dem  canonischen  Recht,  der  Vernunft  und  den 
Ausspriichen  der  Kirchenviiter;  bei  Dispens  von  dieser  Vorschrift 
wiirden,  theils  fiir  den  Kleviker,  welcher  den  Dispensbrief  zu 
schreiben  habe ,  theils  fiir  Siegel  und  Unterschrift  des  Officials, 
Gebiihreii  im  Betrage  von  zehn,  zwijlf,  bisweilen  zwanzig  Sous, 
je  nach  der  Vermiigenslage  der  Eheleute ,  erhoben :  mehr  als 
zwanzig  Sous  seien  nur  dann  erhoben  worden,  wenn  mit  der  er- 
wahnten  Dispens  die  Lossprechung  von  einem  Excommunications- 
urtheil  oder  eine  Aufgebots-Dispens  verbunden  gewesen  sei,  und 

'  Urth.  V.   19.  Miirz  1409,    bei  Grenier    Bd.   159    Bl.  32:     Qiiare    \w- 

tebant  dicti  actores  prefatas  inhibitiones  et  precepta  ad  bonam  et  justam  cau- 
sam  factas  fuisse ,  et  dictos  deffeusores  ad  malam  et  injustam  causam  se  op- 
posuisse,  dictasque  exactiones  et  interprisias,  abusus  ac  corruptellas  fore  dici 
et  declarari,  ipsosque  deffensores  ad  eas  revocandum  et  annullandum,  et  in 
talibus  abinde  cessandum,  necnon  quicquid  ipsi  et  eorum  quilibet  exigisseut 
restituendum ,  ac  in  decem  mille  francorum ,  aut  aliam  summam  juxta  dicte 
nostre  curie  discretionem  erga  nos  per  capcionem  et  detentionem  sue  tempo- 
ralitatis  ac  aliis  quibuslibet  viis  rationabilibus  ,  presertim  memoratum  episco- 
pum  in  eorum  dampnis  interesse  et  expensis  condempuari  et  compelli." 

2  Urth.  V.  19.  Miirz  1409,  bei  Greuier  Bd.  159  Bl.  33:  ...  ..Quare  pe- 
tebant  dictos  actores  ad  eorum  proposita  admitti  non  debere ,  et  si  admitte- 
rentur,  causam  seu  actionem  non  habere,  et  si  causam  seu  actionem  haberent, 
ab  ipsorum  Impetitionibus  absolvi  debere,  ac  in  suis  juribus  et  possessionibus 
manu  teneri  et  conservari,  impedimentum .  quod  per  ipsos  actores  appositum, 
amovcri  debere,  dici  et  pronunciari,  ac  in  expensis  dictorum  curatorum  cou- 
dempnari." 


280 


Kapitel  63.    Die  Bischijfe  von  Amiens. 


far  solclie  Falle  rechtfertige  sicli  die  erhobene  Gebiihr  nach  dera 
Gewohuheitsrecht  und  deu  Synodalstatuten  K  Es  ward  Zeugen- 
beweis  erhoben,  und  das  Endurtheil  erging,  nach  Anhorung  beider 
Theile,  am  19.  Miirz  1409.  Darin  wurde  der  Einspruch  der  Pfarr- 
geistlichen  und  des  Bischofs  in  Ansehung  der  meisten  Streitpunkte 
als  begriindet  anerkannt,  daher  insoweit  das  im  koniglichen  Schrei- 
ben  enthaltene  Yerbot  aufgehoben,  und  die  Klage  kostenfiillig 
abgewiesen;  dagegen  beziiglich  der  Gebiihr  fiir  Dispens  von  der 
dreitiigigen  Enthaltsamkeit  wurde,  unter  Compensation  der  Kosten 
der  Khiger  und  des  mitbeklagteu  Bischofs,  dessen  Einspruch  gegen 
das  kiinigliche  Schreiben  verworfen ,  und  ausdriicklich  ausgespro- 
chen,  dass  jeder  Einwohner  von  Abbeville  schon  am  Hochzeitstag 
die  Ehe  vollziehen  diirfe ,  ohne  dazu  einer  Erlaubniss  oder  Dis- 
pens  des  Bischofs  zu  bediirfen  -. 


'  Urth.  V.  19.  Marz  1409,  bei  Grenier  Bd.  159  Bl.  33:  „Dicto  vero  epi- 
scopo  ex  adverso  separatim  proponente,  quod  in  villa,  decanatu  et  banleuca 
de  predicta  Abbatisvilla,  ex  consuetudine  sacro  canoni,  rationi  et  Sanctis  Pa- 
tribus  consona,  ab  antiquis  observatum  fuerat,  ne  cui  usque  ad  tertiam  niip- 
tiarum  noctem  cum  uxore  sua  cubare  sine  sua  aut  ofticialis  sui  dispensatione, 
absque  emenda,  liceret;  quodque  tam  pro  salario  clerici  litteram  dispensationis 
scribendi  quam  pro  sigillo  et  ofticialis  signeto,  interdum  decem,  nonnunquam 
duodecim  et  aliquando  sexdecim,  et  quandoque  viginti  solidos  parisienses, 
secundum  personarum  facultates,  petere  et  recipere  poterat ;  et  si  ultra  dictam 
viginti  solidorum  summam  receperat ,  illud  ratione  absolutionis  a  sentencia 
excommunicationis  sive  Ijannorum  dispensationis  erat  et  fuerat,  ex  consuetu- 
dine  etiam  et  sinodalibus  statutis,  observatum  diccbat"'  .  .  . 

2  Urth.  V.  19  Miirz  1409,  bei  Grenier  Bd.  159  Bl.  34:  ,.Super  quibus 
et  pluribus  aliis  hinc  inde  propositis,  inqitesta  fucia  et  ad  judicandum,  salvis 
reprobationibus  testium  per  utramque  partem  traditis,  recepta  .  .  .,  visis 
omnibus  et  diligenter  examinatis ,  per  Judicium  dicte  nostre  Curie  dictum 
fuit ,  in  quantum  dictos  actores  contra  ciiratos  concernebat ,  ad  malam  et 
injustam  causam  praedictas  inhibitiones  et  precepta  dictis  curatis  et  eorum  pre- 
decessoribus  factas  fuisse,  ipsosque  ad  bonam  et  justam  causam  se  opposuisse 
declaravit  et  declarat,  ipsos  ab  impetitionibus  et  demandis  dictorum  actorum 
absolvendo  et  ab  expensis  dictorum  actorum  et  ex  causa  relevando.  In  quan- 
tum  ^ero  prefatos  actores  contra  Episcopum  concernebat,  dictum  fuit  predictas 
inhibitiones  et  precepta,  respectu  monitionum  generalium  predictarum  eidem 
episcopo  factas,  ad  malam  et  injustam  causam  factas  esse,  dictum  vero  episco- 
pum  ad  bonam  et  justam  causam  se  opposuisse,  a  dictis  impetitionibus  dictorum 
actorum  absolvendo,  ceterasque  inhibitiones  et  precepta  prenominatas  eidem 
epiacopo  ad  requestam  dictorum  actorum  factas,  ad  bonam  et  justam  causam 
factas  fuisse,  dictumque  episcopum  ad  malam  et  injustam  causam  se  opposuisse 
declaravit  et  declarat.  Et  per  idem  judicium  dictum  fuit  quod  quilihet  Jiahi- 
taittium  dicte  riUe  de  Abhatisvilla ,  prima  die  siiariim  nuptianim  poterit  citm 
stia  uxore ,  ahsque  congedio  seu  dispensatione  ^j/y'(7/c//  Episcopi  cuhare"  .  .  . 
(Folgt  eine  weitere  Bestimmung  iiber  Begrabniss  der  intestati)  .  .  .  ,,expensas 


Kapitel  63.    Dio  BischiifV  voii  Amicns.  281 

In  diesen  beiden  Parlanient.surtlieilen  sind  dic  Ent.sclieidungs- 
j.;riiiide  niclit  ange^eben.  Dalier  kann  nur  aus  der  Prozessgeschichte, 
nanientlich  aus  den  Antriigen  der  Parteien  und  der  dadurch  fest- 
gestellten  Sachlage,  eine  Vermuthung  dariiber  aufgestellt  werden, 
aus  welchen  Grunden  der  Anspruch  des  Bischofs  verworfen  wurde. 
l)er  Bischof  berief  sich  auf  ein  Gewolmheitsrecht,  dessen  Rechts- 
bestandigkeit  er  vertheidigte.  Danach  wurde  herkommlich  die 
Einsegnung  des  Ehebetts  ^  am  dritten  Tag  nach  der  Hochzeit  vor- 
genommen,  und  bis  dahin  Enthaltsamkeit  durch  die  Neuvermahlten 
beobachtet,  sofern  der  Bischof  nicht  davon  dispensirte;  fur  die 
Dispens  war  eine  Gebiihr  zu  entrichten  ^.  Die  Giiltigkeit  eines 
Gewohnheitsrechtes  beruht  auf  dem  Bewusstsein  von  der  Rechts- 
verbindlichkeit  einer  thatsiichlich  bestehenden  Uebung.  Dass  nun 
im  vorliegenden  Fall  seit  langer  Zeit  thatsiichlich  die  Uebung 
bestand,  welche  der  Bischof  behauptete,  w^ar  nicht  bestritten  und 
in  den  Angaben  der  Kliiger  sogar  ausdriicklich  zugestanden. 
Gleichwohl  verlangten  die  Bewohner  von  Amiens  und  Abbeville 
die  Beseitigung  der  herkommlichen  Gebiihren.  Daher  diirfte  die 
dem  Parlament  zur  Entscheidung  vorgelegte  Frage  die  gewesen 
sein,  ob  das  Herkommen  als  rechtsbestiindig  (als  eine  consuetudo 
rationabilis  im  Sinn  von  Ij.  2.  C.  quae  sit  longa  consuetudo)  ^ 
zu  betrachten  war.  Ilierbei  konnte  das  Parlameut  auf  die  ver- 
iinderten  Zeiten  Riicksicht  nehmen;  denn  es  ist  denkbar,  dass 
ein  kirchliches  Gewohnheitsrecht,  welches  in  der  frommen  Sitte 
der  Yorzeit  eine  feste  Stiitze  hatte,  spiiter  sicli  niclit  mehr  auf- 
recht  erhalten  liess.  War  einmal  die  Uebung  dahin  geiindert, 
dass  regelmiissig  Dispens  begehrt  und  gewiihrt  wurde,  daher  fast 
nur  die  Formlichkeit  des  Dispensverfahrens  und  die  damit  ver- 
bundene  Geldabgabe  iibrig  blieb,  so  fiihrte  ein  Schritt  weiter  da- 
hin,  auch  diesen  Rest  des  alten  Gewohnheitsreclits  zu  beseitigen. 
Von  diesem  Gesichtspunkt  erkliirt  sich  die  getroffene  Entschei- 
dung*.     Das  Parlament  mag   zu   der  Ueberzeugung  gelangt  sein. 


hinc  et  inde  factas  compen?anilo.  in  ciijus  testimonium  presentibus  Litteri.s 
nostrum  jussimus  apponi  sigillum.  Datuin  Parisius  in  Parlamento  nostro  XIX». 
die  martii  anno  Domini  millesimo  quadragentesimo  nono  et  regni  nostri  XXXc'. 
ainsi  signe.     Per  judicium  Curie  Baye." 

1  Vgl.  dariiber  oben  Kap.  27  S.  148,  14!). 

2  Berger  de  Xivrey  S.  23:  „Cette  pratique  devint  une  prescription ,  dont 
le.s  nouveaux  mari^s  pouvaient  s'affranchir  cn  achetant  une  dispense.  comme 
on  faisait  pour  Tusage  du  beurre  et  des  oeufs  en  careme."  Ygl.  oben 
Kap.   27  S.  153. 

»  Vergl.  V.  Savigny,  System  Bd.  1.  S.  420-429. 

*  Die  im  Commissionsbericht   der   franzosischen  Akademie    der    Inschriften 


282  KnY.  64.    Die  Aebte  von  Rebais.     Kap.  65.    Captal  de  Buoh. 

dass  der  Anspruch  des  Biscliofs  mit  deii  Yeranderten  Sitten  nicht 
mehr  in  Einklang  stand.  Die  Ausspriiche  der  Kirchenvater  und 
Bestimmungen  des  canonischen  Rechts,  worauf  der  Bischof  sich 
berief,  bildeten  kein  Hinderniss,  in  diesem  Sinn  zu  erkennen  ^ 

Jedenfalls  erhellt  deutlich  aus  dera  AYortlaut  der  Parlaments- 
urtheile,  dass  sie  nicht  ein  Herrenrecht,  sondern  eine  kirchliche 
Dispensgebiihr  betreffen  ^.,  Es  besteht  nicht  einmal  der  Schein  einer 
Berechtigung  fiir  die  Meinung,  dass  der  Bischof  das  Herrenrecht 
der  ersten  Xacht  ausgeiibt  oder  dafiir  eine  Entschadigung  be- 
gehrt,  oder  iiberhaupt  ein  anstcjssiges  Herrenrecht  in  Anspruch 
genommen  habe. 


3.    Proz 


rles  Ahf.o  roii  Rehai>i  vor  'leni   Farlcniieitf  zn  Paris. 


Kapitel  64.  Am  Schluss  des  Berichts  iiber  das  in  Sachen 
des  Bischofs  von  Amiens  erlassene  Parlamentsurtheil  vom  Jahr 
1-409  bemerkt  Charondas,  seitdem  sei  eine  ahnliche  Entscheidung 
gegeniiber  dem  Abt  von  Rebais  ergangen  ^.  Diese  Bemerkung 
wird  von  spiiteren  Schriftstellern  wiederholt'*.  Es  ist  mir  nicht 
gelungen,  das  fragliche  Urtheil  zu  ermitteln;  doch  ist  es  moglich, 
dass  in  Pfarreien,  die  dem  Kloster  von  Rebais  (in  Brie)  incorporirt 
waren,  ein  iihnliches  GeAvohnheitsrecht  wie  in  Amiens  und  Abbe- 
ville  bestand,  und  dass  iiber  die  daraus  hervorgegangene  Dispens- 
gebiihr  vor  dem  Parhiment  gestritten  wurde.  Alsdann  wiirde 
das  im  vorigen  Kapitel  Gesagte  auch  hier  gelten. 

4.     rrfheil  de.^i  Parlaiiieiif.f  zu  Bordeaux  voni  Jaltr  1468. 

Kapitel  65.  Jules  Delpit  behauptet,  der  Landhauptmann 
(Captal)  von  Buch,  in  der  IS^iihe  von  Bordeaux,  sei  berechtigt  ge- 
wesen .  mit  den  neuvermiihlten  Frauen  seiner  Leibeigenen  die 
erste  Xacht  zu  schlafen  oder  ein  beliebiges  Geschenk  zu  begehren, 
bis   dies    Recht    durch  Urtheil   des  Parlaments  zu  Bordeaux  vom 


(Berger  de  Xivrey  S.  23)  angedeutete  Meinung.  dass  ein  Anspruch  auf  kirch- 
liche  Dispensgebiihren  im  Rechtswege  iiberhaupt  nicht  habe  verfolgt  werden 
konnen,  durfte  nicht  haltbar  sein,  weil  zahlreiche  Gebiihren  ahnlicher  Natur 
durch  Urtheil  vom  19.  Marz  1409  fiir  rechtsgiiltig  erkliirt  wurden. 

1  Vgl.  oben  Kap.  27  S.   151—153. 

2  Derselben  Meinung   sind  Dalrymple    und  Raepsaet  (3.  Ausg.  S.  44—57). 

3  Charondas   lib.  7  resp.  79  S.  279:    „Et   depuis  a  est^  donne  autre  arrest 
contre  TAbbe  de  Rebais  en  semblable  e.-;pccp." 

*  Dalrymple;  Limnaeus  lib.  4  caj)    7  S.  603;  Potgiesser  tit.  2  cap.  2  §  2.S, 
S.  380. 


Kapitel  66.    Dic  Lelm.sherron  der  Auvergne.  288 

Jahr  1468  in  dcii  Anspruch  auf  eine  Geldabgabe  verwandelt 
worden  sei  ^  Eine  in  der  Hauptsache  gleichlautende  Notiz  findet 
sich  in  einer  durcli  Jules  Delpit  herausgegebenen  Sammlung  von 
Erziihlungen,  die  angeblich  im  siebzehnten  Jahrhundert  verfasst 
wurde  ^.  Meine  Bemiihungen ,  in  Paris  oder  Bordeaux  das  frag- 
liche  Urtheil  zu  ermitteln,  sind  vergeblich  gewesen^;  auch  fehlt 
der  Beweis  fiir  die  Richtigkeit  und  (ienauigkeit  des  Berichts, 
worin  nicht  einmal  der  Tag  des  Urtheils  und  der  Xame  des  Cap- 
tal  von  Bucli  bezeichnet  ist.  Hiernach  verdient  die  Nachricht 
bis  zur  Entdeckung  der  Urkunde  oder  einer  etwaigen  zuverliissi- 
gen  Auskunft  keine  Beriicksichtigung. 

.5.    Prozess  (Jer  Lehmlierren  der  Aucergne. 

Kapitel  06.  Dulaure  behauptet:  „Einige  Herren  in  Auvergne 
waren  im  Besitz  [des  Rechts] ,  die  erste  Hochzeitsnacht  niit  der 
!Xeuvermahlten  hinzubringen  o  d  e  r  nur  eiuen  nackten  Schenkel 
iu  das  Hochzeitsbett  zu  legen."  *  Andere  sagen,  das  jus  primae 
noctis  sei  in  der  Auvergne  heimisch  gewesen  ■'.  Doch  wird  be- 
merkt,  es  sei  seltsam ,  wie  die  Herren  der  Auvergne  hatten 
schlafen  konnen,  da  das  eine  Bein  nackt  und  das  andere  gestiefelt 


'  DelpLt  S.  92,  aus  einer  angeblich  iu  Bordeaux  aufbewahrten  Handschrift 
des  Abbe  Bel  et,  Stiftsherrn  zu  Cadillae,  Notes  et  observations  sur  Bordeaux, 
Seite  54 :  ,,^Iarquetes  des  femnies.  Le  captal  de  Buch  avoit  aiitrefois  ce 
droit  de  coucher  avec  les  nouvelles  epouses  la  premiere  nuit  des  noces .  ou 
de  prendre  tel  present  qu'il  ordonnoit.  Ce  droit,  contraire  aux  bonnes  moeurs, 
et  qui  ne  se  pouvoit  se  lever  que  sur  les  esclaves,  fut  supprime  en  1468  par 
arret  du  Parlement  de  Bordeaux,  qui  substitua  a  la  place  un  droit  en  argent." 
Ebenso:  de  Labessade  Nr.  62,  S.  28,  104,  105.  —  Ueber  Pays  de  Buch  und 
Captal  de  Buch  vgl.  auch  Saint-Amans  1812  S.  60,  61. 

2  Gaufreteau  Bd.  1  (iiber  die  Zeit  von  1240  bis  1599)  S.  27.  zum  Jahr 
1468:  ..Ea  cette  annee,  le  captau  de  Buch  avoit  le  droit  de  coucher,  s"il 
vouloit,  avec  les  nouvelles  espousees,  le  premier  soir  des  nopces,  ou  de  prendre 
un  present  selon  qu'il  Tordonnoit,  en  toutes  les  terres  et  paroisses  de  son 
captalat.  Mais  ce  droit  fut  aboli  comme  estant  contraire  aux  commandemens 
de  Dieu.  par  arrest  du  parlement  de  Bourdeaux,  et  au  lieu  d'ycehiy,  lui  fut 
ordonne  un  certain  droit  de  fouage  en  argent.  sur  ses  subjects."  Ueber  das 
droit  de  fouage  vgl.  oben  Kap.  2  S.  8. 

^  In  Bordeaux  ist  ein  solches  Urtheil  nicht  zu  finden.  Der  Herr  Bibliothekar 
der  Stadt  Bordeaux  hat  mir  daruber  am  13.  August  1878  geschrieben :  ..Quant 
k  Tarret  du  Parlement  de  Bordeaux  de  1468,  11  n'a  pas  6t6  retrouve."  Ebenso 
vergeblich  war  meine  Recherche  im   Staatsarchiv  zu  Paris. 

*  Dulaure,  Adel  S.  243. 

5  Augsb.  Allg.  Ztg.  V.  18.  April  1SG8,  Nr.  109,  S.  1662:  Liebrecht  1869 
S.  811.  ebenso  1874  S.  139  und  1879  S.  419. 


284 


Kapitel  66.    Die  Lehnslierren  der  Auvergne. 


und  gespornt  gewesen  sei  ^.  Sugenheim  behauptet,  das  jus  primae 
noctis  sei  in  der  Auvergne  in  der  urspriinglichen  rohen  Form 
allgemein  iiblich  gewesen;^es  sei  abgelost  worden;  und  noch  bis 
in  die  zweite  Halfte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  hatten  die 
Bauerinnen  oder  ihre  kiinftigen  Ehemanner  die  altherkommliche 
Ablosung  jenes  Rechts  an  die  Grundherren  entrichten  miissen  ^. 
Wann  die  Ablosung  erfolgte,  wird  nicht  gesagt.  Hieriiber 
macht  Collin  de  Plancy  eine  Andeutung ;  er  versichert ,  das 
eigentliche  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  habe  den  Grundherren 
der  Auvergne  solange  zugestanden,  bis  vor  beinahe  vierhundert 
Jahren,  zufolge  einer  von  mehreren  Yasallen  gegen  ihren  Lehns- 
herrn  angestellten  Klage,  durch  Urtheil  bestimmt  wurde,  dass 
die  Lehnsherren  die  erste  Nacht  dcr  Hochzeit  mit  ihren  Yasallinnen 
nicht  mehr  schlafen  diirften,  sondern  dass  ihnen  bloss  erlaubt  sein 
solle,  ein  nacktes  Bein  in  das  Bett  der  neuvermahlten  Frau  zu 
legen  und  eine  Yiertelstunde  mit  ihr  unter  vier  Augen  zuzu- 
bringen  ^.  Xach  dieser  Darstellung,  die  den  Tag  des  sonderbaren 
Urtheils  nicht  angiebt,  miisste  der  Prozess  in  der  ersten  Hiilfte 
des  fiinfzehnten  Jahrhunderts  geschwebt  haben;  doch  ist  dariiber 
sonst  Xichts  bekannt  geworden;  daher  wird  biszu  naherer  Auf- 
klarung  die  Annahme  sich  rechtfertigen,  dass  jenes  Urtheil  nicht 
existirt. 

Die  alteste  Xachricht,  die  ich  iiber  jenes  Herrenrecht  liabe 
ermitteln  konnen,  findet  sich  bei  Paponius,  einem  Rechtsgelehr- 
ten  des  sechzehnten  Jahrhunderts.  Derselbe  schreibt:  „E3  ist 
abscheulich ,  da.ss  an  einigen  Orten  Frankreichs ,  namentlich 
in  der  Auvergne,  eine  Gewohnheit  sich  vorfindet,  besteht  und 
geduldet  wird,  welche  dem  Herrn  des  Orts  das  Recht  gewiihrt, 
in  der  ersten  Xacht  mit  der  Braut  [seines  Unterthanen]  zu 
schlafen  .  .  .  Diese  Handlungen  sind  barbarisch  und  viehisch, 
unwiirdig  nicht  nur  eines  Christen,  sondern  auch  eines  Menschen."  "^ 
Diese    Stelle  ist   so  gefasst,    als   habe  die  bezeichnetc  Unsitte  zu 


^   de  Labessade  S.  11. 

2  Sugenheim  1861  S.  104,  147  und  1872  S.  930. 

3  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S    166.  167.     Vgl.  Delpit  S.   126. 

*  Paponius  lib.  22  tit.  9,  de  adultcrio,  n.  18:  ,.Detestandum  est,  in  non- 
nuUis  locis  hujus  Regni,  nominatim  in  Arvernia,  reperiri  et  extare  ac  tolerari 
Consuetudinem,  qua  Domini  loci  jus  hoc  datum,  ut  prima  nocte  cum  sponsa 
dormire  impune  possit.  ...  Hi  actus  barbari  sunt  ac  bestialos,  indigni  non 
tantum  Christianis,  sed  etiam  honiinibus."  Daraus:  Ragiieau  (15801  und 
Lauriere  (1704)  unter  Les  Marquettes  des  1'emmes:  Autonine  (1621)  tit.  8 
§  1,  Art.  81. 


Kapitcl  (57.    Ilistorial   du  .loiigleur.  285 

seiner  Zeit  bestanden.  Doch  fehlt  die  Angabe,  ob  und  in  welcher 
Weise  die  Nachricht  beglaubigt  sei,  insbesondere  ob  und  welche 
einzelnen  Thatsachen  festgestellt  seien,  um  die  Annahme  von  dem 
Bestehen  der  bezeichneten  Unsitte  zu  rechtfertigen.  Paponius 
starb  im  Jahr  1590;  bei  seinen  Lebzeiten  war  die  Irrlehre  von 
einer  friihern  Herrschaft  des  H-errenrechts  der  ersten  Nacht  schon 
ziemlich  weit  verbreitet;  es  ist  daher  leicht  moglich,  dass  Paponius 
unter  dem  Einfluss  jenes  Irrthums  geschrieben  hat.  Ueberdies 
tinden  sich  in  seinen  Nachrichten  mancherlei  Irrthiimer  ^  ■  Unter 
diesen  Umstiinden  kann  aus  der  giinzlich  unsubstantiirten  Be- 
hauptung  von  Paponius  auf  dessen  alleinige  Auctoritiit  hin  nicht 
als  geschichtlich  erwiesen  angenommen  werden,  dass  einmal  das 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht    in  der  Auvergne  geherrscht  habe. 

c.   Eampfe  und  Aufstande. 

1.    Histoilal   (h(   Joiii/Ienj-. 

Kapitel  67.  Eine  Erzahlung  iibor  das  „droit  de  nopoage"  im 
Historial  du  Jongleur^,  einer  Dichtung  aus  dem  neunzehnten  Jahr- 
hundert,  hat  folgenden  Inhalt.  Der  Haut-bers  de  Montguisard  (in 
der  Normandie)  wollte  sich  nicht  begnijgen,  das  aus  alter  Zeit  her- 
kommliche  droit  de  nopcage  gleich  seinen  Vorfahren  in  der  Art 
geltend  zu  machen ,  dass  er  den  Hochzeiten  seiner  Vasallen  und 
Leibeigenen  mit  einem  Pagen,  zwei  "Windhunden  und  sechs  Lauf- 
hunden  (deux  levriers  et  six  chiens  courants)  beiwohnte  und  sich 
bewirthen  liess,  sondern  er  nahm  fiir  sich  das  Recht  in  Anspruch, 
allein  mit  der  jungen  Frau  eine  Stunde  zu  verbringen,  bevor  die- 
selbe  sich  zum  Ehebett  begebe.  Dagegen  behauptete  der  Abt  von 
Gaillefontaine,  seinerseits  ebensolches  Recht  zu  haben  ^.    Wiihrend 


'  Vgl.  z.  E    Kap.   63  S.  27-1  und  Kap.  83. 

2  Vgl.  Kap.  1  S.  2.  Von  diesem  AVerk  bemerkt  B.  de  Lagreze  (1867, 
S.  400):  ,,si  rediteur,  eii  publiaiifc  ce  livre,  avec  des  caracteres  gothiques. 
a  soin  de  dire  que  les  initiales,  vignettes  et  flcurons  sont  imit^s  des  manu- 
scripts  originaux ,  il  ne  dit  pas  oii  sont  ces  manuscripts.  Je  les  ai  cherches 
vainement.  et  ils  ne  se  trouvent  ni  dans  la  Bibliotheque  Imperiale.  ni  dans 
hx  riche  collection  de  M.  Didot.  Ce  conte,  admis  comme  authentique,  surtout 
a  Tetranger,  me  parait  donc  plus  que  suspect.  Le  texte  eut  ete  decisif"  .  .  . 
Mir  schien  es  nicht  nothig,  jene  Angabe  des  Ilerausgebers  als  ernstlich  ge- 
meint  zu  betrachten. 

2  Historial    du  Jongleur  S.  7.  8    (Le    Prieur): Au    temps    passe.    les 

pferes  du  sire  de  Montguisard  avaient  par  fief  le  droit  d'assister  aux  nopces 
de  leurs  vassaux  et  hommes  liges  avec  un  page,  deux  levriers  et  six  chiens 
courants,   le   tout   pour   estre  bien  et  duement  h^berge  et  festoye  entre  deux 


286  Kapitel  68.    Roman  von  Karl  Fellens. 

des  Hochzeitsfestes  bei  A-^erheirathung  von  Jacqueline ,  Tochter 
des  Kalkbrenners  Peter  Aubriot,  mit  Samuel  Robertsart,  erschien 
ein  Abgesandter  des  Haut-bers  de  Montguisard  (der  ecuyer  Sire 
de  Maltaverne)  mit  deni  Befehl  an  Peter  Aubriot,  seine  Tochter 
Jacqueline  in  das  Schlossezu  fiihren,  ura  dem  droit  de  nopgage 
zu  geniigen  ^  Der  junge  Ehemann  leistete  Widerstand,  als  ihm 
seine  Frau  mit  Gewalt  entrissen  werden  sollte.  Wiihrend  des 
Streits  iiberbrachte  der  Vitzthum  (Yidame)  des  Abts  von  Gaillefon- 
taine  dessen  Befehl  an  Peter  Aubriot,  seine  Tochter  Jacqueline 
zum  Kloster  zu  fiihren,  damit  sie  sich  dem  droit  de  nopyage  un- 
terwerfe  ^.  Jetzt  entstand  ein  Kampf  zwischen  den  Parteien  der 
beiden  Priitendenten,  der  so  hitzig  wurde,  dass  es  den  Neuver- 
miihlten  gelang,  in  der  allgemeinen  Verwirrung  zu  entfliehen. 
Wenige  Tage  nachher  iiffnete  Rouen  seine  Thore  dem  Konig  von 
Frankreich,  welcher  Lehnsherr  der  Normandie  wurde.  Der  Haut- 
bers  de  Montguisard  verlor  sein  Lehen  wegen  Felonie;  er  ward 
verbannt  wegen  Theilnahme  an  der  Ermordung  Arthur's  von  Bre- 
tagne  und  rettete  nur  sein  Leben,  indem  er  dem  Konig  Johann 
ohne  Land  nach  London  folgte  ^.  Aus  dem  Schluss  dieser  Dichtung 
ist  zu  entnehmen,  dass  sie  das  Jahr  1204  betrifft;  denn  im  Jahr 
1204  verlor  Kiinig  Joh&,nn  die  Herrschaft  iiber  Rouen  und  die 
ganze  Normandie  nebst  andern  Provinzen  an  Kimig  Philipp  August 
von  Frankreich.  Ln  Uebrigen  entbehrt  die  Erziiiilung  eines  ge- 
schichtlichen  Lihalts. 

2.    Aufsfai/il   gej/eii  Bidiard  11. ,   Herzog  der  Kormandie ,   nnd  gegen  den 
Grafen  Des  Vertits. 

Kapitel  68.     Im  Roman    von    Karl    Fcllens,    der    angeblicli 
aus    archivalischen    Quellen   geschopft    ist    und    lauter    Wahrheit 


soleils,  ce  qiii  s'appelle  es  titres  et  ehartes :  Droit  de  Nop^uge;  mais  depuis 
la  mort  cle  son  tr^s-honore  pere,  le  sire  de  Montguisard  Tentend  expliqiicr 
et  lever  autrement,  a  savoir:  qu'il  pi-etend  que  le  dit  droit  consiste  5,  passer 
iine  heure,  seul,  avec  l'espousee ,  avant  qu'elle  entre  au  nuptial  lit.  ...  De 
m&me  aussi  pretend  faire  et  fait  le  sire  abbe  de  Gaillefontaine".  .  .  .  Vgl. 
dazu  die  Noten  ira  Anhang  S.  7  und  8. 

'  Historial  du  Jongleur  S.  27 :  „I)e  par  mon  tr^s  redoutti  Seigneur  et  le 
tien,  le  Haut-bers  de  Montguisard,  je  te  semonds  toi,  Pierre  Aubriot  le  chau- 
fournier,  son  homme  lige,  pl6ge  et  vassal,  de  me  bailler  et  d^livrer  Jacqueline, 
ta  iille ,  qui  sera  conduite  au  chastel  pour  estre  par  elle  acquitt^  le  Droit  dc 
Nop^age.  J'ai  dit."  Das  Wort  ,.bers"  schcint  soviel  ^vie  IJaron  zu  bedeuten. 
Vgl.  unten  Kap.  78  S.  327. 

2  Historial  du  Jongleur  S.  31.  ^  Historiul  du  Jonglcur  S.  40. 


Ka])itel  68.    Konian  von  Karl  Fellens.  287 

enthalteu  soll,  wird  behauptet,  das  Herrenrecht  der  ersten  Xaeht 
sei  zur  Zeit  des  KiJnig-s  Robert  des  Zweiten  von  Frankreich 
(!I90 — 1031)  Hauptursache  eines  Aufstandes  gewesen,  gegen  den 
(jirafen  von  Evreux  und  dessen  Neffen,  llichard  den  Zweiten, 
Herzog  der  Kormandie  und  Konig  von  Neustrien  ^.  Indessen  er- 
folgte  der  Bauern-Aufstand  in  der  Normandie  crst  ini  zwolften 
Jahrhundert,  zur  Zeit  des'Herzogs  Richard  II.  ^,  und  dieser  Auf- 
stand  hatte  keine  Beziehung  zu  jenem  beriiclitigten  Herrenrecht. 
Der  genannte  Roman  giebt  eine  Schilderung  der  Herrenrechte, 
namentlich  des  jus  primae  noctis^,  aus  der  Zeit  Robert  des  Zweiten. 
Der  Hauptinhalt  ist  folgender.  Graf  Raimund  vom  Schloss  Des 
Yertus  bei  Jalons  (Arrondissement  Chalons)  hatte  sich  das  Recht 
der  ersten  Nacht  abkaufen  lassen  *.  Sein  Nachfolger  Fulgentius 
war  mit  dem  Loskauf  nicht  zufrieden  ^,  sondern  iibte  das  vermeint- 
liche  Recht  an  den  Hochzeitstagen  seiner  Unterthanen  in  einem 
einsamen  Landhause  thatsachlich  aus  ^.  Als  Clotilde,  Tochter  Lo- 
thar's  vom  Flecken  Des  Yertus,  sich  mit  Fritz-Andres,  dem  rflege- 
sohn  eines  Piichters,  verheirathen  wollte,  fassten  Lothar  und  Fritz- 
Andres  den  Entschluss,  den  Grafen  Fulgentius  an  Ausiibung  des 
Herrenrechtes  zu  verhindern  ^.  Lothar  bat  um  die  Erlaubniss, 
dies  Recht  abkaufen  zu  diirfen;  Fulgentius  schlug  die  Bitte  ab^. 
Der  Pfarrer  verlegte  die  Zeit  der  Trauung ,  die  anfiinglich  auf 
zehn  Uhr  Morgens  festgesetzt  w^ar,  auf  sieben  Uhr  Abends^. 
Mit  seiner  Beihiilfe  wurde  Clotilde  unmittelbar  nach  der  Trauung 
durch  List  und  Gewalt  in  das  Landhaus  geschleppt,  wo  Fulgen- 
tius  sie  erwartete  und  das  Yerbrechen  der  Nothzucht  an  ihr  voll- 
zog  ^^.  Sie  ward  bei  ihrer  Riickkehr  von  ihrem  Yater  und  Gatten 
liebevoll  aufgenommen,  starb  aber  an  den  Folgen  der  veriibten 
Schandthat  ^K  Yierzehn  Tage  nach  diesem  Yerbrechen  verhei- 
rathete  sich  Fulgentius  mit  Berthine,  Schwester  des  Herzogs  der 
Normandie  ^^.  Er  wollte  die  Hochzeitsnacht  in  demselben  Land- 
haus  geniessen ,    worin   er    das  Herrenrecht  auszuiiben    pflegte  ^^. 


1  Fellens    Bd.  1  S.  111.    112    (Rede  Liuhvigs.    Sohnes  von  Lothar .    an  die 
Verschworenen). 

2  Delisle  chap.  6  S.   121. 

^  Fellens  Ed.   1   S.  16.   13o,  147.   148:  Bd.   2  S.   11. 

*  Fellens  Bd.   1  S.  143. 

5  p>llens  Bd.  1  S.  143:  Bd.  2  S.  68  (..ein  geheiligtcs  Reclit  !")• 

«  Fellens  Bd.   1  S.  163.  "  Fellens  Bd.   1  S.  144. 

s  Fellens  Bd.  1  S.  149,  150.  »  rellens  Bd.   1   S.  151. 

10  Fellens  Bd.  1  S.  153-157.  ^'  Fellens  Bd.  1  S.  158.  171. 

"  Fellens  Bd.  1  S.  160.  "  Fellens  Bd.   1  S.  163. 


288  Kapitel  G9.     Grundung  von  ^lontauban. 


mit  verstopftem  Munde  an  einen  Baum  gebunden,  wiihrend  seine 
Gemalilin  im  dunklen  Schlafgemaeh  in  der  Meinung,  von  ihrem 
Gatten  umarmt  zu  werden,  durch  den  Knecht  Lothar's  miss- 
braucht  wurde  ^.  Erst  des  andern  Morgens  wurde  der  Graf 
durch  seine  Freunde  losgebunden.  Lange  Zeit  blieb  der  wahre 
Hergang  dieser  Sache  unaufgeklart  ^,  und  ein  Zerwiirfniss  zwi- 
schen  dem  Grafen  Fulgentius  und  seiner  Gattin  bestehen  ^. 
Beim  Tode  des  Grafen  Fulko  Nerra  von  Anjou  wurde  ermittelt, 
dass  sein  rechtmiissiger  Sohn  erster  Ehe  uud  Xachfolger  in  der 
Regierung  der  erwahnte  Fritz-Andres  war,  dessen  wahrer  Name 
Gottfried  Martel  hicss'^.  Er  trat  die  Regierung  an  und  erkliirte 
dem  Grafen  Fulgentius  Raimund  den  Krieg^,  betete  am  Grabe 
Clotildens '^ ,  zerstorte  das  Schloss  des  Fulgentius,  nahm  ihn  ge- 
fangen  und  demiithigte  ihn "' ,  unter  Hinweis  auf  die  Schandung 
Clotildens  und  die  dafiir  geiibte  Rache^.  Gottfried  Martel,  Graf 
A'on  Anjou,  ward  von  seinen  Yasallen  verehrt,  gab  ihnen  eine 
Constitution  und  scliaffte  alle  Herrenrechte  ab  ^,  namentlich  auch 
das  Recht  der  ersten  Xacht  i°.  Li  dem  geschilderten  Hergang 
ist  keine  geschichtliche  Wahrheit  enthalten.  Titel  und  Inhalt 
des  Buchs  liisst  deutlich'  erkennen,  dass  der  Roman  eine  Tendenz- 
arbeit  ist  und  auf  keinen  wissenschaftlichen  Forschungen  beruht. 

3.    Anfstand   <je(ien    die  Ahfci  Moi/f(H(rioI  /hkJ  (Jriiiiduug  roii  Moiitaiihan. 

Kapitel  09.  \m  zwolften  Jahrhundert  driingte  eine  stiir- 
mische  Bewegung  zur  Bildung  selbstiindiger  stiidtisclier  Gemein- 
den  ^*.  Durch  die  Yortheile,  die  den  Ansiedlern  neuer  Stiidte  sich 
darboten,  liessen  sich  hiiufig  die  Horigen  benachbarter  Herrschaf- 
ten  verleiten,  ihre  Herren  zu  verlassen  ^^.  So  geschah  es  auch  bei 
der  Griindung  von  Moutauban,  der  jetzigen  Hauptstadt  des  De- 
partement  Tarn  et  Garonne.  Dieselbe  erfolgte  im  Jahr  1144,  durch 
Alphons  Jourdain,    Grafen   von  Toulouse,  Herzog  von  Narbonne 


1  Fellens  Bd.  1  S.   164,   165.  ^  Fcllons  Bd.   1  S.  167,  168. 

3  Fellens  Bd.   1   S.  192:  Bd.  2  S.   '28,  -2«,  OO. 
*  Fellens  Bd.  2  S.  35—40.  *  Fellens  Bd.  2  S.  59,  61. 

«  Fellens  Bd.  2  S.  62,  63.  '  Fellens  Bd.  2  S.  63—70. 

«  Fellen.s  Bd.  2  S.  68,  69.  ^  Fellens  Bd.  2  S.  71,  73. 

'0  Fellens  Bd.  2  S.  74. 

"  Vgl.  Dalloz,  Rep    Bd.  1   S.  88:  Tliierry,  Lettres,  unter  XIII.;  lliillmana 
Bd.  3  S.   16-28. 

12  Thierry,  Lettres  S.   185,  186. 


Kapitel  69.    Griindung  von  Montaiiban.  289 

und  Markgrafen  vonProvence,  und  durcli  seinen  Sohn  Raymund 
von  Saint-Gilles,  und  zwar  unmittelbar  neben  den  Besitzungen 
der  Benedictiner-Abtei  Saint-Martin  (Saint-Audard  oder  Saint- 
Theodard),  die  vor  alten  Zeiten,  durch  die  Vorfahren  des  hl.  Theo- 
dard  von  Xarbonne  oder  schon  durch  den  hl.  Bischof  Martin  von 
Tours,  auf  dem  Mons  Aureolus  erbaut  war  ^  Die  Griindungs- 
urkunde  ^  vom  2.  October  1144  verheisst  den  Ansiedlern  bedeu- 
tende  Yorrechte  neben  verhaltnissmassig  geringen  Yerpflichtungen. 
Es  ist  daher  erklarlich,  dass  viele  Horige  der  Abtei  sich  zur 
Ansiedlung  in  der  neuen  Stadt  bestimmen  liessen,  um  ihren  Yer- 
pflichtungen  gegen  die  Abtei  zu  entweichen  ^.  Der  Abt  Albrecht 
von  Saint-Audard  fiihrte  dariiber  Beschwerde  bei  Papst  Eugen  III., 
mit  der  Behauptung,  dass  Graf  Alphons  von  Toulouse  die  Abtei 
gewaltsam  zerstort,  ihre  Leute  zum  Aufstand  und  zur  Auswande- 
rung  verfiihrt  und  drei  Schlosser  auf  dem  Allodialgute  der  Abtei 
errichtet  habe.  Papst  Eugen  III.  beauftragte  durch  Schreiben  vom 
28.  Juni  1145  den  Erzbischof  Arnold  von  Narbonne  und  den  Bi- 
schof  Raimund  von  Toulouse,  in  seinem  Namen  die  zur  Er- 
ledigung  der  Beschwerden  geeigneten  Ermahnungen  an  den  Grafen 
zu  erlassen  und ,  falls  derselbe  ihrer  Ermahnung  binnen  vierzig 
Tagen  keine  Folge  leiste,  die  Stadt  Toulouse  und  das  ganze  Bis- 
thum,  soweit  es  zur  Herrschaft  des  Grafen  gehore,  mit  dem  Inter- 
dict  zu  belegen,  auch  die  Yerhangung  des  grossen  Kirchenbannes 
gegen  den  Grafen  in  Aussicht  zu  stellen  '*.  Es  ist  nicht  bekannt, 
ob  und  wie  der  Auftrag  des  Papstes  zur  Ausfiihrung  gelangte; 
eiue  Unterbrechung  scheint  dadurch  eingetreten  zu  sein,  dass  Graf 
Alphons  zu  dem  durch  den  hl.  Bernhard  gepredigten  Kreuzzuge 
nach  dem  heiligen  Lande  auszog  und  dort  im  Jahr  1148  den 
Tod  fand  '".  Zwischen  seinem  Sohn  und  Js^achfolger,  Raymund  Y., 
und  dem  Abt  Amelius  von  Saint-Audard  wurde  der  Streit  durch 

1  Vgl  Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg.  18741  S.  226,  229:  Hist.  de  Languedoc 
Bd.  2  S.  -438:  Hist.  de  Montauban  Bd.   1  S.  1,  2. 

2  Urkunde  vom  2.  Oct.  1144,  besprochen  und  vollstandig  abgedruckt  in: 
Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg.  1874)  S.  226,  Instrum.  S.  182,  183:  Hist.  de  Mon- 
taiiban  Bd.   1  S.  63—69.  347,  348;  Hist.  de  Languedoc  Bd.  2  S.  438. 

5   Hist.  de  Montauban  Bd.   1   S.  55.    58:    Hist.  de  Languedoc  Bd.  2  S.  438. 

^  Urk.  voni  23.  Juni  1145.  Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg.  1874)  Instrum. 
S.  183,  184;  Bouquet  ( Brial)  Bd.  15  S.  427.  428;  Hist.  de  Montauban  Bd.  1 
S.  55—58  und  S.  350:  Hist.  de  Languedoc  Bd.  2  S.  438,  zum  Jahr  1144; 
Cathala-Coture  liv.  3  chap.  11.  Bd.  1  S.  137;  Mary-Lafon  bei  Guilbert  Bd.  2 
S.  517:  Jaffe  Nr.  6163,  S.  618. 

5  Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg.  1874)  S.  229:  Hist.  de  Languedoc  Bd.  2 
S.  463;  Cathala-Coture  liv.  3  chap.  11   S.   136. 

Schmiclt,  .Jns  primae  noctis.  19 


290  Kaiiitel  69.    Griindung  von  Montauban. 

Vergleich  vom  6.  Mai  1149  zu  Beziers  geschlichtet  ^;  der  Graf 
iiberliess  der  Abtei  die  Halfte  des  Eigenthunis  und  aller  Ge- 
rechtigkeiten  in  Montauban,  gab  ihr  die  Landereien  zuriick,  die 
er  ihr  entrissen  hatte,  und  raumte  ihr  noch  weitere  Rechte  ein. 
Bald  entstanden  zwar  neue  Streitigkeiten ,  worin  der  Graf  von 
Toulouse  (mit  Hiilfe  der  Albigenser)  das  Kloster  beraubte ,  den 
Abt  einkerkerte  und '  drei  zur  Gerichtsbarkeit  von  Montauban 
gehorige  Schlosser  in  Besitz  nahm.  Doch  kam  am  13.  Oct.  1231 
in  der  Stadt  Gaillac  ein  neuer  Yergleich  zu  Stande  ^  zwischeu 
Graf  Raymund  YII.  und  Abt  Albert  II.  Darin  ward  der  Yer- 
gleich  vom  Jahr  1149  theils  bestiitigt,  theils  ergiinzt  und  ab- 
geandert,  insbesondere  der  Antheil  der  Abtei  an  der  Gerichts- 
barkeit  in  Montauban  von  der  Hiilfte  auf  ein  Yiertheil  herab- 
gesetzt  ^.  Diese  Yertriige  wurdeu  demniichst  uoch  mehrmals  be- 
stiitigt  \ 

Dies  ist  die  wahre  Geschichte  der  Griindung  von  Montauban, 
wie  sie  aus  authentischen  Urkunden  erhellt.  Darin  ist  iSichts 
zu  entdecken,  was  einen  Tadel  gegen  die  Abtei  oder  einzelne 
Aebte  von  Saint-Audard  rechtfertigen  kounte.  Die  Monche  von 
Saint-Audard  hatten  etwa  im  Jahr  1130  die  strenge  Regel  des 
hl.  Benedictus  angenonimen  ^;  sie  hatten  im  Jahr  1119  den  Papst 
Calixtus  IL  zu  Gast,  als  derselbe  vom  Concil  aus  Toulouse  nach 
Cahors  reiste  *> ;  und  es  wiirde  sich  nicht  erklaren  lassen ,  wie  sie 
bei  dem  Papst  Eugen  III.,  dem  Erzbischof  Arnold  von  Narbonne 
und  dem  Bischof  Raimund  von  Toulouse  hatten  Schutz  finden 
konnen,  wenn  ihre  Beschwerden  ungerechtfertigt  gewesen  wiiren. 


1  Vergleich  v.  6.  iNIai  1149,  Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg.  1874)  Instrum.  S.  184, 
185:  Hist.  de  Montauban  Bd.   1  S.   72—74:  Hist.  de  Languedoc  Bd.  2  S.  463. 

2  Gall.  Christ.  Bd.  13  (v.  1874)  S.  226;  Hist.  de  Montauban  Bd.  1  S.  75—80. 

3  Urk.  V.  13.  Oct.  1231,  Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg.  1874)  Instrum. 
S.  188—191;  Hist.  de  Montauban  Bd.  1  S.   75—80. 

*  Dies  geschah  im  Juni  1270  zu  Aigues-Mortes  durch  Alphons,  Grafen 
von  Touloiise  und  Poitiers  (Bruder  des  Konigs  Ludwig  des  Heiligen)  und 
seine  Gemahlin  Johanna  von  Toulouse ,  Tochter  des  Grafen  Raymund  VII. ; 
dann  durch  Philipp  VI.  im  Juli  1328,  durch  Karl  VII.  im  Jahr  1442  und 
durch  Ludwig  XI.  Vgl.  Gall.  Christ.  Bd.  13  (Ausg,  1874)  S.  226,  und 
Hist.  de  Montauban  Bd.  1  S.  80 — 83.  Inzwischen  war  die  Abtei  durch  die 
im  Corpus  juris  canonici  (cap.  5  extrav.  comm.  lib.  3  tit.  2.  de  praeb.  et 
dignit.)  enthaltene  Bulle  des  Papstes  Johann  XXII.  vom  25.  Juni  1316  zum 
Bisthum  erhoben.  Vgl.  auch  Gall.  Christ  Bd.  13  (Ausg.  1874)  S.  226  (wo 
die  Jahreszalil  1317  angegeben  wird). 

^  Mary-Lafon  in  dcr  Hist.  de  Montauban  S.  XIII. 

^  Hist.  de  Languedoc  Bd.  2  S.  384.  zum  Jahr  1119:  Hist.  de  IMontauban 
Bd    1  S.  373. 


Kapitcl  09.    Griintlung  von  Montaiihan.  291 

Gleichwohl  ist  eine  Sage  entstanden ,  die  dahin  gelit,  dass 
der  Abt  und  die  Monche  von  Montauriol  (Mons  A.ureolus)  ein 
garstiges  Kecht  unter  dom  Namcn  „jus  cunni"  ausgeiibt  und 
dadurch  ilire  Leute  erbittert  und  zur  Auswanderung  genothigt 
hiitten.  Scliou  Le  Bret  (1068)  erwahnt  diese  Erziihlung,  mit  dem 
Bemerken,  dass  sie  eine  grobe  Verleumdung  sei,  welche  die  Cal- 
vinisten  erfunden  hatten  ^  Mit  Beziehung  auf  Le  Bret  giebt  auch 
die  Histoire  de  Languedoc  an ,  dass  iiber  den  Ursprung  von 
Montauban  Fabeln  durch  die  Protestanten  verbreitet  seien^."  Die 
neuen  Herausgeber  der  Geschichte  von  Montauban  sind  ebenfalls 
der  Meinung,  dass  jene  Erzahlung  keinen  Glauben  verdiene,  und 
dass  sie  vou  den  Albigensern  und  Calvinisten  in  LTmlauf  gesetzt 
worden  sei  ''\  Leider  sind  in  keinem  dieser  Werke  die  Na- 
men  und  Schriften  der  betreffenden  Albigenser  oder  Calvinisten 
angegeben ;  und  es  ist  mir  nicht  moglich  gewesen,  die  Entstehungs- 
zeit  jener  Sage  und  die  ersten  Yerbreit^r  derselben  genau  zu  er- 
mitteln  '*.  Ein  Zeitgenosse  von  Le  Bret,  niimlich  Cathala-Coture, 
schreibt,  man  behaupte,  die  L^rsache  der  Unzufriedenheit  der  Be- 
wohner  von  Montauriol  sei  die  gewesen.  dass  der  Abt  und  die 
Monche  von  allen  neuvermahlten  Frauen  eine  gewisse  Abgabe  unter 
dem  Namen  „jus  cunni  oder  cunnagii"  erhoben  hjitten;  zwar  finde 
sich  dariiber  keine  Urkunde  im  Archiv  der  Stadt  Montauban:  doch 
sei  es  eine  Ueberlieferung  '".  An  einer  andern  Stelle  erzahlt  der- 
selbe  Schriftsteller ,  die  Monche  von  Saint-Audard  hiitten  unter 
ihren  Herrenrechteu  das  „jus  cunui"  gehabt ;  dieser  Ueberrest 
alter  Barbarei  sei  gleich  entehrend  fiir  die,  welche  darauf  An- 
spruch  erhoben,  wie  fiir  die,  welche  sich  deraselben  unterwarfen ; 


1  Hist.  cle  Montaiiban  S.  58.  59. 

'  Hist.  de  Languedoc  Bd.  2  S.  438. 

3  Hist.  de  Montauban,  Note  8.  S.  3G2  — 37-1. 

^  In  der  Geschichte  der  Albigenser  von  Peter  von  Yaulx-Cernay,  einem 
Zeitgenossen  und  Gegner  des  Grafen  Raimund  von  Toulouse  (die  in  Guizot's 
Werken  Bd.  14,  Paris  1824,  abgedruckt  ist) .  findet  sich  noch  Nichts  von 
einer  solchen  Erzahlung.  Ebensowenig  habe  ich  Etwas  dariiber  in  den  Ge- 
schichtswerken  iiber  Aquitanien  von  Peter  Louvot  und  von  Johann  Bouchet 
gefunden.  August  Galand  (1634)  spricht  zwar  schon  (S  191)  von  der  Harte 
(„durete")  des  Abts  von  Saint-Audard.  giebt  jedoch  nicht  an,  worin  die  Harte 
bestanden  habe.  Nach  Veuillot  (2.  Aufl.  S.  290)  soll  die  Sage  bis  1564  un- 
bekannt  gewesen  sein. 

^  Cathala-Coture,  Memoire  sur  la  generalite  de  Montauban,  citirt  in  der 
Hist.  de  Montauban  Bd.  1  S.  368.  Im  Extrait  du  memoire  de  la  generalite 
de  Montauban,  dresse  par  ordre  de  Monseigneur  le  Duc  de  Bourgogne  en 
1699,  bei  Boulainvilliers  Bd.  5  S.  174-262.  habe  ich  den  angefiihrten  Satz 
nicht  gefunden. 


292  Kapitel  69.     Griinduiig  von  Montaiiban. 

die  Monche  hatten  mit  der  aussersten  Harte  Losegeld  fiir  dies 
Recht  von  den  Bewohnern  MontaurioVs  gefordert,  bis  die  Letzteren, 
um  diesen  Bedriickungen  ein  Ziel  zu  setzen,  den  Schutz  des 
Lehnsherrn,  Grafen  von  Toulouse,  angerufen  hatten  ^.  Worin  das 
„jus  cunni",  dieser  vermeintliche  ,,Ueberrest  alter  Barbarei",  be- 
standen  habe,  wird  von  Cathak-Coture  nicht  angegeben.  Man 
konnte  vermuthen,  es  sei  eine  Heirathsabgabe  gewesen,  die  irr- 
thiimlich  als  ein  L^eberrest  alter  Barbarei  betrachtet  wurde  ^.  Alleiu 
dle  ganze  Erzahlung  vou  dem  ..jus  cunni"  und  der  dadurch  ver- 
ursachten  Emporung  gehort  in  das  Gebiet  der  Sage,  als  deren 
Entstehungszeit  bis  zur  Entdeckung  einer  iilteren  Quelle  das  sieb- 
zehnte  Jahrhundert  anzunehmen  ist;  sie  wird  durch  den  geschicht- 
lich  festgestellten  Hergang  der  Griindung  von  Montauban  wider- 
legt  ^.  Hierdurch  verliert  der  Streit,  der  sich  iiber  die  Natur  des 
jus  cunni  erhoben  hat,  fiir  die  vorliegende  Untersuchung  jede 
Bedeutung  ^.  Auf  der  Erzalilung  von  Cathala-Coture  beruhen  alle 
spateren  Angaben  iiber  das  jus  cunni  der  Aebte  vou  Saint-Audard, 
worin  die  Erzahlung  von  Cathala-Coture  theils  wiederholt.  theils 
ausgeschmtickt   und    zu    der  bestimmten  Behauptung   entstellt  ist. 


1  Cathala-Coture  Bd.  1  ^.  134. 

-  Herr  Archivdirector  Dr.  Pfaunensehmid  zu  Colmar  vermuthet,  ..cunagium" 
sei  eine  alte  Heirathsabgabe  gewesen,  da  das  Wort  vou  cuua  (Wiege)  her- 
kommen  und  danach  eine  Abgabe  fiir  Erwerbung  des  Heimathsrechts  bedeuten 
konne ;  dies  hatten  Feinde  der  Kirche  iu  die  unziichtige  Bedeutung  eines  ,.jus 
ciinni"  (vulvae)  umgedeutet. 

^  Die  Behauptung  von  Peuchet-Chanlaire  (S.  "24) ,  dass  die  Nachricht  des 
Cathala-Coture  der  am  Allgemeinsteu  augenommenen  iMeinung  der  Schrift- 
steller  entspreche ,  ist  offenbar  uuei-heblich ,  da  die  allgemeine  oder  ottent- 
liche  Meiuung   flir  Feststellung  geschichtiicher  Thatsachen  keinen  Werth  hat. 

*  Le  Bret  (Hist.  de  Montauban  S.  58,  59)  meinte,  unter  jus  cunni  sei  das 
Miinzrecht  zu  verstehen.  Diese  Annahme  ist  zwar  etymologisch  moglich,  je- 
doch  aus  folgenden  Griinden  nicht  haltbar.  Die  Ausiibung  des  Miinzrechts 
konnte  keinen  Yorwand  zur  Auswanderung  gewahren ;  auch  findet  sich  in 
Werken  iiber  ^liinzwesen  keine  Spur  davon ,  dass  die  Abtei  Saint-Audard 
jemals  ein  Miinzrecht  aiisgeiibt  hat;  im  Jahr  1144  stand  vielmehr  das  Miinz- 
recht  dem  Bischof  von  Cahors  zu,  welcher  die  Gerichtsbarkeit  iiber  die  Abtei 
Saint-Audard  hatte.  Dies  ist  durch  Baron  Chaudruc  de  Crazannes  (S.  141 — 144 ) 
nachgewiesen.  Doch  irrt  derselbe,  indem  er  (auf  S.  140 — 146)  aus  der  Unhalt- 
barkeit  der  durch  Le  Bret  aufgestellten  Vermuthung  voreilig  die  weitere  Fol- 
gerung  zieht,  das  jus  cunni  der  Aebte  von  Montauriol  sei  mit  dem  ..droit 
honteux  de  prelibation"  gleichbedeutend  gewesen.  Denn  es  fehlt  ein  Beweis 
fiir  die  Annahme,  dass  die  Aebte  von  Montauriol  in  der  fraglichen  Zeit  (vor 
1144)  iiberhaupt  ein  jus  cunni  gehabt  hatten,  und  umsomehr  dafiir ,  dass  ein 
solches  Recht  rait  dem  droit  de  pr^libation  iibereinstimme.  Daher  ist  der 
Irrthum  des  Herrn  von  Crazannes  grosser,  als  derjenige  von  Le  Bret. 


Kapitel  70.    Sehiedsurtheil  vnm  21.  April  1486  (Catalonien).  293 

dass  die  Aebte  von  Saint-Aiulard  das  Herrenrecht  der  ersten 
Nacht  gehabt  und  ausgeiibt  hiitten  ^  Diese  Meinung  ist  nach 
dem  Gesagten  vrdlig  unbegriindet. 

yil.    Spaiiipii. 

a.    Catalonien. 
Schiedsnrfheil  <lf'S  Konhjs  Fndinmnl  vom  21.  April  14S6. 

Kapitel  70.  In  Deutschland  und  Frankreich  sind  einige 
Schriftsteller  des  neunzehnten  Jahrhunderts  der  Meinung,  in  Ca- 
talonien  halie  das  jus  primae  noctis  gegolten  ^  unter  dem  Xamen 
„arcia"  ^  oder  „ferma  d'espoli  forzada"  "^  oder  ..firma  de  esposa 
forzada"  '"  oder  ^derecho  de  prelibacion"  ^  In  Deutschland  wird 
sogar  beliauptet,  das  jus  primae  noctis  sei  in  Catalonien  bis  gegen 
Ausgang  des  fiinfzehnten  Jahrhunderts  in  einer  anderwarts  kaum 
gekannten  Ausdehnung  ausgeiibt  worden;  erst  im  Jahre  14S6,  zu- 
folge  einer  Emporung  der  wiithenden  Bauern,  hatten  die  hartkopfi- 
gen  Barone  Cataloniens  in  eine  Ablosung  jenes  beriichtigten  Rechts 
eingewilligt '.  —  In  einer  spanischen  Rechtsgeschichte  des  neun- 
zehnten  Jahrhunderts  findet  sich  der  Satz,  das  Herrenrecht  der 
Unkeuschheit  habe.  mit  der  Beschrankung  auf  den  Tag  der  Hoch- 
zeit,  in  Catalonien  uuter  dem  Xamen  „derecho  de  prelibacion'* 
bestanden,  und  zwar  bei  Heiratlien  der  Vasallen  oder  Bauern  „de 
remenza"  ®.     Zur   Begriindung    dieser    Behauptung   verweist    man 


1  Dulaure.  Montauban  S.  27  — •29;  Dulaure,  Adel  S.  242.  243:  Peuchet- 
Chanlaire.  Dep.  Tarn  et  Garonne  S.  23 — 24;  Saint-Fargeau.  unter  Montau- 
ban,  S.  629—630:  Mary-Lafon  bei  Guilbert  unter  Montauban,  Bd.  2  S.  516, 
vgl.  S.  535:  de  Labessade  S.  10,  11.  28.  43  Vgl.  dagegen  Yeuillot  2.  Aufl. 
S.  280-295. 

^  HelfFerich  S.  408—412:  Sugenheim  1861.  S.  35;  de  Lagreze  1864.  S.  131, 
132;  Wolf  S.  90;  de  Lagreze  1867,  S,  396—398:  Augsb.  Allg.  Ztg.  v.  18.  April 
1868.  S.  1662:  Liebrecht  1869.  S.  810;  Sugenheim  1872.  S.  930:  Liebrecht 
1874,  S.  138;  Kulischer  S.  228:  Liebrecht   1879.  S.  416.  417. 

3  Helfferich  S.  408. 

"  Wolf  S.  90:  Liebrecht   1869,  S.  811  und  1879.  S.  417. 

5  Lagreze  1867.  S.  397;  Augsb.  Allg.  Ztg.  v.   18.  April   1868.  S.   1662. 

6  Wolf  S.  90;  Liebrecht  1869,  S,  810.  ebenso  1874,  S.  138  und  1879, 
S.  416,  417.  — :  Das  Wort  „derecho  de  prelibacion"  konnte  (wenn  es  in  Ur- 
kunden  vorkame)  als  das  Recht.  den  Hochzeitswein  zu  kredenzen ,  oder  als 
ein  Anspruch  auf  den  ersten  Hochzeitswein  (als  Heirathsabgabe)  erklart 
werden. 

'  Sugenheim  1861.  S.  35.  36  und   1872.  S.  930:  Kulischer  S.   229. 
5  Marichalar  Bd.  6  S.  67. 


294  Kapitel  70.    Schiedsurtheil  vom  21.  April  1486  (Catalonien). 

auf  Aiisspruche  von  Pellicer  ^  und  Pujades^,  ferner  auf  ein  arat- 
liches  Aktenstiick  voni  Jahr  1786^,  auf  eine  in  den  Cortes  zu 
Cadix  im  Jahr  1811  gemachte  Mittlieilung  des  Abgeordneten 
Lloret'*,  auf  eine  iu  Catalonien  iiber  das  derecho  de  prelibacion 
erhaltene  U eberlieferung  ^  und  hauptsachlich  auf  ein  Schiedsurtheil 
des  Konigs  Ferdinand  II.,  des  Katholischen,  vom  21,  April  1486. 

Es  giebt  jedoch  keine  Urkunde,  die  zu  der  Annahme  be- 
rechtigt,  dass  in  Catalonien  das  jus  primae  noctis  in  anerkannter 
Geltung  gewesen  sei  ^"  und  dass  eine  Ablosung  desselben  im  Jahr 
1486  stattgefunden  habe. 

Das  Schiedsurtheil  vom  21.  April  1486  wird  von  den  Yer- 
fassern  der  vorerwahuten  Rechtsgeschichte  zu  den  grossten  Ruh- 
mesthaten  desKonigs  Ferdinand,  des  Katholischen,  gerechnet^;  und 


•  Danach  sollen  die  Vasallen  de  remenza  in  Catalonien  verpflichtet  gewesen 
sein,  die  Jungfrauen ,  mit  denen  sie  sich  verheiratheten ,  dem  Grundherrn 
zu  iibergeben,  damit  derselbe  sie  vor  dem  Ehegatten  deflorire. 

2  Vgl.  unten  S.  303,  304. 

^  Namlich  im  Papel  instructivo  acerva  del  derecho  de  la  Real  Corona, 
Impreso  en  Madrid  el  ano  1786.  betreffend  das  Collegiatstift  San  Juan  de 
Abadeses,  soU  gesagt  sein,  die  Grundherren  in  Catalonien  hatten  ihren  Em- 
phyteuten  und  Leibeigenen  'die  Verpflichtung  auferlegt,  sich  von  dem  Herren- 
recht  zu  befreien,  was  darin  bestand ,  dass  in  der  ersten  Nacht  ihrer  Hoch- 
zeit  der  Grundherr  Zutritt  ins  Ehebett  hatte.     Marichalar  Bd.  6  S.  67.  68. 

*  Danach  bezahlte  die  Stadt  Verdu  in  Catalonien  flir  das  ..derecho  de 
pernada"  siebzig  catalonische  Pfund  an  den  Grundherrn ,  das  Kloster  von 
Poblet.  und  die  Quittung  dariiber  wurde  als  Belag  zu  den  Rechnungen 
des  Gemeindevermogens  genommen.  Marichalar  Bd.  6  S.  67.  (Ueber  das 
durch  die  Grabmaler  der  Kijnige  von  Aragon  beriihmte  Cistercienserkloster 
Poblet  oder  Populetum  vgl.  Dict.  de  Trev.  Bd.  6  S.  848.)  Nach  einer  Nach- 
richt,  die  ich  dem  Herrn  Professor  Dr.  Vicente  de  la  Juente  zu  Madrid 
verdanke,  wird  erzahlt,  dass  der  Abt  von  Poblet  das  derecho  de  pernada  von 
einem  ungenannten  Grundherrn  abgetreten  erhalten ,  jedoch  nicht  in  Natur 
ausgeiibt,  sondern  in  eine  Geldabgabe  verwandelt  habe.  Vielleicht  liegt  diesen 
Berichten  ein  etymologisches  Missverstandniss  zu  Grunde.  Das  Wort  pernada 
bezeichnet  zwar  einen  Stoss  mit  dem  Fuss,  zugleich  aber  auch  eine  Art 
landlicher  Gebaude ,  wie  daraus  erhellt,  dass  in  der  Const.  Cath.,  Buch  4 
Tit.  28  Art.  3,  „mas,  o  pernada.  o  borda  en  seiioria  de  algu"  zusammengestellt 
werden.  Dies  fiihrt  zu  der  Moglichkeit,  das  ..derecho  de  pernada"  als  eine 
Abgabe  fiir  Besitzveranderungen  zu  erklaren. 

'  ^So  gab  es  in  der  Umgegend  von  Villanueva  ein  Schloss  mit  dem  Xamen 
de  malos  usos;  dort  zeigte  man  ein  besonderes  Zimmer,  worin  der  Gruiidherr 
jenes  abscheuliche  Recht  ausgeubt  hatte.'"     ilarichalar  Bd.  6  S.  68. 

^  In  demselben  Sinn  schreibt  mir  Herr  Manuel  de  Bofarull  aus  Barcelona: 
,,A  la  consulta  sobre  el  .jus  primae  noctis  en  Cataluiia,  puedo  contestar  ase- 
gurandole,  que  no  consta  en  documento  alguno  ejercito  legalmente." 

7  Marichalar  Bd.   6  S.  496. 


Kapitel  70.    Schiedsurtheil  voni  21.  April  148G  (Catalonien).  205 

schon  Ciirita  riihmt  den  Muth  und  die  Klugheit,  womit  der  Kijnig 
die  fragiichen  Streitigkeiten  beendete  ^  Ein  Abdruck  steht  in 
den  Pragmaticas  y  altres  Drets  de  Cathalunya  vom  Jahr  1589, 
die  auf  Anordnung  des  Kimigs  Philipp  II.  vom  Jahr  1585  zu- 
folge  eines  Beschlusses  der  Cortes  herausgegeben  wurden  ^.  Die 
Yeranlassung  zu  diesem  Schiedsurtheil  war  folgende.  In  einem 
Theil  des  Fiirstenthums  Catalonien  ^  lebten  Bauern,  die  mit  dem 
Beinamen  „de  remenga"  oder  „dels  mals  usos"  "^  bezeichnet 
wurden ,  weil  sie  an  die  Scholle  gebunden  und  zur  Entrich- 
tung  der  sechs  sogenannten  mals  jasos '"  oder  einzelner  derselben 
verpflichtet  waren.  Yier  dieser  „mals  usos",  und  zwar  remenca 
personal ,  intestia ,  xorquia  und  cugucia ,  standen  bereits  in 
den  Usatges  de  Barcelona  und  in  den  Constitutiones  de  Ca- 
thalunya  verzeichnet,  waren  also  gesetzlich  festgestellte  Ver- 
pflichtungen ''.  Unter  ^remenca  personal"  (personlicher  Loskauf) 
verstand  man  die  Horigkeit    in    dem  Sinn,    dass    der  Bauer    eine 


*  Qurita.  lib.  20.  fol.  346:  .,y  fue  una  de  las  cosas  en  que  mas  el  Rey 
senalo  su  gran  valor,  y  prudencia".  .  .  . 

-  Ferrando  segon  en  la  sententia  arV)itral  dada  eu  Guadalupe  a  21.  de 
Abril  1486,  in  Pragmat  Drets.  lib.  4  cap.  13,  S.  97—106,  wozu  noch  eine 
Declaratoria  und  zwei  Yerordnungen  vom  9.  Jan.  1488,  daselbst  S.  106  — 109, 
gehoren.  Dass  dieser  Abdruck  mit  dem  Original  iibereinstimmt ,  wird  bis 
auf  Weiteres  angenommen  werden  miissen.  —  Vgl.  Curita  lib.  20,  a.  1486, 
fol.  326,  327  und  fol  345  v.  bis  346  v. :  Sempere  S.  248.  249;  Sugenheim  1861, 
S.  35.  36:  Marichalar  Bd.  6  S.  68  und  495  bis  499;  Wolf  S.  91  und  93.  — 
Bei  Pujades,  lib.  6  cap.  152  n.  11,  findet  sich  das  unrichtige  Datum  vom 
21.  April  1468,  woraus  derselbe  Irrthum  in  die  Werke  von  Mariano  Nougues 
y  Secall  und  Bascle  de  Lagreze  iibergegangen  i.st.  Vgl.  Lagreze  1864,  S.  131 
und  1867,  S.  396,  397.  Auf  denselben  Irrthum  und  einen  hinzugetretenen 
Druckfehler  ist  das  Datum  des  11.  April  1468  zuriickzufiihren.  in  der  Augsb. 
Allg.  Ztg.  V.  18.  April  1868,  S.  1662.  und  bei  Liebrecht  1869,  S.  810.  811, 
ebenso  1874,  S.   139  und  1879,  S.  417. 

^  Xamentlich  in  den  Grafschaften  Ampurias  und  Rossellon.  wie  Curita 
fol.  346  berichtet. 

■*  Lateinisch  lautete  der  Ausdruck :  .,pagenses  de  redimentia  et  malorum 
usum".     Pragmat.  Drets  S.   109. 

5  Der  Ausdruck  ..mal  us"  heisst  an  sich  Missbrauch.  So  bezeichnete  man 
die  fraglichen  Gebrauche,  obwohl  sie  rechtmassig  entstanden  waren 

*>  Pragmat.  Drets  S.  98,  in  Art.  1  des  Urtheils,  s.  unten  S.  299  Anm.  1.  — 
Vgl.  Curita  fol.  346;  Pujades  Bd.  4  S.  333  (lib.  6  cap.  152  n.  3);  Marichalar 
Bd.  6S.  497;  Wolf  S.  73,  91:  Helfferich ,  2.  Abth.  Nr.  IV.  S.  407.  wo  auf 
die  Usatici  Barchionenses .  cap.  69,  109—112.  verwiesen  wird  (beziiglich  der 
exorquiae  und  cuguciae).  Helfferich  meint  (S.  399),  dass  die  Usatici  Barchio- 
nenses  vor  allen  librigen  Werken  Europ"as  aus  dem  elften  Jahrhundert  durch 
Form  und.Inhalt  hervorragten,  und  dass  sie  von  einem  hohen  Bildungsstand 
Cataloniens  Zeugniss  ablegten. 


296 


Kapitel  70.    Sehiedsurtheil  vom  21.  April  1486  (Catalonien). 


Abfindungssumme  an  den  CTruudherrn  zahlen  musste,  wenn  er 
heirathen  oder  die  SchoUe  verlassen  wollte  ^  ^lntestia"  be- 
zeichnete  das  Recht  des  Grundherrn  auf  den  dritteu  Theil  (zu- 
weilen  die  Halfte)  vom  Nachlass  eines  Bauern,  der  ohne  Testa- 
ment  starb,  ^Cugucia"  war  das  Recht  des  Grundherrn,  mit 
einem  Bauern,  dessen  Frau  Ehebruch  g-etrieben  hatte,  deren  Yer- 
mogen  zur  Halfte  zu  theilen,  und.  falls  der  Ehebruch  mit  Zu- 
stimmung  des  Ehemanns  begangen  war ,  das  ganze  Yermogen 
der  Frau  allein  einzuziehen.  „Xorquia''  oder  ^exorquia"  war 
ein  Anspruch  des  Gruudherrn  auf  gewisse  Giiter  des  Bauern, 
der  keine  Kinder  hinterliess  ^.  Die  beideu  andern  mals  usos, 
namlicli  ,,arcia"  und  „ferma  despoli  foreada",  waren  durch  Ge- 
wohnheitsrecht  eingefiihrt  und  bereits  in  einigen  Urtheilen  als 
reehtsbestaudig  anerkannt  ^.  ^Areia"  scheint  ein  Anspruch  des 
Grundherrn  fiir  den  Fall  gewesen  zu  sein,  dass  ein  Gebiiude 
durch   Schuld   des  Bauern    abbrannte ''.     Die    „ferma  despoli    for- 


1  Ygl.  die  catalonischen  Urkunden  bei  Ducange  iinter  Redimere  und  die 
in  der  folgenden  Note  vermerkten  Stellen. 

-  Pujades  Bd.  4  S.  333  bis  336;  Cutchet  bei  Marichalar  Bd.  6  S.  497.  498; 
de  Lagreze  1867,  S.  397.  — >Sonst  bedeutet  cugucia  soviel  wie  adulteri,  d.  i. 
Ehebruch,  und  exorquia  das  Recht  einer  kinderh^sen  "\Vitt\ve  an  der  Erb- 
schaft  ihres  Ehemanns.  Im  Usatge  „Similiter  de  rebus"  (abgedruckt  in  den 
Const.  Cath.  Buch  4  Tit.  29,  Art.  1  S.  379),  worauf  die  vorstehende  Stelle 
beruht.  wird  das  Wort  cugucia  in  der  Bedeutung  von  Ehebruch  gebraucht: 
„Semblantment,  de  las  cosas,  o  de  las  possessions  dels  cugu^os.  si  la  cugucia 
es  feta  los  marits  no  volents,  ells,  e  lurs  senyors  per  eguals  parts  hauran 
tota  la  part  de  las  mullers  adulteras  E  si  peruentura  (50  que  Deu  no  vulloj 
ab  voluntat,  0  ab  manament,  o  ab  consentiment  del  marit  sera  feta  la  cugucia, 
daquells  aytals  hajau  los  senyors  lur  dret  entegrament"  .  .  .  Ygl.  auch  Brinck- 
meier  unter  Cugiis,  Bd.  1  S.  564. 

3  Das  Urtheil  v.  21.  April  1486  erwagt  in  Art.  1  (Pragmat.  Drets  S.  98), 
dass  „las  ditas  Arcia ,  e  Ferma  despoli  sien  per  consuetut  introduidas ,  de  las 
quals  segons  som  informats  se  ha  algunas  vegadas  feta  justitia  en  lo  dit 
Principat".     Vgl.   unten  S.  299. 

■*  Den  Ausdruck  „arcia^-  (der  bei  Labernia  nicht  zu  finden  ist)  erkliirt  Pu- 
jades  als  das  Recht  des  Grundherrn,  aus  den  Frauen  der  Bauern  die  Ammen 
fiir  seine  Sohne  zu  nehmen.  Andere  meinen ,  „que  era  lo  que  del  vasallo 
exigia  el  seSor  en  caso  de  incendiarse  alguna  c^asa  rural  por  culpa  di  pri- 
mero".  Das  V^^ort  wiirde  nach  der  erstern  Annahme  von  dem  lateinischen 
W^ort  arcere  (zwingen) ,  nach  der  andern  von  arder  (in  Brand  setzen)  abge- 
leitet  werden  konnen  Luis  Cutchet  halt  die  zweite  Auslegung  fiir  die  rich- 
tige,  wogegen  Marichalar  und  JNIanrique  sich  der  Auslegung  von  Pujades  an- 
schliessen.  Ygl.  Marichalar  Bd.  6  S.  497,  498.  Mir  scheint  dic  Auslegung, 
die  Cutchet  vorzieht,  in  der  That  den  Vorzug  zu  verdienen.  und  die  Aus- 
legung  des  Pujades  mit  dem  Zusammenhang  des  Schiedsurtheils  vom  21.  April 


Kapitel  70.    Schiedsurtheil  voin  21.  April   1486  (Catalonien).  297 

gada"  ^  bestand  in  der  Yerptiichtung-  dos  Ildrigen,  fiir  seinen 
Heirathsvertrag- ,  daniit  derselbe  Giiltigkeit  erlange,  die  Unter- 
schrift  (ferma)  seines  Herrn  einzuholen  -.  Die  Bauern  fuhrten 
Beschwerde  iiber  Missbriiuche ,  die  bei  Ausiibung  der  mals  usos 
eingerissen  waren,  und  klagten  iiber  viele  andere  ihnen  vermeint- 
lich  zu  Unrecht  auferlegte  Lasten  und  Abgaben.  Aus  diesen 
Beschwerden  entwickelte  sich  ein  Aufstand,  worin  die  Bauern 
viele  Zerstorungen  ausfiihrten  und  sonstige  Yerbrechen  begingen  ^. 
Konig  Ferdinand  und  Konigin  Isabella  suchten,  bevor  sie  den 
Krieg  gegeu  die  Mauren  in  Granada  eroffneten,  in  den  durch 
ihre  Heirath  vereinigten  Konigreichen  so  viel  wie  moglieh  Frieden 
herzustellen,  zuerst  in  Galicien  und  Castilien'^,  dann,  auf  der 
Reise  nach  Cordova,  in  Catalonien.  Dort  wurden  die  Streitig- 
keiten  zwischen  den  pagesos  de  remenca  und  ihren  Grundherren 


1486  unvereinbar  zu  sein.  Dort  %vird  da.-;  Reclit  des  Grundherrn,  die  Ammen 
fiir  seine  Kinder  aus  den  Frauen  der  Bauern  auszuAvilhlen .  im  ersten  Satz 
des  neunten  Artikels  (vgl.  unten  S.  301  Anm.  1),  dagegen  die  arcia  schon  im 
ersten  Artikel  behandelt;  und  die  Yoraussetzung  von  Pujades,  dass  Artikel  9 
in  den  beiden  ersten  Satzen  eine  authentische  Erklilriing  der  arcia  und  der 
ferma  despoli  forgada  enthalte,  Aviderspricht  dem  Wortlaut  und  der  Stellung 
dieses  Artikels.  —  Bei  HelfTerich  (S.  407 — 409)  findet  sich  das  Missverstiind- 
niss,  dass  Pujades  den  Ausdruck  arcia  auf  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht 
beziehe ;  unter  dem  Einfluss  dieser  irrigen  Voraussetzung  sucht  HelfFerich 
das  Wort  aus  semitischen  Wurzeln  zii  erklaren.  Gegen  diese  Erkliirung  vgl. 
WolfF  S.  91,  Anm.   1. 

1  ..Ferma  despoli"  heisst  wcirtlich  :  Unterschrift  des  Eheversprechens ;  daher 
ferma  despoli  for^ada :  die  erforderliche  Unterschrift  des  Eheversprechens. 

-  Brief  des  Herrn  Manuel  de  Bofarull  v.  16.  Mai  1878:  .  .  .  „no  significa 
mas  que  la  firma  que  pone  el  Seiior  en  el  contrato  de  esponsalicio,  y  que  el 
vasallo  esta  obligado  (forzat)  a  pedir.  para  que  aquel  valga :  lo  que  queda 
confirmado  en  codigos  y  documentos"  ...  —  Francisco  Solsona  bemerkt  zur 
Erklarung  der  „firma  de  espolio  forzado"  [forzada  ?]  ,  dass ,  vsrenn  der  Vasall 
sein  Gut  zur  Sicherheit  fiir  die  dos  seiner  Frau  bestellte,  der  Grundherr  fiir 
die  Bestiitigung  dieser  Verpflichtung  oder  Hypothek  den  dritten  Theil  des 
laudemium  erhielt.  Francisco  Solsona.  Stilus.  fol.  77,  bei  Pujades  lib.  6  cap. 
152  num.   12.  Bd.  4  S.  337. 

3  Vgl.  Art.  1  und  Art.  19  —  21  des  Urtheils  vom  21.  April  1486,  Pragmat. 
Drets  S.  98  und  102—104.  Eine  Aufzilhlung  der  zahlreiehen  Verbrechen 
findet  sich  in  Art.  19. 

"*  Vgl.  dariiber  Curita  lib.  20,  fol.  346.  Danach  suchten  sie  in  Galicien 
den  Don  Rodrigo  Osorio,  Grafen  von  Lemos,  der  Ponferrada  besetzt  hielt.  zum 
Gehorsam  zu  bringen.  und  sie  ernannten  flir  die  Zeit  ihrer  Abwesenheit  zwei 
Statthalter  fiir  Castilien.  Sie  schlichteten  ausserdem  Streitigkeiten  zwischen 
dem  Herzog  von  Alva  und  dem  Don  Pedro  de  Stuuiga,  Grafen  von  Miranda, 
und  versohnten  in  Bejar  den  Herzog  Don  Alvaro  de  Stuiiiga  mit  seinem 
kiinftigen  Nachfolger  gleichen  Namens. 


298  Kapitel  70.    Schiedsurtheil  vom  21.  April  1486  (Catalonien). 

durch  die  Weisheit  des  Ivonigs  imd  durch  die  Klugheit  seines 
Vicekanzlers  Alfonso  de  Caualleria  ^  zur  Beruhigung  des  Landes 
geschlichtet. 

Die  Entscheidung  des  Konigs  Ferdinand  vom  21.  April  1486 
erging  in  einem  Saal  des  Klosters  Sanctae  Mariae  zu  Guadalupe, 
auf  Grund  eines  Sehiedsrichtervertrags,  welchen  die  betheiligten 
Grundherren  am  28.  October  1485  und  die  pagesos  de  remenca 
e  0  dels  mals  usos  am  8.  Xoyember  1485  vor  Notar  Ludovicus 
Gonzalez  unterschrieben  hatten;  zugleich  aber  auch  kraft  k5nig- 
licher  Machtvollkommenheit;  nach  Anhorung  beider  Parteien, 
durch  deren  Vertreter  die  Antriige  schriftlich  und  miindlich  ge- 
stellt  und  vertheidigt  waren,  und  nach  Anhorung  des  koniglichen 
Rathes  (Reyal  Consell)  ^.  Die  Vollmacht  der  Parteien  und  die 
Entschei^ung  des  Konigs  bezog  sich  nicht  bloss  auf  die  „mals 
usos" ,  sondern  auf  alle  grundherrlichen  Streitigkeiten  der  Par- 
teien  ^.     Das  Urtheil   enthalt  achtundzwanzig  Artikel.     Der   erste 


1  Curita  lib.  20.  fol.  346  v. 

2  Vgl.  die  Einleitung  des  Urtheils,  Pragmat.  Drets  S.  97  und  98. 

^  Im  Eingang  des  Urtheils  (Pragmat.  Drets  S.  98)  ist  der  Gegenstand  des 
Compromisses  und  Urtheils'durch  folgende  Stelle  bezeichnet.  Es  ist  zu  ent- 
scheiden,  „en,  e  sobre  los  debats ,  e  questions,  e  differentias,  plets.  e  littigis 
judicials,  e  extrajudicials  que  entre  ells  eren.  e  podien  esser,  per  causa,  e 
occasio  de  las  remengas,  e  servituts  personals.  e  dels  mals  vsos ,  axi  vulgar- 
mente  appellats.  e  censos,  e  altres  servituts.  e  drets  deuallants  de  aquells, 
compresos,  e  compresas,  en  lo  dit  poder  a  nos  per  las  ditas  parts  donat,  per 
la  claiisula  de  incidents,  dependents  e  emergents,  en  lo  dit  poder  contenguda, 
no  obstant  la  exceptio  en  aquella  adjecta  per  part  dels  dits  senyors  o  senyo- 
ras,  com  per  aquella  tantsolament  hajan  exceptat  los  censos,  tascas  e  altras 
servituts  e  drets  alla  exprimits  ,  pertanyents  a  lurs  predecessors,  e  a  ells,  e 
axi  condicion  alment  faeren  la  dita  exceptio,  la  qual  volgueren  segons  la  po- 
sitio  de  aquella  hagues  loc,  si  e  quant  las  ditas  servituts,  drets  a  ells  per- 
tanguessen,  hont  no  es  dubte,  que  la  declaratio  de  la  dita  conditio,  si  las 
servituts  ja  ditas,  e  drets  axi  exceptas  de  justitia  pertanyen,  o  no  pertanyen 
als  dits  senyors.  pertany  fer  a  nos,  per  virtut  de  la  dita  clausula  dels  inci- 
dents  e  dependents  etc.  per  la  qual  com  dit  es  nos  fou  dat  poder  de  declarar, 
y  pronuntiar  sobre  las  ditas  servituts,  e  drets,  com  a  cosas  incidents,  e  mer- 
gents.  e  dependents  dels  sis  mals  vsos,  pus  per  la  exceptio  no  foren  exceptas, 
si  no  ab  conditio,  e  modificament,  asaber  es,  si  e  quant  als  dits  senyors  per- 
tanyen.  com  las  ditas  paraulas  se  hajan  entendre  de  dret,  e  no  de  fer  .  e  per 
virtut  de  la  submissio  ,  e  submissions  a  nos  fetas .  e  per  \o  que  de  paraula 
es  estat  supplicat  per  part  dels  dits  senyors,  supplicant  nos  pronuntiassem  los 
manassem  pagar  los  delmes,  censos,  e  tascas,  e  los  altres  drets  que  a  ells 
pertanyen  sobre  los  dits  pagesos.  per  raho  dels  masos ,  e  terras  que  aquells 
tenen.  proseguint  dauant  nos  los  dits  drets  contra  los  dits  pagesos,  e  los  dits 
pagesos  opposant,  e  exceptant  contra  aquells,  e  axi  cora  a  Rey,  e  senyor,  per 


Kapitel  70.    Sehiedsurtheil  vom  21.  April  14SG   (Catalonien).  299 

Artikel  verwandelt  die  sechs  mals  usos  in  Geldabgaben,  und 
zwar  fiir  jeden  Bauerngutsbesitzer  in  sechzig  Sous  Kapital  oder 
drei  Sous  Jahresrente  ^ ,  vorausgesetzt,   dass  sich  seine  Yerpflicli- 

la  .<uprema  potostat  que  nos  tenim,  e  de  la  (jual  deuem .  podem .  e  som  ten- 
gut.s.  e  volem  vsar"  .  .  .  (^"urita.  lib.  20,  fol.  346.  riihmt  die  Klugheit  des 
Konigs  hauptsachlich  deshalb .  weil  er  die  Parteien  veranlasste ,  alle  ihre 
Streitigkeiten  (todas  sus  difFerencias)  seiner  Entscheidung  zu  unterwerfen. 

'  Art.  1  des  Urth.  v  21.  April  1486  (Pragmat.  Drets  S.  98,  99):  „Prime- 
rament  per  quant  per  part  dels  dits  pagesos  nos  es  feta  gran  clamor.  de  sis 
mals  vsos  vulgarment  appellats,  dient,  que  indegudament.  e  injusta.  en  gran 
carrec  de  conscientia  los  dits  senyors  exigen  dells ,  compellint  los  per  via  del 
sagrament,  e  homenatge  quels  han  prestat,  a  pagar  los  dits  sis  mals  vsos,  los 
qual  son  Eeutenga  personal,  Ititestia ,  Cugucia ,  Xorquia ,  Arcia,  e  ferma  des- 
poli  forgada,  e  jatsie  que  per  vsatges  de  Barcelona,  e  constitutions  de  Catha- 
lunya  sien  fiindadas  las  ditas  Remenca  personal,  Intestia.  Xorquia.  e  Cugucia, 
e  las  ditas  Arcia ,  e  Ferma  despoli  sien  per  consuetut  introduidas .  de  las 
quals  segons  som  informats  se  ha  algunas  vegadas  feta  justitia  en  lo  dit 
Principat,  empero,  attes  que  los  dits  mals  vsos,  per  molts,  e  diuersos  abusos 
que  de  ells  se  han  seguit,  contenen  euident  iniquitat.  los  quals  sens  gran 
pecat,  e  carrec  de  conscientia  nos  potien  per  nos  toUerar,  e  attes  que  los  dits 
mals  vsos,  si  fossen  temperats ,  reduits ,  e  limitats  a  alguna  moderacio .  serien 
toUerables ,  pero ,  per  quant  de  aquells  se  han  seguits  grans  debats .  e  que- 
stions ,  e  per  lo  Rey  don  Alfons  nostre  oncle  de  gloriosa  recordatio .  e  apres 
per  lo  senyor  Rey  nostre  pare  de  eterna  memoria,  e  per  lo  Princep  don 
Carlos  com  a  son  Loctinent  general  nostre  germa  paradis  haja,  foren  los  dits 
mals  vsos  inhibits,  e  interdits,  e  de  lauors  enga  per  los  dits  pagesos  no  se 
han  pagat,  e  jatsie  per  nos  la  declaratio  que  lo  dit  Rey  don  Alfon.-^  feu ,  sie 
reuocada  en  la  Cort  que  vltimament  celebram  en  la  ciutat  de  Barcelona.  re- 
stituint  los  dits  senyors  en  la  possessio .  en  que  abans  de  la  dita  declaratio 
estauan ,  contra  la  qual  reuocatlo  per  nos  feta .  per  los  dits  pagesos  moltas, 
e  diuersas  cosas  contra  ella  se  han  allegat.  majorment  dient.  que  no  eren 
part  en  la  Cort,  e  los  qui  eren  de  Cort,  e  inportunauen  la  dita  nostra  reuo- 
catio  ,  empatxant  la  conclusio  de  la  Cort.  si  aquella  no  fahien,  eren  parts, 
e  aduersaris  lurs ,  de  lo  qual  sens  dubte  tenim  certa ,  e  indubitada  notitia. 
De  ques  segueix,  que  los  dits  mals  vsos.  encara  ques  moderassen.  e  limitassen, 
nos  rebtien  per  las  ditas  parts,  en  sos  limits,  que  la  vna,  e  laltra  nois  tras- 
passassen,  e  trangredissen ,  pertant  sententiam.  arbitram,  e  declaram,  que  los 
dits  sis  mals  vsos  no  sien.  ne  se  obseruen.  ne  hajan  loc,  nes  pugan  demanar, 
ne  exigir  dels  pagesos,  ne  de  sos  descendents.  ne  dels  bens  dells,  ne  de 
alguns  de  ells,  ans  per  la  present  nostra  sententia  aquells  abolim,  extinguim, 
anichilam,  e  declaram  los  dits  pagesos.  e  sos  descendents  perpetualment  esser 
liberts.  e  quitis.  de  ells.  e  de  cada  vn  dells.  Pero  perqiie  a  alguna  mode- 
ratio  se  potien  reduir.  e  axi  podrien  subsistir  segons  dit  es,  pertant  en  satis- 
factio ,  e  compensatio  de  aquells  pronuntiam ,  e  declaram ,  los  dits  pagesos 
esser  obligats.  e  tenguts  dar,  e  pagar  per  cascun  capmas  sexanta  sous  de 
nioneda  Barcelonesa ,  o  tant  cens  ,  quant  montaran  los  dits  sexanta  sous  Bar- 
celonesos,  a  raho  de  vint  milia  per  mil,  lo  qual  dit  cens  se  haja  a  pagar  del 
die  que  la  present   nostra  sententia  se  publicara  a   vn  any ,    e    de    aqui  auant 


300  Kapitel  70.    Schiedsiirtheil  vom  21.  April   1486  (Catalonien). 

tung"  auf  alle  sechs  mals  usos  erstreckte;  daher  hatte  ein  Bauer, 
der  vorher  nur  zu  einzelnen  der  sechs  mals  usos  verpflichtet  war, 
fiir  jeden  derselben  zehn  Sous  Kapital  oder  sechs  Pfennige  Rente 
zu  zahlen  ^.  Die  niiheren  Bestimmungen  iiber  die  Ausfiihrung  des 
Art.  1 ,  namentlich  iiber  Zahlung  und  Beschaffung  der  nothigen 
Gelder,  sind  in  Art.  2 — 5  enthalten.  Art.  6  gewahrt  den  Bauern 
Rechtsschutz  gegen  Misshandlungen  der  Grundherren.  Art.  7 
ordnet  die  Form  des  Huldigungseides,  den  die  Bauern  ihren 
Grundherren  zu  leisten  hatten,  sofern  ihnen  dieser  Eid  nicht 
durch  Privileg  erlassen  war  ^.  Tn  Art.  8  wird  das  Recht  der 
Grundherren  festgestellt,  iiber  die  drei  Monate  lang  verlassenen 
Grundstiicke  frei  zu  verfiigen  ^.  Der  Art.  9  verbietet  den  Grund- 
herren  die  Ausiibung  von  fiinf  vermeintlichen  Rechten,  namlich: 
a)  die  Weiber  der  Bauern  wider  ihren  Willen,  mit  oder  ohne 
Bezahlung,  fiir  ihre  Sohne  oder  fiir  andere  Kinder  als  Ammen 
zu  nehmen;  b)  bei  Heirathen  der  Bauern  mit  ihren 
Frauen  die  erste  Nacht  zu  schlafen,  oder  zum  Zei- 
chen  der  Herrschaft,  nachdem  dic  Frau  sich  zu  Bett 
gelegt  hat,  iiber  sie,  die  Frau,  hiniiberzuschreiten; 
c)  die  Tochter  oder  Sohne  der  Bauern,  mit  bder  ohne  Bezah- 
lung,  zu  Frohndiensteh  zu  zwingen;  d)  von  deu  Bauern  eine 
gewisse   Lieferung   (deren   Sinn    nicht  deutlich   isf*),    ferner    das 

quiscun  any  en  semblant  die.  E  aquell  iinposam  sobre  los  dits  pagesos ,  e 
masos  que  als  dits  sis  mals  vsos  eren.  e  son  tenguts ,  e  obligats,  mentre  que 
luit  no  fera,  lo  qual  cens  declaram  se  puga  per  los  dits  pagesos  luir,  e  quitar 
a  la  dita  raho  de  vint  milia  per  mil,  ab  ago ,  que  si  la  dita  luitio  se  fara  de 
cens.  o  censos  que  pertangan  a  senyors  ecclesiastics,  o  laics  a  qui  pertanyera 
la  senyoria  directa  dels  dits  masos ,  ab  vincle  que  aquella  peruenga  en  per- 
sonas  algunas ,  que  la  peccunia  pagadora  als  dits  senyors  per  causa  de  la 
luitio,  y  quitament  del  dit  cens  hajan  de  posar  los  dits  pagesos  en  la  taula 
de  la  ciutat  de  Barcelona,  per  esmergar  aquella  per  indemnitat  dels  dits 
senyors,  o  senyoras."  —  Die  in  diesem  Artikel  erwahnte  Verordnung  aus 
Barcelona,  wodurch  die  Verfiigung  des  Konigs  Alfons  aufgehoben,  und  die 
Wiedereinsetzung  der  Grundherren  in  ihre  Rechte  ausgesprochen  wurde.  er- 
ging  im  Jahr  1481 ;  sie  steht  abgedruckt  in  den  Const.  Cath.  Buch  4  Tit.  29 
Art.  6.  S.  382.  unter  der  Ueberschrift :  „Ferrando  segon  en  la  primera  Cort 
de  Barcelona,  Any  1481,  Cap.  15."  Vgl.  auch  die  Gesehichtserziihlung  bei 
Qurita  lib.  20  fol.  346  (Ruckseite). 

*  Vgl.  Art.  2  des  Urth.  v.  21.  April  1486  und  die  dazu  erlassene  Decla- 
ration  vom  9.  Jan.   1488,  Art.   1,  Pragmat.  Drets  S.  106—108 

-  Zu  Art.  7  wurde  die  Ausfiihrungsverordnung  vom  9.  Jan.  1488  (Pragmat. 
Drets  S.   109)  erlassen. 

^  Dieser  Artikel  wurde  beziiglich  der  Minderjalirigcn  durch  Art.  2  dcr 
Declaratoria  vom  9.  Jan.  1488  (Pragmat.  Drets  S.   107)  gemildert. 

*  Die  Stelle  lautet :  ,.a  pagar  los  ou*s  apellats  de  cugul".     Marichalar    und 


Kapitel  70.    Scliiedrturtheil  voni   21.  April   148(5  (Catalonieii).  301 

Bestliaupt  nach  ihrem  Tode,  fiir  die  Einwilligung  zu  ihrer  Be- 
erdigung,  zu  begehren;  e)  <len  Bauern  den  Gcwerbsverkauf  von 
Weizen,  Hafer,  Wein  und  andern  Sachen  zu  untersagen  \  In 
Art.  10  und  11  wird  iiber  eine  grosse  Zahl  von  Reallasten  an- 
geordnet,  dass  sie  nur  dann  und  insoweit  gefordert  werden 
konnen ,  als  entweder  Heberegister  vorgelegt  werden ,  worin 
sie  verzeichnet  stehen,  oder  beziiglich  verbrannter  oder  sonst 
verlorener  Heberegister  der  Yerlust  und  der  friihere  Inhalt  nach- 
gewiesen  wird,  oder  die  einzelnen  Bereclitigungen  auf  recht- 
mtissiger  possessio  longi  temporis  beruhen.  Die  Bereehtigungen 
sollen  nicht  gelten,  wenn  die  dafiir  vorgelegten  Heberegister  ge- 
falscht,  oder  die  Berechtigungen  durch  Arglist  oder  auf  prekare 
Art  entstanden  sind.  Alle  hiernach  nothwendigen  Beweise  soUen 
binnen  fiinf  Jahren  vor  dem  Konig  oder  vor  dessen  Deputirten 
gefiihrt  werden  ^.     Die  Art.  12  und  18   treifen  Bestimmung  iiber 


Manrique  (Bd.  6  S.  500)  gestehen  ihr  Unvermogen ,  diese  Stelle  zu  erklaren. 
Das  Wort  „cugul''  heisst  Maulesel:  und  „ous"  ist  vielleicht  aus  iisus  in  der 
Bedeutung  einer  Abgabe  zu  erklaren.  Indessen  ist  der  Sinn  einer  Abgabe, 
die  den  Namen  „cugul"'  flihrte,  nicht  verstandlich. 

■  Art.  9  des  Urth.  v.  21.  April  1486  (Pragmat.  Drets  S.  100):  ,,Item  sen- 
tentiam,  arbitram.  e  declaram.  que  los  dits  senyors  no  pugan  pendre  per  didas 
pera  sos  fills ,  o  altres  qiialseuol  creaturas  las  mullers  dels  dits  pagesos  de 
remen(ja,  ab  paga.  ne  sens  paga .  menys  de  lur  voluntat,  ni  tampoc  pugan 
1  a  p  r  i  ni  e  r  a  n  i  t  q  ii  e  I  o  s  p  a  g  e  s  p  r  e  n  m  u  II  e  r  d  o  r  m  i  r  a  b  e  1 1  a, 
0  en  senyal  de  senyoria.  la  nit  de  las  bodas,  apres  que  la 
m  u  1 1  e  r  s  e  r  a  c  o  I  g  a  d  a  e  n  I  o  1  i  t ,  p  a  s  s  a  r  s  o  b  r  e  a  q  u  e  1 1 .  s  o  b  r  e 
la  dita  muller.  ni  pugan  los  dits  senyors,  de  la  filla,  o  fiU  del  pages, 
ab  paga.  ni  sens  paga  seruir  se  dell ,  sens  sa  voluntat,  ne  pugan  com- 
pellir  los  dits  pagesos  a  pagar  los  ous  apellats  de  cugul,  ni  dret  de  flas- 
sada  de  cap  de  casa,  la  qual  se  preten,  que  quant  moria  lo  pages,  lo  senyor 
lals  prenia,  e  nols  dexaiia  soterrar,  fins  que  la  millor  flasada  de  casa  se  hauia 
presa,  ne  tampoc  pugan  los  dits  senyors,  o  senyoras  per  respecte  de  la  senyo- 
ria  que  sobre  los  dits  pagesos  tenen  (puix  no  sie  per  respecte  de  la  senoria 
del  castell ,  o  iurisdictio)  fer  los  prohibitions  que  no  venan  forment,  ciuada, 
vi.  e  altras  cosas  amenut,  e  si  tals  prohibitions  per  los  dits  seiiors  los  eren 
fetas,  pronuntiam.  e  declaram ,  aquellas  esser  nullas,  e  que  aquellas  no  ob- 
stants,  los  dits  pagesos  pugan  vendre,  e  axaugar  per  menut,  e  com  ben  vist 
los  sera  los  dits  forments ,  ciuada ,  vi ,  e  altras  cosas ,  sens  licentia ,  e  permis 
dels  dits  senyors."  Vgl.  Sempere  S.  24G ,  247:  Sugenheim  1861,  S.  35: 
Marichalar  Bd.  6  S.  500 :  Wolf  S.  73. 

2  Die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  in  Art.  10  und  11  behandelten  Abgaben 
uud  Lasten  erhellt  aus  dem  Anfang  des  Art.  10:  „Item  sententiam,  declaram, 
e  arbitram,  que  los  pagesos  no  sien  obligats  pagar  polls  de  astor,  ni  pa  de 
ca,  ni  dret  appellat  brocadella  de  cauall,  ni  tanpoc  los  dits  seiiors  pugan 
compellir  los  dits  pagesos  a  vsos  appellats  cussura,  enterca,  alberga,  menjar 
de  balles,  pernas  de  carnsalada,  arages,    molto,  e  afiel  magenc ,  porc ,  e  ouella 


302  Kapitel  70.    Schiedsurtheil  vom  21.  April   1486   (Catalonien). 

die  Frage,  ob  und  inwieweit  jene  Bauern  zur  Yerausserung  ihrer 
beweglichen  uud  unbeweglichen  Habe  berechtigt  sind.  Art.  14 
betrifft  Aufbringung  der  Kosten  fiir  Unterhaltung  der  koniglichen 
Schlosser.  Art.  15  handelt  vom  Beweis  zur  Feststellung  verschie- 
denei*  Grundlasten  ^.  Die  Art.  16—18  enthalten  allgemeine  Be- 
stiramungeu  iiber  die  Tragweite  der  Entscheidung,  dass  dieselbe 
niimlich:  a)  sich  nur  auf  diejenigen  gruudherrlichen  Dienste  und 
Abgaben  bezieht,  die  aus  dem  Besitz  von  Grrundstiicken  erwach- 
sen,  also  nicht  auf  diejenigen,  die  sich  auf  einen  andern  Rechts- 
grund  stiitzen  (Art.  16);  b)  unbedingt  Geltung  haben  soll,  un- 
geachtet  aller  entgegenstehenden  Gesetze  und  Gewohnheitsrechte 
(Art.  17);  c)  fiir  kirchliche  Personen  nur  unter  dem  in  Art.  18 
gemachten  Yorbehalt  der  papstlichen»Zustimmung  in  Wirksamkeit 
tritt.  In  Art.  19—21  werden  die  Bauern  wegen  der  veriibten 
Gewaltthiitigkeiten  zur  AYiederherstellung  (Art.  19),  Strafe  (Art.  20) 
und  Schadenersatz  (Art.  21)  verurtheilt.  Der  Art.  19  bestimmt 
eine  Frist  von  zehn  Tagen  fiir  die  Herausgabe  der  koniglichen 
Sclilosser  und  Festungen.  Der  Art.  20  verhangt  gegen  die  in 
einer  verschlossenen  Anlage  verzeichneten  Hauptverbrecher  die 
Todesstrafe  mit  Yermogenseinziehung,  unter  dem  Yorbehalt,  aus 


ab  let,  scanal  de  porc.  vi  de  trescol.  vi  appellat  den  hesora.  sistella  de  rairas. 
carabassa  de  vi.  feix  de  palla,  cercols  de  hota,  mola  de  moli,  ni  adob  de  resclo- 
sas,  blat  de  acapte.  jouas,  batudas,  jornals,  podadas,  femadas,  segadas.  traginas, 
e  altres  semblants  drets,  e  seruituts  personals.'^  Dann  folgen  die  naheren  Vor- 
schriften,  wovon  oben  (im  Text  von  S  301)  ein  Auszug  gegeben  ist.  Vgl.  Sem- 
pere  S.  247,  wo  leider  eine  deutsche  Uebersetzung  der  Urkunde  fehlt.  Die 
meisten  der  bezeichneten  Ausdriicke  sind  in  dem  catalonisch-spanischen  Worter- 
buch  von  Labernia  nicht  zu  finden,  was  zu  der  Vermuthung  berechtigen  diirfte. 
dass  die  fraglichen  Dienste  und  Abgaben  in  der  neuern  catalonischeu  Sprache 
unbekannt  sind.  Viele  der  bezeichneten  Lasten  scheinen  in  der  an  den 
Grundbesitz  der  Bauern  gekniipften  Verpflichtung  zu  Lieferungen  bestanden 
zu  haben,  z  B.  von  jungen  Falken  (poUs  de  astor) ,  von  Pferde-Geschmeide 
(brocadella  de  cavalls)  ,  von  Fassreifen  (cercols  de  bota) ,  von  Miihlsteinen 
(molas  di  moli),  von  gesalzenen  Schinken  (pernas  de  carn  salada,  Beinen  von 
gesalzenem  Fleisch),  oder  zu  andern  Handlungen,  z.  B.  Gestellung  von  Fuhr- 
werken  (traginas).  Beschneiden  von  Baumen  und  Reben  (podadas),  Besorgung 
von  Herbergen  (alberga),  Beihulfe  bei  Treibjagden  (batudas),  gemeinschaft- 
lichen  Arbeiten  C)o^'as)  und  Tagelohnarbeiten  (jornals).  Weiter  ist  es  mir 
nicht  moglich,  die  einzelnen  Lasten  zu  erklaren,  selbst  da,  wo  die  Worter  an 
und  fur  sich  leicht  zu  iibersetzen  sind,  z.  B.  porc  (Schwein) ,  ovella  ab  let 
(Schaf  mit  Milch .  also  .Mutterschaf) .  .scaiial  de  porc  (Schweine-Gedarm), 
arages  (AckerfckO.  Aucli  konnen  sich  in  den  vorstehenden  Erklarungen  Irr- 
thiimer  finden. 

*  Aufgezjihlt    werden    ..delmes.    primicias,  censos ,    tascas.  quints,    quarts, 
e  altres  drets  reals". 


Kapitcl   70.    Scliicdsurtheil  vom   21.  April  148G  (Catalonien).  303 

wichtigen  Grunden  eine  Umwandlung  dieser  Strafe  eintreten  zu 
lassen,  und  verurtheilt  alle  iibrigen  Bauern  zu  einer  blossen  Geld- 
strafe  von  5000  Liuras,  unter  Erlass  einer  gegeniiber  dem  Oheim 
des  Konigs  eingegangeuen  Yerpflichtung.  Die  Entschadigung  fiir 
die  Grundherren  ist  in  Art.  21  auf  zusammen  6000  Liuras  fest- 
gesetzt.  In  Art.  22  wird  den  Grundherren  aufgegeben ,  die  noch 
in  ihrer  Gefangenschaft  gehaltenen  Bauern  freizulassen.  Der 
Art.  23  richtet  an  die  zustiindigen  kirchlichen  Behorden  das  Er- 
suchen,  die  im  canonischen  Prozess  gegen  Bauern  eingeleiteten 
Untersuchungen  einzustellen  und  die  gegeu  dieselben  ausgespro- 
chenen  Excommunicationen  aufzuhebeu.  Xach  Art.  2-4  sollen 
alle  Streitigkeiten  der  Parteien  durch  dies  Urtheil  entschioden 
sein ,  daher  die  schwebenden  Einzelprozesse  eingestellt ,  und 
keine  neuen  Civil-  oder  Straf-Prozesse  wegen  der  Yergangen- 
heit  zugelassen  werden.  Art.  25  enthalt  eine  Yerfiigung  zu 
Gunsten  des  Yicekanzlers  Alfonso  de  Cavalleria.  Art.  2(3  setzt 
die  Bedingungen  fest,  unter  denen  andere  Bauern  als  die  pagesos 
de  remenca  sich  den  Bestimmungen  dieses  LTrtheils  unterwerfen 
konnen.  Art.  27  bestimmt ,  wann  und  inwieweit  das  L^rtheil  fiir 
andere  als  die  durch  Schiedsrichtervertrag  vereinigten  Grundherren 
und  Bauern  in  Kraft  treten  soll.  Art.  28  endlich  behalt  dem 
Konig  das  Recht  vor,  nothigenfalls  dies  Urtheil  auszulegen,  zu 
erganzen  und  zu  berichtigen. 

Also  wurde  durch  das  Schiedsurtheil  vom  2L  April  14.S6 
eine  grosse  Zahl  mannigfaltiger  Streitigkeiten  entschieden.  Wah- 
rend  die  sechs  sogenannten  mals  usos  in  den  fiinf  ersten  Artikeln 
in  Geldleistungen  verwandelt  wurden,  erfolgte  in  Art.  9  die  Auf- 
hebung  vdn  verschiedenen  Missbrauchen  ohne  Entschadigung.  Es 
ist  daher  ein  Irrthum,  anzunehmen,  einer  der  im  ersten  Artikel 
aufgeziihlten  mals  usos ,  namlich  die  Ferraa  despoli  forcada, 
habe  nach  Art.  9  darin  bestanden,  dass  sich  der  Gruudherr  bei 
Heirathen  seiner  Bauern  in  der  ersten  Nacht  in  das  Bett  der 
jungen  Frau  legte,  bevor  ihr  Mann  sie  beriihrte  K     Auch  ist  eine 


^  Dieser  Irrthum  findet  slch  bei  Pujades  lib.  6  cap.  152  num  11  und  12 
(Bd.  4  S.  336):  Marichalar  Bd.  6  S.  67;  Lagreze  1864,  S.  131,  132,  und  1867, 
S.  398.  Es  ist  unerklarlich,  "wie  Pujades  ein  „Zeichen  der  Eimvilligung  oder 
Unterschrift"  zum  Ehevertrag  darin  finden  konnte.  dass  der  Grundherr  sicli  in 
das  Bett  legte.  Pujades  giebt  selbst  zu.  dass  seine  Erklarung  schwer  glaub- 
haft  sei;  und  er  vermag  gegen  die  ihm  entgegenstehende  Erklarung  Solsona's 
kein  sprachliches  Bedenken  zu  erheben.  El-  meint  nur,  die  Beschreibung,  welche 
er  von  der  Ferma  despoli  forgada  gebe,  sei  in  Art.  9  des  Urtheils  vom  21.  April 
1486  direct  ausgesprochen  und  miisse  deshalb  trotz  ihrer  Unglaubwiirdigkeit  als 


304 


Kapitel  70.    Schiedsiirtheil  voni  21.  April  1486  (Catalonien). 


solche  Aniiahme  mit  den  Worten  „ferma  despoli  forcada"  unver- 
einbar^;  und  es  wiirde  unbegreiflich  sein,  wenn  Konig  Ferdinand 
der  Katholische  als  Schiedsrichter  iiber  das  Herrenrecht  der  ersteu 
Xacht  dasselbe  nicht  ganzlich  aufgehoben,  sondern  in  eine  Geld- 
abgabe  verwandelt  hatte  ^.  Es  kann  sich  nur  fragen ,  ob  zu  den 
Missbriiuchen,  die  thatsachlich  bestanden  und  nach  Art.  9  ganz- 
lich  beseitigt  werden  sollten,  die  Ausiibung  eines  vermeintlichen 
jus  primae  noctis  gehort  hat.  Fiir  diese  Frage  ist  der  zweite 
Satz  dieses  Artikels  ^  naher  zu  priifen.  Die  wortliche  Ueber- 
setzung  lautet:  „Ebensowenig  konnen  sie  (d.  h.  die  Grundherren) 
in  der  ersten  Nacht,  wenn  der  Bauer  heirathet,  mit  seiner  Frau 
schlafen  oder  zum  Zeichen  der  Herrschaft  in  der  Hochzeitsnacht, 
nachdem  die  Frau  sich  zu  Bett  gelegt  hat,  iiber  sie,  die  genannte 


richtig  angenommen  werden.  Allein  gerade  darin  liegt  der  Irrthiim  von  Pujades, 
dass  er  den  Art.  9  auf  die  sechs  sogenannten  mals  vsos  (oder  einzelne  derselben) 
bezielit.  —  Derselbe  Schriftsteller  sucht  an  einer  andern  Stelle  seines  \Yerkes 
(lib.  6  cap.  152  num.  2  und  3,  Bd.  4  S.  332,  333),  unter  Berufung  auf  die  Be- 
richte  von  Pedi-o  Tomich,  Francisco  Calza  und  anderer  Schriftsteller ,  den 
Nachweis  zu  flihren,  dass  die  sechs  sogenannten  mals  vsos  nicht  lange  Zeit  nach 
Karl  d.  Gr.  durch  die  Mauren  in  Catalonien  eingefiihrt  und  auch  nach  Ver- 
treibung  der  Mauren  zur  Strafe  fiir  diejenigen  Christen ,  die  ihre  Hiilfe  im 
Kriege  gegen  die  Mauren  verweigert  hatten,  namlich  die  pagesos  oder  vasallos 
de  remenga.  aufrecht  erhalten  worden  seien.  Also  geht  die  (irrige)  Meinung 
von  Pujades  dahin.  dass  jenes  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  diirch  die  Mauren 
.  eingefiihrt  und  durch  Konig  Ferdinand  den  Katholischen  in  eine  Geldabgabe 
verwandelt  sei.  Nach  dem  Gesagten  irrt  Helfferich  (S.  407 — 409),  wenn  er 
meint ,  Pujades  gebe  nicht  an .  woher  er  die  Nachricht  habe ,  dass  die  malos 
U50S  von  den  Arabern  herrlihrten. 

1  Vou  esposa  oder  sponsa  forzada  ist  in  der  Urkunde  keine  Rede;  auch 
wiirde  der  Ausdruck  firma  de  esposa  forzada,  d.  h.  Unterschrift  der  gezwun- 
genen  Gattin  (oder  Braut) .  in  den  Zusammenhang  nicht  passen.  Daher  sind 
die  sprachlichen  Bemerkungen  Liebrecht's  (1874,  S.  139,  und  1879,  S.  418) 
und  des  Deutschen  Merkurs  (vom  17.  April  1880,  S.  124)  gegenstandslos. 

^  Nach  vorstehender  Erkliirung  ist  es  ungerechtfertigt ,  dass  Marichalar 
und  ^lanrique  gegen  „die  katholischen  Konige"  einen  Tadel  erheben,  indem 
sie  bemerken,  ihre  That  habe  (bloss)  darin  bestanden,  dass  sie  die  Verpflich- 
tung  einfiihrten,  jenes  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  durch  Summen  baaren 
Geldes  abzulosen.     Marichalar  Bd.  6  S.  68. 

3  Art.  9  des  Schiedsurtheils  vom  21.  April  1486,  oben  S.  301  (aus  der 
Ausgabe  von  1589);  ebenso  bei  Sempere  S.  246.  Vgl.  auch  Pujades  lib.  6 
cap.  152  num.  11  (Bd.  4  S.  336);  HelfFerich  S.  408;  Sugenheim  1861,  S.  35; 
Marichalar  Bd.  6  S.  68  und  500;  Wolf  S.  61;  Liebrecht  1869.  S.  810.  ebenso 
1874,  S.  139,  und  1879,  S.  417.  —  Pujades  fugt  folgende  spanische  Ueber- 
setzung  hinzu :  „Ni  tampoco  puedan  la  primera  noche  que  el  labrador  toma 
muger,  dormir  con  ella;  6  en  senal  de  senorio,  la  noche  de  las  bodas,  despues 
que  la  muger  estard  en  la  caroa,  pasar  sobre  dicha  muger." 


Kapitel  70.    Schiedsurtheil  vom  21.  Aj)!-!!  1486  (Catalonien).  30-5 

Frau,  liinubersclireiten."  Hier  ist  die  Rede  von  einem  Wahl- 
recht  des  Cf rundherrn ,  entweder  mit  der  Frau  zu  schlafen  oder 
nur  zum  Zeichen  der  Herrschaft  iiber  sie  hiniiberzuschreiten. 
Diese  Alternative  klingt  so  sonderbar,  dass  es  als  wiinschenswerth 
erscheint,  nahere  Aufklarung  dariiber  zu  erhalten,  ob  der  Satz, 
wie  er  in  der  Ausgabe  vom  Jahr  1589  abgedruckt  steht,  mit  der 
Urschrift  vom  Jahr  1486  iibereinstimmt,  oder  ob  etwa  ein  Yer- 
sehen  in  der  Abschrift  oder  im  Abdruck  vorgekommen  ist.  Wenn 
catalonische  Grrundherren  im  Ernst  den  Anspruch  erhoben  hatten, 
mit  den  Frauen  ihrer  Bauern  in  der  Hochzeitsnacht  zu  schlafen, 
und  wenn  sie  gar  unternommen  hatten,  einen  solchen  Anspruch 
zur  Durchfiihrung  zu  bringen,  so  hatte  dieser  Uebermuth  den 
Kernpunkt  der  Beschwerden  bilden  miissen,  die  von  den  Bauern 
gegen  die  Grundherren  erhoben  wurden;  und  doch  ist  davon  in 
der  Entstehungsgeschichte  des  Schiedsurtheils  keine  Rede.  Es 
wiire  unerkliirlich ,  dass  in  dem  sonst  gut  geordneten  Schieds- 
urtheil,  welches  achtundzwanzig  Artikel  enthalt  und  im  Druck 
zehn  Folio-Seiten  einnimmt,  bloss  vier  Halbzeilen,  mitten  unter 
andern  Bestimmungen,  dazu  dienen  sollten,  jene  ^S^ichtswiirdigkeit 
zu  beseitigen.  Der  Konig  wiirde  sich  auch  deutlicher  ausgedriickt 
liaben,  wenn  der  fragliche  Missbraucli  die  angegebene  Bedeutnug 
gehabt  hatte^;  er  wiirde  nicht  versaumt  haben,  in  der  Begriin- 
dung  des  Urtheils  die  Unsittlichkeit  eines  solchen  Anspruchs  her- 
vorzuheben;  und  er  wiirde  nicht  vergessen  haben,  dies  abscheu- 
liche  Recht  von  der  Bestimmung  des  Art.  16  auszunehmen ,  wo- 
rin  er  alle  in  Art.  1  — 15  bezeichneten  Rechte  bestehen  liess,  so- 
weit  sie  auf  andern  Griinden,  als  auf  den  Rechten  des  Ober- 
eigenthiimers  gegeniiber  den  Besitzern  der  Bauerngrundstiicke, 
beruhten  ^.     Alle    diese  Griinde    nothigen  zu    der  Annahme ,  dass 


1  Dies  ist  aiich  die  Meinung  des  Herrn  Manuel  de  Bofarull ,  der  mir  ge- 
schrieben  hat :  .  .  .  ,,pues  a  no  ser  una  formula ,  hija  de  un  abuso ,  nada 
costaba  al  legislador  que  corregir  las  costumbres,  expresar  claramente  el  acto 
de  violacion  del  Seiior .  y  derogar  la  ley  que  le  facultase ,  si  alguna  hubiese 
existido." 

2  Art.  16  des  Schiedsurtheils  v.  21.  April  1486,  Pragmat.  Drets  S.  102: 
,,Item,  per  que  no  es  nostra  intentio,  pronunciar  quant  als  dits  sis  mals  vsos, 
servituts,  censos,  e  tascas,  e  altres  drets  desusdits  tansolament  entre  los  dits 
senyor,  o  senors,  e  los  pagesos  que  son  dells  per  respecte  de  masias,  o  casas 
que  dells  tenen,  e  no  per  respecte  de  senyoria  de  castell,  loc,  terme,  o  juris- 
dictio,  segons  que  en  diuersos  capitols  es  estat  sufficientment  exprimit,  pero 
a  major  cauthela  declaram ,  que  en  la  present  nostra  sententia ,  arbitratio,  e 
declaratio,  quant  als  dits  drets  solament  sien  compresos  los  senyors.  e  senyoras 
dels   dits    pagesos,   e    de   qualseuulla   que   han    acostumat   vsar  dels  dits  mals 

Schmidt,  .Jns  iirimae  uottis.  20 


306  Kapitel  71.    Navarra.  Castilien.  Galicien.  Aragon. 

der  Anspruch,  der  im  zweiten  Satz  des  neunten  Artikels  erwahnt 
wird,  sich  auf  eine  symbolische  Handlung  beschrankte.  Hiernach 
wird  diese  Stelle,  sofern  kein  Fehler  im  Abdruck  vorliegt,  dahin 
verstanden  werden  mussen,  dass  die  Grundherren  als  Zeichen 
ihrer  Herrschaft  iiber  die  Besitzer  von  Bauerngiitern  bei  den 
Bauernhochzeiten  das  Recht  in  Anspruch  nahmen,  in  der  Hoch- 
zeitsnacht  iiber  die  junge  Frau,  wahrend  dieselbe  im  Bett  lag, 
hiniiberzuschreiten  * ;  und  dass  sie  zur  Rechtfertigung  dieses  Ge- 
brauchs,  zufolge  einer  Art  von  Rechtsiibertreibung,  vorgaben,  sie 
seien  eigentlich  zur  Ausiibung  des  bezeichneten  weitergehenden 
Herrenrechts  befugt ,  wodurch  sie  die  symbolische  Handlung 
scherzhaft  erkliirten. 

b.    Navarra,  Aragon,  Castilien  and  &alicien. 

Kapitel  71.  In  den  spanischen  Trovinzen  Aragon,  Navarra 
und  Castilien  sind,  wie  die  aus  Anlass  einer  Schrift  von  Bascle 
de  Lagreze  angestellten  Xachforschungen  ergeben  haben,  keine 
Spuren  von  einem  jus  primae  noctis  aufzufinden  ^.  Diese  An- 
uahme  ist  in  Beziehung  auf  Isavarra  und  Castilien  meines 
Wissens  unbestritten.  Ueber  Castilien  bemerken  Marichalar  und 
Manrique:  „Zur  Ehre  und  zum  Preise  von  Castilien  sei  es  gesagt, 
dass  wir  Nichts  gefunden  haben,  w^as  die  Existenz  solcher  Un- 
anstandigkeiten  beweisen  konnte."  ^  Dagegen  in  Aragon  und 
auch  in  Galicien  soll  nach  Behauptung  von  einigen  Schrift- 
stellern  der  Neuzeit  das  jus  primae  noctis  gegolten  liaben  *. 

In  Galicien  „beschrankte  sich  das  Herrenrecht  der  Un- 
keuschheit  auf  den  ersten  Tag  der  Hochzeit:  dies  Herrenrecht 
hiess  Peyto  Bordelo  und  bestand  in  der  Verpflichtung  der  Yasallen, 
ihrem  Grundherrn  die  ehelichen  Primizien  anzubieten"  '".  So  sagen 
die  Advokaten   Marichalar   und    Manrique,    ohne   Quellenangabe. 


vsos,  e  rebre  las  seruituts  personals,  o  altras.  no  per  causa  de  senyoria  de 
la  jurisdictio,  o  de  castell,  loc,  o  terme  de  vna  part,  e  solament  sien  compresos 
lo9  dits  pagesos,  e  o  posseidors  de  las  pagesias,  casas,  o  masias  del  altra  part. 
e  no  toc ,  ne  comprenga  a  cosa  alguna ,  que  sie ,  o  deuall  de  la  jurisdictio .  o 
preeminentias  dels  senyors  dels  castells,  locs.  o  parroquias,  o  per  raho  de 
aquellas. 

1  Vgl.  oben  Kap.  11. 

2  Lagreze    1867,    S.   394—396:    Helfterich  S.  418:    Augsb.  Allg.  Ztg.  Beil. 
V.  18.  April  1868.  S.  1662. 

^  Marichalar  Bd.  6  S.  68. 

*  Wolf  S.  90:  Liebrecht  1869.  S.  810.  ebeuso  1874.  S.  138,  140  und  1879. 
S.  416,  417. 

*  Marichalar  Bd.  6  S.  67.     Hier  fehlt  sogar  Jede  Erklarung  des,Au3druck3. 


Kapitel  71.    Navarra.  Castilien.  Galicien.  Aragon.  307 

Wolf  uiid  Liel)recht  bezeichnen  dies  Recht  als  jus  primae  noctis. 
Die  Nachriciit  ist  jedoch  giinzlich  beweislos,  daher  bis  zu  einer 
etwaigen  niiheren  Aufkliirung  nicht  zu  beriicksichtigen.  Zwar  er- 
liob  einmal  der  Ptichter  des  einem  Kloster  gehorigen  Castello  Torto 
gegen  die  Bewohner  von  Aranja  ^  den  Anspruch,  dass  ihre  Frauen 
jahrlich  zwei-  oder  dreimal,  selbst  wider  den  Willen  ihrer  Manner, 
zum  Kloster  kommen  miissten;  diese  Verpflichtung  wurde  durch 
ein  Urtheil  aufgehoben,  weil  sie  auf  keiner  Urkunde  und  keinem 
sicheren  Privileg  beruhte,  und  das  Gericht  annahm,  dass  diese 
Dienste  unschicklich  seien  und  iible  Folgen  haben  konnten^. 
Allein  es  ist  niclit  gesagt,  was  die  Frauen  im  Kloster  thun  sollten : 
vielleicht  handelte  es  sich  um  weibliche  Frohndienste ;  keinenfalls 
kann  aus  dieser  Urkunde  der  Beweis  eines  anstossigen  Rechts 
entnommen  werden^. 

Yon  Aragon  behaupten  Marichalar  und  Manrique,  in  Be- 
ziehung  auf  die  Herrenrechte  der  Unkeuschheit  sei  die  Stellung 
der  Aragonier  schlimmer  gewesen,  als  die  der  Catalonier  und 
Galicier,  weii  namlich  „in  Catalonien  und  Galicien  das  Recht 
des  Grundherrn  sich  auf  den  ersten  Tag  der  Hochzeit  beschriinkte, 
dagegen  die  Grundherren  in  Aragon  dies  Recht  vor  und  nach 
der  Hochzeit  hatten";  danach  „konnten  die  Grundherren  in  Ara- 
gon  kraft  ihrer  absoluten  Herrschaft,  wann  und  wie  sie  wollten, 
mit  den  Tochtern  und  Frauen  der  Yasallen  Ehebruch  treiben"  *. 
"SViire  dies  richtig,  so  wiirde  in  Aragon  nicht,  wie  einige  deutsche 
Schriftsteller  sich  ausdriicken^,  das  jus  primae  noctis  „im  aus- 
gedehntesten  Masse",  sondern  ein  anderer  Unfug  geherrscht  haben. 
Die  Nachricht  ist  jedoch  unbegrtindet,  denn  sie  stiitzt  sich  auf 
keine  zur  Ermittlung  geschichtlicher  Thatsachen  zulassigen  Beweis- 
mittel,  sondern  lediglich  auf  folgendes  Sophisma.  Nach  dem  Ge- 
wohnheitsrecht  von  Aragon  konne  ein  Herr  fiir  Uebelthaten,  die 
er  gegen  seine  Unterthanen  beging,  nicht  bestraft  werden,  weil 
er  keinen  irdischen  Richter  iiber  sich  habe,  abgesehen  vom  Bischof, 
der  iiber  die  Siinde  urtheile.  Daher  vermoge  weder  der  Ehegatte 
seine  Gattin,  noch  der  Yater  seine  Tochter  gegen  den  Herrn  zu 
vertheidigen,  ohne  der  Strafe  eines  Rebellen  zu  verfallen ;  ebenso- 
wenig    vermoge    ein    Weib    gegen    die    Unkeuschheit    des   Herrn 


1  Vermuthlich  ist  hierrait  Aranga  in  der  Provinz  Galicien  gemeint. 

2  Lagreze  1867,    S.  418    (aus    einer  durch  Don  Ramon  Barros  Sibelo  ver- 
offentlichten  Urkunde). 

3  Lagr^ze  1867.  S.  419.  "  Marichalar  Bd.  6  S.  67. 

'  Wolf   S.    90;    Liebrecht    1869.   S.  810,    ebenso    1874,   S.    138.    140    und 
1879,  S.  416,  417. 

20* 


308  Kapitel  72.    Gomera,  Palma  und  Teneriffa, 

Widerstand  zu  leisten,  so  dass,  wenn  Keuschheit  dera  Leben  vorzu- 
ziehen  sei,  das  Weib  in  einem  so  bedauernswerthen  Fall  sich  aus 
jenem  Conflict  nicht  anders  befreien  konne,  als  indem  es  sich  selbst 
das  Leben  nehme.  Also  hatten  die  Grundherren  in  Aragon  die 
Rechte  der  Unkeuschheit  vor  und  nach  der  Heiraifch  ihrer  Unter- 
thanenausiiben  konnen  ^  Es  wird  nicht  nothig  sein,  die  logischen 
Fehler  dieser  Beweisfiihrung  einzeln  zu  erortern.  Ware  sie  richtig, 
so  wiirde  sie  auf  die  Herren ,  die  keinen  irdischen  Richter  irber 
sich  haben,  nicht  bloss  in  Aragon,  sondern  in  allen  Theilen  des 
Erdkreises  Anwendung  finden. 

VIII.   Cauarische  Inseln.    Hanptlin^srecht. 

Kapitel  72.  Ueber  die  Bewohner  der  Inseln  Gomera  und 
Palma,  die  Heinrich  III.  von  Spanien  im  Jahr  1395  entdeckte, 
wird  in  der  Beschreibung  einer  im  Jahr  1447  durch  Portugiesen 
ausgefiihrten  Reise  zum  griinen  Cap  gesagt :  „ihre  Hiiuptlinge 
hatten  die  Vorkost  von  allen  Jungfrauen,  die  sich 
verheiratheten"^.  Manuel  de  Faria  y  Sousa  schreibt  dariiber: 
„Die  \Yeiber,  die  zu  verheirathen  waren,  wurden 
zuerst  von  den  Machthabern  deflorirt,  indem  sie  von 
denselben,  wenn  sie  sich  einander  besuchten,  zum 
Willkomm  gegeben  wurden."^  Diese  Bericlite  spreclien 
nicht  von  der  Hochzeitsnacht  und  enthalten  keine  Angabe  dar- 
iiber,  ob  die  Jungfrauen  freiwillig  oder  gezwungen  sich  den  Ge- 
liisten  der  Machtigen  iiberliessen.  Ware  daher  auch  die  Wahr- 
heit  dieser  Nachrichten,  deren  Quelle  nicht  bekannt  ist,  voll- 
stiindig  bewiesen,  so  wiirde  aus  der  bezeichneten  Unsitte  doch 
ein  Recht  der  ersten  Nacht  nicht  hergeleitet  werden  konnen. 

Der  Kaufmann  Aloysius  Cadamustus  (Aivise  vom  Hause  der 
Mosto)  aus  Yenedig  unternahm  im  Jahr  1505  eine  Schifffahrt  im 
Auftrag  des  Fiirsten  Infanten  Dom  Hurick  von  Portugal.  In  der 
Beschreibung  dieser  Reise  sagt  er  von  den  heidnischen  Bewoh- 
nern  der  Insel  Teneriffa :  „Sie  haben  kein  glauben  vnud  wissen 
von  keinem  Gott  zu  sagen.  Jeglicher  eheret  was  jn  gelust,  etlich 
die  Sonn,   etlich   den   Mon,  vnd   die  Planeten,    den   vnd   andern 


1  Marichalar  S.  66,  67. 

2  Walckenaer  Bd.  1  S.  76:  „leurs  chefs  avaient  les  premices  de  toutes 
les  vierges  qui  se  mariaient".     Vgl.  Demeunicr  Bd.  1  S.  237. 

3  Faria  y  Sousa  Bd.  1  Th.  1  Kap.  1  n.  12,  S.  13,  14:  .  .  .  „las  mugeres 
que  avian  de  casar,  primero  las  desfloravan  sus  Governadores :  davanlas  uno 
al  altro  por  festijo  quando  se  visitavan". 


Kapitel  73.    Der  Chodscha  der  Dusik-Kurden.  309 

abgottern  dienen  sie  mit  groSsem  aberglauben.  Ire  weyber  haben 
sie  nicht  gemeyn,  aber  einer  nimpt  wie  viel  jm  geliebt,  vnnd 
die  nemond  sie  nicht,  sie  seyend  dann  vor  von  dem 
Piirsten  geschwecht,  das  s-elb  ist  bey  jnen  ein  grosse 
ehere  vnd  lob."  *  In  diesem  Bericht  ist  von  der  ersten  Nacht 
und  von  einem  Herrenrecht  keine  Rede ,  obwohl  dies  von  neue- 
ren  Schriftstellern  ^  behauptet  vvird.  Cadamustus  beruft  sich  auf 
Erziihlungen,  die  er  in  Spanien  von  Gefangenen  aus  den  Ein- 
wohnern  TenerifFa's  gehort  haben  will  ^.  Es  kann  dahingestellt 
bleiben,  ob  solche  Erzahlungen  geniigen,  um  jenen  Gebrauch  zu 
beweisen;  ware  namlich  diese  Frage  zu  bejahen,  so  hiitte  der 
Gebrauch  auf  der  Insel  TenerifFa  in  einer  Gnade  bestanden,  um 
deren  Gewahrung  die  Fiirsten  gebeten  wurden ;  insofern  erinnert 
dieser  Gebrauch  an  Herodofs  Bericht  iiber  die  Adyrmachiden  *. 
Es  ist  daher  nicht  gerechtfertigt ,  dass  neuere  Schriftsteller  als 
geschichtliche  Wahrheit  verkiinden,  die  Caziken  auf  Teneriffa 
hiitten  das  jus  primae  noctis  gehabt^. 

C.   Galt  das  jus  primae  noctis  in  der  Neuzeit? 

I.  Asien« 

a.   Der  Cliodscha  (Priester)  bei  den  Dusik-Eurden. 

Kapitel  73.     Otto   Blau   berichtete   im   Jahr  1862  iiber   den 
Stamm  der  Dusik-Kurden ,    auf  Grund   von  Nachricliten,    die  ein 


1  Cadamosto,  Kap.  8,  Bl.  3  Riickseite.  —  Auf  derselben  Seite  ist  an  einer 
friiheren  Stelle  von  den  Bewohnern  TenerifFa's  gesagt:  „Sie  haben  auch  acht 
ampt  menner,  die  heissen  aie  Hertzogen,  deren  ampter  erben  nicht.'''  An 
einer  spateren  Stelle  derselben  Seite  sind  die  Ausdriicke  „Fiirst"  und  ..Konig'' 
als  gleichbedeutend  gebraucht.  Es  scheinen  also  in  dem  obenstehenden  Be- 
richt  mit  dem  Ausdruck  „Fiirsten"  die  Amtmanner  oder  Herzoge  oder  Konige 
gemeint  zu  sein. 

-  Walckenaer  Bd.  1  S.  300:  .  .  .  „Ils  ne  prenaient  une  vierge  qu'apre3 
avoir  propose  k  leur  seigneur  de  passer  la  premiere  nuit  avec  elle:  et  ceux 
qui  obtenaient  cette  grace,  s'en  croyaient  fort  honores."  Daraus:  Iselin  Bd.  1 
S.  356,  357:  Carli  Bd.   1  S.  175;  Th.  Waitz  Bd.  1  S.  460.        '  ' 

^  Cadamosto  Bl.  3  Riickselte:  „Wa  aber  etwann  ein  spitzfiindiger  sagen 
wolt,  woher  weyst  du  das?  dem  gib  ich  die  antwort,  die  umbligenden 
Insel  die  Christen  sind,  die  vberfallen  sie  zum  ofFtermal,  vnd  gemeynklich 
bey  nacht,  wa  dann  die  vnglaubigen  jm  scharmiitzel  vnderliegen,  so  fiiren 
sie  die  Christen  mit  jnen  gefengklich,  man  vnd  weib ,  die  also  von  jnen  ge- 
fengklich  jnn  Htspaniam  komen  sind,  die  haben  vns  solche  Ding  von  jnen 
gesagt." 

*  Vgl.  Kap.  33,  oben  S.  189.  »  Liebrecht  1879,  S.  419.  420. 


310  Kapitel  73.    Der  Chodscha  der  Dusik-Kiirden, 

turkischer  (vormals  preussischer)  Artillerieoffizier ,  W.  Strecker, 
bei  einem  Aufenthalt  in  Erzingan  nach  dortigen  Erkundigungen 
niedergeschrieben  hatte.  Darin  wird  das  jus  primae  noctis  in 
folgendem  Zusammenhang  erwahnt:  „Bei  Hochzeiten  wird  die 
Braut  mit  Sang  und  Klang  zu  Pferd  in  das  Haus  des  Brauti- 
gams  gefuhrt.  Der  Priester  (Chodscha)  hat  das  Yorrecht,  sie 
vom  Pferd  zu  heben;  die  Frauen  tragen  einen  spitzen  dach- 
artigen  Kopfputz  .  .  .  Bei  dem  jahrlichen  grossen  Fest 
hat  derChodscha  das  jus  primae  noctis,  indem  er,  nach- 
dem  die  Versammlung  ihm  die  Handflache  gekiisst  hat,  ausruft: 
Ich  bin  der  grosse  Bulle,  kein  Mastochse !  worauf  die  jiingst  ver- 
heirathete  der  anwesenden  Frauen,  welche  w^omoglich  erst  an 
demselben  Tage  Hochzeit  gemacht  hat,  zu  ihm  tritt  und  spricht : 
Ich  bin  die  junge  Kuh.  Bei  diesen  AVorten  werden  die  Lichter 
ausgeloscht,  und  die  Orgien  beginnen."  *  Dies  Zeugniss  ist  un- 
geeignet,  ein  jus  primae  noctis  zu  erweisen,  da  der  Inhalt  der 
Erzahlung  (abgesehen  vom  Mangel  einer  Angabe  iiber  die  Quelle 
derselben)  nicht  ersehen  lasst,.  wie  jene  Bezeichnung  auf  die 
fraglichen  Orgien  Anwendung  finden  soll.  Weder  von  einem 
Recht  des  Chodscha,  noch  von  einem  Hochzeitsgebrauch  ist  die 
Rede.  Vielmehr  wird  von  einem  jahrlich  gefeierten  Fest  ge- 
sprochen,  und  dabei  wird  mit  einer  freilich  unklaren  Wendung 
(flWomoglich")  hervorgehoben,  dass  selbst  neuvermahlte  Frauen 
sich  an  jenen  Orgien  betheiligten. 

Ein  Specialforscher  iiber  die  Kurden,  Peter  Lerch,  erhielt 
von  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Sanct- 
Petersburg  im  Jahr  1856  den  Auftrag,  seine  Studien  durch  per- 
sonlichen  Verkehr  mit  den  zu  Roslawl  (Gouvernement  Smolensk) 
eingeschlossenen ,  kriegsgefangenen  Kurden  fortzusetzen ;  er  ver- 
kehrte  in  Folge  dessen  mit  einigen  fiinfzig  Kurden  von  ver- 
schiedener  Herkunft  und  verschiedenen  Bildungsgraden  vom 
7.  Marz  bis  zum  26.  Mai  1856;  hierbei  suchte  er  sich  nicht  bloss 
iiber  die  Sprache,  sondern  auch  iiber  die  Sitten  der  Kurden  zu 
unterrichten.  Im  Bericht,  den  er  dariiber  am  19.  Juni  1856  er- 
stattete,  findet  sich  eine  Andeutung  von  den  Orgien  der  soge- 
nannten  Lichterausloscher,  dagegen  keine  Erwahnung  eines  jus 
primae  noctis  ^. 


'  Blau  S.  624.     Daraus:  Liebrecht  1879,  S.  422. 

2  M61anges  Aslat.  Bd.  2  S.  621  —  649.    aus  dem  Bull.  histor.-philol.  Bd.   14 
Nr.  5,  6. 


Kapitel  74.    Kurdistan.  311 

b.   Israeliten  und  Nestorianer  in  Eurdistan. 

Kapitel  74r.  Der  Moldauer  J.  J.  Beiijamin,  der  in  den  Jahren 
1840  bis  1855  Reisen  in  Asien  und  Afrika  machte,  stellt  im 
dreizehnten  Kapitel  seiuer  Reisebeschreibung  die  Vermuthung 
auf,  die  jetzt  in  Kurdistan  wohnhaften  Juden  und  Nestorianer 
seien  Nachkommen  der  durch  die  assyrischen  Konige  in  Gefangen- 
schaft  weggefiihrten  Juden,  aus  den  StJimmen  Sebulon  und  Naph- 
tali.  Er  schreibt  von  ihnen,  dass  sie  in  Knechtschaft  (Sklaver6i) 
der  Kurden  lebten,  mit  Steuern  belastet  seien  und  Beschimpfungen 
von  den  Kurden  erdulden  miissten  *.  Alsdann  fahrt  er  fort:  „Ein 
Gebrauch,  der  an  die  ganze  feudalistische  Barbarei  des  Mittelalters 
erinnert,  ist  das  sogenannte  Herrenrecht.  Wenn  ein  junger  Israelit 
oder  Nestorianer  heirathen  will,  so  muss  er  seine  Braut  dem  Herrn, 
dem  sie  angehort,  abkaufen;  denn  durch  den  Heirathsvertrag 
kommt  die  junge  Frau  unter  die  Herrschaft  eines  andern  Ge- 
bieters,  und  dadurch  leidet  der  erste  Herr  einen  Verlust  der 
jahrlichen  Kopfsteuer,  wofiir  stets  eine  Entschadigungssumme 
gefordert  wird.  Zudem  soll  die  Braut,  ehe  sie  in  das  Haus 
ihres  Mannes  einzieht,  den  Liisten  des  Herrn  dienen ,  was  ein 
sehr  alter,  bei  den  Orientalen  eingefiihrter  Gebrauch  zu  sein 
scheint,  denn  schon  die  Talmudisten  sprechen  davon  (Messechet 
Ketubot  fol.  3,  S.  2)  ^,  Erst  seit  wenigen  Jahren  ist  dieser 
emporende  Missbrauch  abgeschafft  und  in  eine  Geldabgabe  ver- 
wandelt,  wozu  ein  blutiger  Vorfall  die  Veranlassung  gab,  da 
namlich  ein  junges  Madchen  nach  verzweifeitem  "VViderstande 
ihren  Ehrenrauber  todtete.  Ein  Missbrauch  hat  jedoch  den  andern 
ersetzt,  das  Recht  des  Herrn  rauss  erkauft  werden."  ^  Aus  einer 
so  unklaren  und  unbestimmten  Erzahlung  ist  kein  Beweis  zu 
entnehmen,  bevor  die  einzelnen  Thatsachen  und  deren  Quellen 
naher  bezeichnet  sind.  An  denselben  Mangeln  leidet  in  noch 
hoherem  Grade  ein  Bericht  Helfferich's ,  der  lediglich  auf  der 
Erzahlung  Benjamin's  beruht  und  daraus  ohne  nahere  Begriin- 
dung  folgert,  dass  Benjamin  auf  Ueberreste  des  jus  primae  noctis 
gestossen  sei  ^, 


1  Benjamin  Kap.   13  S.  90—93. 

^  Vgl.  dariiber  oben  Kap.  29.     ' 

»  Benjamin  S.  93,  94  unter  IV. 

*  Helfferich  S.  411 :  .  .  .  ,,dass  ein  jiidischer  Reisender  unserer  Tage  in 
Kurdistan  auf  die  eben  erst  beseitigten  Ueberreste  jenes  persischen  Satrapen- 
Despotismus  stiess.  Dort  musste  bis  vor  wenigen  .Jahren  die  Braut  eines 
Nestorianers  oder  Israeliten,  bevor  sie  in  das  Haus  ihres  Mannes  einzog,  sich 
dem  Herrn ,    dem  sie  angehorte ,  hingeben ,   wie  denn  das  Herrenrecht  in  eine 


312  Kapitel  75.    Konige  und  Priester  in  Indien. 

c.    Konige  und  Brahmanen  in  Ostindien. 

Kapitel  75.  Dass  den  Konigeu  oder  sonstigen  weltlichen 
Herren  in  Ostindien  ein  jus  primae  noctis  zugestanden  habe, 
wird  nieines  Wissens  von  keinem  Schriftsteller  bestimmt  behauptet. 
Aus  einer  dahin  gehorigen  Anmerkung  von  Tollius  zu  Lactantius 
ist  nicht  deutlich  zu  ersehen ,  ob  sie  sich  auf  Ostindien  oder  auf 
Westindien  bezieht  ^ ;  derselbe  Zweifel  ist  bei  einer  Bemerkung 
von  Giraud-Teulon  ^  moglich ;  und  aus  dem  Wortlaut  dieser  Be- 
richte  geht  nicht  einmal  hervor,  ob  von  einem  Recht  die  Rede 
ist,  und  ob  dasselbe  den  Konigen  oder  den  Priestern  zustehen 
soll.  Derartige  unklare  Behauptungen  aus  der  Neuzeit  verdienen 
wenig  Beachtung.  Zwar  wird  im  Anhang  zur  Reisebeschreibung 
des  hollandischen  Admirals  Jakob  van  Neck  iiber  die  Bewohner 
von  Goa  berichtet:  „Bei  Heirathen  der  grossen  Herren  besteht 
die  Sitte,  dass  sie  ihren  Souveriin  bitten,  die  drei  ersten  Nachte 
mit  der  neuvermahlten  Frau  zu  schlafen  .  .  .  dergestalt,  dass  es 
in  diesem  Lande  keinen  Mann  giebt,  der  mit  seiner  Frau  den 
ersten  Yerkehr  hat."  ^  Docli  erscheint  diese  Nachricht  schon 
deshalb  als  unzuverlassig ,  weil  sie  den  Gedankenfehler  enthalt, 
dass  aus  einera  Satz,  der  bloss  von  „grossen  Herren"  handelt, 
eine  Folgerung  fiir  alle  Manner  des  Landes  gezogen  wird. 

Die  Frage,  ob  den  Priestern  (Brahmanen)  Ostindiens 
das  jus  primae  noctis  zusteht  oder  wenigstens  friiher  zustand,  wie 
einige  Schriftsteller  des  neunzehnten  Jahrhunderts  versichern\  ist 


Geldabgabe  nicht  friiher  verwandelt  -vvurde,  bis  ein  Madchen  nach  verzweifeltem 
Widerstand  ihren  Ehrenrauber  getodtet  hatte". 

'  ToUius  zu  Lact.  de  mort.  pers.  cap.  38 :  „Notant  per.  .  .  Indiam  pere- 
grinati  morem  illic  locorum  perviilgatum  esse .  ut  sponsarum  virginitas  a 
Regibus  vel  Sacerdotibus  delibetur." 

2  Giraud-Teulon  S.  69,  70:  „0n  limita  le  jus  primae  noctis  aux  chefs, 
aux  rois,  aux  pretres.  comme  dans  Tlnde,  Tancienne  Abyssinie,  et  parmi 
les  peuplades  du  Bresil  et  du  P^rou." 

*  van  Neck  bei  Constantin  Bd.  2  S.  253:  „Quand  les  grands  Seigneurs 
se  marient,  la  coutume  est  qu'ils  aillent  prier  leur  Souverain  de  coucher 
les  trois  premiferes  nuits  avec  la  Mariee.  Apr^s  cela,  le  Marie  la  va  querir. 
au  son  des  fl&tes  et  des  tambours,  avec  toutes  sortes  de  rejouissances,  et 
alors  il  commence  k  coucher  avec  elle;  si  bien  qu'en  ce  pays-lk  il  n'y  a 
aucun  homnie  qui  ait  eu  le  premier  commerce  avec  sa  femme."  Daraua: 
V.  d.  Schelling  Bd.  1  S.  147;  Chr.  Arnold  S.  99,  100. 

♦  Gubernatis.  Indie  S.  137,  und  Usi  S.  197,  198;  Liebrecht  1879,  S.  420. 
Dieselbe  Frage  ist  beziiglich  des  Mittelalters  und  iilterer  Zeit  oben  in  Kap.  4ri 
erortert.  —  Collin  dc  Plancy  behauptet  (Bd.  1  S.  170).  bei  Verheirathung 
des  Kiinigs    von    Calicut    schliefen    acht   oder   zehn  Priester   mit  der  Konigin, 


Kapitel  75.     Brahmanen  in  Ostindien.  313 

nach  dem  mir  vorliegenden  Beweismaterial  mit  Entsciiiedenheit  zu 
verneinen.  AUerdings  wird  in  vielen  Reisebeschreibungen  erzahlt, 
dass  im  Reich  des  Konigs  von  Calicut  (auf  der  Kiiste  Malabar)  ein 
(lebrauch  bestanden  habe,  wonach  der  Konig  und  nach  dessen 
Beispiel  andere  vornehme  Manner  bei  ihrer  Verheirathung  einen 
Brahmanen  gebeten  hatten,  die  Defloration  der  Braut  vorzu- 
nehmen.  Allein  selbst  wenn  dies  vollstandig  bewiesen  wiire,  so 
wiirde  ein  solcher  Gebrauch  mit  dem  Xamen  Herrenrecht  oder 
jus  primae  noctis  nicht  bezeichnet  werden  koanen,  sondern  auf 
eine  religiose  Yorstellung  zuriickzufiihren  sein ,  kraft  deren  die 
Brahmanen  die  fragliche  Handlung  auf  Ersuchen  der  betheiligten 
Mtinner  vornahmen. 

Der  alteste  Bericht,  den  ich  iiber  den  fraglichen  Gebrauch 
ermittelt  habe,  stammt  aus  dem  Anfang  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts,  von  dem  romischen  Patricier  Ludwig  von  Varthema 
aus  Bologna.  Derselbe  schreibt  iiber  C  alicut:  „Wenn  der  Ko- 
nig  heirathet,  so  erwahlt  er  den  wiirdigsten  und  ge- 
ehrtesten  Brahmanen  und  liisst  ihn  die  erste  Nacht 
bei  seiner  Frau  schlafen,  daniit  er  sie  deflorire.  Man 
darf  nicht  denken,  dass  der  Brahmane  sich  dazu  gern  versteht. 
Der  Konig  muss  ihm  dafiir  sogar  vierhundert  bis 
fiinfhundert  Dukaten  zahlen.  DerKonig  allein  und 
kein  Anderer  in  Calicut  beobachtet  diesen  Ge- 
brauch."^     An    diesen  Bericht   (worauf  an    einer  andern  Stelle 

bevor  der  Konig  ihr  nahen  diirfe:  und  an  einer  andern  Stelle  (^Bd.  1  S.  1T6). 
in  mehreren  Staaten  Indiens  gehorten  die  drei  ersten  Nachte  aller  neuver- 
miihlten  Frauen  den  Priestern .  die  dies  Herrenrecht  ruhig  ausiibten. 

1  Yarthema  (Uebers.  der  Ausg.  v.  1510)  S.  141.  The  chapter  concerning 
the  Brahmins  that  is  the  priests  of  Calicut:  „It  is  a  proper.  and  at  the  same 
time  a  pleasant  thing  to  know  who  these  Brahmins  are.  You  must  know 
that  they  are  the  chief  persons  of  the  faith ,  as  priests  are  among  us.  And 
when  the  king  takes  a  wife.  he  selects  the  most  worthy  and 
the  most  honoured  of  these  Brahmins  and  makes  him  sleep 
the  first  night  with  his  wife.  in  order  that  he  may  deflower 
h  e  r.  Do  not  imagine  that  the  Brahmin  goes  willingly  to  perform  this  oper- 
ation.  The  king  is  even  obliged  to  pay  him  four  hundred  or 
five  hundred  ducats.  The  king  only.  and  no  other  person  in 
Calicut  adopts  this  practice."  Ygl.  die  deutsche  Ausg.  Yartoman's 
v.  J.  1534.  Buch  5,  Kap.  4,  Yon  den  Priestern  dess  Konigs  von  Calechut  Bra- 
mini  genant.  Bl.  74:  ,,Es  dunckt  mich  nit  vnlustig  sein  hie  anzuzeygen  die 
sytten  vnnd  gebreuch  diser  Priester.  dann  sie  seind  bey  jnen,  wie  die  fur- 
ncmbsten  Pfaffen  bey  vns  seind.  So  der  Konig  ein  weib  nimbt,  so  schlaflft 
er  nit  bey  jr,  der  furnembst  priester  hab  jr  dann  vor  die  Jungfrawschafft 
genommen .    das    thund    die  pfaffen  auch  nit  vmb  sunst,    dann  der  Konig  gibt 


314  Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien. 

desselben  Werks  verwiesen  wird  *)  erinnert  der  Inhalt  zahlreicher 
Reisebeschreibungen    aus  spaterer  Zeit^.     Hauptsachlich   weichen 

einem  noch  funffhundert  gulden  zu  lohn  darzu.  diese  weys  heldt  sunst 
niemandts,  dann  der  Konig  von  Calechut."  Ausg.  v.  1556  (ohne  Seitenzahl),  Von 
denBramini,  das  sein  die  Priester  zu  Calicut:  „Wo  der  Konig  ein  Weibe  nimpt, 
so  nimpt  er  den  wirdigsten  vnder  den  Bramini  (das  war  doch  vnerhort,  vnd 
vns  frembd  ding  zu  horen  ist)  vnnd  lesst  jhn  die  erst  nacht  bey  seinem  Ge- 
mahl  schlaifen ,  das  er  jhr  die  JungfrawschafFt  nemen  soU ,  so  gleissnen  sie 
sich  als  vnwillig  darzu,  mit  entschiildigung  jhrer  vntiichtigkeit  darzu,  der 
Konig  soll  ein  andern  bass  geschickten  nemen  ,  so  schenkt  er  jhm  etwa  v  i  e  r 
oder  sechshundert  Ducaten,  vmb  solch  arbeit  zu  voUbringen,  die  bey 
vns  on  Gelt  wol  zu  bekomen  wer,  das  geschiliet  allein  dem  Konig  zu  grossen 
ehren." 

'  Varthema  (Uebers.  der  Ausg.  v.  1510) ,  betr.  den  Konig  von  Tarnassari 
(d.  i.  heute  Tenasserim),  The  chapter  showing  how  the  king  causes  his  wite 
to  be  deflowered,  and  so  also  the  other  pagans  of  the  city,  S.  202 :  „The  king 
of  the  said  city  does  not  cause  his  wife's  virginity  to  be  taken  by  the  Brah- 
mins,  as  the  king  of  Calicut  does,  but  he  causes  her  to  be  deflowered 
by  white  men ,  whether  Christians  or  Moors,  provided  they  be  not  pagans. 
Which  pagans  also ,  before  they  conduct  their  wives  to  their  house ,  find  a 
white  man.  of  whatever  country  he  may  be,  and  take  him  to  their  house  for 
this  particular  purpose.  to  make  him  deflower  his  wife.  And  this  happened 
to  us  when  we  arrived  in  the  said  city."  (Dann  folgt  S.  202-204  die  aus- 
fiihrliche  Erzalilung  eines  eigenen  Erlebnisses  und  des  Abenteuers,  welches 
der  persische  Begleiter  Varthema's,  Namens  Cogiazenor,  durchfiihrte.)  Ausg. 
V.  1534,  Buch  6,  Kap.  8.  Bl.  80:  „Wann  dieser  Konig  eyn  weyb  nimbt,  so 
gibt  er  sie  nit  den  PfafFen  (wie  der  Kiinig  von  Calechut  thiit)  zu  schwechen, 
sondern  einem  weissen  man,  der  ein  Christ  oder  Mahumetist  sey.  Einem  Ab- 
gottischen  gibt  er  dz  nit  zuthun.  Die  andern  jnwoner  des  lands  beschlafTen 
auch  jre  weyber  nit.  sie  vberkommen  dann  vor  ein  weissen  man,  aus  was 
land  er  jha  kom,  der  jm  sein  weib  zum  ersten  zufall  bring.  Dann  sie  wollen 
das  andere  man  jre  weiber  vor  hin  brauchen,  ehe  dann  sie  bey  jnen  schlafFen. 
Also  begegnet  vns  als  wir  da  waren".  .  .  .  (Folgt  Erzhhlung  des  Abenteuers.) 
Ausg.  v.  1556  (ohne  Seitenzahl) ,  Wie  der  Konig  seinem  Weib.  vor  vnd  ehe 
er  bey  jhr  schliifFet,  die  Jungfrawschaff^t  neraen  Ijisst ,  desgleichen  auch  die 
Edlen:  ,.Die  gemelten  Konig  der  Stadt  Tarnasseri  halten  von  alter  her  die 
gewonheit ,  so  der  Konig  ein  Jungfraw  zu  Weib  nimpt,  so  lasst  er  keinen 
Bramini  odder  PfafFen  die  erst  nacht  bey  jhr  schlaff^en ,  als  der  Konig  zu 
Calicut,  aber  ein  weissen  Mann  der  muss  nit  Edel  sein,  er  sey  aber  ein  Christ 
oder  ein  Heyd,  das  hat  nicht  jrrung,  den  lasst  er  die  erst  nacht  bey  jhr 
ligen,  das  er  jr  die  Jungfrawschaff^t  neme  Desgleichen  thun  die  Edelen 
seines  Reichs  auch,  vnd  halten  einen  solchen  sitten,  ehmal  vnd  sie  die  Braut 
heim  fUhren,  suchen  sie  ein  weissen  Mann,  er  sey  was  glaubens  er  wol,  den 
fiihren  sie  in  der  Braut  Hauss,  das  er  bey  .jr  schlafFe,  vnnd  jr  die  Jungfraw- 
schaff^t  nem,  .solchs  widerfuhr  auch  mir''.  .  .  .  Vgl.  Linschot  Buch  1,  Kap.  7, 
S.  22;  Francisci  S.  937;  C.  P.  Hoff"mann  S.  59;  Forbes  Bd.  1  S.  416  (aus  der 
engl.  Uebers.  v.  J.  1576);  Jones  S.  LXXIX:  Badger  S.   196—198. 

2  Im    Werk    von    Duarte    Barbosa    habe    ich    die  fragliche  Nachriclit  nicht 


Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien.  315 

dieselben  von  Yarthema  darin  ab,  dass  der  Gebrauch ,  den  nach 
Varthema  nur  der  Konig  und  kein  anderer  Mann  beobachtete, 
bald  allen  vornehmen  Mannern ,  einschliesslich  des  Konigs,  bald 
allen  Mannern  ohne  Ausnahme  zugesehrieben  wird.  Der  Be- 
richt  iiber  die  Reise ,  welche  Caspar  Balbi,  ein  Juwelen- 
hJindler  aus  Venedig,  in  den  Jahren  1579  bis  1588  ausfiihrte, 
enthalt  zwei  Stellen  iiber  den  Konig  und  die  Bewohner  der  Stadt 
Cocchi.  In  der  einen  Stelie  wird  gesagt:  „Es  sind  in  dieser  Stadt 
Priester,  die  bei  ihnen  Brahminen  heissen.  Diese  haben  die  Ge- 
walt,  mit  allen  Frauen  und  Jungfrauen  zu  verkehren  und  sie 
[fleischlich]  zu  erkennen ;  selbst  die  Konigin  und  deren  Tochter 
sind  davon  nicht  ausgenommen."  ^  Die  andere  Stelle  lautet:  „Ein 
Mann,  der  heirathen  will,  sei  es  der  Konig  oder  einer  sei- 
ner  Unterthanen,  schlaft  nicht  als  Erster  mit  seiner  Frau, 
sondern  schenkt  ihre  Jungfrauschaft  einem  von  den  Pfaffen,  die 
bei  ihnen  Brahminen  heissen.  Diese  namlich  haben  die  Freiheit, 
alle  Wohnhauser  zu  betreten  und  mit  den  Gattinn^n,  sowohl  des 
Konigs  als  auch  aller  Uebrigen,  nach  ihrem  Gefallen  zu  verkehren, 
und  zwar  so,  dass  sowohl  die  Ehemanner  w'ie  die  Briider  der 
Weiber  den  Pfaffen  bei  ihrer  Ankunft  aus  dem  Wege  gehen 
und  ihnen  den  Platz  iiberlassen,  mit  den  Ehefrauen  ein  heim- 
liches  Einverstandniss  zu  halten,  indem  sie  dieselben  fiir  heilige 
Manner  erachten,  welche  ihren  Frauen  und  Tochtern  den  besten 
Unterricht  im  Gesetz  ertheilen  konnten.  Daher  gehen  sie  nicht 
nur  gern  aus  dem  Haus  bei  ihrer  Ankunft,  sondern  sie  wiinschen 
sich  auch  Gliick  wegen  dieser  Ehre  und  verkiinden  sie  mit  Ver- 
gniigen   ihren  Verwandten   und   Freunden*  ^.     Bei    Beschreibung 


gefunden,  obwohl  dasselbe  auf  S.  309—351  eine  ausfiihrliche  Beschreibung 
von  Malabar,  namentlich  von  den  Sitten  und  Gebrauchen  des  Kaiserreichs 
Calecut.  enthalt. 

*  Balbi  cap.  44,  de  itinere  ex  Martaban  versus  Cocchi  (10.  Febr.  bis 
8.  Okt.  1586),  S.  120:  .  .  .  ,,Sunt  autem  in  civitate  hac  [namlich  in  Cocchl] 
sacerdotes  qui  Bramini  ipsis  dicuntur,  hi  potestatem  habent  conversandi  cum 
omnibus  mulieribus  virginibusque  et  eas  cognoscendi ,  ne  Regina  quidem  et 
filiabus  ejus  exceptis." 

2  Balbi  cap.  27,  descriptio  civitatis  Cocchi  (v.  Jahr  1582),  S.  85 :  ...  .,Uxo- 
rem  ducturus,  sive  Rex  sive  alius  quicunque  ex  subditis  ejus, 
primus  cum  ea  non  dormit,  sed  virginitatem  uxoris  cuidam  ex  Sacrificulis,  qui 
Bramini  ipsis  dicuntur,  largitur.  Hi  enim  libertatem  habent  aedes  quascunque 
Ingrediendi,  et  cum  uxoribus  tam  Regis  ipsius  quam  aliorum  quorumcunque 
pro  libitu  suo  conversandi,  ita  quidem,  ut  et  mariti  et  fratres  mulierum,  ad- 
venientibus  Sacrificulis  cedant,  locumque  cum  uxoribus  colludendi  relinquant, 
habentes    eos    pro    viris  sanctissimis ,  qui  in  lege  uxores  et  filias  suas  erudire 


316  Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien. 

der  Seefalirt,  welche  unter  Fiihrung  des  Peter  AVilhelm  Ver- 
huefen  in  den  Jahren  1607  bis  1609  von  Hollandern  und  See- 
landern  nach  Ostindien  unternommen  wurde,  wird  berichtet,  die 
Unterthanen  des  Kaisers  von  Calicut  hatten  eine  heidnische  und 
aberglaubische  Religion  und  beobachteten  bei  Heirathen  die  Sitte, 
„dass  die  AdeHgen  und  Vornehmen  ihre  Braut  in  der 
ersten  Nacht  nicht  anriihren,  sondern  irgend  einen  Brahminen 
oder  Pfaffen,  oder  einen  Mann  von  weisser  Farbe,  wo  immer  sie 
einen  finden  konnen  fiir  vierhundert  oder  fiinfhundert  Gulden 
dingen,  damit  derselbe  in  der  ersten  Nacht  mit  der  Braut  schlafe 
und  sie  zum  Beischlaf  geeignet  mache,  wogegen  die  Manner  aus 
dem  gemeinen  Volke  diese  Sitte  nicht  beobachten,  sondern  die 
Arbeit  selbst  verrichten"  ^  Der  mecklenburgische  Seefahrer  Jo- 
hann  Albrecht  von  Mandelslo,  dessen  Reisebeschreibung  von 
Olearius  herausgegeben  ist,  hielt  sich  in  den  Jahren  1638  und 
1639  in  Ostindien  auf.  In  dieser  Reisebeschreibung  finden  sich 
drei  Stellen,  die  an  die  vorstehenden  IS^achrichten  von  Varthema, 
Balbi  und  Verhuefen  erinnern.  Die  erste  Stelle  lautet:  „Weil 
die  Brahmanes  fiir  so  heilige  Leute  gehalten  werden,  haben  sie 
an  etHchen  Orten,  sonderlich  zu  Calecut,  nach  ihrer  Art 
treffliche  gute  Sache,  und  absonderliche  Verrichtung  bei  fiir- 
nehmen  Hochzeiten,  Man  bringet  ihnen  die  Braute  zu,  damit 
sie  ihnen  ihre  Jungfrauschaft  benehmen,  wozu  der  Brautigam 
dera  heiligen  Mann  noch  Geld  geben  muss.  Denn  die  einfaltigen 
Leute  meinen,  sie  fangen  ihren  Ehestand  mit  sonderlicher  De- 
votion  und  Gottesfurcht  an,  wenn  sie  ihren  Abgottern  durch  dero 
Pfaffen   die  Erstlinge  ihres  Beischlafs  opfern  und  zueignen.     Die 

quam  optime  possint.  Unde  non  solum  domo  libenter  sub  eorum  adventum 
exeunt.  sed  etiam  sibi  de  dignitate  hac  ex  animo  gratulantur.  eamque  vicinis 
et  amicis  suis  gaudio  praedicant."  Ein  Keim  fiir  diese  Erzahlung  findet  sich 
schon  bei  Yarthema  S.  144  (s.  oben  Kap.  6  S.  33,  Anm.  2). 

'  Verhuefen  S.  26,  religio  populorum  Calicuthensium:  .  .  .  ,.Praeterea 
Solem  etiam  et  Lunam  adorant.  et  circa  matrimonia  hunc  morem  observant,  ut 
qui  nobiles  proceresque  sunt.  sponsam  prima  nocte  non  attingant,  sed 
Braminem  sive  sacrificulum  quendam.  vel  albi  coloris  hominem,  ubicunque 
etiam  eum  invenire  possint,  pro  quadringentis  vel  quingentis  florenis  con- 
ducunt.  qui  prima  nocte  cum  sponsa  dormiens  ad  coitum  eam  aptam  reddat. 
Verum  qui  promiscuae  plebis  sunt,  morem  istum  non  observant ,  sed  ipsimet 
labore  isto  facile  defunguntur."  Diese  Darstellung  erinnert  an  die  beiden  an- 
gefiihrten  Stellen  von  Varthema  (oben  S.  313  und  314).  dic  miteinander  ver- 
bunden  zu  sein  scheinen.  Auf  Verhuefen  sind  zuriickzufiihren:  Chr.  Arnold 
S.  100:  Francisci  (1670)  S.  936:  C.  P.  HofFmann  (1720)  S.  59:  v.  d.  Schelling 
(1727)  Bd.  1  S.  147.  In  diesen  Schriften  wird  auf  das  Tagebuch  des  Admirals 
van  Caerden  verwicsen. 


Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien.  317 

Brahmanes  stellen  sich  bisweilen  an,  sonderlich  bei  Reichen,  als 
wenn  sie  es  nicht  gerne  thaten,  miissen  derowegen  mit  Geld  da- 
zu  erkauft  werden.  Wenn  fiirnehme  Herren  oder  Kaufleute  von 
ihren  Weibern  verreisen  miissen,  nehmen  sie  einen  solchen  hei- 
ligen  Yater  in  ihr  Haus ,  die  Frau  zu  bewahren ,  damit  sie  nicht, 
wenn  ihr  etwa  eine  Lust  ankarae,  mit  Andern  Unzucht  treiben 
moge;  mit  Priestern  aber  habe  es  Nichts  zu  bedeuten."  ^  An 
der  zweiten  Stelle  wird  aus  der  Reise  des  Herrn  von  Mandelslo 
vom  Jahr  1639  iiber  die  Bewohner  des  Landes  Malabar,  nament- 
lich  der  Stadte  Canamor,  Cotschin  und  Calecuth,  be- 
richtet,  dort  bestehe  „der  Gebrauch,  dass  .  keine  Jungfer  ver- 
trauet  wird,  es  sei  ihr  denn  zuvor  die  Jungferschaft  durch  einen 
ihrer  Pfaffen  genommen,  dem  dafiir  eine  Summe  Geldes  gegeben 
wird",  und  von  diesem  Gebrauch  sei  ..auch  des  Konigs 
Braut  nicht  ausgeschlossen"  ^.  Die  dritte  Stelle  ist  eine 
Anmerkung  von  Olearius,  wonach  „ihre  Geistlichen,  die  Brah- 
manes,  nicht  allein  der  Konigin  die  Jungfrauschaft  benehmen, 
sondern  auch  hernach  sie  gar  oft  besuchen,  in  ihrem  Gesetze 
sie  zu  unterrichten ,  und  wenn  der  Konig  verreist,  der  Konigin 
Gesellschaft  zu  leisten"  ^.  Der  Kapitan  Alexander  Hamilton, 
der  die  Jahre  1688  bis  1723  in  Ostindien  zubrachte*,  schreibt 
iiber  das  Reich  des  Samorin  und  seine  Hauptstadt  Calicut: 
„Wenn  der  Samorin  heirathet,  so  soll  er  mit  seiner  Braut 
nicht  zusammenwohnen,  bevor  der  Nambourie  oder  Hauptpriester 
sie  genossen  hat;  und  wenn  es  (dem  Letzteren)  beliebt,  kann  er 
drei  Nachte  ihre  Gesellschaft  haben,  weil  die  ersten  Friichte 
ihrer  Hochzeit  ein  heiliges  Opfer  fiir  den  Gott,  welchen  sie  an- 
betet,  sein  miissen;  und  Einige  von  Adel  sind  so  gefallig, 
der  Geistlichkeit  denselben  Tribut  zu  gewahren;  dagegen  dem 
gemeinen  Yolk  kann  man  nicht  dies  Compliment  (der  Gefiillig- 
keit)  machen,  denn  sie  sind  gezwungen,  die  Priester-Platze  selbst 
einzunehmen."  ^     Aus  diesen  Berichten  erkliiren  sich  auch  einige 


*  Mandelslo    |Bitch  I  Kap.  38,    von  den  Bramanen  und  Bramma.  S.  81.  82. 

2  Mandelslo  Buch  2  Kap.  10,  von  den  Malabaren,  S.  100,  101. 

3  Olearius  zu  Mandelslo,  Buch  2  Kap.  10  S.  101  Anm.  c. 

*  Alexander  Hamilton  gehort  zu  den  Ersten .  die  sich  mit  Sanskrit  be- 
schaftigten.  Er  war  Lehrer  von  Friedrich  v.  Schlegel,  der  das  Sanskrit  in 
Deutschland  zuerst  bekannt  machte.     Vgl.  Didot  Bd.  23  S.  251. 

^  Hamilton  S.  373.  374: When    the  Samorin    marries,  he  must  not 

cohabit  with  his  bride,  till  the  Nambourie  or  chief  priest  has  enjoyed  her, 
and  if  he  pleases,  may  have  three  nights  of  her  company,  because  the  first 
fruits  of  her  nuptials  must  be  an  holy  oblation  to  the  god  she  worships:  and 


318  Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien. 

minder  bestiramte  Iv^achrichten  des  achtzehnten  Jahrhunderts  ^ 
Die  von  Hamilton  gebrauchten  Ausdriicke  Samorin  (Zamorin) 
und  Nambourie.,  die  in  der  Sanskrit-Litteratur  nicht  vorkommen, 
mogen  arabischen  Ursprungs  sein  und  von  den  in  Malabar  ein- 
gewanderten  Muhammedanern  herriihren.  Zur  Zeit,  als  die  Por- 
tugiesen  unter  Vasco  de  Gama  vor  Calicut  landeten  (20.  Mai  1498), 
hiess  der  Konig  von  Calicut  ^Samorin"  (d.  i.  Gott  auf  der  Erde) 
in  seiner  Eigenschaft  als  Kaiser  oder  Oberherr  der  Konige  (Rajas) 
von  Malabar^;  die  Priester  wurden  als  Brahmanen  betrachtet 
und  so  bezeichnet,  hiessen  aber  eigentlich  ^N^ambiiries  ^;  die  Edel- 
leute  fiihrten  den  Namen  Nairs  ^. 


some  of  the  nobles  are  so  complaisant  as  to  allow  the  clergy  the  same  tribute : 
but  the  common  people  cannot  have  that  compliment  paid  to  them,  but  are 
forced  to  supply  the  priests  places  themselves."  Daraus:  Lagreze  1867. 
S.  398;   Badger  S.  141;  Giraud-Teulon  S    70:  Kulischer  S.  223. 

'  Hachenberg  diss.  V  §  12  S.  122:  Pars  S.  182;  v.  d.  Schelling  Bd.  1 
S.  147;  Kestner  S.  4. 

^  Varthema  S.  134  (am  Ende  des  ersten  Buchs):  ,.Now  I  will  speak  of 
the  king  here  in  Calicut,  because  he  is  the  most  important  king  of  all  those 
before  mentioned,  and  is  called  Samory,  which  in  the  pagan  language  means 
Ood  on  earth":  Faria  y  Sausa  Bd.  1  Th.  1  Kap.  4,  S.  34  und  Kap.  9,  S.  84: 
Forbes  Bd.  1  S.  412:  Day  S.  73  ft.;  Wheeler  Bd.  3  S.  407—414,  422. 
423.  447.  —  Wie  Faria  y  Sousa  (Bd.  1  Th.  1  Kap.  9  S.  84)  und  nach  seinem 
Vorgang  einige  neuere  Schriftsteller  (Jones  S.  LXII  und  Wnieeler  Bd.  3 
S.  422,  423)  berichten,  wurde  damals  erzjihlt,  vor  ungefiihr  sechshundert 
Jahren  (also  gegen  900  n.  Chr.  G.)  habe  in  Malabar  und  zugleich  in  Quih)n 
ein  machtiger  Konig  geherrscht.  der  den  Islam  annahm  und  muselmannischen 
Kaufleuten  die  Erbauung  der  Stadt  Calicut  gestattete;  dieser  Konig  habe 
kurz  vor  seinem  Tode  in  Quilon  (Coulam  oder  Travancore)  das  geistliche 
Haupt  der  ..Religion  der  Brahmanen''  unter  dem  Titel  „Cobritim",  d.  i.  Hoher- 
priester,  eingesetzt  und  seinem  Neffen  unter  dem  Titel  Zamorin.  mit  der  Resi- 
denz  Calicut,  die  weltliche  Gewalt  iibertragen;  spater  sei  die  geistliche  Wiirde 
von  Coulam  nach  Cochin  iibergegangen,  dagegen  die  weltliche  Souveranetat  in 
Calicut  verblieben.  Der  Konig  von  Malabar  habe  dann  eine  Pilgerfahrt  nach 
Mecca  unternommen  und  sei  auf  der  Seefahrt  ertrunken.  Auch  wurde  er- 
zahlt,  die  Wiirde  des  Zamorin  sei  dadurch  entstanden,  dass  zwanzig  Konige, 
-vvelche  vormals  in  Malabar  regierten ,  unter  sich  einen  Schiedsrichter  er- 
wiihlten.     (Wheeler  Bd.  3  S.  423,  424.) 

^  Der  Name  soll  von  namboo,  d.  i.  Ruder.  herzuleiten  sein  und  sich  im 
Staat  Cochin  bloss  auf  einen  Theil  der  Brahmanen  bezogen  haben.  Day 
S.  299,  300. 

"  Varthema  (Uebers.  der  Ausg.  v.  1510)  S.  141,  142:  „The  first  class  of 
pagans  in  Calicut  are  called  Brahmins.  The  second  are  Naeri.  who  are  the 
same  as  the  gentlefolks  amongst  us;  and  these  arc  obliged  to  bear  sword 
-and  shield  or  bows  or  lances.  When  they  go  through  the  street ,  if  they 
•did   not  carry  arma,   they  would  no  longer  be  gentlemen.     The  third  class  of 


Kapitel  75.    Brahmaneii  in  Ostindien.  319 

Aus  einer  Vergleichung  der  vorstehenden  Berichte  erhellt,  dass 
sie  sich  in  wichtigen  Punkten  widersprechen,  daher  mit  Yorsieht 
aufzunehmen  sind.  Der  wichtigste  ist  der  von  Varthema.  Im 
Allgemeinen  gilt  Varthema  als  ein  Mann,  der  Glauben  verdient^; 
und  der  Inhalt  seines  Buchs  macht  zum  grossten  Theil  auf  den 
Leser  den  Eindruck  der  Glaubwurdigkeit,  obwohl  nicht  bekannt 
ist,  ob  und  wie  Varthema  die  Materialien  auf  der  Reise  aufge- 
zeichnet  hat  ^.  Allein  gleichwohl  konnen  seine  Angaben  fiir  sich 
allein  nicht  geniigen,  um  die  Wahrheit  seiner  Erziihlungen  zu  be- 
weisen.  Ferner  giebt  er  nicht  an,  wie  er  den  fraglichen  Gebrauch 
des  Konigs  von  Calicut  erfahren  habe.  Zudem  zeigen  die  vielen 
Abweichungen  in  den  verschiedenen  Ausgaben  seiner  Reisebe- 
schreibung,  dass  zu  jener  Zeit ,  als  dieselbe  zur  Belehrung  und 
Erheiterung  des  Publikums  erschien,  eine  strenge  Kritik  und 
Genauigkeit  beziiglich  der  einzelnen  Erzahlungen  nicht  beob- 
achtet  wurde.  An  denselben  Mangeln  leiden  in  noch  hoherem 
Grade  die  spateren  IleisebeschreibungeuT  insoweit  als  sie  von 
Varthema  abweichen.  Die  Darstelhing  Hamilton's  macht  den 
Eindruck,  als  beruhten  die  Nachrichten,  die  er  bei  seinem  Auf- 
enthalt  in  Indien  gehort  haben  mag,  auf  Entstellung  der  oben 
(Kap.  27  S.  157)  erwahnten  religiosen  Vorschriften  iiber  die  Ent- 
haltsamkeit  neuvermahlter  Ehegatten. 

Mit  Riicksicht  auf  die  Polyandrie,  die  bei  den  IS^airs  in  Ma- 
labar  herrschte  und  dem  Anschein  nach  noch  nicht  ausgerottet 
ist^,  konnen  manche  Erziihlungen  iiber  geschlechtliche  Unsitten 
aus  jenem  Lande  fiir  glaubhaft  gelten,  z.  B,  die  Nachricht,  dass 
im  neunzehnten  Jahrhundert  die  Tamburetti,  d.  i.  die  weiblichen 
Nachkommen  des  Zamorin,  regehnassig  durch  Namburi-Brahmanen 
geschwangert  wiirden^:   und  die  Angabe,  dass  bei  der  zur  Secte 


pagans  are  called  Tiva,  who  are  artizans.  The  fourth  class  are  called  Mechua. 
and  these  are  fishermen.  The  fifth  class  are  called  Poliar,  who  collect  pepper. 
wine,  and  nuts  The  sixth  class  are  called  Hirava ,  and  these  plant  and 
gather  in  rice.  These  two  last  classes  of  people ,  that  is  to  say,  the  Poliar 
and  Hirava,  may  not  approach  either  the  Naeri  or  the  Brahmins  within  fifty 
paces"  .  .  .  Vgl.  Linschot  Buch  1.  Kap.  42,  S.  61,  62:  Faria  y  Sousa  Bd.  1 
Th.  1  Kap.  4  S.  34:  Wheeler  Bd.  3  S.  424.  425. 
»  Vgl.  Jones  S.  I  und  LXVII. 

2  Vgl.  Jones  S.  LXVII  und  LXVIII. 

3  Vgl.  dariiber  oben  Kap.  6  S.  35,  36. 

*  Forbes  Bd.  1  S.  417  (aus  Fr.  Buchanan) :  „A11  the  children  of  the  Tam- 
buretti,  or  females  of  the  family,  are  still  of  the  highest  dignity :  these  ladies 
are  generally  impregnated  by  Namburi  brahmins;  for  any  intercourse  between 
them  and  their  husbands  would  be  reckoned  scandalous"  .  .  .;  Badger  S.  141. 


320  Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien. 

der  Yaishnaviten  gehorigen  Ackerbaukaste  der  Tottiyars  die  Gurus 
das  Yorrecht  hatten,  nach  Belieben  mit  den  Frauen  ihrer  Schiiler 
zu  schlafen  ^.  Allein  ein  auf  die  Hochzeitsnacht  oder  auf  die 
drei  er^ten  Nachte  beschranktes  Recht  der  Priester  ist  aus  der 
Polyandrie  nicht  zu  erklaren  und  damit  nicht  zu  vereinigen. 

Was  im  Yorstehenden  von  den  Malabaresen  ^  und  zuletzt 
auch  von  einigen  andern  Dravida-Yolkern  gesagt  ist,  kann  zu 
keinen  Folgerungen  fiir  die  zum  Gebiet  der  Hindu-Religion  ge- 
horigen  Yolksstamme  benutzt  werden ,  da  die  Sitten,  Gebrauche 
und  Rechtseinrichtungen  der  Dravida-Yolker  von  denen  der  Hindu- 
Yolker  weit  verschieden  sind  ^.  Jedoch  sind  in  der  Neuzeit  auch 
die  guten  alten  Sitten  mancher  Hindu-Yolker  durch  die  aber- 
glaubischen  Gebrauche  zahlloser  Secten  verdrangt  '^.  In  sehr  un- 
giinstigem  Licht  erscheint  eine  dieser  Secten  nach  dem  Ergebniss 
eines  Pressprozesses,  der  im  Jahr  1862  vor  dem  englischen  hoch- 
sten  Gerichtshof  zu  Bombay  stattfand  und  grosses  Aufsehen  er- 
regte  ^.  Er  betrifft  eine  aus  der  Yaishnava-Secte  (den  Yerehrern 
des  Gottes  Yishnu)  ^  im  sechzehnten  Jahrhundert  hervorgegangene 
Gemeinschaft,  die  Yallabhacharis  oder  Rudra  Sampradaya,  deren 
Stifter,  Yallabha  oder  Yallabhacharya  (im  Jahr  1479  nach  Chr. 
Geb.  in  einem  wilden  Walde  geboren  ')  als  eine  Incarnation 
des  Gottes  Krishna  verehrt  wurde  ^.  Yiele  ihrer  Anhanger 
glaubten,  von  dem  Stifter  ihrer  Religion  und  von  dessen  IS^ach- 
folgern  hatten  ihre  Oberpriester,  die  Maharajas  (d.  i.  grosse 
Konige),  sammtlich  die  Wiirde  erhalten,  dass  sie  nicht  bloss  als 

'  Nelson  S.  141 :  .  .  .  ,,They  have  Gurus  of  their  own  caste ,  instead  of 
Brahmans,  one  of  whose  privileges  appears  to  be  to  lie  with  the  wives  of 
their  disciples  Avhenever  they  feel  inclined"  .  .  . 

2  Dic  Bewohner  von  ^lalabar  gehoren  nicht  zu  den  Indogermanen,  sondern 
zur  Dravida-Race.     Vgl.  Andree  S.  73. 

^  Vgl.  Nelson  S.  9,  141  und  den  ganzen  Inhalt  seiner  Untersuchung. 

*  Vgl.  Colebrooke  Bd.  1  S.  196:  Sect  of  Mah.  S.  1  —  12,  auch  S.  16—33 
und  App.  S.  24. 

s  Sect  of  Mah.  mit  Appendix.  Der  Anhang  enthalt  (S.  133  —  183)  Aus- 
zlige  aus  45  indischen  Zeitungen ,  von  denen  21  in  englischer  Sprache  und 
24  in  der  Landessprache  erschienen. 

*  Die  Vaishnavas  zerfallen  in  zwanzig  besondere  Secten ,  die  wieder  in 
Unterabtheilungen  geschieden  werden  konnen.  Vgl.  Sect  of  yiah.  S.  20  und 
im  Einzelnen  S.  22—27.  34  ff. 

'  Sect  of  >Iah.  S.  35.  36,  Appendix  S.  24. 

^  Krishna  gilt  als  Verkorperung  des  Gottes  Vishnu  und  wird  in  dieser 
Eigenschaft,  wie  es  scheint,  nur  von  verhaltnissmassig  neuen  Secten  verchrt. 
Vgl.  Sect  of  Mah.,  Append.  S.  57,  59 ;  Colebrooke  Bd.  1  S.  110,  197 :  Whee- 
ler  Bd.  1  S.  462,  463. 


Kapitel  To.    Brahmanen  in  Ostindien.  321 

geistliche  Fiihrer  (gurus  M  der  Glaubigen ,  sondern  zugleich  als 
Incarnationen  des  Gottes  Krishna  zu  verehren  seien  ^.  Die  Secte 
war  um  1800  in  Ostindien  stark  verbreitet,  unter  sechzig  bis 
siebzig  Maharajas^,  von  denen  in  Bombay  allein  acht  bis  zehn 
mit  angeblich  vierzig-  bis  fiinfzigtausend  Anhangern  lebten'*.  Es 
wird  berichtet,  dass  ihre  Lehrer,  ira  Gegensatz  zu  der  durch  die 
Vedas  der  Hindu-Religion  empfohlenen  Entsagung,  die  Pflege 
von  Lust  und  Liebe  als  Aufgabe  des  Lebens  hinstellten  ^;  dass 
sie  den  Gott  Krishna,  den  Gemahl  von  sechzehntausend  Prinzes- 
sinnen,  durch  die  ^Ehebruchs-Liebe"  verehrten  *;  dass  sie  ihre 
Versammiungen  in  den  Tempeln  der  Maharajas  und  in  den  Zu- 
sammenkiinften  der  „Ras  Mandalis"  '  zur  Anfachung  und  Pflege 
der  Ehebruchs-Liebe  missbrauchten ;  dass  die  Knaben  schon  in 
jungen  Jahren  und  die  Madchen  bei  ihrer  Verheirathung  Korper, 
Geist  und  Vermogen  („tan,  man  und  dhan")  dem  Maliaraja,  als 
dem  verkorperteu  Gott  Krishna,  aufopferten  * ;  dass  Letzterer, 
wenn  er  die  Glaubigen  in  ihrer  Wohnung  besuche,  von  ihren 
Frauen  und  Tochtern  durch  halbreligiose  Gebrauche  und  durch 
Gesang  unziichtiger  Lieder  verehrt  vverde  ^ ;  und  dass  er  die  weib- 
lichen  Gliiubigen,  denen  er  im  Tempel  ein  Zeichen  gebe,  in 
seinem  Schlafziromer  empfange,  mit  ihnen  die  Ehebruchs-Liebe 
pflege  („Ras  Lila"  feiere)  und  dafiir  noch  beschenkt  werde  ^°.     Im 


'  Ueber  die  Bedeutung  de.s  Guru  und  dessen  Unterschied  von  Purohita 
vgl.  im  Allgemeinen  Wheeler  Bd.  1  S.  80,  Bd.  3  8.  402. 

2  Sect  of  Mah.  S.  45,  47,  119,  120,  142  und  Append.  S.  3,  6,  7,  8,  26, 
27,  29,  32,  40,  65;  Wheeler  Bd.  3  S.  382. 

3  Sect  of  Mah.  S.  44—46,.  ♦  Sect  of  Mah.  S.   105,  120. 
^  Sect  of  Mah.  S.  45,  142.  ^  gect  of  Mah.  S.  78-96. 

^  Sect  of  Mah.  S.  129,  330,  Append.  S.  15,  33,  46. 

8  Sect  of  Mah.  S.  85,  121.   141,  142,  Append.  S.  14,  25,  27,  32,  53. 

9  Sect  of  Mah.  S.    108—119. 

«0  Sect  of  Mah.  S.  126,  129,  Append.  S.  14,  30,  45.  —  Ein  Keim  der 
Lehre,  dass  ein  Madchen  nicht  siindige,  wenn  es  mit  einem  Rishi  fleisch- 
lich  verkehre ,  kann  in  folgender  Erzahlung  des  Mahabhdrata  iiber  die  Rache 
der  Sarmishtha  gefunden  werden.  Die  Tochter  des  Brahmanen  Sukra,  Na- 
mens  Devayani ,  war  von  Samishtha,  der  Tochter  des  Konigs  der  Daityas, 
beleidigt  und  erlangte  dafiir  die  Genugthuung,  dass  die  Konigstochter  ihre 
Dienerin  wurde.  Devayani  heirathete  den  Konig  Yayati,  zog  mit  ihm  in  seine 
Konigsstadt  und  nahm  die  Samishtlia  mit  sich.  Dort  begann  Samishtha  heim- 
lich  ein  Liebesverhiiltniss  mit  Yayati.  Sie  gebar  einen  Sohn  und  wurde  von 
der  Konigin  Devayani  gefragt,  wer  der  Yater  des  Kindes  sei.  Sie  gab  vor, 
es  sei  ein  Rishi.  Devay4ni  erwiederte:  „Ist  dies  wahr,  so  bist  du  un- 
Bchuldig."  (Mahabharata,  Ausg.  von  Calcutta,  Buch  1  Vers  3424—3430;  Ausg. 
von  Bombay  Buch  1  Kap.  83  Vers  1  —  7.     Vgl.  Holtzmann  Bd.  2  S.  106,  107; 

Sc^hmidt,  .Jus  primae  noctis.  21 


322  Kapitel  75.    Brahmanen  in  Ostindien. 

Jahr  1860  gab  ein  Oberpriester  dieser  Gemeinsehaft,  Jadunathji 
Brizratanji-Maharaj,  zu  Bombay  eine  neue  Zeitschrift  heraus,  unter 
dem  Titel  „Terbreiter  unserer  eigenen  Religion".  Darauf  erschien 
in  einer  andern  einheimischen  Zeitung  zu  Bombay,  die  den  Na- 
men  Satya  Prakash,  d.  i.  „Licht  der  AVahrheit",  trug,  ein  Artikel 
iiber  jene  Secte  und  iiber  den  genannten  Maharaja.  Darin  war 
ausgefiihrt,  ein  Lehrer  jener  Gemeinschaft,  Is^amens  Gokulnathji, 
habe  die  Yorschrift  gegeben,  der  neuvermahlte  Ehemann  soUe 
seine  Frau,  bevor  er  selbst  sich  ihrer  erfreue,  dem  Maharaja 
iibergeben,  ebenso  wie  die  Yater  ihre  Tochter  dem  Maharaja  iiber- 
liefern  sollten  ^ ;  nach  dieser  Lehre ,  deren  Schamlosigkeit  durch 
keine  andere  Irrlehre  erreiclit  werde,  handelten  die  Maharajas, 
indem  sie  die  Ehefrauen  und  Tochter  ihrer  Andachtigen  entehrten; 
Jadunathji  Maharaj  moge  erst  davon  ablassen  und  zugleich  Un- 
sittlichkeiten  wie  die  der  Gesellschaft  Ras  festival  abschaffen, 
wenn  er  religiose  Ermahnungen  ertheilen  wolle  ^.  Yerfasser  dieses 
Aufsatzes  war  der  Redacteur  Karsandjis  Mulji.  Gegen  ihn  und 
gegen   den   Drucker   erhob    Jadunathji   erst  im   Mai  1861    Klage 


Wheeler  Bd.  1  S.  517,  518.;]  In  der  Erklarung  dieser  Stelle  verweist  Wheeler 
Bd.  1  S.  521  auf  das  emporende  Dogma  einer  ,,sect  in  the  Bombay  Presidency 
which  is  known  by  the  name  of  the  Maharajas''. 

1  Zeitungsartikel  vom  21.  Oct.  1860.  Sect  of  Mah.  S.  173,  174  und 
Append.  S.  71:  ...  „Behold  with  regard  to  the  subject  of  Brahma  how 
Gokulnathji  lias  amplified  the  original  stanza,  what  a  commentary  he  has 
made :  .  .  .  Consequently  before  he  himself  has  enjoyed  her,  he  should  make 
over  his  own  married  wife  (to  the  Maharaj)  and  he  should  also  make  over 
(to  him)  his  sons  and  daughters.  After  having  got  married,  he  should  be- 
fore  having  himself  enjoyed  his  wife  make  an  offering  of  her  (to  the  Mah^- 
raj):  after  which  he  should  apply  her  lo  his  own  use."  Ygl.  iiber  Gokul- 
nathji  Maharaj  (Enkel  des  Religionsstifters  Vallabhacharya)  und  dessen  Com- 
mentar:  Sect  of  Mah.  S.  85  iind  Append.S.  27,  28,  80. 

2  Zeitungsartikel  vom  21.  Oct.  1860  ,  Sect  of  Mah.  S.  174,  175    und    App. 
S.  72 :    ...  ...ladunathji  Maharaj  ,  should  you  wish  to  propagate  or  to  spread 

abroad  religion.  then  do  you  personally  adopt  a  virtuous  course  of  conduct 
and  admonish  other  Maharajas.  As  long  as  the  preceptors  of  religion  shall 
themselves  appear  to  be  immersed  in  the  sea  of  licentiousness .  for  so  long 
they  shall  not  be  competent  to  convey  religious  exhortation.  Gokuln4thji 
having  composed  the  commentary  abovementioned  ,  has  attached  to  your 
Vaishnava  persuasion  a  great  blot  of  ink.  Let  that  be  first  removed.  Scorn 
the  writer  of  the  commentary.  [Oh,  you]  Mahar4jas,  acting  up  to  that  com- 
mentary,  defile  the  wives  and  daughters  of  your  devotees.  Desist  from  that 
and  destroy  at  once  immorality  such  as  that  of  the  company  at  Ras  festival 
[oder  Ras  Mandali].  As  long  as  you  shall  not  do  so ,  for  so  long  you  cannot 
give  religious  admonition,  and  propagate  your  own  religious  faith :  do  you 
be  bleased  to   be  assured  of  that.''     Vgl.  Sect  of  Mah.  Append.  S.  42. 


Kapitel  76.    Bagele  auf  den  Andamanen.  323 

wegen  Yerleumdung  und  Hchinahung  vor  dem  Supreme  Court  zu 
Bombay.  In  den  Yerhandlungen  vom  Juli  und  August  1861 
bestritten  die  Beklagten,  dass  der  Aufsatz  eine  Schmahschrift  sei; 
zugleich  erboten  sie  fiir  alle  angefiihrten  Thatsachen  den  Beweis 
der  Wahrheit  *.  Hierauf  wurden  (vom  25.  Januar  bis  1.  Marz 
1862)  zahlreiche  Schriften  vorgelegt  und  im  Ganzen  zweiundsechzig 
Zeugen^  dem  Kreuzverhor  der  beiderseitigen  Advokaten  unter- 
worfen,  vor  dem  Chief  Justice  Sir  Matthew  Sausse  und  dem  Puisne 
Judge  Sir  Joseph  Arnould.  Diese  beiden  Richter  begriindeten 
demnachst  ihre  Meinung,  die  darin  iibereinstimmte,  dass  die  Be- 
klagten  den  Beweis  der  AYahrheit  iiberall  erbracht  hatten,  und 
dass  demgemass  beziiglich  des  Yorwurfs  der  Yerleumdung  ein  fiir 
die  Beklagten  giinstiges  Yerdikt  erfolgen  miisse  ^.  Die  andere 
Prage,  ob  der  Aufsatz  als  Schraahschrift  zu  betrachten  sei,  wurde 
vom  Chief  Justice  bejaht  (weil  darin  unzulassigerweise  offentliche 
Mittheilungen  iiber  die  Privatperson  des  Klagers  gemacht  seien)  '^, 
dagegen  vom  Puisne  Judge  verneint  (weil  der  Klager  nur  in  seiner 
oifentlichen  Eigenschaft  als  Maharaja  angegriffen,  und  dabei  die 
zulassige  Grenze  nicht  iiberschritten  sei)  ■".  Der  Wahrspruch  der 
Geschworenen  lautete  beziiglich  der  Frage  der  Yerleumdung  zu 
Gunsten  der  Beklagten  mit  Kosten,  und  beziiglich  der  Frage  der 
Schmahschrift  zu  Gunsten  des  Klagers ,  aber  ohne  Kosten.  Die 
Kosten  sollen  sich  auf  die  ungeheure  Summe  von  ungefahr  sechzig- 
tausend  Rupien  belaufen  haben,  wovon  fiinf  Sechstel  dem  Klager 
zur  Last  fielen*.  Aus  diesem  Pressprozess  ist  der  Beweis  eines 
jus  primae  noctis  nicht  zu  entnehmen,  da  die  darin  erorterten 
Handlungen  der  Maharajas  zufolge  (irregeleiteter)  religioser  An- 
schauungen  auf  Ersuchen  der  Gliiubigen ,  gleichsam  wie  Gnaden- 
bezeigungen,  ausgeiibt  wurden,  iiberdies  auf  die  Hochzeitsnacht 
nicht  beschrankt  waren. 

d.    Hauptlingsrecht  auf  den  Andamanen. 

Kapitel  76.  Es  wird  versichert,  das  jus  primae  noctis  stehe 
.„im  Berglande  Bagele  auf  den  Andamanen  dem  Hiiuptling 
zu"  ^.    Ob  und  inwieweit  dieser  Angabe  etwas  Wahres  zu  Grunde 


1  Sect  of  Mah.  S.   175  und  Append.  S.  72.  73. 

2  Sect  of  Mah.  Append.  S.  73. 

3  Sect  of  Mah.  Append.  S.  80—87,  101—131. 
*  Sect  of  Mah.  Append.  S.  76-80,  87. 

5  Sect  of  Mah.  Append.  S.  88-100.  «  Sect  of  Mah.  S.  180. 

'  Po8t  S.  37  (aus  Bastian).  —  Die  Andamanen-Inseln  liegen  im  Meerbusen 
■von  Bengalen. 

21* 


324  Kapitel  77.    Malakka  und  die  Molukken. 

liegt,  wird  sich  erst  priifen  lassen,  wenn  die  Thatsachen  mitge- 
theilt  werden,  die  den  Berichterstatter  zu  der  Meinung  von  dem 
Be.stehen  jenes  Rechts  gefiihrt  haben. 

e.    Die  Orang-Sakai  auf  Malakka  und  die  Bewohner  der  dstlichen  Molukken. 

Kapitel  "<<.  X.  v.  Mikluho-Maclay  machte  in  der  Zeit  von 
Xovember  1874  bis  Oktober  1875  Reisen  im  Innern  der  Halb- 
insel  Malakka  und  erstattete  dariiber  am  3.  Juni  1878  einen  Be- 
richt  im  Zweigverein  der  asiatischen  Gesellschaft  zu  Singapore. 
Darin  gab  er  Auskunft  iiber  Lebensweise  und  Sitten  der  Orang- 
Sakai  und  der  Orang-Semang  aus  Nachriehten,  die  er  theils  von 
diesen  Volkerschaften  selbst,  theils  von  den  Malayen  einge- 
zogen  hatte.  Insbesondere  theilte  er  einige  Erzahlungen  mit, 
von  denen  er  annahm,  dass  sie  ungeachtet  ihrer  Uebertreibung 
und  anscheinenden  AVidersinnigkeit  doch  einen  gewissen,  wenn 
auch  geringen,  „fond  de  verite"  haben  mochten.  In  solchem  Zu- 
sammenhang  berichtet  er  iiber  den  an  der  Grenze  von  Kalantan 
und  Perak  wohnhaften  Zweig  der  Orang-Sakai:  „Es  wird 
erzahlt,  dass  die  Viiter  von  erwachsenen  Tochtern  fiir  dieselben 
das  jus  primae  noctis  in  Anspruch  nehmen;  ich  habe  das 
Bestehen  dieser  Sitte  so  sehr  oft  versichern  horen,  dass  etwas 
Wahres  daran  sein  muss,  zumal  da  sie  auch  anderwarts  bekannt 
ist.  Ausser  zahlreichen,  in  geschichtlichen  und  geographischen 
"Werken  erwiihnten  Beispielen.,  die  ich  hier  nicht  aufzahlen  will, 
habe  ich  gehort,  dass  dieselbe  Sitte  auf  den  ostlichen  Mo- 
lukken  besteht."  ^  Hier  dient  der  Ausdruck  „jus  primae  noctis" 
zur  Bezeichnung  eines  Anspruchs,  den  der  Vater  erhebt,  wenn 
er  die  Tochter  an  einen  Mann  zur  Geschlechtsgemeinschaft  iiber- 
giebt.  Eine  Erlauterung  dieses  Berichts  kann  in  der  Beschrei- 
bung  gefunden  werden,  die  Maclay  von  den  Heirathen  der  Orang- 
Sakai   giebt'^;    darin   wird   erziihlt,    dass   eine  Frau  nacheinander 

1  Maclay  S.  215.  216:  .  .  .  „The  fathers  of  grown  u])  daughters  are  said 
to  claim  for  themHelves  the  Jus  primae  nodis ;  I  have  so  very  often  heard 
the  e.\istence  of  this  custom  maintained  ,  that  there  must  be  something  in  it, 
the  more  so  as  it  is  known  elsewhere."  Dazu  Anm.  18 :  .,Besides  numerous 
examples  to  be  found  in  historical  and  geographicai  literature  which  I  will 
not  enumerate  here ,  I  have  heard  of  tlie  existenoe  of  the  same  custom  in 
the  Eastern  Moluccas."     Vgl.  aucli  unten  Kap.  92. 

2  Maclay  S.  215:  ..Besides  the  simple  proeedure  of  marrying.  which  an 
Orang-Sakai  described  in  the  words ,  ,1  take  lier  and  sleeji  with  her',  there 
is,  as  I  was  told  by  the  Orang-Sakai  jina,  a  custom  among  the  Orang-Sakai 
of  Pahang,  according  to  wliich  the  man  on  a  fortain  day  must  catch   the  girl 


i 


Kapitel  "8.    Coutumes  vom  Jahr   ir)07  vom  Amt  Amien!».  S25 

mit  vielen  Mannern  in  Geschlechtsgemeinschaft  eintrete,  jedoch 
als  Gattin  des  Mannes  gelte,  der  sie  zuerst  genommen  hahe.  — 
Yon  dem  jus  primae  noctis  in  der  heutigen  Bedeutung  dieses 
Ausdrucks  ist  im  erwahnten  Bericht  keine  Spur  zu  finden. 

II.    E  u  r  0  |)  a. 

a.    Frankreich. 

1.    (reHoJin/ieitsn^i-life. 

a.    Die    Coutumes    vom   Jahr    1507   aus   dem   Amt    Amien?. 

Kapitel  78.  Im  neunzehuten  Jahrhundert  meinen  einige 
Schriftsteller  *,  der  beste  Beweis  fiir  das  „droit  du  seigneur"  oder 
jus  primae  noctis  finde  sich  in  zahlreichen  Gewohnheitsrechten 
aus  dem  Amt  Amiens  vom  Jahr  1507  ^  worin  jenes  Recht  sogar 
ausdriicklich  anerkannt  sei.  Dies  ist  ein  Irrthum,  der  durch 
Missverstiindniss  folgender  sechs  Stellen  entstanden  ist. 

Die  am  29.  Sept.  1507  festgestellte  Coutume  von  Brestel- 
les-Doullens  erklart  in  Art.  25:  „Wenn  in  der  Stadt  Brestel 
ein  Mann  von  auswarts  heirathet,  und  die  Frau  daselbst  wohnt, 
so  muss  er  am  Tage    der  Hochzeit    dem  Grundherrn  von  Brestel 


in  the  jungle  before  witnesses.  after  a  considerable  start  has  been  given  her. 
If  he  fails  to  catch  her,  he  is  not  allowed  to  woo  her  a  second  time.  Com- 
munal  marriage  exists  ,  it  appears ,  among  the  Orang-Sakai;  at  least  I  must 
conclude  so  from  a  great  number  of  accounts.  A  girl  having  been  married 
to  a  man  for  some  days  or  weeks  goes.  witli  his  consent.  and  voluntarily.  to 
live  for  a  shorter  or  longer  period  with  another  man.  She  thus  goes  in  turn 
to  all  the  men  of  the  party  until  she  comes  back  to  her  first  husband ;  she 
does  not  remain  with  him  however  but  continues  to  eugage  in  such  tempo- 
rary  marriages ,  which  are  rcgulated  by  chance  and  by  her  wishes.  She  is 
however  considered  the  wife  of  the  man  who  first  took  her." 

1  Dupin  S.  131:    Delpit  S.  28:    Buchmann  S    36,  37;  Labessade  S.  57.  60. 

2  Diese  (zufolge  einer  Verordnung  des  Konigs  Ludwig  XII.  vom  4.  April 
1506  redigirten)  Couturaes.  ungefahr  vierhundert,  sind  durch  A.  Bouthors  ge- 
sammelt  und  herausgegeben.  Bouthors  erhielt  fiir  dies  Werk  unter  den  ordent- 
lichen  Preisen  der  Academie  des  Inscriptions  et  Belles-Lettres,  fiir  Antiquites 
de  la  France .  die  zweite  Medaille  vom  Jahr  1854.  Darauf  bezieht  sich  der 
Commissionsbericht  vom  11.  Aug.  1854,  der  in  der  offentlichen  Jahressitzung 
vom  18.  desselben  Monats  verlesen  wurde.  Vgl.  Memoires  de  Tlnstitut  Im- 
perial  de  France ,  Acad.  des  Inscr.  et  Belles-Lettres ,  Bd.  20.  Paris  1861, 
S.  232;  Berger  de  Xivrey  S.  20—25.  £s  wird  behauptet.  dass  die  meisten 
jener  Coutumes  aus  dem  dreizelinten  Jahrhundert  stammten  (Berger  de  Xivrey 
S.  22).  Da  jedoch  die  vorliegenden  Redactionen  im  Jahr  1507  gemacht  sind, 
so  werden  sie  hier  unter  der  Neuzeit  besprochen. 


326  Kapitel  78.     Coutumes  vofn  Jahr  1507  vom  Amt  Amiens. 

zwei  Pfennige  zahlen;  geschieht  dies  nicht,  so  verfallt  er  gegen- 
iiber  dem  Grundherrn  in  eine  Strafe  von  sechzig  Sous/  ^  Hier 
ist  nicht,  wie  behauptet  wird  ^,  von  dem  jus  primae  noctis,  son- 
dern  lediglich  von  einer  ^Niederlassungsteuer  die  Rede  ^. 

Im  Gebiet  der  Abtei-Grafschaft  von  Blangy-en-Ternois 
musste  jeder  Fremde,  der  dort  heirathete  und  sich  daselbst  nieder- 
liess,  nach  der  Coutume  vom  September  1507  an  die  Abtei  zwei 
Sous  zahlen,  bevor  er  bei  der  Frau  schlafen  durfte ;  diese  Nieder- 
lassungsteuer  nannte  man  im  Yolke  flCullage"  *.  Darin  wird 
ohne  Grund  ein  Beweis  des  Herrenrechts  der  ersten  Nacht  ge- 
funden '". 

In  der  Stadt  Auxi-le-Chateau  (prevote  de  DouUens)  be- 
stand  der  Grundsatz,  dass  ein  Fremder,  welcher  eine  Bewohnerin 
von  Auxi  heirathete,  mit  derselben  die  Nacht  nach  der  Hoch- 
zeit  daselbst  nicht  schlafen  durfte,  ohne  dazu  die  Genehmigung 
des  Grundherrn  oder  seiues  Beamten  erlangt  zu  haben,  bei  Strafe 
von  sechzig  Sous  ^.     Eine  Erklarung  dieses  Grundsatzes  liegt    im 


'  Coutume  de  Brestel-les-Doullens,  du  20  sept.  1507,  bei  Bouthors  Bd.  2 
S.  84,  85,  Art.  25 :  ,.Item  ,  ^se  ung  homme  foraing  se  marye  et  prend  femme 
en  ladite  ville  de  Brestel .  laquelle  y  soit  demourant ,  alors  quil  le  fianchera 
il  doibt  et  est  tenu  payer  le  jour  quil  espousera ,  au  seigneur  de  Brestel, 
II  deniers  et  s'il  deftault  a  les  payer,  il  eschet  envers  ledit  seigneur  en 
araende  de  LX  solz.'' 

2  Delpit  S.  28:  Labessade  S.  18.  59. 

^  Vgl.  oben  S.  67,  96,  101,  136.  —  Aus  dem  Sclilusssatz  vorstehender  Stelle 
lasst  sich  entnehmen ,  dass  sie  von  Ehegatten  spricht,  die  in  Brestel  wohnen 
bleiben;  deshalb  wird  die  Abgabe  von  zwei  Pfennigen  nicht  als  Abzugsteuer^ 
sondern  als  Niederlassungsteuer  betrachtet  werden  miissen. 

*  Coutumes  locales  et  particulieres  de  l'eglise,  abbaie  et  conte  de  Blangy-en- 
Ternois,  vom  Sept.  1507,  Art.  14,  bei  Bouthors  Bd.  2  S.  77  (vgl.  Bd.  1  S.  470)  r 
„Par  aultre  coustume,  se  aucun  estrangier  se  marie  a  aucune  femme  .  .  .  et 
demourant  es  mettes"  [d.  h.  in  den  Grenzen]  „d'icelle  cont^  et  y  vient  faire 
sa  residence ,  avant  qu'il  couche  avec  sa  femme ,  il  est  tenu  paier  ausdits 
relligieux  ,  ahe  et  couvent,  un  droit  de  II  sols  parisis  que  l'on  nomme  vul- 
gairement  cuUage."  —  Ueber  den  Ausdruck  ,,cullage"  vgl.  oben  Kap.  18, 
S.  94—97,  und  unten  S.  329  Anm.  1. 

^  Delpit  S.  27:  Labessade  S.   18,  57,  58. 

''  Coustume  locale  et  particuliere  de  la  terre,  chastellenie  et  berrie  d'Auxi- 
le-Chasteau,  vom  22.  Sept.  1507,  Art.  21  (Bouthors  Bd.  2  S.  60):  ,Jtem,  quant 
aucuns  estrangiers  se  allient  par  mariage  a  aucunes  filles  ou  femmes  estans 
de  la  nacion  de  ladite  ville  d'Auxi  ou  demeurans  en  icelle  ville,  ilz  ne  poeul- 
tent  la  nuit  de  la  feste  de  leurs  noepces  couchyer  avec  leurs  dites  fenimes, 
sans  premierement  avoir  congie  de  ce  faire  k  mondit  seigneur,  ou  son  bailly 
ou  lieutenant  de  son  bailly,  que  ce  ne  soit  en  commectant  amende  de  LX 
sols    parisis    chascun    et    pour    chascune    fois."     Vgl.   auch  Hist     de  Ponthiou 


Kapitel  78.    Coutumes  voni  Jahr  1507  vom  Arht  Amieiis.  327 

Recht  des  formariage  ^  oder  vielmelir  in  dem  Recht  des  Grund- 
herrn,  fur  Niederlassung  neuer  Ansiedler  sich  die  Genehmigung 
vorzubehalten  ^.  Vielleicht  ist  dies  dasselbe  Recht,  von  dem 
Carpentier  und  Ducange  erziihlen,  dass  es  durch  den  Grafen 
Wilhelm  III.  von  Ponthieu  auf  Bitten  seiner  Gemahlin  Rugua 
aufgehoben  worden  sei  ^.  —  Im  Anschluss  an  diesen  Bericht  be- 
merkt  Deverite  (1767),  ein  anderes  Recht  habe  dem  Grundherrn 
personlich  zugestanden,  namlich  die  Jungfraulichkeit  hiibscher 
Frauenzimmer,  munterer  Fraulein ,  schoner  Nonnchen  oder  Diim- 
chen  zu  rauben,  wofiir  er  einen  Thaler  und  zehn  Sous  an  den 
Grafen  von  Ponthieu  bezahlen  musste  *.  Diese  Erzahkmg,  deren 
Quelle  nicht  angegeben  ist,  macht  den  Eindruck  eines  in  alter- 
thiimlichen  Ausdriicken  verfassten  Scherzes.  In  der  erwiihnten 
Coutume  vom  22.  Sept.  1507  ist  Nichts  enthalten ,  woraus  die 
Nachricht  erkliirt  werden  konnte.  Stiinde  ein  derartiger  Satz  in 
irgend  einer  Coutume  von  Auxi-le-Chateau,  so  wiirde  er  den 
achtzehnjahrigen  Nachforschungen  von  Bouthors  schwerlich  ent- 
gangen  sein.     Daher  verdient  die  Anecdote  keinen  Glauben. 

Das  am  20.  Sept.  1507  verkiindete  Gewohnheitsrecht  der 
Herrschaft  Maisnil-les-Hesdin  bestimmt  in  Art.  4:  „Wenn 
in  der  genannten  Stadt  und  Herrschaft  oder  auswarts  Ehen  ab- 
geschlossen    werden,    und    die    Ehegatten    die   erste   Nacht   ihrer 


Bd.  1  S.  238;  Bouthors  Bd.  1  S.  469;  Delpit  S.  27;  de  Labcssade  S.  18,  59. 
Die  Ausdrucke  „berrie"  und  „ber"  (Anm.  3  dieser  Seite)  scheinen  eine  ahnliche 
Bedeutung  zu  haben,  als  baronie  und  baron.    Vgl.  oben  Kap.  67,  S.  28(5,  Note  1. 

1  Bouthors  Bd.  2  S.  166,  167,  Note  7. 

'^  Vgl.  daruber  auch  die  Urk.  v.  1234  bei  Coutant  S.  85—88. 

^  Carpentier  und  Ducange  unter  Braconagium :  .  .  .  „Huius  mentio  prae- 
terea  occurrit  in  Consuet.  locali  MS.  Auxeii  castelli;  a  qua  homines  Ruguae, 
uxoris  suae  precibus,  liberos  jussit  esse  Guilelmus  III.  Pontivi  comes."  — 
Vgl.  auch  Sugenheim  1861,  S.  120  (aus  Roger,  Bibl.  hist.  monum.  et  litter. 
de  la  Picardie,  Amiens  1844,  S.  133);  Der  „ber  d'Auxi  avait  Tetrange  privi- 
16ge  d'accorder  a  l'homme  forain  qui  se  mariait  dans  ce  bourg  la  permission 
d'user  des  droits  de  mariage,  la  premiere  nuit  des  uoces;  mais  cette  permis- 
sion  ne  pouvait  Stre  refuse ,  par  respect  pour  le  sacrement."  Sugenheim 
findet  hierin  ohne  Grund  ein  ,.Erinnerungszeichen  an  das  abgeschaffte  Recht 
der  ersten  Nacht". 

♦  Hist.  de  Ponthieu  Bd.  1  S.  238,  239:  ...  „11  en  avoit  encore  un  autre" 
[namlich  droit  d'usage]  „k  lui  propre  et  qui  ne  devoit  passer  a  ses  Officiers, 
c'etoit  de  mactorer  le  Virglnite  de  gentes  femmes,  fringantes  DemaixieUes, 
belles  Nonaines  ou  Monaines ,  en  donnant  un  ecu  et  dix  sols  parisis  de  droit 
au  Comte  de  Ponthieu."  Vgl.  Bonnemere  Bd.  1  S.  58;  de  Labessade  S.  73 
(unter  Berufung  auf  ein  Coutumier,  date  de  1770,  imprim6  a  Abbeville,  chez 
la  veuve  Deverit^). 


328  Kapitel  78.    Coutumes  vom  Jahr  1507  vom  Amt  Amiens. 

Hochzeit  ia  der  genannten  Herrschaft  schlafen  wollen,  mogen 
sie  Unterthanen  [namlich  des  Herrn  Guy  du  Maisnil]  sein  oder 
nicht,  so  kann  oder  soll  der  Hochzeiter  [junge  Ehemann]  mit 
seiner  Frau  und  Gattin  die  genannte  erste  Nacht  nicht  schlafen, 
ohne  Gnade  und  Erlaubniss  dazu  bei  dem  genannten  Grundherrn 
nachzusuchen,  bei  Strafe  der  Einziehung  des  Betts,  auf  dem 
die  genannten  Ehegatten  schliefen ,  und  von  Allem,  was  am 
nachsten  Morgen  sich  auf  dem  Bett  tindet,  Alles  zum  Recht  und 
Nutzen  des  Grundherrn."  *  Diese  Bestimmung  enthalt  keine  Spur 
von  dem  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  ^,  sondern  eine  Heiraths- 
beschrankung  der  Horigen,  die  durch  deren  rechtliche  Abhangig- 
keit  vom  Grundherrn  erklart  wird  ^. 

Am  28.  Sept.  1507  wurden  die  Rechte,  die  der  Herr  von 
Rambures,  als  Vasall  des  Herrn  La  Freste  von  Saint-Riquier,  aus- 
zuiiben  hatte,  im  Auftrag  der  Amtmannschaft  von  Amiens,  unter 
Zuziehung  der  Betheiligten,  durch  oifentUche  Urkunde  festgestellt. 
Im  ersten  Artikel  wird  gesagt,  der  Herr  von  Rambures  habe 
in  der  Herrschaft  Drucat  dieselben  Rechte,  wie  Herr  de  la 
Freste  in  der  Herrschaft  Saint-Riquier.  Der  siebenzehnte  Artikel 
lautet:  „Wenn  ein  Unterthan  oder  eine  Unterthanin  des  Ortes 
Drucat  sich  verheirathet,  und  das  Hochzeitsfest  in  Drucat  statt- 
findet,  so  kann  der  junge  Ehemann  die  erste  Nacht  mit  seiner 
Hochzeitsdame  nur  dann  schlafen,  wenn  dazu  die  Erhxubniss  des 
genannten  Herrn  ertheilt  wird,  oder  der  genannte  Herr  mit 
der  Hochzeitsdame  geschlafen  hat;  er  muss  die  Erlaub- 
niss  bei  dem  Herrn  oder  seinen  Beamten  nachsuchen,  unter 
Ueberreichung  von  einer  Schiissel  Fleisch,  wie  solches  auf  der 
Hochzeit  genossen  wird ,  und  zwei  Kannen  vom  Hochzeitstrunk 
(,los  de  bruvaige',  d.  h.  Lehnsabgaben  von  Getrank,  bibera- 
gium,   breuvage);    dies   Recht   wird    ,droit    de    cullage'   genannt; 

*  Coutumes.  usages  et  communes  observances  de  la  terre  et  seignorie  du 
Maisnel-Ies-Hesdin ,  appartenant  a  Mgr.  Guy  du  Maisnel,  redigees  par  eorit, 
lues  et  publiees  le  20  sept.  1507.  a  la  conjure  de  Nicolas  Brumet ,  bailli  de 
ladite  terre ,  Art.  4,  bei  Bouthors  Bd.  2  S.  626:  „Item,  se  aulcuns  se  con- 
joindent  par  mariage,  en  ladite  ville  et  seignourie  ou  ailleurs,  voeullent  cou- 
chier,  la  premiere  nuyt  de  leurs  noeupces,  sur  ladite  seignourie  .  soit  quilz 
soient  subgetz  ou  non,  le  sire  de  noeupces  ne  poeult  ou  doit  couchier  avcc 
aa  femme  et  espouse,  ladit  premiere  nuyt.  sans  deinander  grace  ou  congi^  de 
ce  faire  audit  seigneur,  sur  peine  de  confiscation  du  lit  sur  lequel  lesdis  con- 
joingz  aueroient  couchie  ,  et  de  tout  ce  qui  seroit  trouve  sur  ledlt  lit,  len- 
demain  au  matin,  le  tout  au  droit  et  prouffit  d'iceluy  seigneur." 

2  Delpit  S    28;  de  Labessade  S.  60. 

•5  Vgl.  oben  Kap.    12. 


Kapitel  78.    Coutuincs  voni  .Falir   1507  vom  Anit   Aniiens.  329 

und  dies  ,droit  de  cullaige'  ward  von  dem  genannten  Herrn  und 
seinen  Vorgangern  seit  unvordenklichen  Zeiten  ausgeiibt."  *  Die 
Stelle  sagt  nicht,  dass  dor  Herr  von  Rarnbures  das  Kecht  in 
Ansprucii  genommen  habe,  bei  der  neuvermahlten  Frau  zu 
schlafen,  sondern  dass  er  die  Erlaubniss  zur  Vollziehung  der 
Ehe  (zum  Beilager)  zu  ertheilen  und  dafiir  eine  bestimmte  Ab- 
gabe  zu  fordern  hatte,  und  dass  er  diesen  Anspruch  verlor,  wenn 
er  bei  der  jungen  Frau  schlief.  Hierin  kann  eine  scherzhafte 
Redewendung  gefunden  werden  ^.  Wiire  der  Satz  ernst  gemeint, 
so  wiirde  der  Verlust  der  bezeichneten  Rechte  aus  dem  Miss- 
brauch  der  grundherrlichen  Grewalt  zu  erklaren  sein  ^.  Also  be- 
stand  das  droit  de  cullage  (oder  cullaige)  im  Sinn  dieser  Stelle 
lediglich   in    dem    Anspruch    auf  einen   bestimmten    Antheil    vom 

'  Coutume  de  Drucat  (in  der  baronie  Barlin,  pr^vote  de  Beauquesne) 
V.  28.  Sept.  1507,  bei  Boutbors  Bd.  1  S.  481—485,  Art.  17:  „Item,  et  quant 
aucun  des  subgietz  ou  subgietes  dudit  lieu  de  Drucat  se  marye  et  la  feste 
et  noeupce  se  font  [fait]  audit  lieu  de  Drucat,  le  marye  ne  poeult  couchier  la 
premiere  nuyt  avec  sa  dame  de  nuyt  sans  la  congie,  licence  et  auctorite  dudit 
aeigneur  ouqiiel  [ou  que]  ledit  seigneur  aif  coiichie  avecq  ladite  danie  de  noeupce ; 
lequel  congie  11  est  tenu  demander  audit  seigneur  ou  a  ses  officiers;  pour  le- 
quel  congie  obtenir,  ledit  marye  est  tenu  baillier  ung  plat  de  viande  tel  que  on 
la  mengue  ausdites  noeupces,  avec  deux  los  de  bruvaige  tel  que  Ton  boit  aus- 
dites  noeupces;  et  est  ledit  droit  appelle  drott  de  cullage ;  et  d'icelluy  droit 
de  cidlaige  ledit  seigneur  et  ses  predecesseurs  ont  joy  de  tout  tamps  et  de  tel 
qu'il  n'est  memoire  du  contraire.'''  Vgl.  Berger  de  Xivrey  S.  22,  23:  Bonne- 
mere  Bd.  1  S.  60;  Veuillot  2.  Aufl.  S.  333-335.  —  Der  oben  (S.  96)  eror- 
terte  Ausdruck  „droit  de  cuUage"  iJisst  sich  vielleicht  von  dem  lat.  culeus, 
culleus ,  culleum  oder  culeum  (d.  i.  Sack  oder  Schlauch  zur  Auf bewahrung 
von  Wein)  herleiten  und  danach  als  eine  Abgabe  vom  Hochzeitswein  erkljiren, 
da  der  Wein  (vgl.  oben  S  92,  94,  98,  100.  142  —  144)  oder  sonstige  Hoch- 
zeitstrunk  (bruvaige)  imter  den  Heirathsabgaben  vorkommt.  und  sogar  vom 
Trinken  des  ..culaige"  die  Rede  ist,  vgl.  oben  S.  96,  Note  7.  Herr  Archiv- 
director  Dr.  Pfannenschmid  zu  Colmar.  dem  ich  diese  etymologische  Hypo- 
these  verdanke,  legt  mir  die  Frage  vor,  ob  etwa  in  ahnlicher  Weise  das 
„droit  de  jambage"  oder  „cuissage"  aus  cuisse  oder  jambe  in  der  Bedeutung 
von  Schinken  als  Heirathsabgabe  fiir  die  Kuche  zu  erklaren  sei  (wie  droit  de 
cullage  als  Heiratlisabgabe  fiir  den  Kellerj.  Eine  solche  Erklarung  wiirde 
sprachlich  zulassig  sein  und  noch  dadurch  unterstiitzt  werden ,  dass  „jambe" 
(Schinken)  unter  den  Heirathsabgaben  vorkommt,  z.  B.  in  der  Urk.  v.  1373, 
oben  S.  92.  Auch  wiire  es  denkl>ar ,  dass  man  jenem  Wort  in  spaterer  Zeit 
durch  Missverstand  eine  unziichtige  Bedeutung  gegeben  hatte.  AUein  gleich- 
wohl  kann  jene  Erklarung  nicht  angenommen  werden,  solange  keine  Urkunde 
bekannt  ist,  worin  das  „droit  de  jambage"  zur  Bezeichnung  einer  Heiraths- 
abgabe  gebraucht  wird.     Vgl.  oben  S.   15.  54—56.  259,  269. 

2  Vgl.   unten  Kap.  88. 

3  Vgl.  Kap.  9  S.  49. 


330  Kapitel  79.    Die  questaux  des  Caver  von  Lobier. 

Hochzeitsmahl  ^ ;  und  es  irren  die  Schriftsteller,  welche  annehmen, 
die  Coutume  habe  bedingungsweise  oder  gar  unbedingt  dem  Grund- 
herrn  das  jus  primae  noctis  gewahrt  ^. 

Der  Herr  von  Barlin  hatte  ein  „droit  de  cullage",  welches 
darin  bestand,  dass  seine  Vasallinnen,  so  oft  sie  heiratheten,  ihm 
den  „relief  du  bail"  zu  zahlen  hatten  ^.  Es  scheint,  dass  dieser 
relief  du  bail  den  sechsten  Theil  vom  Werth  der  Jahreseinkiinfte 
betrug,  und  dass  Herr  von  Barlin  seinerseits  eine  ahnliche  Ab- 
gabe  an  Madame  de  Humbrecourt  zu  entrichten  hatte  *.  Ohne 
Crrund  finden  einige  Schriftsteller  hierin  einen  Beweis  des  Herrea- 
rechts  der  ersten  Nacht  ^. 

jS.    Recht    des    Herrn    von   Lobier   in    Bearn    (Urk.    vom   Jahr    1538). 

Kapitel  79.  Im  neunzehnten  Jahrhundert  wird  die  Meinung 
vertheidigt,  dass  in  Bearn  das  jus  primae  noctis  geherracht  habe^ 
Es  soU  sich  in  den  nordlichen  Pyrenaenthalern  von  Bearn  „mit 
baarstriiubender  Zahigkeit"  erhalten  haben  ^  und  dort  „allgemeiii 
anerkanntes  Recht  der  Edelleute"  gewesen  sein^.  „Noch  im 
vierzehnten  Jahrhundert",  sagt  man,  lag  dem  Neuvermahlten  die 
Yerpflichtung  ob,  seine  Frau  dem  Herrn  behufs  Ausiibung  des 
jus    primae    noctis    personlich    zuzufiihren  ^;    und    im   Archiv   des 


^  Delisle,  in  der  Bibl.  de  Tecole  des  chartes,  3«  serie,  Bd.  5  S.  548. 

2  Bouthors  Bd.  1  S.  449,  450  (wo  das  Recht  als  ein  bedingtes  hingestellt 
wird)  und  Bd.  1  S.  XIII  (wo  die  Bedingung  fehlt) ;  Buchmann  S.  37 ;  de  La- 
bessade  S.  18,  56,  57. 

^  Bouthors  Bd.  1  S.  473:  „Le  seigneur  de  Barlin  a  un  certain  droit  de 
cullage ,  qui  est  tel  que  toutes  femmes  qui  tiennent  fiefs  de  lui ,  toutes  et 
quantes  fois  qu'elles  se  maryent  ou  changent  de  niary,  sont  tenues  payer  re- 
lief  du  bail." 

■*  „Le  seigneur  de  Barlin  a  plusieurs  beaux  droix:  .  .  .  et  sy  a  un  cer- 
tain  (Iroit  de  cuUage  qui  est  tel  que  toutes  femmes  qui  tiennent  fief  de  lui, 
toutes  et  quantes  fois  elles  se  marient ,  ou  changent  de  mary ,  sont  tenues 
payer  assavoir  les  fiefs,  reliefs  limites,  et  les  coteries,  le  sixieme  denier  de 
la  valeur.  Duquel  droit  de  cullage  ledit  sieur  de  Barlin  est  tenu  faire  pareil 
droit  a  Madame  de  Humbrecourt."  Delpit  S.  27;  Veuillot  2.  Aufl.  S.  219; 
de  Labessade  S.  58,  59. 

5  Delpit  S.  27;  de  Labessade  S.   18,  58,  59. 

^  Mazure  S.  171,  172;  Bonnemere  Bd.  2  S.  65;  Helfferich  S.  412,  413; 
Pinard  S.  635;  Sngenheim  1861,  S.  103,  104;  Augsb.  Allg.  Ztg.  v.  18.  April 
1868,  Beil.  S.  1662;  Sugenheim  1872,  S.  930:  Liebrecht  1874,  S.  139;  de  La- 
bessade  S.  30  Nr.   70  und  S.  53—56;  Liebrecht  1879,  S.  418. 

^  Helfferich  S.  412,  413. 

^  Sugenheim  1861,  S.  103,  104,  und  1872,  S.  930. 

9  Sugenheim   1872,  S.  930. 


Kapitel  79.    Die  qiiestaux  des  Caver  von  Lobier.  331 

flObergericlits"  Pau  liegen,  wie  Helffcrich  sagt,  ganze  Actenstiicke 
von  Beschwerden  gegen  das  landesiibliche  jus  primae  noctis  auf- 
geschichtet  K  Alle  diese  Behauptungen  sind  unhaltbar;  sie  stiitzen 
sich  lediglich  auf  zwei  einzelne  Urkunden  verschiedenen  Inhalts, 
die  nicht  dem  Mittelalter,  sondern  der  Neuzeit  angehoren;  beide 
datiren  vom  Jahr  1538,  konnen  also  fiir  das  „vierzehnte  Jahr- 
hundert"  und  noch  altere  Zeit  keinen  Beweis  liefern. 

Ueber  die  eine  der  beiden  Urkunden  ist  Folgendes  zu  be- 
merken  ^. 

Im  Thal  von  Ossau,  am  Fuss  des  Pic  du  Midi  in  den  Hoch- 
Pyrenaen,  liegt  die  Ortschaft  Haas  oder  Aas,  die  im  Anfang  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  den  Herren  von  Lobier  (Louvie-Sou- 
biron)  gehorte.  Darin  lebten  damals  neun  Familien  von  Schutz- 
horigen,  „questaux",  auf  die  sich  ein  Verzeichniss  der  Rechte  des 
Herrn  Johann  von  Lobier  vom  Jahr  1538  bezieht.  Zwei  Artikel 
dieses  Verzeichnisses  lauten:  „Art.  39.  Wenn  Leute  aus  diesen 
Hausern  sich  verheirathen,  so  sind  sie  gehalten,  bevor  sie 
ihre  Frauen  erkennen,  sie  fiir  die  erste  Nacht  dera 
Herrn  von  Lobier  vorzustellen,  damit  derselbe  mit 
ihnen  nach  seinem  Vergniigen  verfiihrt,  oder  sonst 
ihm  seinen  Tribut  zu  iiberreichen.  Art.  40.  Bei  jeder 
Geburt  eines  Kindes  sind  sie  gehalten,  eine  bestimmte  Summe 
von  Pfennigen  zu  bringen,  und  wenn  es  sich  ereignet,  dass  das 
erstgeborene  Kind  ein  Knabe  ist,  so  ist  es  frei,  weil  es  aus  dem 
Actus  des  genannten  Herrn  von  Lobier  in  jener  Nacht  seines 
Vergniigens  erzeugt  sein  konnte."  Diese  Stelle  ist  in  der  Sprache 
von  Bearn  im  Jahr  1841   durch  Mazure  und  Hatoulet^  und  spater 


1  Helfferich  S.  412,  413.  Aiis  dieser  Behauptung  geht  nicht  klar  hervor," 
ob  die  Cour  d'appel  zu  Pau  oder  der  vormalige  Cort  mayor  gemeint  ist.  — 
Bascle  de  Lagreze  hat  im  Archiv  des  Schlosses  von  Heinrich  IV.  im  Jahr  1851 
nur  eine  einzige  hierhin  gehorige  Urkunde  gefunden  (Lagreze  1851,  S.  156), 
namlich  liber  Johann  von  Louvie-Soubiron ,  und  spilter  noch  die  Urkunde 
iiber  Herrn  von  Bizanos  entdeckt.  Die  ,,ganzen  Actenstlicke",  wovon  Helffe- 
rich  spricht,  diirften  nirgends  existiren. 

^  Ueber  die  andere  Urkunde  handelt  das  folgende  Kapitel. 

3  Mazure  S.  172:  „Item.  Quant  auguns  de  tals  maisons  se  mariden,  dabant 
que  conexer  lors  molhers,  son  tengutz  de  las  preseiitar  per  la  piuniere  noeijt 
amlit  senhor  de  Lobier  per  en  far  a  son  plaser,  on  autrement  lou  lalhar  cert 
tribut."  Le  premier  enfant  qui  nait  de  ces  memes  questaux,  s'il  est  male, 
est  franc  de  droit,  et  cela  „per  so  qui  poeyre  star  engendrat  de  las  obres 
deudit  senhor  de  Lobier  en  ladite  prumere  noeyt  et  de  sons  susditz  plasers". 
Daraus:  Pinard  S.  035.  —  Der  Herr  von  Lobier  gehorte  zu  den  „Cavers". 
Es  gab  in   Bearn  drei  Adelsstufen,    die   zu    verschiedenen  Gerichten  gehiirten, 


332  Kapitel  79.    DLe  questaux  des  Caver  von  Lobier. 

durch  Bascle  de  Lagreze  *  veroffentlicht  worden;  diese  beiden 
(derselben  Zeit  angehorigen)  Redactionen  stimmen,  bis  auf  gering- 
fugige  Abweichungen,  miteinander  (iberein.  Nach  dem  Wortlaut 
des  Art.  39  ist  nicht,  wie  einige  Schriftsteller  meinen  ^,  ein  Zweifel 
moglich,  wer  das  Wahlrecht  zwischen  Dienstbarkeit  und  Abgabe 
hatte,  sondern  dies  Wahlrecht  ist  deutlich  dem  Schutzhorigen 
gegeben  ^.  Die  wortliche  Auslegung  fiihrt  dahin,  dass  der  Schutz- 
horige  bei  der  Heirath,  und  zwar  vor  Vollziehung  der  Ehe,  an 
den  Herrn  von  Lobier  eine  Abgabe  zu  entrichten  hatte,  falls  er 
nicht  vorzog,  seine  Frau  fiir  die  erste  Nacht  dem  Herrn  von 
Lobier  vorzustellen,  damit  derselbe  mit  ihr  nach  seinem  Yer- 
gniigen  verfahre.  Dieser  Theil  der  Stelle  enthalt  einen  Scherz; 
denn  es  ist  klar,  welche  Wahl  der  junge  Ehemann  treffen  wird ; 
und  die  Anspriiche  des  Herrn,  ebenso  wie  die  Verpflichtungen  der 
jungen  Eheleute,  sind  erledigt,  sobald  die  Abgabe  bezahlt  ist  *. 
Der  bezeichnete  Scherz  kann  fiir  eine  Anspielung  auf  das  Herren- 
recht  der  ersten  Nacht  erklart  werden;  daraus  wiirde  zu  folgern 
sein,  dass  bei  Abfassung  der  Urkunde  vom  Jahr  1538  von  einem 
solchen  Recht  die  Rede  war,  keineswegs  aber,  dass  es  daraals 
oder  friiher  in  Bearn  .Geltung  hatte.  Dies  wird  noch  dadurch 
bekraftigt,  dass  die  L^rkunde  von  den  Generalprocuratoren  des 
Landes  Bearn  bestiitigt  wurde^,   was  nicht  hatte  geschehen  k'6n- 


zuerst  die  Barons.  dann  die  Cavers  oder  Cavalers  und  drittens  die  Domengers. 
Vgl.  Mazure  S.  6. 

1  Denombrement.  presente  en  1538  par  le  seigneur  de  Louvie  dans  les  mon- 
tagnes  d'Ossau,  bei  Lagreze  1854,  S.  709  und  1867,  S.  403:  „lfe>n,  que  quant 
auguns  de  tals  maisons  qui  part  dessus  seran  declarados  se  marldan,  d'aban  que 
conexen  lors  molbers .  so»  tengnfs  de  las  presevfar  j)er  la  ^^'umere  veyt  u 
vostre  dit  sevhor  de  Lobie  per  en  far  a  son  plaser ,  o  autrenievf  lo  halhar 
son  fribitf.  Ifeni ,  si  ben  cascun  enfant  que  enyendren,  lo  son  tenguts  portar 
certane  somme  de  diners ,  et  si  advien  que  lo  prumer  nascut  sie  enfant 
mascle,  es  franc,  per  qo  que  pourra  atar  enyendrat  de  las  obras  deudit  senbor 
de  Lobie  en  ladite  prumere  neyt  de  sos  susdits  plasers."  Daraus:  H.  Martin 
Bd.  5  S.  568:  Bonnemere  B*  1  S.  58 ,  59 ,  Bd.  2  S.  65 :  Laferriere  Bd.  5 
S.  454.  455:  Delpit  S.  115,  132:  Barthelemy  S.  106:  Bucbniann  S.  37.  38; 
Kulischer  S.  227. 

-  Mazure  S    172:  Pinard  S.  635. 

^  Darin  stimmt  diese  Urkunde  uberein  mit  der  Urkunde  aus  der  Nor- 
mandie  vom  Jahr  1419  (oben  Kap.  58  S.  253)  und  mit  den  beiden  schwei- 
zeriscben  Urkunden  von  den  Jabren  1538  und  1543  (unten  Kap.  88  S.  353 
und  folg.). 

*  Die  Art  und  Hohe  der  Abgabe  ist  in  der  Urkunde  nicht  ausgedruckt, 
vielleicht  deshalb,  weil  sie  durch  Herkommen  feststand. 

*  Dass  dies  geschehen  sei,  versicbert  Lagr^ze  1867.  S.  404. 


Kapitel  79.    Dle  questaux  des  Caver  von  Lobier.  333 

nen,  wenn  eine  Bestimmuntr  derselben  den  guten  Sitten  wider- 
sprochen  hatte.  Eine  weitere  Bestatigung  des  Gesagten  liegt 
darin,  dass  auch  der  Art.  40,  in  der  Art,  wie  er  einen  Rechts- 
satz  begriindet,  nur  als  Scherz  aufgefasst  werden  kann.  Das 
erstgeborne  Kind  war  frei ,  wenn  es  ein  Knabe  war.  Ware 
der  Grund ,  den  die  Urkunde  fiir  die  Freiheit  angiebt ,  ernst 
gemeint,  so  wiirde  die  Unterscheidung  von  Knaben  und  Mad- 
chen  unerklarlich  sein  ' :  und  es  wiirde  ebenso  unbegreiflich 
sein,  dass  nicht  unterschieden  wurde,  ob  der  Herr  die  Abfindung 
erhalten  hatte  oder  nicht.  Ein  Scherz  aber  ist  nicht  nach  den 
Regeln  der  Logik  zu  beurtheilen.  Der  wahre  Grund  fiir  jene 
Bestimmung  diirfte  in  dem  Geist  der  Milde  und  Billigkeit  zu 
suchen  sein,  der  in  den  Rechtseinrichtungen  von  Bearn  herrschte 
und  in  einigen  Bestimmungen  iiber  besondere  Freiheiten  des 
altesten  Sohnes  ^  Ausdruck  fand.  Es  ist  daher  erkiarlich,  dass 
die  questaux  des  Herrn  von  Lobier  fiir  das  erstgeborne  Kind, 
wenn  es  ein  Knabe  war,  die  Abgabe  nicht  zu  entrichten  hatten, 
die  sonst  bei  der  Geburt  eines  Kindes  mit  einigen  Pfennigen  an 
den  Schutzherrn  zu  zahlen  war.  Aus  allen  diesen  Griinden  e^-- 
giebt   sich    die  Haltlosigkeit  der  Meinung,    dass    die  Leibeigenen 


*  Sugenheim  1872,  S.  930,  behauptet,  in  Bearn  seien  ..alle  erstgebornen 
Kinder'^  der  Leibeigenen  und  Horigen  gesetzlich  freien  Standes  gewesen, 
„weil  sie  die  Prasumtion  fiir  sich  hatten.  dass  adeliges  Blut  in  ihren  Adern 
rollte".  Hier  wird  der  in  der  Urkunde  ausgedriickte  Unterschied  von  Knaben 
und  Madchen  verschwiegen. 

2  Vielleicht  gehort  hierhin  schon  das  For  von  Morlaas  vom  Jahr  1200. 
Art.  223  (Mazure  S.  172),  insofern  darin  nur  von  den  ..nachgebornen  Sohnen" 
der  questaux  die  Rede  ist.  In  einem  Zinsbuch  aus  B6arn  vom  Jahr  1538  (Mazure 
S.  171)  wird  im  Ahschnitt  von  den  Verpflichtungen  der  questaux  zu  Rivi^re- 
Basse  hervorgehoben,  dass  sie  alle  Sohne,  mit  Ausnahme  des  erstgebornen, 
dem  Herrn  bringen  miissten ,  damit  dieselben  ein  Jahr  lang  zum  Schutz  des 
Schlosses  von  Orthez  dienten.  (Hiernach  war  der  alteste  Sohn  von  der  sonst 
allgemeinen  Wehrpflicht  ausgenommen.)  Auch  bei  den  Cavers  war  die  recht- 
iiche  Stellung  des  altesten  Sohnes  und  vermuthlichen  Erben  gegeniiber  dem 
Senhor  giinstiger,  als  die  seiner  Briider.  Fors  de  Bearn ,  rubr.  13  art.  18: 
vConegude  cause  sie  a  tots .  que  tots  los  de  Bearn  debin  lors  filhs  presentar 
au  Senhor,  exceptat  aquey  qui  bolera  que  sie  son  successor  de  sa  terre ,  et 
lo  Senhor  qu'eus  deu  thier  entro  sie  segur  de  lor.  en  tau  manerie,  que  de 
qui  en  abant,  lo  pay  et  la  may  non  sie  tribalhat  adde  pagar  per  lor.  ni  a 
plus  presentar  lors  filhs  au  Senhor;  pero.  son  filh  prim  Jiereter  et  successor 
no  se  pnsentara  a  luij ;  car  lo  pay  e§  tengut  de  pagar  son  delicte."  Diese 
Bestimmungen  erinnern  an  einige  deutsche  Gewohnheitsrechte  ,  wonach  unter 
mehreren  Kindern  eines  Horigen  entweder  das  alteste  oder  das  jiingste  Kind 
frei  wurde  (Grimm.  R.-A.  S.  324). 


334  Kapitel  79.    Die  questaux  des  Caver  von  Lobier. 

des  Herrn  von  Lobier   dem   emporenden  Herrenrecht  der   ersten 
JN'acht  unterworfen  ^ewesen  seien  ^. 


1  Dies  meinen  Mazure  (S.  ITl.  172)  und  Pinard  (S.  635),  die  daraus  zu- 
gleich  die  allgemeine  Folgerung  ziehen,  dass  die  Leibeigenen  des  Herrn  von 
Lobier  in  driickendster  Knechtschaft  gelebt  hiitten.  Ware  dies  richtig,  so 
Aviirde  diese  Knechtschaft  mit  dem  Geist  der  Freiheit,  der  die  Gesetze  (^Fors'") 
von  Bearn  durchdrang  und  insbesondere  auch  die  personliche  Stellung  der 
Horigen  kennzeichnete  (vgl.  Laferriere  Bd.  5  S.  434.  535).  in  grellem  Wider- 
spruch  gestanden  haben.  (Die  Herrschaft  Laas  in  Ossau  gehorte  seit  Anfang 
<les  zwolften  Jahrhunderts  zu  Bearn:  ein  besonderes  For  von  Ossau  vi'urde 
im  Jahr  1221  erneuert.  Vgl.  Mazure  S.  4  und  220 — 229.)  Es  ist  aber  un- 
denkbar.  dass  der  Caver  von  Lobier  eine  Knechtschaft,  die  den  Landes- 
gesetzen  widersprach .  thatsachlich  iiben  konnte  ,  ohne  deshalb  bei  dem  Cort 
mayor  verklagt  zu  werden.  Ygl.  die  alten  Fors  de  Bearn,  rubr.  12  art.  17: 
„Los  cavers  tots  aperats  a  Cort  mayor,  debin  aqui  responer  et  son  de  la 
Cort  mayor."  Die  Rechtsptlege  -war  im  Mittelalter  so  prompt.  dass  der 
Kichter  die  Unterhaltskosten  des  Klagers  zu  tragen  hatte ,  wenn  er  iiber  die 
Klage  nicht  sofort  urtheilte  und  dadurch  einen  Aufenthalt  verschuldete  (vgl. 
Fors  de  Bearn,  rubr.  3  art.  4  und  besonders  rubr.  32  art.  78).  Nach  allen 
Fors  von  Bearn  kennzeichnet  sich  die  Stellung  der  questaux  dahin ,  dass  sie 
einerseits  zu  gewissen  Abgaben  und  Diensten  dem  Schutzherrn  gegeniiber 
verpflichtet  waren,  andererseits  aber  fiir  sich  und  ihre  Familie  gesicherten 
Lebensunterhalt  hatten.  Die  Abgaben  waren  nicht  driickend,  wie  aus  zahl- 
reichen  Urkunden  deutlich  erhellt.  Im  For  von  Morlaas  vom  Jahr  1200.  Art. 
232  (Mazure  S.  172).  und  in  den  durch  Konig  Heinrich  II.  von  Navarra  im 
Jahr  1552  bestatigten  Fors  von  Bearn.  Art.  1 — 3  (Mazure  S.  173).  sind  die 
beiderseitigen  Rechte  und  Pflichten  festgesetzt.  Danach  war  beispielsweise 
der  Schutzberr  verpflichtet .  an  seine  questaux  im  Fall  der  Noth  Lebens- 
mittel  zu  liefern:  und  das  Schutzgeld  der  questaux  durfte  nicht  so  hoch 
sein.  dass  sie  dadurch  genothigt  werden  konnten,  ihre  Ochsen  oder  an- 
deres  Ackervieh  zu  verkaufen.  In  einem  Zinsbuch  aus  Bearn  vom  Jahr  1538 
(.Mazure  S.  171)  sind  beziiglich  der  Ortschaften  Sauveterre  und  Riviere-Basse 
die  Summen  des  Schutzgeldes  genau  bestimmt.  Zugleich  geht  daraus  hervor, 
dass  die  questaux  als  Herren  (senhors)  und  ihre  Wittwen  als  Herrinnen 
(daunes)  bezeichnet  wurden,  und  dass  sie  als  Eigenthiimer  der  Grundstiicke 
galten ,  die  in  ihrem  Besitz  waren.  Nach  einer  Priifung  alterer  Urkunden, 
aus  der  Zeit  vom  fiinften  bis  fiinfzehnten  Jahrhundert.  sind  die  Herausgeber 
der  alten  Fors  von  Bearn  zu  der  Ueberzeugung  gelangt.  dass  „les  Bearnais 
ont  joui  des  franchises  personnelles  superieures  a  celles  de  la  plupart  des 
nations  du  moyen-age''  (Mazure,  Einl.  S.  LXIV).  Gaston  X  ,  Phoebus,  (Iraf 
von  Foix  und  Bearn,  erliess  im  Jahr  1377  an  sammtliche  questaux  von  Bearn 
-das  Anerbieten,  ihnen  vollige  Freiheit  zu  schenken ,  wcnn  sie  die  Summen. 
die  sie  bisher  als  Schutzgeld  zahlteiK  fortan  als  Grundzins  entrichten  wollten: 
doch  scheint  es,  dass  nur  Wenige  dies  Anerbieten  annahmen,  weil  die  Meisten 
den  Schutz  ihres  Herrn  nicht  verlieren  wollten.  Mazure  S.  172.  (Uebrigeas 
wird  Aehnliches  von  andern  Theilen  Frankreichs  berichtet.  dass  namlich  zufolge 
einer  Verordnung  des  Konigs  Ludwig  X.  vom  Jahr  1315  „Manche  zur  Freiheit. 
d.  i.  zum  Loskauf,  gezwungen  worden"  seien.    Vgl.  Hiillmann  Bd.  1  S.  88,  89.) 


Kapitel  80.    IMzanos  in  Bearn.  335 

y.    Rcclit    (les    Herrn    von  BiJcanos    in  Bearn    (Urk.  v.  2.  Febr.  1538). 

Kapitel  80.  Ein  in  der  Landessprache  von  Bearn  abge- 
fasstes  Yerzeiehniss  der  Rechte  des  Herrn  von  Bizanos  bei  Pau 
vom  2.  Februar  1538,  worauf  im  Eingang  zu  Kap.  79  Bezug  ge- 
nommen  wurde,  enthalt  folgende  Bestimmung:  „Da  in  vergangener 
Zeit,  nach  Ueberlieferung,  in  dem  genannten  Ort  und  in  der 
Herrschaft  die  Unterthanen  jener  Zeit  in  derartiger  Unterwiirfig- 
keit  von  ihren  Herren  waren,  dass  die  Rechtsvorganger  des  Herrn 
von  Bizanos  das  Recht,  die  Gewalt  und  den  Torzug  hatten,  ao 
oft  Hochzeiten  im  Ort  Bizanos  stattfanden,  mit  der  jungen 
Frau  die  erste  Xacht  nach  der  Hochzeit  zu  schlafen; 
und  weil  dies  Recht  durch  ein  zwischen  seinen  Rechtsvorgangern 
und  den  Unterthanen  derselben  getroffenes  Abkommen  in  einen 
andern  Tribut  verwandelt  wurde,  wonach  der  Herr  im  Besitz  des 
Rechts  ist,  zu  haben,  zu  nehmen  und  zu  empfangen,  und  seine 
genannten  Unterthanen  die  Uebung  und  Gewohnheit  haben,  zu 
iiberreichen  und  in  sein  Haus  zu  bringen,  so  oft  sie  Hochzeit 
feiern,  ein  Huhn  oder  einen  Kapaun,  eine  Hammelschulter  und 
zwei  Brote  oder  einen  Aschenkuchen  und  zwei  Schalen  voll  biba- 
roo"  (d.  i.  eine  Art  Brei  oder  Getrarik)  — ^:  der  Nachsatz  fehlt 
im  Abdruck  der  Urkunde -.  Diese  Stelle  ist  in  einem  franzijsi- 
schen  Yerzeichniss  der  Rechte  des  Jacob  du  Yignau,  Herrn  von 
Bizanos,  vom  12.  Sept.  1674  im  Wesentlichen  wiederholt,  da- 
gegen  in  dem  Yerzeichniss  der  Rechte  des  Henri  du  Yignau, 
Herrn   von   Bizanos,    vom   21.  Dec.    1682    weggelassen  ^.     Gege.n 

1  Urk.  V.  2.  Febr.  1538,  bei  Barthelemy  S.  108  und  Lagreze  1867,  S.  404, 
405:  „Item,  cum  en  temps  passat  auxi  que  es  botz  et  fama  en  lodit  loc  et 
senhoria  sous  sosmes  dequet  temps  eran  en  subjection  en  los  senhors  de  tal 
los  predecessors  deu  denombrant  en  dret.  auctoritat,  preheminence,  totas  quales 
vegadas  qui  se  fazen  sposaliciis  en  lodit  loc  de  Bizanos ,  de  dromir  a  son 
pJaser  ah  las  vobias  la  prumera  noeyt  lylus  prochana  de  lasdictes  sposaliciis, 
et  per  so  que  enter  sos  predecessors  et  sosdits  sosmes  tal  dicte  subjection  fo 
convertit  en  autre  tribut ,  au  moyen  de  que  luy  es  en  possession  de  haber, 
prener,  et  receber,  et  sesdits  sosmes  son  tenguts  et  an  usat  et  acostumat  ly 
balhan  et  portan  en  sa  maison,  totas  vegadas  qui  fen  sposaliciis,  une  poralba 
o  ung  capon  et  una  spalla  de  moton  et  dus  paas  o  una  fogassa  et  duas  scu- 
delas  de  bibaroo"  — .  Das  "Wort  „fogas3a"  scheint  dem  franzosischen  Wort 
^fouasse",  und  ^scudela""  dem  franzosischen  ecuelle  zu  entsprechen. 

^  Es  liegt  nahe,  zu  vermuthen,  dass  im  Eingang  eine  Abkiirzung  ,,Item.  (J."' 
stand,  und  dass  dieselbe  durch  den  Abschreiber  oder  Drucker  durch  Miss- 
verstJindniss  in  quum  statt  in  quod  aufgelost  wurde.  Lautete  der  Anfang 
„Item.  quod^',  so  giebt  die  Stelle  fiir  sich  allein  einen  verstandlichen  Sinn, 
und  es  fehlt  kein  Nachsatz. 

3  Barthelemv  S.  108. 


336  Kapitel  81.    Bigorre. 

die  Aechtheit  der  Urkunden  von  den  Jahren  1588  und  1674  liegt 
kein  Bedenken  vor  ^  In  der  letzteren  findet  sich  die  kleine  Er- 
schwerung  der  Abgabe ,  dass  nicht  ein  Huhn  oder  ein  Kapaun, 
sondern  ein  Huhn  und  ein  Kapaun,  und  nicht  bloss  zwei.  son- 
dern  drei  Schiisseln  voll  bibaroo  geliefert  werden  soUten  ^,  Beide 
Urkunden  enthalten  die  Behauptung,  in  hingst  vergangenen  Zeiten 
hatten  die  Vorganger  des  Herrn  von  Bizanos  das  Recht  der  er- 
sten  Nacht  gehabt,  und  schon  vor  alten  Zeiten  (die  nicht  naher 
bezeichnet  werden)  sei  dasselbe  iu  eine  Abgabe  umgewandelt 
worden.  Hiernach  ergiebt  sich  aus  der  Urkunde  eine  im  Jahr 
1538  beurkundete  Sage,  iiber  deren  Alter  und  Entstehung  nahere 
Aufkliirung  fehlt.  Es  ist  moglich,  dass  der  Verfasser  der  Urkunde 
von  1538  Etwas  iiber  ein  vergangenes  Herrenrecht  der  ersten  Nacht 
gehort  und  danach  sich  selbst  eine  Vorstellung  dariiber  gebildet 
hatte,  wie  die  herkommliche  Abgabe  vom  Hochzeitsmahl  entstan- 
den  sein  moge.  Es  ist  auch  moglich,  jedoch  bisher  nicht  bewiesen, 
dass  es  bereits  eine  altere  Urkunde  gab,  worin  das  Recht  der 
Herren  von  Bizanos  in  ahnlicher  Weise  erklart  war  ^.  Fiir  die 
Richtigkeit  dieser  Erklarung  ist  aus  der  Urkunde  Nichts  zu  ent- 
nehnien;  daher  ist  die  Meinung,  dass  darin  ein  deutlicher  Beweis 
des  jus  primae  noctis  enthalten  sei  *,  nicht  gerechtfertigt. 

0.    R  e  c  h  t    i  n    15  i  g  o  r  r  e. 

Kapitel  81.     Die  Meinung,  dass  in  der  franzosischen  Provinz 
Bigorre,    in    den   Pyreniien,    das   Herrenrecht   der   ersten   Xacht 

1  Lagreze  (1867,  S.  404,  405)  versichert .  die  Originale  gesehen  unil  fur 
richtig  befunden  zu  haben. 

2  Urk.  V.  12.  Sept.  1674,  bei  Lagreze  1854,  S.  707,  und  1867,  S.  405: 
..Item,  temps  passe  lesdits  soubrais  estoient  en  telle  subjection.  que  les  pre- 
decesseurs  dudit  denombrant  auoient  droit,  toutesfois  et  quantes  qu'ils  pre- 
noient  femme  en  mariage.  de  coucher  avec  Vespouse  la  nuit  plus  prochalne  des 
nopces;  ce  devoir  a  este  pourtant  conuerty  par  sesdits  predecesseurs  en  cest 
autre,  s^avoir:  que  lesdits  soubmis  sont  tenus  et  obliges.  chaque  fois  qu"il  se 
fait  des  nopces  dans  ledit  lieu.  de  lui  porter  une  poule,  un  chapon .  une 
^paule  de  mouton.  deux  pains  ou  un  gateau.  et  trois  ecueilles  d'une  sorte  de 
houillie,  vulgairement  hibaroue."  Daraus:  H.  Martin  4.  Aufl.  Bd.  5  S.  569; 
Bonnemore  Bd.  1  S.  61.  62:  Laferriere  Bd.  5  S.  455:  Delpit  S.  116;  Veuillot 
2.  Autl.  S.  328:  Labessade  S.  29  Nr.  69,  S.   105.  106;  Buchmann  S.  37. 

3  Der  Ort  Bizanos  oder  Bisanos  ist  im  For  g«''neral  von  B6arn  aus  dem 
dreizehnten  Jahrhundert.  Rubr.  37  art.  88  (bei  Mazure  S.  36)  erwjihnt;  doch 
enthalten  die  alten  Fors  von  Bearn  keine  Nachricht  uber  die  Ileirathsabgabe, 
die  an  den  Herrn  von  Bizanos  zu  entrichten  war. 

♦  Lagrrze   1867,  S.  404.  405. 


Kapitel  81.    Bigorre.  337 

bestanden  liabe,  ist  auf  eine  irrig-o  Schlussfolgerung  von  Lagreze 
und  auf  ein  Missverstandniss  von  Laferriere  zuriickzufiihren. 
Lagreze  bemerkt,  da  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  in  den 
Thiilern  von  Bearn  heimisch  gewesen  sei,  so  miisse  man  annehmen, 
dass  es  in  den  Thiilern  von  Bigorre  ebenfalls  bestanden  habe  ^ ; 
diese  Folgerung  ist  voreilig  und  beruht  iiberdies  (wie  aus  den 
beiden  vorhergehenden  Kapiteln  erhellt) ,  auf  einer  irrigen  Yor- 
aussetzung.  Laferriere  sagt,  jenes  Reclit  habe  in  den  Bergen 
von  Ossun  und  Bigorre  bis  zum  sechzehnten  und  siebenzehnten 
Jahrhundert  authentisclie  Denlcmale  seiner  alten  und  brutalen 
Ausiibung  zuriickgelassen ,  und  es  stehe  in  Lehnsregistern  aufge- 
zeichnet'';  er  glaubt  die  lange  Dauer  dieses  unsittlichen  Rechts 
dadurch  erkliiren  zu  konnen,  dass  es  an  einer  geistlichen  Ge- 
richtsbarkeit  in  Bigorre  fehlte  ^.  Allein  die  Urkunden ,  worauf 
er  sich  beruft,  sind  nicht  aus  Bigorre,  sondern  aus  Bearn  ent- 
nommen  ^ ;  Laferriere  verwechselt  hier  Ossun  (in  Bigorre)  mit 
Ossau  (in  Bearn),  obwohl  er  an  einer  andern  Stelle  richtig  an- 
giebt,  dass  die  Herrschaft  Louvie  oder  Lobie  im  Gebirge  von 
Ossau  (also  nicht  Ossun)  liegt^,  und  obwohl  er  das  For  von 
Ossau  mit  Recht  im  Abschnitt  iiber  die  Fors  von  Bearn  be- 
spricht**. 

Bascle  de  Lagreze  theilt  eine  Ueberlieferung  mit,  wonacli  ein 
Herr  von  Baudean  bei  Bagneres  in  Bigorre  das  Herrenrecht  der 
ersten  If  acht  unbarmherzig  ausgeiibt  haben  soll  ^.  Dieser  Bericht 
ist  so  unbestimmt,  dass  er  wenig  Beachtung  verdient;  denn  ab- 
gesehen  davon,  dass  keine  Quelle  angegeben  ist,  und  jede  Zeit- 
angabe  fehlt,  sind  auch  nicht  einmal  nahere  Umstiinde  bezeichnet, 
auf  denen  die  Nachricht  beruhen  soll.  Etwas  bestimmter  ist  fol- 
gende  Erzahlung,   die  Lagreze  in  einer  Monographie  des  Barons 

1  Lagreze  1867,  S.  406:  „Si  le  droit  du  seigneur  a  existe  dans  les  vallees 
de  Bearn,   je  n'hesite    pas  a  penser  qu'il  a  existe  dans  celles   de  la  Bigorre." 

-  Laferriere  Bd.  5  S.  454 :    c"est   dans  les    montagnes  d'Ossun   et   de 

Bigorre  que  le  droit  de  la  force  et  de  rimpudicite,  appele  le  droit  clii  seigneur 
au  moyen-age,  a  laisse  jusqu'aux  XVP  et  XVIP  siecles  des  monuments  au- 
thentiques  de  son  ancien  et  brutal  exercice.  Ce  droit  est  consigne  tres-for- 
mellement  dans  des  denombrements  de  droits  feodaux"  .  .  . 

'  Laferriere  Bd.  5  S.  458 :  .  .  .  „cette  absence  de  justice  ecclesiastique 
peut  expliqiier  la  longue  persistance  du  droit  immoral  de  prelibation  dans  les 
montagnes  et  les  vallees  du  comte." 

*  Vgl.  dariiber  Kap.  79  und  80. 

5  Laferriere  Bd.  5  S.  455,  Anm.  10.       ~   «  Laferriere  Bd.  5  S.  424. 

'  Lagreze  1854,  S.  709,  ferner  1864,  S-  132  und  1867,  S.  406:  Laferriere 
'Bd.  5  S.  456. 

Schmidt,  .Jns  primae  noctis.  22 


338  Kapitel  81.    Bigorre. 

Agos  liber  Kotre-Dame-de-Bounsp  gefunden  hat.  Eine  Braut 
Namens  Loubet  aus  dem  Dorf  Soulan  im  Thal  von  Aure  bat 
den  Herrn  der  Ortschaft ,  er  moge  darauf  verzichten ,  das 
schreckliche  Herrenreeht  an  ihr  auszuiiben.  Sie  fand  bei  ihm 
kein  Gehor,  begab  sich  dann  in  die  Kapelle  zu  Unserer  Lieben 
Frau  von  Bourisp,  kniete  vor  dem  Bilde  der  Mutter  Gottes 
und  machte  das  Geliibde,  die  schonste  Farse  (junge  Kuh)  von 
ihrer  Heerde  zu  opfern,  vrenn  der  Himmel  sie  vor  der  drohen- 
den  Schande  bewahre.  Der  Hochzeitstag  kam  heran,  und  der 
Hochzeitszug  bewegte  sich  zur  Kirche,  unter  dem  Freuden- 
geliiut  der  Glocken.  Plotzlich  erschollen  dazwischen  die  Trauer- 
glocken,  weil  der  Herr  des  Ortes  eines  jahen  Todes  gestorben 
war.  Die  Braut  wurde  dadurch  frei  und  saumte  nicht,  das  an- 
gelobte  Opfer  zu  entrichten,  Noyes  de  Yielle  nahm  die  Kuh  in 
Yiehpacht  (gazaille)  fiir  eine  Jahresabgabe,  die  bis  zum  Jahr  1789 
an  die  genannte  Kapelle  piinktlich  bezahlt  wurde ;  und  die  Glocke 
der  Kuh  blieb  ex  voto  Jahrhunderte  lang  auf  dem  Altar  ^.  Allein 
es  fehlt  eine  niihere  Auskunft  iiber  das  Alter  dieser  angeblichen 
Yolkssage ,  die  keinenfalls  geschichtlich  beglaubigt  ist.  Bei 
Heliferich  findet  sich  eine  Yermengung  der  beiden  vorstehenden 
Erzahlungen  zu  einem  einzigen  Yorfall,  der  wie  eine  geschichtliche 
Thatsache  geschildert  wird  ^.  Andere  Schriftsteller  berufen  sich 
auf  Lagreze  fiir  die  Behauptung ,  dass  in  Bigorre  das  jus  primae 
noctis  heimisch  gewesen  sei  und  sich  dort  langer  als  in  den  mei- 
sten  franzosischen  Provinzen  erhalten  habe  ^ ,  obgleich  Lagreze 
selbst  versichert,  dass  er  in  den  Archiven  von  Bigorre  keine 
Spuren  von  jenem  Recht  gefunden  habe'^. 


1  Lagreze  1854,  S.  709,  ferner  1864,  S.  132  und  1867,  S.  407,  408:  H.  Martin 

4.  Atifl.  Bd.  5  S.  569;  Laferriere  Bd.  5  S.  456:  Delpit  S.   130,  131. 

2  Helfferich  S.  413:  „Ein  Herr  von  Baudean .  bei  Bagneres-de-Bigorre. 
blieb  taub  gegen  die  flehentliche  Bitte  einer  Braut.  ihre  Ehre  [nicht]  anzu- 
tasten,  worauf  das  Madchen  in  der  Kapelle  von  Notre-Dame-de-Bourisp  der 
Mutter  Gottes  die  schonste  genisse  (Farse)  ihrer  Heerde  gelobte ,  wenn  sie 
vor  der  Entehrung  sie  schiitzen  woUe.  Am  Hochzeitstage  stirbt  der  Herr 
eines  jahen  Todes,  und  noch  bis  zum  Jahr  1789  wurde  das  Geliibde  in  Form 
einer  Rente  entrichtet." 

5  Augsb.  Allg.  Ztg.  vom  18.  April  1868  Nr."109,  S.  1662;  Liebrecht  1869, 

5.  811,  ebenso  1874,  S.  139  und  1879,  S.  418. 

*  Lagr^ze  1864,  S.  132:  „Dans  les  archives  des  seigneurs  de  nos  vall^es, 
nous  n'avons  trouv^  aucune  trace  de  ce  droit  odieux  ,  raais  11  en  existe  de 
tr^s-profondes  dans  les  traditions  du  pays.'" 


Kapitel  82.    Ein  Pfarrer  vor  dem  Motropolitangoricht  zu  Bourges.      339 

2.    GericliiUclie  Entscheidioigen. 

a.    Process    eines    Pfarrers    vor    dem    Metropolitangericht    zu 
Bo  urges. 

Kapitel  8'2.  In  der  unter  deni  Namen  von  Nieolaus  Boerius 
herausgegebenen  Sammlung  von  Entscheidungen  des  Senats  von 
Bordeaux  findet  sich  folgende  Stelle:  „Ich  habe  gesehen, 
wie  in  einer  Yerhandlung  vor  dem  erzbisch  oflichen 
Gericht  zu  Bourges,  in  der  Berufungsinstanz,  ein 
Pfarrer  die  Behauptung  aufstellte,  dass  ihm  gewohn- 
heitsmassig  die  erste  fleischliche  Erkennung  der 
vermahlten  Frau  zukomme;  diese  Grewohnheit  wurde 
fiir  nichtig  erklart,  und  er  (der  Pfarrer)  zu  einer  Geld- 
strafe  verurtheilt."  ^  Daraus  ist  die  Nachricht  in  zahlreiche 
spatere  Werke  iibergegangen  ^.  Bei  Auslegung  dieser  Stelle  konnte 
man  voraussetzen ,  dass  der  betreffende  Pfarrer  vor  dem  geist- 
lichen  Gericht  wegen  einer  strafbaren  Handlung  angeklagt  war 
und  sich  in  zweiter  Instanz  zu  seiner  Entschuldigung  auf  die 
bezeichnete  Gewohnheit  berief,  dass  er  jedoch  verurtheilt  wurde, 
weil  das  Gericht  die  vorgebliche  Gewohnheit  fiir  rechtlich  un- 
wirksam  erachtete.  Eine  audere  Auslegung  ist  kaum  moglich, 
wenn  die  Erzahlung  als  richtig  angenommen  wird ;  denn  ein 
etwaiger  grundherrlicher  Anspruch  hatte  nicht  zur  Zustandigkeit 
des  geistlichen  Gerichts  gehort;  zudem  ist  nicht  gesagt,  dass 
der  betreffende  Pfarrer  zugleich  Grundherr  gewesen  sei.  Allein 
immerhin  erscheint  es  als  auffallend  und  unglaublich,  dass  ein 
Angeklagter  seine  That  mit  deren  Gewohnheitsmiissigkeit  ent- 
schuldigt  ^,  und  ein  Geistlicher  vor  dem  geistlichen  Gerichts- 
hof  ein    Recht   auf   ^die   erste    fleischliche    Erkennung    der    ver- 


1  Boerius  dec.  297  n.  17:  „Et  ego  vidi  In  curia  Bituricensi  coram  Metro- 
politano  processum  appellationis,  in  quo  rector  seu  curatus  parochialis  prae- 
tendebat  ex  consuetudine  primam  habere  carnalem  sponsae  cognitionem.  quae 
consuetudo  fuit  annullata,  et  in  emendam  condemnatus.'" 

2  Lauriere  unter  Marquette ;  Ducange  unter  Marcheta;  Reynitzsch  S.  275: 
Sugenheim  1861,  S.  104;  Gubernatis ,  Usi  S.  199;  L.  Favre  zu  La  Curne 
unter  Cuissage;  Kulischer  S.  224.  Uebersetzungen:  Diss.  S.  Claude  S.  134; 
Merlin,  R6p.  unter  Markette ;  Dupin  S.  131;  Le  Siecle,  19  sept.  1854,  erste 
Seite;  Kolb  1842,  S.  497.  —  Die  spanischen  Advocaten  Marichalar  und  Man- 
rique  (Bd.  6  S.  68,  69)  haben  die  Stelle  von  Ducange  derartig  missverstanden, 
dass  sie  den  fraglichen  Process  nach  Antwerpen  verlegen. 

3  Die  Gewohnheitsmassigkeit  einer  strafbaren  Handlung  kann  nicht  einen 
Strafausschliessungs-  oder  Milderungsgrund.  sondern  nur  einen  Strafschiirfungs- 
grund  bilden. 

22* 


340     Kapitel  82.    Ein  Pfarrer  vor  dem  Metropolitangericht  zu  Bourges. 

mahlten  Frauen"  in  Ansprucli  genommen  habe.  Hiernach  ist 
die  Auslegung  der  Stelle  keineswegs,  wie  behauptet  wird  ^,  klar 
und  einfach.  Ware  gegen  die  Lauterkeit  der  Quelle  Nichts 
einzuwenden,  so  miisste  schon  aus  den  angefdhrten  Griinden  an 
eine  Ungenauigkeit  des  Berichts  gedacht  werden.  Man  konnte 
die  Yermuthung  aufstellen,  dass  jener  Pfarrer  eine  kirchliche 
Gebiihr  aus  ahnlichen  Griinden  begehrte,  wie  solche  geraume 
Zeit  friiher  durch  die  Pfarrer  von  Abbeville,  im  Beistand  des 
Bischofs  von  Amiens,  vor  dem  Parlament  zu  Paris  vertheidigt 
war^,  und  dass  er  gegen  die  durch  Urtheil  erster  lustanz  er- 
folgte  Abweisung  der  Klage  Berufung  eingelegt  hatte.  Dann 
ware  es  erkliirlich,  dass  die  Sache  an  das  erzbischofliche  Gericht 
zur  Entscheidung  gelangte ,  und  dass  dies  Gericht,  aus  ahnlichen 
Griinden  wie  seinerzeit  das  Parlament  zu  Paris,  den  Anspruch 
fiir  unbegriindet  erachtete,  demgemass  die  Berufung  verwarf  und 
den  Klager  in  die  Succumbenzstrafe  (emendam)  verurtheilte.  Die 
Annahme  eines  Missverstandnisses  liegt  besonders  deshalb  nahe, 
weil  der  Berichterstatter  die  ganz  ungleichartigen  Anspriiche  des 
Bischofs  von  Amiens  (vgl.  oben  Kap.  63)  und  der  Grundherren 
der  Gascogne  (vgl.  oben'  Kap.  61)  mit  den  Anspriichen  des  be- 
treffenden  Pfarrers  als  gleichartig  zusammenstellte  ^.  AVaren  die 
Streitigkeiten ,  woriiber  das  erzbischofliche  Gericht  zu  Bourges 
entschied,  von  derselben  Art  wie  die  des  Bischofs  von  Amiens 
und  der  Pfarrer  von  Abbeville  gewesen,  so  konnten  sie  sich  nicht 
auf  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  bezogen  haben.  Indessen 
abgesehen  von  den  hervorgehobenen  Unklarheiten,  sprechen  noch 
andere  Griinde  fiir  die  Annahme,  dass  die  fragliche  Stelle  keinen 
hohern  Werth  hat ,  als  eine  um  Mitte  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts  erdachte  Anecdote  *.  Der  Bericht  ist  so  unbestimmt 
gehalten,  dass  er  iiber  den  Ort  der  Pfarrei,  den  Xamen  des  Pfar- 
rers,  die  Zeit  des  Processes  und  den  Namen  des  Gerichts  erster 
Instanz  keine  Angaben  enthalt;    ebensowenig   ist  angegeben,    ob 


/       1  Vallein  S.  220:  „un  texte  si  clair  et  simple!" 

'  Vgl.  daruber  Kap.  63  S.  278,  279. 

'  Boerius  dec.  297  n.  17  hinter  der  obeu  (S.  339,  Anm.  1)  angefiihrten 
Stelle:  ,,Et  pariter  dici  audivi  et  pro  certo  haberi,  nonnullos  Vasconiae  do- 
minos"  etc.  (vgl.  oben  Kap.  61  S.  258.  259).  Dann  heisst  es  weiter :  „Et 
similiter  reperi  Ambianensem  Episcopum  pro  licentia"  etc.  (folgt  ein  Bericht 
Uber  das  in  Kap.  63  besprochene  Parlamentsurtheil  vom  10.  Miirz  1409). 

*  Zu  demselben  Ergebniss  gelangt  der  Commissionsbericht  der  franzosischen 
Akademic  der  Inschriften  vom  11.  Aug.  1854,  Berger  de  Xivrey  S.  23.  Vgl. 
auch  Veuillot  2.  Aufi.  S.  151  —  154. 


Kapitel  82.    ELii  Pfarrer  vor  dem  Metropolitangericht  zu  Bourges.      341 

und  in  welcher  Eigenschaft  Nie.  Boerius  zu  der  Yerhandlung 
hinzugezog-en  wurde,  oder  aus  welcher  Yeranlassung  er  Gelegen- 
heit  hatte,  dem  Yerhor  beizuwohnen  ^.  In  der  Geschichte  des 
Erzbisthums  liourges  und  der  davon  abhangigen  fiinf  Bisthiimer  ^ 
sind  keine  ^Nachricliten  iiber  einen  Process  zu  entdecken,  auf 
den  die  Angaben  von  Boorius  sich  beziehen  konnten.  Der  Erz- 
bischof  Franz  I.  de  Beuil  hob  in  der  Zeit  von  1520—1525  einige 
Missbriiuche  auf;  doch  betrafen  dieselben  Schmausereien  bei  der 
Frohnleichnarasprocession  und  unschickliche  Yerkleidungen,  welche 
am  Martinsfest,  Nicolausfest  und  Innocenzfest  iiblich  waren^:  sie 
standen  also  in  keinem  Zusammenhang  mit  dem  Missbrauch,  den 
die  angefiihrte  Stelle  andeutet.  Zur  Lebenszeit  des  !Xic.  Boerius 
und  etwas  spiiter  wirkten  auf  der  Universitat  zu  Bourges  die 
grossten  Rechtslehrer,  namentlich  Alciat,  Duaren,  Cujacius  und 
Donellus^;  doch  findet  sich  in  ihren  Schriften  meines  Wissens 
keine  Andeutung  von  dem  fraglichen  Process,  obwohl  alle  diese 
Juristen  an  verschiedenen  Stellen  ihrer  Werke  genugsam  Yer- 
anlassung  gehabt  hatteu,  einen  so  sonderbaren  Process  zu  er- 
wiihnen.  Xicolaus  Boyer  oder  Bohier ,  lateinisch  Boerius '"  (am 
2.  Mai  1469  zu  Montepessulano  bei  Narbonne  geboren),  war  seit 
1512  Professor  an  der  Universitiit  zu  Bourges,  wurde  spater  in 
den  Senat  zu  Bordeaux  berufen  und  starb  als  dessen  Yicepriisi- 
dent  (president  a  mortier)  am  10.  Juni  1531  oder  1539  ^.  Die 
unter  seinem  Xamen  herausgegebenen  Decisiones  Burdegalenses 
erschienen  erst  im  Jahr  1551,  also  nach  seinem  Tode,  mit  Yor- 
rede    des  Joannes    Alesmius  vora  1.  Mai   1544.     Dies  AYerk   ent- 


*  Dies  letztgenannte  Bedenken  wiirde  sich  erledigen,  wenn  feststande.  wie 
Laferriere  Bd.  5  S.  456  schreibt,  dass  Boerius  Neffe  des  Erzbischofs  Guillel- 
raus  IV  de  Cambray  (1492—1504)  und  dessen  ..Bailli  du  Palais"  und  Bailli 
,.des  autres  Justices  de  Tarcheveque"  gewesen  sei.  und  dass  er  in  dieser 
Stellung  Gelegenheit  gehabt  habe,  genau  zu  wissen.  was  er  berichtete.  Doch 
giebt  Laferriere  nicht  an,  aus  Avelchen  Quellen  er  die  bezeichneten  Notizen 
iiber  Nic.  Boerius  entnommen  hat. 

2  Gall.  Christ.  Bd.  2  S.  87—98,  225-685. 

3  Gall.  Christ.  Bd.  2  S.  i)6. 

*  Alciatus,  geb.  1.  :Mai  1492.  <eit  1529  Professor  in  Bourges:  Duarenus, 
geb.  1509,  seit  1551  Professor  in  Bourges:  Cujacius.  geb.  1520  oder  1522,  ge- 
storben  zu  Bourges  1590;  Donellus,  geb.   1527.  gestorben  1591. 

5  Nicht  zu  verwechseln  niit  Jean  Bouhier ,  Viceprasidenten  am  Parlament 
zu  Di.jon.  geb.  16.  ^NIarz  1673.  gest.  17.  Marz  1746,  auch  nicht  mit  dem  ersten 
Bischof  von  Dijon.  Namens  Jean  Bouhier.  der  im  Jahr  1744  starb.  Vgl.  die 
naheren  Angaben  bei  Michaud. 

^  Vgl.  Stepf  Bd.  1  8.  224.  225,  insbesondere  auch  die  Lebensbeschreibung 
von  Joannes  Alesmius  in  dessen  Ausgabe  der  Werke  von  Boerius. 


342     Kapitel  82.    Ein  Pfarrer  vor  dem  Metropolitaiigericht  zu  Bourges. 

halt  viele  Zusiitze,  die  nicht  von  Boerius  herriihren,  sondern  zur 
Yergrosserung  des  Buchs  von  jungen  Leuten  verfasst  sind  ^ :  zu 
diesen  werthlosen  Zustitzen  kann  die  angefiihrte  Stelle  gezahlt 
werden,  als  eine  der  vielen  Anecdoten,  die  von  der  Art  sind, 
dass  sie  keinen  Glauben  verdienen  ^. 

Es  ist  erstaunlich,  wie  ungebiihrlich  die  Stelle  des  Boerius  von 
spateren  Schriftstellern  ausgebeutet  wurde.  Lauriere  meint,  diese 
Stelle  allein  geniige,  um  nachzuweisen,  dass  in  Frankreich  dasselbe 
Recht  gegolten  habe,  welches  durch  Konig  Evenus  in  Schottland 
eingefiihrt  gewesen  sei  ^.  Auch  Ducange  und  dessen  Nachfolger 
citiren  die  Stelle  aus  Boerius  gleichzeitig  rait  dem  Gesetz  des 
Konigs  Evenus  als  Beweis  fiir  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  ^. 
Raynal  und  Delpit  sagen,  ein  Pfarrer  habe  das  anstossige  „droit 
de  marquette"  oder  „droit  de  julie"  zu  beanspruchen  gewagt^. 
Mit  Berufung  auf  Boerius  behaupten  viele  Schriftsteller,  dass  die 
Geistlichen  das  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  geltend  gemacht 
hatten  ^ ;  und  mit  Entriistung  bemerkt  Dalloz,  das  stolze  und  leb- 
hafte  franziisische  Yolk  habe  in  dem  Herrenrecht  der  ersten  Xacht 
die  Spuren  einer  langen  und  dummen  Yerthierung  bis  ins  sieb- 
zehnte  Jahrhundert  ertragen  '.  Demgegeniiber  kann  die  Meinung 
Labessade's,  dass  der  Pfarrer  eine  Abgabe  von  allen  Yerheira- 
theten  der  Pfarrei  anstatt  des  Rechts  einer  ersten  fleischlichen 
Erkennung  begehrt  habe  ^,  als  eine  verhaltnissmiissig  gemassigte 
bezeichnet  werden.  Sechs  grobe  Irrthiimer  finden  sich  in  einem 
einzigen  Satz  von  Kolb:  „Boetie  (geb.  1531,  gest.  1563)  erzahlt 
ziemlich  umstdndlirh,  wie  er  selbst  die  Acten  eines  Processes  ge- 
sehen  habe,  in  welchen  ein  Pfarrer  bei  dem  Appellhofe  zu  Bourges 
sein  desfallsiges  Recht  geltend  zu  machen  suchte!"^  Dulaure 
meint,   der  fragliche  Pfarrer   habe  bei  dem  Metropolitan  ein  Ge- 

1  Dumoulin,  pars  3  n.  255  S.  400:  „Multa  in  d.  [d.  =  dictis]  decisionibus 
ad  augendum  librum  inserta  sunt,  quae  non  sunt  e  senteutia  Nicolai  Boerii 
jam  senio  confecti,  sed  allegationes  juvenum.'''     Vgl.  Camus  Bd.  2  S.  277. 

2  Vgl.  Veuillot  2.  Aufl.  S.  151—163:  Lagreze  1867,  S.  416. 
^  Lauriere  unter  Marquettes. 

■*  Ducange  (Henschel)  unter  Marcheta:  Merlin.  Kep.  unter  Markette:  Peu- 
chet  et  Chanlaire  S.  23:  Michelet  S.  264:  Schaffner  Bd.  3  S.  185:  Guber- 
natis,  Usi  S.  199. 

5  Raynal  Bd.  2  S.  209,  210;  Delpit  S.  84. 

«  Dulaure,  Adel  S.  243:  Fellens  S.  148;  Dupin  S.  131;  Schiiftner  Bd.  3 
S.   185:  Sugenheim  1861,  S.  104:  Laurent  S.  57;  v.  Maurer  Bd.  3  S.   169. 

'  Dalloz  unter  Adultere. 

*  Labessade  S.  27  Nr.  58,  aucli  S.  102,   103. 

9  Kolb  1843.  Bd.  2  S.  73.  74. 


Kapitel  83.    Das  Kloster  Sanct-Stephan  vor  ilem  Parlament  zu  Paris.      348 

sucli  um  Anerkennung  seines  Rechts  der  ersten  Nacht  einge- 
reicht;  er  fiigt  hinzu:  „Das  Gesuch  ward  mit  Unwillen  abge- 
schlagen,  die  Gewohnheit  ganz  einstimmig  verbannt,  und  der 
argerliche  PfafFe  zu  einer  Geldbusse  verdammt."  ^  Collin  de 
Plancy  erziihlt,  der  Landpfarrer  habe  nach  eigener  Angabe  jenes 
Recht  ausgeiibt ,  solange  er  in  der  Pfarrei  gewesen  sei ;  doch 
hatten  die  Plaidoyers  in  diesem  Process  ein  solches  Aergerniss 
hervorgerufen,  dass  der  Erzbischof  das  droit  de  cuissage  in  seiner 
Diocese  abgeschafft  und  den  Pfarrer  wegen  der  Unverschamtheit 
seiner  Klage  zu  einer  Geldstrafe  verurtheilt  habe  ^.  Der  AVirk- 
liche  Regierungsrath  von  Reynitzsch  leitet  aus  der  Stelle  von 
Boerius  sogar  folgenden  Satz  her:  es  war  „gar  nichts  Unehrliches 
fiir  einen  Dorfpfaffen,  die  Braute  seiner  ganzen  Pfarre  in  der 
ersten  Brautnacht  zu  beschlafen",  obwohl  er  „doch  die  Keusch- 
heit  heilig  gelobt  und  das  heilige  Sacrament  der  Ehe  abgeschwo- 
ren  hatte"  ^.  Die  Seltsamkeit  dieser  Yorstellung  wird  noch  iiber- 
troffen  durch  den  in  neuester  Zeit  gemachten  Versuch,  den  ver- 
meintlichen  Anspruch  der  Geistlichen,  die  Braute  in  der  Braut- 
nacht  zu  beschlafen,  mit  der  Einrichtung  des  Colibats  theoretisch 
in  Einklang  zu  bringen  '\  Die  Widerlegung  aller  dieser  Meinungen 
ergiebt  sich  aus  der  vorstehenden  Untersuchung. 

3.    P  r  o  c  e  s  s    d  e  s    K 1  o  s  t  e  r  s    S  a  n  c  t  -  S  t  e  p  h  a  n    z  u    N  e  v  e  r  s    v  o  r    d  e  m 
Parlament    von    Paris. 

Kapitel  88.  Paponius  berichtet,  die  Monche,  der  Prior  und 
das  Kloster  Sanct-Stephan  in  Nevers  hatten  in  einer  Klage  be- 
hauptet,  im  rechtmassigen  Besitz  des  Rechts  zu  sein,  von  Jedem, 
der  in  Nevers  heirathe ,  eine  Schiissel  Braten ,  eine  Schiissel  ge- 
kochten  Fleisches ,  einen  Krug  Wein  und  ein  Brot  im  Gewicht 
von  vier  Pfund  zu  erhalten ;  doch  sei  die  Klage  durch  Park- 
mentsurtheil    vom    27.    Sept.    15S2   abgewiesen    w^orden^.     Dieser 


1  Dulaure,  Adel  S.  243. 

2  Collin  de  Plancy  Bd.   1   S.  179;  Fellens  S.   148. 

3  Reynitzsch  S.  275.  Der  erste  Theil  dieses  Satzes  steht  in  directem 
Widerspruch  mit  der  von  Boerius  angegebenen  Entscheidung ;  er  wird  beson- 
ders  unverstilndlich  durch  den  im  zweiten  Theil  des  Satzes  enthaltenen  Hin- 
weis  auf  den  Colibat  der  Geistlichkeit. 

*  Kulischer  S.  225. 

*  Paponius  lib.  13  tit.  3  n.  8:  .,Patinam  tostae,  patinam  assae  carnis,  am- 
phoram  vini,  panem  pondere  quatuor  librarum  accipiendi,  quod  jus  Religiosi, 
Prior  et  Conventus  oppidi  S.  Stephani  Nivernensis  habere  praetendebant,  et 
in    ejus    possessione  exigendi  a  singulis,    qui    in  civitate  Nivernensi  matrimo- 


344     Kapitel  83.    Das  Kloster  Sanct-Stephan  vor  dem  Parlament  zu  Paris. 

Bericlit  ersclieint  an  und  fiir  sicli  als  glaiibliaft ;  denn  das  Klo- 
ster  Sauct-Stephan  zu  Nevers  (im  Jaiir  602  durcli  den  heiligen 
Columban  gestiftet ,  spater  zerstort ,  wieder  aufgerichtet  und 
den  Benedictinern  iibergeben)  hatte  ansehnliche  grundherrliche 
Rechte  vom  Grafen  von  Nevers  erworben  ^ ;  auch  liesse  sich 
denken,  dass  zu  den  durch  Herkommen  begriindeten  grundherr- 
lichen  E.echten  die  bezeichnete  Heirathsabgabe  gehorte,  und  dass 
im  Jahr  1582  das  Parlament  aus  den  inzwischen  zur  Geltung 
gekommenen  veranderten  Rechtsanschauungen  die  auf  das  Her- 
kommen  gegriindeten  Anspriiche  fiir  rechtlich  unwirksam  erklarte. 
Indessen  hat  Paponius  seinen  Bericlit,  wie  ein  Citat  am  Schluss 
desselben  ersehen  lasst,  nicht  unmittelbar  aus  dem  Urtheil  des 
Parlaments  geschopft,  sondern  aus  einem  Werk  von  Louis  Cha- 
rondas-le-Caron  entnommen;  und  die  Einsiclit  dieser  Quelle  zeigt, 
dass  die  Mittheihmg  von  Paponius  in  mehrfacher  Beziehung  un- 
genau  ist  ^. 

Es  erhoben  namlich  Antonie  von  Grandrye  und  Genossen 
vor  dem  Vertreter  des  Senesclialls  von  Bourbonnais  zu  Moulins 
gegen  Meister  Johann  Brung  und  Genossen  eine  Complainte  (d.  i. 
eine  Art  von  Besitzstorurjgsklage)  mit  der  Behauptung,  als  Lehns- 
trager  des  Herzogs  von  Nevers,  im  rechtmassigen  Besitz  eines 
„droit  de  masse"  zu  sein,  namlich  des  Bechts,  von  Jedem,  der  in 
der  Stadt  Nevers  heirathe,  eine  Steuer  zu  erheben,  und  zwar  von 
der  Frau  vier  Kreuze  und  vom  Mann  eine  Schiissel  Braten,  eine 
Schiissel  gekochtes  Fleisch ,  ein  Quart  ^Vein ,  ein  Brot  von  rich- 
tigem  Gewicht  und  vier  Pfennige,  unter  Gesang  eines  scherzhaften 
Liedes  beim  Hochzeitsfest.  Die  Beklagten,  sowie  die  zu  ihrer 
Unterstiitzung  deni  Process  beigetretenen  Monche,  Prior  und  Con- 
vent  von  Sanct-Stephan,  bestritten  den  klagerischen  Anspruch. 
Der  Richter  verurtheilte  die  Beklagten  nach  dem  Klageantrag 
durch  Urtheil  vom  27.  Jan.  1582.  Gegen  dies  Urtheil  legten 
Meister  Johann  Brung  und  Genossen,  nebst  den  Monchen,  dem 
Prior  und    dem  Convent  von  Sanct-Stephan,    Berufung  ein.     Das 


nium  contraherent.  ad  quod  praetensum  jus  Curia  Arresto  27.  Septembris  1582 
iion  admittendos  eos  esse  declaravit.''  Daraus :  lirillon  Bd.  2  S.  917  (mit 
Druckfehlcr  25.  statt  27.  Sept.) :  Veuillot  2.  Aufl.  S.   2(50. 

^  Morellet  Bd.  1  S.  115. 

^  Danach  war  das  Kloster  nicht  Klager,  sondern  Intervenient  oder  Adeitat 
im  Process;  es  stand  auf  Seiten  dcr  Beklagten  und  beantragte  gemeinschaft- 
lich  mit  denselben  die  Abweisung  der  Klage ;  am  27.  Januar  1582  erging  das 
Urtheil  erster  Instanz,  wogegen  das  Datum  des  Parlamentsurtheils  von  Cha- 
rondas  nicht  mitgetheilt  wird. 


Kapitel  83.   Das  Klostei-  Sanct-Stephan  vor  dem  Parlamant  zu  Paris.     345 

l*arlanieiit  zu  l'aris  entschiecl  in  dor  Jk-rufungsinstanz;  es  nahm 
die  Berufung  an  und  wies  die  Klage  ab,  mit  der  Erwagung,  dass 
aus  Geschenken,  die  auf  Hochzeitsfesten  aus  Munterkeit  oder 
Freigebigkeit  gemacht  seien ,  keine  rechtliche  Forderung  her- 
geleitet  werden  konne,  nach  Analogie  von  Lex  41  Dig.  de  ac- 
quirenda  vel  amittenda  possessione  und  Lex  10  ij  1  Dig.  de  an- 
nuis  legatis  ^. 

Aus  dem  vorstehenden  Bericht  erJiellt  mit  viUliger  Klarheit, 
dass  der  Rechtsstreit,  bei  dem  das  Kloster  Sanct-Stephan  be- 
theiligt  war,  eine  grundherrliche  Heirathsabgabe  betraf,  und  dass 
dieselbe  nicht  den  geringsten  Anlass  zu  der  Yermuthung  bot,  als 
konnte    sie   durch   Ablosuns'    eines    anstdssifiren  Herrenrechts  ent- 


1  Charondas  liv.  7  resp.  79  (S.  279  der  Aiisg.  v.  1637):  ,.Elle  [la  Cour] 
a  encores  depuis  en  infirmant  la  sentence  du  Senesehal  de  Bourbonnais,  ou 
son  Lieutenant  a  Moulins,  entre  Maistre  Jean  Brung  et  consors,  les  Religieux. 
Prieur  et  convent  du  Bourg  saint  Etieime  de  Nevers.  joints  avec  eux.  appel- 
lans  de  ladicte  sentence  du  21.  jour  de  Janvier  1582,  et  Anthoinette  de  Grand- 
rye  et  consors  inthimez  d'autre ,  declare  les  inthimez  non  recevables  en  la 
complainte  par  eux  intentee  pour  la  possession  d'un  droif  de  masse ,  qu'ils 
pretendoient  sur  chacun  qui  se  marie  dans  la  ville  de  Nevers,  es  quatre  croix 
dicelle:  et  pour  iccluy  un  plat  de  rosty ,  un  plat  de  boiiilly.  un  quarte  de 
vin .  un  pain  de  poids .  et  quatre  deniers ,  en  cliantant  une  ridicale  chanson 
en  rassemblee  du  festin  nuptial:  et  tenir  ledit  droit  en  fief  du  Duc  de  Ne- 
vers.  La  Cour  a  prudemment  considere  que  tel  presen  offert  quelquefois  en 
un  banquet  de  nopces .  par  gaillardise  ou  liberalite  ,  ne  devait  estre  tire  a 
consequence  et  necessite,  arg.  L.  qui  jure  familiaritatis  D.  de  adquir.  poss., 
L.  Sejo  §  medico  D.  de  annuis  legatis.  Baldus  in  L.  solet  D.  de  offic.  procons. 
et  fait  a  ce  propos  L.  ut  pomum  D.  de  servit.  et  ce  que  Du  Moulin  en  a 
escrit  parlant  de  servitiis  feudi  insolitis  et  exorbitantibus.  qu'il  dit  non  debere 
trahi  in  consequentiam  et .  vinculum  obligationis ,  in  consuet.  Paris.  §  53 
num.  19  ..."  —  Es  wurde  an  und  fiir  sich  denkbar  sein .  dass  zwei  ver- 
schiedene  Processe  iiber  dieselbe  Heirathsabgabe  geschwebt  hatten:  dass  in 
dem  einen  Process  das  Kloster  als  Rechtsnachfolger  der  Grafen  von  Nevers 
als  Klager  aufgetreten  Avare:  und  dass  es  in  dem  andern  Process,  worin  An- 
tonie  von  Grandrye  und  Genossen  klagten ,  intervenirte  und  mit  den  Be- 
klagten  auf  Abweisung  der  Klage  antrug,  weil  es  die  Legitimation  der 
Klager  bestritt  und  die  streitigen  Rechte  fUr  sich  selbst  in  Anspruch  nahm. 
Doch  dlirfte  eine  solche  Annahme  dadurch  ausgeschlossen  sein.  dass  Paponius 
keine  andere  Quelle  als  den  Bericht  von  Charondas  angiebt.  Deshalb  ist 
es  auch  bedenklich,  durch  den  Bericht  vom  Paponius  fiir  festgestellt  zu 
ei-achten,  dass  dic  Entscheidung  des  Parlaments  am  27.  Sept.  1582  ergangen 
sei ,  da  Charondas  den  Tag  der  Entscheidung  nicht  angiebt.  INIindestens 
ebenso  unsicher  ist  die  Angabe  Voltaire's  (Dict.  phil.  unter  Taxe) ,  wonach 
das  Urtheil  des  Parlaments  am  27.  Sept.  1591  erlassen  sein  soll.  Ein  solches 
Urtheil  ist  im  Pariser  Staatsarchiv  (nach  den  von  mir  angestellten  Erkundi- 
gungen)  weder  unter  dem    elnen    nocii  unter  dem   andern  Datum  aufzufinden. 


346     Kapitel  84.    Die  Herren  von  Souloire  vor  dem  Parlament  zu  Paris. 

standen  sein.  Mit  derselben  Sicherheit  ergiebt  sich  aus  den  Be- 
richten  von  Charondas  und  Paponius,  dass  der  Process  keine 
kirchliche  Gebiihr  betraf,  also  von  dera  Rechtsstreit,  den  der 
Bischof  von  Amiens  mit  den  Bewohnern  von  Amiens  und  Abbe- 
ville  gefiihrt  hatte,  durchaus  verschieden  war.  Und  doch  sind 
beide  Irrthiimer  vereinigt  in  der  Behauptung  zahlreicher  Schrift- 
steller,  worin  dieselben  versichern,  dass  die  Pratensionen  der 
Monche  von  Sanct-Stephan  zu  Nevers  gleichartig  oder  gar  iden- 
tisch  mit  jenen  Anspriichen  des  Bischofs  von  Aniiens  gewesen 
seien,  und  dass  sie  einen  Beweis  fiir  das  Herrenrecht  der  ersten 
Xacht  lieferten  ^. 

■[.    P  r  0  c  e  s  s    ii  b  e  r    R  e  c  h  t  e    d  e  r     H  e  r  r  e  n    v  o  n    S  o  u  1  o  i  r  e    v  o  r    d  e  m 
Parlament    zu    Pari?. 

Kapitel  84.  Charlotte  Du  Bois,  AVittwe  von  Joachim  Ba- 
rillon,  Herrn  von  Souloire  (Saulcires),  in  der  Provinz  Anjou, 
klagte  als  Yormiinderin  ihrer  Kinder,  zufolge  eines  gegeniiber 
der  Oberlehnslierrin,  Grafin  von  Mauleurier,  abgegebenen  Lehns- 
anerkenntnisses ,  gegen  Gabriel  Ragot,  Herrn  von  La  Faye,  als 
Ehegatten  der  Renee  de  Guynemoire,  und  gegen  den  Meier  Michel 
Bremat  vor  dem  Gericht  des  Senechal  von  Anjou  in  Angers,  wegen 
zweier  Rechte,  Ihr  erster  Anspruch  ging  dahin,  dass  ihr  Ser- 
geant  zu  allen  Hochzeiten  der  Unterthanen  ihres  Lehens  acht 
Tage  zuvor  eingehiden  werden  miisse  und  berechtigt  sei,  so  oft 
es  ihm  gutdiinke,  an  der  Hochzeit  theilzunehmen,  vor  der  jungen 
Frau  zu  sitzen,  ebenso  wie  sie  zu  speisen,  zwei  Laufhunde  (chiens 
courants)  und  einen  Windhund  (levrier)  mitzubringen,  Bekosti- 
gung  derselben  zu  verlangen  und  nach  Beendigung  des  Hoch- 
zeitsmahls  die  junge  Frau  zu  fiihren  und  das  erste  Lied  zu 
singen.  Zweitens  beantragte  sie,  zu  erkennen,  dass  ihr  Sergeant 
berechtigt  sei,  von  jeder  offentlichen  Dirne  (concubine  publique), 
die  sich  auf  der  Strasse  treffen  lasse,  entweder  vier  Pfennige  zu 
erheben  oder  ihr  den  Aermel  ihres  Kleides  am  rechten  Arm  ab- 
zunehmen  oder  mit  ihr  nach  AVillkiir  zu  verfahren.  Nach  er- 
folgter  Beweisaufnahme  wies  der  Yertreter  des  Senechal  zu  An- 
gers  durch  Urtheil  vom  4.  Miirz  1600  die  Klage  in  beiden  Theilen 
ab.  Die  Klagerin  appellirte.  Am  6.  Miirz  1601  wurde  vor  der 
grossen  Kammer  des  Parlaments  zu  Paris  iiber  die  Berufung 
verhandelt,   die   nur  beziiglich    des  ersten  Klagepunktes  aufrecht 


1  Espeisses  Bd.  3  Tit.  6  sect.  9  S    306:    Voltaire.    Dict.  phil.  unter  Taxe; 
Diss.  S.  Claude  Anh.  S.   134:  Dulaure.  Adel  S.  242:    Labessade  S.  20  Nr.  56. 


Kapitel  84.    Die  Herren  von  Souloire  vor  dem  Parlament  zu  Paris.      347 

erhalten  iind  durcli  den  Advokaten  Gourreau  vertheidigt  wurde. 
Bezuglich  des  zweiten  Theiles  stellte  der  Vertreter  der  Klagerin 
keinen  Antrag.  Zur  Begriindung  der  Berufung  legte  der  Ad- 
vokat  Ausziige  aus  vierzehn  Frkunden  vor,  aus  der  Zeit  von  1408 
bis  1546,  um  nachzuweisen,  dass  wahrend  dieser  Zeit  die  Rechts- 
vorganger  der  Klagerin  sich  im  ruhigen  Besitz  des  jetzt  streitig 
gewordenen  Rechts  befunden  hatten.  Er  berief  sich  ferner  auf 
den  Inhalt  der  Zeugenaussagen  erster  Instanz;  darin  seien  zahl- 
reiche  Fiille  bestatigt,  in  denen  der  Sergeant  von  Souloire  zur 
Hochzeit  eingeladen  wurde :  nur  ein  Zeuge  habe  sich  geweigert, 
jener  Verptlichtung  nachzukommen,  jedoch  lediglich  auf  Zureden 
des  Beklagten,  der  ihm  versprochen  hatte,  ihn  wegen  der  Folgen 
seiner  AVeigerung  schadlos  zu  halten.  Endlich  bezog  er  sich 
auf  ein  durch  die  Beklagten  vor  dem  Richter  erster  Instanz  am 
4.  Miirz  1600  abgelegtes  Anerkenntniss.  Der  Advokat  Choppin 
vertrat  die  Sache  der  Beklagten;  er  vertheidigte  die  Entschei- 
dung  des  ersten  Richters,  mit  der  Ausfiihrung,  dass  der  klage- 
rische  Anspruch  weder  durch  einen  Titel  noch  durch  die  Cou- 
tume  d'Anjou  sich  rechtfertigte,  iiberdies  liicherlich  sei  und  gegen 
die  ofPentliche  Freiheit  verstosse.  Der  Generaladvokat  Louis  Ser- 
vin  gab  sein  Gutachten  zu  Gunsteu  der  Beklagten  ab;  er  hielt 
das  in-  erster  Instanz  abgegebene  Anerkenntniss  fiir  nicht  entschei- 
dend,  weil  dasselbe  nur  dahin  ging,  dass  zur  Zeit  der  Minderjah- 
rigkeit  des  Friiulein  von  Guynemoire  und  in  Abwesenheit  der  Be- 
klagten,  zufolge  von  Zwang  und  Drohung  Seitens  des  Herrn  von 
Souloire,  und  nur  seit  siebzehn  bis  achtzehn  Jahren,  der  Sergeant 
von  Souloire  zu  einigen  Hochzeiten  in  der  Meierei  Guynemoire 
eingeladen  worden  sei.  Ebensowenig,  meinte  er,  konne  der  nach 
der  Coutume  d'Anjou  erforderliche  Beweis  eines  dreissigjahrigen, 
ununterbrochenen,  ruhigen  und  unbestrittenen  Besitzstandes  als 
gefiihrt  erachtet  werden;  vielmehr  sei  der  Klageanspruch  hin- 
fallig,  weil  aus  der  Zeit  seit  1540,  also  seit  60  Jahren  vor  An- 
stellung  der  Klage,  keine  Besitzhandlungen  nachgewiesen  seien. 
Zudem  sei  der  seigneur  suzerain  (die  Grafin  von  Mauleurier) 
im  Process  nicht  vertreten.  Uebrigens  konne  schon  nach  all- 
gemeinen  Grundsatzen  die  Abweisung  der  Klage  gerechtfertigt 
werden:  erstens  aus  dem  durch  das  romische  Recht,  durch  die 
Kapitularien  und  durch  die  Rechtsprechuug  des  Parlaments 
(z.  B.  durch  das  Urtheil  vom  Jaht  1401  ^)  anerkannten  Grundsatz 
der  Freiheit  in   der  Eheschliessung,    und   zweitens   aus    der    Er- 


Vgl.  oben  Kap.  63  S.  274.  275. 


348      Kapitel  84.    Dic  Herren  voii  Souloire  vor  dem  Parlaineut  zu  Paris. 

wagimg,  dass  der  klagerische  Anspruch  gegen  die  guten  Sitten 
verstosse,  daher  nach  allgemeinem  Recht  ^  als  hinfallig  erscheiue. 
Der  Gerichtshof  trat  diesen  Ausfiihruugen  nicht  bei,  sondern 
schiitzte  durch  Urtheil  vom  6.  Marz  1601  die  Berufuugskliigerin 
im  Besitz  des  im  ersten  Theil  der  Klage  bezeichueten  Rechts, 
indem  er  nur  beziiglich  des  zweiten  Theiles  (der  ohne  Yerthei- 
digung  in  zweiter  Instanz  geblieben  war)  die  Berufung  verwarf. 
Einen  vollstandigen  Bericht  iiber  diesen  Process  hat  Louis  Servin 
veroffentlicht  2.  Dies  ist  die  Quelle,  woraus  alle  spateren  Nach- 
richten^  von  dem  fraglichen  Rechtsstreit  theils  direct,  theils  in- 
direct  geschopft  sind.  AVie  Lauriere  berichtet,  solleu  die  Herren 
von  Souloire  freiwillig  am  1.'5.  Dec.  1607  auf  das  streitig  gewesene 
Recht  verzichtet  haben  ^.  Hierbei  uuterliisst  Lauriere,  das  frag- 
liche  Recht  genau  zu  bezeichnen;  er  sagt  nur,  es  sei  iihnlich 
demjenigen  Recht  gewesen,  das  in  Schottland  durch  Konig  Eve- 
nus  IIL  eingefiihrt  und  durch  Konig  Malcolm  III.  abgeschafft 
worden  sei.  Diese  Meinung  ist  durch  deu  vorstehendeu  acten- 
miissigen  Bericht  widerlegt. 

Durch  einige  neuere  Scliriftsteller  ist  nicht  bloss  der  Irrthum 
Lauriere"s  weiter  verbi\eitet,  sondern  im  Anschluss  daran  folgende 
Erziihluno-  erfunden  worden.     In  der  Herrschaft  Souloire  bei  Can- 


1  Arg.  L.  121  §  1  Dig.  de  V.  O.  (arg.  e  coiitr.)  und  L.  16  §  1  Dig.  de 
operis  libertorum. 

2  Servin  Th.  2  Kap.  28  S.  227  (die  zweite  S.  227)  bis  230. 

3  Limnaeus.  Addit.  ad  lib.  4  cap.  7  in  fine,  Bd.  4  S.  604:  Olive  S.  157: 
d*Espeisses  lib.  6  sect.  9,  S.  306;  Brodeau  S.  273:  Brillon  Bd.  2  S.  924:  Du- 
laure.  Adel  S.  235  und  238:  Raepsaet  3.  Aufl.  S.  15:  Grimm.  R.-A.  2.  Ausg. 
S.  384:  v.  Hormayr  1832.  S.  38;  Michelet  S.  266;  v.  Hormayr  1842,  S.  146. 
147:  Laboulaye  S.  332:  Veuillot  S.  274—279:  Delpit  S.  85—88;  Labessade 
S.  27  Nr.  59.  Bei  Auzannet  S.  5  (Anm.  zu  tit.  1  art.  1)  und  bei  Brillon 
(Bd.  2  S.  924  §  131)  findet  sich  der  Irrthum,  dass  die  Entscheidung  zu 
Gunsten  eines  Herrn  von  Desoloris  ergangen  sei. 

*  Laurirrc  unter  Cullagc :  „Les  Sieurs  de  Souloire  etaient  autrefois  fondez 
en  pareil  droit ,  l"ayant  obmis  en  Taveu  rendu  au  Seigneur  de  Montlevrier 
Seigneiir  suzerain.  le  dcfaut  donna  ouverture  de  debat,  comme  de  defectuosite: 
et  par  acte  du  15  decembre  1607  il  y  renonga  precis^ment.  Ces  droits  ex- 
orbitans  et  honteux  ont  cte  convertis  en  des  prestations  modiques."  Daraus : 
Encycl.,  Ausg.  v.  1754,  unter  Culage  (von  Boueher  d'Argis)  mit  dem  Druck- 
fehler  Souloire  statt  Souloire;  die  spateren  Ausgaben  der  Encyclopadie  unter 
Culage.  und  Yoltaire,  Dict.  phil.  unter  Taxe.  immer  mit  demselben  Druck- 
fehler:  Roquefort,  Suppl.  S.  106.  mit  dem  Druckfehler  1707  statt  1607.  Bei 
den  Encyklopadisten  und  bei  Voltaire  findet  sich  der  grundlose  Zusatz,  dass 
die  Umwandlung  solcher  abscheulichen  Rechte  in  massige  Abgaben  ..iiberall" 
stattgefundcn  liabe. 


Kap.  85.    Ch-af  von  Moiitvallat  vor  den  Grands-Joiirs  von  Clermont.     349 

debac,  im  Laiule  Caux  in  der  yormandie,  hatten  die  Grund- 
herren  das  Herrenrecht  der  ersten  Xacht,  bis  dasselbe  am  15.  Dec. 
1607  aufgehoben  wurde.  In  der  Niihe  des  Herrensitzes  lag  ein 
Teich,  Avoran  ein  Weg  vorbeifiihrte;  der  Vogt  des  Herrn  von 
Souloire  hattfe  ein  Haus  an  diesem  Wege  und  iibte  dort  das 
Recht  seines  Herrn  an  allen  Frauen,  die  iiber  diese  Strasse 
gingen,  wenn  sie  hiibsch  waren,  zwangsweise  aus;  von  alten 
oder  hasslichen  Frauen  liess  er  sich  ein  Losegeld  von  vier  Pfen- 
nigen  zahlen  ^.  Der  Inhalt  dieser  Erzahlung  erinnert  an  den  vor- 
erwahnten  zweiten  Anspruch  der  AVittwe  von  Souloire,  mit  dem 
sie  in  beiden  Instanzen  abgewiesen  wurde.  Sie  behauptete,  ihr 
Amtmann  sei  berechtigt,  mit  liederlichen  AVeibspersonen,  wenn 
sie  sich  auf  offener  Strasse  treflfen  liessen ,  nach  AVillkiir  zu  ver- 
fahren.  Den  Ausdruck  „faire  d'elles  a  sa  volonte^  beziehen  manclie 
Schriftsteller  auf  eine  unziichtige  Handlung,  wahrend  es  natiirlich 
ist,  an  eine  korperliche  Ziichtigung  oder  an  sonstige  Bestrafung 
zu  denken ;  keinenfalls  liegt  darin  eine  Rechtfertigung  oder  auch 
nur  eine  Entschuldigung  fiir  die  Behauptung,  dass  die  Herren 
von  Souloire  das  „droit  du  seigneur"  (jus  primae  noctis)  fiir  sich 
in  Anspruch  genommen  oder  gar  ausgeiibt  hatten. 

0.    P  r  0  c  e  s  s    d  e  s    G  r  a  f  e  n    v.o  n    ^M  o  n  t  v  a  1 1  a  t    v  o  r    d  e  m    G  e  r  i  c  li  t  5  h  o  f 
d  e  r    G  r  a  n  d  s  -  J  o  u  r  s    v  o  n    C  1  e  r  ni  o  n  t. 

Kapitel  S5.  Der  Graf  Charles  de  Montvallat  wurde  am 
27.  Nov.  1665  durch  den  Gerichtshof  der  Grands-Jours  zu  Cler- 
mont  wegen  Misshandlung  des  Peter  Albaret  aus  dem  Kirchspiel 
Epinasse  und  wegen  eines  an  Franz  Guyon,  Gerber  in  Chau- 
desaigues,  veriibten  Eaubes,  sowie  wegen  anderer  im  Lauf  der 
L^ntersuchung  ermittelter  Handlungen  zum  Verlust  seiner  Ge- 
richtsbarkeit  iiber  die  Gebiete  von  Montvallat  und  Mornac  und 
zu  einer  Geldstrafe  von  8000  Livres  verurtheilt;  in  demselben 
Urtheil  wurde  iiber  mehrere  privatrechtliche  Streitigkeiten  ent- 
schieden,  insbesondere  die  Nichtigkeit  einiger  Schuldverschrei- 
bungen  ausgesprochen.  Das  namliche  Urtheil  untersagte  dem 
Grafen  von  Montvallat,  von  den  Personen,  die  ihm  zu  Abgaben 
verpflichtet  waren,  auf  Grund  der  alten  Rechtstitel  mehr  als  drei 
Sous  fiir  jedes  „droit  de  guet"  (in  Friedenszeiten)  und  mehr  als 
drei  Livres  fiir  jedes    „droit   de   nopces"    zu  erheben  ^.     Das  Ur- 

1  Collin  de  Plancy  Bd.  1  S.  172,  173.     L.  v.  Alvensleben  (zu  Fellens  S.  148) 
wiederholt  diese  Erzahlung,  mit  dem  Druckfehler  Souloise  statt  Souloire. 

2  Urth.  V.  27.  Nov.  1665,  Recueil  de  Clermont.    S.  133—138,    auf  S.  136: 


350     Kap.  83.    Grat  von  Montvallat  vor  den  Grands-Jours  von  Clermont. 

theil  liisst  nicht  ersehen,  welche  Beschwerden  beziiglich  der  Hei- 
rathsabgabe  (des  droit  de  nopces)  gegen  den  Grrafen  erhoben 
waren.  Einige  Aufklarung  dariiber  giebt  Bischof  Esprit  Flechier 
von  Isimes.  Derselbe  erzahlt,  das  in  der  Auvergne  unter  dem 
Xamen  droit  de  noces  verbreitete  Recht,  das  friiher  einen  minder 
anstandigen  IS^amen  fiihrte ,  habe  urspriinglich  dem  Herrn  die 
Befugniss  ertheilt ,  bei  allen  Hochzeiten  seiner  Unterthanen  zu- 
gegen  zu  sein  und  beim  Schlafengehen  der  neuvermahlten  Frau 
die  Formlichkeit  zu  verrichten,  welche  iiblich  sei,  wenn  eine 
Konigin  durch  Stellvertretung  heirathe;  dies  Recht  werde  nicht 
mehr  ausgeiibt,  sondern  sei  in  eine  Geldabgabe  verwandelt;  doch 
habe  der  Clraf  von  Montvallat  den  Anspruch  erhoben,  dass  ihm 
jenes  alte  Recht  noch  zustehe,  und  er  habe  durch  die  Furcht, 
die  er  einflosste,  seine  Unterthanen  genothigt,  ihn  mit  grossen 
Creldzahlungen  abzufinden,  devgestalt,  dass  dazu  haufig  die  Halfte 
der  Mitgift  aufgewendet  wurde  ^  Es  kann  dahingestellt  bleiben, 
ob  und  inwieweit  diese  Erziihlung  der  AVahrheit  entspricht.    Jeden- 

.  .  .  ..lui  fait  deffences  de  prendre  ny  exiger  de  ceux  qui  luy  seront  rede- 
vables ,  des  droits  de  Guet  et  de  Xopces ,  par  les  anciens  Titres  et  Terriers. 
autre  chose  que  trois  solSkpour  chacun  droit  de  Guet  en  temps  de  Paix.  et 
la  somme  de  trois  livres,  a  laquelle  la  Cour  a  liquide  chacun  droit  de  Xopces.'' 
Das  ,,droit  de  guet"  scheint  eine  Abgabe  flir  die  Xachtwache  (Scharwache") 
gewesen  zu  sein. 

1  Flechier  S.  15",  158 :  ,.I1  y  a  un  droit  qui  est  assez  commun  en  Au- 
vergne  qu'on  appelle  le  droit  des  noces.  Autrefois  on  ne  Tappeloit  pas  si 
honnetement:  mais  la  langue  se  purifie  dans  les  pays  meme  les  plus  barbares. 
Ce  droit .  dans  son  origine .  donnoit  pouvoir  au  seigneui;  d'assister  a  tous  les 
mariages  qui  se  faisoient  entre  ses  sujets;  d'gtre  au  coucher  de  Tepousee : 
faire  les  ceremonies  que  font  ceux  qui  vont  epouser  par  procuration  les 
reines  de  la  part  des  rois.  Cet  usage  ne  se  pratique  plus  aujourd'hui.  soit 
parce  qu'il  seroit  incompatible  aux  seigneurs  d'etre  de  toutes  les  noces  de 
leur  village  et  d'emporter  leurs  jambes  dans  les  lits  de  tant  de  bonnes  gens 
qui  se  marient.  que  xiarce  que  cette  coutume  etoit  un  peu  contraire  a  rhon- 
netete ,  et  qu'elle  exposoit  les  gentilshommes ,  qui  avoient  Tautorite  et  qui 
n'avoient  pas  toujours  la  moderation.  a  des  tentations  assez  dangereuses,  lors- 
qu'ils  en  trouvoient  quelques  beaux  sujets.  Cette  honteuse  c^remonie  a  etd 
changee  en  reconnaissance  pecuniaire.  et.  par  un  accord  mutuel,  les  seigneurs 
ont  demande  des  droits  plus  solides .  ec  les  sujets  ont  ete  bien  aises  de  se 
redimer  de  cette  loi  si  dangereuse  a  leur  honneur.  M.  de  Montvallat  trouvoit 
que  les  anciennes  coutumes  etoient  les  meilleures.  lorsque  quelque  belle 
villageoise  alloit  epouser.  et  ne  vouloit  pas  laisser  perdre  ses  droits ;  et  comme 
on  le  tenoit  assez  redoutable  sxir  ce  sujet ,  et  qu'on  craignoit  que  la  chose 
passat  la  c^remonie.  on  trouvoit  encore  plus  Ji  propos  de  capituler,  et  de  lui 
faire  quelque  pr^sent  considerable  selon  leurs  forces.  Quoiqu'il  en  soit,  il 
faisoit  valoir  ce  tribut,  et  il  en  coCitoit  bien  souvent  la  moitie  de  la  dot  de 
la  mariee."     Daraus :  Lagreze   18GT.  S.  403:  Labessade  S.  101.  102. 


Kapitel  86.    Toscanisches  Gesetz  vom  Jahr  1691.  351 

falls  erhellt  aus  dem  augefuhrten  Urtheil,  dass  der  Anspruch 
des  (frafen  von  Montvallat  auf  Erhebun<^  einer  Heirathsabgabe 
im  Allgemeinen  rechtlich  begriindet  war;  er  stiitzte  sich  auf  alte 
Titel,  die  der  Gerichtshof  als  rechtsbestandig  anerkannte.  Es  ist 
daher  unmoglich,  anzunehmen,  dass  die  Geldabgabe,  die  der  Graf 
von  Montvallat  erhob,  durch  Ablosung  aus  einem  unsittlichen  Recht 
friiherer  Zeit  entstanden  sei;  denn  in  einem  solchen  Fall  hatte 
der  Gerichtshof  die  Abgabe  nicht  als  rechtlich  begriindet  ansehen 
konnen.  Ganzlich  verfehlt  ist  die  im  neunzehnten  Jahrhundert- 
verfochtene  Meinung,  der  Graf  von  Montvallat  habe  das  Herren- 
recht  der  ersten  Xacht  in  der  heutigen  Bedeutung  dieses  Wortes 
in  Anspruch  genommen  und  sei  deshalb  verurtheilt  worden  '. 

b.    Italien. 
1.    Gesetz  des  GrossJterzogs  Cosmo  III.   von  Toscana  rom  Jahr  1691. 

Kapitel  86.  Ueber  den  Grossherzog  Cosmus  UL  von  Tos- 
cana  (1676  — 1723)  -wird  erzahlt:  .  .  .  „Er  gab  1691  ein  Gesetz, 
dass  kein  Jiingling  das  Haus  solcher  Eltern  besuchen  sollte,  welche 
unverheirathete  Tochter  hatten.  Bloss  die  Monche  sollten 
die  Heirathen  schliessen,  wobei  sie  dann  das  jus 
primarum  noctium  ausiibten.''^  Dieser  Satz  ist  so  ver- 
worren,  dass  der  Sinn  desselben  aus  dem  Zusammenhang  nicht 
zu  ersehen  ist;  zur  Ermittlung  des  richtigen  Sachverhalts  miisste 
ziinachst  das  fragliche  Gesetz  aufgesucht  werden.  Doch  verlohnt 
es  sich  nicht  der  Miihe,  dariiber  specielle  Untersuchungen  anzu- 
stellen,  da  die  Erzahlung  erst  vom  Jahr  1795  herriihrt  und  in 
sich  selbst  unverstandlich  ist,  daher  so  gut  wie  keine  Bedeutung 
hat;  sie  kann  daher  nicht,  wie  aufgestellt  wird,  zur  Unterstiitzung 
der  Meinung  dienen,  „dass  das  vorlaufige  Paaren  der  Geistlich- 
keit  und  des  Adels  bei  den  Xeuvermiihlten  eine  allgemein  giiltige 
Institution  war"  ^. 

2.    Gesetz  des  Kihiirjs  Ferdinand  IV.  heider  Sicilien  rom  Jahr  17S5. 

Kapitel  87.  Salis  von  Marschlins  berichtet,  Konig  Ferdi- 
nand  lY.  habe  im  Jahr  1785  verordnet,  dass  die  Einwohner  von 
Calabrien  aus  der  driickenden  Unterthanigkeit  gegeniiber  ihren 
Baronen   befreit,    und    die  Barone   fiir   den  Yerlust  ihrer  Rechte 


1  Bonnemere  Bd.  2  S.  64,    65:    Sugenheim  1861.    S.   147:    Labessade  S.  26 
Nr.  57,  vgl.  mit  S.  16.  17:  Kulischer  S.  227. 

2  Crome  Bd.  1.  Einl.  S.  VI.     Daraus:  Sugenheim  1861,  S.  212. 

3  Kulischer  S.  223.  224. 


352  Kapitel  87.    Calabrisches  Gesetz  voni  Jahr  1785. 

aus  der  Cassa  sacra  entschadigt  werden  sollten;  doch  habe  mau 
dem  Konig  vorgestellt,  „dass  die  meisten  dieser  Baronalrechte 
tirannisch,  sehr  driickend  und  auf  eine  meistens  unerlaubte  Art 
seien  erhalten  worden" ;  deshalb  habe  der  Konig  im  Rath  vom 
10.  Febr.  1785  beschlossen  [und  verordnet],  „dass  alle  Barone 
von  Calabrien  der  fiir  diese  Provinz  aufgerichteten  Kammer  die 
Cxultigkeit  ihrer  Rechte  durch  Yorzeigung  der  Urkunden  beweisen 
sollten,  und  wer  in  Zeit  von  drei  Monaten  entweder  dieselben 
gar  nicht  vorweisen  oder  ihre  Aechtheit  und  auf  Recht  und  Ge- 
rechtigkeit  gegriindete,  durch  erlaubte  Mittel  erlangte  Giiltigkeit 
nicht  besiegeln  konnte,  sollte  derselben  verlustig  erklart  werden". 
Zu  den  fraglichen  Baronah*echten  gehorte  nach  Angabe  von  Salis 
.,das  schandliche  Hochz  eitsrecht,  das  vielleicht  nicht  seit  sehr 
langer  Zeit  in  Geld  abgelegt  wird"  ^  Aus  dem  Zusammenhang 
dieses  Berichts  kann  gefolger*-  werden,  dass  Salis  von  Marsch- 
lins  (1790)  und  vielleicht  schon  die  Rathgeber  des  Konigs  Ferdi- 
nand  lY.  (im  Jahr  1785)  der  Meinung  waren,  die  mit  dem  Na- 
men  ^Hochzeitsrecht"  bezeichnete  Geldabgabe  habe  einen  ver- 
werflichen  Ursprung.  Es  ist  wohl  denkbar,  dass  hierbei  an  das 
jus  primae  noctis  gedac^it  wurde,  da  im  achtzehnten  Jahrhundert, 
zumal  nach  der  Zeit  der  Encyklopadisten,  die  irrige  Annahme, 
dass  aus  Ablosung  eines  solchen  Rechts  die  herkommlichen  Hei- 
rathsabgaben  entstanden  seien,  weit  verbreitet  war  ^,  jDagegen 
fehlt  jede  Berechtigung  fiir  die  Behauptuug,  die  neapolitanischen 
und  sicilianischen  Grundherren  hatten  das  verrufene  Recht  der 
ersten  Nacht  unter  dem  Namen  nHochzeitsrecht"  friiher  in  seiner 
urspriinglichen  rohen  Form  ausgeiibt,  spater  aber,  und  zwar 
noch  zur  Zeit  der  Herrschaft  der  Bourbonen  seit  1734,  und  an 
manchen  Orten  noch  im  ersten  Decennium  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts,  hatten  sie  dies  abscheuliche  Recht  durch  bedeutende 
Geldzahhmgen  ablosen  lassen  ^. 

c.   Schweiz. 

Zicei  Weisthibner ,  von  1538  und  1543. 

Kapitel  88.   In  zwei  Schweizer  Weisthiimern  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  glauben  einige  Gelehrte  ^  den  Beweis  eines  Herren- 


1  Salis  Bd.  2  S.  113—115.  ^  ygi    oi^en  Kap.  13—26. 

3  Sugenheim  1861,  S.  238;  Kulischer  S.  228. 

*  Scherr  1858,  S.  569;  v.  Maiirer  §  469,  Bd.  3  S.  169:  Weinhold  S.  195; 
Delpit  Nr.  47  S.  66;  Liebrecht  1874,  S.  140;  Scherr  1876,  S.  238;  Kwlischer 
S.  227,  228:  Liebrecht  1879,  S.  418. 


Kapitel  88.     Schweizerisclie  Weisthumer  von    1338  uiid    1543.  353 

reclits  der  ersten  ^"aclit  tiiuleii  zu  miisseii;  es  soll  darin  das  jus 
primae  noctis,  dies  „Recht  der  deutschen  Barone",  urkundlich 
nachgewiesen  sein  ^  Wie  irrig-  diese  Annahme  ist,  wird  aus  fol- 
gender  Darstellung  erhellen. 

Die  Pfieger  der  Abtei  zum  Frauenmiinstor  in  Ziirich  erneuer- 
ten  und  bestiitigten  im  Jahr  1543  den  aus  alterer  Zeit  herriihrenden 
Hofrodel  der  Meieramter  zu  Mauer  bei  Ziirich.  Der  vierte  Artikel 
dieses  Rechtsbuches  lautet:  „Es  sprechen  die  Hofleute,  wer  hier 
zu  der  heiligen  Ehe  kommt,  der  soll  den  Meier  laden  und  auch 
seine  Frau;  dann  soll  der  Meier  dem  Brautigam  einen  Hafen 
(Topf)  leihen,  worin  er  wohl  ein  Schaf  sieden  kann;  auch  soll  der 
Meier  ein  Fuder  Holz  zur  Hochzeit  bringen;  auch  sollen  der 
3Ieier  und  seine  Frau  einen  viertel  Schweineschinken  bringen; 
und  wenn  die  Hochzeit  zu  Ende  geht,  so  soll  derBrautigam 
d  i  e  e  r  s  t  e  ]^  a  c  h  t  c1  e  n  M  e  i  e  r  b  e  i  s  e  i  n  e  r  F  r  a  u  1  i  e  g  e  n 
1  a  s  s  e  n ,  o  d  e  r  e  r  s  o  1 1  s  i  e  1  ij  s  e  n  m  i  t  f  ii  n  f  S  c  h  i  1 1  i  n  g  e  n 
und  vier  Pfennigen."^  ]^ach  dem  Wortlaut  dieses  Artikels 
ist  es  klar,  dass  die  Verpflichtung  des  Brautigams,  seine  Braut 
die  erste  Nacht  bei  dem  Meier  liegen  zu  lassen,  niemals  zur 
Ausfiihrung  kam ,  weil  er  sich  davon  durch  Zahlung  von  fiinf 
Schillingen  und  vier  Pfennigen  befreien  konnte.  Diese  Abgabe 
war  nicht  driickend,  da  andererseits  der  Meier  fiir  sich  allein  ein 
Fuder  Holz  und  gemeinschaftlich  mit  seiner  Frau  noch  einen 
viertel  Schweineschinken  zur  Hochzeit  zu  bringen  hatte ,  zudem 
auch  noch  leihweise  dem  Briiutiffam  einen  Topf  beschaffen  musste. 


1  Kulischer  S.  227.  228. 

2  Urk.  V.  Jahr  1543,  bei  Fiisslin  iin  Hamb.  Mag.  Bd.  12  S.  154—173: 
Grimm.  Weisth.  Bd.  1  S.  43  und  R -A.  S.  384:  ,.Aber  sprechend  die  hoffliit, 
weller  hi  ze  de  helgen  ee  kumbt,  der  sol  einen  meyger  laden  und  ouch  sin 
frowen,  da  sol  der  meyger  lien  dem  briitgam  ein  haffen  ,  da  er  wol  mag  ein 
schaff  in  gesyeden,  ouch  sol  der  meyger  bringen  ein  fuder  holtz  an  das  hochtzit, 
ouch  sol  ein  meyger  unnd  sin  frow  bringen  ein  viertenteyl  eines  schwyns- 
bachen.  vnnd  so  die  hochzit  vergat ,  so  sol  der  hriltgam  den  meijgfr  hy  siin 
wyh  lasseii  ligen  die  ersfen  naclit,  oder  er  sol  sy  losen  inif  V  B  iiij  ff."  Dar- 
aus:  Bluntschli  Bd.  1  S.  189:  Delpit  S.  66:  Scherr  1858.  S.  569:  Osen- 
briiggen,  R.-A.  S.  86,  Studien  S.  84;  Helfferich  S.  419:  v.  ^Nlaurer  Bd.  3 
S.  170;  Scherr  1865,  S  130:  Hanauer  S.  138;  Barthelemy  S.  107:  Lorsch 
S.  444;  Liebrecht  1869,  S.  811;  Zopfl  Bd.  2  §  30  S.  168  (4  Autl.):  Henne- 
Am  Rhyn  Bd.  3  S.  245;  Kulischer  S.  227,  228:  Liebrecht  1879.  S.  418.  — 
Auf  das  vorstehende  Weisthum  ist  eine  kurze  Bemerkung  Lassberg's  im  Brief 
an  Uhland  vom  14.  Aug.  1829  zu  beziehen,  wonach  v.  Lassberg  die  Stelle  flir 
Jacob  Grimm  aufzeichnete  und  dabei  annahm ,  dass  in  oder  aus  jener  Ur- 
kunde  „das  so  viel  besprochene  Jus  primae  noctis  diplomatisch  nachgewiesen"' 
werde.     Pfeiffer  S.  137  Nr.  55. 

Schmidt,  .Jus  primae  noctis.  23 


354  Kapitel  88.    Schweizerische  Weisthiimcr  von   1538  und   1543. 

der  gross  genug  war,  ein  ganzes  Schaf  darin  zu  kocheu.  Das 
Uebrige  ist  ein  scherzhafter  Ausdruck,  welcher  den  Bauer  er- 
innerte,  die  hergebrachte  massige  Heirathsabgabe,  als  Zeichen 
seiner  Horigkeit,  piinktlich  zu  entrichten.  Es  ist  ein  juristischer 
Witz,  ein  Ausdruck  des  Humors  ^,  eine  scherzhafte  Rechtsiiber- 
trcibung.  Ein  derartiger  Huraor  findet  sich  nicht  bloss  im  deut- 
schen  Recht,  sondern  auch  in  Urkunden  aus  der  ISTormandie  und 
aus  Bearn  ^.  Im  Ernst  konnte  an  Ausiibung  jenes  Herrenrechts 
nicht  gcdacht  werden;  dies  wird  noch  dadurch  bestatigt,  dass  die 
Ehefrau  des  Meiers  (Schultheissen)  auf  der  Hochzeit  zugegen  war 
und  in  Gemeinschaft  mit  ihrem  Mann  die  Rechte  und  Pflichten 
der  Herrschaft  vertrat.  Auch  ist  nicht  anzunehmen,  dass  in  frii- 
herer  Zeit  ein  ernstliches  Herrenrecht  der  ersten  Nacht  in  Mauer 
bestanden  habe ;  wenn  namlich  ein  solches  Recht  in  einer  alteren 
Redaction  des  Hofrodels  iiberhaupt  schon  erwiihnt  gewesen  wiire 
(was  moglich,  jedoch  nicht  sicher  ist),  so  miisste  der  Sinn  ein 
harmloser  gewesen  sein,  da  bis  zuni  Jahr  1524  die  Aebtissin  zum 
Frauenmiinster  in  Ziirich  die  Herrin  der  Meieramter  von  Mauer 
war  und  an  jener  Bestimmung  des  Hofrechts  keinen  Anstoss 
fand.  Die  Meinung  Osenbriiggen's,  die  vorliegende  Urkunde  ent- 
halte  keinen  Scherz,  sondern  eine  „ausserste  juristische  Conse- 
quenz",  das  summum  jus^,  ist  schon  nach  dem  Wortlaut  der 
Urkunde  unlialtbar,  weil  danach  nicht  dem  Meier,  sondern  dem 
Brautig^am  das  Wahlrecht  zustand''^. 


'  Fusslin  S.  172.  173:  Bluntschli  S.  li)0:  Gierke  S.  27  (§  10):  AValter 
S.   131:  Zopfl  S.   168. 

-  Vgl.  oben  Kap.  58  und  79. 

^  Oseubriiggen,  R.-A.  S.  93,  !)4  und  Stud.  S.  91.  97. 

*  Aus  deutschen  und  franzosischen  Weisthiimern  liesse  sich  mit  Leichtig- 
keit  eine  grosse  Zahl  von  scherzhaften  Rechtsiibertreibungen  zusammenstellen, 
Einige  Beispiele  mogen  hier  ihren  Platz  finden.  In  einer  Feldordnung  von 
Feldheim  steht:  „Wenn  ein  Vieh  Einem  auf  seinen  Gutern  Schaden  zufiigte, 
sollte  er  dasselbige  auf  den  Kehlhof  fiihren  und  ihm  daselbst  Steine  in 
cinem  A'iertel  und  Wasser  in  einem  Reitern  vorstellen ,  bis  ihm  der  Schaden 
bczahlt  ware."  Vgl.  Fiisslin  S.  172,  173.  Nach  einem  Weisthum  von  Muhl- 
bach  im  Elsass  hatte  ein  Forster,  der  zwei  andere  Fiirster  iiber  den  Bach 
trug,  von  diesen  ein  halbes  Viertel  Wein  zu  fordern ;  gaben  sie  es  ihm  nicht, 
so  sollte  er  dem  Einen  scinen  rechten,  dem  Andern  seinen  linken  Schuh  aus- 
ziehen  und  diese  beiden  Schuhe  fiir  ein  halb  Viertel  Wein  versetzen.  Vgl. 
Gierke  S.  51.  Nach  burgundischem  Recht  sollte  der  Dieb  eines  Ilabichts  cnt- 
weder  sich  sechs  Unzen  Fleisch  auf  dic  nackte  Brust  legen  und  vom  Habicht 
wegfressen  lasscn ,  oder  sechs  Schillinge  bezahlen.  Vgl.  Gierke  S.  48,  auch 
Osenbriiggen ,  R.-A.  S.  95  und  Stud.  S  97.  Auch  die  Strafbestimmung  vom 
.Tuni  12r>0  (  Cassany-Mazet  S.  287).  Avonacli  in  Villencuve-sur-Lot  die  Ehebreeher 


Kapitel  89.    Xaclirichteii  aiis  Russlaiid.   18.  und   19.  Jahrliuiidert.      3.55 

Eiiic  ahnliclie  Bestimmung  findet  sicli  in  der  Rechtung  des 
Kelnhofcs  zu  Stadelhofen,  vom  Katharinentage  (25.  Nov.)  1538, 
einer  Erneuerung  des  bei  einem  Brand  zu  Hirslanden  beschadig- 
ten  alten  Rodels,  in  folgendem  Satz:  „Wer  auf  den  Giitern,  die 
zum  Kelnliof  gehoren,  die  erste  ISacht  bei  seiner  neuvermiihlten 
Frau  liegen  will,  der  soll  den  obgenannten  Biirger-Yogt 
dieselbe  erste  Nacht  bei  seiner  Frau  licgen  lassen; 
w  i  1 1  e  r  d  i  e  s  n  i  e  h  t  t  h  u  n  ,  s  o  s  o  1 1  e  r  d  e  m  Y  o  g  t  v  i  e  r  u  n  d 
drei  Scliillinge  Ziiricher  Pfennige  geben;  wie  er  will; 
die  Wahl  hat  der  Brautigam,  Auch  soll  man  demselben 
Briiutigam  als  Beisteuer  zur  Hochzeit  ein  Fuder  Holz  aus  dem 
Ziirichberg  geben,  sofern  er  zu  den  Holzberechtigten  gehort."  * 
Also  ist  auch  hier  dem  Brautigam  das  Wahlrecht  eingeriiumt,  wor- 
aus  deutlich  erhellt,  dass  die  Bezugnahme  auf  das  Recht,  bei  der 
neuvermiihlten  Frau  zu  liegen,  eiue  bloss  scherzhafte  Redewen- 
dung  ist.  Dadurch  bestiitigt  sich  das  iiber  die  Urkunde  von  1543 
Gesagte,  was  in  der  Hauptsache  auch  hier  Anwendung  findet. 

d.    Russland. 

Ereignisse  <les  achfzeJinfrn  und  neunzeJinfen  Jahrliundeiis. 

Kapitel  89.  Einer  der  neuesten  Schriftsteller  iiber  jus  primae 
noctis  berichtet:    „Sehr  2,'ebriiuchlich  war  dies  Recht  in  Russhmd 


entweder  ganz  nackt  durch  die  Strassen  laufeu  oder  hunJert  Sous  Strafe  zahlen 
sollten,  diirfte  vielleicht  dahin  zu  verslehen  sein,  dass  der  Ehebnich  mit  einer 
Geldstrafe  von  fiinf  Franken  geahndet  wurde.  Aehnliche  Bestimmungen  finden 
'sich  mehrfach.  (Dahin  gehort  z.  B  eine  Urkunde  von  1337,  bei  Barthelemy 
S.  107.  Eine  Coutume  von  Avensac,  wonach  die  Ehebrecher  entweder  ganz 
nackt  durch  die  Stadt  laufen  oder  flinfzig  Sous  Strafe  zahlen  sollten,  v\-urde 
durch  Urtheil  des  Parlaments  zu  Toulouse  vom  12.  Mai  1628  als  unschicklich, 
,,contraire  aux  bonnes  moeurs  et  a  Fhonnestete  publique",  abgeschafft.  Vgl. 
Olive  liv.  2  ch.  1  S.  149—153.)  Ein  Ehehaftrecht  von  Wilzhut  (zwischen 
Salzburg  und  Braunau)  bedrohte  den  Gerichtsmann,  welcher  bei  der  Jahres- 
versammlung  ausblieb ,  mit  einer  Geldstrafe ;  nach  einem  Zusatz  soUte  bei 
Unvermogen  des  Gerichtsmannes ,  die  Strafe  zu  bezahlen ,  der  Pfleger  das 
Recht  haben,  ihm  den  Ofen  einzuschlagen  und,  wenn  er  keinen  Ofen  hatte, 
seine  Ehefrau  zu  ,,gebrauchen"  oder,  wenn  ihm  ihre  Gestalt  nicht  gefiel,  sie 
dem  Gerichtsschreiber  zu  iiberlassen;  wenn  es  aber  dem  Gerichtsschreiber 
auch  nicht  gelegen  war .  so  sollte  die  Verpflichtung  dem  Amtmann  auferlegt 
werden.     Vgl.  Grimm.  Weisth.  Bd.  3  S.  680. 

1  Urk.  V.  25.  Nov.  1538,  Zeitschr.  fiir  schweiz.  Recht  Bd.  4  S.  73  —  76: 
.  .  .  „Ouch  hand  die  burger  die  rechtung,  wer  der  ist,  der  uf  den  giitern, 
die  in  den  kelnhof  gehorend,  die  ersten  nacht  bi  sinem  wibe  ligen  wil,  die 
er  niiwlich  zu  der  ee  genommen  hat,  der  sol  der  ohgenmiten  bunjer  vogt  die- 
selben  ersten  nacht  bi  demselhen  sinem  icihe  lassen    ligen;    icil  aher  er  das  7n!t 

23* 


356  Kapitel  90.    Droit  de  cuissage  in   Canada. 

nocli  im  vorig-en  und  dem  laufenden  Jalirliundert  bis  zur  Auf- 
hebuug  der  Leibeigenschaft  im  Jahre  1861  .  .  .  Der  lebendeu 
iiiteren  Generation  ist  die  Ausiibung  dieses  Brauches  in  ganz 
R,ussland  aus  eigener  Erfahrung  bekannt."  ^  Zur  Begriindung 
dieser  weitgehenden  Behauptungen  werden  nur  vier  einzelne  That- 
sachen  angefiihrt^,  die  zii  jenenFolgerungenkeinenfalls  ausreichen; 
und  die  stillschweigende  Yoraussetzung,  dass  vor  dera  achtzehnten 
Jahrhundert  das  jus  primae  noctis  in  Eussland  geherrscht  habe, 
ist  vollig  unberechtigt.  Ob  und  inwieweit  jenen  Angaben  etwas 
Richtiges  zu  Grunde  liegt,  ist  mir  nicht  bekannt;  doch  muss  bis 
zum  naheren  Nachweis  des  Wortlauts  und  der  Glaubwiirdigkeit 
der  Angaben,  woraus  der  Bericht  entnommen  ist,  und  bis  zu  einer 
zuverhissigen  Mittheilung  vom  Inhalt  des  Urtheils  vom  Jahr  1855, 
die  AYahrheit  jener  Thatsachen  bezweifelt  werden,  da  der  Bericht 
unter  dem  Einfluss  einer  unhakbaren  Theorie  iiber  ,,das  commu- 
nale  Recht  der  vorhiutigen  Begattung"  abgefasst  ist. 

III.    Amorika. 

a.    Droit  de  cuissage  in  Canada. 

Kapitel  1)0.     John  Anderson   theilt   eine  Nachricht  aus  Ca- 
nada  mit,  wonach  man  ghiubte,    der  Gouverneur  von  Sark  habe 


thiin ,  so  sol  er  clem  vogt  cjebfn  4  uud  3d  Ziiriclicr  jifeiuiinc/ ,  ireders  er  icil ; 
die  ical  Jifif  cler  hrtigam.  und  sol  man  ouch  demselljen  bnigome  ze  stUr  an 
der  brutlouf  geben  ein  fuder  holtz  usz  dem  Zlirichberg,  ob  er  wil  an  dem- 
selben  holtz  hat."  Daraus:  Griram,  Weisth.  Bd.  4  S.  321;  Osenbriiggen,  R.-A. 
S.  87  u.  Stud.  S.  84,  98;  Sclierr  1865.  S.  130;  Lorsch  S.  444;  Zopll  Bd.  2  §  30 
S.  168  (4.  Aufl);  Henne-Am  Rhyn  Bd.  3  S.  24o ;  Kulischer  S.  227,  228. 

1  Kulischer  S.  228,  229. 

2  Kulischer"s  Bericht  lautet :  „Ein  Zeitgenosse  der  Volksaufstande  untcr 
Anfiihrung  von  Pugatschew  im  Jahr  1773  —  1774  erzahlt,  dass  eine  Militiir- 
compagnie  einen  Gutsbesitzer  aus  den  Ilanden  der  emporten  Menge  befreite, 
den  sie  zu  todten  beabsichtigten  dafiir .  dass  er  dieses  Recht  auf  das  Unbe- 
schriinkteste  zu  geniessen  pflegte,  und  in  einer  kurzen  Zeit  sechzig  jungc 
Madchen  diesem  Loose  verfallen  waren  .  .  .  Ein  anderer  Gutsbesitzer  ,  Sko- 
syrew.  wurde  in  der  That  zur  selben  Zeit  von  deu  ihm  unterthiinigen  Bauern 
fiir  ein  oben  bezeichnetes  Gebahren  ermordet  .  .  .  Aus  dem  neunzehntcn 
Jalirhundert  wollen  wir  nur  den  Fall  des  Geheinirath  Ischadowsky  erwiilinen, 
der  im  Jahr  1855,  kurz  vor  Aufhebung  der  Leibcigenschaft  in  Russland,  fiir 
seinc  Handlungen  in  Bezug  auf  das  jus  primae  noctis  vom  Gericht  zu  einer 
Strafe  verurtheilt  wurde  .  .  .  Ich  erinnere  mich,  in  dem  Werke  des  Fiirsten 
Wassiltschikow  iiber  Grundbesitz  und  Ackerbau  gelesen  zu  haben ,  dass  er 
als  Obmann  des  Adels  seines  Gouvernements  mehrcre  Malc  gegen  Gutsbcsit/.cr 
einschreiten  musste,  iim  den  Gebrauch  cinzustellcn."  An  den  punktirten  Stellen 
werden  zwei  russische  Werke   (von   1870  und   1876)  eitirt. 


Kapitel  91.    Cazikcii   iind  Pajr-s  in  Amciika.  357 

das  droit  de  cuissage  *.  Aus  Anlass  eines  Gespruclis  iiber  dies 
lieclit  des  Gouverneurs  vou  Sark  soU  ein  Scliotte,  Mr.  W.  Y,, 
Besitzer  einer  Herrscliaft  in  Unter-Canada  am  Ufer  des  Flusses 
Richelieu,  geg-enuber  Chauibly,  etwa  24  englischo  MeikMi  von 
Montreal,  die  iienierkung  geniacht  haben,  er  selbst,  Mr.  Y.,  habe 
(gleich  andern  Gutsherren)  das  „droit  de  cuissage  et  jambage" 
gehabt,  wonach  er  berechtigt  gewesen  sei,  mit  der  Braut,  bevor 
dieselbe  zu  ihrem  Gatten  ging,  die  erste  Nacht  der  Hochzeit  zu 
schlafen  .  .  .;  doch  sage  man,  dass  gegenwiirtig  dies  Recht  niclit 
mehr  gelte  ^.  Offenbar  sind  diese  beiden  Nachrichten  so  un- 
bestimmt,  dass  sie  keinen  geschichtlichen  AVerth  haben ;  ab- 
gesehen  von  der  irrigen  Voraussetzung,  dass  in  Europa  ein  droit 
de  cuissage  in  der  bezeichncten  Bedeutung  bestanden  habe. 

b.    Caziken  und  Pajes  in  Mittel-  und  Siid-Amerika. 

Kapitel  01.  Wenn  AUes  Glauben  verdiente,  was  im  neun- 
zelinteii  Jahrhundert  iiber  jus  primae  noctis  berichtet  wird,  so 
miisste  man  annehmen,  es  habe  in  verschiedenen  Theilen  von 
Mittel-  und  Siid-Amerika  tlieils  den  Hiiuptlingen  (Caziken)  ^, 
theils    den    Zauberiirzten    (Pajes)  '    zugestanden    oder    stehe    den- 


'  Anderson  S.  65,  Brief  des  Edwai-d  William  A.  Hay.  Esquire.  F.  S.  R.  A. : 
,,The  Governoi"    of  Sark  is  deemed  at  this  day    to  have    le  droif   dc  aiissdgc." 

^  xVnderson  S.  65:  ...  „(h-nit  de  cuissage  et  jambat/e ,  un  droit  par  lequel 
11  avoit  le  pouvoir  de  coucher  avec  la  fiancee ,  avant  d'aller  a  son  mari.  la 
premicrc  nuit  du  mariage,  passant,  dit-on,  ti-ois  fois  sa  cuisse  sur  clle:  mais 
on  dit  qu'actuellement  ce  droit  n'est?  plus  de  coutume." 

^  Der  Ausdruck  Cazike  scheint  aus  Mexico  zu  stammen:  er  bezeiehnet  in 
der  Spraehe  der  INIexikaner  einen  Herrn.  Doch  pfiegt  man,  wie  v.  Martius 
(1832,  S.  14,  15)  berichtet,  ,,gewohnlich  die  Hauptlinge  aller  amerikanischen 
Wilden  Caziken  zu  nennen  und  mit  diesem  Wort  den  BegrifF  eines  vielver- 
mogenden  Despoten  zu  verbinden,  der  iiber  Leben  und  Eigenthuin  seiiier 
Stammgenossen  ohne  Einschrankung  gebietet  und  die  Angelegenheiten  der 
ganzen  Gemeinscliaft  bestimmt  und  ordnet"'.  In  Wirklichkeit  finden  sich  in 
SUdamerika  andere  Namen  der  Hauptlinge,  und  ihre  Wiirde  und  Qewalt  steht 
bei  den  brasilianischen  Ureinwohnern  „auf  einer  niedrigen ,  durch  voriiber- 
gehende ,  vorziiglich  personliche  Verhaltnisse  begriindeten  Stufe".  Ueber  die 
Stellung  des   Hauptlings  vgl.  das  Nahere  bei  v.  Martius  S.   14  —  23. 

*  Die  Piaches  oder  Pajes  (Piajes,  Piacchcs)  hatten  die  Aufgabe ,  Kranke 
zu  heilen,  den  Feind  zu  bezaubern,  Geister  zu  rufen  oder  zu  verscheuchen 
und  zu  propliezeien;  sie  waren  auch  Berather  des  Hiiuptlings  bei  Ausiibung 
der  Gesetzgebung,  Rechtspflege  und  Polizeigewalt.  Vgl.  Depons  (Weyland) 
S.  143  —  146;  v.  Spix  und  v.  Martius  Bd.  3  8.  1211;  Th.  Waitz  Bd.  3  t^.  385; 
V.  jNIartius  (1832)  S.  17.  29  —  32,  34,  48.  69.  Letzterer  schildert  (S.  29,  30) 
die  Pajes  eines  Stammes    als  eine  al)geschIossene  Bruderschaft  von  Betriigern, 


358  Kapitel  91.    Caziken  uml  Pajes  in   Amerika. 

selben  nooh  heutzutag-e  zu.  Es  ^vird  namlieli  (len  Ha  uptlingen 
(Caziken)  in  folgenden  Landern  zugeschrieben:  in  Nicaragua  *, 
auf  Cuha^,  bei  den  Cariben  des  Festlandes^,  bei  den  Jumanas '' 
und  Culinos"  und  in  einigen  Theilen  Yon  Peru^;  ferner  den 
Zauberiirzten  (Pajes  oder  Piaches)  bei  den  Cariben,  ins- 
besondere  den  ehemaligen  Bewohnern  von  Cumana  ^  und  Canicas  ^ 
(in  Yenezuela)^,  ferner  bei  den  Arowaken^",  endlich  bei  den 
Passes'^,  Culinos^^,  Juris  ^^  und  iiberhaupt  bei  den  Indianern 
Brasiliens  ^'. 

Zur  ungefiiliren  Orientiruug  iiber  die  orwahnten  Yolksstiimme 
wird  es  hier  geniigen,  ihre  Wohnsitze  im  Allgemeinen  anzugeben. 
Es  wohnten  oder  wohnen  noch  jetzt:  die  Caribcn  des  Festlandes 
im  Nordosten  von  Siidamerika,  hauptsachlich  in  Yenezuela  ^^;  die 
Arowaken  an  den  Miindungen  des  Orinoco  (friiher  in  Guiana)  ^*'; 
die   Jumanas,    Culinos,   Passes   und  Juris  sammtlich  in  Brasilien, 


die  vom  eigenen  Aberglauben  selbst  betrogen  Aviirden,  und  sagt:  ,,Die  Schil- 
derung,  welche  im  Jahr  1552  Gomara  von  den  Piaches  von  Cumana  machte. 
gibt  ein  wahres  Bild  von  diesen  Betrijgern ,  wie  sie  in  allen  Theilen  Ame- 
rikas  noch  gegenwiirtig  wirken."     Vgl.  unten  S.  360. 

1  V.  Martius  (1832)  S.  62 :  ...  ,,der  BrJiutigam  iiberliess  das  jus  primae 
noctis  oft  dem  Caciken." 

2  Giraud-Teulon  S  70:  Liebrecht  1879,  S.  420:  „Die  Caziken  hatten  dieses 
Recht  auf  Cuba  "     Ygl.  Th.  Waitz  Bd.   1  S.  460. 

3  V.  Martius  S.  61  (Anm.);  Bastian  S.  179,  180:  Post  S.  37.  Hierhin  ge- 
hort  auch  folgende,  sehr  unklare  Stelle  in  den  Nuits  d'epreuve  S.  81 :  „Chez 
les  Indiens  de  la  Terre-Ferme  les  echanges  de  femmes,  le  jus  primae  noctia 
pour  les  6pouses,  sont  fort  en  usage." 

*  V.  Spix  Th.  3  Buch  9  Kap.  3.  Bd.  3  S.  1182;  Post  S.  37. 

5  Bastian  S.  179,  180;  Liebrecht  1874,  S.  141  (mit  dem  Druckfehler  Ca- 
linos  statt  Calinos);  Post  S    37. 

6  V.  Martius  S  61;  Giraud-Teulon  S.  69,  70;  Liebrecht  1879,  S.  419,  420. 
Vgl.  Th.  AVaitz  Bd.  1  S.  460,  Anm. 

'  V.  Martius  S.  61  (Anm.).  ^  Th.  Waitz  Bd.   1   S.  460. 

"  V.  Martius  S.  61. 

'"  Liebrecht  1879,  S.  420:  „So  besassen  das  jus  primae  noctis  .  .  .  nament- 
lich  unter  den  Arowaken  die  Piaches." 

"  V.  :\[artius  S.  61:  Bastian  S.  179,  180;  Post  S  37;  Kulischer  S.  223  (mit 
dem  Druckfehler  Parses  statt  Passes). 

1-  V.  Martius  S.  61   (aus  v.  Spix  Bd.  3  S.   1189). 

13  V.  Martius  S.  61. 

1*  Giraud-Teulon  S.  70  (wo  es  unbestimmt  geh\ssen  ist,  ob  das  Rccht  den 
Hauptlingen.  Konigen  oder  Priestern  zustand);  Liebrecht  1874,  S.  141:  „In 
Brasilien  beanspruchen  dieses  Recht  die  Priester" :  Liebrecht  1879.  S  420: 
„So  besassen  das  jus  primae  iuictis  in  Brasilien  dic  Pay^s."  Vgl.  Th.  Waitz 
Bd.  1  S.  460. 

15  Th.  AVaitz  Bd.  3  S.  348,  355.  ">  Th.  Waitz  Bd    3  S.  364. 


Kapitel  91.    Cazikeu  uiid  Paje.s  iii   Amerika.  359 

uud  zwar  Jie  Jumanas  odcr  Xuniauas  (auch  Xonianas)  ^  im  Xord- 
westen  Brasiliens  an  den  Fliissen  Ica  und  Yupura,  die  Passes  - 
am  untern  Yupura  und  -^or/iiglicli  am  westlichen  Ufer  des  Rio 
Ica,  die  Culinos'^  an  der  Siidwestseite  des  Amazonenstromes,  am 
oberen  Yurua  und  Yutai,  die  Juris''^  am  Y^upura,  zwischen  diesem 
Fluss  und  dem  Iga. 

Es  ist  mir  ziemlich  schwer  gewordeu,  die  Quellen  zu  er- 
mitteln,  aus  denen  die  vorstehenden  Behauptungen  iiber  das  jus 
primae  noctis  der  Caziken  und  Pajes  geschopft  sind,  zumal  da 
einige  Grelehrte  (z.  B.  Bastian)  gewissermassen  grundsiitzlich  die 
Bezeichnung  ihrer  Quellen  vermeiden,  gleichsam  als  verlangten 
sie,  der  Leser  solle  ihnen  auf  ihr  Wort  glaubeu.  Ein  solcher 
Glaube  wiirde  hier  unverantwortlich  sein.  Denn  alle  jenci  An- 
gaben  stehen  unter  dem  Einfluss  der  irrigen  Voraussetzung,  dass 
in  Europa  das  jus  primae  noctis  gegolten  habe.  Ausserdem  fehlt 
bei  den  meisten  jener  Xachrichten  eine  spezielle  Auskunft  iiber 
die  eingezogenen  Erkundigungen ,  namentlich  iiber  die  Worte 
und  Geberden,  womit  die  Indianer  jenes  Recht  bezeichneten  oder 
beschriebeu.  Man  bedenke  uur,  wie  schwer  es  den  europiiischen 
Reisenden  sein  muss,  die  verschiedenen  Sprachen  und  Laute  der 
einzelnen  Indianerstamme  zu  verstehen!  Einen  ungefahren  Be- 
griff  von  dieser  Schwierigkeit  kann  man  erlangen,  wenn  man  die 
Darstellung  des  Herrn  von  Martius  iiber  die  ungeheure  Spracli- 
verwirrung  der  ludianerstamme  liest,  bei  denen  ein  Indianer  den 
andern  nicht  versteht^;  v.  Martius  ziihlt  allein  in  Brasilien  meh- 
rere  hundert  Horden,  Stamme  oder  Xationen  von  Ureinwohnern 
mit  verschiedenen  Sprachen  auf''. 


1  V.  Spix  und  v.  Martius  Bd.  3  S.  1206;  v.  Martius  (1832),  Anh.  S.  17 
unter  Nr.  liJ3  ;   Th.  Waitz  Bd.  3  S.  444. 

2  V.  Spix  und  v  Martius  Bd.  3  S  1230—1233  und  1206;  v.  Martius  (1832) 
S.  26,  49,  50,  53,  65  und  Anh.  S.  18  (Nr.  197):  Th.  Waitz  Bd.  3  S.  432,  433. 

3  Vgl.  die  Karteu  in  der  Ztschr.  Le  Tour  du  ]Monde,  Jahrg.  1866,  zweites 
Halbjahr,  S.  83  und  118  (zu  einer  Reisebeschreibung  von  Paul  Marcoy). 

^*  v.  Spix  und  V.  Martius  Bd.  3  S.  1236;  v.  Martiii-s  (1832).  Anli.  S.  18 
unter  Nr.  196:  Th.  Waitz  Bd    3  S.  432. 

^  v.  Martius  (1832)  S.  4:  i,Auf  den  Falirzeugen,  in  welchen  wir  die 
Binnenstrome  Brasiliens  befuhren,  ziihlten  wir  nicht  selten  unter  zwanzig 
rudernden  Indianern  nur  drei  oder  vier,  welche  sich  in  einer  gemeinschaft- 
lichen  Sprache  verstilndigen  konnten."  Vgl.  daselbst  S.  6 .  82  und  83  iiber 
die  „babyIonische  Sprachverwirrung".   - 

*>  Vgl.  die  „Uebersicht  der  verschiedenen  indianischen  Volkerschaften, 
Stiimme  und  Horden  in  Brasilien"  unter  245  Hauptnummern  bei  v.  Martius 
ri832),  Anh.  S.  1—30. 


360  Kapitel  91.    Caziken  und  Pajes  in  Amerika. 

Eine  Durcliforschung-  der  diircli  Theodor  AYaitz  ^  uud  durch 
V.  ]Vrartiu.s  -  bezeichueten  Quellen  ergiebt  Folgendes. 

Gomara  (1553)  sagt  im  Abschnitt  iiber  die  Sitten  you  Cu- 
mana,  und  zwar  bei  Beschreibung  der  Hochzeitsgebrauehe : 
^Wenn  die  Xacht  eintritt,  geben  sie  dem  Brautigam  seine  Braut 
an  die  Hand,  und  so  lassen  sie  Beide  als  Ehegatten  zuriick;  dies 
miissen  die  rechtmassigen  Frauen  sein;  doch  auch  die  Frauen, 
die  ihr  Ehemann  ausserdem  halt,  ^verden  von  ihnen  hochgeachtet 
uud  anerkannt.  Mit  den  Letzteren  schlafen  die  Priester  nicht. 
Die  Priester  namlich,  die  man  Piaches  nennt.  sind  heilige  und 
fromme  Manner,  wie  spiiter  erklart  werden  soU;  denen  giebt 
man  die  neuvermahlten  Frauen  zum  Defloriren,  was 
man  fiir  einen  anstardigen  Gebrauch  halt.  Die  ehr- 
wiirdigen  Yater  iibernehmen  diese  Arbeit,  um  nicht  ihren  Yorzug 
und  ihre  Wiirde  zu  verlieren,  und  die  neuverraahlten  Miinner  ent- 
halten  sich  jeden  Argwohns,  jeder  Klage  und  jeden  Schmerzes."  ^ 
Kurz  vorher  ist  gesagt,  dass  man  die  Jungfraulichkeit  fiir  Nichts 
achte  ^.  Ein  anderer  Schriftsteller  des  sechzehnten  Jahrhunderts, 
Oviedo,  berichtet  von  den  Arowaken  und  einigen  Yolkern  der 
Provinz  Paria,  es  bestehp  bei  ihnen  der  Gebrauch,  dass  eine  Jung- 
frau,  die  verheirathet  werden  solle,  um  gliicklich  im  Ehestand  zu 
sein,  zuvarderst  mit  ihrem  Piache  oderPriester  schhifen  miisse,  und 


*  Th.  Waitz.  auf  den  sich  Liebrecht,  1879  S.  420.  beruft.  spricht  nicht  von 
einem  jus  primne  noctis,  sondern  von  einer  ,.Defloration  der  Madchen  durch 
den  Priester"  (Bd.  1  S.  460),  von  der  ..Defloration  des  Piache"  (Bd.  3  S.  389) 
und  von  Volkerschaften ,  bei  denen  ...Aehnliehes  vorkommt"  (Bd.  1  S.  460). 
Er  heruft  sich  (Bd.  1  S.  460.  Bd.  3  S.  482  und  489)  auf  Pedro  Simon, 
Oviedo,  Carli  und  Depons. 

2  v.  Martius  (1832.  S  61)  spricht  von  der  Sitte.  ,,welche  das  jus  primae 
noctis  dem  Paje  verleiht".  unter  Berufung  auf  Gomara  und  Coreal,  und  sagt : 
,,Nach  ihnen  hatten  bei  den  Caraiben  nicht  bloss  die  Pajes  jenes  Recht.  son- 
dern  die  Caziken  erbaten  es  sich  untereinander ,  und  die  Gemeinen  suchten 
bei  jenen  nach,  dass  sie  es  ausiiben  mochten."  Schon  nach  diesem  Bericht 
kann  von  einem  Recht  der  Caziken  keine  Rede  sein.  wenn  dieselben  gebeten 
wurden,  die  betreffende  Handlung  zu  verrichten. 

^  Gomara .  Costumbres  de  Cumana  S  206 :  .  .  .  ,,En  siendo  noche  dan  al 
iiovin  su  esposa  por  La  mano,  y  asi  quedan  velados;  estas  deben  ser  las  mu- 
jeres  ligitimas,  pues  las  dcmas  que  su  marido  tiene,  las  acatan  y  reconocen. 
Cou  estas  no  diiennen  los  sacerdotes ,  que  llaman  piaclies ,  hombres  santos  y 
religiosos,  como  despues  dire,  a  quien  dan  las  norias  d  desviryar ,  que  lo 
tienen  2>or  honrosa  costumhre.  Los  reverendos  padres  toman  aquel  trabajo 
por  no  perder  su  preminencia  y  devocion.  y  los  novios  se  quitan  de  suspecha, 
queja  y  pena  " 

*  Gomara  S.  206  (bei  Beschreil)ung  der  Sitten  dcr  Miidchen): no  se 

les  da  nada  por  la  virginidad." 


Kapitel   t)l.    Caziken   uiul   Pajes  in   Anierika.  361 

erst,  naclidein  dies  gescliehen  sei,  ani  f'olgX'nden  Tage  sich  ihrem 
Ehegatten  liinzugeben  habe  ^  Pedro  Simon,  ein  Sciiriftsteller  des 
siebzehnten  Jalirhunderts,  besclireibt  die  Hochzeitsgebriiuche,  die 
bei  den  Indianern  im  nordlichen  Theil  von  Siidamerika 
zur  Zeit  der  spanischen  Eroberungen  bestanden,  namentlich  die 
Trinkgelage  und  Tanzbelustigungen;  ^alsdann,"  heisst  os  weiter, 
„ubergaben  sie  die  Braut  dem  Piache,  damit  er  sich  mit  ihr  allein 
unterhalte,  und  dieser  fi  be  r  1  iefer  te  sie  dem  B  riiutigam, 
b  e  i  w  e  1  c  li  e  m  e  r  s  i  e  li  e  r  g  e  r  i  c  h  t  e  t  z  u  r  A'  e  r  li  e  i  r  a  t  h  u  n  g 
zuriickliess"  2.  Eine  ini  Jahr  1722  zu  Amsterdam  und  Paris 
unter  dem  I*[amen  von  Franz  Coreal  herausgegebene  Reisebeschrei- 
bung^  erziihlt  von  den  Eingebornen  der  Havanna  (auf  Cuba), 
es  habe  bei  ihnen  die  Sitte  bestanden ,  dass  die  Ehegatten  die 
erste  Hochzeitsnacht  nicht  miteinander  schliefen;  bei  Yerheira- 
thung  der  Caziken  seien  andere  Hauptlinge,  und  bei  Yerheirathung 
von  Mannern  geringeren  Standes  seien  deren  Standesgenossen 
eingeladen  worden,  mit  der  jungen  Frau  zu  schlafen;  und  die 
Cariben  der  niedrigsteu  Kh^sso  hatten  dazu  die  Hiilfe  ihrer  Ca- 
ziken  und  Priester  in  Anspruch  genommon  \  An  oiner  andern 
Stelle  desselben  Werks  wird  iiber  die  Aerzte  und  gleichzeitigen 
Priester   (Piaias   oder   Boies)   auf   der  Ktiste    bei  Cumana   er- 


'  Ovieclo  lib.  24  cap.  3  S.  222:  ..En  el  pueblo  rle  Aruacay  e  auu  en  algu- 
nos  pueblos  de  la  provincia  de  Paria ,  sc  acostumbra  entre  los  indios  que, 
quando  se  ha  de  casar  alguna  moza  virgen .  ha  de  dorniir  primero  eon  ella  e 
arerla  aquel  sii  ^^^ccJie  6  sncerrlote ,  para  iine  sea  dirltosa  en  <■}  cnsamierdo, 
y  al  otro  dia  siguiente  se  ha  de  entregar  al  marido ,  y  no  sin  que  esto  se 
haga  primero"   .   .   . 

-  Simon,  quarta  iioticia  cap.  26  nu-m.  3  S.  320:  .  .  .  [El  casamiento]  ..se 
celebrava,  como  las  deuias  sus  fiestas,  juutandose  a  hazer  borracheras,  en  las 
quales  baylavan  los  hnmbres  al  novio,  y  las  mugeres  a  la  novia,  dos  6  tres 
dias  antes  que  se  la  entregassen,  y  estos  acabados,  se  la  davan  al  Piache, 
para  que  se  entretuiiiesse  a  solas  con  ella .  y  el  la  entregava  al  novio ,  con 
que  qxiedava  hecho  el  casamiento"  .  .  .  Darin  findet  Th.  Waitz.  Bd.  3  S.  382. 
eine  Andeutung  .  dass  der  Brilutigam  „aus  den  Kiinden  des  Piache  die  Braut 
nicht  als  Jungfrau'"  erhielt.  Der  weitere  Inhalt  der  angefiihrten  Stelle  er- 
innert  an  Gomara,  woraus  er  entnommen  sein  mag. 

^  Ueber  dies  unter  dem  Namen  von  Franz  Corcal  (geb.  1648,  .st.  1708) 
herausgegebene  Werk  vgl.  Didot  Bd.   11   S    810. 

*  Coreal  Bd.  1  S.  8 :  „C'etoit  une  coutume  inviolable  parmi  eux  ,  que 
TEpoux  ne  couchoit  pas  avec  son  Epouse  la  preuiiere  nuit  de  se.s  Noces.  Si 
c'6toit  un  Caciqiie  qui  se  marioit,  il  invitoit  d'autres  chefs  a  cette  expedition 
amoureuse;  si  c'etoit  une  personne  de  moindre  rang,  elle  y  invitoit  ses  pa- 
reils.  Les  Carihes  de  la  plus  basse  classe  empruntoient  en  cette  occaslon  les 
soins  charitables  de  leurs  Caciques  et  de  leurs  Pretres.  Nous  autres  Euro- 
peans  ne  sommes  pas  de  ce  gout-h"i."' 


362  Kapitel  91.    Cazikeii  und  Pajes  in  Amerika. 

zalilt,  sie  seien  grosse  Betriiger  und  hatten  unter  andern  Aufgaben 
die  Deflorirung  der  Mildchen  bei  deren  Heirath  zu  besoigen  ^ 
In  einem  Brief  aus  Amerika  vom  2.  Juli  1777  findet  sich  folgende 
(durch  Ycrmengung  verschiedenartiger  Unsitten  unklare)  Stelle: 
„Die  Scheiduug  war  gegenseitig  erlaubt,  und  in  der  ]*rovinz  Ni- 
earagua,  sowie  auf  den  canarischen  Inseln,  und  in  Kuba,  so 
zu  sagen,  allgemein;  der  Briiutigam  iiberliess  den  Ca- 
ziken  das  Vorrecht,  die  ersten  Gunstbezeugungen 
von  seiner  Braut  einzu  erndte  n.  Ja  auf  der  Insel  Kuba 
war  der  Gebrauch ,  dass  die  Braut  des  Caziken  selbst  die  erste 
Xacht  bei  allen  zu  der  Hochzeit  eingeladenen  Caziken  schlief; 
und  so  machten  es  sewohl  die  Vornehmen  als  die  Gemeinen; 
denn  dies  war  in  der  ersten  ISTacht  die  Schuldigkeit  der  Giiste."  ^ 
Depons,  ein  Schriftsteller  aus  dem  Anfang  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts,  behauptet,  in  allen  Theilen  von  Venezuela,  Mara- 
caibo  und  Cumana  habe  ein  Vorrecht  der  Piachen  darin  be- 
standen,  „dass  es  sich  jeder  junge  Mann  gefallen  lassen  rausste, 
bei  seiner  Verheirathung  den  Piachen  den  ersten  Genuss  seiner 
jungen  Frau  zu  iiberlassen"  ^.  —  Diese  Quellenstellen  sind  niclit 
geeignet,  die  Annahm^e  zu  rechtfertigen,  dass  bei  irgend  einer 
Volkerschaft  im  ]S^orden  von  Siidamerika  das  jus  primae  noctis 
geherrscht  habe,  da  sie  sammtlich  an  Mangel  der  Beweisfiihrung 
und  der  nothigen  Substantiirung  leiden.  Auch  wiirde,  wenn 
der  thatsacliliche  Inhalt  dieser  Nachrichten  bewiesen  ware,  daraus 
hochstens  ein  aus  religiosen  Vorstellungen  hervorgegangener  Ge- 
brauch  gefolgert  werden  konnen,  keineswegs  aber  ein  liecht, 
dem  die  Jungfrauen  bei  ihrer  Verheirathung  si.  h  hiitten  unter- 
werfen  miissen. 

Aus    BrasiHen    habe    ich   nur   folgende  Quellen    der  ange- 


1  Coreal  Bd.  1  S.  125,  126:  ,,Leur5  Pretres  sont  de  grands  et  signalez 
imposteurs,  quUls  nomment  Piaias  ou  Boies.  Ces  Pretres,  beaucoup  moins 
betes  et  sauvages  qu'on  ne  pense,  ont  entr'autres  fonctions  la  commission 
d'exp6dier  le  pucelage  des  jeunes  fiUes  qui  se  marient.  Cest  une  plaisante 
chose  que  le  goiit  et  la  mode  en  cette  occasion.  En  Europe  on  recherche 
avec  avidite  ce  que  ron  fuit  trds-soigneusement  aux  Indes :  car  on  assure 
chez  les  Indiens.  que  c'est  un  grand  crime  de  ne  pas  ceder  aux  Pretres  cette 
fleur  si  chere  et  si  rare  en  nos  quartiers.  Je  crois  trcs-serieusement  que 
cette  opinion  est  un  effet  de  la  superstition  de  ces  pauvres  Idolatres ,  et  de 
la  tyranuic  des  Pretres  II  y  en  a  bien  parmi  nous  qui  voudroient  peut-etre 
qu"un  tel  sacrifice  devint  un  point  de  Religion."  Ygl.  Bd.  1  S.  121:  „Piaias, 
qui  sont  Medecins  et  Prfitres  eu  meme  tems." 

2  Carli  Bd.  1   S.   174,   175.     Vgl.  oben  Kap.  7  S.  39. 

3  Depons  (Wcyland)  S.    143.   145. 


Kapitel  '.)1.    Cazikcii  iiiul  Pajes  in   Amcrika.  3G3 

gebeneu  Beliauptuiig-eii  ennitteln  konnen.  Ueber  dic  Junianas 
raeldet  v.  Spix :  „Der  lliiuptling  liat  das  jus  primae  noc- 
tis"  *;  und  von  den  Juris  versichert  v.  Martius,  ihni  selbst  gegen- 
iiber  habe  sich  der  Paje  der  Juris  jener  Sitte  geriihmt  ^.  Die 
Berichte  dieser  beiden  Reisenden  beruhen  zwar  auf  eigenen  Wahr- 
nehmungen,  konnen  aber  beziiglich  jeuer  beiden  Angaben  nicht 
als  beweiskraftig  angesehen  werden,  weil  das  allgemeine  Erfor- 
derniss  eines  jeden  Zeugnisses  fehlt,  dass  namlich  die  einzelnen 
concreten  Thatsachen,  die  der  Zeuge  wahrgeuommen  hat,  bestimmt 
bezeichnet  werden.  Hier  fehlt  namentlich  eine  Angabe  dariiber, 
wie  die  Indianer  sich  verstandlich  gemacht,  und  in  welcher  Weise 
sie  sich  ausgedriickt  haben. 

In  Beziehung  auf  Peru  beruft  sich  Waitz  an  der  Stelle, 
die  Liebrecht  auf  das  jus  primae  noctis  bezieht,  auf  die  "VVerke 
von  Ulloa  und  Garcilasso,  ohne  die  vermeintlichen  Beweisstellen 
anzufiihren  ^.  Eine  Durchsicht  dieser  beiden  "\^'erke  ergiebt  Fol- 
gendes.  Ynca  Garcilasso  de  hi  Vega,  geboren  zu  Cuzco  in 
Peru  im  Jahr  1540,  acht  Jahre  nachdem  das  Reich  durch  die 
Spanier  (unter  Francisco  Pizarro)  erobert  war,  blieb  in  seiner 
Heimath  unter  spanischer  Herrschaft  bis  zum  Jahr  1560,  begab 
sich  dann  nach  Spanien  und  schrieb  dort  bis  zum  Jahr  1604 
eine  Geschichte  der  Konige  von  Peru  aus  dem  Geschlecht  der 
Yncas  *.  Die  Yncas  hatten  mehr  als  vierhundert  Jahre  lang, 
bis  zur  Ankunft  der  Spanier,  iiber  Peru  als  Konige  geherrscht  ^. 
Der  erste  Konig  aus  diesem  Geschlecht,  Xamens  Manco  Capac, 
war  nach  der  Yolkssage  ein  Sohn  der  Sonne;  er  war  vom  Siiden 
her  in  das  Land  gekommen,  hatte  Gesittung  unter  den  wilden 
Yolkern  verbreitet,  die  Stadt  Cuzco  gegriindet,  die  Religion  des 
Sonnengottes  und  eines  unsichtbaren  Gottes  (Pachacamac)  einge- 
fiihrt  und  weise  Gesetze  gegeben,  namentlich  die  Yielweiberei 
verboten  und  zur  Yerwaltung  jeder  Provinz  einen  Curaca  ein- 
gesetzt  ^.  Der  nCuraca"  in  Peru  hatte  ungefahr  die  Gewalt,  wie 
anderwarts,    z.  B.    auf  San  Domingo    oder  Cuba,    ein   „Cazike" '. 


1  v.  Spix  Bd.  3  S.   1182.  -  v.  Martius  B.  61. 

3  Die  bei  v.  Martiu.s  erwiihnte  Stelle  aus  Garcilasso  ist  bereits  oben, 
Kap.  7  S.  40,  erwahnt  und  handelt  von  keinem  Herrenrecht. 

*  Garcilasso  Bd.  1,  Vorrede  und  S.  17.  79,  Bd.  2  S.  492.  Darauf  beruht 
die  Geschichte  der  Yncas  bei  Ulloa  Bd.  2  S.  209-248. 

^  Garcilasso  liv.  1  ch.  17  und  liv.  2"  ch.  1,  Bd.  1  S.  72  und  108;  UUoa 
Bd.  2  S.  213. 

6  Garcilasso  Bd    1   S.  86,  109.   114,  115.  124:  T:iloa  Bd.  2  S    215. 

'  Garcilas.so  Bd.  1  S.  86;  Ulloa  Bd    2  S.  215:  v.  Martius  S.  15. 


3(34  Kapitel  92.    Die  L'litaos  auf  den  Marianen. 

Auf  Maiico  Capac  ^vird  auch  die  Anordnung  iiber  die  Art  der 
Eheschliessung"  zuriickgefiihrt.  Danach  wurden  die  Ehen  jahrlich 
oder  alle  zwei  Jahre  in  feierlicher  Form  offentlich  abgeschlossen, 
und  zwar  zuniichst  die  Heirathen  von  Personen  aus  koniglichem 
Gebliit  in  Gegenwart  des  Konigs  und  seines  Hofstaates,  wobei 
der  Konig  selbst  die  Hande  des  Brautigams  und  der  Braut  zu- 
sammenlegte ,  Beiden  das  Yersprechen  ehelicher  Treue  abnahm 
und  dann  Beide  in  die  Hande  ihrer  Eltern  zuriiekgab ;  am  folgen- 
den  Tage  wurden  alle  iibrigen  Heirathen  in  der  Hauptstadt  Cuzco 
unter  Mitwirkung  von  Ministern,  die  durch  den  Konig  beauftragt 
waren,  mit  gleicher  Feierlichkeit  abgeschlossen;  dieselben  Yor- 
schriften  wurden  in  allen  Provinzen  des  R,eichs  beobachtet,  und 
zwar  ausserhalb  der  Hauptstadt  unter  Mitwirkung  der  Curacas  ^ 
Hiernach  erscheint  die  Meinung,  dass  den  Caziken  Perus  das  jus 
primae  noctis  zugestanden  habe,  als  vollig  unbegriindet. 

ly.    Australion. 

Die  Ulitaos  auf  den  Marianen. 

Kapitel  *)"2.  Gerland  und  Post  behaupteu,  auf  den  Marianen 
hiitten  die  Ulitaos  „bei  jeder  Ehe  das  jus  primae  noctis  vom  Yater 
der  Braut  erkaufen"  konnen-.  Diese  Angabe  stiitzt  sich  auf  eine 
Erziihlung  aus  der  Reisebeschreibung  des  Herrn  von  Freycinet  aus 
der  Zeit  von  1817  bis  1820.  Danach  wurde  im  Jahr  1676  in  dem 
Dorf  Orote,  auf  einer  Marianen-  (Ladronen-  oder  Diebes-)  Insel,  als 
die  Trauung  eiues  Spaniers  mit  einer  christlichen  Eingebornen  feier- 
lich  begangen  werden  sollte,  ein  Hinderniss  zur  Sprache  gebracht; 
dasselbe  bestand  darin,  dass  der  Yater  der  Braut,  dortiger  Sitte 
gemass,  sich  verpflichtet  hatte,  die  „premices"  seiner  Tochter  an 
die  Ulitaos  zu  verkaufen^.  Dies  erinnert  an  den  im  Kap.  77  er- 
wiihnten  Gebrauch,  der  mit  dem  jus  primae  noctis  in  der  herkomm- 
lichen  Bedeutung  dieses  Ausdrucks  keine  Yerwandtschaft  hat. 


1  Garcilasso  Buch  4  Kap.  8,    Bd.   1  S.  350—352;    Ulloa  Bd    2  S.  215.  216. 

■'  Th.  Waitz  Bd.  5   Abth.  2  S.  111,   112;  Post  S.  37. 

'  Freycinet  S.  189:  .  .  .  „les  missionnaires  eurent  Tidee  de  celebrer  h 
Orotd  avec  tout  Tappareil  possible  funion  d'un  Espagnol  et  d'une  fille  chr^- 
tienne  de  ce  village.  Mais  au  moment  convenu  pour  la  solennite,  le  pere  de 
la  future  vint  y  mettre  des  entraves  par  une  opposition  opiniatre.  II  s'^toit 
engage,  selon  la  coutume,  h.  vendre  aux  Ulitaos  les  pr6mices  de  cette  jeune 
personne.  Le  P.  Sebastien  de  Mauroy,  pensant  qu'il  regrettoit  le  prix  de  ce 
honteux  marche .  lui  ofTrit  un  dedommagement  capahle  de  contcntcr  son  ava- 
rice :  rien  ne  put  lui  faire  entendre  raison"  .  .  . 


Dritter  Absclinitt. 

R  ii  e  k  1)  1  i  c  k   ini  d   E  r  2:  e  I)  11 1  s  s. 

A.    Riickblick. 

Kapitel  93.  In  der  bisherigen  Untersucliung  sind  die  zum 
Beweise  des  jus  primae  noctis  Torgebracliten  Griinde  einzeln  ge- 
priift  worden.  Dies  fiihrte  zu  dem  Ergebniss ,  dass  theils  die 
fragUcheu  Behauptungen  auf  Missverstandniss  beruhten ,  theils 
die  behaupteten  Thatsachen  nicht  gehorig  nachgewiesen  seien, 
theils  endlich  die  festgestellten  Thatsachen  zum  Beweise  jenes 
Rechts  nicht  geniigten.  Hiermit  ist  nun  aber  die  Frage,  ob  ein 
jus  primae  noctis  bestanden  hat,  uoch  nicht  vollstandig  gelost. 
Es  fragt  sich  niimlich,  ob  etwa,  ungeachtet  der  im  Einzehien 
nachgewiesenen  Irrthiimer,  die  verschiedenen  Beweisgriiude  im 
Ganzen  und  in  Zusammeuhang  miteinander  den  Beweis  zu  er- 
briugen  vermogen,  dass  jenes  Recht  einstmals  irgendwo  gegolten 
habe.  Allein  aucli  diese  Frage  ist  zu  verneinen ,  wie  folgender 
Ueberblick  iiber  das  gesammte  Ijeweismaterial  ergiebt. 

I.    Berielite  uiid  Sau-en. 

1.    Nachricliten  uber  Defloration  der  Braute  durch  Priester  oder  Hauptlinge. 

Seit  dem  sechzehnten  Jahrhundert  wird  iiber  die  Bewohner 
von  MaLibar  in  Ostindien  und  iiber  einige  Indianerstamme  von 
Siidamerika  berichtet,  dass  Jungfrauen  bei  ihrer  Yerheirathung 
von  Priestern  deflorirt  wiirden  ^.  Yarthema  (1510)  sagt,  der 
Konig  von  Calicut,  und  kein  Anderer  in  seinem  Reich,  erwiihle 
bei  seiner  Heirath  den  wiirdigsten  und  geehrtesten  Brahmanen, 
damit  derselbe  in  der  ersten  Nacht  bei  der  Konigin  schlafe  und 
sie  deflorire;  der  Brahmane  erhalte  hierfiir  vier-  bis  fiinfhundert 
Ducaten  ^.  Die  IS^achrichten  aus  Siidamerika  beruhen  hauptsach- 
lich  auf  dem  Bericht  Oviedo's,  dass  bei  den  Arowaken  und  einigen 


Kap.   75  iind  91.  ^  Kap. 


366  Kapitel  93.     Riickblick.     I.  r.erichte  und  Sageu. 

andern  Volkerscliafteu  eine  Jungfraii,  die  verheiratliet  werden 
solle,  um  gliicklich  im  Ehestand  zu  werden,  zuvorderst  mit  ihrenr 
Piache  oder  Priester  schlafen  miisse,  und  erst,  nachdem  dies  ge- 
schehen  sei,  am  folgenden  Tag  sich  iiirem  Ehegatten  hinzugeben 
habe^;  und  auf  der  Erzahlung  Gomara's,  dass  die  Bewohner  von 
Cumana  den  nach  ihrer  Meinung  anstandigen  Gebrauch  beob- 
achteten,  die  neuvermalilten  Frauen  an  die  Priester  oder  Piaches 
zur  Defloration  zu  iibergeben  ^.  Hiermit  konnen  einige  Angaben 
verglichen  werden ,  die  nicht  von  Priestern,  sondern  von  Haupt- 
lingen  reden,  naralich  dass  bei  den  Adyrmachiden  die  Jungfrauen, 
die  heirathen  wollten,  dem  Konig  vorgestellt  und,  falls  sie  ihm 
gefielen,  von  ihm  deflorirt  wiirden  ^;  und  die  tausend  Jahre  spater 
gemachte  Entdeckung,  wonach  auf  den  Inseln  Gomera  und  Palma 
die  Hiiuptlinge  von  allen  Jungfrauen  bei  deren  Heirath  die  Yor- 
kost  hatten,  oder  die  Weiber,  die  zu  verheirathen  waren,  zuerst 
durch  die  Machthaber,  w^enn  dieselben  sich  einander  besuchten, 
zuni  AYillkomm  gegeben  und  deflorirt  wurden,  und  die  Bewohner 
von  Teneriffa  keine  Jungfrau  zur  Gattin  nahmen,  bevor  sie  ihrem 
Fiirsten  vorgeschlagen  hatten,  sie  zu  scJiwachen*.  —  Mit  Riiclc- 
sicht  auf  die  innere  Yerwandtschaft  dieser  zwar  vereinzelten, 
jedocli  aus  verschiedenen  Zeiten  und  Landern  herriihrenden 
Is^achrichten  lasst  sich  allenfalls  die  Meinung  vertheidigen,  dass 
ihnen  etwas  Wahres  zu  Grunde  liegen  miisse,  obwohl  jeder  Be- 
richt,  fiir  sich  allein  betrachtet,  zu  crheblichen  Bedenken  Anlass 
bietet ,  und  die  Angaben  untereinander  mehrfache  Widerspriiche 
enthalten.  Man  konnte  damit  die  Berichte  iiber  einige  andere 
geschlechtliche  Unsitten ''  vergleichen  und  danach  die  fraglichen 
Gebriiuclie  aus  religiosen  Anschauungen  heidnischer  Yolker  zu 
erklaren  suchen.  Andererseits  erhellt  gerade  aus  der  Zusammen- 
stelhmg  und  Yergleichung  aller  bezeichneten  Mittheiluugen  mit 
noch  grosserer  Sicherheit  als  aus  der  Fassung  jedes  einzelnen 
Berichts,  dass  die  darin  erwahnten  Handlungen  der  Priester  oder 
Hauptlinge  im  Einverstandniss  der  Jungfrauen  und  ihrer  Ange- 
horigen  vorgenommen  wurden.  Denn  es  wird  gemeldet,  dass  die 
Brahmanen  in  Malabar  sich  fur  Yornahme  der  fraglichen  Hand- 
lung  theuer  bezahlen  liessen;  dass  bei  den  Indianerstammen,  von 


1  Kap.  91  S.  360,  361.         -  Kap.  91  S.  360.         ^  ^ap.  33.         *  Kap.  72. 

5  Dahin  gehoren  die  Berichte,  dass  bei  manchen  Volkerschaften  die  Miid- 
chen  vor  der  Heirath  durch  Fremde  deflorirt  wiirden  (vgl.  Kap.  7  S.  39  und 
Kap.  75  S.  314),  oder  ihre  Jungfraulichkeit  einem  Gotzenbild  zum  Opfer 
brachten  (vgl.  Kap.  7  S.  40),  oder  sich  einer  andern  Operation  unterwiirfen, 
um  sich  davon  zu  bcfreien  (vgl.  Kap.  44   S.  214). 


Kapitcl  93.     Ruekblick.     I.  Berichte  und  Sagen.  367 

dciiGn  Oviedo  spricht,  die  Jungfrauen  sicli  deni  betreffenden  Ge- 
hrauch  unterwiirfen,  „uni  gliicklich  im  Ehestand  zu  werden" ; 
dass  die  Bewohner  vou  Cuniana  den  durch  Gomara  mitgetheilten 
Gebraucli  fiir  anstiindig  hielten ;  und  dass  die  Bewohner  von 
Teneriffa  sich  als  sehr  geehrt  betrachteten,  w^enn  eine  Braut 
die  Gnade  erlangte ,  vom  Fiirsten  deflorirt  zu  werden.  Obwohl 
eine  derartige  ausdriickliche  Versicherung  in  andern  Quellen- 
stellen  fehlt,  so  ist  doch  in  keiner  derselben  das  Gegentheil  her- 
vorgehoben,  dass  namlich  die  Jungfrauen  und  deren  Angehorige 
auch  wider  ihren  Willen  jene  Handlungen  hiitten  erdulden  miissen. 
Schon  aus  diesem  Grunde,  und  abgesehen  von  allen  sonstigen 
Bedenken  ^,  konneu  die  gemeldeten  Schilderungen  nicht  zu  der 
Annahme  berechtigen,  dass  in  Malabar  und  bei  einigen  Indianer- 
volkeru  von  Siidamerika  ein  Herrenrecht  der  Priester,  sowie  bei 
den  Adyrmachiden  und  auf  den  canarischen  luseln  ein  Herren- 
recht  der  Hauptlinge  auf  die  erste  Nacht  der  Briiute  jemals  ge- 
golten  habe,  oder  noch  heutzutage  gelte.  Also  ist  es  ein  Irr- 
thum,  Avenn  einige  Gelehrte  des  neunzehnten  Jalirhunderts  in  den 
bezeichneten  Xachrichten  den  Beweis  des  jus  primae  noctis  finden. 
Mithin  kann  auch  die  Yersicherung,  dass  bei  andern  Volkern 
dasselbe  Recht  bestehe,  keine  Beachtung  verdienen,  solange  bloss 
eine  Behauptung  jener  durch  Irrthum  befangenen  Schriftsteller 
vorliegt,  und  jeder  sonstige  Beweis  fehlt.  Damit  erledigen  sich 
bis  zu  einer  etwaigen  niiheren  Aufkh'irung  die  Angaben  iiber 
einige  Volker  Brasiliens  ^  und  iiber  das  Bergland  Bagele  auf 
den  Andamanen  ^. 

2.    Sagen  iiber  Deflorirung  der  Braute  durcli  Tyrannen. 

Es  giebt  eine  Reihe  von  Sagen,  die  darin  iibereinstimmen, 
dass  ein  Tyrann  in  seiner  Gewaltthiitigkeit  so  weit  ging,  gewohn- 
heitsmiissig  die  Miidchen  vor  oder  bei  ihrer  Heirath  ihrer  Jung- 
friiulichkeit  zu  berauben.  Abgesehen  von  den  etwas  unbestimm- 
ten  und  undeutlichen  Nachrichten  iiber  die  Sklavenherrschaft  in 
Volsinii-^,  iiber  die  Ausschweifungen  des  romischen  Kaisers  Ma- 
ximin  ^  und  iiber  das  Verfahren  des  K()nigs  von  Tsiamba  ^,  sind 
hier  hauptsiichlich  folgende  Sagen  zu  beriicksichtigen.  Nach  einer 
Erziihlung  aus  dem  vierten  Jahrhundert  vor  Chr.  Geb.  regierte  in 
alten  Zeiten  auf  der  Insel  Kephalenia  ein  Tyrann,  der  die  Miidchen 

1  Vgl.  Kap.  75  S.  319  und  Kap.  91  S.  359,  302.  363. 

2  Kap.  91  S.  363.  ^  Kap.  76.  *  Kap.  35. 
s  Kap.  37.           6  Kap.  43. 


303  Kapitel  93.     Riickblick.     I.  Berichte  iind  Sagen. 

fleisclilicli  erkannte,  bevor  sie  verlieirathet  wurden,  bis  ein  ge- 
wisser  Antenor  eine  Jungfrau  vor  der  Schandung-  bewahrte ,  in- 
dem  er  sicli  als  Miidchen  verkleidete  und  mit  einem  unter  der 
Kleidung  verborgenen  Schwert  den  Tyrannen  erschlug;  wegen 
dieser  Heldenthat  ward  Antenor  zum  Fiirsten  erwahlt,  und  er  er- 
langte  hohe  Ehre,  ebenso  wie  die  Jungfrau,  die  er  gerettet  hatte  *. 
Seit  dem  vierten  Jahrhuudert  nach  Chr.  Geb.  wurde  erzahlt: 
Es  fand  oinmal  in  Judiia,  vor  der  Zeit,  um  welche  die  ^lischna 
abgefasst  wurde,  eine  Yerfolgung  statt;  man  erliess  die  Bestim- 
milng,  die  Tochter  der  Juden  sollten  zuerst  vom  aTpaxioc  beschlafen 
werden  ^.  Damit  verwandt  ist  die  Erzahhmg  aus  dem  fiinften 
oder  sechsten  Jahrhundert,  dass  einmal  (vor  Abfassung  der  Mischna) 
die  Machthaber  befohlen  hatten ,  die  Jungfrauen  sollten  vor  der 
Hochzeit  vom  Taphsar  beschlafen  werden^;  und  der  spatere  Sa- 
genkreis,  der  in  verschiedenen  Gestalten,  aus  der  Zeit  vom  sieb- 
ten  oder  achten  bis  zum  fiinfzehnten  Jahrhundert,  den  Anlass 
zum  Aufstand  der  Makkabaer  auf  Jihnliche  Schandthaten  der 
griechischen  Machthaber  zuriickfuhrt  *.  Eine  Erzahlung  aus  dem 
Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  spricht  iiber  einen  gewalt- 
thatigen  Arabei-konig  vom  Stamm  Tasm,  der  zugleich  iiber  den 
Stamm  Djadis  herrschte  und  den  Gebrauch  einfiihrte,  dass  keine 
Jungfrau  vom  Stamni  Djadis  ihrem  Briiutigam  zugefiihrt  wurde, 
bevor  er  selbst  mit  ihr  zu  thun  gehabt  und  ihr  die  Keuschheit 
entrissen  hatte;  die  Djadisiten  erduldeten  diese  Nichtswiirdigkeit 
geraume  Zeit,  nahmen  dann  aber  furchtbare  Rache ,  indem  sie 
nach  vorherigem  J'hin  bei  einem  Gastmahl  den  Konig  mit  den 
meisten  Tasmiten  umbrachteu '".  —  Diese  im  Alterthum  und  Mittel- 
alter  entstandenen  Sagen  beruhen  auf  gesunden  Grundgedanken 
von  Yerschuldung  lind  Yergeltung  ^  Als  geschichtlich  festgestellt 
kann  keine  dieser  Erzahlungen  betrachtet  werden ,  obwohl  die 
Moglichkeit  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  ihnen  ein  geschichtlicher 
Kern  zu  Grunde  liefft. 


1  Kap.  34.  2  Kap.  29  S    1(54.  ^  Kap.  29  S.   166. 

*  Kap.  30.  '"  Kap.  32 

•i  Auf  ahnlichen  Gruncjgedanken  beruhen  zwei  im  neunzehnten  Jahrhundert 
entdeckte  Sagen.  die  von  alten  Zeiten  reden  ,  niimlich  die  angcbliche  Yolks- 
sage,  dass  die  Stadt  Harapa  vor  dreizehnhundert  Jahren  durch  die  Rache 
Gottes  zerstort  worden  sei ,  weil  der  Beherrscher  jener  Stadt  bei  jeder 
Heirath  ..gewisse  Vorrechte"  beanspruchte  und  auch  Blutschande  beging 
(Kap.  42);  und  die  Erzahluiig  eines  AYiedehopfs  iiber  Konig  Sharalibil  von 
Saba  (Kap.  31). 


Kaiiitel  03.     Ruckl)lick.     I.  Berichte  uikI  riageii.  309 

3.    Eine  Sage  iiber  die  Fenier  Irlands. 

Eiiio  im  ueunzeliiiteu  Jcilirliuudcrt  veroffentlichte  Sage,  die 
aus  der  Zeit  voni  funfzehnten  bis  achtzehnten  Jahrhundert  her- 
riihrt,  fiilirt  die  Yeranlassung-  der  Schlaeht  von  Gabhra  darauf  zu- 
riick,  dass  die  Fenier  von  Konig-  Cairbre  nach  dessen  Verlobung 
„zwanzig  Unzen  Gold  oder  das  Recht,  mit  der  Prinzessin  die 
Nacht  vor  ihrer  Hochzeit  zu  schlafen",  begehrt  uud  dadurch  den 
Unwillen  des  Monarchen  erregt  hiitten  ^.  Diese  Sage  kann ,  wie 
der  Herausgeber  derselben  bemerkt,  keinenfalls  als  ein  Stiick 
iichter  Geschichte  angesehen  werden ;  ebensowenig  ist  sie  nach 
ihrem  Inhalt  geeignet,  als  Beweis  eines  Herrenrechts    zu  dienen. 

4.    Sagen  der  Neuzeit  iiber  Entstehung  von  Heirathsabgaben. 

Einige  Sagen,  die  aus  dem  sechzehnten  Jahrhundert  stammen, 
suchen  die  Entstehung  von  Heirathsabgaben  aus  einem  friihern 
Herrenrecht  der  ersten  Nacht  zu  erklaren  ^.  Nach  Berichten  von 
Hector  Boethius  (1526)  und  George  Buchanan  (1582)  erliess  ein 
heidnischer  Konig,  Evenus  HI.  von  Schottland,  ein  Gesetz,  wo- 
nach  jeder  Herr  einer  Ortschaft  die  Gewalt  haben  sollte,  die 
erste  Keuschheit  der  neuvermahlten  Jungfrau  in  ihrer  Hochzeits- 
uacht  zu  kosten;  dies  gottlose  Gesetz  ward  durch  Konig  Mal- 
colm  III.,  auf  Andrangen  der  heiligen  Konigin  Margaretha,  dahin 
abgeandert,  dass  die  jungen  Ehegatten  jenes  Recht  ablosen  konn- 
ten;  so  entstand  die  unter  dem  Namen  „marcheta  mulierum"  be- 
kannte  Heirathsabgabe  ^.  Na.ch  Angabe  von  Hector  Boethius 
wurde  auch  in  Belgien,  und  zwar  in  einem  Flecken  unweit  Lo- 
wen,  der  Gebrauch  beobachtet,  dass  der  Briiutigam  die  Schandung 
der  Braut  vom  Yorsteher  des  Orts  abloste  '^.  Wie  Hieronymo 
Mutio  (1553)  bemerkt,  entstand  eine  mit  dem  Namen  „connagio" 


1  Kap.  41. 

2  Aus  alterer  Zeit  ist  eine  derartige  Sage  noch  nicht  entdeckt.  Zwar 
findet  sich  schon  in  einem  Gedicht  des  dreizehnten  Jahrhunderts  die  Sage. 
dle  Bauern  von  Verson  in  der  Normandie  hiitttn  in  friiheren  Zeiten,  statt  die 
Heirathsabgabe  zu  bezahlen,  lieber  ihre  Tochter  dem  Grundherrn  ijberliefert, 
„um  dessen  Willen  zu  thun'' :  allein  dieser  Wortlaut  berechtigt  niclit  ohne 
Weiteres,    an    ein  unanstandiges  Recht  des  Grundherrn  zu  denken  (Kap.  56). 

3  Kap.  40.  Die  Erzahlung  von  Hector  Boeis  wurde  durch  Zuthaten 
einiger  spaterer  Schriftsteller  (Skene,  Boxhorn,  Hachenberg  und  AVestphal) 
dahin  erweitert,  dass  jenes  Gesetz  bei  allen  Heirathen  der  Germanen,  Wenden 
und  Franken  gegolten  habe  und  ausgeiibt  worden  sei. 

*  Kap.  20  S.  107. 

Schmiclt,  .Jus  primae  noctis.  24 


370  Kapitel  93.     Riickblick.     I.  Berichte  und  Sagen. 

bezeiclinete  piemoutesische  Heirathsabgabe  durch  Ablosung  eines 
friiheren  Brauchs,  wonach  die  neuvermahlten  Frauen  die  erste 
Nacht  mit  dem  Herrn  der  Ortschaft  schliefen  \  Desgleichen  wird 
in  einer  Urkunde  vom  2.  Febr.  1538  eine  Heirathsabgabe ,  die 
an  den  Herrn  von  Bizanos  in  Bearn  zu  entrichten  war,  aus  dem 
Recht  seiner  Yorfahren  erldart ,  so  oft  Heirathen  in  Bizanos 
stattfanden,  mit  der  jungen  Frau  die  erste  Nacht  nach  der  Hoch- 
zeit  zu  schlafen  ^.  Ebenso  suchten  seit  Ausgang  des  siebzehnten 
Jahrhunderts  hollandische  Schriftsteller  eine  Heirathsabgabe ,  die 
in  Cortgene  bestand,  daraus  zu  erklaren,  dass  der  Herr  von  Cort- 
gene  seit  ganz  alten  Zeiten  das  Recht  iiber  die  Jungferschaft  der 
Briiute  habe ,  das  jedoch  gewohnlich  mit  Geld  abgelost  werde  ^. 
—  AUe  diese  Sagen  beruhen  ini  Grossen  und  Ganzen  auf  der 
Yoraussetzung,  dass  jenes  schmachvolle  Recht  zu  heidnischer 
Zeit  gegolten  habe  und  im  Mittehilter,  sobald  die  christlichen 
Grundsatze  zur  Herrschaft  gelangten,  in  eine  Abgabe  verwandelt 
worden  sei;  soweit  dies  in  den  einzelnen  Berichten  nicht  aus- 
driicklich  gesagt  ist,  bleibt  nach  ihrem  Inhalt  wenigstens  die 
Moglichkeit  bestehen,  jenes  Recht  fiir  ein  altheidnisches  zu  er- 
klaren.  Wunderbar  bl^ibt  der  Inhalt  dieser  Sagen  insofern,  als 
danach  das  Christenthum  im  Mittelalter  nicht  die  vollige  Aus- 
rottung  jener  Barbarei,  sondern  nur  die  Yerwandlung  des  heid- 
nischen  Rechts  in  eine  Abgabe  durchzusetzen  vermochte.  Es 
lasst  sich  annehmen,  dass  im  sechzehnten  Jahrhundert  an  vielen 
Orten  der  wahre  Grund,  worauf  die  herkommlichen  Heirathsab- 
gaben  beruhten,  in  Yergessenheit  gerathen  war,  und  diese  Liicke 
in  der  Kenntniss  der  Yorzeit  durch  Sagen  erganzt  wurde  '^ ; 
vielleicht  unter  Einfluss  der  in<zwischen  allmahlich  verbreiteten 
Nachrichten  und  Sagen  alterer  Zeit  (die  oben  S.  365—368  er- 
wiihnt  sind).  Ein  geschichtlicher  Kern  ist  in  dem  bezeichneten 
Sagenkreis  nicht  enthalten,  da  die  Entstehung  der  Heirathsab- 
gaben  geniigend  aufgekhirt  ist,  und  kein  Grund  fur  die  Annahme 
eines  unsittlichen  Ursprungs  derselben  vorliegt  ^. 

Eine    noch    weit   ungunstigere   Yorstellung    vom    christlichen 
Mittelalter  findet  sich  in  »dem  jungeren,    hauptsachlich   im    acht- 


'  Kap.  24  S.  139.  ^  ^ap.  80. 

^  Kap.  21.  —  ^us  dem  siebzelinten  Jahrhundert  stammen  auch  die  gleich- 
artigen  Erkliirungen  von  Ducange  iiber  Wales  (Kap.  14)  und  von  Plot  iiber 
England  und  Irland  (Kap.  16  und   17). 

*  Vgl.  Raepsaet  3.  Ausg.  S.  57.  —  In  iihnlichor  Weise  sind  bekanntlich 
zaldreiche  Volkssagen  entstanden. 

s  Kap.   13. 


Kapitel  93.     Ruekblitk.     I.  Bcrichto  und  Sagen.  371 

zehnten  und  neunzehnten  Jahrhundert  ausgebildeten,  Sagenkreis 
iiber  die  Entstehung-  der  g-rundherrlichen  Heirathsabgaben.  Da- 
nach  sollen  dieselben  durch  AbhJsung  des  ira  christlichen 
Mittelalter  herrschend  gewesenen  jus  primae  noctis  entstanden 
sein  ^  Diese  giinzlich  grundlose  Annahme  ist  nicht  aus  blosser 
Unwissepheit,  sondern  zumeist  aus  obertlachlichen  Untersuchungen 
von  vermeintlich  aufgeklarten  Gelehrten  hervorgegangen,  zum 
Theil  aber  auch  auf  unlautere  Quellen  zuruckzufiihren. 

5.    Sagen  der  Neuzeit  iiber  Aufstande  wegen  des  jus  primae  noctis. 

Seit  dem  siebzehnten  Jahrhundert  verbreiteten  sich  zwei  Er-^ 
zahlungen,  die  den  Anlass  zur  Griindung  der  Stiidte  Montauban 
und  xsizza  della  Paglia  auf  ein  garstiges  Recht  der  Gruudherren 
zuriickfiihrten  ^.  Die  ersterwiihnte  Sage  spricht  in  ihrer  iilteren 
Fassung  nicht  von  einem  Herrenrecht  der  ersten  JSTacht,  sondern 
von  einem  „jus  cunni",  das  ein  Ueberrest  alter  Barbarei  ge- 
wesen  und  als  Loseg^ld  durch  die  Aebte  von  Saint-Audard  mit 
ausserster  Htirte  gefordert  sei;  erst  spiitere  Ausschmiickungen 
derselben  Sage  erkliiren  das  jus  cunni  als  gleichbedeutend  mit 
dem  jus  primae  noctis.  Die  andere  Sage  berichtet,  die  gewalt- 
thiitigen  Grafen  von  Acquasana  hiitten  die  Primizien  der  Jung- 
frauen  bei  deren  Heirath  geniessen  wollen  und  dadurch  den  Auf- 
stand  gegen  ihre  Herrschaft  veranlasst.  Ferner  meldet  eine  Er- 
ziihlung  aus  dem  Anfang  des  achtzehnten  Jahrhuuderts,  die  Herren 
von  Prelley  und  Parsanni  in  Piemont  hiitten  ein  iihnliches  (oder 
gleiches)  Recht,  wie  das  in  Schottland  durcli  Kiinig  Evenus  III. 
eingefiihrt  gewesene,  unter  dem  Namen  cazzagio  ausgeiibt  und 
hiitten  sich  geweigert,  in  Ablosung  dieses  Rechts  einzuwilligen; 
dadurch  sei  ein  Aufstand  veranlasst  worden,  der  dahin  fiihrte, 
dass  die  Bewohner  der  beiden  Orte  von  jenem  Herrenrecht  be- 
freit  wurden,  und  diese  Orte  an  Savoyen  gelangten^.  Die  in 
diesen  Erziihlungen  von  einem  siindhaften  Recht  gemeldeten  That- 
sachen  sind  weder  bewiesen,  noch  mit  den  geschichtlichen  Yor- 
giingen,  soweit  solche  festgestellt  sind,  auch  nur  vereinbar.  Ohne 
geschichtlichen  Werth  sind  die  erst  im  neunzehnten  Jahrhundert 
erfundenen  Erziihlungen  ahnlichen  Inhalts  iiber  die  Grafen  Des 
Vertus  und  die  Herzoge  der  Xormandie  *,  sowie  iiber  die  Zwing- 
herren  von  Yatz  und  von  Ravenstein  ^. 


'  Vgl.  oben  S.  64.  73—75.  95,  96.   113.  244,   245,  251. 
2  Kap.  69  und  52.         ^  Kap.  53. 
*  Kap.  68.  5  Kap.  48  und  49. 


372  Kapitel  93.     Riickblick.     I.  Berichte  und  Sagen. 

6.    Sagen  der  Neuzeit  iiber  Processe  wegen  des  jus  primae  noctis. 

In  einem  Werk  aus  der  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts 
findet  sich  die  Anecdote,  in  Gegenwart  des  Yerfassers  jenes 
Werkes  habe  ein  Pfarrer  vor  dem  erzbischoflichen  Gericht  zu 
Bourges  die  Behauptiing  aufgestellt,  dass  ihm  gewohnhe;tsraassig 
die  erste  fleischliche  Erkennung  der  neuvermiihlten  Frauen  zu- 
komme ;  darauf  sei  diese  Gewohnheit  fiir  nichtig  erkliirt  und  der 
Pfarrer  zu  einer  Geldstrafe  verurtheilt  worden  ^  In  einer  Schrift 
aus  dem  siebzehnten  Jahrhundert  wird  erziihlt,  der  Captal  von  Buch 
habe  das  Recht  gehabt,  mit  den  neuvermahlten  Frauen  seiner  Leib- 
eigenen  zu  schhifen  oder  von  ihnen  ein  Geschenk  nach  seinem 
eigenen  Belieben  zu  fordern,  bis  dies  Recht  durch  Urtheil  des 
Parlaments  zu  Bordeaux  vom  Jahr  1468  aufgehoben  und  durch  eine 
Geldabgabe  ersetzt  worden  sei  ^.  Eine  Erzahkmg  vom  Jahr  1820 
meldet,  vor  beinahe  vierhundert  Jahren  sei  ein  Urtheil  ergangen, 
wonash  die  Lehnsherren  der  Auvergne  nicht  mehr,  wie  bis  dahin,. 
berechtigt  sein  sollten,  rait  ihren  Vasallinnen  in  deren  Hochzeits- 
nacht  zu  schlafen,  sondern  ihnen  nur  freistehen  sollte,  einen  nack- 
ten  Schenkel  in  das  Be^tt  der  neuvermiihlten  Frauen  zu  legen 
und  eine  Yiertelstunde  mit  ihnen  unter  vier  Augen  zuzubringen  ^. 
Endlicli  wird  iu  jiingster  Zeit  erziihlt,  im  Jahr  1855  sei  der  rus- 
sische  Geheimrath  Ischadowsky  „fiir  seine  Handkingen  in  Bezug 
auf  das  jus  primae  noctis"  zu  einer  Strafe  verurtheilt  worden.  — 
Auf  diese  Erzahkingen  kann  kein  Gewicht  gelegt  werden,  solange 
die  Existenz  und  der  Inhalt  der  fragUchen  Urtheile  nicht  nach- 
gewiesen  ist. 

7.    Sagen  der  Neuzeit  von  Urkunden  iiber  das  jus  primae  noctis. 

Die  Erziihlungen  raoderner  Schriftsteller  iiber  Urkunden,  wo- 
rin  das  jus  priraae  noctis  verbrieft  stehen  oder  gestanden  haben 
soU,  verdienen  keine  Beachtung,  solange  ein  Beweis  iiber  den. 
Inhalt  und  die  Existenz  jener  Urkunden  vermisst  wird.  Dahin  ge- 
hort  die  zu  Anfang  des  siebzehnten  Jahrhunderts  entstandene 
Erziihlung,  dass  eine  Urkunde  iiber  ein  ahnliches  oder  iiber  das 
niimliche  Recht,  wie  das  in  Schottland  durch  Konig  Evenus  ein- 
gefuhrte  und  durch  Konig  Malcolra  abgeschaffte,  deni  Hause  della 
Rovere  in  Pieraont  gehort  habe  und  durch  den  Cardinal  Hiero- 
nymo  della  Rovere  zerrissen  worden  sei'*;  und  die  crst  ira  neun- 


Kaii.  82.  2  i^ap    G5.  ^  Kap.  66  S.  284.  *  Kap.  51. 


Kapitel  93.     Eiifkblick.     II.  Urkiindenbeweise.  373 

zelinten  Jalirliundert  erfundene  Erzalilung,  dass  ein  Domlierr  von 
Lyon  den  alten  Titel,  der  den  Grafen-Doniherren  von  Lyon  das 
droit  du  seigneur  gewahrte,  in  Handen  gehabt  und,  weil  er  den 
Inhalt  liicherlich  fand ,  zerrissen  habe  \  oder  dass  noch  jetzt  (an 
einem  unbekannten  Ort)  eine  Urkunde  vom  Jahr  1132  existire, 
worin  die  Kanoniker  von  Lyon  in  bester  Form  auf  jenes  Recht 
verzichtet  liatten  ^. 

8.   Sagen  der  Neuzeit  uber  herkommliche  Schandungsrechte  des  Mittelalters. 

]S^ach  einer  Nachricht  des  sechzehnten  Jahrhunderts  soU  in 
der  Auvergne  eine  Gewohnheit  geherrscht  haben,  die  dem  Herrn 
des  Orts  das  Recht  gewahrte,  mit  der  Braut  seines  Unterthanen 
in  der  Hochzeitsnacht  zu  schlafen  ^.  Und  in  einem  Buch  vom 
Jahr  1767  wird  erzahlt,  in  der  Stadt  Auxi-le-Ch;iteau  habe  dem 
Grundherrn  das  Recht  zugestanden,  die  Jungferschaft  hiibscher 
Frauenzimmer  zu  rauben,  gegen  eine  an  den  Grafen  von  Pon- 
thieu  zu  entrichtende  Abgabe  von  einem  Thaler  und  zehn  Sous  '\ 
—  Fiir  beide  Nachrichten  fchlt  eiu  Beweis. 

II.    Urkiindenbeweise. 

1.    Gesetze. 

Li  der  Neuzeit  wird  von  einigen  Gesetzen  iiber  das  jus  pri- 
mae  noctis  gesprochen,  namentlich  seit  dem  sechzehnten  Jahr- 
hundert  von  Gesetzen  des  Konigs  Evenus  III.  und  des  Konigs 
Malcolm  III.  von  Schottland  %  und  seit  dem  achtzehnten  Jahr- 
hundert  von  einem  Gesetz  aus  dem  Jahr  964,  wodurch  die  rus- 
sische  Reichsverweserin  Olga  „das  Fiirstliche"  (jus  primae  noctis) 
abgeschafft  habe  "^.  Im  neunzehnten  Jahrhundert  beruft  man  sich 
ausserdem  noch  auf  ein  toscanisches  Gesetz  vom  Jahr  1691,  wel- 
ches  mit  dem  ,,jus  primarum  noctium"  der  Monche  zusammen- 
hangen  soll  ^,  und  auf  ein  calabrisches  Gesetz  vom  10.  Febr.  1785 
iiber  „das  schandliche  Hochzeitsrecht"  ^.  —  In  Wahrheit  existiren 
keine    Gesetze,    die  das  jus  primae  noctis  eingefiihrt   oder    abge- 


^  Kap.  54  S.  245.  -  Kap.  54  S.  245. 

^  Kap.  66.  —  Undeutlich  ist  eine  Erzahlung  aus  dem  Anfang  des  acht- 
zehnten  Jahrhunderts  iiber  die  Bewohner  von  F^re  in  Tardennis  (Kap.  57), 
worin  von  einem  „droit  des  mariages",  unabhangig  von  der  Heirathsabgabe, 
die  Rede  ist;  doch  kann  das  „droit  des  tnariages'-  nur  als  eine  Steuer  (unbe- 
kannten  Inhalts),  nicht  als  ein  Schandungsrecht  erklart  werden. 

*  Ifep.  78  S.  327.  5  Kap.  40.  ^  Kap.  46. 

'  Kap.  86.  8  Kap.  87. 


374  Kapitel  93.     Riickblick.     II.  Urkuiulenbeweise. 

schafft  liaben.  Die  allgemeinen  Anordnungen,  die  in  dem  an- 
gebliclien  Urtheil  des  Grross-Seneschalls  der  Guyenne  vom  13.  Juli 
1302  und  im  Schiedsurtheil  des  KiJnigs  Ferdinand  vom  21.  April 
1486  enthalten  sind  ',  sollen  bei  Uebersiclit  iiber  die  gerichtlichen 
Entscheidungen  beriicksichtigt  werden  ^. 

2.    Urkunden  liber  Gewohnheitsreclite. 

Aus  Urkunden  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  erhellt,  dass 
in  manchen  Landern  wichtige  Rechte  von  dem  Ort  abhingen,  wo 
die  Neuvermahlten  die  Hochzeitsnacht  zubrachten;  und  dass  die 
Brautleute  deshalb  an  einigen  Orten  die  grundherrliche  Geneh- 
migung  nachsuchen  mussten,  um  dort  die  Hochzeitsnacht  zuzu- 
bringen.  Nach  einer  angeblich  zu  Anfang  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts  gefertigten  Urkunde  aus  dem  Bisthum  Strassburg  war 
im  Dorf  Wettolsheim  die  Landesangehorigkeit  der  Neu- 
vermahlten  davon  abhangig,  ob  sie  auf  dem  bischoflichen  Gebiet 
oder  auf  dem  Gebiet  der  Herren  von  Horburg  die  Hochzeits- 
nacht  zubrachten^  Nach  einer  Urkunde  vom  Jahr  1318  war  in 
der  Stadt  Dercy  in  der  Picardie  die  Ortsangeh  origkeit  der 
Neuvermahlten  dadurch  bedingt,  dass  sie  die  Hochzeitsnacht  in 
Dercy  schliefen  *.  Nach  einer  Urkunde  vom  13.  Jan.  1369  musste 
zu  Brimeu  in  der  Picardie  jeder  Mann,  mit  Ausnahme  des  Lehns- 
mannes,  der  auf  seinem  Lehen  schlief,  die  Genehmigung  des 
Grundherrn  nachsuchen,  um  mit  seiner  Braut  die  Hochzeitsnacht 
in  Brimeu  verbringen  zu  diirfen^.  Nach  den  im  Jahr  1507  redi- 
girten  Coutumes  aus  dem  Amt  Amiens  bestand  in  den  Stadten 
Brestel-les-Doullens ,  Auxi-le-Chateau  und  Blangy-en-Ternois  der 
Grundsatz,  dass  ein  Fremder,  der  dort  heirathete  und  daselbst 
mit  seiner  Frau  die  Hochzeitsnacht  verbringen  wollte,  dazu  die 
Genehmigung  der  grundherrlichen  Behorde  nachsuchen  musste; 
zumeist  hatte  er  dafiir  eine  Abgabe  zu  entrichten,  bei  Vermeidung 
erheblicher  Vermogensstrafe  **.  In  den  Stadteu  Maisnil-les-Hesdins 
und  Drucat  war,  wie  die  Coutumes  vom  Jahr  1507  ergeben,  die 
grundherrliche  Genehmigung  bei  allen  Heirathen  nachzusuchen,  also 


1  Kap.  62  S.  261,  262  und  Kap.  70  S.  298,  303. 

2  Unten  S.  376—378.  »  Kap.  28  S.  159. 
"  Kap.  28  S.  100.           *  Kap.  28  S.  161. 

^  Kap.  78  S.  325,  326.  —  Die  Abgabe  betrug  in  Blangy-en-Ternois  zwei 
Sous,  in  Brestel  nur  /wei  Pfennige;  sie  war  durch  die  Coutume  von  Auxi 
nicht  bestimmt.  Die  Geldstrafe  ist  in  der  Coutume  von  Blangy-cn-Ternois 
nicht    erwiihnt;    sie  betrug  in  Brestel  und   Auxi  sechzig  Sous  ( drei  Frankon). 


Ka])itcl  93.     Riiokblick.     II.   Urkundonbeweise.  375 

aucli  dann,  wenn  beide  Brautleute  daselbst  bereits  ortsangehoriji,- 
waren  K  Nach  den  Coutunies  von  Burgund  und  Franche-Comte 
konnte  die  Tochter  eines  Horigen  bei  Verheirathung  an  einen 
fremden  Mann  sich  ilir  kiinftiges  Erbrecht  (welches  sie  sonst 
durch  das  Ausscheiden  aus  ihrer  bisherigen  Rechtsgemeinschaft 
verloren  hatte)  dadurch  vorbehalten,  dass  sie  mit  ihrem  Ehemann 
die  Hochzeitsnacht  auf  dem  Gut  ihrer  Eltern  zubrachte  ^.  —  AWe 
diese  Bestimmungen  erklaren  sich  aus  dem  altgermanischen  Rechts- 
satz,  dass  die  rechtlichen  Folgen  der  Ehe  mit  dem  Beilager  begin- 
nen;  sie  bieten  keinen  Clrund  zu  der  Annahme ,  dass  in  den  be- 
zeichneten  Orten  dem  Grundherrn  das  jus  primae  noctis  zugestanden 
habe.  Die  einzige  Coutume,  worin  der  Hinweis  auf  ein  solches 
Recht  mit  einem  Schein  von  Bereclitiguug  entdeckt  werden  konnte, 
ist  die  Coutume  von  Drucat;  darin  wird  der  Fall  erwahnt, 
dass  der  Grundherr  bei  der  Hochzeitsdame  geschlafen  habe; 
allein  von  einem  Recht  des  Grundherrn  zu  einer  solchen  Hand- 
lung  ist  in  der  Coutume  keine  Hede.  Die  Nachsuchung  der 
gruudherrlichen  Erlaubniss  (unter  Ueberreichung  einer  Abgabe 
vom  Hochzeitsmahl)  sollte  nicht  erforderlich  sein ,  wenn  der 
Grundherr  bei  der  Hochzeitsdame  geschlafen  hatte.  Dies  ist 
entweder  fiir  eine  bloss  scherzhafte  Redewendung  zu  erachten 
oder  dahin  zu  erklaren,  dass  der  Grundherr  den  Anspruch  auf 
die  herkommliche  Hochzeitsabgabe  zur  Strafe  verlor,  wenn  er 
die  bezeichnete  Handlung  beging  ^.  Letzteres  kann  sich  auf  den 
Fall  beziehen,  dass  eine  Person  heirathete ,  die  mit  dem  Grund- 
herrn  fleischlichen  Verkehr  gehabt  hatte. 

Aus  den  zahlreichen  sonstigen  Urkunden,  des  Mittelalters 
und  der  Neuzeit,  iiber  die  grundherrliche  Heirathserlaubniss 
und  iiber  Heirathsabgaben,  die  von  Horigen  an  ihre  Grund- 
herren  zu  entrichten  waren,  sowie  aus  den  fiir  Heirathsabgaben 
eingefiihrten  Bezeichnungen,  ist  kein  Grund  fiir  die  Meinung  zu 
entnehmen,  dass  in  den  betreffenden  Abgaben  ein  Ueberrest  des 
jus  priraae  noctis  zu  finden  sei,  oder  dass  daraus  ein  solches 
Recht  sich  entwickelt  habe''.  —  Auf  eine  Heirathsabgabe  sind 
auch  die  in  einer  Urkunde  aus  Siidtirol  voni  3.  Mai  1166  er- 
wahnten    „Nutzungen    der   ersten   Nacht    wegen   der   Braute"    zu 


>  Kap.  78  S.  327,  328.  —  In  Drucat  musste  bei  Nachsuchen  der  Er- 
laubniss  eine  Schiissel  vom  Hochzeitsmahl  nebst  /.wei  Kannen  vom  Hochzeits- 
getrank  iibei-reicht  werden.  In  Maisnil  "bestand  die  Strafe  (fiir  unterlassene 
Nachsuchung  der  Erlaubnis.s)  in  der  Einziehung  des  Eliebetts  nebst  Allem, 
was  sich  am  Morgen  nach  der  Hochzeitsnacht  darauf  befand. 

^  Kap.  59  und  00.  ^  j^^p.  78  S.  328—330.  ^  Kap.  12—25. 


376  Kapitel  93.     Riickblick.     II.  Urkundenbeweise. 

beziehen,  solange  es  an  naherer  Aufklarung  iiber  den  Inhalt 
der  schadhaften  Stelle  dieser  Urkunde  fehlt  ^  Ob  das  in  einer 
Urkunde  aus  der  Pieardie  Tom  Jahr  1228  erwahnte  und  noch 
nicht  hinlanglich  aufgeklarte  „droit  de  braconnage"  des  Herrn 
von  Mareuil  zu  den  Heirathsabgabeu  zu  rechnen  ist,  kann  da- 
hingestellt  bleiben;  jedenfalls  ist  die  erst  in  der  zweiten  Halfte 
des  achtzehnten  Jahrhunderts  aufgestellte  Yermuthung,  dass  damit 
das  jus  primae  noctis  gemeint  sei,  willkiirlich  und  unhaltbar  ^.  — 
Einige  Urkunden  des  sechzehnten  Jahrhunderts  enthalten  eine 
scherzhafte  Sicherung  der  Heirathsabgaben ;  namlich  zwei  schwei- 
zerische  Weisthiimer,  wonach  der  Meier  oder  Vogt  das  Eecht 
haben  sollte,  nacli  der  Hochzeit  der  Horigen  die  erste  Nacht 
bei  der  jungen  Frau  zu  liegen,  M'enn  der  Brautigam  die  Hoch- 
zeitsabgabe  nicht  entrichte  ^ :  und  eine  Urkunde  aus  Bearn, 
wonach  die  Schutzhorigen  des  Herrn  von  Lobier  bei  ihren  Hei- 
rathen  verpflichtet  w^aren,  entweder  ihre  Frauen  fiir  die  erste 
N^acht  dem  Grundherrn  vorzustellen ,  damit  derselbe  mit  ihnen 
nach  seinem  Yergniigen  verfahre,  oder  ihm  die  bestimmte  Ab- 
gabe  zu  entrichten  *.  Ein  ahnlicher  Scherz  findet  sich  schon  in 
einer  Urkunde  der  Xorn^andie  vom  Jahr  1419;  danach  sollte  Herr 
von  Lariviere-Bourdet  bei  Heirathen  seiner  Leute,  falls  dieselben 
die  Heirathsabgabe  nicht  piinktlich  entrichteten ,  und  falls  er 
selbst  wollte,  mit  der  neuvermiihlten  Frau  schlafen  konnen  und 
miissen  •".  Alle  diese  Bestimmungen  sind  so  gefasst,  dass  kein 
L^ebelstand  eintritt,  wenn  die  rechtmassige  Abgabe  bezahlt  wird; 
daraus  kann  nicht  gefolgert  werden,  dass  in  friiheren  Zeiten  ein 
ernsthaftes  jus  primae  noctis  in  den  bezeichneten  Herrschaften 
bestanden  habe. 

3.   Gerichtliche  Entscheidungen. 

Das  im  Jalir  1812  entdeckte  angebliche  Urtheil  des  Gross- 
Seneschalls  der  Guyenne  vom  13.  Juli  1302  ist  ein  falschlich  an- 
gefertigtes    Actenstiick  *".     Obwolil    die    Motive    dieser   Falschung 


'  Kap.  50. . 

*  Kap.  55.  —  Wenn  das  ,,di-oit  de  braconnage",  wie  oben  (S.  248.  249) 
als  etymologisch  niiiglich  hingestellt  ist,  eine  Heirathsabgabe  gewesen  ware. 
.so  konntc  man  vermuthen ,  die  Yerpflichtung  habe  in  der  Bekostigurg  von 
Bracken  (Schweisshunden)  bestanden,  zumal  da  ahnliche  Abgaben  in  andern 
Urkunden  (oben  S.  346)  erwahnt  werden.  Allein  wegen  der  Stelle  ..sl  ne 
les  braconne"  diirfte  die  oben  (S.  249)  aufgestellte  Hypothese  von  cincr 
anstjindigen  Umarmung  den  Vorzug  verdienen. 

3  Kap.  88.  "  Kap.  80.  *  Kap.  58.  *>   Kap.  H2. 


Kapitel  93.     lUickblick.     11.   Urkuiidenbeweise.  377 

noch  niclit  feststohen,  so  liisst  sicli  docli  der  dringende  Yerdacht 
nicht  ahweisen  ,  dass  die  Falschung  in  unlauterer  Absicht  durch 
Vertheidiger  der  Irrlehre  vom  „droit  du  seigneur"  des  Mittelalters 
(pour  les  besoins  de  la  cause)  vorgenommen  wurde.  Das  Schieds- 
urtheil  des  Erzbischofs  zu  Lyon  vom  Jahr  1335  oder  1361  liber 
ein  E,echt  des  Cantors  an  der  Kirche  zu  Macon  steht  mit  dem  jus 
primae  noctis  in  keinem  Zusammenhang  ^.  Die  Urtheile  des  Par- 
laraents  zu  Paris  vom  17.  Jan.  1393  und  vom  19.  Marz  1409  iiber 
einen  Streit  zwischen  den  Bischofen  von  Amiens  und  den  Be- 
wohnern  der  Stadte  Amiens  und  Abbeville  betrefFen  nicht  ein 
Herrschaftsrecht  der  Biscliofe  von  Amiens,  sondern  eine  kirchliche 
Dispensgebiihr,  die  in  dera  Fall  erhoben  wurde,  dass,  unter  Ab- 
weichung  von  dera  kirchlichen  Herkommen  der  Diocese  Amiens,  die 
Einsegnung  des  Ehebetts  schon  am  Hochzeitstag  stattfand  ^;  darin 
ist  fiir  die  moderne  Behauptung,  dass  den  Bischofen  von  Amiens 
das  Herrenrecht  der  ersten  IS^acht  zugestanden  habe,  nicht  einmal 
der  Schein  einer  Berechtigung  zu  finden.  Desgleichen  enthalten 
die  Urtheile  des  Parlaraents  zu  Paris  aus  der  Zeit  des  sechzehnten 
und  siebzehnten  Jahrhunderts  iiber  das  „droit  de  masse"  des 
Klosters  Sanct-Stephan  zu  Nevers^  und  iiber  gewisse  Vorrechte 
der  Herren  von  Souloire  in  Anjou  *  keine  Spur  von  einem  jus 
primae  noctis.  Ebensowenig  bietet  das  gegen  den  Grafen  von 
Montvallat  erlassene  Urtheil  vom  27.  Nov.  1665  einen  Grund  fiir 
die  Annahrae,  dass  derselbe  das  jus  primae  noctis  in  Anspruch 
genoramen  oder  gar  ausgeiibt  habe  ^. 

Das  einzige  Urtheil,  aus  dera  der  Beweis  eines  Anspruchs 
auf  das  vermeintliche  jus  priraae  noctis  niit  einera  gewissen  Schein 
von  Berechtigung  hergeleitet  werden  konnte ,  ist  das  Schieds- 
urtheil  des  Konigs  Ferdinand  des  Katholischen  vom  21.  April 
1486.  Dasselbe  beseitigt  im  neunten  Artikel,  unter  andern  Din- 
gen,  einen  Missbrauch,  der  darin  bestand,  dass  einige  Grund- 
herren  (aus  den  Herrschaften  Ampurias  und  Rossellon  iu  Cata- 
lonien)  bei  Heirathen  ihrer  Bauern  aus  der  Klasse  der  pagesos 
de  remenca  den  Anspruch  erhoben ,  in  der  ersten  Nacht  mit 
der  neuverraahlten  Frau  zu  schlafen  oder  zum  Zeichen  der 
Herrschaft  iiber  die  Frau,  nachdem  sie  sich  zu  Bett  gelegt  habe, 
hiniiberzuschreiten.  Allein  gerade  dadurch,  dass  diese  Urkunde 
ganzlich  vereinzelt  dastehen  wiirde,  wenn  sie  den  Missbrauch  eines 
jus  primae  noctis  in  der  gewuhnliclien  Bedeutung  dieses  Ausdrucks 


'  Kap.  2  S.  9,  10.  ■  Kap.  63.  ^  Kap.  83. 

*  Kap.  84.  '->  Kap.  83. 


378  Kapitel  93.     Riiekblick.     IT.  Urkundeubeweise. 

betrafe,  wird  die  aus  dem  Zusammenliaug  des  Urtheils  herge- 
leitete  Aunahme  bestiitigt,  dass  die  in  Auspruch  geuommeue  Be- 
rechtigung  sich  auf  die  Yornahme  einer  Formlichkeit  beschrankte, 
die  als  symbolische  Handlung  die  Abhiiugigkeit  der  Bauern  von 
ihren  Grundherren  keuuzeichuen  sollte  ^  Von  derselben  Form- 
lichkeit  ist  meines  Wisseus  iu  keiuer  Jiltereu  Urkunde,  wohl  aber 
in  eiuigen  Berichteu  spaterer  Zeit  die  Rede.  Dahin  gehort  eine 
Erzahlung  aus  der  Mitte  des  sechzehuten  Jahrhunderts ,  dass 
einige  Herreu  der  Gascogne  das  E,echt  hatteu,  in  der  ersten 
Hochzeitsnacht  ihrer  Unterthauen  einen  nackteu  Schenkel  au  die 
Seite  der  neuvermahlten  Frau  zu  legen,  oder  sich  dariiber  mit 
ihren  Uuterthaneu  abzufinden  ^;  desgleichen  eine  Angabe  vom 
Ausgaug  des  sechzehuten  Jahrhunderts  iiber  die  Kauoniker-Grafen 
zu  Lyon,  die  iu  friiheren  Zeiten  das  Patronatsrecht  gehabt  hiitten, 
bei  Heiratheu  ihrer  mannliclieu  uud  weiblichen  Unterthauen  am 
Tag  der  Hochzeit  ein  Beiu  in  das  Ehebett  zu  legen ,  was  spiiter 
in  eine  Abgabe  vom  Hochzeitsmahl  verwandelt  worden  sei^;  und 
ein  Bericht  vom  Ausgang  des  siebzehnten  (oder  Aufang  des  acht- 
zehnten)  Jahrhuuderts  iiber  deu  Ursprung  der  iu  der  Auvergne 
mit  dem  Namen  „droit;  de  noces"  bezeichueteu  Abgabe,  dass 
uiimlich  in  friihereu  Zeiten  der  Herr  berechtigt  gewesen  sei,  bei 
allen  Hochzeiteu  seiuer  Uuterthanen ,  sobald  die  neuvermiihlte 
Frau  sich  zu  Bett  gelegt  habe,  die  Formlichkeit  zu  verrichten, 
die  iiblich  sei,  wenn  eine  Kouigin  durcli  Stellvertretung  heirathe  *. 
Diese  Erziihlungen  kounen,  obwohl  im  Einzelueu  gegen  die  Rich- 
tigkeit  derselben  die  erheblichsten  Bedenken  vorliegen,  doch  iu 
ihrer  Gesammtheit  zur  Erliiuterung  der  Urkunde  vom  Jahr  1486 
dienen ,  da  sie  von  der  niimlichen  symbolischen  Handlung  spre- 
chen,  und  sich  niclit  vermuthen  liisst,  dass  sie  siimmtlich  unter 
Eiuiiuss  des  Schiedsurtheils  vom  Jahr  1486  eutstandeu  seien.  Au- 
dererseits  wird  durcli  Yergleichung  aller  dieser  Naclirichten  die 
Annahme  ausgeschlossen ,  dass  jeue  Formlichkeit  einen  unsitt- 
lichen  Charakter  gehabt  habe.  Es  ist  vielmehr  walirscheinlich, 
dass  sie  (ebeuso  wie  die  Handlung,  die  der  Stellvertreter  eines 
Fiirsten  bei  dessen  Yerlieirathung  mit  der  fiirstlichen  Braut  vor- 
zunehmen  hatte)  frei  und  offen,  in  Gegenwart  der  Hochzeitsgiiste, 
zur  Kennzeichnung  des  Herrschaftsrechts  ausgeiibt  wurde. 


Kap.  70.  -  Kap.  61. 

Kaj).  54.  '  Kap.  85. 


Ergebniss.  379 

B.    Ergebniss. 

Kapitel  94.  Aus  dem  im  vorigen  Kapitel  kurz  zusammen- 
gefassten  Beweismaterial   lassen  sich   folgende  Scliliisse  herleiten. 

Nach  den  bisherigen  Ermittlungen  ist  anzunehmen,  dass  die 
Sage  von  einem  jus  primae  noctis  in  der  heute  bekannten  Be- 
deutung  dieses  Ausdrucks  sich  gegen  Ausgang  des  fiinfzehnten 
oder  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  ausgebildet  hat. 

Zur  Entwicklung  dieser  modernen  Sage  kann  gedient  haben: 
erstens  die  Yerbreitung  iilterer  Sagen  iiber  einige  Tyrannen  des 
Alterthums,  die  ihre  Gewaltthatigkeiten  bis  zu  einer  gewohnheits- 
massigen  Schandung  der  Braute  ausdehnten,  dafiir  jedoch  die 
gerechte  Strafe  fanden ;  zAveitens  die  Yerbreitung  der  Reise- 
berichte  iiber  einige  Yolkerschaften  verschiedener  Welttheile,  von 
von  denen  man  erziihlte ,  dass  ihre  Jungfrauen  vor  oder  bei  der 
Heirath  einem  Priester  zur  Defloration  iibergeben  oder  dem  Haupt- 
ling  zur  vorgiingigen  Geschlechtsgemeinschaft  angeboten  wiirden; 
drittens  die  Unkenntniss  iiber  die  geschichtliche  Entwicklung  der- 
jenigen  Horigkeitsverhaltnisse ,  aus  denen  das  Recht  der  Grund- 
herren  auf  Heirathsabgaben  der  Horigen  entstanden  war  ^ 

Die  seit  dem  sechzehuten  Jahrhundert  verbreitete  Yorstelhmg, 
das  jus  primae  noctis  habe  in  alten  heidnischen  Zeiten  bestanden 
und  sei  in  christlicher  Zeit  abgelost  worden,  verwandelte  sich 
allmahlich  in  die  Lehre,  dass  jenes  emporende  Recht  im  christ- 
lichen  Mittelalter  in  den  meisten  oder  in  allen  europaischen  Lan- 
dern  geherrscht  habe.  Insofern,  als  diese  Lehre,  ohne  eine  ernst- 
liche  Priifung  der  Beweisgriinde ,  von  modernen  Gelehrten  fest- 
gehalten  und  verbreitet  wird,  kennzeichnet  sich  dieselbe  als  ein 
gelehrter  Aberglaube. 


Vgl.  Raepsaet  3.  Aufl.  S.  6,  7,  34,  35,  37,  38. 


Resister 


I.    Urkunden-Register. 

Die  Liinder.  aus  tlenen  die  Urkunden  herriihren,  nnd  zwar  Belgien,  Deutsch- 

land,    England,  Frankreich,  HoUand,  Italien,  Oesterreich,  Schottland,  Schweiz, 

Spanien  und  Wales,  sind  durch  die  Anfangsbuchstaben  hinter  den  Zeitangaben 

angedeutet.     Die  Zahlen  dahinter  verweisen  aul"  dic  Seiteii. 


790     ...     . 

I.     59. 

1166 

D. 

60^  110,  126. 

1228 

F.    248,249,376. 

794-800       .     . 

D.   113. 



D. 

1231 

F.    91. 

824     ...     . 

D.  29. 

1108 

B. 

106. 

1231, 

Oct.  13 

F.    290. 

831      ...     . 

F.    tO,  98. 

1171 

D. 

126. 

1233, 

Jan.  19 

h.   63. 

845     ...     . 

0.   231. 

1172 

B 

61,    106. 

1234 

F.    327. 

893     ...     . 

D.   114. 

— 

D. 

61,   117. 

1235 

F.    94. 

932,     Apr.  5. 

D.  103. 



Juuil  '. 

D. 

126. 

F.    61. 

Vor977od.982 

B.   103. 

1173 

B. 

104. 

1238, 

Juli  '22' 

F.    94,  95. 

998-996  .     .    . 

D.  114. 

1175 

D. 

1 17. 

1239, 

Juui 

D.    120. 

>'ach   1000      . 

D.   114. 

1176 

D. 

97. 

1240 

E.   86. 

1020,  Nov.  12 

D.  63. 

— 

Mai  27  .' 

n. 

127. 



Juli  14 

B.    60,  106. 

1027        .     .     . 

0.  231. 

1178 

D. 

10 

1241, 

Apr.    10 

B.    106. 

Ura  1037      .     . 

F.   63. 

1180 

D. 

10. 

1242 

F.    64. 

lOoO,  Juli  21 

H.   112. 

1180- 

1103  .     . 

B. 

61,  100. 



MSrz  19 

B.    105. 

1059        .     .     . 

B.    62. 

1180- 

1203    .     . 

fech.  80. 

1243, 

Mai  29  . 

B.   104. 

I0G6-10S7   .     . 

E.    83. 

1181 

B. 

60,   106 

1244 

D.   10. 

1072-1075  .      . 

B.    60,  106. 

1183- 

1196   .     . 

D. 

117,  118. 

1247 

F.    250. 

1079        .     .     . 

D.   03. 

1U6 

B. 

106. 

D.  08. 

1081-1105  .     . 

n.    63,  64. 

Juli   19. 

D. 

118. 



Juli  4    . 

B.    105. 

1066        .     .      . 

D.    60. 

1187 

D. 

10,  118,  119. 

1249 

D.    10. 

1088        .     .      . 

B.    60,   106. 

llSb 

D. 

114. 



F.   98. 

1092,  Mai  24 

D.    131. 

1190 

D. 

y7. 

1250 

E.   86. 

1095        .     .     . 

B.    107. 

1191 

u. 

137. 

— 

F.   98. 

Um   1100    .     . 

F.    97. 



B. 

61,   100. 

1251 

B.    104,  105. 

12.  Jahrli.       . 

F.    91. 

1192 

D. 

119. 

1253 

E.    87. 

1101-1131   .     . 

D.   161. 

1193- 

1222   '.      '. 

B. 

61,   106. 

Mai  21  '. 

D.    120. 

1101,  Marz  4 

D.   114,  115. 

1196 

D. 

119. 

1254 

F.    148. 

1114        .     .     . 

D.    115. 

1197 

D. 

119. 

1256 

F.    57. 

1120         .     .     . 

D.  61,  64,  68. 

1200 

B. 

61,   106 

Sp.  139. 

1125-1141    .      . 

D.  61. 



F. 

333,  334. 

1258- 

1478  .     . 

D    57. 

1129        .      .      . 

B.    106. 

1206, 

Apr    11 

Sch.  80. 

1258 

Sp.  140. 

1132        .     .     . 

F.    245,  240. 

1208 

B. 

60,    61,    106. 

1260, 

Juni      . 

F.    62,   354. 

1133        .     .      . 

B.    104. 

1208- 

1218  .     . 

Sch.  80. 

1262 

F.    02. 

1134,  Juli   17 

D.   62. 

1209 

60,  106. 

Mai  '.     '. 

B.    105. 

1135,  Aug.    1 

D.   130. 

1210 

B." 

61,  106. 



Oct.  17. 

D.   121. 

1141,  Xov.  2 

D.   130. 

1211 

B. 

61,   106. 

1266, 

Dez.  4  . 

D.  62.       • 

1142-1156   .     . 

D.   126. 

1212 

B. 

60,    61,    106. 

1268, 

Marz  29 

D.  62. 

1144,  Oct.  2    . 

F.   289. 

1213 

B. 

60,   106. 



Oct.  30 

D.  62. 

1145,  Juni  23 

F.    289. 

— 

D. 

62. 

1270, 

Alai  15- 

F.    266. 

1146-1160  .     . 

D.    115. 

1216 

D. 

127. 

Juni.     . 

F.   290. 

1149,  Mai  6    . 

F.    290 

— 

B. 

61,  106. 



Juli  29  . 

B.  106. 

1150-1180   .     . 

B.    60,    61,    106. 

1217 

B. 

60,    61,    106. 

1272 

D.  61     121. 

1151        .     .      . 

B.    02. 

1220 

D. 

10. 

1273 

D.'  64.' 

1152        .      .     . 

B.    106. 

Um 

200    .     '. 

D. 

126. 

— 

MSrz   8 

D.  121. 

U53        .      .      . 

D.    10,   115,  116 

1222 

B. 

100. 

1276 

0.   137. 

—      Febr.  27 

D.   116. 

D. 

114. 

1277, 

Mai  i.^i  ' 

D.  62. 

1155        .     .     . 

D.    116. 



Marz"     ; 

B. 

60. 

Xov.   23 

D.  122. 

1157,  50T.  18 

D.  (F.)  240. 

— 

Juli       . 

D. 

62. 

1280* 

D.  63. 

1158        .     .     . 

B.    01,   106. 

1223 

I. 

60,  62. 

Sept.  21 

D.  122. 

1159       .     .     . 

B.    114. 

Um 

224    '.     '. 

D. 

120. 



Xov.  18 

D.  119. 

1160        .     .     . 

D.   10. 

1224 

D. 

119. 

1290 

D.  64. 

B.    106. 

D. 

119. 



Marz  27 

D.  127. 

Um  1160    .'     '. 

D.   115. 

1225 

D. 

120. 

1294 

D.  64. 

1164,  Kov.  4 

D.  1.S0. 

1226 

Xov.^e' 

F. 

1296 

D.  64. 

1165        .     .     . 

B.   107. 

1227 

F. 

162. 

— 

Dez.'3o' 

F.    102. 

1166,  Uai  3    . 

0.  231-238,376. 

Febr!  24 

B. 

lO.-i. 

1297 

D.  64. 

Eegister 


I.    Urkunden-Register. 

Die  Lander,  aiis  denen  die  Urkunden  herriiliren,  iind  zwar  Belgien,  Deutsch- 

land,   Englaud,  Frankreich,  HoUand,  Italien,  Oesterreich,  Schottland,  Schweiz, 

Spanien  und  Wales,  sind  durcli  die  Anfangshuchstahen  hinter  den  Zeitangaben 

ansedeutet.     Die  Zahlen  dahinter  verweisen  auf  die  Seiten. 


790    ...    . 

794-800  .  . 
824  ...  . 
831  ...  . 
845  ...  . 
893  ...  . 
932,  Apr.  5. 
Vor977od.982 
993-99G  .  .  . 
Nach  1000  . 
1020,  Nov.  12 
1027  .  .  . 
Um  1037  .  . 
10.^0,  Juli  21 

1059  .  .  . 
10C6-10S7  .  . 
1072-10(5  .      . 

1079        .     .     . 

1081-1105  .     . 

1086        .     .      . 

1088         .      .      . 

1092,  Mai  24 

1095        .     .     . 

Uni   1100    .      . 

12.  Jabrli. 

1101-1131   .     . 

1101,  Miirz  4 

1114        .     .     . 

1120         .     .     . 

1125-1141    .     . 

1129        .      .      . 

1132  .     .     . 

1133  .     .      . 

1134,  Juli   17 

1135,  Aug.  1 
1141,  ^ov.  2 
1142-1156   .     . 

1144,  Oct.  2    . 

1145,  Juni  23 
1146-1160  .  . 
1149,  Mai  6  . 
1150-1180  .  . 
1151        .     .     . 


1160   .  . 

Um  1160  . 
1164,  Kov.  4 
1165   .  . 
1166,  Mai  3 


I.  59. 
D.  113, 
U.  29. 
F.  (;0,  98. 
O.  231. 
D.  114. 
D.  103. 
B.  103. 
D.  114. 
D.  114. 

D.  63. 
O.  231. 
F.  63. 
H.  112. 
B.  62. 

E.  83. 

B.  60,  106. 
D.  63. 
I>.  63,  64. 
D.  60. 
B.  60,  106. 
D.  131. 
B.  107. 

F.  97. 
F.  91. 
D.  161. 

1).  114,  115. 

D.  115. 

D.  61,  64,  68. 

D.  61. 

B.  106. 

F.  245,  24G. 

B.  104. 

D.  62. 

D.  130. 

D.  130. 

D.  126. 

F.  289. 

F.  289. 

D.  115. 

F.  290 

B.  60,  61,  106. 

B.  62. 

B.  106. 

D.  10,  115,  116 

D.  116. 

D.  116. 

D.  (F.)  24i;. 

B.  01,  106. 

B.  114. 

D.  10. 

B.  106. 

D.  115. 

D.  1.30. 

B.  107. 

O.  231-238,376. 


1173 
1175 
1176 


1180 

H80-1193 

1180-1203 

1181 

1183-1196 


Ilfc6 


1190 

1191  .  . 

1192  .  '. 
1193-1222  . 
1196  .  . 
1197 

1200    .  . 

1206,  Apr    IJ 
1208 

1208-1218  . 

1209  .  . 

1210  .  . 
12U         .  . 

1212  .  . 

1213  .  . 

1216        '.  '. 


1220        .      .      . 
Um   1200    .     . 

1222  .     .     . 

—  Marz 

—  Juli  . 

1223  .     .  . 
Um  1224    .  . 

1224  .     .  . 

1225  .  .  '. 
1226,  Xov.  6 
1227        .     .      . 

—  Febr.  24 


D.   60,   116,  126. 

D.   117. 

B.    106. 

D.   126. 

B     01,   106. 

D.   61,  117. 

D.    126. 

B.    104. 

D.    117. 

D.   97. 

I).    127. 

D.    10 

D.   10. 

B.    61,   106. 

fecii.  SO. 

B.    60,  106 

D.    117,  118.    • 

B.    106. 

D.  118. 

D.   10,  118,  119. 

D.    114. 

D.   97. 

U.    137. 

B.    61,   106. 

D.   119. 

B.   61,  106. 

D.    119. 

D.   119. 

B.   61,   106 

F.    333,  334. 

Sch.  80. 

B.    60,    61,    106. 

Sch.  80. 

B.    60,  106. 

B.    61,  106. 

B.    61,  106. 

B.   60,    61,    106. 

B.    60,  106. 

D.   62. 

D.  127. 

B.    61,  106. 

B.    60,    61,    106. 

D.    10. 

D.    126. 

B.    106. 

D.    114. 

B.    60. 

D.   62. 

I.     60,  62. 

D.   120. 

D.  119. 

D.   119. 

1).   120. 

F.    99. 

F.    162. 

B.    105. 


1238, 

r2.s<i, 

1240 


Juli  22 
Juni 


Juli  14 
Apr.    10 


Marz  1« 
Mai  29  , 


1247 

1249 

1250 

1251 
1253 

1254 
1256 

1258- 
1258 
1260, 
1262 


•1478   .     . 

Juni 

Mai  '.  '. 
Oct.  17. 
Dez.  4  . 
Marz  29 
Oct.  .30 
Mai  15" 
Juni .  . 
Juli  29  . 


1272 
1273 


Mai  18 
Xov.   23 


Sept.  21 
>'ov.  18 


Miirz  27 
Dez.  30 


F.  248,249,; 

F.  91. 

F.  290. 

1).  63. 

F.  327. 

F.  94. 

F.  61. 

F.  114,  95. 

D.  120. 

E.  86. 

B.  60,  106. 

B.  106. 

F.  64. 
B.  105. 
B.  104. 
D.  10. 
F.  250. 
D.  03. 
B.  105. 

D.  10. 
F.  98. 

E.  86. 

B.    104,  105. 

E.  87. 
D.   120. 

F.  148. 
F.  57. 
Sp.  139. 
D  57. 
Sp.  140. 

F.   62,  354. 
F.    62. 
B.   105. 
D.  121. 
D.  62.       • 
D.  62. 
D.  62. 
F.   266. 
F.   290. 
B.  106. 
D.  61,  121. 
D.  64. 
D.  121. 
O.  137. 
D.  62. 
D.   122. 

63. 

122. 


D. 
D. 
D.  119. 
D.  64. 
D.  127. 
D.  64. 
D.  64. 
F.  102. 
D.  64. 


382 


Urkunden-Register. 


1297, 

Oct.  22 

13(K1 

1301 

1302 

— 

Juli  13 

1308, 

Juni  16 

1309, 

Sept.20 

1313, 

Juli  1  . 

1314, 

Jan.  2 

1315 

— 

Sept.16 

1316 



Jan.'  30 



Juni  25 

1317, 

Juni  25 

1318 

1321, 

Oct.'  25 

1326 

1328 

1330 

1835 

1336 

1336, 

Juli"  10 



Oct.      . 

1337 

1339 

134S 

1350 

1352 

1381  .  .  . 
1369,  Jan.  13 

1372  .  .  . 

1373  .  .  . 

—  Dez.  20 

1374  .  .  . 

1375  .  .  . 

1377  .  .  . 

1378  .  .  . 
1380   .  .  . 

1382  .  . 
1383,  Jan.  17 
1385   .  .  . 
1388   .  .  . 

—  Miirz  5 

1390  .  .  . 

1391  . 

—  Juni  9 

—  Juli  28 
Vm  1393  .  . 
1393.  Jan.  17 


1395  .  .  . 

1396  .  .  . 

1397  .... 
140l>  .  .  . 

1401  .  .  . 

—  Marz  1 

—  Warzll 

1402  .  .  . 

1408  .  .  . 

1404  .      .     ". 
1405,  Oct.  11 

1407  .     .     . 

—  Mar2l9 

1409  .     .     . 


D.  63. 

D.  64. 

F.  98. 

F.  98. 

F.  222,259-267, 
374,376,377. 

F.  266. 

D.  122. 

F.  102. 

B.  105. 

F.  334. 

D.  123. 

W.  71. 

D.  62. 

F.  290. 

F.  290. 

F.  160,  374. 

D.  123. 

D.  123. 

D.  64. 

D.  123,  124. 
F.  290. 

E.  87. 

F.  9,  16,  377. 
F.  273. 

F.  270. 

F.  266. 

F.  355. 

D.  63. 

D.  63. 

D.  64. 

F.  143. 

F.  99,   100. 

D.  123. 
P.  63. 

E.  87. 

F.  141. 

F.  9,  10,  377. 

F.  161,  374. 

D.  61,  121. 

F.  141. 

F.  91,  92. 

D.  124. 

F.  141.  142. 

F.  334. 

E.  8S. 

D.  60,  124. 

F.  142,  143. 
F.  269,  274. 
F.  142. 

D.  63. 

K.  270,  271. 

F.  142. 

F.  142. 

F.  98,  99. 

F.  99. 

W.  71. 

F.  269,  273,  274, 
276,277,281, 
282,  377. 

D.  63. 

F.  142. 

F.  143. 

F.  92. 

D.  64. 

F.  269,  274,  275. 

F.  269,  275. 

F.  93. 

Sch.  81. 

F.  93. 

F.  143. 

D.  61,  121. 

F.  269,  274, 

F.  143. 


1409,  Marz  19 

1409,  Mai   19 

—  Mai  26 
1410      .     .     . 

1413       '.     '.     '. 

1415  .     .     . 

—  Juli.     . 

1416  .  .  . 
1419  .  .  . 
1425,  Marz  13 

1427  .  .  . 

1428  .  .  . 

1432  .  .  . 

1433  .   .   . 

1442  .  .   . 

1443  .  .  . 
1445  .  .  . 
1447,  Febr.  5 
1450   .  .  . 

1454   .  .  . 


1455  .  . 

1458  .  . 

1459  .  . 

1462  .  . 

1463  .  '. 
146G  .  . 
1467,  Dez. 
1468  .  . 


Aprilll 
ApriI21 
Juli  20. 


—  Jan.  31 

—  Aug.  20 

1478  .  .  . 

1479  .  .  . 

1480  .  .  . 

1481  .  .  . 

1485,  Oct.  28 

—  Nov.  8 

1486,  April21 

I  1488,  Jan.  9 

1496  .  .  . 

1497  .  .  . 
Um  1500  .  . 
1501,  Miirz  6 

1   —   Marzll 

'   —   ^•ov.  14 

1503,  Mai  24 

Vor  1506  .  . 

1  1506,  April  4 

1.507   .  .  . 

—  April  7 


Sept.  20 
Sept  22 
Sept.28 
Sept  29 


F.  148,269,273- 
276,278-282, 

F.  222,  268,  269, 

274. 
F.  269,  274 

d'.  es'. 

F.  143. 

D.  127. 

F.  96. 

F.  93. 

F.  253,332,376. 

D.  60. 

D.  60. 

F.  143,  144. 

Schw.  63. 

D.  127. 

F.  290 

D.  63. 

I.   138. 

Sch.  81. 

D.  63. 

Sch.  81,  82 

Scb.  S2. 

F.  03. 

F.  93. 

F.  96,  144. 

F.  95. 

F.  144. 

F.  255,  256. 

Sch.  82. 

D.  63,  G4. 

F.  93. 

D.  63. 

D.  117. 

F.  283,  372. 

Sp.  295. 

Sp.  295. 

F.  102. 

F.  143. 

D.  63. 

D.  63. 

Sch.  82. 

Sch.  82. 

D.  63. 

F.  144. 

Sch.  82. 

Sp.  300. 

Sp.  298. 

Sp.  298. 

Sp.  293-306,  374, 

Sp.  295. 

D.  124,  129. 

D.  118. 

D.  124. 

F.  148,  269,  275. 

276. 
F.  269,  275. 
W.  71,  72. 
Sch.  82. 
Schw.  63. 
F.  325. 
F.  159,160,161, 

374. 
F.  95. 
F.  326. 
F.  327. 
F.  326,  327. 
F.  328. 
F.  325,  326. 

E.  87. 

F.  148,  275. 
D.  153. 


1543 

1549, 
1552 
1553 
1556 
1557 
1558, 
1562, 
156». 
1571 
1581, 
1582, 

1584 
1589, 
1591, 
1598, 


1602, 
1604, 
1606, 

1607, 


oder  155 
Marz  1 
Aug    18 
Juli  26 

Apr.  1 
Jan.  27 

Sept.  27 

Juni  22 
Supt.  27 
Juni  13 
Miirz  4 
Oet.  7 
Marz  6 
Juli  11 
Juni  17 
Juli  13 
Dez.  15 
Juli     . 


1619,  Dez.  24 

1620,  Febr.  . 

—  Sept.  12 
1626,  Dez.  7 

1628,  Mai  12 

1629,  Xov.  9 

1633,  Febr.  19 

1634,  Miirz  5 
16  0,  Jan.  14 
1665,  Kov.  27 
1674     .     .     . 

—  Sept.  12 
1676  .  .  . 
1682,  Dez.  21 
1685,  Juli  . 
1685-16S6  . 
16S6,  Juni  21 
1691  .  .  . 
1693,  Mai  30 

—  Juni  10 

1698,  Sov.  8 

1699,  Juli  7 
1703  .  .  . 
1707,  Dez.  15 
1742  .  .  . 
1750  .  .  . 
1772,  Jan.  18 
1777,  Mai  20 
1779,  Aug.  . 
1785,  Febr.  10 

1786 

1789,  Aug.4-3.Nov. 

1790,  Miirz  15 

1791,  April  S 
179.3,  Juli  17 
1794,  Jan.  24 
1808,  Nov.  25 
ISIO,  Juli  3 


II.    Namen-   und   Sachregister. 

Die  Zahlen  verweiseii  auf  die  Seiteii.     . 


Aachen  IVJ. 

Aas  im  Thal  Ossau  331. 

Abbendon  S6,  90. 

Abbeville  267-282,  340,  377. 

Abel-Remnsat  214. 

Aberdeen  81,  198. 

Aberglaube  155,  3S0. 

Abernithi  79. 

Ablosun^  64,  65,  68,  98,  99,  129, 

136,   293,   294,   311,   351,  370, 

371. 
Abmatrimonla  103. 
Abtei  (vgl.  Kloster). 

—  Abbendon  86,  90. 

—  Audard  (S.-)  2S9,  371. 

—  Blano;y-en-Teruois  326. 

—  Boscherville  91. 

—  Brauweiler  114. 

—  Caen  91. 

—  Cappenberg  119,  122. 

—  Claude  (S.-)  255-258. 

—  Corbie  59. 

—  Corvey  115,  116,  127. 

—  Croyland  84,  89. 

—  Ebersmiinster  29. 

—  Eiusiedeln  63. 

—  Essen  119. 

—  Faucarmont  94. 

—  Fecamp  94. 

—  Foret-Moiitier  9. 

—  Gaillefontaine  285,  286 

—  Gallen  (S.-)  «3. 

—  Germain  (S.-)-des-Pre8  98. 

—  KelsQ  80. 

—  Kiew  223. 

—  Koln  116,  117,  119,  124. 

—  Liesborn  116,  117,  126. 

—  Limburg  136. 

—  Martin  (S.-)  289. 

—  Maximin  (S.-)  114. 

—  Merseburg  133. 

—  Meschede  127. 

—  Mont-Auriol  2  8-293. 

—  Mont-S.-Michel  250-252. 

—  Peterborough  88. 

—  Pfeffers  63. 

—  Poblet  (Populetum)  294. 

—  Preaux  91. 

—  Prum  114. 

—  Rebais  282. 

—  Reichenau  63. 

—  Riquier  (S.-)  98. 

—  Roth  63. 

—  Schwarzrheindorf  61. 

—  Sorreze  8. 

—  Theodard  (S.-)   289,  290. 

—  Tongerlo  104. 

—  Trond  (S.-)  60,  61,  105-107. 

—  Walciodurum  103. 

—  AVald  231,  232. 

—  Ziirich  63,  353,  354. 

—  Werden  10,  61,  118,  122,  12,'5. 
Abteidorfschaften  133. 
Abtwahl  31. 

Abalfaragius  18S. 
Abulfeda  36,  174,  175,  180,  181, 
186,  188. 


Abyssinien  147,  312. 
Abzugsgeld  125. 
Abzugsteuer  67,  138,  161. 
Academie  (franz.)  2,  3,   44,   53, 

5.1,  96,  281,  282,  325,  340. 
Academie  (russ.)  310. 
Ackerbau  31. 
Acquasana  239,  241,  371. 
ActaSanctorum  14,  44,  103,  104, 

107,   108,   199,  202. 
Acte  de  repret  255-258. 
A^maka  219. 
A^valiiyana  157. 
Adalbert  v    Pergine  230. 
Adelberg  129. 
Adelredus  21(1. 
Adolf,  Graf  v.  Berg  121. 
Advrmachiden  38,  189,  309,  360. 
Aebte  43,  44  (vgl.  Abtei). 
Aebtissin  91,  117,  119,  127,  354. 
Aed  Caemh  207. 
Aegvpten  41. 
Aelred  (hl.)  201. 
Aeneas  Svlvius  55,  151. 
Aerzte  3.i7,  361,  362. 
Aethelred  v.  Engl.  87. 
Afghanen  40 
Atirah   l.s3,  185. 
Afrika  20,  38,  152,  189. 
Agada   173. 
Agimout  145. 
Agrts  (v.)   3:i8. 
Agweddi  70. 
Aigues-Mortes  290 
Akirah   183,  185. 
Albert  II.  (Abt)  290. 
Albigenser  290,  291. 
Albiruni  174,   175. 
Albrecht  (Abt)  289. 
Albrecht  (Dr.)  164. 
Alciatus  341. 
Alencon  91. 
Alesmius  341. 
Alessandria  239,  241. 
Alexander  d.  Gr.  186,  212. 
Alexander  III.  v.  Schottl.   197. 
Alfon«o  de  Cavalleria  298,  303. 
Allgau   155, 
Allg.  Ztg.  (Augsb.)   4,   51,   226, 

242,    260,   283,    293,    295,  306, 

.3.30,  338. 
Alloury   (Louis)  3. 
Alpeda  104. 
Alpen  139. 

Alphons  X.  V.  Cast.  140. 
Alphons  Jourdain  288. 
Altarhorigkeit  60,  61,  105,  106. 
Altenburg  29. 
Altenltinen  121. 
Alternative  211,  253,   282,   283, 

805,  33],  .3.32,   3.53-355,  377. 
Alterthum  18,  163-212,  366-368. 
Altmark   133. 

Alvensleben  (L.  v.)"l32,  226,  349, 
Amacbyr  74. 

Amadaiis  VI.    (Piem.),  242-214. 
Amannadas  40. 
Amazouenstrom  359. 
Ambalikrt  219. 


I    Ambika  219.    . 

!    Amelius  (Abt)  289. 

Amerika  20,  .356-364. 

Amiens   98,    99,   148,   153,    159, 
161,  267-282,  374,  377. 

Amlek  180,  182,  183. 

Ammen  296,  297,  300,  301. 
j    Ammoboreu  70. 
I    Amobr  14,  67-72. 

Amobragium  67-72. 

Amobyr  14,  67-72,  89 

Ampurias  (Grafsohaft)  295,  377 

Anit,  Amiens  159,  276,  325-330 
374. 

—  Brunstatt  30. 

—  Eschersweiler  30. 

—  Oeii'ar  .30. 

j    —  Jungholz  30. 
I    —  Kochersberg  30. 
j    —  Landser  30. 
!    —  Liichow  136. 

—  Markirch  30. 

—  Rappoltsweiler  30. 

—  Rimbach  39. 
Sirenz  30. 

—  rrbe  s  30. 
!    —   Vitry   142. 

—  Wiedensohlen  30. 

—  Wittelsheim  30 

—  Zellenberg  30. 
Amtmann  127,  136,  355. 
Analogie  7. 
Andamancn  323,  324. 
Anderson  (J.)   78,   79,   83,    198, 

205,  356,  357. 
Andree  (R.)  221. 
Anecdote  327,  340. 
Anerbe  32. 
Aiigiras  220. 
Anguler  39. 
Angus  82. 
Aniella  Crousa  3. 
Anjou  288,  346-349,  377. 
Annals  of  the  four  Masters  207. 
.\nno  (hl.)  120. 
Anselm  (P.)  266. 
Anspielung  7,  8,  15,  68,  332. 
Antenor  190,  368. 
Antiochus  IV.  Epiph.  168,  174. 
Antonius-Orden  124. 
Antwerpen  104,  268,  339. 
Apastamba  25,  217. 
.Ara'!)/.'.0(    155. 
Apenninen  139. 
.\ppellatio  ab  abusu  275. 
Aquileja   137. 
Aquitanien  259, 
Aquit.  Lehnsregister  263. 
Araber  174-188,  368. 
Arabien  176-188. 
Aragon  306-308, 
Aranja  307. 
Arbuthnot  80. 
Archidiakon  272. 
Archiv,  Amien.s  277 

—  Barcelona  294. 

—  Bigorre  338. 

—  Bordeaux  264. 


384 


Namen-  und  Sachregister. 


Archiv,  Colniar  ]o9. 

—  Dusseldorf  114,  119,  123. 

—  Montauban  291. 

—  Paris  270,  271,  273,  345. 

—  Pau  331. 
Archives  Israelites  4. 
Archiv  fiir  Anthropologie  6. 
Archiv  fur  Kirchenrecht  267. 
Arcia  293,  296,  299. 
Ardeschir  186. 

Ardra  39. 

Ardres  ICO. 

ArJbo  (Bischof)  151. 

Arimanni  232. 

Arjuna  219. 

Armenier  152. 

ArnoldIl.(Erzb.v.K61n)  10,115. 

Arnold  (Erzb.v.  Xarbonne)  289. 

Arnold  (Chr.)  39,  316. 

Arnould  (Jos.)  323. 

Arnslierg-  115. 

Arowaken  3.-S,  300,  361,  365. 

Arthur  v.  Bretagne  286. 

Arthur  (Prinz)  72. 

Artois  29. 

Artolsheim  30. 

Arundel  (Earl)  89. 

Arx  (v.^  60,  63. 

Ascheberg  117. 

Ascheiikuchen  335. 

Asien  20,  163-188,  192-194,  212- 

221,  309-325. 
Assignatio  dotis  72. 
Assises  de  Jerusalem  57. 
Astle  5,  (-8,  203. 
Asvad  IS  -185. 
Asyr  40. 

Atharva-Veda  156. 
Aubignv  94,  159,  160. 
Audard"(S.-)  289,  371. 
Auf.nande    53,    168,    241,    250, 

286-292,  297,  356,  371. 
Augsl)urff  62. 
Augsburger    Allg.   Ztgf.    4,    51, 

226,    242,    260,    283,    293,    295, 

306,  330,  338. 
August  (Horz.  v.  Br.)  263. 
Augustiner  101. 
Augustinerinnen  126. 
Augustinus  (S.-)  ^. 
Aur  (Thal)  338. 
Auseer  4ii 

Ausstattung  72,  82,  83. 
Australien  364. 
Auswandernng  288-292. 
Auto-da-fe  265. 
Automne  50,   101,  204,  265. 
Auvergne  54,  2.S3-285,  872,  373, 

378. 
Auxi-Ie  Chateau  326,  327,   373, 

374. 
Auzannet  348. 
Avensac  355. 
Aveu  91. 
Azarias  149. 

Azelin  (Bisch.  v.  Hildegh.)  131. 
Azy-sur-Marne  142. 

B. 

Babylon  39,  163,  165-16«. 
Barhofen  31,  36-38,   178,   190. 
Baden  29. 
Badger  314,  319. 
Baume  184. 
Bagele  323,  324. 
Bagneres  337,  838. 
Bailli  du  Palais  341. 
Bailliage,  s.  Amt. 
Baillivus  277. 
Balbi  34,  31.-). 
Balearen  40. 


Balkis  176-179. 

Balsamon  149. 

Balthasar  v.  Biiren  117,  lli-'. 

Baluzius  194,  275,  276. 

Baoisgne  207,  209. 

Bar  (de  Baar)  245. 

Barbarei  51. 

Barbosa  34,  36,  314,  31.->. 

Barcelona  2!'4,  295. 

Barillon  (Joachim)  346. 

Barlin  329,  33(i. 

Barone  in  Bearn  332. 

Baronalrechte  352. 

Baronie  (vgl.  Herrschaft). 

—  Barlin  329. 

—  BoUweiler  .30. 

—  Castiglione  161. 

—  Glasgow  81. 

—  Orglandes  93. 

—  Saint-Martin-le-6aillard  95. 
Barthelemv  (A.  de)  4,  247,  250, 

335,  353. 
Barthema  33. 
Baschkiren  132. 
Basinc  l.->6. 
Basing  (Basinus)  156. 
Bassano  231. 
Bastian  5,  19,  205,  212,  213,  358, 

359. 
Bathinodium  14,  103. 
Baudean  337,  33^. 
Baudhayana  26. 
Bauernaufstiinde  287,  297. 
Bauerngiiter  31,  32,  255. 
Bauernrecht  28,  31. 
Baurein  266 
Baurmiethe  l-SO. 
Baye  2   1. 
Bayern   62,   63,    129,    141,   227, 

Bayle'  205,  206. 

Bazas  7. 

Bearn  330-.336,  354,  376. 

Beaumarchais  2. 

Beaumont  2.  205,  206. 

Becarron  259. 

Beda  199. 
I    Bedderaund  68.  103,  125-128. 
^   Beddeniunt  126. 

Bederaund  I2.-.-12S. 

Bedemunt  126. 

Bedemuth  68. 
I   Bednood  104. 

Beilager  55,  158,  160,  255,   329, 
j        375. 

j    Beitemunt  125. 
1    Belgien  20.  103-108,  369. 

Belkisa  178. 

Bellct  (Abbe)  283. 
1    Belmonte  239-241. 

Benedict  XIV.  (Papst)  149. 

Benedictiner,  s.Abtei  u.Kloster. 

Benedictus  (hl.)  290. 

Benedictus  Levita  152. 

Benencium  115. 

Benfey  220. 

Bengalen  (Meerbusen)  323. 
,   Benjamin  (I.  1.)  311. 

Ber  327 

Berckholt  87. 
1   Berg  (Graf  v.)  121. 
I   Berger  de  Xivrey  3,  53,  96,  281, 
I         282,  325.  340. 
j   Berkel  109. 

Berks  8;(. 

Berliner  171,  173. 
I    Bernhard  (hl.)  28!t. 

Bernulphus  (hl )  112. 

Beronie  s. 

Berrie  326,  327. 

Berrv  22,  100. 

Bers  2^6. 

Bertrand  II.  de  Got  264. 


Bertulphus  (hl.)  105. 
Besanvon  256-258. 
Besitzstorungsklage  .^^44. 
Besitzwechsel  31. 
Bessarabien  22. 
Bestushew-Rjumin  225. 
Beth  ha-Midrasch  171-174. 
Bethisy  22. 
Betteniund  68. 
Bettringen  147,  155 
Beweisfiihrung  1-24,    307,   308. 
Beziers  290. 
Beyer  114. 

Bhagavata-purana  220. 
Bharata  218. 
Bharata  218. 
Bhima  218. 
Bhishma  218,  219. 
Biandrate  23. 
Bibaroo  335,  336. 
Bibliothefiuehistorique259,  260. 
Bibliotheque  Xationale  270. 
Bienen  bei  Rees  61. 
Biesheim  30. 
Bigorre  102,  336-338. 
Bilkis  178,  179. 
Billard  100. 
Binet  8. 

Birlinger  147,  155. 
Biruni  174. 
Bisch  30. 

Bischofe  43,  44.  89. 
Bischof    (Bisthum),    vgl.    Erz- 
bischof. 

—  A7iiiens  98,  148,  153,  267-282, 
34(1,  346,  377. 

—  Autwerpen  26S. 

—  Augsburg  62. 

—  Bazas  7. 

—  Cahors  292. 

—  Carnot  141. 

—  Chur  229. 

—  Dijon  341 

—  Felters  234. 

—  Freisingen  62,  151. 

—  Glasgow  81. 

—  Hildesheim  131. 

—  Laon  104. 

—  Limoges  153. 

—  Luttich   105-107,  153. 

—  Xamur  103. 

—  >;imes  3.50. 

—  Paderborn  121,  127 

—  Paris  9,  97,  148,  275. 

—  Regensburg  62,  151. 

—  Ross  203. 

—  Saint-Andrews  80,  82. 

—  Strassburg  147,  148,159,374. 

—  Toulouse  2-9. 

—  Tours  289. 

—  Trient  231,  232. 

—  L'trecht  112. 

—  Verona  149. 

—  Wornis  114. 
Bisthumsverweser  272. 
Bizanos  331,  385,  336. 
Blackstone  5,  28,  205. 
Blangy-en-Ternois  326,  374. 
Blantiuefort  259-267. 

Blau  (Otto)  309,  310. 
Blesensis  84. 
Blomelield  86. 
Bloodwicks  80. 
Blount  88. 
Bloutiere  93. 
Bludewite  78,  79. 
Bluntschli  5,  354. 
Blyda  v.  Devers  124. 
Bocherville  91. 
Bockfell  116,  119. 
Bohmen  62. 
Bodleian  Library  201. 
Boeis,  s.  Boi^thius. 


Nameii-  xind  Sachrcgister. 


385 


Boerius  (Nic.)  2:)S,  259,  339-343, 

372. 
Boi-tlingen  12i». 
Boothius  (Hector)  107,  196-206, 

369. 
Bofai-ull  (Man.  de)  263,  29-1,  297, 

Bobier  (Nic.)  341. 

Boieldieu  2 

Boies  361,  332. 

Boisbonart  94. 

Bojar  22.'i. 

Bollandisten,  s.  Acta  Sanct 

Bolhveiler  30. 

Bombav  .'(20-323. 

Bonelli"  231,  234-237. 

Bonifatius  (hl )  111. 

Bonnemere  48,  49,  260,  330,  351, 

397. 
Bonvalot  29,  30. 
Bordeaux  7,   lOl,  l.-,3,  264,  282, 

2S3,  372. 
Bordes  .^. 
Borgelen  IIS. 
Boroniean  Tribute  207. 
Borough-English  24,  27-32. 
Borrellus   139,  246. 
Bosnien  21. 

Boucher  d'Argls  1,  205. 
Bouhier  254-256,  341. 
Boulario   105. 
Boullaye  94. 
Boumeneberg  130. 
Bouquet  199,  2  9. 
Bourbon  95. 
Bourbonen  352. 
Bourbonnais  344. 
Bourdet  253,  254,  376. 
Bourdot  de  Rlchebourg  256. 
Bourges  .339-343,  372. 
Bourisp  338. 
Boutaric  2,  23. 
Bouthors  3,  49,  267,  325-330. 
Boxhorn  107,  191,  204. 
Boyer  (Nic.)  341. 
Brabant  29. 

Braconnage  15,  56,  247-249,  376. 
Braconner  24S,  249. 
Bracton  S4 
Briiutigam,  s.  Braut 
Brahmana  156. 
Brahmanen     33,     44,     215-221, 

312-319.  365-367. 
Brand  (John)  S8. 
Brann  169,  170. 
Brasilien  156,  312,  359,  362,  363. 
Braten  343,  344. 
Braunau  355. 

Braunschweig  29,  125,  127,  134. 
Braut    166,    169,    171,    173,  174, 

180,    194,    215,    217,   221,    225, 

230. 
Brauthett,  s.  Ehebett. 
Brautfiihrer  140,  152. 
Brautgeld  lOS-110,  129. 
Brautgulden  129. 
Brauthahn  143. 
Brauthuhn  143. 
Brautjuugfern  152. 
Brautlauf  129. 
Brautliisungsgeld   129 
Brautmesse  149. 
Brautnacht,  s.  Hochzeitsnacht. 
Brautschatz  109. 
Brayles  59. 
Breasal  Belach  207. 
Breederode  109. 
Bremen  1.34. 

Bremisch-Niederd.  W.-B.    136. 
Brestel-les-DouUens    325,    326, 

374. 
Bretagne  22,  69. 
Bretteville  250. 

Schmidt,  Jus  primae  noctis. 


Brial  199,  2»9. 

Brillon  97. 

Brimeu  161. 

Brinckmeicr  5,   128,  133,  205. 

Brives-la-Gaillarde  22. 

Brockhaus  5. 

Brodeau   204,   247-249. 

Broicke  124. 

Brogne  (Bronium)  103. 

Brot    92,  94,   100,   102,  142,  3.35, 

343,  .344. 
Briibach  30. 
Brug  (Co.  Salop)  S9. 
Bruitgeld  109. 
Brumet  (bailli)  ,328. 
Brunart  275,  276. 
Brunet  22,  260. 
Brung  (Joh.)  344. 
Bruno  (Erzb.  v.  Koln)  119. 
Brunstatt  30. 
Brutalitiit  51. 
Bruvalge  328. 
Bruvaigne  253. 
Buch  (Land)  282,  28.3. 
Buchanan  203,  204,  369. 
Buchmann  5,  16  ,46,  49,  53,  154, 

Buddha-Priester  214,  215. 

Budeil  132. 

Buhler  25-27. 

Buelld  73. 

Biiren  117,  118. 

Burgermeister  278. 

Biirgerrecht  159. 

Bttrgervogt  355. 

Bullth  73. 

Bulevinge  129. 

Bullet  74,  75. 

Bumede  14,  130. 

Bumicte   131. 

Bunzengeld  131.   , 

Bunzengroschen  131,  132 

Burchard  v.   'Worms   114,  151. 

Burg  (Co.  Salop)  8-^,  89. 

Burgherren  228. 

Burgund  56,   100,  254,  255,  354. 

Burmanu  19  i. 

Burmede  14,  130,    131. 

Burnes  212,  213. 

Busenhuhn  132. 

Busenrecht  132. 

Buscnzins  132. 

Buteil  132. 

Buxtorf  170. 

c. 

Cacike,  s.  Cazike. 

Cadamosto  3l  8,  .309. 

Cade  (Johnl   11,  12. 

Cadillac  2S3. 

Caen  7,  91. 

Caenchi  100. 

Caerden  (van)  316. 

Caermarthen  72. 

Ciisar  8,  198,   199. 

Casarius  (Abt)  114 

Cahen  4,  168. 

Cahors  290,  292. 

Cairbre    Liffeachair    207,    209, 

369. 
Calabrien  351,  352,  373. 
Calamandrana  239. 
Calecut  316,  317. 
Caledonier  19-^. 
Calenberg  135. 

Calicut33,  215,  2?],..313-319,365. 
Caligula  191 
Calinos  358. 

Calixtus  II.  (Papst)  290. 
Callas  22. 
Calniet  149. 
Calvinisten  291. 


Calza  (Kranc.)  3o4. 

Cambodja  214. 

Cambray  29. 

Camp  120. 

Campbell  202. 

Campell  229. 

Canada  356,  357 

Canamor  34,  317. 

Canarische  Inseln  30S,  3o9,  366. 

Canmoir  196. 

Canonici  6,  378. 

—  Lyon  244-247. 

—  Marseille  22. 
Canonischer  Prozess  303. 
Canonisches  Recht  66,281,282. 
Cantenac  259 

Canterbury   149. 

Cantor  9,  10. 

Capitaine    de   ]a  Jeunesse  145. 

Capitel  10.  62,  63,  269,  272. 

Capitularien  53,   112. 

Capland  29. 

Cappenberg  119,  121. 

Captal  de  Buch  2>^2,   283,    372. 

Caracas  358. 

Caraiben,  s.  Cariben. 

Cardinal  della  Rovere  239. 

Cariben  358. 

Carl  Borromaus  (hl.)  153. 

Carli  245,  862 

Carlini  13S. 

Carnarvon  72. 

Carnot  141. 

Carpentier  10,  160,  248. 

Carpiquet  91. 

Carragio  242. 

Carthago  152. 

Cassany-Mazet  259. 

Castellamonte  23. 

Castellini  236. 

Castello  Torto  307. 

Castiglione  161. 

Castilien  49,  140,  297,  306,  377, 

Castiraoth  169. 
Castrin  169. 

Catalonien  259,  263,  293-306. 
Catel  (cateux)  251. 
Cathala-Coture  289,  291. 
Caussin  de  Perceval  186. 
Caux  (Land)  349. 
Cavalleria  ^Alf.  de)  298,  303. 
Caver  in  Bearn  332,  333. 
Caversham  86. 
.  Caziken  45,  357-364. 
Cazzagio   15,  241-244. 
Cenara  187. 
Cerocensuales  ,    .s.    Wachszins- 

recht. 
Ceylon  40. 
Chabert  230. 
Chalier  54. 
Chalmers  80-83. 
Champagne  99,  100,  144. 
Chanlaire  2,  205,  292,  293. 
Chanukka  169,  171. 
Chardon  146,  147. 
Charivari  140. 

Charondas  274,  282,  344-346. 
Charten  53 
Chartier  (Matth.)  275. 
Chateaubriand  2,  44,  47,   156. 
Chateau-Dassi  93. 
Chateauroux  8. 
Chatel  251. 
Cbatelain  104. 
Chatillon-sur-Marne  252. 
Chaudruc  de  Crazannes  65,  292. 
Chaulny  247. 
Chauvigni  91,  92. 
Chavoi  94. 
Cheruel  .53. 
Cheuel  248. 

25 


386 


Namen-  uiul  Sachregister. 


Chevage  s;i. 

Chevagium  68,  73. 

Chief  Justice  323. 

Childerich   156. 

Chinesen  JO,  41. 

Chlodwig  l.i6. 

Chodscha  .30!),  310. 

Choppin  246,  .347-34!t. 

Christatzhofen  l.i.i 

Christenverfolgung  192. 

Christenthura   is,  44,    108,    10!), 

370,  371. 
Christian  (Abt)  tiO,  61,  105. 
Chwolsohn  40. 
Cibrario  56. 
Cimbern  31. 
Cisterzienser  294. 
Citrangada  21 S. 
Civilisation  41 
Clanna  207. 
Claude  (S.-)  2.55-2.i8. 
Cleartield  141 

Clemens  V.  (Papst)  264,  266. 
Clermont  .349-351. 
Clymeslond  59. 
Cnamhros  207. 
Cobritim  318. 
Cocchi  34,  315,  317. 
Cochet  14,  140,  142,  143. 
Cochin  .34,  317. 
Colilmt  45,  343. 
Coillage  97.  140,  142. 
Coke  75,  85,  86. 
Colebrooke  157,  320. 
Collecta  96. 
Collegiatstift  2!)4 
Colletta  233. 
Collin   de  Plancy  2,  47,  49,   ,i4, 

205,    206,   242,   269,    284,    312, 

313,  343,  349. 
Columban  (hl.^  344 
Commentatoren  53. 
Complainte  345. 
Compromiss  298. 
Conchobar  208 
Concil,  Cartbago  111,  152,  268. 

—  Koln  153. 

—  Mailand  153. 

—  Perth  80. 

—  Toulouse  2i.O. 

—  Trient   151,  269. 

—  Valentia  152. 
Conde-sur-Risle  94. 
Congregatio  Concilii   146. 
Connaglo   139,  369. 
Connagium  133. 
Connaught  206,  207 
Conrad  (Abt)  115,  127. 
Conrad  (Erzb.  v.  Koln)  120. 
Conrad  I    (Kaiser)  125. 
Conrad  II.  (Kaiser)  231. 
Conrad  v.  Xatzungen  116. 
Constantin  (Priester)  80. 
Constantius  (Kaiser)  167. 
Constanz  63,  147. 
Constitutions     de     Cathalunva 

295,  299. 
Constitutionnel  (Le)  3. 
Copulaticuni   137. 
Coquet   14,   140,   143. 
Corbie  59. 
Cordova  297. 
Coreal  (Franz)  361,  362. 
Cormac  Cas  207. 
Cormac  Mac  Airt  207. 
Cornelius  Hibernicus  202. 
Corner  .">,  31,  203. 
Cornwall  5!). 

Cortes   13<»,   140.  294,  295. 
Cortgene  108,  110,  370. 
Cort  mayor  331,  .334. 
Corvey   115,   116. 
Cosnias  u.  I")amiiin  (hl.)  ll!i.        | 


Cosmus  Iir.  V.  Toscana  ,351. 

Cotschin  34,  315,  317. 

Couchei  14. 

Couillaige  97,  144. 

Couillage  14,  97,  101,  102,   142. 

Coulam  318. 

Coullage  16,  142. 

Coutume,  Amiens  325-330,  375. 

—  Anjou  347. 

—  Bourgogne  254,  255,  375. 

—  Ferrette  29 

—  Fraufhe-Comte  256,  375. 

—  Jyormandie  59. 

—  Orbey  28,  29. 

—  Pays'BourdeIois  265. 
Couturaier  99,  327. 
Crazannes  65,  2!i2. 
Crennes  94. 
Crescentino  23. 
Crevecoeur-en-AuIge  7. 
Crome  351. 
Croyland  84,  89. 

Cuba  40,  358,  361. 

Cugucia  295,  296,  299. 

Cuissage  15,  .■)4-66,  259,  343. 

Cujacius  341. 

Culage  14,  38,  99,  250-252 

Culagium  14,  91,  94,  95. 

CuJaige  96,  140. 

Culinos  358,  359. 

Cullaige  329. 

CuIIage   1,5,  91,  94-97,  142,  206, 

326,  328-3,30. 
Culliage  206. 

Cumana  358,  360-362,  366. 
Cunnagium  133,  291,  292. 
Curaca  363,  364. 
Curroc  80. 
Curtius  (M.)  8. 
Curwalden  229. 
Custom  of  marcheta  73. 
Custos   60,  106,   113-119,  122. 
Cutchet  (Luis)  16,  296. 
Cuzco  363,  364. 
Cypern  39. 
Cilnkhayana  157. 
Cantanava  218. 
fantanu  218. 
(^'rauta-Sutras  156. 
(Jurita  295,  297,  299. 

D. 

Dahomey  39. 

Daire  99,  27.5,  277. 

Daitvas  321. 

Dalloz   2,   10,  54,  162,  215,  26!), 

342. 
Dalrymple  2, 


111,  154,  203, 


Damayanti   157,  218. 

Dannenberg  136. 

Daute  .54. 

Danz  59,  128.  153. 

Darius  Kodomannus  186,  187. 

Datirung  v.  Urk.  232,  264. 

Dauphine  9. 

David  (Decan    so. 

David  II.  V.   Schottl.  76. 

Day  (Fr.)  35,  318. 

Decan  80,  148. 

Decies  209. 

Decretum  Oratiani  152. 

DeHoration  .3S,  39,  43,  214,  215, 
313-317,  360,361,366-368,379. 

Deflorement  1,'),  259. 

Delacour  2. 

Delbruck  (Land)  .32,  127. 

Delisle  (L.)  91-93,  2.50-253. 

Delius  11  —  13. 

Delpit  (J.)  4,  6,  13,  .52,  65,  91, 
226,  254,  255,  260.  265-267, 
282,  283,  32.5,  342,  352,  353. 


'    Denombrement  91. 
Depons  357,  362. 
Dercy  160,  374. 
Derecho,  dar  calzas  139. 

—  de  osas  139. 

—  de  pernada  55,  56,  294. 

—  de  prelibacion  15,  242,    293, 

Deschaussage  14 
Desertum  regis  74. 
Desoloris  34s 
Des  Vertus  286-288,  371. 
Deutsche  Encyklopiidie  154. 
DeutscherMerkur4,45,  154,  155. 
Deutscher  Orden  120. 
Deutschland     19,    20,    113-137, 

225-228,  333. 
Devavrata  218. 
Devayani  321. 
Deverite  99,  327. 
Devers  (Blyda  v.)  124. 
Dharma-Sutras  166. 
Dhritarashtra  219. 
Dhu-Habshan  186. 
Dichtungen  2,  206-212,  218-220, 

240,  285-288. 
Dictionnaire   de   TAcademie   2. 

—  de  Trevoux  2,  20,  205. 
Didron  3. 
Diebes-Inseln  ".64. 
Dienstmann  115. 
Dietmann  133. 

Dietrich  v.  Hagenbeck  123. 

Dietrich  (Erzb.l  v.  Koln  127. 

Diffaith  Breuin  74. 

Dijon  56,  100. 

Dilyswedd  70. 

Dinover  72. 

Dio  Cassius  8. 

Diocese,  s.  Bischof. 

Dirghatamas  219. 

Diritto  della  connatica  188. 

Dirwy  70. 

Dispens  des  Papstes  146. 

Dispensgebuhr    153,    154,    273, 

277-282,  377. 
Djadis  180  188,  368. 
Djedisiten  180-188. 
Djinnstochter  176,  179. 
Dolch  177. 
Domane  247. 
Doman  80. 
Domcapitel  62,  63. 
Domenger  in  Bearn  332. 
Domesday-book  83. 
Domherren   6,    7,   224-247,   373, 

37. s. 
Domingo  (San)  3<;3. 
Dorakirche  (Kiiln)  119. 
Domstift  (Miinster)  121. 
Donat  V.  Vatz  229,  230. 
Donellus  341. 
Douglas  81,  83. 
DouIIens  326. 
Dravida-Vijlker  221,  320. 
Dreit  de  premici  259. 
Dreux  142. 
Drewier  222. 
Drohung  66. 
Droit,  vgl.  Jus. 

—  de  braconnage  15,    56,  247- 
249. 

—  de  braconnage  376. 

—  de  cheuel  248. 

—  de  coillage  97,  142. 

—  de  couillage  14,  ]01,  102. 

—  de  couUage  96. 

—  de  cuissage  15,   54-56,   259, 
269.   32!l,  343,  357. 

—  de  cuisse  54. 

—  de  culage  14,  38,  99,  250-252. 

—  de  cuUage  15,  91,  94-97,  328, 
329,  330. 


Nanieii-  und  Sachregister. 


387 


Droit,  d(!  culhiige  329. 

—  de  culliage  20G. 

—  de  defloration  15- 

—  de  formariage  66,  91,  98,  100, 
252,  2r>4,  327. 

—  de  fougage  s. 

—  de  gendrage  101. 

—  de  guet  349. 

—  de  jambage   15,  54—56,  329, 
357. 

—  de  julie  14,  22,  342. 

—  de  mainmorte  162. 

—  de  mariage  98. 

—  de  marquette  (markette)  15, 
22,  56,  342,  397. 

—  de  masse  344-346,  377. 

—  de  meilleur  catel  251. 

—  de  noces  350,  378. 

—  de  nop<.ages  97,  285,  286. 

—  de  nopces  349. 

—  de  prelibatlon  8,  15,  54,  91, 
95,  269,  292. 

—  de  soulle  145. 

—  des  mariages  252,  253,   373. 

—  du  ban  140,  142. 

—  du  seigneur  2,  3,  15,  22. 
Droitures  de  mariage  7. 
Dronke  125. 

Drucat  328,  329,  375. 

Drumdewan  82. 

Dschadis  180. 

Duarenus  341. 

Du  Bois  (Charlotte)  346-349. 

Ducange  1,  24,  67,  73,  205,  248, 

267,  268    342. 
Dulaure  2,  43,  205,  206,  226,  242, 

269,  288,  293,  342,  343,  346. 
Dumge  5.  7.5,  90,  205,  226. 
Dumiere  102. 
Dumoulin  .342. 
Duncan  80. 
Dunod  256. 
Dunwald  121. 
Dupin  3,  44,  267,  325. 
Du  Pin  202. 
Durasfort  259-267. 
Dureau  de  la  Malle  4. 
Durfort  266. 
Diisik-Kurden  309,  310. 
Du  Verdier  54,  204. 

E. 

Earl  77,  81,  89. 

Eberhardus  Fuldensis  125. 

Ebersheim  30. 

Ebersmiinster  29. 

Ebudische  Inseln  195. 

Ecuador  4(1 

Edda  194,  195. 

Edmonston  81. 

Eduard  I.  v.  Engl.  .'^4,  197,  264, 


Engl. 


Eduard  U 
Egbert  149. 
Egisheim  30. 
Egloffs  155. 
Ehe,  Aufiosung  146. 
—  Giiltigkeit  217. 
Ehebett  55,  97,  99,  146-ln 
Ehebrecher  354,  355. 
Ehebruch  71,  217,  270,  2', 

354,  355. 
Ehebruchsliebe  321. 
Ehebruchsprivilegium  4; 
Ehehaftrecht  355. 
Ehehinderniss  .59. 
Ehescheidung  163. 
Eheschliessung  347,  364. 
Ehingen  a.  D.  147. 
EichsfeJd  134. 
Eickel  (Oberhof)  124,  12 
Eier  114. 


8,  160. 
2,  296, 


Eilbert  (Graf)  1()3. 
Eilenburg  132. 
Einsegnung  14i;-14b,  151. 
Kinsiedeln  03. 
Eire  2(JG 
Bkbatana  149. 
Klasar  171,  172. 
Eleonore  v.  Guienne  loi. 
Eleonore  v.  Portugal  15,  55. 
Elfendehusen  118. 
Elisabeth  (Aebtissin)  119. 
El  Jemama  ISO. 
Elphinston  201. 
Elsass  29,  155,  354. 
Emericourt  30. 

ranieram  (hl.)  151. 
Emporung  291,  293. 
Encyclopedie  (franz.)  1,  28,  55, 

205,  242,  348. 
Encyklopadie  (deutsche)  128. 
Engelbert  (Erzb.  v.  Koln)    120'. 
England  19,  24,  58,  «7, 83-90,  240. 
Entehrung  67,  70,  75. 
Entfuhrung  70. 
Enthaltsamkeit  79,  111,  14^-158, 


Epos   218-220,  240. 

Erbrecht  24-36,  161, 162,2,i5-257, 

375. 
Erbtochter  149. 
Erbvogt  117. 
Erbzinsgut  110. 
Erfindungen  200. 
Erhard  115,  116,  126. 
Erpressungsmittel  65,  66. 
Erste  Nacht   171,  254,  256. 
Erstgeburt  26,  27,  331,  333. 
Erzbischof,  Bordeaux  153,  264. 

—  Bourges  339-343. 

—  Canterbury  149. 

—  Koln   10,   61,   115,    118,    120, 
126,  127,  153. 

—  Lyon  9,  153,  246,  377. 

—  Magdeburg  131. 

—  Mailand  153. 

—  Mainz   114. 

—  >'arbonne  2S9,  29(i. 

—  Paris  97,  148. 

—  York  149. 
Esau  164. 
Escaeta  72. 
Eschaeta  81,  82. 
Eschenburg  11. 
Espeisses  (d')  20i,  346.' 
Essen  119,  120,  123,  124. 
Essex  87,  88. 

Estor  130 

Estout  de  Goz  250. 

Esswaaren  246 

Etablissements  de  S.-Louis  57. 

Etats  generaux  56. 

Etienne  (S.-)  de  Lailler  94. 

Etienne  (S.-j  de  Severs  343-346. 

Etrepag  92. 

Etrurien  190,  191. 

Etymologie    13-15,    62,    75,  76, 

95-97,  103,   104,  113,  125,  1.30, 

133,  241,  249,  292,  294,  329. 
Eu  (Grafschaft)  95. 
Eugen  ni.  (Papst)  289. 
Eugenius  (Kon.  v.  Schottl.)  204, 

206. 
Europa  19,  20,  189-212,  221-308, 

325-356,  369-379. 
Eustache  (S.-)  14s. 
Eutychius  Patricides  178. 
Evaristus  (Papst)  152. 
Evenus  111.  (Konig)  1,  19,  107, 

110,    196-206,    239,    241,    244, 

253,  268,  369,  373. 
Evrcux  2.i7. 
Ewers  42,  222,  260,  267. 


Excomniunication 
Exorquia  290. 


Fabeln  176-180,  291. 

Fabliaux  .J3. 

Fiilschung  266,  377. 

Fahne  39. 

Falke  (J.  Fr.)  110. 

Familie  118. 

Faria  y  Sousa  308,  318. 

Farnstadt  (f)orf)  131. 

Faucarmont  94. 
I    Favre  (L.)  96. 
\    Fecamp  94. 
I    F«hltritt  67,  70,  75. 

Feldheim  354. 

Feldordnung  354. 

Feletto  23. 

Fellens  2,  286-28». 

Felters  234. 

Fenier  206-212,  369. 

Fercula  97. 

Ferdinand  II.  d.  Kath  293-306, 
377,  .378. 

Ferdinand   IV.    beider   Sicilien 
351,  352. 

Fere-en-Tardenois    252,    253, 
373. 
I    Ferma  despoli  forzada  293,  296, 
I        297,   299,  30i,  304. 
I    Ferraris  151. 
1    Ferrette  30. 

Fete  du  pot  etc    8. 

Feudalitiit  47-51,  226. 

Feudalcommission  161. 

Feudaltitel  265. 

Fianna  Eireann  206. 

Fians  207. 

Ficker  (Julius)  138. 

Figaro  2. 
'    Fincurroc  80. 

Finn  (Fionn)  Mac  Cumhaill  207- 
209. 

Firma   Ue  espolio  forzado  297. 
304. 

Firma  de  esposa  for2ada293, 304. 

Firma  d'  espoli  forzada  293. 
I    Fische  140. 
'    Fischer  (Fr.  Ch.  J.)  40. 

Fischingen  63. 

Fiskerton  88. 

Flachs  114. 

Flandern  14,  24,  29,  57,  103,  104. 

Flechier  (Bischof)  35(i. 

Fleisch    92,    94,    100,    102,    143, 
328,  343,  344. 

Fleta  84. 

Fletcher  2,  205,  206. 

Flintshire  72. 

Fiorinensis   103. 

Fodero  (il)  15,  241. 

Fbrmlichkeiten  55,  257,  259,  306, 
378. 

Fohi  40,  41. 

Fong  102. 

For  V.  Morlaas  333,  334. 

Por  V.  Ossau  334,  337. 

Forbes  33,  314,  318,  319. 
1    Force  (de  la)  93. 

Fordun  201). 

Forisniaritagium  66. 

Forniariage  66,  67,  91,  98,   100, 
251,  252,  254,  327. 

Fors  de  Bearn  333,  334. 

Fougage  8. 
•  Foville  94. 
j   Frankische  Konige  111. 

Franche-Corate  255-258. 

Franeisci  39,  314,  316. 
1  Franco  (Abt)  116,  126. 
1    Frankel  171. 

2.3* 


388 


Nameii-  und  Saehregister. 


Frankreich  lil,  20,  22,  57,  91-103, 
141-144,  244-20."!,  3?5-3ol. 

Franz  1.  de  Beuil   (Erzb.)   841. 

Franz  v.  Harlai  (Erzb.)  148. 

Fraucngeld  133. 

Frauenmiinster  (Ziirichl  353, 
354. 

Frauenzins  133. 

Freiengericht  127. 

Freiheit  331,  333. 

Freiherr,  s.  Herrschaft. 

Freilassung  63,  (;6 

Freisingen  62. 

Fremde  39 

Fremin  (S.-)  98,  99. 

Freste  (La)  328. 

Freudengeld  133. 

Freunde  15,  38. 

Freycinet  (C.  L.  de)  364. 

Friaul  137. 

Frieden  t.  Abernithi  79. 

Friedrich  I.  Barbarossa  246. 

Friedrich  III.  (Kaiser)  15,  55, 
151 

Friedrich  (Erzb.  v.  Koln)  61. 

Friedrich  v.  Padbery  127. 

Friedrich  v.  Pergine  230. 

Friedrich  v.  Rindorp  120. 

Friesen  111. 

Friesland  107,  108. 

Fritz-Andres  287,  288. 

Fritzlar  114. 

Froberg  30. 

Frosche  50. 

Frohndienste  ,300. 

Fruictinnes  237. 

Fiirstenthum,  Catalonien  295. 

—  Minden  68 

—  Oneglia  243 

—  Querfurth  131. 
Furstliche  (das)  221-225,  373. 
Fusslin  353,  354. 

Fulda  125. 
Fulgentius  287,  288. 
Fulko  Nerra  288. 

G. 

Gabair  Aicle  207. 

Gabhra  206-212,  369. 

Gadis  182. 

Giiste  39. 

Gaillac  290. 

Gaillefontaine  285,  286. 

Galand  291. 

Galicien  (span.)   297,   306,    307. 

Gallen  (S.-J  63. 

Gallia  Christiana  274,  289,  290. 

Gallon  253. 

Gambada  55,  56. 

Gans  100. 

Gar  (T.)  230-238. 

Garamanten  40. 

Garbazuola  239. 

Garcilasso  363,  364. 

Gargon  108. 

Garibaldi  3. 

Garran  do  Coulon  1,  28,  48,  205. 

Garristown  208. 

Gascogne  258,  259,  378. 

Gasteaux  9J. 

Gaston  X.  Phoebus  334. 

Gastschilling  134. 

Gaufreteau  266,  283. 

Gautama  26,  217. 

Gebuhren  153,  154,  273,  277-282. 

Gcdicht  250-252. 

Geistlichkeit  43,   97,    158,   154, 

214,  21.^,  287,  291,  339-343. 
Geldbeutel  127,  132. 
Geldern  112. 

Geldwahrung,  s.  MUnzwesen. 
Gelmen  118. 


Gemar  30. 

Gemara  163,  173. 

Gcmeinden  288. 

Gendrage  101. 

Genealogie  266. 

Generalprocurator  145,  278,  832. 

Generalstaaten  109. 

Genesville  94. 

Genossen  59,  60,  66. 

Gent  104. 

Georg  (S.-)  zu  Koln  116. 

Georgen  (S.-)  63. 

Geraldimonte  105. 

Gerard  (Abt)  61. 

Gerard  (hl.)  103. 

Geraud  de  Sabanac  102. 

Gerber  143. 

Gereonstift  119. 

Gerichte  20,  vgl.  Urtheile. 

—  geistliche  303,  339. 

Gerichtsbarkeit  9,  270,  271,  290, 

292,  337,  349. 
Gerichtsmann  355. 
Gerichtsschulte  136. 
Gerland  364. 

Germain  (S.-  -des-Pres  98. 
Germain  (S.-)-rAuxerrois    148. 
Germanen  31. 
Gernsey  88. 
Gerson  84. 
Gersuma  91. 
Gervinus  12. 
Geschworne  323. 
Gesenius  167. 

Gesetzbiicher  (indische)  217. 
Gesetze  373,  374. 
Gesetzgebung  30,  53,  127. 
Gesta  Romanorum  8,  9. 
Getriiuke  92,   94,   98,    100,  142- 

144,  328,  329. 
Getreide  8,  102,  137 
Geusa  I3l. 

Gewaltmissbrauch  20. 
Gewerbe  301. 
Gewohnheit  339. 
Gewohnheitsrecht  20,  32,  85,  86, 

153,    244-259,    275,    281,    295, 

296,   325-337,   344,   345,   347, 

348,  374-376. 
Ghilini  239-241. 
Gierke  5,  354. 
Gildas   199. 
Gillemor  80. 
Giorgio  (San-)  23. 
Giraud-Teulon,  42,    215,    312, 

358. 
Girault  de  S.-Fargeau  2. 
Glanvilla  57,  58 
Glasgow  81. 
Glatigni  94. 
Glcnbervie  83. 
Glossatoren  53. 
Gmiind  147,  155. 
Goa  31 J. 
Gobhila  157. 
Gobr-merch  14,  68,  72. 
Godzaimah  al  Abrasch  188. 
Gottersage  1S5. 
Gotzenbild  40,  366. 
Gokulnathji  322. 
Goldstuck  116. 
Gomara  360,  366 
Gomcra  (Insel)  308,  309,  866. 
Gonzalez  (Lud.)  298. 
Gossuin  259. 
Got  (Bertrand  de)  264. 
Gothen  193. 
Gottfried  Martel  288. 
Gottwaldt  186-188. 
Ooue  93,  94. 
Goz  (de)  250. 
Griifin  346. 
Gratz  163,  16."),  170. 


Graf  (Grafschaft), 

—  Acquasana  239,  371. 

—  Ampurias  295,  377, 

—  Anjou  288. 

—  Arnsberg  115. 

—  Arundel  86. 

—  Bearn  334. 

—  Berg  121. 

—  Berks  86. 

—  Blangy-en-Ternois  326. 

—  Boumeneberg  130. 

—  Caermarthen  72. 

—  Caernarvon  72. 

—  Chatillon  252. 

—  Cornwall  59. 

—  Des  Vertus  286—288,  371 

—  Dublin  208. 

—  Essex  87,  88. 

—  Eu  95. 

—  Evreux  287. 

—  Flandern  57. 

—  Flint  72. 

—  Foix  334. 

—  Gonnor  250. 

—  Guines  99. 

—  Horburg  80. 

—  Hoya  68. 

—  Kincardin  83. 

—  Lvon  ,378 

—  Siark  124. 

—  Slauleurier  346. 

—  Montvallat  349-851,  377. 

—  Kevers  344. 

—  Northumbeiland  88. 

—  Xottingbam  88. 
j    —  Perth  81. 

—  Pfirt  30. 

i    —  Ponthieu  9,  99,  247,  327,  3 
!    —  Radnor  73. 

—  Ravensberg  68,  135. 

—  Romagnano  138. 

—  Kossellon  295,  377. 
,    —   Salop  89. 

—  Savoyen  242. 

—  Suffolk  87. 

—  Toggenburg  229. 

—  Toulouse  2!s8-292. 

—  Yertus  (des)  287,  288,  371 

—  AVarwick  59. 

—  Weiler  30. 

—  AVerdenberg-Sargans  229 
Granada  297. 

Grandrye  (A.  v.)  344. 

Grands-Jours  349-351. 

Grand  Vocabulaire  2,  205,  2. 

Granier  de  Cassagnac  3. 

Granvillars  ,30. 

Gratlanus  152. 

Graubiindten  229. 
I    Gregor  I.  d.  Gr.  (Papst)  6( 
1    Gregor  Xlll.  (Papst)  203. 
!    Greifenstein  (Schloss)  229. 

Grenier  270-274,  278-280. 

Griechen    40,  47,  155,  171,  172, 
'        173,  174,  189,  190. 
1    Grihyasutras  156-158,  216. 
'    Grimm  (Jacob)   5,   18,   65,   211, 
221,  223,  358-366. 

Grossbritannien  68-91,  195-212. 

Grossherzog,  Tos.-ana  851. 

Gross-Seneschall  259,  264. 

Grundherr  1,  49,  54-139,  295-303 
I    Grupen  2,  64,  203,  225. 
I    Ou  1^2,  185. 
I   Guadalupe  295,  298. 
i   Gubernatis   (A.   de)    5,  24,   34, 
44,  205,  215-220,  231,  267,  312. 

Gulthof  29. 

Guerard  63,  97. 

Guerin  199. 

Guernsey  88. 

Guerson  14,  84. 

Guersumma  91. 


188. 


Namen-  uiul  Sachrcgister. 


389 


Gutergemeinschnft  255,  256, 375. 

Ouiana  :!5S. 

Guido  V.  Cbatillon  252. 

Guines  (Qraf)  19. 

Ouizot  11. 

Oundibald  230,  233. 

Gundling  205. 

Gundobaid  230-238. 

Guru  321. 

Gutberlet  1.^)0,  151. 

Ouyenne  101,  250-267. 

Guynenioiro  346. 

Gwahr-merched   14,  68,  72. 

Gwarches  75. 

H. 

Haas  im  Thal  Ossau  331. 

Haas  (E.)   155-157. 

Habicht  (Diebst.)  3.54. 

Hachenberg  13.3,  318. 

Hadeloch  126. 

Hadrian  (Papst)  5'J. 

Haberlin  62. 

Hauptliugsrecht  36-42,  204,  212, 
813,  308,  309,  323,  324,  357, 
358,  361-363,  365-367. 

Hagada  173 

Hagenbeck  123. 

Hahn  143. 

Hailes  (Oraf),  s.  Dalrvmple. 

Halacha  163,   I7.'i. 

Hall  (Chronik)  12. 

Halthaus  131,  1.35,  136. 

Ham  SI9. 

Hamilton  (Alex.)  317-319,   397. 

Hammelschulter  94,  335. 

Hammelstiick  100 

Hamza   178,  186,  187. 

Hanauer  4,  153,  155,  353. 

Handel  30,  31. 

Handschuhe  63,  92. 

Handwerk  31,  129. 

Hanna  171-173. 

Hannover   128. 

Harapa  212,  213. 

Harduin  152. 

Harenberg  1.^0. 

Hargnies  145. 

Harlai  de  Chamvallon  148. 

Harlcss   114,   119,   121,   12.3. 

Hasan  183,   185. 

Hase  (K.  B.)  4. 

Hasmonaer  16S-176. 

Hassan  187. 

Hastinapura  218. 

Hatoulet  331. 

Hattstadt  30 

Hausregeln  (indische)    U6-158, 

Haut-bers  285,  286. 

Havanna  361. 

Haversfort  127. 

Hazlitt  86-89. 

Heberegister  301. 

Hebrlden  195,  ir6. 

Hector  Boethius  107,   166-206. 

Heda  112. 

Hedwig  v.  Meer  117. 

Hefele  152. 

•HY£,a(ov  171,  172. 

Heidenthum   18,  239,  370. 

Heilmittel  185,  186. 

Heimdallr  195. 

Heimfallsrecht  61,  82,  254. 

Heineccius  2. 

Heinrich  (Abt  v.  Kelso)  80. 

Heinrich  (Abt  v.  Liesborn)  117. 

Heinrich  (Abt  v.  S.-Trond)  106. 

Heinrich  (Herz.  v.  Bay.  u.  S.)  130. 

Heinrich  iHerz.  v.  Braunschw.) 

127. 
Heinrich  I.  (Kaiser)  10.'<. 


Heinrich  I.  (K.  v.  i:ngl )  58,  .59. 
Heinrich  IIl.  (v.  Engl.)  84. 
Heinrich  VII.  (v.  Engl.)  72,  87. 
Heinrich  II.   (Kon.   v.  Prankr.) 

148,  ,3.34. 
Heinrich  VII.  (rom   Konig)  120. 
Heinricb  III.   (v.  Spanien)  308. 
Heirathsabgaben    64-146,    203, 

221,  225,    228,    238,    239,    241, 

246,  251,  331,  332,  343,  353-355, 

3C9-371,  37.5,  .376,  379 
Heirathsbeschriinkung     56-64, 

106,  327,  347 
Heirathserlaubniss    66-64,    66, 

105,   112,   113,   123,   192,  375. 
Helden  120. 
Helfiferich  18,  166,  167,  168,  211, 

293,    295,    297,   .301,   300,  311, 

312,  330,  331,  .338,  3,53. 
Hellon  91. 

Hellwald  (v.)  5,  66,  59. 
Hemblaken  134. 
Hembschilling  1.34. 
Hemdlaken  134. 
Henel  245. 

Henne-Am  I{hyn40,41,353,  356. 
Hennegau  24,  29. 
Hennes  120. 
Heraklid  1S9,  ITO. 
Herder  5,   102. 
Herezeld  69,  78,  79,  8.3,  8". 
Herimann  (Abtj  119. 
Heriotuni  69. 

Herkommen  149,  281,  344.  345. 
Herraann  Schotelroann  123. 
Hermann  v.  Volco   120. 
Herodot  39,   189,  224. 
Herrenrecht  311. 
Herrensitz,  s.  Herrschaft. 
Herrezeld,  s.  Herezeld. 
Herrlichkeit  (holliind.)  109. 
Herrlisheim  30. 
Herrschaft  (vgl.  Baronie), 

—  Aubigni  94. 

—  Berkholt  87. 

—  Blanquefort  259-267. 

—  Boisbenart  94. 

—  Boulario  105. 

—  Boullaye  94. 

—  Burg  (Brug)  88,  89. 

—  Caenchi  100. 

—  Callas  22,  23. 

—  Cantenac  259. 

—  Chavoi  94. 

—  Clun  89. 

—  Conde-sur-Risle  94. 

—  Crennes  94. 

—  Fere  2.52,  253,  373. 

—  Fiskerton  88. 

—  Foville  94. 

—  Genesville  94. 

—  Olatigni  94. 

—  Goue  94. 

—  Great  Tey  88. 

—  Herrlisheim  30. 

—  Homburg  C3 

—  Honneteville  94. 

—  Horburg  373. 

—  Horsepoll  88. 

—  La  Faye  346. 

—  Lariviere-Bourdet   253,  254.  I 

—  La  Talhan  2.59 

—  Launov  94. 

—  Mareuil  247-249. 

—  Margaux  259. 

—  Montbraie  94. 

—  Montguisard  285,  286. 

—  Moreton  88 

—  Motte  (de  la)  100. 

—  Pergine  230-238. 

—  Prela  243,  244. 

—  Reichenweier  ,-.0. 

—  Richebours:  100. 


Herrschaft,     Saint-Ktienne    de 
Lailler  94. 

—  Saulx   100. 

—  Thomirey   100- 

—  Thurgarton  87,  88. 

—  Torquenne-en-AuIge  94. 

—  Trop  95. 

—  Vatz  228-230. 

—  Wivenhoe  87. 
Herzegowina  21. 
Herzfeld  168-171. 
Herzogthum,  Aquitanien  259. 

—  Bayern  62,  6i,  130. 

—  Braunschweig  127,  263. 

—  Burgund  254. 

—  Calenberg  135. 

—  Guienne  101,  266. 

—  Narbonne  288. 

—  Mevers  344. 

—  Normandie  250,  286,  287,  371. 

—  Oesterreich  02. 

—  Sachsen  130. 

—  Steyermark  137. 

—  Trient  231. 
Hesdin  327,  374. 
Hesingen  30. 
Hessen-Kassel  29. 
Hetarismus  36-43. 
Hetenhusen  125. 

Hettilo  (Bisch.  v.  Hildesh.)  131. 

Heurst  86. 

Hidda  132. 

Hieronymo  della  Rovere  239. 

Hieronymus  (hl  )  150,  199. 

Hildebrand  205,  206. 

Hildegund  v.  ileer  117. 

Hildesheim  126,  131. 

Hilla   123. 

Hinijariten  18.3,  185. 

Hindu-Volker  320. 

Hinterindien  214 

Hira  188. 

Hirava  319. 

Hirsingen  30. 

Hirslanden  63,  355. 

llistoirc  de  Languedoc  289-291. 

Histoire  de  Montauban  289-292. 

Hi3torial   du   Jongleur    2,   285, 

286. 
Hochstift  68. 
Hochzeitgeld  129. 
Hochzeitsaufwand  140. 
Hoehzeitsgaste  39. 
Hoehzeitsgebraucbe  50,  55,  140, 

156-158,  216,  360. 
Hochzeitsgericht  246,  247. 
Hochzeitslied  7,  142. 
Hochzeitsmahl  256,  330,  336. 
Hochzeitsnacht  146-162,255-257. 
Hochzeitspasse  140,  141. 
Hochzeitsrecht  352,  373. 
Hochzeitstrunk  328, 
Hochzeitswein  92,  94,    98,    ICO, 

142-144,  329. 
Hohlenkloster  223. 
Hoelus  Bonus  68. 
Horigkeit  56—64,  161,162,254. 
Hoffmann  (C.  P.)  205,  314,  316. 
Hofgericht  61. 
Hofhorigkeit   161,  257. 
Hofrecht  117,  118,  120. 
Hofrodel  374. 
Hofverfassung  58. 
Holinshed  12. 
Holland  20,    108-112,    140,    144, 

316. 
Holstein  128. 

Holtzmann  (A.)  219,  220,  321. 
Homburg  63. 
Honneteville  94. 
Horburg  30,  159,  374. 
Hormayr  (v.)  43,  226,  228. 
Hoschaja  164. 


390 


Namen-  iind  Sacliregister. 


68, 


100,    114,   IS 


Horsepoil  b8. 

Hottorp  IIS. 

Houard  2, 

Howtl  68. 

Hoya  08. 

Hubert  8. 

Huhner   94, 

Huninghof  ll"- 

Hiisseren  30. 

Huldigungseid  3(  0. 

Humbrecourt  (Mad.  de)  330. 

Humor  354. 

Hunde  285,  346,  376. 

Hunneu  (weissel  212. 

Hunold  126. 

Huttorp  124. 

Hypothesen  36-42. 

Hanulika,  s.  Chanulvlva. 

Hariira   17!i. 

I. 

Ibn-el-Athir  179. 

I<;a  (Fluss^  359. 

Iherin?  52. 

Im  Xeuen  Reich  4. 

Imperial  134. 

Inch-Colm  202. 

Indianer  358-364. 

Indiction  2.^2.  , 

Indien  24-27,    156-158,   212-221, 

312-324. 
Ingulphus  89. 
Innes  201,  202. 
Innocenzfest  341. 
Interdilft  289. 
Intestia  295,  296,  299. 
Invenethy  82. 
lones  314,  318,  319. 
lonische  Inseln  189. 
Irland    10,   20,    90,  91,  206-212, 

369. 
Isabella  (Konigin)  297. 
Ischadowslvy  356,  372. 
Islam  ;il8. 

Isle  de  France  97,  '8,  141. 
Israeliten  163-176,  811. 
Itala  150. 
Italien  19,  23,  138,  139,  239-244, 

351,  352. 
Ivo  151,  152. 
Ivrea  23. 


Jacob  II.  V.  Schottl.  81,  82. 

Jacob  111.  V.  Sohottl.  82. 

Jacob  IV.  V.  Schottl.  82. 

Jacobson  15,  153. 

Jadis  181. 

Jadunathji-Britzratanji322,323. 

Jagermeister  70. 

Jaffe  289. 

Jaine  2. 

Jallon-sur-Marne  141. 

Jalons  287. 

Jambage   15,  54-56. 

Jathrib  176. 

Jaucourt  1,  28,  205. 

Jehuda   164. 

Jelagin  225. 

Jellinek  171-174. 

Jemama  180,  182-184. 

Jerusalem  163,  168. 

Jesuiten  44. 

Joffridus  84. 

Johann  I.  (Bisch  ,  Amiens)  273. 

Johannll.         (dto.)      273. 

Jobann  III.      (dto.)      273,  274. 

Johann  IV.       (dto.)      273,  274. 

Johann  (Herz  )  d.  Gute  2.5.5. 

Johann  (Konig  v    F.ngl.)  286. 

Johann  XXII.  (Papst)  290. 

Johanna    (Konigin   v.  Cast.)   9. 


Johnson  83,  225. 

JoUy  (Julius)  27,  217,  218,  220. 

Jomard  4 

Jongleur  (Historial  du)  2,  285, 

286. 
Journal  des  Debats  3,  44. 
Juan  (S.-)  de  Abadeses  294. 
Juda  Makkabaus  171. 
Judiia  163,  164,  308. 
Juden  163-176,  311. 
Judenverfolgung  164,  368. 
Jungstgeburt  27-3^,  333. 
Juente  (Vic.  de  la)  56,  294. 
Julian  (Kaiser)  167. 
Julie   14,  22,  84>. 
Julius  (Herz.   Braunschw.)  127. 
Jumanas  358,  359,  363. 
Jungfernpfennig  134. 
Jungferntribut  134. 
Jungfernzins  134. 
Jungfernzoll  134. 
Jungferschaft  38-40,    163,    214, 

215,  230,  360,  361. 
Junggesellen  140-146. 
Jungholz  30. 
Juris  358,  359,  363. 
Jus  caxandrae  245. 

—  cojae  245. 

—  connagii  14,  128. 

—  coxae  locandae  245. 

—  cunagii  128. 

—  cunnagii  139,  245,  291. 

—  cunni   14,  133,  291,  292,  371. 

—  deflorationis  112,  128,  194. 

—  faeminarum  138. 

—  luxandae  coxae  14,  245. 

—  marchetae  13. 

—  primae  nootis    14,    153,    159, 
173,  216,  324,  304. 

—  {)riniarum  noctiuni  351,  373. 

—  virginale  21. 
Just  (S.-)  144. 
Justinus  Martyr  224. 
Jutta  (^Aebtissin)  127. 
Juveigneurie  30. 

!  ^' 

'    Kaaba  176. 
Kammerer  123. 
Kiimmerling  116. 
Kiimmerlingshorige  123. 
Kaiser,  Calicut  221,  316,  318. 

—  romische  107,  191,  192,  367. 

—  rom.,  deutscher  Kat.  55,  103, 
130,  151,  231. 

Kalantan  324. 

Kalmiicken  132. 

Kameraden  140-146. 

Kanonisches  Recht  66,  281,  282. 

Kapaun  335,  336. 

Kapelle  115,  3.S8. 

Kapitel  10,  62,  63,  269,  272. 

Kapitularien  .53. 

Kaplan  250. 

Kardiestelgeld  134. 

Karl  (hl.)  Borromiius  153. 

Karl  VI.  V.  Frankr.  270. 

Karl  VII.  V.  Frankr.  290. 
i    Karsandas  Mulji  322,  323. 

Kasideh  (himjarische)  186. 

Katharina  (Konigin)  72. 
'   Katbarinenkirche  (Koln)  120. 

Katzenmusik  140 

Kauf  von  llorigen  63. 
1    Kayserling  171. 
I    Kehlhof  354. 
I   Kekrops  40,  41. 

Kelnhof  355. 
I  Kclso  80,  81. 
I    Kelten  19,  31. 

Keltische  Sprache  75,  211. 

Kemnaden  115. 


Kenana  187,  18,s. 

Kennedy  (Dr.)  89. 

Kent  29. 

Kephalonia  189,    190,   367,   368. 

Kerzen  100,  141. 

Kestenholz  30. 

Kestner  (H.  E.)    1,3.3,  245,    318. 

Kethubhoth  163-166. 

Keysler  107,  1.33,  134,  205,  226. 

Kibitz   179. 

Kiew  21.  223. 

Kimbern  31. 

Kincardinshire  83. 

Kindlinger  115-117,122,123,126. 

Kirche  21,  45,  46,   5.3,  .54. 

—  morgenlandische  149. 
Kirchen,  Autwerpen  104. 

—  Essen  119. 

—  Fritzlar  114. 

—  Geraldimonte  105. 

—  Hildesheim  126,  131. 

—  Kemnaden  115. 

—  Koln  113,   116. 

—  Medebach   126. 

—  Oberreitenau  61. 

—  Soest  118. 

—  Worms  114. 
Kirchenbann  289. 
Kirchenrecht    151-153,   278-282, 

30'-*    303. 
Kirchi.  Vorschr.  79,  146-155. 
Kirktown  80. 
Klauenthaler  134. 
Kleinrussland  21. 
Kloster  (vgl.  Ahtei). 

—  Adelberg  129. 

—  Bloutierc  93. 

—  Camp  120. 

—  Curwalden  229. 

—  Dumiere   102. 

—  Dunwald  121. 

—  Fons   102. 

—  Guadalupe  298. 

—  Ladorade  22. 

—  Limoges  101. 

—  Kevers  343-346,  377. 

—  Petershausen  63. 

—  Sanct-Georgen  63. 

—  Shouldham  86. 

—  Tynemouth  88. 

—  Utrecht  112. 

—  Volchardinchusen  126 

—  Wridthorp  84 

—  Ycolmkill  202. 
Kniasheje  224. 
Kochersberg  30,  1.55. 

Koln  10,  61,    113,    115,    117-120, 

Konig,   Adyrniachiden  88,    189. 

—  Arabien  178,  186,  187. 

—  Aragon  293-306. 

—  Bayern  129. 

—  Bohmen  62. 

—  Calicut  .33,215,313-319,365. 

—  Castilien  293-306. 

—  Decies  208. 

—  Deutschland  125. 

—  England  58,  71,  72,  79,  83, 
.^7,  89,  197,  264,  266. 

—  Franken  156. 

—  Frankreich  53,  54,  57,  67. 
100,  151,  266,  278,  286,  287, 
290,  325,  334. 

—  Hastiniipura  218. 

—  Hira  188. 

—  Irland  207,  369. 

—  Leinster  207,  209. 

—  Munster  207,  209. 

—  Navarra  33 1. 

—  Neustrien  287. 

—  Paliistina  176 

—  Persien  167,   1^6,  187. 

—  Peru  363,  364. 


(l  f?ju'liref^irtter. 


391 


Konig,  Sabii  176-lS(t. 

—  Schottland    7C.,    79,    81,    s2, 
1!I6-2(I(;,  H69. 

—  Sicilien  (beider)  H.'>I,  :ir>2. 

—  Spanien  144,  2ii;i-.-io8. 

—  Syrien  168,  174. 

—  Tsianipa  214,  :i67. 

—  Ulster  2(«i. 

—  AVales  68. 

—  Yeraen  18s. 

—  Ziampa  214. 
Konigin  378. 

—  Calicut  33,  31.3,  315. 

—  Castilien  !). 

—  Guienne  lOl. 

—  Saba  170-180. 

—  Schottland  77,  78,  82,   196. 

—  Spanien  297. 
KonisrstocLter  179,  212,31.->,321. 
Koppen  (C.  Fr.)  215. 
Kohlengrube  81. 

Kolb  5,  18,  16,  4.3,  44,  49,  51, 
52,  56,  05,  205,  226,  342. 

Konnagium  14. 

Konstanz  (13,  147. 

Koran  179. 

Korteraar  109. 

Kortgene  108,  loi». 

Kotsay  187. 

Kremer  (v.)  186. 

Kreuzzeitung  5,  162. 

Kreuzziige  80,  289. 

Kriegsrecht  20. 

Krishna  320,  .321. 

Krone  (Miinze)  83. 

Kshetrajna-Sohn  219. 

Kuba  358,  361. 

Kuchen  93.  94. 

Kuster  (vgl.  Custos)  117. 

Kiisterin  119,  124. 

Kuh  77,  78. 

Kulischer  6,  10,  45,  129,  154, 
215,  226,  227,  230,  253,  260, 
293,  343,  351,  352,  353,  356. 

Kunicznoje  225. 

Kunigowanie  10. 

Kunitza  225. 

Kurdistan  309-311. 

Kurfiirst  135. 

Kyburg  03. 

L. 

Laas  in  Ossau  334. 
Labessade  (L.  de)   4,  6,  44,  51, 

54,  65,  91,  205,  226,  259,  260, 

269,    284,    293,    325,  342,  340, 

351. 
Laborde  4. 
Laboulaye  65,  102. 
Lacabane  l(i2. 

Lacomblet  10,  61,  113,  116-123. 
Lactantius  192-194. 
La  Curne  96. 
Ladorade  22. 
Ladronen  (Inseln)  304. 
Larm  140,  I4l. 

Laferriere   (de)   4,   4,s,    .-,2,   337. 
La  Freste  328. 
Lagerbuch  129. 
Lagreze  (B.  de)  3,  293,  300,  3o7, 

332,  335-338. 
La  Greve  142. 
Laguenne  7. 
Lahore  212. 
Laird  81. 

Lambert  v.  Ardreg  100,  101. 
Lambert  v.  Wied   118. 
Landauer  (S.j   103,  175. 
Landesangehoriglseit    159,    374. 
Land-Knecht  132. 
Landser  3o. 
Landstande   127. 


Lauero  239. 

Langeraar  109. 

Languedoc  22,   102. 

Laou  104. 

Lariviere-Bonrdpt  253,  254,  376. 

Laroche-Flavin  8. 

Lassberg  (v.)  353. 

Lassen  (Chr.)  215,  219 

La  Talhan  259. 

Laufhunde  285,  346. 

Launay  94. 

Lauraguois  8. 

Laurent  (F.)  4. 

Laurentius  (S.-,  Meer)  117. 

Lauriere  1,  205,  241-244,  252, 
253,  271,  342,  34.s. 

Lausitz  128,  226. 

Laval  2. 

Lavedan  102. 

Laya  73. 

Layrewite  89. 

Leapta  211. 

Le  Bret  291,  292. 

Lechaude  d'Anisy  2.50,  251. 

Le  Constitutionnel  3. 

Le  Droit  3. 

Legenden  151,  176. 

Leger-Geldum  13. 

Leges  Henrici  primi  58. 

Legouv(j  4,   48. 

Lehnrecht  57. 

Lehnsanerlcenntniss  91. 

Lehnsgebrauche  5o. 

Lehnsverzeichnisse  91,  247. 

Lehnsvormundschaft  58. 

Lehnswesen  21,  4.s,  79,  198,  225. 

Leibeigenschaft  47-51,  254-25(>, 
356 

Leichtgliiubigljeit  200. 

Leinsamen  114. 

Leinster  206,  209. 

Lenormant  167. 

Leo  XIII.  (Papst)  45. 

Leonore  v.  Portugal  15,  55 

Lerch  (Peter)  310. 

Lerche  51. 

Le  Siecle  3,   44. 

Leslaeus  (Lesley)  203,  201. 

Lesmahagu  80. 

Leu  (H.  J.)  229. 

Leu  (-.-)  en  Rethelois  144. 

Leviratsehe  218,  219 

Lex  Longobardica  233. 

Lex  Salica  233. 

Licenzgebiihr  97,  123. 

Lichterausloscher  310. 

Liebrecht(F.I5,  6,  13,42,45,  109, 
180,  205,  213-215,  221,  227, 
249,  260,  283,  293,  295,  306, 
307,  310,  31-.',  338,  3.52,  353,  358. 

Lied  7,   142,  .344,  346. 

Liedekercke  105. 

Lierwyte  89. 

Liesborn  110,  126. 

Lilienstern  (v.)    178,    17ii,    181, 

Lille  29. 

Limburg  130. 

Limnaeus  244. 

Limoges  101,  153. 

Limousin  22,  101. 

Lincoln  71. 

L'Independant  du  dep.  de  Char 

inf.  3,  4. 
Linschot   40,  314,  3111. 
Lintiliano  239. 
Lippe  O.S. 

Lipsius   108,   171,  -173. 
Lisines    141. 
Lithauen  lo,  75. 
Littleton  31,  32,  85. 
Littre  4,  249. 
Liutfred   (Herzog)  231. 


Lloret  2!i4. 

Lobier  .330-  34,  370. 

Loning   1.52. 

Lorsch  5,  53,  353,  3.50. 

Losegeld  141,  204,  20it,  292,  371. 

Lowen  l(t7,  369. 

Logik  6,  28,  40,  307,  308. 

Lohempy  !)0. 

Loon  (G.  V.)  111,  140. 

Lorn  ^2. 

Losschein  07. 

Lothar  (Kaiser)  130. 

Lothringen  02. 

Loubet  338. 

Louvie-Soubiron   3:iO-334,    :H37. 

Lucas  (PatViarch)   149. 

Ludgardis  (Propstin)  123. 

Ludwig  (Kaiser)  2'U. 

Ludwig  IX.,  der  Heilige  53,  54, 

57,   151. 
Ludwig  X.  v.  Frankr.  334. 
Ludwig  XI.  V.  Frankr    290. 
Ludwig  XII.  V.  Frankr.  325. 
Ludwig  XVr.  V.  Frankr.  267, 397. 
Luchow   136. 
Liineburg  127. 
Liinen  121,  122. 
Liinig  131,  245. 
L'Univers  3. 
Luttich  1.53. 
Luxemburg  59 
Lvon  0,   153,  244-247,  373  ,  377, 

378. 
Lyonnais  245. 
Lvrewjte  89. 
Lvse  V.  Broicke   124. 


Macca  230. 

Mackenzie  196,  2(tl-2o3,  205. 

Maclay  324. 

Macon  !t,  377. 

Macpherson  (James)  208. 

Macpherson   (John)  75-77,    79, 

197-199. 
Macquarry  83. 
Madrid  50, 
Marchen   170-1^0. 
Magdeburg  131. 
Magister  117. 
Magnaten  190. 
Mahabharata  2I,s,  219,  321. 
Maharaja  212,  .320-323. 
Maidement  14,  68,  73. 
Mailand  1.53. 

Mainmorte   162,  2.55,  257. 
Mainz   114,   131. 
Mesnil  (Q.  de)  328 
Maisnil-les-Hesdin  :!27,  328,  .374. 
Major  (Joannes)  200. 
Makkabaer  168-176,  368. 
Malabar   33-36,   215,    216,    221, 

313-320,  365-367. 
Malakka  3,s,  324. 
Malcolm  HI.  v.  Schottl.    I,  79, 

107,   190-200,  239. 
Malivoir  2 
Malle  (de  la)  4. 
Mals  usos  295. 
Maltaverne  280. 
Manasses  (Graf)  9!i. 
Manco  Capac  363. 
Mandelslo  (A.  v.)    34,   310,  317. 
Slanrique,   s.  Marichalar. 
Manta  40. 
Mannthaler   135. 
Wantra  150. 
Manu  25,  217. 
Maoltheachlainn  20!) 
Maracaibo  302. 

Marchese  di  Monferiato  240.  241. 
Warchet  80. 


392 


Namen-  und  Sachregister. 


ilarcheta  14,  6S,  75-83,  135,  203, 

369 
Marchete  (11)  76. 
Warchetta  76. 
Marchetum  67,  86. 
Marchzins  135. 
Marco  Polo  214. 
Marcoy  (Paul)  359. 
Marder  221-'225. 
Wardergabe  21,  221,  222. 
Mareuil   100,  247-24',»,  376. 
Margarethe  (hl.)    196,  IfO,  201, 

:;u4 
Margaux  2511. 
Marge  75. 

Maria  Stuart  >-2,  203. 
Marianen  (I  seln)  364. 
Marichalar  4,  15,  16,  44,  99,  140, 

153,    160,    243,    260,    265,    269, 

293-2S5,  303-308. 
Mariengroschen  128. 
Maritagium  66,  86,  ,^7,  104,  135. 
Mark  (Grafschaft)  124. 
Marketa  197. 
Markgraf,  Provence  2.s9. 
Markirch  30. 
Markotte  15. 
Marktflecken  232. 
Marle-BIanchet  277. 
Marquette   13,  75,  342,  397. 
Marquis  de  Pins  22. 
Marschall  de  la  Force  93. 
Marschlins  (t.)  351. 
Marseille  22. 
Martel  (Gottfried)  288. 
Martel  (Pfarrer)  276,  278. 
Martha  171. 

Martin  (hl  )  v.  T..urs  289. 
Martin  (Henri)  4,  77. 
Martin  (S.-)-le-Gaillard  95. 
Martin  (S.-)  bei  Etrepag  92. 
Martin  (S.-)  bei  Vische  23 
Martin  (S.-)  zu  Utrecht  112. 
Martini  2. 
Martinsfest  341. 
Martius  (v.)  156,  357-360,  363. 
Mary-Lafon  289,  290,  293. 
Marzari  236. 
Masce  lOO. 
Massageten  40. 
Mass  98,  253 
Masson  47. 
Mastricht   112. 

Mathilde  (GraHn  v.  Xevers)  61. 
Matrimon.  consummatum  146. 
Mattatja   168,  172. 
Mattishaju  173. 
Mauleurier  346. 
Mauer  bei  Zurich  .°53,  354. 
Maure  (S.-)  100 
Mauren  19,  297,  3o4. 
Maurer  (v.)  5,  43,  116,  226,  352, 

353. 
Mauretanien  (W.  v  )  104. 
Max  Joseph  (Konig)   129. 
Maximinianus  (Kaiser)  193. 
Maximinus  (Kaiser)  63,  192-194, 

367. 
Maynard  86. 
Mazzecha  115. 
Mazure  380-336. 
Mecklenburg  22,  128,  134. 
Medebach  126. 
Medina  176. 
Meer  117. 

Megillath  Ta'anith  169,  170,  175. 
Meichelbeck  62. 
Meidenrente  135. 
Meier  346,  3.^3,  3.54. 
Meieramt  354. 
Mekka  176 
Mela  (Pomp.)  1£8. 
Menage  205. 


Menschenrechte  257. 

Merbodo   114. 

Merched  fiS,  72. 

Merchet  14,  67,  75-83,  86,  87. 

Mercheta  14,  68,  75-83,  86,  203. 

Merchetum  67,  84,  86,  87. 

Merchetum  sanguinis  85. 

Mercier  3. 

Merdoulado  S. 

Merg  75. 

Merket  13. 

Merlin  2,  44,  48,  205,  225. 

Merseburg  133. 

Meschede  127. 

Mesnil-Auber  93. 

Metropolitangericht      339-343, 

372. 
Mets  de  mariage  91,  93,  94,  100. 
Mevius  59. 
Mexico  23,  357. 
Meyer  (Chr.)  18,  47,  226. 
Meyer  (Convers.-Lex  )  5. 
Michaelskirche    (Hildesh.)    126. 
Michelet  221. 
Middelburg  109. 
Midraschim  171-174 
Mikluho  (v.)  -Maclay  .■!24 
Militarpflicht  333. 
Minden  68. 
Minella  234. 
Minnesanger  53. 
Minorate  27. 
Miot  260. 
Miraeus  103-105. 
Mirjam  171. 
Mischna  163,  165,   178. 
Missale  146. 
Missbriiuche  66. 
Mittelalter  18,21,51-54,212-309, 

334,  370-379. 
Mittelwales  7H. 
Mittermaier  5,     2,  153. 
Monche  351,  373,  vgl.  auch  Ab- 

tei  u.  Kloster. 
Moser  (Justus)  2,    15,    161,  162, 

Mogh  Corb  207. 
Mohanimed   176,   179. 
Mohr  (v.)  230. 
Molukken  324. 
Monddienst  .808,  316. 
Mone  (Fr.  J.)   114. 
Monferrato  23,  240,  241. 
Mongolen  29,  223. 
Mons  Aureolus  289. 
Montauban  240,  288-293,  371. 
Montauriol  291. 
Montbraie  94. 
Montesa,  s.  Marichalar. 
Montesquieu  31 
Montfort  (Rud.)  229. 
Montguisard  285,  286. 
Moutmalier  101 
Montmorency  7. 
Montreal  357. 
Mont-S.-Michel  2.50-252. 
Montvallat  377. 
Moreri  205. 
Moreton  88. 
Morlaas  333,  334. 
Morna  (Moirna)  207. 
Moses  149. 
Motte  (de  la)  100. 
Moulins  344. 
Moustier  142. 
Mozambique  38. 
Mozart  2 
Mozin  4,  96. 
Muhlbach  (Klsass)  .354. 
Miihle  .HO,  si,  82,  84. 
MuIIer  (Jos.)  222,  223. 
Miinster  i    W.  61,   121. 
Miinzrecht  292. 


Miinzwesen  75,  87,  100,  127, 
132,  134,  138,  161,  196, 
201,  209,  213,  252,  278, 
313,  316,  323,  327. 

Muhammedaner  314,  318. 

Muir  220. 

Mundiburnium  62. 

Munster  (Irland)    206,  208, 

Musikmeister  70. 

Mutio  (Hier  )  138,^39,  369, 

Mutterrecht  36 

Mythologie  37,  194,  195. 


Nachgeborne  Sohne  833. 

Naehtbesuche  40. 

Nachtlicht  119. 

>'achtwache  350. 

>'adhr  187,  18S. 

Nagelgeld  135. 

Nairs  34-36,  318. 

Nala  157,  218. 

Nambiirie  317,  318. 

Namen  v.  Heirathsabg.   67,  68, 

113,   125-136,   139,  245,  251. 
Naphtali  (Stamm)  149,  311 
Xarada  217 
Xarayana  158. 
Xarbonue  2S8,  289. 
Nasamonen  39. 
Natzungen  (v.)  116. 
Xavarra  306,  334. 
Neck  (van)  312. 
Necker  (Minister)  67. 
Neger  39. 

Nelson  (J.  H.)  35,  36,  320. 
Nephtali  (Stamm)  149,  311. 
Neresheim  124. 
Nestor  221-223. 
Nestorianer  311. 
Neuburg  (Prov  )  129. 
Neue  Preussische    Ztg.    5,    162 
Neuholland  29. 
Xeuseeland  29. 
Neuss  114,  123. 
Neuzeit  18,  309-364. 
Nevers  61,  95,  343-346,  377. 
Nicaragua  35  . 
Nicolaus  (Papst)  151. 
Nicolausfe.st  341. 
Niederlande  (franz.)  29 
Niederlande  (hoU  )  20,  108-112, 

140,   144. 
Niederlassungsteuer  67,  96,  101, 

136,  326. 
Niedersachsen  133,  134. 
Nizza  dclla  Paglia  239-241,  371. 
Noble  (Miinze)  73. 
Nolten  126. 
Nonnenkloster  154. 
Noordewier  65. 
Nop?age  97,  285,  286. 
Nordamerika  23,  141. 
Norddeutschland  68. 
Nord-Europa  194-212. 
Nordische   Dichtung  194,  195. 
Nord-Wales  71. 
Norfolk  86. 
Nork  133,  226. 
Norraandie  7,91-97,  247,250-253, 

285-287,  349,  354,  376. 
Norwegen  29. 
Norwich  240. 
Notar  2.50,  257,  298. 
Nothzucht  70,  71. 
Notorietat  16-21. 
Nottingham  88. 
Nougues  V  Secall  295. 
Novelle  3' 

Noweiri   178,   182-186. 
Nunning  123,  124. 
Nuits  dVpreuve  9,  358. 


Namen-  und  Bachregister. 


393 


Xuweiri  187 
Nymphe   liO 


0. 


Oberbayern  141. 

Oberhof  117,  118,  12;(,   l-'4. 

Oberpfalz   HO,  141,  lori. 

Oberreiteuau  61. 

Oberschwaben  147,  l.")5. 

Ochiern  77. 

Oefnung  (Weisthuin)  63. 

Oekononi  1 1,"). 

Oer  (Miinze)  87. 

Oesterreich  .'il,  62,  137,  230-238, 

3r>5. 
OfHzial  ••. 
Og<'tharius  77. 
Oisin  207,  208. 
0'Kearney  206-212. 
Oldeubarneveldt  109. 
Oldenburg  29. 
Olearius  34,  152.  316,  317. 
Olga  221-22.5,  373. 
Olive  (.Simon  d')  246,  355. 
Oneglia  (Fiirstenth.'»  243. 
Opern  2. 
Orang-Sakai  324. 
Orang-Seman^  324. 
Orden  v.  hl.  Ludwig  267. 
Orglandes  '.»3 
Origines  Guelficae  130. 
Orinoco  358 
Orleannais  22,  142. 
Orloff  124. 
Orote  (Dorf)  S64. 
Orthez  333. 

Ortsangehorigkeit  160,  374. 
Osbert  (Abt)  80. 
Osbert  Olifard  tO. 
Osbert  v.  Fontenay-Pesnel  250. 
Oscar  (Sohn  Oisin's)  208. 
Osenbriiggen  49,  354,  356. 
Osiuchusen  118. 
Osnabruck  68. 
Ossau  (Thal)  331,  .337. 
Ossian  207,  208. 
Ossianic  Society  208. 
Ossun  337. 
Ostfriesland  29. 
Ostindien   24-27,    156-158,   212- 

221,  3I2-.324,  365-367. 
Ostseeprovinzen  22. 
Otranto  161. 

Otto  (Biscbof  V.  Paris)  97. 
Otto  111.  (Herz.  v.  Bayern)  63. 
Ottokar  (Herz.  v.  Steyerni.)  137. 
Ourlop  84. 
Oviedo  360,  361,  365,  366. 

P. 

Pachacamac  363. 
Pact  nuptial  97. 
Padberg  (Fr.  v.)  127. 
Paderborn  121,  127,  397. 
Papste  45,  59,  60,  138,  149,  151, 

203,  289. 
Page  285. 
Pagesos    de    remenga    293-306, 

377,  378. 
Pagliarini  2M. 
Pajes  357-364. 
Palastina  163-168. 
Palestin  97. 

Palma  (Insel)  308,  309,  366. 
Pandu  219. 
Panorroia  Ivonis  152 
Pantaleon   (S.-)    zu    Koln    UG, 

117,  119,  124. 
Pantoffel  23. 
Papebroeck  44,  204. 
Paponius  274,  284,  285,  343-.S46. 


Paraijara  219. 
Paranyniphen  152. 
Paraskara  157. 
Paria  (Provinz)  361. 
Paris   9,  97,  148,  265,  275. 
Paris  (A.  P)  4. 
Parlamentsurtheile  53. 

—  Besan<;on  256-258. 

—  Bordeaux    7,    101,   282,   283, 
372. 

—  Dijon  100. 

—  Paris   98,   99,    148,    267-282, 
343-349,  377. 

—  Toulouse  8,  102,  355. 
j    —  Tournay  145 

Pars  (Adrian)  108,  225,  318. 
!    Parsanni  241-244,  371 
Parses  358. 
Passcs  358,  359. 
Pasteten   141,  144. 
Pastoret  100. 
Pastoureaux  250. 
Patriarchen   137,   149,  165,   178. 
l'au  3o5. 
Payes  358. 
Pegu  38. 
Pellicer  294. 
Penchenid  7n. 
Pencherd  70. 
Pennsylvanien  141. 
Perak  .324. 
Pere  titrier  267. 
Pertines  231. 
Pergine  (Tersen)  230-238. 
Pericaud  2,  10,  246. 
Perignat-es-AUier  54. 
Pernada  294. 
Perron  180. 
Per-en  22s,  231. 
Persien  18,  167,   186,  1-7. 
Perth  80. 
Perth.shire  81. 
Pertile  5,  65. 

Peru  40,  312,  358,  363,  364. 
Peschier  4. 
Peterborough  88. 
Petersabtei  (Merseburg)  133. 
Petershausen  63. 
Peterskirche  (Medebach)  126. 
Peterskirche  (Worms)  114. 
Petrus  Gregorius  204. 
Peuchet  2,  205,  292,  293. 
Peyto  Bordelo  306. 
Pfalz  135,  136. 
Pfalzgraf  63. 
Pfanne   129. 

Pfannenschmid  (Dr.  H.)  169,  292. 
Pfarrer  23,  97,  131,  136,  148,  269, 

278-282,  287,  339-343. 
Pfeffer  117. 
Pfeffers  63. 
Ptirt  30. 
Pfleger  35.3,  355. 
Philipp  I.   (Erzb.  v.  Koln)  118, 

Philipp  II.  August  (v.  Fr.)  IDO, 

286 
Philipp  III.  der  Kuhne  (v.  Fr.) 

259. 
Philipp  VI.  (v.  Fr.)  270,  290. 
Philipp  II.   (v.  Sp.)   144,  295. 
Philippinen  39. 
Phillips  (Georg)  79,  14(i. 
Piaches  357. 
Piaias  361. 
Pic  du  Midi  331. 
Picardie  2,  24,  29,  98,  99,    143, 

159-161,  247-249,^251,  267-282, 

374,  376. 
Picten  198. 
Piemont    19,    139,    239-244,  369, 

Pierre  (S..)-es-Champs  94. 


Pierrecourt  94. 

Pinard  330-332,  334. 

Pinault  de  Jaunaux  145. 

Pinkerton  199. 

Pintes  (MUnzen)  100. 

Piot  (Ch.)  60-62,  105-107. 

Piper  (F.  O.)  68. 

Pizarro  (Francisco)  363. 

Place  Dauphine  265. 

Planeten  .los. 

Piat  nuptial  91,  94,  97,  102 

Plebanus   120. 

Plinius  8. 

Plot  (llobert)  2^7,  8s,  (0,  204. 

Poblet  (Abtei)  294. 

Pocock  (Ed.)  178,  181,  188. 

Podesta  232. 

Poitou   100,  290. 

Polarstern  157. 

Poliar  319. 

Polignac  (Armand  de)  102. 

Polo  (Marco)  214. 

Polyandrie  35,  36,  319,  320. 

Polydorus  Vergilius  200. 
i    Polygamie  186. 
j    Ponimern  128 
I    Pomponius  Mela  i'.<i. 
i    Poncher  (Et.,  Bischof)  275. 
1    Pont-Audemer  94. 

Pontexes  (J    B.  de)  23. 

Ponthieu  9,  99,  247,  272,  278-280, 

327,  -^:-^. 

I    Populetum  (Ablei)  294. 
Portugiesen  3u8. 
Post    (A.   H.)    18,     19,    42,    221, 

358,  364. 
Postulatio   de  praer.  virg.  163. 
Potgiesser  (Joachim)    135,   137, 

205,  245.  ' 
Prafekten  196. 
Praegustator  193. 

I    Pralat  124. 

Praelibatio  13. 

Pralibatsrecht  269. 

Priimonstratenser  104. 
I    Praetorius  (Fr  )  178. 
'    Preaux  91. 

Prelibatiou    8,    15,    54,    91,   95, 

206,  269,  292. 
Prelley  241-244,  371. 
President  a  mortier  341. 
Pressprozess  320-323. 
Pretium  pudicitiae  116. 

I    Pretium  virginitatis  74,  '  9. 
!    Prevote  14.5,  326,  329. 

Priester  38,  43-46,  154,  214-216, 
221 ,  309,  310, 312-323, 360-^62, 
365-.V67,  379. 

Priesterfrauen  (jiid.)  164,  166. 

Prinz  v.  Wales  72. 
I    Prinzessin  55,  209,  211,  378. 

Prinzessin  (engl )  82,  369,   378. 
!    Prinzessin  (portug.)  15,  55. 

Prinzessin  (span.)  72. 

Prior  86,  88,  93,  102. 

Privatrecht  158. 

Probenachte  40. 

Propstin  (Essen)  123. 

Promnesus  190 

Prophetengeschichte  179. 

Propst  61,  126 

Protestanten  291. 

Provence  2.',  2S9. 

Prozess  372,  vgl.  Parl.-  und 
Schieds-Urtheil. 

—   Svnode   .'rO. 
:    Prum  (Abtei)  114. 

Pufendorf  (F.  E.)   135. 

Pugatsohew  356. 

Puisne  Judge  .323. 

Pujades  294-297,  c03,  £04. 

Purohita  321. 

Pvrenaen  3';0-338. 


394 


Namen-  und  Sachregister. 


Quastor  133,  169. 

Querci  (Le)  102. 

Querfurth  131. 

Questaux  331-334. 

Quilon  31S. 

Quintaine  7. 

Quinzano  239. 

Quirinstift  (Xeuss'»  114,  123. 

Quitzow  (Ritter)  30. 

Quix  (Chr)  119. 


Rabba  166-168. 
Rabbi  Hoschaja  164. 

—  Jehuda  ha-Xasi  165. 

—  Simon  ben  Jochai  171. 
Radnorshire  73. 
Raepsaet  (J.  J.)  2,  140,  203. 
Ragot  (Gabriel)  346-349. 
Ragueau  (Fr.)  204,  243. 
Raguel  149,  150. 
Raimund  (Bischof)  289. 
Raimund  Des  Vertus  287. 
Raja  218,  318. 
Rambures  328,  329. 
Randinus  275. 

Raoul  d'lYrv  250. 
Raphael  (Erzengel)  149,  150. 
Rapp  (Joseph)  237,  238. 
Rappoitsweiler  30. 
Raptus  foeminae  9. 
Ras  Lila  321. 
Ras  Mandalis  321. 
Rasmussen  184. 
Rastelli  2,  24(i,  241. 
Ratherius  (Bisohofj  149. 
Raub  (in  der  Schweiz)  63. 
Rauchfang  225. 
Ravensberg  68,  13.5. 
Ravenstein  228,  371. 
Raymund  i  Saint-Gillesj  289. 
Raymund  V.  i  Toulouse)  289. 
Ravmund  VII.  iToulouse)   290. 
Raynal  8,  22,  50,  342. 
Reallasten  301. 
Rebais  2  2. 

Rechnungen  135,  247,  249. 
Rechnungshof  (franz.)  95. 
Rechtsbiicher  53. 
Rechtsgemeinschaft  375 
Rechtsinstitution  21,  51. 
Rechtspfiege,  Mittelalter  334. 
Rechtsubertreibung    .306,     354, 

355. 
Rechtung  355. 
Rector  124. 
Reddemund  68. 
Rees  61. 
Reewijk  109. 
Regal  de  mariage  100. 
Regality  81. 
Regards  91. 
Regensburg  62,  151. 
Regiam  Majestatem  76-78. 
Regino  (Abf  152. 
Rehtmeier  (Ph.  J.)  130. 
Reichenau  (Abtei)  63. 
Reichenweier  30. 
Reitschoss   136. 
Rejah   183. 
Relief  du  bail  330. 
Religiose  Vorschriften  146-158. 
Remenca  293,  295,  296,  299. 
Remlingrath  118. 
R(^mu8at  (A.)  214. 
Renauldon    2,     is,     23,     205, 

206. 


Rente  299. 
Repret  255-258. 


Resch-Metibta  166. 

Respit  98,   99. 

Retclifife  3. 

Rethelois  144. 

Reuter  (Fritz)  22. 

Rewijk  109. 

Reyal  Consell  298. 

Reygersberg  108. 

Reynitzsch  43,  129,  343. 

Rheims  144. 

Rheinland  113. 

Rheinpfalz  29. 

Rhoon  109. 

Richard  I.  v.  Xorm.  250. 

Richard  II.  v.  Xorm.  286,  287. 

Richard  III.  (Abt)  250. 

Richel.ourg  loo. 

Rigr  195. 

Rigsmal-Lied  194,   195. 

Rikelindis  119. 

Rikildis  113. 

Rimbach  30. 

Rind  76,  338. 

Rindorp  120. 

Rio  Jf-a.  359. 

Riquier  (S.-)  98,  328. 

Rishi  219,  321. 

Rituale  146-148. 

Rive  68. 

Riviere-Basse  333,  334. 

Rjumin  223,  225. 

Robert  II.  v.  Frankr.  287. 

Rochholz  228. 

Rodenrys  109. 

Rodulfus  (Abtl  106. 

Romer  19,  47. 

Romisches  Reich  190-194. 

Romisches  Recht   29,   345,  347. 

Rosch   173,   178,    179. 

Rogerson  82. 

Rogerus  de  Hoveden  199. 

Rogier  Ade  251. 

Romagnano  138. 

Romane  2,  286-288. 

Romanische  Sprachen  263. 

Roon  109. 

Roquefort  205,  348. 

Rossellon  295,  377. 

Roth  (Abteil  63. 

Rouen  286. 

Rovere  idella)  239,  372,  873. 

Ruderbach  30. 

Rudolph  V.  Guines  99. 

Rudolph  I.  V.  d.  Pfalz   135. 

Rue  (in  Ponthieu)  99. 

Ruckfallsrec.ht  162. 

Rufach  30,   159. 

Rugua  327. 

Rupien  323. 

Russland    20,    21,    29,    221-225, 

3.55,  356. 
Rutgerus  iCustosl  122. 
Rutgherus  124. 

Ruthart   (Erzb    v.  Mainz)    114. 
Rutscherecht  134. 
Rvmer  71,  72,  82. 
Rig-Veda   156. 


Saba  176-180. 
Sabanac  (Geraud  de)  102. 
Sabia  211. 
Sachau  (Ed.)  174. 
Sachelay   155. 
Sachsen  130,   133. 
Sachsenspiegel  63,  130,  158. 
Sacy  (de)  178,   18J,  187. 
Sanfte  102. 

Sagen  1,  23,  110,  139,  168,  169, 
188,  208,    213,  292,  337,  365- 
379. 


I    Said  Ibn  Ahraed   188. 


Saint-Amans  259-267. 

Saint-Fargeau  293. 

Saint-Foix  64. 

Saint-GilleB  289. 

Saintonge  101. 

Saint-Riquier  328. 

Sale  (G.)  182,  205,  206. 

Salisliury   146. 

Salis  V.  Marschlins  351. 

Salis  (v.)  -Seewis  229. 

Salland  120. 

Salomon  (Konig)  176,   178. 

Salt  (Th.)  89. 

Salz   ino,   102,  129,  157. 

Salzburg  355 

Sama-Veda  156. 

Samhair  207. 

Samhita  156. 

Samorin  221,  317,  318. 

San  Domingo  363. 

Sanskrit-Litteratur  216. 

Sapor  I.  (Persienl  187. 

Sapor  II.  (Persien)  167. 

Sara  149,   150. 

Saraad  70. 

Sark  (Gouverneur)  357. 

Sarmishtha  321. 

Satrap   167. 

Satya  Prakash  322. 

Satyavati  219. 

Saucei  93. 

Saudasa  219. 

Saulgau  147. 

Saulx  iOO. 

Sausse  (Matthew)  323. 

Sauveterre  334. 

Savoven  242,  243,  371. 

Schaffner  5,  43,  49,  56,  267. 

Schaf  83,  353,  354. 

Schagen  109. 

Schapur  167. 

Scharachil  178. 

Scharahbil  176. 

Scharwache  350. 

Schauspiele  2. 

Seheidung  163. 

Schelling    (P.   v.  d.l    109,   205, 

225,   316,  318. 
Schenkungen  63,    114. 
Scherr  (Joh.1  5,  48,  51,  56,  205, 

221,  227,  352,  353,  356. 
Scherz  254,  262,  327,  329,  332, 

333,  353,  354,   376. 
Schiedsurtheil    9,    10,   62,    102, 

182,  293-306,  377,  378. 
Schiffahrtsberichte  313-319. 
Schinken  92,  329. 
Schlacht,  Arabien  181,  184. 

—  Cnamhros  207. 

—  Gabhra  206-212,  369. 

—  Villisur  229. 
Schlafgemach  146. 
Schlegel  (A.  W.  v.)  11. 
Schlegel  (Fr.  v.)  317,  397. 
Schlozer  (v. )  222-225. 
Schmahung  323. 
Schmeller-Frommann  141. 
Schmid  (Fr.  X.)  146-148. 
Sehmid  (^R.)  87. 
Schmilg  (Joseph)  170. 
Schmitz  (V.)  226,  227. 
Schoffen  278. 
Schoffenregister  160. 
Schone  Frauen  39,  227. 
Schouwerth  1.55. 
Schotelen-spyse   140,    144,  145. 
Schotelmann  123. 

Schottel  (J.  G.)  128. 
Schottland  I,  18.   19,  68,  75-83, 

196-206,  369. 
Schreckenberger   (Miinzel    132. 
Schiirzenthaler  136. 
Schiirzcnzins   1.36. 


Nameii-  iiihI  Sachregister. 


395 


Schultens  (A.)  178,  186. 
Schultheiss  124,  354. 
Schulze  118. 
Schultz  (A.)  5:!. 
Schwaben  121t,   147. 
Schwarzrheindorf  61,  117,  118. 
Schweineschinken  35:i. 
Schweiz    20,    2it,    63,    228-230, 

352-.<i5.5. 
Schwenck  (K.|  75. 
Schwert  IM,   101,  .368. 
Schwestersohn  (Erbe)  .•i2-36. 
Scozzonaria  56. 
Sebulon  (Stamm)  311. 
Secundogenitur  24-27. 
Seeland  lOit,  140,  316. 
Seefahrer  3l.t-3ill. 
Segovia  i:!9. 
Seibertz  (Suibert)  115,  118,  126, 

161. 
Selden  165. 
Sempere  2!i5. 
Senechaussee,  Anjou  346-349. 

—  Bourbonnais  344. 

—  Bourgogne  56. 

—  Guienne  259-267. 

—  Limousin  101 
Sennheim  30. 

Serfs  de  formariage  56,  254 

Serviens  76-78. 

Servin  (L.)  347-349. 

Severinskirche  (Koln)  113. 

Sgeimh  Sholais  208,  209. 

Shakspeare  10-12. 

Sharahbil  176-180. 

Shorkote  212,  213. 

Shouldham  86. 

Shrewsbury  83,  84,  89. 

Sibirien  132. 

Sicilien  138. 

Sickte  127. 

Siecle  (Le)  3,  44. 

Siegfried  v.  Boumeneberg  130. 

Sigerius  105. 

Silvius  (A.)  55,    151. 

Simon  (Pedro)  361. 

Simrock  155,   195. 

Singapore  .324. 

Sirenz  30. 

Skandinavier  31. 

Skene  ( J.)  76-78,   107,   204. 

Skene  (W.)  208. 

Sklavenherrschaft      190,      191, 

367. 
Sklaverei  47. 
Skosyrev  356. 
Slavonische  Sprache  223. 
Sluipwijk  109. 
Smallegange  108. 
Soest  118,  227. 
Solinus  39,  40,   198. 
Solsona  297. 
Sommer    (J.    Fr.    J.)     115-117, 


121, 


126, 


Sonloire  348. 

Sonnendienst     179,    .308,    3 

363. 
Sorrent  62. 
Sorreze  8. 
Soscarrola  259. 
Sotherius  (  Papst)  151. 
Soulan  (Dorf)  338. 
SouUe  145. 
Souloire     in    Anjou     346  -  3' 

377. 
Souloise  349. 
Souveran  312. 
Spanien   19,   20,   49,    139,    1' 

293-308,  377,  378. 
Speck  102. 
Speisen  246. 

Spelman  67,  73,  86-88,  204. 
Spielball  liM). 


I    Spiele  7,  8. 

i    Spielgenossen  140. 

Spielleute  92,  94,  100 

Spilker  (v.)  126. 

Spix  (v.)  18,  358,  359,  363. 

Spitzer  (D.)  3. 

Sprachstudien  263. 

Sprunk-Daler  136. 

Staatsrath  (franz.j  257,  258. 

Staatsrecht  I.')^. 

Stab  (^Bortlingen)  129. 

Stadelhofen  355. 

Stiidte  66,  98,  1  9,  121,  212,  288. 

Standesunterschied  60. 
;    Statutarrecht  153. 

Stechgroschen  136. 
[    Steinbruch  81. 

Steinschneider    (M.)    163,    178, 
;        185,  186,  188. 
i    Stenzler  157,  158. 

Stepf  341. 

Stephan  (S.-),  Kloster  343. 

Stephen  5,   28,  205. 

Steuern  191. 

Steyermark  137. 

Stift  Beauvais  97. 

—  Cadillac  283. 

—  Claude  (S  -)  255-258. 

—  Essen  120,  123. 

—  Fritzlar  114. 

—  Koln  113,  116. 

—  Jlaximin  (S.-)  63. 

—  Neuss   114. 

—  Osnabriick  68. 

—  Soest  126 

,    —  Stephan  (S.-)  116. 

—  Tournay  l(t4. 

—  Trier  63. 

—  Xanten  61. 
Stiftskirchen  113,  116,   lis. 
Stiftskuster  127. 
Stingisdint  78,   79. 

Stobo  80. 

Stolgebiihren  148. 

Strabo  198. 

Strafen  67,  68,   70,  75. 

Strassburg  147,  148,    159,    374. 

Strathclyde  80. 

Strathern  82. 

Strathier  82. 

-xrjCtTto;  164,  368. 

Stratoun  81. 

Strecker  (W.)  310. 

Stumptr  2211. 

Succumbenzstrafe  34(t. 

Sudeshna  219. 

Siidamerika  40,  ;i57-367. 

Surdt   ilG 
j    Sueton  191. 

Sugenheira  (^S.)  5,  43,  49,  56, 
129,  205,  206,  227,  259,  268, 
284,  293,  .330,  333,  351. 

Suidwijk  109. 

Sukra  321. 

Sulzbach  30. 

Surius  199,  201,  202. 

Susquehana  141. 

Sussex  29. 

Sutras  156,   157. 
!    Sviatoslaw-Igorevicz    222,    224. 

Swammerdam  109. 

Sylvester  (Abt)  223. 

Sylvius  (A.)  55,   151. 

Svmbolische  Handlung  65,  162, 
'246,  249,  306,  378. 
i   Synodalstatuten,  Amiens  280. 
I    —  Paris  97,   147,  3.75,  276. 
j    —  Verona  149. 
I    —  York  149. 

Synode,  s.  Concil. 


T. 

Tacitus  111. 

Talboys  Wheeler   35,  219,  318. 

Talmud  163-168,  173,  311. 

Tamburetti  319. 

Tannay  99. 

Tannegg  63. 

Tanz  94,  137. 

Tao-sse  214. 

Taphsar  (-iDSl:)  166,  167,  368. 

Tardenois  37.!. 

Tarnasseri  314. 

Tasm  18(J-188,  368. 

Tataren  29,  31,   132. 

Tatisczev  222-225. 

Tausch  V.  Horigen  63,  123,  135, 

162. 
Taxen  1(8,  276. 
Tempel  109. 
Tenasserim  314. 
Tendenz  266,  267,  288. 
Teneriffa  .308,  309,  366. 
Tesm  188. 
Teutonen  31. 
Than  77. 
Thasm  182. 

Theilung  v.  Horigen  62,  63. 
Theodard  (S.-)  289. 
Theodor  149. 
Thierry    (A.)     99,     273,      274, 

277. 
Thomas  (Abt)  60. 
Thomassin  149. 
Thomirey  100. 
Thurey  9. 
Thurgarton  87,  88. 
Tiberias  163 
Tiefenbach  155. 
Tierna  77. 
Tire-vesse  7. 
Tirol  20,  141,  2.30-238. 
Tizzoni  23. 
Tiva  319. 
Tobba   179,  187. 
Tobias  111,   149-155. 
Tobiasnachte  154,  155,  158. 
Toggenburg  (Graf)  229. 
ToUius  112,  312. 
Tomich  (Pedro)  304. 
Tomlins  82. 
Tongerlo   104. 
Torepaduli  138. 
Tornberg  (C.   J.)  179. 
Torqueniie-en-Aulge  94. 
Torto  307. 
Toscana  351,  373. 
Tosifta  168,  173. 
Tossefta  168,   173. 
Tottiyars  320. 

Toulouse  8,    102,  289-292,  355. 
Tournay  104,  145. 
Tradition  21,  213,  291,  337. 
Traubach  30. 
Trauung  97. 
Travancore  318. 
Trencaleon  266. 
Trient  231,  232. 
Trinoctium  45,  158. 
Trittenheim  114. 
Trop  95. 
Tschudi  229. 
Tsiampa  214,  367. 
Tulle  8 
Tulyalon  81. 
Turgot  202. 
Tynemouth  88. 
Tyrannen    20,    37,    174,    176, 

180,  189,    192,   196,    213,    214, 

229,  233,  239,  367,    368,   371, 

379. 
Tvrol  20,   141,  230-238. 


396 


Namen-  und  Sachregister. 


u. 

TJda  119. 

Udo  118,  131. 

Ueberlieferung   21,    213,    291, 

337. 
Ueberreste  311. 
Ulitaos  364. 
Ulloa  363,  364. 
Ulster  206,  208,  209. 
Ulva  83. 

Umarmung  2-19,  376. 
Umeira  176. 
Umwandlung    64,    65,    68,    98, 

99,  293,    294,    311,    370,    371, 

37-. 
Ungarn  21,   137. 
Ungenossen  60,  66. 
Univers  (L')  3. 
Universitiit,  Aberdeen  198. 

—  Bourges  341. 

—  Paris  198 

Unterhaltungsschriften  2,  3. 
Unzuchtstrafe    14,    67,    70,   75, 

346,   349. 
Upspringelgeld  136. 
Urbeis  30. 
Urkunden  373-378. 
Urtheile   7,  8,   20,   53,  98-102, 

145,    148,    256-284,    293-306, 

339-351. 
Uruguay  3. 
Urzeit  18,  .^6,  41. 
Usatges  de  Barcelona  295,  299. 
Usatici  Barchionenses  295. 
Uschaja  165. 
Utrecht  112. 

y. 

Vadimonium   103. 

Vaishnava-Sekten  320. 

Valenciennes  29. 

Valentia  152. 

Valerlus  Maximus  190,  191. 

Vallabhacharis  320. 

Vallabhacharva  322. 

Valladolid  140. 

Vallein  4,  16,  52,  340. 

Valperga  23. 

Valsugana  231. 

Vannozzi  204,  239. 

Varin  (Lovs^  7. 

Varnhagen    |J.  A.  Th.  L.)  126. 

Varthema  32-36,  313,  314,  318, 

.019,  365. 
Vartoman  3.'',  313,  314. 
Vasall  56-58. 
Vasco  di  Gama  318. 
Vasishtha  217,  219. 
Vasishtha  218. 
Vaterrecht  36. 
Vatz  22-230,   371. 
Vaudeville  2. 
Veda-Litteratur  216. 
Vedas  156. 

Veit  (S.-,  Corvey)  116. 
Venezuela  358,  362. 
Verausserungsrecht  ,302. 
Verbriiderung  62. 
Verdii  294. 
Veremundus  202. 
Vergeltung  368,  379. 
Vers-ilius  (Pol.)  200. 
Verhuefen  316. 
Verleumdun?  291,  323. 
Verlobung  163. 
Vermuthungen  8,  227,  249. 
Verona  149. 
Verson  250-252. 
Verthema  33. 
Vertomannus  33. 


Vertriige  62,  64. 

Vertus  (Des)  286-288,  371. 

Verwandte  15,  38. 

Veuillot   3,    52,    244,    266,   267, 

291. 
Vezier  176. 
Vicekanzler  298. 
Vicennalien  193. 
Vicenza  231-236. 
Vicitravirya  218. 
Vicomte  250. 
Vicomte,  Bearn  334. 

—  Pont-Audemer  94. 

—  Vire  94. 

Victor  (S.-,  Marseille)  22. 

Vidame  286. 

Vieh  76,  77,  83,  133. 

Viehzucht  30. 

Vielweiberei  196. 

Vienne  9. 

Vierling  (Jliinze)  127. 

Vignau  (du)  r35. 

Villanueva  294. 

Villanum  socagium  84. 

Villenagium  84. 

Villeneuve-sur-Lot  62,  354. 

Villepinte  8. 

Villequin  277. 

Vin  du  couillage  142. 

Vin  du  mariage  143. 

Vire  94. 

Vische  23. 

Vishnu  217. 

Vitet  4 

Vitoduranus  229. 

Vitry  142. 

Vocabulaire    (Grandi    2,     205, 

251. 
Voklingshofen  30. 
Voet  112. 

Vogt  104,  232,  355 
Vogteien  30. 
Vogthemd  136. 
Volchardinchusen  126. 
Volco  120 
Volksglaube  21. 
Volksrechte  53. 
Volkssage  363. 
Volkssitten  155. 
Vollwort  127. 
Volsinii  1£0,   191,  367. 
Voltaire  2,    15,   44,  51,  52,  55, 

56,    148,   205,    242,    257,  258, 

268,  345,  346,  348. 
Vorhura  10. 
Vornrtheil  231. 
Voshol  109,   110. 
Vulgata  150. 
Vyasa  219. 

w. 

VVachs  114. 

Wachszinsrecht    61,    113,    115, 

17,  120-122,  124,  126,  127. 
Wachter  (J.  G.)  2,  133,  136. 
"Wahlrecht  92,   211,   2.53,   282, 

283,  305,  331,  .3,32,  .353-355, 

377. 
Waitz  (G.)  3,  58,    liS, 
"Waitz    (Th.)    18,    20,    357-360, 

363,  364. 
Walciodurum  103. 
Walckenaer  308. 
Wald  (Kloster)  231. 
Waldeck  126. 
Waldmiinchen  1.55. 
Wales  20,  67-75. 
Walter  (Ferd.)  5,  354. 
Warwick  59 
Wassiltschikow  356. 
Wassiors   103. 
Weber  (in  Dreux)  142. 


Weber  (A.)  55,  155,    174,  220. 

Weber  (B.)  231,  236. 

Weber  (G.  M.)  39. 

Wechsel  (in  der  Schweiz)  63. 

Weibergemeinschaft  37,  41. 

Weihrauch  146. 

Weihwasser  146-148. 

Weil  (Gustav)  176-180. 

Weiler  (im  Elsass)  30. 

Wein     92,    94,    98,    100,    102, 

142-144,  343,  344 
Weinhold  5,  47,   221,  226,  267, 

352. 
Weisthiimer  61,  118,  352-355. 
Weizenbrot  92. 
Welsch  (I.  B.)  47,  227. 
Wendinnen  130 
Werden  lAbtei)  61,  118,  122. 
Werdenberg-Sargans  229. 
Werenswidis  119, 
AVestfalen  29,  32,  113-128. 
Westindien  312. 
Westphal   (E.  J.)    18,    66,    128, 

13;i,  225. 
Wettolsheim  l.Vj,  374. 
Wetzlar   10,  227. 
Wheeler  35,  219,  318. 
Whitacker  75,  197,  203. 
Wibaldus  115. 
Wicboldus  115. 
Wichmann  (Abt)  117,  131. 
Widah  3". 

Wied  (Lambert  v.)  118. 
Wiedehopf  176-180. 
Wiedensohlen  30. 
Wigand  (Paul)  126,  131. 
Wilhelm  I  Bischof,  Paris)  9. 
Wilhelra  IV.  v.  Cambray  (Erzb., 

Bourgesl  341. 
Wilhelm  lU.  (Graf,  Ponthieu) 

Wilhelm    I.  (Kijnig,  Engl.)   79, 

83, 
WiUlbald  (Abtl  ll.'>. 
Willielmus        Jlalmesburiensis 

199. 
Wilzhut  355.  , 

Windhunde  285,  346. 
Windisch  206,  208. 
Win*peare  138,  161. 
Winterthur  (Joh.  v.)  229,  230, 
Wiricus  (Abt)  60,  61,  10.5. 
Wittelsheim  30. 
Witz  (juristischer")  354. 
Wivenhoe  87. 
Wolbero   115. 

Wolf  (Ferd.)  293,  306,  SO:. 
Wolfenbuttel  263,  264,  266. 
Wolhvnien  21. 
Wridthorp  84. 
Wiirttemberg  29,  129, 
Wuttke  5. 
Wyvenho  87. 

X. 

Xaintonge  100, 

Xanten  61. 

Xivrey  3. 

Xorquia  295,  296,  299. 

Xumanas  359. 


Y. 

Yajur-Veda  156. 
Yajnavalkva  217. 
Yavati  321. 
Y'colmkill  202. 
Yemen  178,  180-188. 
Yncas  40,  363. 
York  146,  149. 
Young  10. 


Namen-  und  Sachregister.  397 

Yupurii  (Fluss)  359.  Zeeland  lOii,  140,  316.  ;    Zopflo,  65,   354,  356. 

Yurua  (Fluss)  359.  Zeit  der  Gefahr  165-168.  Zurich  63,  353,  354. 

Yutai  (Fluss)  359.  Zeitungen  3,  4,  32J.  Zutphen  112. 

Zellenberg'  30.  Zuidwyk   109. 

Zeugenverhor  SO.  Zulu  29. 

L%  Ziampa  214.  Zunft  129. 

Ziegenfell  IIS,  121.  Zwammerdam  109. 

Zamorin  31*.  Zinsbuch  333,  334.  Zweitgeburt  24-27. 

Zauberarzte  357,  35«.  Zobel  64.  I    Zwingherren  228. 

Zedler  2ii5.  Zoller  (Dr.)  155.  I 


Berichtigungen  und  Nachtrage. 

Auf  S.  6,  in  Anm.  2,  ist  25  bis  34  (statt  35  bis  44)  zu  lesen  und  hinzuzusetzen  :  AVas  bei 
Delpit  S.  53,  54  unter  Nr.  24  erklart  wird,  ist  auf  S.  21  unter  ^>.  24  bis  33,  also  auf  zehn  Num- 
mern,  vertheilt. 

Auf  S.  7,  in  Anm.  1,  ist  im  ersten  Satz  zu  lesen:  Xr.  17,  22,  23,  S.  52,  53  (statt  Xr.  17, 
S.  51   und  128),  und  in  der  dritten  Zeile:  drei  (statt  zwei)  Herrschaften. 

Zu  S.  56  Anm.  3  vgl.  die  Plaintes,  doleances  ct  remontrances  du  tiers-etat  du  Bailliage  de 
Dijon  V.  1789,  chap.  1,  art.  68  (Arch.  parlem.  Bd.  3,  v.  186s,  S.  134):  „Que  le  droit  d'indire,  celui 
de  jroiihiii/f  ou  ceux  qui  le  remplacent,  celui  de  guet  et  garde,  de  mainmorte,  et  tous  ceux  qui 
en  resultent,  sous  quelques  titres  et  denominations  quMls  existent,  seront  abolis." 

Zu  S.  56,  57,  Anm.  5,  ist  hinzuzusetzen :  Denkbar  ist  auch  die  Ableitung  von  scotto 
(Zeche)  oder  von  scotum  (Schoss,  Abgabe). 

Zu  S.  60,  Anm.  1  vgl.  Urk.  v.  10s6,  bei  Quix  Xr.  61,  Bd.  1  S.  43:  .  .  .  „Cum  pari  suo  absque 
licentia,  cum  dispari  per  licentiam  matrimonium  ineat." 

Zu  S.  60,  Anm.  6  und  S.  61,  Anm.  1,  vgl.  die  Einzelbestimmung-en  iiber  Heirathen  von 
Ungenossen  im  Hofrecht  des  Amtshofes  zu  Loen,  namentlich  §§  3S,  40,  47,  59,  67,  77,  85,  95—97, 
100,  102,  108,  bei  Sommer,  Beilage  54,  S.  160—180. 

Zu  S.  61,  Anm.  1,  vgl.  den  Paderborner  Synodalbesehluss  v.  1262,  bei  Sommer,  Beilage  37, 
S.  123—125. 

Zu  S.  63,  Anm.  S,  vgl.  die  Crk.  v.   1020,  bei  Quix  Xr.  58,  Bd.  1,  S.  42. 

Zu  S.  100,  unter  Poitou,  niuss  es  heissen:  Ardres  statt  Ardes. 

Zu  S.  101,  Anm.  1,  ist  hinzuzusetzen:  Diese  Urkunde,  deren  Zeitalter  bei  Ducange  nicht 
angegeben  ist,  habe  ich  in  HeIIer's  Ausgabe  vergeblich  gesucht. 

Auf  S.  153,  Zeile  8  von  oben,  ist  1536  statt  1538  zu  lesen. 

Zu  S.  154,  hinter  dem  Citat  aus  Buchmann,  ist  einzuschalten :  Xach  Bonnemere  (2.  Aufl.  Bd.  1, 
S.  301)  erklart  sich  diese  den  JTeuvermahlten  durch  den  Klerus  auferlegte  Verpflichtung  theils 
aus  yeid  (weil  der  Klerus  seinerseits  zufolge  der  gegen  Ehebruch  erlassenen  Strafgesetze  auf 
Aujubung  seines  „droit  de  markette"  verzichten  musste),  theils  aus  Gev,innsucht  (weil  die  Geist- 
lichkeit  auf  Uebertretung  ihres  Gebotes  und  auf  Verkauf  der  SUndenvergebung  spekulirtel. 

Zu  S.  203,  Anm    5  (und  anderwartsl,  ist  Lesly  in  Lesley  abzuandern. 

Auf  S.  218,  Zeile  11  des  Textes  von  unten,  ist  Bharata  statt  Bharata  zu  lesen. 

Auf  S.  239,  Anm.  1,  ist  Yannozzi  statt  Vanozzi  zu  lesen. 

Auf  S.  267  ist  dcr  zweite  Satz  (von  ^Danach"  bis  „45  Jahre  alt  wurde")  zu  streichen,  weil 
darin  iibersehen  ist,  dass  Delpit  S.  99  vora  Jahre  1818  spricht,  und  weil  schon  vorher  der  in  der 
Kevolutionszeit  aufgehobene  Orden  des  hl  Ludwig  durch  Ludwig  XVI.  wiederhcrgestellt  war. 
(Die  "Wiederaufhebung  erfolgte  erst  im  Jahre  1830.) 

Auf  S.  272,  Anm.,  Zeile  7  von  unten,  ist  Parisius  statt  Parisiis  zu  lesen. 

Auf  S.  276,  in  der  zweiten  Zeile  der  Anmerkung,  ist  judieium  statt  judicatum,  und  in  der 
neunten  Zeile  fins  statt  fines  zu  lesen.  (In  derselben  Anmerkung  finden  sich  ausserdem  mehrere 
orthographische  Ungenauigkeiten  unwesentlicher  Art.) 

Auf  S.  295,  in  der  vierten  Zeile  von  unton  (im  Text)  ist  Constitutions  statt  ConstitutioaeB 
zu  lesen. 

Auf  S.  317  ist  die  Anm.  4  dahin  abzuiindern:  Dieser  Kapitan  Alexander  Hamilton  ist  nicht 
zu  verwechseln  mit  dem  Sanskritforscher  gleichen  Xamens  (geb.  1765,  st.  30.  Dec.  1824),  dem 
Lehrer  Friedrichs  v.  Schlegel. 

Auf  S.  342  ist  die  Anm.  7  dahin  zu  erganzenT   Dalloz  Dict.  Bd.   1   S.  86. 

Auf  S.  853,  Zeile  11  von  unten,  muss  es  heissen:  V  f;  iiij  d  statt  V  3  iiij   l^- 


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herausstellt.  Eine  deutsche  Biographie  Maria  Stuarts  existirte  iiberhaupt 
bis  jiingst  nicht :  die  von  Arnold  Giideke ,  Professor  in  Heidelberg,  verfasste, 
welche  diesera  Mangel  abzuhelfen  versuchte  (bei  Carl  Winter  1879).  entbehrt 
der  nothwendigen  Objectivitat.  Die  Arbeit  von  Opitz  stellt  nicht  nur  die 
Ereignisse  in  ihrem  ursachlicheu  Zusammenhang  und  mit  ihren  Folgen  klar 
und  einfach  dar,  sondern  bringt  zugleich  auch  eine  zutreifende  Charakteristik 
der  handelnden  Personen  und  unterzieht  dieselben  eiuer  durchaus  unbefangenen 
und  gerechten  Beurtheilung.  Fiir  einstweilen  hat  sich  jedoch  der  Verfasser 
nur  auf  die  Darstellung  der  Geschichte  Maria  Stuarts  bis  zum  Schluss  der 
Conferenzcn  von  Westm.inster  (1569)  beschrankt.  weil  diesor  crste  Theil  ihres 
Lebens  weit  mehr  als  der  zweite  einer  imbefangcnen  "Wiirdigung  bediirftig 
erscheint.  Findet  das  Buch  giinstige  Aufnahme,  wie  dasselbe  verdient,  so 
wird  der  Verfasser  in  einem  zweiten  Bande  die  Erganzung  folgen  lassen. 


Freihurj^  (13adeu). 


Herder'sche  Verlagshandlung. 


BINDING  S:iCT.  JUN     3  1963 


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