JUS
PRIMAE NOCTIS.
Eine geschichtliche Untersuchimg,
Von
Dr. Karl Schmidt,
Oberlandesgei-iclit srat h zu Colmar i. E.
Freibiirg im Breisgau.
Herder'sche Yerlagsliandlung.
1881.
Zweiguiederlassungen in Stnoishurtj, Mitnclien und St. Louis, Mo.
Das Reclit der Uebevsetzung in frenide Sprachen wird A'orbelialten.
Buchdruckerei der Herder'sclien Verlagsliaudluug iu Freiburg.
V 0 r r e d e.
JJie vorliegende Arbeit will die Theorieen und Berichte
iiber das jus primae noctis (in der heute allgemein bekannten
Bedeutung dieses Ausdrucks) so getreu darstellen, dass sich der
Leser liber jede einzelne Frage und iiber das Gesammtergebniss
der Beweise ein eigenes Urtheil bilden kann. Bei Aufsuchung
der Quellen erhoben sich manche Schwierigkeiten, weil in vielen
modernen Schriften fiir die aufgestellten Behauptungen entweder
gar keine, oder nur ungenaue oder unrichtige Citate angegeben
sind, und weil die Quellenwerke sicli zerstreut an verschiedenen
Orten befinden, auch zu ihrem Yerstandniss eine Kenntniss zahl-
reicher Sprachen und Mundarten erfordern. Doch liessen sich
diese Hindernisse dadurch iiberwinden, dass Fachgelehrte des In-
und Auslandes auf besondere Anfragen bereitwMligst die nothige
Auskunft ertheilten. In wie hohem Grade dadurch die Unter-
suchung gefordert wurde, erhellt beispielsweise aus den Kapiteln
iiber Palastina, Babylon, Indien, Arabien und Spanien; dort und an
andern Stellen sind die speziellen Mittlieilungen von Fachgelehrten,
soweit es der Raum gestattete, wortlich mitgetheilt. Dfeneben
verdanke ich mehreren Gelehrten mannigfache Fingerzeige, die
zur Kntdeckung und zura Verstandniss dor Quellen fiihrten. Allen
diesen Herren, durch deren giitige Mitwirkung die Durchfiihrung
der Arbeit erleichtert wurde, erlaube ich mir hiermit den warmsten
IV Vorrede.
Dank auszudriicken. Besonders habe icli dem Herrn Arcliivdirector
Dr. H. Pfannenschmid zu Colmar zu danken, dass derselbe mich
nicht nur seit Beginn der Untersuchung zur Ausdauer ermuntert
und mit dem reichen Schatz seiner gelehrten Kenntnisse zu
manchen Hauptquellen hingeleitet, sondern auch bei der ge-
sammten Correctur unterstiitzt hat.
Es wird leicht sein, der vorliegenden Arbeit erhebliche Mangel
vorzuwerfen. Zunachst wird die Schreibart Manchem als trocken
und schwerfallig erscheinen; doch erkliirt sich dies dadurch, dass
ich, um die Erkenntniss der Wahrheit zu fordern, unter Yer-
meidung polemischer Erorterungen , jede Behauptung moderner
Schriftsteller einer ernsten und niicliternen Priifung unterziehen
zu miissen glaubte. Ferner wird der Leser vielleicht bei Durch-
sicht des Buchs den Eindruck gewinnen , dass fiir einige Fragen
(z. B. iiber Heirathsabgaben) ein iibermassig reichliches Material
zusammengetragen sei; 'doch lasst sich hierauf erwiedern, dass
mancher Gesichtspunkt, der dem Einen als minder wichtig er-
scheint, von Andern fiir den Schwerpunkt der ganzen Unter-
suchung gehalten wird, und dass ein Ueberraass urkundlicher
Nachweisungen unschiidlich ist, da der Leser die Ausfuhrungen,
die ihm entbehrlich erscheinen, iiberschkigen kann. Endlich liegt
in der Natur der Sache Grund zur Besorgniss, dass mir einige
Quellen der Geschichte uud Sage verborgen geblieben sein mogen.
Allein auf Grund von etwa sechshundert Druckvverken mit nahezu
fiinfhundert Urkunden , und auf Grund der Belehrungen von
dreissig bis vierzig Fachgelehrten, glaubte ich die Arbeit, wie sie
vorhegt, schon jetzt veroffentlichen zu diirfen; denn die Fiille
des benutzten Materials schien eine ausreichende Gewahr dafiir
zu bieten, dass eine weitere Forschung schwerlich zur Erschiit-
terung des Schlussergebnisses, sondern nur zur Berichtigung von
Einzelheiten fiihren wiirde. Gleichwuhl ist die moglichste Auf-
kliirung nach allen Richtungen wiinschenswerth; daher werde icli
Vorrcde. V
mit gebiihrendem Dank jede Mittheilung cntgegennehmen, die
dazu dienen kann , Irrthiimer zu berichtigen und uber die an-
geregten Fragen mehr Licht zu verbreiten.
An alle diejenigen Gelehrten der Gegenwart, deren Lehren
oder Meinungen beziiglich des jus primae noctis hier bekampft
sind, ergeht die dringende Bitte um strenge Priifung der beider-
seitigen Ansichten, unter Beriicksichtigung der in diesem Buch
mitgetheilten Quellen, soweit dieselben ihnen bisher unbekannt
waren. Diese Bitte richtet sich namentlich an folgende Herren,
und zwar in Deutschland an Professor Dr. Adolf Bastian zu
Berlin, Dr. Jacob Buchmann zu Breslau, Professor Dr. Christian
Adolph Helfferich zu Schaffhausen in Wiirttemberg, Dr. Henne-Am
Rhyn zu Gohlis bei Leipzig, Landesrabbiner Dr. L. Herzfeld zu
Braunschweig, Dr. Georg Friedrich Kolb zu Miinchen, Dr. Albert
Hermann Post zu Bremen, Dr. Wilhelm Schaffner zu Frankfurt
a. M. und Professor Dr. Karl Weinhold zu Breslau; in Oester-
reich an Dr. Adolph Jellinek und M. Kub'scher, Beide zu AVien;
in Belgien an Professor Dr. Franz Laurent zu Gent und Dr.
Felix Liebrecht zu Liittich ; in England an Dr. James Stephen
(Professor of English Law at King's College); in Frankreich
an M. Joseph Eugene Bonnemere zu Paris, M. Jules Delpit
(Membre de TAcademie de Bordeaux) zu Bordeaux, Dr. M. A.
L. F. Giraud-Teulon (Membre de TAcademie de medecine) zu Paris,
M. Leon de Labessade zu Paris, M. Edouard Rene Lefebvre Labou-
laye (Senateur et Membre de rinstitut) zu Paris, M. G. Bascle de
Lagreze (Conseiller a la Cour d'appel de Pau), M. G. J. B. E.
W. Legouve (Membre de Flnstitut) zu Paris, M. Jules Pinard
(Professeur d'histoire au lycee Condorcet) zu Paris und M. Yictor
Vallein (Redacteur en chef de rindependant du departement de
la Charente Inferieure) zu Saintes; in Spanien an D. Amalio
Marichalar Marques de Montesa und D. Cayetano Manrique zu
Madrid; in Italien an Professor Dr. Angelo de Gubernatis zu
yi Vorrede
Florenz; in der Schweiz an Professor Dr, Joh. Jac. Bachofen
zu Basel und Professor Dr. Johannes Scherr zu Ziirich. Auch
empfiehlt sich die Beachtung dieser Untersuchung fiir die Ge-
lehrten, denen die Fortsetzung der AYerke von Dalloz, Littre und
Mozin-Peschier obliegt , sowie fiir die Redaktionen derjenigen
offentlichen Bliitter, in denen die hier bekampften Ansichten ver-
theidigt wurden. Die letztere Bemerkung bezieht sich namentlich
in Deutschland auf die Allgemeine Zeitung, den Deutschen Mer-
kur (Organ fiir katholische Keformbewegung), die Zeitschrift fiir
deutsche Philologie, Orient und Occident, Im neuen Reich und
das Archiv fiir Anthropologie , sowie in Frankreich auf das
Journal des Debats, Le Siecle, Le Droit (Journal des Tribunaux)
und die Archives Israelites.
Das auf Seite XIII— XLIII mitgetheilte Yerzeichniss der
benutzten Biicher, nebst Xotizen iiber die Lebenszeit der Yer-
fasser, wird zur Erleifchterung der Kritik und weiterer Unter-
suchungen niitzlich sein.
Colmar im Elsass, im Juni 1881.
Dr. Karl Schmidt.
Iiihalt.
/ . Seite
Vorrede iri
Titel der benutzten Bucher, mit Angaben iiber die Lebenszeit der
Verfasser xm
Erster Absclinitt.
Darstellung und Beurtheilung der modernen Theorieen iiber das
jus primae noctis.
I. Ei)ileitung . Art cler Beweisfilhrung.
A. Behauptungen moderner Schriftsteller, Kap. 1 .
B. Charakteristik moderner Beweisfiihrung, Kap. 2
C. Etymologie, Kap. 3
D. Geschichtliche Notorietat, Kap 4 . . .
E. Lebendige Ueberlieferung, Kap. 5 . . .
//. Theorieen ilher Wirlatng des jus primae noctis im Erhreclit,
Kap. 6.
1. Vorzug des zweiten Sohnes 24
2. Vorzug des jiingsten Sohnes (Minorate) .27
3. Vorzug des Schwestersohnes 32
IIL Theorieen iiber Ursprung und Entwicklung des jus primae
noctis.
A. Hetarismus und Hauptlingsrecht, Kap. 7
B. Heidnisches und christliches Priesterthum, Kap. 8
C. Sklaverei und Feudalitat, Kap. 9 . . .
D. Brutalitat des Mittelalters, Kap. 10 . . .
E. Droit de cuissage oder jambage, Kap. 11 .
F. Heirathsbeschrankung der Vasallen und Horigen, Kap. 12
G. Heirathsabgaben (im Allgemcinen), Kap. 13 . . .
ym Inlialt.
Seite
IV. Heirathsabgaben hi den einzelnen europaischen Lcmdern.
A. In Grossbritannien :
1. Wales, Kap. 14 68
2. Schottland. Kap. 15 75
3. England, Kap. 16 83
4. Irland, Kap. 17 90
B. Heiratlisabgaben in Frankreich :
1. Normandie. Kap. 18 91
2. Andere Provinzen Frankreichs, Kap. 19 97
C. Heirathsabgaben in den Niederlanden :
1. Belgien. Kap. 20 103
2. Holland, Kap. 21 108
D. Heirathsabgaben in De^itschland, Kap. 22 113
1. Urkunden iiber Begriindung und Anerkennung von Heiraths-
abgaben . . . . . . . . . . . 113
2. Besondere Namen zur Bezeichnung von Heirathsabgaben . . 125
E. Heirathsabgaben in Oesterreich-Ungarn, Kap. 23 ... . 137
F. Heirathsabgaben in Italien, Kap. 24 138
G. Heirathsabgaben in Spanien, Kap. 25 ...... 139
H. Heirathsabgaben an Kameraden des Brautigams, Kap. 26 . . 140
V. Vorschri^^ten Uber die Hochzeitsnacht.
A. Religiose Vorschriften, Kap. 27 ....... 146
B. Staats- und privatrechtliche Bestimmungen. Kap. 28 . . . 158
Zweiter Abscliiiitt.
Darstellung und Beurtheilung der einzelnen Nachrichten uber das
jus primae noctis.
A. Galt das jus primae noctis ini Alterthum?
I. A s i e n :
a. Palastina und Babylon :
1. Eine im Talmud erwahnte Nachricht, Kap. 29 . . . 163
2. Veranlassung des Aufstandes der Makkabaer. Kap. 30 . 168
b. Arabien:
1. Verordnung des Konigs Sharahbil von Saba, Kap. 31 . 176
2. Untergang der Araberstiimme Tasm und D.jedis, Kap. 32 . 180
II. Africa: Hcrodot's Nachricht iiber die Adyrmachiden, Kap. 33 . 189
III. E u r o p a :
a. Griechenland : Ein Tyrann von Kephalonia. Kap. 34 . 189
b. Romisches Reich :
1. Herrschaft der SkLiven zi; Vohsinii. Kap. 35 . . . 190
Inhalt.
2. Ein (lesetz des Kaisers Caligula, Kap. 36 . . . . 191
3. Eine Massregel des Kaisers Maximin. Kap. .'57 . . 192
Nord-Europa:
1. Eine Stelle des Rigsmal-Liedes, Kap. 38 . . . . 194
2. Eine Nacliricht von Solinus iiber die Hebriden, Kap. 3!) . 195
3. Ein Gesetz des Konigs Evenus III. von Schottland, Kap. 40 196
4. Veranlassung der Schlacht von Gabhra in Irland, Kap. 41 206
B. Galt das jiis primae noctis im Mittelalier
I. I n d i e n :
a. Untergang der Stadt Harapa, Kap. 42
b. Recht des Konigs von Tsiampa, Kap. 43
c. Buddha-Priester in Cambodja, Kap. 44
d. Brahmanen in Ostindien, Kap. 45
II. Russlan d:
Eine Chronik iiber „das Fiirstliclie". Kap. 46 . . . .
III. Deutschland und Schweiz:
a. Unbestimmte Nachrichten aus Deutschland. Kap. 47
b. Aufstand gegen die Zwingherren von Ravenstein. Kap. 48
c. Aufstand gegen die Zwingherren von Vatz, Kap. 49
IV. Oesterreich:
Aufstand gcgen Gundobald von Pergine, (Persen) in Siid-Tirol,
Kap. iyO
V. Italien (Piemont) :
a. Privileg des Hauses della Rovere, Kap. 51
b. Veranlassung der Griindung von Nizza deUa Paglia. Kap. 52 .
c. Aufstand gegen die Herren von Prelley und Parsanni. Kap. 53
VI. Frankreich:
a. Gewolinheitsrechte :
1. Reclit der Kanoniker zu Lyon, Kap. 54 . . .
2. Droit de braconnage des Herrn von Mareuil, Kap. 55
3. Recht der Aebte von Mont-Saint-Michel iiber die Bauern
von Verson, Kap. 56 ...... .
4. Reclit des Grafen Guido von Cliatillon zu Fere, Kap. 57
5. Reclit des Herrn von Larivi^re-Bourdet, Kap. 58
6. Die alte Coutume von Burgund, Kap. 59 .
7. Der „acte de repret" in der Franche-Comte. Kap. 60
8. Recht in dev Gascogne, Kap. 61 .
b. Gerichtliche Entscheidungen :
1. Urtheil des Gross-Seneschalls von Guyenne vom 13. Jul
1302. Kap. 62
2. Prozess der Bischofe von Amiens vor dem Parhiment zi
Paris, Kap. 63
3. Prozess des Abts von Rebais vor dem Parlament zu Paris
Kap. 64
212
214
214
215
221
225
228
228
230
239
239
241
244
247
2.50
252
253
254
255
258
259
267
282
X Iiihalt.
Seite
4. Urthcil des Parlaments zu Bordeaux voni Jahr 146!^, Kap. 65 282
5. Prozess der Lehnsberren der Auvergne. Kap. 66 . . 283
c. Kampfc und Aufstande :
1. Historial du Jongleur. Kap. 67 285
2. Aufstand gegen Richard II., Herzog der Normandie, und
gegen den Grafen Des Vertus, Kap. G8 . . . . 286
3. Aufstand gegen die Abtei Montauriol und Griindung von
:\Iontauban, Kap. 69 288
VII. S p a n i e n :
a. Catalonien : Sohiedsurtheil des Konigs Ferdinand vom 21. April
1486, Kap. 70 293
b. Navarra. Aragon, Castilien und Galicien. Kap. 71 . . . 306
VIII. Canarische Inseln. Iliiuptlingsrccht, Kap. 72 . . . 308
C. Galt das Jus primae noctis in der Neiizeit ?
I. A s i e n :
a. Der Chodscha (Priester) bei den Dusik-Kurden, Kap. 73 . 309
b. Israeliten und Nestorianer in Kurdistan, Kap. 74 . . . 311
c. Kouige und Brahmanen in Ostindien, Kap. 75 . . . . 312
d. Hiiuptlingsrecht auf den Andamanen, Kap. 70 . . . . 323
e. Die Orang-Sakai auf Malakka und die Bewohncr der (Vstlichen
Molukken. Kap. 77* 324
II. E u ro p a:
a. Frankreicli :
1. Gewohnheitsrechte :
c(. Die Coutumes vom Jahr 1507 aus dem Amt Amiens,
Kap. 78 325
3. Recht des Herrn von Lobier in Bearn, Kap. 79 . . 330
y. Recht des Herrn von Bizanos in Bearn, Kap. 80 . . 335
0. Recht in Bigorre, Kap. 81 336
2. Gcrichtliche Entscheidungen :
a. Prozess eines Pfarrers vor dem Mctropolitangericht zu
Bourges, Kap. 82 339
,j. Prozess des Klosters Sanct-Stophan zu Nevers vor dem
Parlament von Paris, Kap. 83 .... . 343
y. Prozess iiber Rechte der Herrcn von Souloire vor dem
Parlament zu Paris, Kap. 84 ..... 346
0. Prozess des Grafen von ^lontvallat vor dem Gcrichts-
hof der Grands-Jours von Clermont, Kap. 85 . . 349
b. Italien :
1. Gesetz des Gro.ssherzogs Cosmo III. von Toscana vom Jahr
1691, Kap. 86 351
2. Gesetz des Konig.s Ferdinand IV. bcider Sicilien vom Jahr
1785. Kap. 87 351
c. Schweiz:
Zwei Weistliiimer von 1538 und 1543. Kap. .'8 . . . 352
Inhalt. XI
Seite
d. RussliiiKl:
Ereignissc des achtzehutcn und neun/ehntoii Jalirliunderts.
Kap. 89 353
III. A m e r i k a :
a. Droit dc cuissagc in Can.ida. Kap. 90 ..... 356
b. Caziken und Pajcs in :\Iittcl- und Siid-Amerika. Kap. 91 . 357
IV. Anstralien:
Die Ulitaos auf den Marianen, Kap. 92 . . . . . . 364
Britter Absclinitt.
Riickblick und Ergebniss.
A. Riickblick, Kap. 93 363
I. Berichte iind Sagen :
1. Nachrichten iiber Dctloration der Braute durch Priester oder
Hiiuptlinge 365
2. Sagen iiber Deflorirung der Briiutc durch Tyranncn . . 367
3. Eine Sage iiber die Fenier Irlands 369
4." Sagen der Neuzeit iiber Entstehung von Heirathsabgaben 369
5. Sagen der Neuzeit iiber Aufstande wegen des jus primae
noctis 371
6. Sagen der Neuzeit iiber Prozesse wegen des jus primae
noctis ........... 372
7. Sagen der Neuzeit von Urkunden iiber das jus primae
noctis 372
8. Sagen der Neuzeit*iiber herkommliche Schandungsrechte
des Mittelalters ......... 373
II. Urkundenbeweise:
1. Gesetze 373
2. Urkunden iiber Gewohnheitsrechte 374
3. Gerichtliche Entscheidungen ...... 376
B. Ergebniss, Kap. 94 379
Register.
I. Urkunden-Register 381
II. Namen- und Sachregistcr 383
Berichtigungen und Naclitrage 397
Titel der beiiiitzten Biielier,
mit Aiii^aben iiber Lqbeiiszeit der Aerfassei
Abulfaragius. Abu'1 Farag (gel). 1221, st. 1286 oder 1305 J. S. Pocock.
Abulfeda. Abulfedae historia Anteislamica, arabice , edidit , versione latina,
notis et indicibus auxit Henricus Orthobius Fleischer, Lipsiae 1831.
(Abulfeda Ismael fil. Ali , fil. Mahmudi, fil. Muhammedis, fil. Omari, fil.
Schahinschahi, fil. Jobi, geb 1273, st. 1332 oder 1347.)
Academie der Wissenschaften. bayerisclie, s. v. Hormayr, v. Martius.
— franz(")sische, s. Berger de Xivrey, Dict. Acad., Lagreze (1864), Mem. Acad.,
Mignet, Sacy.
— osterreichische, s. Chabert und Wolf.
— russische, s. Melanges Asiatiques iind Steinsclineider (1867).
AA. SS. Acta Sanctorum der Boliandisten . nach den Tagen des Kalenders
geordnetj insbes. Acta Sanctorum Aprilis , coUecta, digesta. illustrata a
Godefrido Henschenio et Daniele Papebrochio (geb. 1628, st. 1714) e S. J.,
Bd. 3, Antverp. 1675 : Acta Sanctorum Junii. Bd. 2, Antverp. 1698 : Acta
Sanctorum Septembris, Bd. 6, Antverp. 1757.
Acts of the Parl. of Scotl, The acts of the Parliaments of Scotland , printed
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Aeneas Silvius. Aeneas Silvius, episcopus Senensis, postea Pius Papa II (geb.
1405. st. 1464), Historia Rerum Friderici tertii Imperatoris, Argentorati
1685.
Albiruni. Tlie chronology of ancient nations , an cnglish version of the arabic
text of the Athar-ul-Bakiya of Albirfmi , or „ve8tiges of the past", col-
lected and reduced to writing by the Author in A. H. 390—1, A. D. 1000,
translated and edited by Dr. C Edward Sachau, London 1879. (Ab(i-
Railian ^luhammad b. Ahmad Albiriini, geb. zu Berfin . einer Yorstadt
von Khiwa, am 4. Sept. 973. st. 11. Dec. 1048)
Allg. Lit. Anz. Allgemeiner Literarischer Anzeiger, oder Annalen der ge-
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Titel der honutzteii Biicjier. XV
Badger s. unter Yartlieinii.
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tionis ex Aleppo ad regnum Pegui usque, novem continuis annis a Ca-
sparo Balby et aliis absolutae descriptio (Caspar Balby war in Indien
von 1579—1588.)
Baluz. Lact. Steph. Baluzii Tutelensis (geb. 24. Dec. 1()30. st 28. .Tuli 1718)
notae ad Lactantium, rec. Bauldri, Traj 1692.
— Reg. Stepli. Baluzii Tutelensis notae ad Ileginonem im Anhang zu der
Ausg. von Regino (s. Regino).
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Barbosa. Colleccao de Noticias para a historia e geografia das nag.oes ultra-
marinas que viven nos dominios portuguezes. ou Uies sao visinhas, publl-
cada de la Academia real das sciencias, tomo II, num. VII, Livro de
Duarte Barbosa, Lisboa 1813. (Duarte Barbosa, st. 1. Mai 1521 , war
seit 1516 in Indien.)
Barthelemy. Anatole Jean Bapt Aiit. de Barthelemy (geb. 1. .Tuli 1821), Le
droit du seigneur, in der Revue des questions historiques. vol. I. Paris 1866,
S. 95—123.
Bastian. Adolph Bastian (geb. 26. Juni 1826), Die Rechtsverhaltnisse bei
verschiedenen Volkern der Erde, Berlin 1872.
Baureili. Varietes Bordeloises, par Tabbe Baurein. N. ed., Bd. 3, Bordeaux 1876.
Bayle. Pierre Bayle (geb. 1647, st. 1706). Dictionnaire historique et critique
(erschien zuerst 1697), cinquieme edition, Amsterdam etc. 1740, 4 Bde.
Beaumarcbais. Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (geb. 24. Jan. 1732,
st. 19. Mai 1799), Le Mariage de Figaro. ou la Folle Journee, comedie en
cinq actes (in vielen Ausgaben).
Beaumont. The works of Mr. Francis Beaumont (st. 1615) and Mr. John Flet-
cher (geb. 1576, st. 1625), in ten volumes by Mr. Theobald, INIr. Seward
and Mr. Sympson, Lond. 1750, Bd. 2, The custom of the Country (von 1616).
Beaurepaire. Charles de Beaurepaire, Charte portant abolition du droit de
.,culagiura" dans le fief de Pierrecourt. in der Bibliotheque de l'ecole des
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vgl. Mignet Bd. 28 S. 167.)
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Freiherr von Reinsberg-Diiringsfeld (geb. 1815, st. 1876), Ilochzeitsbuch,
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Du Verdier, Antoine Du Verdier, Sieur de Vauprivaz (geb. 11. Xov. 1544,
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Encycl. Eacyclopedie ou Dictionnaire raisonne des sciences, des arts , et des
metiers, par une societe de gens de lettres, mis en ordre et publie par
M. Diderot de TAcademie Royale des sciences et des belles lettres de
Prusse, et quant a la partie mathematique, par M. d'Alembert de
TAcademie etc. , erste Ausg. in gr. Fol.. Paris 1751 fF. (Mitbenutzt sind
folgende spatere Ausgaben: Geneve 1777 — 1779 in 4", Bd. 10, Geneve
1777, auch die Octav-Ausg. , Berne et Lausanne, Bd. 10 v. 1782 und
Bd. 11 der Ausg. Lausanne et Berne 1779).
Encycl. meth. Encyclopedie methodique ou par ordre de matieres par une
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bis 1832, die Bande iiber Jurisprudence.
Erliard, Cod. dipl. Heinrich August Erhard (geb. 1793, st. 1851), Codex
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Espeisses. Antoine d'Espeisses (geb. 1594, st. 1658) , Des droits seigneuriaux,
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Espen. Zeger Bernhard van Espen (geb. 1646, st. 1728), Ju.s ecclesiasticum
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Estor. Johann Georg Estor (geb. 1699, st. 25. Oct. 1773). Commentarii de
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Fell. Thomas Gale (geb. 1636, st 1702) und ,Tohn Fell (gcb. 1625, st. 1686),
Ilcrum Anglicarum Scriptorum vcterum tom. I, Oxoniae 1684.
Titel der benutzten Biicher. xxiil
Fellens. Die Schrecken iler Fcudal- und Herrenreclite dos Adcls und der
Pfaften. Hiatorisch-romantische Schilderung der qualvoUea Leiden und
Martern der Leibeigenen durch grausame Despotie und Torturge^valt,
durch Wollustbefriedigung, unerhorte Bedriickungen, Erpressungen und
iScliandthatcn der Feudalherren. Nach archivalen Quellen von Karl Fellens
(Ciiarles Fellens, r^dacteur de hi Tribunej , deutsch von Ludwig von
Alvenslei)en (geb. 1800), 2 Bde., Weiniar IS.jI.
Perraris. Lucii Ferraris prompta bibliotheca canonica, juridica, inoralis,
theologica, Ausg. v. Phil. a Carboneano, Bd. 1, Genuae 1767.
Fischer. Fricdrich Christpph Jonathan Fischer (geb. 12. Febr. 1750, st. 30. Sept.
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Fleta. Fleta (aus der Zeit des K(inigs Eduard L, 1272 — 1307), seu Commen-
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Fordun. Joannis de Fordun (der im 14. Jahrh., nicht, wie Jocher angiebt,
im 11. Jahrh. lebte) Scotichronicon , cum siipplementis et continuatione
Walteri Boweri, insulae S. Columbae Abbatis, ex cod. manuscr. editum,
cura Walteri Goodall (geb. 1706, st. 1766), Edinburgi 175!l. 2 Bde.
Fors de Bearn. S. Mazure.
Francisci. Erasmus Fraucisci (geb. 19. Nov. 1627 , st. 20. Deo. 1694) , Neu-
polirter Geschicht-, Kunst- und Sitten-Spiegel auslandischer Volker,
Niirnberg 1670.
Frank. Joh. Pet. Frank (geb. 1745, st. 1821), System einer voUstandigen
medizinischen Polizei, Bd. 1, Wien 1786.
Frankel. Monatsschrift fiir Geschichte und Wissenschaft des Judenthums,
herausgegeben von Z. Frankel, fortgesetzt von H. Gratz, 25. Jahrg., 1876
uud 28. .Jahrg., Krotoschin 1879.
Freycinet. Claude Louis de Freycinet (geb. 1779. st. 1842J , Voyage autour
du monde, entrepris par ordre du roi . execute pendant les annees
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Fusslin. Johann Conrad Fusslin oder Fiissli (geb. 1704, st. 1775), Erorterung
der Frage, ob der Meyer zu Mauer in der Grafschaft Greifensee das
Recht gehabt habe, mit seiner Hofjiinger Brauten die erste Nacht zu
Bett zu gehen, im Hamburger Magazin, Bd. 12, Hamburg 1753 S. 154—173.
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deserta and Arabia felix , in Persia . India and Ethiopia, A. D. 1503 to
1508, translated from the original Italian edition of 1510, with a preface
by John Winter Jonef, and edited with notes and introduction by George
Percy Badger, London 1863 in 8". Daneben sind auch zw^ei deutsche
Ausgaben desselben Verfassers benutzt, namlich : Ludwig Bartomans,
eines romischen Kathsherrn , von der Schifffahrt etc. , bei INIichael Herr,
Neue Welt, Strassburg 1534, Bl. 58 ff. , und: Die ritterliche vnd lob-
wirdige Reyss des Gestrengen vnd vber all ander weit erfarnen Ritter
vnd Landtfarer Herrn Ludouico Vartomans von Bolonia etc. Frank-
furt a. M. 1556.
Velly. Paul Fran^-ois Velly (geb. 9. April 1709, st. 4. Sept. 1759), Histoire
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Verhuefen. Indiae Orientalis pars nona , historicam descriptionem navigationvs
ab Hollandis et Selandis in Indiam Orientalem , sub imperio Petri Gui-
lelmi Verhuffii, cum novem majorum et quatuor minorum navium classe
annis 1607, 1608 et 1609 susceptae continens, auctore M. Gotardo Ar-
thusio Dantiscano, Francof. 1612.
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Bruxelles 1878, stimmt mit der 2. iiberein.)
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durch Georg von Wyss , Ziirich 1856 (im Archiv fiir schweizerische Ge-
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Voltaire. Oeuvres compl^tes de Voltaire (Marie Francois Arouet de Voltaire,
geb. 21. Nov. 1694, st. 1778), avec des avertissements et des notes de
Condorcet, imprimees aux frais de Beaumarchais, par les soins de M'.
Decroix (Kehl) 1784—1789, in 40 Banden, insbes.: Bd. 8 S. 109—221,
Le droit du Seigneur, comedie. representee a Paris, en 1762, en cinq
actes, sous le nom de TEcueil du Sage, qui u'etait pas son veritable
titre, remise au theatre en 1778, en trois actes, apres la mort de Tauteur;
Bd. 27, S. 191 — 292, La defense de mon oncle (zuerst 1767 erschienen);
Bd. 37 — 43, Dictionnaire philosophique (vom Jahr 1764), unter Cuissage
ou Cullage und Taxe. (Vgl. Ausg. Paris 1819-1825 Bd. 5 S. 183-288,
Bd. 24 S. 247-344, Bd. 35 S. 44-47, 49, Bd. 38 S. 362, 363.)
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Zobel. Christoph Zobel, Ausgabe des Sachsenspiegels mit Anmerkungcn.
Leipzig 1561, fol.
Zopfl. Heinrich Zoijfl (geb. 6. April 1807, st. 4. Juli 1877 ), Deutsche Rechts-
gesehichte, 4. Aufl., Bd. 2, Braunschweig 1872.
Zuckermandel. M. S. Zuckermandel, Die Erfurter Handschrift der Tossefta,
Berlin 1876.
Zurita. S. Qurita.
Erster Absclinitt.
Darstelluiig iiiid Beurtlieiluui; der uioderueu
Tlieorieeu iiber Jus priuiae uoctis.
I. EinleituDg. Art der Beweisfulirung.
A. BeJiaKptungen niodenier Schriftsteller.
Kapitel 1. Seit dem sechzelmten Jahrliimdert verbreitete sich
die Sage, zur Zeit des Kaisers Augustus hatte Evenus III., Konig
von Schottland, ein Gesetz erlassen, wonach der Grundherr bei
Hochzeiten seiner Untergebenen das Recht haben sollte, die erste
Keuschheit der neuvermiihlten Jungfrau zu kosten. Dies Gesetz
habe dem Grundherrn die erste Nacht gewiihrt und sei erst nach
mehr als tausend Jahren durch Konig Malcolm III. abgeschafft
worden. Manche Schriftsteller, die an diese Erzahlung glaubten,
verbanden damit die Yorstellung , in andern Landern hiitte das-
selbe Recht gegolten; und sie fanden darin das Mittel, eine Reihe
verschiedenartiger IS^achrichten und Urkunden zu erklaren. Eine
Zusammenstellung derselben steht schon in der ersten Ausgabe
von Ducange (1678) und im Glossar von Lauriere (1704) und ist
daraus mit mehrfachen Zuthaten in die neueren Ausgaben von
Ducange iibergegangen. Aus dieser Quelle schopften die Ency-
klopiidisten Boucher d'Argis (A.), Chevalier de Jaucourt (D. J.)
und Garran de Coulon (G. D. C.) ihre Mittheiluugen , die dann
von spiiteren Schriftstellern wiederholt wurden. Sie betrachteten
es als geschichtlich festgestellte Thatsache, dass jenes Recht ge-
golten habe *, oder wenigstens von gewissen Herren in Anspruch
genommen worden sei ^. Zu den Yertretern dieser Meinung ge-
* Encycl. unter Culage, von Boucher d"Argis , 1. Ausg. Bd. 4 von 1754,
S. 548 : . . . ;,la coutume infrtme qui donnait a ces seigneurs la premiere nuit
des nouvelles mariees". . .
2 Encycl. unter Droits abusifs, von Boiicher d'xVrgis, 1. Ausg. Bd. 5
von 1755, S. 142: . . . „des droits de cullage ou de cuilliage. et de cuisage, en
Sclnnidt, .Jws primae noctis. 1
2 Kapitel 1. Beliauptungen moderner Schriftsteller.
lioren Voltaire, Boutaric, Renaiildon, ferner die Yerfasser des
Grand Yocabulaire und des Dictionnaire de Trevoux, ferner
Dulaure, Merlin, Dalloz, Chateaubriand, Collin de Plancy, Peuchet-
Chanlaire und Girault de Saint-Fargeau ^. Auch in das Worter-
buch der franzosischen Akademie wurde sie (1836 und 1844)
aufgenommen^, obwohl sie inzwischen durcli mehrere Schrift-
steller verschiedener Lander, insbesondere durch J. Gr. Heineccius
(1736), Wachter (1737), Grupen (1748), Justus Moser, Houard
(1766 und 1776), Sir David Dah-ymple Lord Hailes (1797) und
Raepsaet (1817) bekampft war.
Dieselbe Lehre wurde in allen Formen von Unterhaltungs-
schriften ^ weit verbreitet. Schon Beaumont und Fletcher machten
jenes Recht zum Mittelpunkt eines Schauspiels , „Custom of the
Country". Auch Voltaire * und Beaumarchais schrieben Schau-
spiele* dariiber. Rastelli folgte mit einer epischen Dichtung. Aus
dem Schauspiel von Beaumarchais entnahm Mozart den Text zur
Hochzeit des Figaro. Auf dasselbe Recht beziehen sich komische
Opern von Martini und Laval und von Boieklieu, und ein Vaudeville
von Delacour und Jaine, ferner ein Roman ^ von Charles Fellens
und eine mittelalterlich geschriebene romantische Erziihlung,
Historial du Jongleur, die von Malivoir herriilirt, endlich eine
vertu desquels eertains seigneurs pretendoient avoir la premiere nuit des nou-
velles mariees". . .
1 Voltaire, Dict. phil. unter Cuissage und Taxe, upd Def. de mon oncle.
Boutaric, chap. 15, unter Droit de marquettes. Renauldon, liv. 5 ch. 10
S. 450, unter Droit de marquettes. Grand Yocab. Bd. 7 S. 308 und Bd. 17
S. 173, 236. Dulaure. Adel S. 241—243. und Montauban S. 27, 28. Merlin,
Rep. , unter Culage und Markette. Dalloz im Dict. gen. und im Rep. unter
Adultfere. Chateaubriand S. 386. Collin de Plancy Bd. 1 S. 165, 166.
Peuchet-Chanlaire , Montauban S. 23, 24. Girault de Saint-Fargeau S. 629.
2 Dict. Acad. Suppl. unter Markette und Prelibation. Dict. Acad. Compl.
unter Cullage, Prelibation und Jambage. — In der siebenten Ausgabe des
Dict de TAcademie Frangaise , vom Jalir 1878, fehlen die betrefFenden Aus-
spriiche.
^ Vgl. die Verzeichnisse bei Pericaud S. 10; Lagr^ze S. 393; Delpit
S. 134—136; Nuits d'epreuve S. 82; Labessade S. 181—184.
* Nach Voltaire's „Droit du seigneur" Avar dies Recht in der Picardie
zur Zeit Heinrichs II. (1547—1559) dahin abgeschwacht, dass der Herr nur
noch das Recht hatte, sich mit der jungen Frau eine gewisse Zeit lang unter
vier Augen zu unterhalten. — Man behauptet, der Schauplatz der Picardie sei
deshalb gewahlt ■worden, weil dort friiher das jus primae noctis in bes»nders
grosser Ausdehnung geherrscht habe. Vgl. Hist. de Ponthieu S. 240; La-
bessade S. 73.
* Dem Vernchmcn nach ist kiirzlich cln „pikantor und scnsationeller'''
Roman iiber jcnes Rccht bei SchottUinder in Breshiu crschicnen.
Jvjipitcl 1. BclKiuptuiigeii modcrncr Schriftsteller. 3
Novcllu iii Briufen von deni "Wicner Publicisten David Spitzer.
Die letztgenannte Novelle vcrspottet einen Gelelirten, der es
untcrniranit, den Glauben an jenes Recht durch wissenschaftliche
Studicn zu erschiittern. Ein Roman iiber Garibaldi's "Wirksam-
keit in Uruguay (1842) enthiilt ein Kapitel mit der Ueberschrift:
„Jus primae noctis", gebraucht jedoch diesen Ausdruck in einem
anderen als dem gewohnlichen Sinn des Wortes, indem er einen
ungliicklichen Spieler schildert, der an seinem Hochzeitstage vor
der Trauung das jus primae noctis an seiner Braut (der spiiteren
Gattin Garibaldi's, Aniella Crousa) gegen das Gold der Bank
einsetzte ^
In Frankreich entwickelte sich ein lebhafter Streit iiber jenes
„Droit du seigneur" aus Anlass eines Berichts, den Dupin der
Aeltere am 25. Marz 1854 in der Akademie der Wissenschaften
iiber ein Werk von A. Bouthors verlas. Dupiu meinte, es
sei unniuglich zu leugnen, dass Grundherren und sogar Geistliche
jenes Kecht fiir sich in Anspruch genommen hatten. Diese Be-
merkung wiederholte das Journal des Debats (Louis Alloury) in
einem Leitartikel vom 2. Mai 1854. Hierauf antwortete Louis
Yeuillot mit einer Abhandlung iiber das „droit du seigneur" zu-
erst im Univers (vom 17., 20., 24. und 29. Mai 1854), daun in einem
besonderen Werke vom selben Jahr ^. Er behauptete, ein solches
Recht habe niemals bestanden; Alles, was dafiir vorgebracht sei,
beruhe auf Erfindung, Liige und Unwissenheit. Der Siecle tadelte
diese Behauptung (in der Nummer vom 18. Mai 1854) und ver-
theidigte die Meiuung Dupin's (in den Nummern vom 16., 19., 22.
und 26. Sept. 1854). Granier de Cassagnac ergriff im Constitu-
tionnel Partei fiir den Univers. Auch Didron driickte sein Ein-
verstandniss mit den Ansichten Yeuillofs aus ^. In der Zeit-
schrift Le Droit (in der Nummer vom 23. Juli 1854) entwickelte
G. Bascle de Lagreze, Rath am Appellhof zu Pau, eine vermit-
telnde Meinung, die er seitdem in drei Werken (1855, 1864 und
1867) weiter ausfiihrte. In der offentlichen Jahressitzung der
Akademie der Inschriften vom 18. August 1854 w^urde ein Kom-
missionsbericht verlesen, der sich dahin aussprach, dass jenes Recht
(im Mittelalter) nicht gegolten Iiabe '''. Der Redacteur des Inde-
1 Retcliife S. 47—105, besonders 61—65. Der Banldialter ruft (S. 63):
„Ihr jus primae noctis — gegen die Banli". •
2 Dies Werk ist nicht, wie G. Waitz Bd. 5 S. 240 meint, von „Veuillot et
Mercier", sondern von L. Veuillot allein herausgegehen.
3 Didron Bd. 15 S. 283, 284.
■* Berger de Xivrey S. 24, 25. — Jedocli ist in der Anmerkung zu diesem
1*
4 , Kapitel 1. Behauptungen modenier Schriftsteller.
pendant du departement de la Charente Inferieure, V. Yallein,
schrieb im Jahr 1855 ein Buch zur Widerlegung Veuillot's. Der
Herausgeber der Archives Israelites, S. Cahen, entschied sich in
dieser Frage im Jahr 1856 fiir Dupin, gegen Yeuillot ^ Auf Grund
der Forschungen von Lagreze bemerkte Henri Martin im Jahr
1855, es sei jetzt klar, dass es an directen Beweisen fiir jenes
Recht nicht mehr fehle ^. Derselben Ansicht schloss sich Lafer-
riere an". Jules Delpit gab im Jahr 1857 ein umfangreiches
Werk heraus, um Yeuillot's Meinuug zu widerlegen; Yeuillot
entgegnete darauf in der zweiten Auflage seines Werkes, im
Jahr 1871; Jules Delpit replicirte in einem Nachtrag vom Jahr
1873; diese Replik blieb ohne Beachtung in der dritten Ausgabe
von Yeuillofs Schrift, die im Jahr 1878 erschienen ist. Im
Jahr 1865 bestatigte Abbe Hanauer die Ergebnisse, zu denen die
Untersuchung Yeuillofs gelangt war. Anatole Barthelemy ver-
offentlichte im Jahr 1866 ein bereits zehn Jahre zuvor (im Univers
vom 19. April 1856) angekiindigtes Werk mit dem Ergebniss,
dass jenes Recht nicht bestanden habe *. Leon de Labessade hat
in einem Werke vom Jahr 1878 die Ausfiihrungen von Jules
Delpit wiederholt. Legouve, Littre und Mozin-Peschier halten
es fiir entschiedene Wahrheit, dass jenes Recht gegolten habe^.
Derselben Meinung sind der belgische Rechtslehrer F. Lau-
rent "^ und die spanischen Advokaten Amalio Marichalar Marques
de Moutesa und Cayetano Manrique ^.
In Deutschland ist die namliche Meinung in der Augsburger
Allgemeinen Zeitung, in der Zeitschrift „Im Neuen Reich" und im
Deutschen Merkur (Organ fiir katholische Reformbewegung) ^ und
von zahlreichen Gelehrten des neunzelmten Jahrhunderts ange-
Bericht die INIoglichkeit zugegeben, dass sich unter den zahlreichen Coutumes
eine einzelne, als „exception sans consdquence", fiuden moge , „oii le droit en
question se trouvat enonc6 couime ayant une portee plus grave qu'un impot
et une declaration de vassalit6". — /INIitglieder der Kommission waren Berger
de Xivrey als Berichterstatter, ferner Jomard (E. FranQois Jomard, geb. 1777,
st. 1862), Dureau de la Malle, Hase (Karl Benedikt Hase, geb. 1780, st. 1864),
P. Paris (Alexis Paulin Paris, geb. 1800), Vitet (Louis Vitet, geb. 1802,
st.- 1873) und de Laborde (L6on de Laborde, geb. 1807, st. 1869).
1 Arch. Isra^l. Bd. 17 S. 174. ^ h. Martin, 4. Aufl. Bd. 5 S. 569.
3 Laferridre Bd. 5 S. 454, 455. * Barthelemy S. 122.
5 Legouve S. 93, 94. Littr^ unter CuUage und Prelibation. Mozin-
Peschier unter Cuissage.
« Laurent S. 57. ' Marichalar Bd. 6 S. 66—70.
8 Augsb. Allg. Ztg., Bcilage v. 18. April 1868, Nr. 109, S. 1662. Im Neuen
Reich 1872, Nr. 50, S. 930. Deutscher INIerkur v. 17. April 1880, S. 124.
Kapitel 1. Beliauptuiigcn modcnier Schriftstellcr. 5
iioninion, iusbGsondero von Diimgo, Kolb , Jakob Grimm, AVoin-
hold, Sclierr, Scluiffnor, Sugonhoim, G. L. von Mauror, Buchmann,
Felix Liebrecht, Bastian und von Hellwakl ^ Andorerseits ist
dioso Meinung durch Ferdinand Walter, Adolph Wuttke und
Gierko ^ bek;impft und in oinom Artikel der Kreuzzeitung als
ein „liboralor Aberglaube" bezeichnet, der durch Liige und Miss-
vorstiindniss entstandcn sei ^ Von derselben Frago moint ZOpfl,
sie sei „wonigstons fiir Doutschland" zu verneinon*; und Mittor-
maier, man habe die „an manchon Orton vielleicht thatsiichlicli
vorgekommenen Missbriiuche" mit einom „bogrundoton Rechte"
verwechsolt ^; Bluntschli liiilt os fiir fraglich , ob jenes Recht je
gegolton liabe ^. Brinckmeier moint, „das in don alten Zeiten,
docli nur in einigen Liindern und Gegenden, angeblich ausgoiibto
Recht der orsten Nacht (jus defloratlonis, jus cunagii)" sei wohl
moistens abgelost worden ^. Brockhaus nimmt an, dass die Loib-
horren den Anspruch auf jenos vermeintliche Recht erhobon
hiltton ^, was Meyer unontschieden liisst ^ und Herder leugnet ^°.
In England ist dio Frage, ob das jus primae noctis bestanden
habe, von Blackstone und Stephen ^^ bejaht, dagegen von Astle
und Corner ^^ vornoint worden.
Der italienische Rechtsgelehrto Ant. Pertile will nicht ent-
scheiden , ob noch heutzutage Ueberreste eines jus primae noctis
vorkamen i^, scheint also anzunehmen, dass es friiher bestanden
habe. Dies wird von Angelo de Gubernatis ausdriicklich be-
hauptet und vertheidigt^*.
1 Diimge S. 19, 20. Kolb 1843, Bd. 2 S. 72. Grimm , R -A. S. 380,
Weinhold S. 194. Scherr 1858, S. 211, 569. Schaffner Bd. 2 S. 184, 185.
Sugenheim 1861, S. 104. Maurer Bd. 3 S. 169. Liebrecht 1864, S. 541.
Scherr 1865, S. 128—132. Buchmann S. 36, 68. Bastian S. 179. Liebrecht 1874,
S. 138. V. Helhvald S. 451, 494. Scherr 1876, S. 237. Liebrecht 1879, S. 423.
2 Walter, D. R.-G., § 483, 2. Ausg. Bd. 2 S. 131. Wuttke S. 352, 353.
Gierke § 10 S. 27. ^ Kreuzzeitung, Sonntagsbeilage v. 11. Juli 1875.
* Zopfl § 30 Bd. 2 S. 168 der 4. Aufl. Zu einem gleichartigen Ergebniss
gelangt die Erorterung von Liirsch. ^ Mittermaier S. 278 der 7. Aufl.
6 Bluntschli Bd. 1 S. 190. Hier irrt er in der Meinung, dass jenes Recht
nur noch fiir Schottland und Frankreich erwllhnt werde. Vgl. unten S. 19, 20.
' Brinckmeier Bd. 1 S. 307.
8 Brockhaus (1880) Bd. 2 S. 130, unter Jus primae noctis. Aehnlich
Bottger S. 476.
9 Meyer (1876) Bd. 9 S. 644, unter Jus primae noctis.
*o Herder (1878) Bd 3 S. 179, unter Jus primae noctis.
" Blackstone 9. Aufl. Bd. 2 S. 83. Stephen 5. Aufl. Bd. 1 S. 216.
" Astle S. 35. Corner S. 8, 9. '^ Pertile Bd. 3 S. 53.
^* Gubernati.s, Usi S. 198.
6 Kapitel 2. Charakteristik moderner Beweisfiilirung.
B. Charakteristik moderner Beiceisfiihrung.
Kapitel 2. Zur Kennzeichnung der Methode, die in neuester
Zeit zum Beweise eines jus primae noctis eingeschlagen wurde,
mogen folgende Beispiele dienen. Herr Dr. Felix Liebrecht zu
Liittich, der dariiber vier Abhandlungen veroffentlicht hat, stellte
in der ersten, vom Jahr 1864, unter Berufung auf einige Schrift-
steller des neunzehnten Jahrhunderts und auf „die Erklarer"
einer Shakspeare-Stelle , deu Satz auf, dass jenes Recht „im
europaischen Mittelalter weithin beansprucht wurde", wie wenn
dieser Satz keines weiteren Beweises bediirfte; er suclite dann
darzuthun, dass jenes tyrannische Recht „noch alter" sei und
„weiter geherrsclit" habe, berief sich aber dafiir lediglich auf
fiinf einzelne Nachrichten, die keineswegs geeignet waren, jenes
Recht zu beweisen. Gleichwohl verwies er im Jahr 1869 auf die
genannte Abhandlung, als ob darin bewiesen wiire, dass jenes Recht
„schon in altester Zeit" und „fast in allen Welttheilen und Liin-
dern" bestanden hatte. ]S"ur zur Ergiinzuug fiigte er einige Xotizen
aus Ferdinand Wolf, aus der Augsburger Allg. Zeitung, aus Jakob
Grimm und aus Bayle li^inzu. Dieselbe Methode beobachtete er in
den Aufsiitzen von den Jahren 1874 und 1879. In keiner dieser
vier Abhandlungen findet sich eine selbstiindige Untersuchung
iiber Aechtheit, Auslegung undBeweiskraft der Quellen fiir die ein-
zelnen Nachrichten und eine Begriindung der aufgestellten Hypo-
thesen. Dieselben Fehler finden sich in noch weit hoherem Grade
in einer phantasiereichen Abhandlung vom Jahr 1879, die im
Organ der deutschen Gesellschaft fiir Anthropologie abgedruckt
steht^ Ein franzosischer Gelehrter der Gegenwart, Herr Jules
Delpit zu Bordeaux, hat in einem Buche iiber das „droit du
seigneur" unter zweiundsechzig Abschnitten ^ eine grosse Masse
von vermeintlichen Beweisen fiir jenes Recht zusammengetragen.
Allein, abgesehen von auffallenden logischen Fehlern, die darin
vorkommen^, ist in vielen Abschnitten die Erkh'irung, wie aus
1 M. Kuiischer im Arch. f. Anthrop. Bd. 11 « 215 — Sin. \'gl. dariiber
meine Bemerkungen im Arch. f. Anthrop. Bd. 12 S. 265 — 269, worauf Herr
M. Kulischer meines Wissens nicht geantwortet hat.
- Schcinbar enthiilt das Werk Delpit's sogar 72 Abschnitte, da der letzte Ab-
schnitt die Zahl 72 tragt: allein in der Reihenfolge der Abschnitte fehlen die
Nummern 35 bis 44. — Das Buch von Leon de Labessade iiber das droit du
seigneur ist im Wesentlichen nur eine neue Auflage von dem Werke Delpit's.
^ Beispielsweise wird bei Delpit (S. 71, 72) aus der Nachricht , dass die
D omherren in Lyon jenes Recht gehabt htitten , ohne Weiteres gefolgert . es
sei w-ahrschcinlich. dass den Domherren in allen iibricen Diocescn Frankreichs
Kapitel 2. Cliarakteristik nioderner Beweisfiihrvinj^. 7
deu berichteteii Thatsachen jenes Recht soll hergeleitct werden
konnen , nicht einmal angedeutet. Dahin gehort nameiftlich die
Beschreibung verschiedener Spiele, die zu Ehren des Grundherru
aufgefiihrt wurden ^, uud die Berufung auf sonstige Gebriiuche,
worin eine ^Analogie" zum Herrenrecht der ersten Nacht oder
eine Anspielung auf dasselbe ohne Grund gefunden wird ^. Eine
dasselbe Recht ziigestanden habe. (Ueber die Domherren von Lyon s. unten
Kap. 54.)
* Unter den vermeintlichen Beweisen tur das Herrenrecht der ersten
Nacht findet sich z. B. bei Delpit, Xr. 17, S. 51 uud S. 128, die Erzahlung,
dass in zwei Herrschaften der Norraandie zu den ^droitures de mariage" die
Verpflichtung gehorte, die „quintaine" zu laufen, das heisst, ein Spiel aufzu-
fiihren, worin mit einer Lanze nach einem Pfahl geranut wurde. — Ferner
findet Delpit ohne jeden Grund eine Beziehung zum droit du seigneur in den
Spielen, welche zu Laguenne unter dem Namen ,.tire-vesse" jedes siebente
Jahr am 31. December und 1. Januar zur Belustigung der Grundherrschaft
aufgefiihrt wiirden; und zwar hauptsachlich darin, dass im Verlauf dieser
Spiele eine Reihe junger Ehemanner und eine Reihe von Junggesellen gegen-
iiber gestellt wurde, und dann die Eliemanner und Junggesellen an den
beiden Enden von Stricken rissen, bis der Eine den Andern auf seine Seite
brachte, oder der Strick zerriss. Vgl. dariiber das Urtheil des Parlaments
zu Bordeaux vom 17. Juni 1604, bei Automue Tit. 8 § 1 Art. 81: Encycl.
mnter Droits abusifs; Delpit Nr. 61, S. 89—92: Labessade Nr. 61, S. 27, 28.
2 Durch eine Notariatsurkunde vom 13. Juli 1606 verlieh Jacques de
Montmorency, bailli et gouverneur de Caen et seigneur chatelain de Creve-
coeur-en-Aulge , ein Stiick Land an den Barbier Loys Varin , der unter
den Gegenleistungen die Verpflichtung iibernahm, dem genannten Herrn und
seinen Edelleuten an den Vorabenden von Weihuachten und Ostern das Haar
zurechtzumachen und fiir den Fall, dass ein Kammermiidchen oder eine ^NIagd
aus dem Schloss heirathete, ihr gewisse Haare (die pilos cunni) abzuschneideu.
Daraus folgern Delpit (Nr. 16, S. 51 und S. 128) und Labessade (Nr. 16,
S. 20 und S. 86—91), der genannte Herr habe ein ahnliches Recht wie das der
ersten Nacht gehabt, obwohl davon in der Urkunde nicht die geringste An-
deutung zu finden ist. Labessade halt diese Urkunde fiir so wichtig, dass
er ihren ganzen Inhalt mittheilt; er versichert, zufallig in den Besitz derselben
gelangt zu sein, und berichtet, dass sie am 5. April 1770 zu Cambremer
einregistrirt worden sei. — Eine Anspielung auf das Herrenrecht der ersten
Nacht wollen Delpit (S. 125) und Labessade (S. 50) in folgendem Liede fin-
den, das nach ihrem Bericht in der Diocese Bazas bei Anfertigung des Ehe-
vertrags gesungen wurde: „Moussu cure n'es pas counteu : Bourre la nobie
et mey rargen. Moussu cure n'es pas caduc, Bourre la nobie e mey Tescut. . .
Pague, nobi, lou marguilley Te hara deicha la nobie darrey: Pague lou, nobi,
de buon argen, Te hara deicha la nobie dfeden." D. h. „Der Herr Pfarrer
ist nicht zufrieden. Er mochte gern die Braut und nicht das Geld. Der Herr
Pfarrer ist nicht gebrechlich. Er mochte gern die Braut und nicht den Tlialer.
Bezahle, Briiutigam: das Kiistergeld wird dir nun schon die Braut geben ;
bezahle ihn, Briiutigam; das Geld wird dir die Braut drinnen geben." —
8 Kapitel 2. Cliarakteristik nioderner Beweisfulirung.
derartige Analogie oder Anspielung wird von andern Sehrift-
stellern in sonstigen Spielen * und Nachrichten ^ gefunden, die in
"Wahrheit Nichts davon enthalten.
Desgleichen berufen sich Delpit (S. 114. 115) und Labessade (Nr. 67. 68,
S. 28, 29, 105) auf zwei Urtheile des Parlaments zu Toulouse , vora 24. Jan.
1549 und vom 1. Marz 1558, um nachzuweisen , dass sogar eine Dame gleich
einem hohen und machtigen Gerichtsherrn mit dem „droit de prelibation"
gespielt habe. Allein das in diesen Urtheilen erwahnte „droit de fougage"
bestand lediglich in einer Abgabe , die von allen verheiratheten Einwohnern
wahrend der Ehe zu entrichten war und nicht den geringsten Anlass bot.
an ein Herrenrecht der ersten Nacht zu denken. Dies erhellt aus La Roche-
Flavin chap. 4 art. 1 S. 603: „Par Arrest du 24 janvier 1549 le Sindic des
manans et habitans du lieu de Bordes en Lauraguois, et Magdaleine de Binet,
fut dict, et ordonne que en ce que ladite de Binet demandoit de pouvoir
prendre par droict de fougage sur les habitans mariez, et durant leur mariage
tant seulement, demy cestier de bled, et autres droits par elle exigez, abu-
sant et repugnant a la liberte du Sacrement de mariage, le Syndic et habi-
tans en furent absous et relaxez, et sans depens. Semblable arrest ffit apres
donne pour semblable subject entre TAbbe de Sorreze, comme Seigneur de
Villepinte audit pays de Lauraguois, et le Sindic des manans et habitans
dudit lieu, du 1. mars 1558-'. (Vgi. iiber die Abgabe auch Ragueau und
Lauri^re unter Fouage.)
1 Unter dem Namen Merdoulado wurde zu Tulle, auf dem Hiigel Puy
Saint-Clair, jalirlich am Sonntag vor Fastnacht ein Spiel aufgeflihrt, woran
alle im letzten Jahr verheiratheten Personen, bei Vcrmeidung einer scherz-
haften Strafe von einem Mass Hafer, theilnelimen m.ussten. Ohne jede Be-
griindung meint Beronie (S. 139), es sei wahrscheinlich, dass die Vorfahren
mit diesem Spiel das droit de cuissage abgekauft hatten. — Zu Chateauroux
in Berry wurde jahrlich am Dienstag nach Pfiugsten durch die Bewohner
einer Vorstadt ein Fest zu Ehren des Grundherrn begangen, welches „fete
du pot aux aulx ou du pot aux roses" genannt wurde. Eine Beschreibung,
wie dies Fest am 20. Mai 1777 gefeiert ward , ist durch eine Notariats-
urkunde festgestellt worden. (Hubert S. 260—264: Raynal Bd. 2 S. 207.)
Darin findet Labessade (S. 33—35) eine Anspielung auf das Herrenreclit der
ersten Nacht.
^ Dio Cassius (lib. 44 cap. 7) erzahlt, zur Zeit als die unmassigsten
Ehren auf Julius Casar gehiluft wurden, sei der Vorschlag gemacht worden,
man solle ihm gestatten, mit allen Frauen nach Belieben zu verkehrcn.
Darin finden Voltaire (Dict. phil. unter Cuissage) und Collin de Plancy
(Bd. 1 S. 165) eine Analogie zum Herrenrecht der ersten Nacht. — Die bei
Livius (lib 7 cap. 6) erwiihnte Sage von ^larcus Curtius, der im Jahr 392
nach Erbauung Roms sein Leben fiir den Staat zum Opfer brachte , iudem
er sich mit seinem Ross in den auf dem Forum plotzlich entstandenen Schlund
hineinstiirzte. hat den Grund zu mannigfachen spjiteren Erortcrungen gegcben
(vgl. z. B. Plinius, lib. 15 cap. 20, Bd. 1 S. 746, Anm. 21; S. Augustinus,
lib. 5 cap. 18 S. 164) und ist im Mittelalter zu folgender Erzahlung ver-
arbeitet worden, cap. 43 der Gcsta Rom.: „In medio Romae in quodam loco
aperta est semel terra et hiantia infra patuerunt foramina. Super hoc dii
Kapitel 2. Charakteristik modenier BeAvcisfiilirunj^. 0
Ein durcli Schiedsurthoil dcs Erzbiscliofs von Lyon, "Wilhelm
von Tliurey, im Jalir 11^35 oder 1361 entschiedener Streit zwi-
schen der Kirche von Maeon und den dortigen Einwohnern
wird soit 1760 von mehreren Schriftstellern ^ als ein Hauptbeweis
fiir das Herreurecht der ersten Nacht angefiihrt, obwohl er sich
bloss auf Anspriiche bezog-, die der Cantor^ bei der Trauung zu
erheben hatte ^. Jener Irrthum ist soo^ar zu der ausdriicklichen
fuerunt interrogati, responderunt: Non cLaudetur haec vorago, nisi aliquis
voluntarie se immergat. Sed quum hoc uemini persuadere possent , dixit
Marcus Aurelius: Si per annum in Roma pro Hbitu meo me vivere sinitis,
anno elapso gaudenter et voluntarie me immergam. Romani hoc audientes
gavisi sunt, concorditer consenserunt, nihil sibi clauserunt Qui rebus et
uxoribus libere utens anno elapso cum nobili equo saltu praecipiti se immergit,
ct statim terra se clausit." In dieser Erzalilung findet eine franzosische Ab-
handlung vom Jahr 1877 „quelque rapport avec le droit du seigneur".
Nuits d'epreuve S. 82. — Einen andern Beweis fiir das Herrenrecht der
ersten Nacht finden einige Schriftsteller neuester Zeit in einer zu Vienne in
der Dauphine im Jahr 136.1 erlassenen Verordnung, wonach Miidchen vor
der Heirath nur dann, wenn Zweifel an ihrer Mannbarkeit bestiinden , und
in den rechtmassig bestimmten Fallen verpflichtet sein sollten , personlich vor
dem Offizial zu erscheinen. Vgl. Sugenheim 186 1, S. 105; Labessadc S. 25,
96, 97; Kulischer S 224. — In einer Urkunde aus dem dreizehnten Jahr-
hundert verzichtete Graf Wilhelm von Ponthieu zu Gunsten der Abtei Foret-
Moiitier auf die Einkiinfte einer gewissen Herrschaft, ,,mit Ausnahme dreier
Falle, namlich des Frauenraubes, des Schatzes und des Mordes". Der un-
genannte Verfasser der Geschichte von Ponthieu, der diese Tliatsachen unter
Berufung auf eine Chronik von Rumet mittheilt (Bd. 1 S. 240—242), findet
darin die Anerkennung eines dem droit du seigneur ahnlichen schmahlichen
Rechtes, obwohl die Stelle nach ihrem klaren Wortlaut keinen andern Sinn
hat, als dass die Geldstrafen flir Frauenraub und Mord und die Einklinfte
aiis dem Auffinden von Schiitzen dem Grafen, und die iibrigen Einnalimen aus
der Gerichtsbarkeit dem Kloster zufallen sollten. (Eine ganz ahnliche Ver-
theilung solcher Einnahmen erfolgte fiir die Stadt Paris im Jahr 1222 durch
den Vertrag von Melun zwischen dem Konig Philipp August und Bischof
Wilhelm III. Vgh Dulaure, Paris, Bd. 2 S. 324—331.) Jener Irrtlium ist
um so auffallender, als in dem Bericht gesagt ist, die Urkundo sei durch die
Konigin Johanna von Kastilien bestatigt worden.
* Carpentier und Ducange unter Marcheta. Delpit Nr. 53 . S. 74 . 75.
Sugenheim 1861, S. 105. Labessade Nr. 53, S. 25, 26, 43, 97, 98.
^ Ueber die Stellung der Cantores vgl. Ducange unter Cantores.
3 Die Kirche behauptete, die Einwohner der Stadt Macon, die dort hei-
ratheten, seien verpflichtet, bevor sie zur Trauung in die Kirche eintriiten,
vom Cantor eine Erlaubnisskarie gegen Zahlung einer Gebiihr zu losen.
Darilber beschwerten sich die Einwohner^ beim Parlament. Doch gelangte die
Sache nicht zur Entscheidung des Parlaments; sondern der Streit wurde durch
das erwahnte Schiedsurtheil geschlichtet. Danach sollten die Bewohner von
Macon fortan flir die Trauung der Erlaubnisskarte nicht mehr bediirfen. wohl
10 Kapitel 2. Charakteristik moderner Beweisfiihning.
Behauptung ausgedehnt worden, das Kapitel zu llacon hiitte das
verrufene Herrenrecht ausgeiibt *.
Andere Schriftsteller finden einen Beweis jenes Bechtes in
der Nachricht, dass in Lithauen der letzte Abend vor der Trauung
eines Madchens „kunigowanie" heisse^; ferner in der Bezeichnung
„vorhure" (Yorheuer) fiir das bei Eigenthumsiibertragungen zu
entrichtende hiudemium ^ ; und in einer angeblichen Aeusserung
irlandischer Gutsherren des achtzehnten Jahrhunderts iiber die
Bereitwilligkeit der Hauslinge, ihre ^Yeiber und Tochter dem
Gutsherrn zur Unzucht zu iiberlassen ''.
Die von Liebrecht erwiihnte Shakspeare-Stelle ^ ist ein Aus-
aber verpflichtet sein. vor Eintritt in die Kirche an den zur Vornahme der
Trauiing berufenen Geistlichen pro jure cantoriae sechs Pfennige zu zahlen
und dabei offentlich zu erkliiren: „Hier sind sechs Pariser Pfennige fur die
Cantorgebiihr der Kirche zu Macon." Das fragliche Urtheil, vom Jahr 1335,
steM bei Carpentier unter Marcheta abgedruckt und ist daraus in die iibrigen
vorerwahnten Schriften iibergegangen. Bei Pericaud S. 8 findet sich dieselbe
Nachricht mit der Abweichung, dass die Jahreszahl 1361 angegeben ist, und
mit der miheren Bestimmung. dass der Streit zwischen den Einwobnern und
dera Kapitel von Saint-Vincent geschwebt habe.
1 Dalloz, Dict. Bd. 1 und Rep. Bd. 3 unter Adultere. Danach behauptete
Dalloz im Jahr 1835, die Ausiibung jenes Rechts sei bis in das siebenzehnte
Jahrhundert geschehen ; elf Jahre spiiter dagegen, das droit de prelibation sei
durch das Kapitel von !Macon bis zum vierzchnten Jahrhundert ausgeiibt worden,
und Spuren davon hiitten sich bis zum siebenzehnten Jahrhundert erhalten.
- Post S. 38. — Das Wort kunigo bezeichnet einen geistlichen odcr sonst
angesehenen Herrn. Mielcke S. 135.
3 "Wilhelm Arnold (S. 73, 74) berichtet: „Das stjidtisclie Laudemium kommt
unter den verschiedensten Namen vor: in Koln als gewerf, in Worms als
wandelung, in Wetzlnr und anderen Stadten als vorhure (Vorheuer), in Basel,
Augsburg und oberdeutschen Stadten als erschatz. Der lateinische Name ist
erarium, honorarium oder intraium (intragium, intrarium)." Daraus folgert
Kulischer S. 228, in dem Namen, den die Abgabe in Wetzlar fiihrte, sei „eine
Uebertragung der deutschen Benennung des jus primae noctis auf ein anderes
Gebiet zu bemerken". Wie irrig diesc Meinung ist, liisst sich aus Urkunden
iiber Vorheuer (vorhura), z. B. von 1153, 1160, 1178, 1180, 1187, 1197, 1220,
1244 und 1249, bei Lacomblet Bd. 1 Nr. 378, 402, 474, 475, 506, 556, Bd. 2
Nr. 91, 288, 347, Bd. 4 Nr. 634, leicht ersehen.
"* Arthur Young, der seit dem Jahr 1776 Irland durchreiste, schildert
die dortigen Grundbesitzer als Despoten und bemerkt dabei: „Angesehene
Gutsherren haben mich versichert, dass viele ihrer Hiiuslinge sich eine Ehre
daraus machen wiirden, wenn sie ihre Weiber und Tochter forderten, bei
ihnen zu schlafen: ein Zeichen der Sklaverei zum Beweise der Unterdriickung,
unter w-elcher solche Leute leben miissen". (Young Bd. 2 S. 60, 61 ; Sugen-
heim 1861, S. 338). Daraus folgert Kulischer (S. 228): ,,Das lieisst mit an-
deren Worten, die Gutsherren besassen das jus primae noctis."
^ Gemeint ist Hciiirich der Sechste, zweitcr Tlieil , vicrter Act , achte
Kapitel 2. Charaktcristik modorner Bewcisfulirung. 11
spruch des Robellenfuhrcrs und vornialigen Tuchmachers John
Cade aus Ashford in Kent, der durch den Herzog von York ver-
fiihrt war, Aufruhr gegen Konig Heinrich VI. zu stiften. Der-
selbe gab sich fiir John Mortimer, den angeblich rechtmassigen
Thronerben, aus und verkiindete, er wolle, sobald er Konig sei,
das Greld abschaffen und Alle auf seine Rechnung essen, trinken
und nach einer Livree kleiden lassen, damit sie sich als Briider
vertriigen und ihn als ihren Herrn ehrten; er wollte alle Rechts-
gelehrten umbringen und keinen Lord oder Edelraann leben
lassen; er befahl seinen Anhangern: „Yerbrennt alle Urkunden
des Reichs; mein Mund soll das Parlament von England er-
setzen, und hinfiiro soll Alles gemeinschaftlich sein." Li dieser
Rolle erliisst Cade den Befehl, den Lord Say und dessen Schwie-
gersohn zu kopfen; unmittelbar darauf spricht er zu seinen
Anliangern: „Der stolzeste Peer im Reich soll nicht den Kopf
auf den Schultern tragen, wenn er mir nicht Tribut entrichtet.
Dieser Tribut soU darin bestehen , dass eine Jungfrau nicht hei-
rathen soll, wenn sie mir nieht ihr Magdthum preisgiebt, bevor
sie (die Peers) es haben. Manner sollen meine Lehnsleute sein,
und Wir verordnen und befehlen, dass ihre Weiber so frei sein
sollen, wie das Herz wiinschen oder die Zunge aussprechen kaun." *
(nicht siebente) Scene. — Die Streitfrage. olj und inwieweit das Schauspiel
Heinrich VI. , zweiter Theil , in Wahrheit von Shakspeare herriihrt . kann
hier unerortert hleihen.
1 Ilenry VI, Part II, Act 4, scene 8: . . . Cade: ... „The proudest peer
in the reahn shall not wear a head on his shoulders, unless he pay nie tri-
hute: there shall not a maid he married, hut she shall pay to me her mai-
denhead, ere they have it. Men shall hold of me in capite: and we charge
and command, that their wives be as free as heart can wish, or tongue can
tell." — Diese ganze Stelle spricht von den Peers. Der Doppelpunkt hinter
„trihute" deutet an, dass die folgenden Worte angehen, worin der Trihut
hestehen soU. Daher ist an der Stelle ,,ere they have it" das „they" auf die
Peers (das vorher collectiv gebrauchte Peer) und das „it" auf maidenhead
zu heziehen. Der Ausdruck .,pay her maidenhead" heisst nicht „ihre Jung-
frauschaft (in Geld) hezahlen", sondern „ihre Jungferschaft entrichten oder
preisgeben". Unrichtig sind daher die Uehersetzungen von Eschenhurg : ,,kein
jMiidchen soll sich verheirathen , ohne mir ihre Jungferschaft zu hezahlen , eli'
ihr Mann sie bekommt"; von A. W. v. Schlegel: „kein Miidchen soll sich
verheirathen , ohne dass sie mir ihre Jungferschaft bezahlt , eh' ihr Liebster
sie kriegt": und von Guizot: „Pas une fille ne sera mariee qu'elle ne paye uu
tribut pour sa virginite avant qu'on en joaiisse." Delius hat die Worte „pay her
maidenhead" nicht erklart und in der Uehersetzung: „ehe diejenigen, welche
die Miidchen heirathen wollen, die Jungfernschaft bekommen", keine Andeutung
dariiber gegeben, dass mit diesen Mannern die Peers gemeint sind.
12 Kapitel 2. Cliarakteristik moderner Beweisfiihrung.
Also prahlte Cade, er wolle, wenn er Konig sei, das Vorrecht
ausiiben, bei Heirathen der Peers deren Braute zu defloriren.
Darin kann die Andeutung gefunden werden, dass der Adel
solche Schandthat friiher an den Brauten der Unterthanen aus-
geiibt habe und jetzt dafur bestraft werden solle ^. — Etwas
undeutlicher, aber doch im Wesentlichen gleichen luhalts, ist die
entsprechende Stelle eines gegen 1590 verfassten und im Jahr 1594
(ohne Benennung des Yerfassers) durch den Buchhandler Thomas
Millington herausgegebenen Schauspiels ^, welches dem vorbezeich-
neten Schauspiel zu Grunde liegt. Darin spricht Cade : „Es soll
kein Edelmann den Kopf auf den Schultern tragen, wenn er mii^
nicht Tribut dafiir entrichtet. Und es soll eine Jungfrau sich
nicht (mit ihm) verheirathen , wenn er sich nicht fiir mich nach
ihr umsieht (d. h. sie mir nicht zuvor iiberliisst). Jungferschaft
oder etwas Anderes, ich will es selbst haben. Wahrlicb , ich
will, dass verheirathete Miinner meine Lehnsleute sind, und dass
ihre Frauen so frei sein sollen, wie das Herz denken oder die
Zunge aussprechen kann." ^ — in diesen beiden Stellen kann
eine Anspielung auf das Herrenrecht der ersten Nacht gefunden
werden, im Sinn der^Nachrichteu, die dariiber gegen Ausgang
des sechzehnten Jahrhunderts verbreitet waren. Mehr ist daraus
nicht zu ersehen. Die bezeichnete Schilderung von dem Auf-
treten des Eebellenfiihrers Cade, wie sie im vierten Act des
Schauspiels enthalten ist, beruhte auf der Chronik Holinshed's
(1577), die ihrerseits aus der Chronik Halfs entnommen war'*.
1 Vgl. Gervinus S. 212. 213: . . . ..die gepredigte kommunistische Gleich-
heit 'beginnt damit, dass Cade sich selbst und Andere zu Rittern schlagt und
das abscheulichste aller Adelsprivilegien fiir sich verlangt". Auch Hazlitt
Bd. 5 S. 503. Note 2, findet in den Worten Cade's eine Anspielung auf die
mercheta mulierum in der von Skene angegebenen Bedeutung (unten Kap. 15).
2 Der lange Titel dieses Schauspiels beginnt mit den Worten : ,,Der erste
Theil des Streites zwischen den beiden beriihmten Hausern York und Lancaster,
mit dem Tod des guten Herzogs Humphrey''. Wer Verfasser dieses Stuckes
ist, steht nicht fest Es werden Marlowe, Robert Greene. Peel, Monday
und Heywood genannt. Vgl. Drake S. 485: Gervinus S. 207; Hager Bd. 4
S. 189, 195.
' The first part of the Conteiition of the two famous houses of Yorke
and Lancaster etc , bei Delius Bd. 1 S. 872: Cade: . . . „There shall not
a noble man weare a head on his shoulders, but he shall paie me tribute for
it. Nore there shal not a mayd be married, but he shal see to me for her.
Maydenhead or else , ile have it my selfe. Marry I will that married men
shall hold of me in capite, and that their wives shal I)e as frec as hart can
thinke, or toong can tell."
^ Delius Bd. 1 S. 853.
Kapitcl 3. Etymologie. 13
In dieser Chronik ^ ist die fragliche Ilede Cade's noch nicht ent-
halten. — Liebrecht beruft sich auf ^die Erkliirer" der ange-
fiihrten Shakspeare-Stelle , zum Beweise, dass im Mittelalter das
jus primae noctis weithin beansprucht worden sei ^. Wonn nun
„die Erkliirer" zu Shakspeare den Glauben an das bezeichnete
Recht mit vielen andern modernen Schriftstellern theilen , so
kann dies zum Beweis fiir die Zeit des Mittelalters nicht dienen.
Yiclleicht will Liebrecht durch jenes Citat andeuten, dass bei
den Erkliirern Shakspeare's die Geschichtsquellen des Mittel-
alters iiber jenes Recht zu-finden seien. Yon diesem Standpunkt
verdient seine Behauptung Beachtung. Allein leider hat er unter-
lassen, die I^amen jener „Erkliirer" anzugeben, und niir ist ihre
Entdeckung nicht gelungen.
C. Etymologie.
Kapitel 3. Man behauptet, das Herrenrecht der ersten Xacht
habe verschiedene Namen gefiihrt, deren AYortlaut zumeist den
Ausdruck „viehischer Geilheit" enthalte: jus primae noctis, jus
hixandae coxae, jus marchetae, praelibatio, droit de cuillage. de
cuissage, de jarabage, cazzagio ^. „In Piemont hiess dieses Recht
cazzagio . . . In Frankreich prelibation, droit de cullage, de cuis-
sage und lateinisch jus cunni." ''• Es hiess ^culliage" oder „cul-
lage"5, „droit de jambage, cuissage oder marquette" ^. Das
„droit du seigneur oder jus primae noctis heisst auch droit de
prelibation, de marquette, de jambage, de braconnage, de cuissage,
de defloration, de deflorement" ^. Delpit und Labessade geben
ein langes Yerzeichniss von Ausdriicken, die „ungefiihr dasselbe"
bedeuten sollen, wie „droit du seigneur", niimlich aus Deutsch-
land: „Reitschot, reitschoss, lyre-wite, lecher-wite, leger-geldum" ;
aus Grossbritannien: „Amobr, amobyr , amachyr, gobr-merch,
gwahr-merched, merket, marcheta, marchetum, maindenrent" ;
aus Flandern und den l!^iederlanden: „Bed-nood, bumede, bur-
mede, bathinodium"; aus Italien: „Cazzagio, fodero"; aus Frauk-
* Der hier in Betrach.t kommende Ahschnitt aus Ilairs Chronik steht ah-
gedruckt hei Delius S. 854—856.
2 Liehrecht 1864 S. 541 und 1879 S. 416.
3 Kolb 1842 S. 496, 497 und 1843 Bd. 2 S. 73.
* Dulaure, Adel S. 242. Scherr 1865^ S. 129.
5 Laurent S. 57. 6 Schiiffner Bd. 2 S. 185.
' Augsb. Allgem. Ztg. Beil. v. 18. April 1868.
14 Kapitel 3. Etymologie.
reicli: „Braconage, culage, culliage, couillage, culagium, cochet,
coquet, conchet, coucliet, cuissage, deschaussage , deschaussaille,
jambage, guerson, julie, jus cunni, cunnagium, konnagium etc." ^
In diesem Verzeichniss sind nicht nur Schreibfehler ^ enthalten,
und Liiuder verwechselt ^, sondern auch Ausdriicke ganz verschie-
denen Inhalts miteinander gleichgestellt.
Einige der bezeichneten Ausdriicke sind Namen von Heiraths-
abgabeu ; insbesondere bestanden Heirathsabgaben unter folgenden
Namen: amobr, amobyr, gobr-merch, gwahr-merched, raaiden-rent
in ^Yales^, mercheta oder marcheta in Schottland^, merchet in
Engiand^, bathinodium in Belgien ^, bumede und burmede iu
Deutschland ®, culage, couillage, culagium, cochet und coquet in
Frankreich ^ , neben vielen anderen Namen , die in vorstehenden
Verzeichnissen nicht erwahnt sind.
Bei Schriftstellern der I^euzeit sind folgende Ausdriicke zur
Bezeichnung des Herrenrechts der ersten Xacht iiblich geworden,
und zwar seit dem siebenzehnten Jahrhundert die Ausdriicke
jus luxandae coxae, jus connagii ^'^ und jus cunnii^, auch schon
jus primae noctis^^; seit dem achtzehuten Jahrhundert bracon-
' Delpit S. 9; Labessade S. 16, 17.
2 Z. B. „maindenreiit" statt „maiden-rent".
^ Beispielsweise kommen die Ausdriicke „Lyre-wite , Lecher-Wite, Leger-
Geldum" in Deutschland nicht vor; wohl aber finden sich in englischen Ge-
schichtsquellen die Ausdriicke Layrewite, Lierwyte und Letherwyte, und
zwar in der Bedeutung einer Unzuchtstrafe. Vgl. Kap. 16. Ferner gehoren
die Ausdriicke Bumede und Burmede nicht nach Flandern , sondern nach
Deutschland. Vgl. Kap. 22.
♦ Kap. 14. 5 Kap. 15. -^ Kap. 16.
' Kap. 20. Dort ist auch das Wort bed-nood erwilhnt, jedoch nicht
als ein urkundlich bestiitigter Ausdruck, sondern lediglich als eine ungeschickte
Uebersetzung von bathinodium.
8 Kap. 22.
^ Kap. 18 und Kap. 26. — Natiirlich konnte auch ein Frauenkloster aus
grundherrlichen Rechten Anspruch auf eine solche Abgabe haben; allein im
neunzehnten Jahrhundert hat man die darauf beziiglichen Urkunden dahin
missverstanden, dass selbst Aebtissinnen und andere vornehme Frauen das
Herrenrecht der ersten Nacht gehabt hatten. Labessade S. 20 Nr. 11 und
S. 28, 29 Nr. 67.
10 Henel cap. 47 S. 401.
" Cathala-Coture Bd. 1 S. 134: Hist. de Montauban chap. 7 S. 58, 59.
Vgl. Kap. 69.
i^ AA. SS. 30. aprilis, Bd. 3 S. 822. — Von vornhcrein konnte man meinen,
dass der Ausdruck jus primae noctis ein Recht der Neuvermiihlten bedeute,
oder dic Abgabe, die sie fiir Dispens von Beobachtung der Tobiasniichte
(vgl. Kap. 27) zu zahlen hatten. In der That suchen cinige Schriftsteller jenen
Kapitel 3. Etymologic. 15
il fodero ^, droit de cuissage oder jambage ^
droit de cullage oder culagium ^, droit du seigneur , droit de
prelibatiou •*, droit de marquette (marquettes, markette, markotte) ',
droit de defloration, seit dem neunzehnten Jahrhundert auch de-
florement ^, oder derecho de prelibacion ^ und andere mehr.
In der Bezeichnung einer Heirathsabgabe kann eine ge-
schlechtliche Anspielung nicht auffallen, da sie durch die Xatur
der Ehe erkliirt wird; daher bieten solche Bezeichnungen keinen
Grund, an ein Herrenrecht der ersten Nacht zu denken. Und
soweit die vorerwahnten Ausdriicke sich erst in der Xeuzeit ge-
bildet haben^°, lcann aus ihrer Etymologie keine Folgerung fiir
altere Zeiten gezogen werden.
Ausdruck entAveder aus dem Recht der Ehegatten oder aus jener Abgabe
zu erklaren (vgl. Moser Bd. 5 S. 158; Jacobson bei Weiske Bd. 3 S. 566,
Anm. 316). Allein bisher ist meines Wissens noch keine Urkunde entdeckt,
worin der eine oder der andere Sprachgebrauch zur Geltung gekommen ist.
Einige Schriftsteller sprechen von einem jus primae noctis der Freunde oder
Verwandten der Braut (Giraud-Teulon S. 68, 69) ; andere von einem jus
primae noctis der Priester (Gubernatis, Liebrecht, Gerland, Post, Bastian,
Kulischer). In vorllegender Untersuchung wird der Ausdruck jus primae
noctis in dem heutzutage gebrauchlichen Sinn eines Herrenrechts der ersten
Nacht gebraucht, unter gleichzeitiger Beriicksichtigung der modernen Be-
hauptung . dass nicht bloss den weltlichen , sondern auch den geistlichen
Herren ein solches Recht zugestanden habe.
* Carpentier unter Braconnagiiim. Vgl. Kap. 55.
^ Lauriere unter Cullage. Vgl. Kap. 53.
3 Rastelli S. 6. Vgl. Kap. 52.
* Encycl. und Voltaire. Vgl. Kap. 11.
5 Encycl. unter Culage und Droits abusifs.
* Voltaire . Dict. phil. unter Cuissage und Def. de mon oncle. — Merlin
(Rep. unter Markette) meint, jenes Recht habe urspriinglich prelibation ge-
heissen , wie aus einer Urkunde vom Jahr 1507 hervorgehe ; in AVahrheit
jedoch kommt in dieser Urkunde (vgl. unten Kap. 18) das Wort prelibation
nicht vor. — In einer lateinischen Urkunde vom Jahr 1415, betr. die Ver-
mahlung der Prinzessin Eleonore von Portugal mit dem spMeren Kaiser Fried-
rich in. , steht das Wort praelibatio im Sinn einer Vorkost von Esswaaren:
„An demselben Ort nahm sie mit ihren Angehijrigen die Vorkost von Zucker
und kleinen Fischen mit Brot; und sie kehrte spat zu dem Schiff zuriick, wo
die Hauptmahlzeit stattfand." Hist. despons. Frider. III. Imper. cum Eleon.
Lusit. an. 1415, bei Carpentier und Ducange unter Praelibatio.
"^ Menage unter Marquette. Boutaric chap. 15. Renauldon liv. 5 chap. 10
S. 450. Voltaire, Dict. phil. unter Cuissage und Def. de mon oncle. Grand
Vocab. Bd. 17 S. 236 und S. 173. Diss. S. Claude Anh. S. 133, 134.
8 Kap. 62. 9 Marichalar Bd. 6 S. 67.
1" Z. B. droit de prelibation und droit de defloration.
16 Kapitel 4. Geschichtliche Notorietat.
D. GeschichtlicJie Notorietat.
Kapitel 4. Man sagt theils wortlich, theils dem Sinne nach :
Fiir das bekannte Herrenrecht der ersten Nacht, dies in der
Geschichte erhaltene „Denkmal tiefster menschlicher Erniedrigung
und Schmach" *, finden sich unumstossliche Beweise bei zahl-
reichen Schriftstellern , deren Werke zu den Hauptzierden der
Neuzeit gehoren, namentlich bei den franzosischen Juristen Merlin,
Dalloz , Dupin , Laferriere , dem Historiker Henri Martin , deu
Verfassern der Encyklopiidie, dem belgischen Juristen Laurent,
dem englischen Juristen Blackstone, dem Italieuer Angelo de
Gubernatis, den spanischen E,echtshistorikern Marichalar-Manrique,
den deutschen Gelehrten Jakob Grimm, Weinhold, Osenbriiggen,
Bachofen, Georg Ludwig von Maurer, Felix Liebrecht, Adolph
Bastian und bei vielen anderen beriihmten Gelehrten. Solchen
Auctoritiiten gegeniiber ist nicht zu leugnen, dass jenes Recht be-
standen hat. Im Streit, der hieriiber zwischen dem Univers
und dem Siecle stattfand, kronte der Sieg die edlen Anstren-
gungen des tapfern Siecle ^. Das Unternehmen Yeuillot's, die viele
Jahrhunderte lang allgemein angenommene Meinung ^ zu erscliiit-
tern, war ein Tendenzwerk "^ und ist durch die Werke von Jules
Delpit, Lagreze und Labessade zertriimmert. Seine Beweisfiih-
rung ist von der Art, dass sich damit auch darthun liesse, die
romische Curie habe sicli nie das Recht, Andersglaubige zu ver-
brennen, beigelegt^. Delpit konnte im Jahr 1873 seinen Sieg
iiber Yeuillot formlich coustatiren. Es ist leichter zu beweisen,
Chlodwig, oder Pipin, oder Ludwig der Heilige hatten nie gelebt,
als den Xachweis zu liefern, dass jenes Recht nicht bestanden
habe^. „Je mehr Archivalien ans Licht treten, desto deutlicher
zeigt es sich, dass Yeuillot eine Sache vertheidigt, die durch und
durch faul ist." ' Die Beweise fiir dies Recht sind unerschiit-
terlich und fest wie die hochsten Berge; es ist klar und einfach
wie ein Naturgesetz, offenbar wie ein verkiindetes Gesetz, augen-
scheiulich wie der Tag oder ein Gesetz der Mathematik. Ob-
gleich einige Enthusiasten der Gegenwart, die das Feudalsystem
fiir weit vorziiglicher als den modernen Liberalismus halten ^,
1 Kolb 1842, S. 498. 2 Labessade S. 190. ^ yaliein S. 227.
♦ Delpit 1857 und 1873. ^ Buchmann S. 37. « Delpit 1857.
■ Buchmann S. 36, 37.
s Luis Cutchet bei Marichalar Bd. G S. 498.
Kapitcl 4. Cicscliichtliche Ni.toriotat 17
und romantisclic Schunfalsclifarber d(!s Mittelaltors das jus priniae
noctis vertuschen oder ganz leugnen mochten ^ , so ist doch fiir
einen ehrlichen Mann (homme de bonne foi) nicht der Schatten
eines Zweifels mfiylich; jeder Yersuch, den Glauben an jenes
Recht zu erschiittern, muss der Liicherlichkeit verfallen^. Konnte
von den vielen Beweisen aus allen Liindern, die in neuerer Zeit
gesammelt sind, der eine oder andere in Frage gestellt werden,
so wiirde dies doch auf die iiberwaltigende Masse der Beweise
keinen erheblichen Eintiuss ausiiben. Daher ist es z. B. nicht
nothig, die iu Frage gestellte Aechtheit eines unter den Beweisen
angefiihrten Urtheils vom Jahr 1302 genau zu untersuchen oder
in die Natur des Prozesses, den der Bischof von Amiens vor
dem Parlament zu Paris verlor, kritisch emzudringen. Schon
bevor die griindlichen IJntersuchungen von Lagreze erschienen,
die den Streit fiir Frankreich erledigten^, war jenes Recht eine
Thatsache geschichtlicher Notorietat^
Eine solche Beweisfiihrung ist unzuL'issig. Es kann Nie-
mandem zugemuthet werden, die Lehren moderner Schriftsteller
ohne Priifung als wahr anzunehmen, als ob sie Glaubensartikel
waren. Daher bedarf es einer Untersuchung iiber die Beweise,
auf die sich ihre Meinung stiitzt. Ergiebt sich hierbei, dass eine
als Beweismittel angerufene Urkunde gefalscht, und eine andere
missverstanden ist, so mindert sich dadurch nieht nur die Zahl
der aufgeziihlten Beweise, sondern zugleich die ZuverLissigkeit
des ganzen Yerzeichnisses. Das Axiom einer geschichtlichen J^o-
torietiit ist nicht geeignet, den Beweis zu ersetzen.
Wer ernstlich behaupten will, dass einmal das Herrenrecht
der ersten Nacht gcgolten habe, wird iiber folgende Fragen
Rechenschaft geben miissen. AYann und wo ist cs entstanden?
AYie hat es sich von einem Lande auf das andere ausgedehnt ?
AYann und wie ist es untergegangen ? Wo und wann hat es
gegolten? In wclchem Umfang ist es zur Ausiibung gekommen?
Wie erkliirt sich die Entstchung und Gcltung ? — Ueber alle
diese Fragen sind die vcrschiedensten Meinungen verbreitet, die
zum grossen Thcil mitcinander unvereinbar sind.
Beziiglich der Frage nach der Zeit der Entstohung und Gcl-
' Scherr 1876 S. 237.
- Labessade S. Gl, 82, 106, 179, 180.
^ Aiigsb. AUg. Ztg. V. 18. April 1868, S, 1662.
* Martin 4. Aufl. Bd. 5 S. 569: „uii fait de notoriete historique". Vgl.
Bonnemere Bd. 1 S. 62; Delpit S. 123; Lahes.sade S. 51: Liehrecht 1874
S. 138 und 1879 S. 416 („hekanntermassen-').
Schniidt, .Juh iiriiaae uoctis. 2
\Q Kapitel 4. Geschichtliche Notorietiit.
tung lassen sieh die Meinungen nach den Hauptperioden der
Weltgeschichte gruppiren, dergestalt, dass wieder in jeder Gruppe
die Meinungen auseinandergehen, etwa folgendermassen.
a) Es ist ein uraltes Recht, eine Sitte alter Tolker ^. Die
Zeit der Entstehung liisst sich nicht feststellen ^. Oder:
b) Es stanimt aus heidnischer Zeit und wurde durch
das Christeuthum verdrangt (abgelost), sobald dasselbe zur Herr-
schaft gelangte ^. Oder : Es wurde um die Zeit des Kaisers Au-
gustus dureh einen schottischen Ivimig eingefiihrt und im elfteu
Jahrhundert abgeschafft ^. Oder: Die ersten Spuren findeu sich
iu der romischen Kaisergeschichte, und zwar bei Kaiser Maximin "^.
Oder: Es war ein Recht persischer Satrapen, ohne jedoch von
ihnen erfunden zu sein *'. Oder:
c) Es ist erst im Mittelalter entstauden ". Es galt im
elften, zwolften und dreizehnten Jahrhundert ^, jedenfalls im drei-
zehnten Jahrhundert ^. Es bestand noch spilter und wurde erst
im sechzehnten Jahrhundert beseitigt i". Es ist langst abge-
sehafft^i. Oder:
d) Es hat in der Xeuzeit bestanden. insbesondere im sie-
benzehnten ^^ und acLitzehnten *^ Jahrhundert. Es scheint noch
heutzutao-e zu Q-elten ^\
1 Grimm. R.-A. S. 380 (..Sitte alter YJilker"). Post S. 38 (,,dieses uralte
Recht"). Liebrecht 1869 S. 810 iind 1879 S. 423.
2 Augsb. Allg. Ztg.. Beil. v. 18. April 1868. S. 1662.
3 AA. SS. 30. Aprilis, de S. Foranno. Bd. 3 S. 822. Brodeau tit. 1 art. 37
n. 11 S. 273. Keysler § 64 S. 485. Westphal § 12 S. 37—40. Estor § 94
S. 129. V. d. Schelling Bd. 1 S. 148. Harenberg diss. 8 § 16 S. 1173.
* Hector Boethius. Buchanan. Lesly.
5 Kolb 1842. S. 4t)5. ^ Helfferich S. 418, 419.
' Voltaire, Dict. phil. unter Cuissage und Defense de mon oncle. Merlin.
Rep. imter Culage. Roquefort unter Culaige. Bibl. hist. Bd. 12 S. 232.
Peuchet-Chanlaire unter Montauban, S. 23, 24. Saint-Fargeau S. 629. Kolb
1843, Bd. 2 S. 72, 73. Scherr 1858. S. 211. Marichalar Bd. 6 S. 67.
Buchmann S. 36. v. Helhvald S. 451. 494. Deutsclier Merkur vom 17. April
1880. S. 124.
8 Dulaure, Montauban S. 27, 28 und Adel S. 241. 242.
3 Merlin. Rep. unter Markette. Dict. Acad. Suppl. (1836) unter Markette.
Kolb 1842 S. 496 („besonders im dreizehnten Jahrhundert").
1» Collin de Plancy Bd. 1 S- 165, 166. Labessade S. 77. 78. 108,
^* Encycl. 1. Ausg. unter Droits abusifs. Dict. de Trevoux unter Cullage.
»2 Augsb. Allg. Ztg.. Beil. v. 18. April 1868. S. 1662.
" Westphal .5 12 S. 38. Renauldon liv. 5 ch. 10 S. 450. Welsch S. 1. 2.
Chr. Meyer S. 371.
1* Collin do Plancy Bd. 1 S. 166. v. Spix Bd. 3 S. 1182. Th. Waitz Bd. 5
Kapitel 4. Gcschichtliche Notorietiit. 19
Die zur dritton Gruppe gehorigen Schriftsteller sind feruer
verschiedener Meinung iiber die Frage, in welchem Umfang die
Feudalherren jenes Recht ausgeiibt haben soUen. Man behauptet,
einige Feudalherren liatten es in Anspruch genommen^; oder
unendlich viele ^, oder die meisten '^.
Auf die Frage, wo jenes Recht zuerst aufgekommen sei,
geben die meisten Schriftsteller keine Antwort. Doch sagen
Einige, in Schottland '. Scherr vermuthet, jenes Recht sei „ur-
spriinglich ein keltisches gewesen" ^.
Beziiglich der Frage, wie jenes Recht sich verbreitet habe,
wird behauptet, „dass der Konig Evenus dies Recht zuerst in
Schottland eiufiihrte, von wo es nach England, Deutschland, Pie-
mont und anderen Theilen der Christenheit iiberging" **. Oder:
Wahrscheinlich gelangte es aus Frankreich iiber England nach
Schottland ''. Die Mauren sollen es uach Spauien gebracht haben ^.
Es ist ein uraltes Recht, das „schon in iiltester Zeit fast in allen
Welttheilen und Landern" bestand, „einst fast iiberall existirte
und geiibt wurde" und sich „aus urtiltester Zeit erhalten" hat^,
so dass es keines speciellen Nachweises bedarf, wie es aus einem
Lande zum andern gelangt ist.
L^eber die Frage, in welchen Liindern jenes Recht gegolten
habe, finden sich folgende Behauptungen. Es galt bei den nord-
lichen Yolkern Europas ^*', in mehreren romanischen Landern ^^
bei den spiiteren Romern ^^, in Italien ^^, in Schottland ^K in Eng-
S. 111, 112. Bastian S. 179. 180. Post S. 37. Gubernatis. Usi S. 198. Kuli-
scher S. 229.
* Encycl. (1. Ausg.) imter Droits abusifs. Grand Vocab. unter Culage.
Peuchet-Chanlaire unter Montauban, S. 23, 24.
2 Dulaure. Montauban S. 27, 28. und Adel S. 241. 242.
3 Saint-Fargeau S. 629.
^ Sugenheim 1861. S. 103. ^ Scherr 1865, S. 131.
6 Merlin, Rep. unter Markette, Bd. 8 v. 1813, S. 107.
' Craig lib. 2 diegesis 3 n. 31. Ygl. hiergegen Barthelemy S. 96.
8 Pujades Bd. 4 S. 332, 333. Vgl. Lagreze 1867. S. 421: Helfferich S. 410.
9 Liebrecht 1869 S. 810, ebenso 1874 S. 138. 139 uiid 1879 S. 416-418. 423.
'" Fischer S. 93—96.
" Augsb. Allg. Ztg. V. 18. April 1868. S. 1662.
'2 Weinhold S. 194.
12 Ducange, Boucher d'Argis . Voltaire, Dulaure, Roquefort, CoUin de
Plancy, Fellens. Michelet, Delpit, Labessade, L. Favre bei La Curne, Kolb,
Marichalar, Liebrecht, Gubernatis.
** Ducange, Bayle, Encycl., Voltaire. Dulaure, Blackstone. Stephen, Merlin,
Roquefort, Delpit, Labessade , Gubernatis, Diimge . Kolb. Sugenheim, Scherr
1865, Bastian, Liebrecht.
2*
20 Kapitel 4 Geschichtliche Notorietat.
land ^, in AVales ^, in Irland ^, in Frankreich '^, in Spanien ^*, in
Tirol ^, in Deutschland ", in der Schweiz ^, in Belgien ^, in Hol-
land ^^ in Russhind *^, in anderen europaischen Staaten ^^^ in ganz
Europa ^^. Es galt oder gilt in Asien *\ Afrika ^^ und Amerika ^**.
Es hat ^anderswo" gegolten ^^.
Auf die Frage nach der Entstehung jenes Rechts antwortet
man : Es griindet sich auf Anmassung oder Tyrannei ^^, auf Ge-
walt-Missbrauch ^^ oder Kriegsrecht ^^ und ist durch eine seltsame
Gewohnheit angenommen 2'. Es beruht auf Gewohnheitsrecht ^2^
auf Gesetzgebung ^^.
Man sagt: Jenes Recht ist niemals durch gerichtliches Urtheil
anerkannt worden^*. Oder: Es ist ausdriicklich anerkannt in ge-
richtlichen Urtheilen ^^ und in geschriebenen Gewohnheitsrechten ^c.
' Diimge, Delpit, "VVeinhold, INIarichalar. Labessade, Liebrecht.
2 Ducange, Delpit, Labessade.
^ Sugenheim, Kulischer.
^ Garran de Coulon , Dulaure, ISIerlin, Collin de Plancy , Fellens, Delpit.
V. Hormayr, Kolb, Weinhold, Sugenheim, Seherr 1865, Liebrecht.
* Lagreze, Helfferich, Sugenheifn, Marichalar, Wolf, Liebrecht, Kulischer.
'■ Gubernatis, Kulischer. '
' V. Alvensleben, Dulaure, INIerlin, Diimge, v. Hormayr, Kolb , Delpit,
Labessade, Weinhold, Scherr, Liebrecht, Post, Kulischer.
^ Scherr. v. Maurer, Weinhold, Liebrecht, Kulischer, Delpit.
y Dulaure, Diimge. Bonnemere, Delpit, Labessade.
'" Dclpit, Labessade, Liebrecht.
<' J. MLiller. Ewers. Grimm, 3Iichelet, Weinhold , Scherr 1S65, Liebrecht,
Post. Kulischer.
12 Garran de Coulon, Merlin. Delpit. Marichalar.
** Labessade S. 24.
** Dalloz . Cahen, Giraud-Teuhin , Gubernatis, Bastian, Liebrecht . Ku-
lischer.
^^ Giraud-Teulon. Liebrecht.
^^ Anderson. Giraud-Teulon. v. Spix, Th. Waitz. Bastian. Post. Liebrecht.
Kulischer.
>' ISIontaigne liv. 1 chap. 22 S. 144, 145.
'" Graud Vocab. unter Culage.
'•' Garran de Coulon. Diss. S Claude Anh. S. 133. Merlin , Rep. unter
Culage. Kolb 1842 S. 495, 496
2" Voltaire. Defense de mon oncle.
^* Dict. de Trevoux unter Cullage.
^* Encycl. unter Culage. Grand Vocab. unter Marquette. CoUin de Plancy
Bd. 1 S. 165, 166. Fellens S. 147. Labessade S. 9.
*■* Delpit 1857 und 1873. Vgl. Voltaire, Defense de mon oncle.
^* Voltaire, Dict. phil. iinter Cuissage, und Defcnsc dc mon oncle. I^agreze.
'* Saint-Amans, Bibl. hist., Ewers.
26 Bouthors Bd. 1 S. 449, 450. Dupin S. 131. Delpit. Labessade S. 61.
Kapitel 5. Lebeiulige Ueberlieferunf;. 21
Es war eine Rechtsinstitution des Mittelalters ^ , ein Recht des
Lehnsystems^, und wurde sogar von der Kirche als begriindet
anerkannt und beschiitzt ^.
Aus vorstehender Uebersicht erhellt, dass die Sehriftsteller,
die ini Allgemeinen ghauben, es hatte einmal das Herrenrecht
der ersten Naclit bestanden, im Einzelnen in ihren Meinungen
weit von einander abweichen , dass also dariiber eine Ueberein-
stimmuug- der Schriftsteller oder eine geschichtliche Notorietiit
nicht vorliegt,
E. Lebendige Ueherlieferung.
K.ipitel 5. Zum Beweise, dass ein Herrenrecht der ersten
Nacht bestanden habe , beruft man sich auf eine lebendige
UeberHeferung*; man sagt, der Yolksglaube an die Exi-
stenz jenes seltsamen und gottlosen Feudalrechts wiirde sich nicht
so allgemein verbreitet und nicht so hartniickig bis in die Gegen-
wart erhalten haben, wenn er nur auf Unwissenheit oder Yer-
leumdung bernhte ^; „man erfindet nicht solche Sachen" ^. „Keine
einzige geschichtliche Ueberlieferung ist je bewiesen worden." ^
Also geniigt die lebendige Ueberlieferung, um den Beweis zu
ersetzen.
In der That wird heutzutage von mehreren Liindern erziihlt,
dass dort jenes Recht geherrsclit habe oder noch herrsche. In Tirol
wurde mir geriichtweise mitgetheilt, dass es in Ungarn gelte ^.
In Bosnien und in der Herzegowina soll eine iihnliche
Unsitte bestehen '. Ueber Russland wird erziihlt, dass in
Klein-Russland , insbesondere in Kiew, eine Yolkssage den Ur-
sprung einer mit dem Namen „Mardergabe" bezeichneten Hei-
rathsabgabe auf jenes Recht zuriickfiihre '°; dass dies „jus vir-
ginale" in AYolhynien den hochsten Beamten „noch" in neuerer
' Kolb 1842 S. 495 und 1843 Bd. 2 S. 72. Scherr 1865, S. 129.
2 Carli Bd. 1 S. 175.
3 Buchmann S. 68. Deutscher Merkur vom 17. April 1880. S. 124.
* Scherr 1858, S. 569. Ygl. Delpit Nr. 72 S. 123: „la multitude et
runanimite des traditions'''.
* Lagreze 1867, S. 391.
* Delpit S. 123: „0n n'invente pas ces choses-la."
' Bachofen S. 27.
* Meine Erkundigungen nach den Griinden dieses Geriichts sind vergeblich
gewesen.
3 Vgl. das Citat bei Barthelemy S. 110.
^» Ewers S. 72.
22 Kapitel 5. Lebendige Ueberlieferuiig.
Zeit zugestanden habe^, und dass auch in Bessarabien und in
den Ostseeprovinzen dasselbe Recht in Geltung gewesen sei ^.
Ferner soU in Mecklenburg die Sage vom jus primae noctis
weit verbreitet sein ^. Aus Frankrei c h wird gemeldet, in meh-
reren Ortschaften der ]^-ovinz Berry habe ein „droit de mar-
quette" oder „droit de julie" bestanden, das aus dem Herren-
recht der ersten Nacht herriihrte ■^. Dies schiindliche Recht soll
in der Bretagne und in Limousin heimisch gewesen sein^;
doch soll einmal nach den Annalen von Limousin ein Herr von
Brives-la-Gaillarde fiir Ausiibung dieses Rechts die Strafe erlitten
haben, dass dessen Ehegattin durch den gekriinkten Ehemann
zum Ehebruch verleitet wurde ^. Wie in der Bretagne , so soll
auch in Orleanais, in der Provence und iu Languedoc
seit dem Jahr 1599 die Ueberlieferung fortleben, dass dort das
„droit du seigneur" in voller Bliithe gewesen sei '. Insbesondere
wird erziihlt, ein Herr aus Orleanais habe dies Recht fiir fiinf
Sous verkauft, und ein Herr von Betliisy fiir neun und einen
halben Sous^; die Canoniker von Saint-Victor zu Marseille seien
berechtigt gewesen, mit den neuvermtihlten Frauen ihrer Leib-
eigenen in der ersten Nacht zu schlafen ^ ; ein Mann aus dem
Weichbilde von Toulouse habe, wie sein Sohn im Jahr 1760
dem Marquis de Pins erkliirte, in seinem Ivirchspiel nicht hei-
rathen w^ollen, weil den Grundherren, niimlich den Monchen von
Ladorade, „ein gewisses Recht" zustand, dem er sich nicht liiitte
unterwerfen wollen ^*'; und in Callas sei einmal, vor dem Jahr 1789,
ein Grundherr getodtet worden, weil er jenes Recht ausgeiibt
habe ^^ Eine Yolkssage aus Bigorre wird spiiter (Kap. 81) mit-
* Post S 38. 2 Aus Privatnachrichten.
^ So theilt mir ein Herr mit, der zwolf Jahre lang in Mecklenburg ge-
lebt hat. Dies wird bestiitigt durch Scherr 1876, S. 238. Dagegen ist je-
doch zu bemerken, dass ein solches Recht in Fritz Reuter"s „Kein Hiisung"
nicht erwahnt wird, obwohl es zu der Tendenz dieser Dichtung gut gepasst
hatte.
" Raynal Rd. 2 S. 209.
^ Brunct S. 172. Augsb. Allg. Ztg. v. 18. April 1868, S. 1662. Lieb-
recht 1869 S. 811, ebenso 1874 S. 139 und 1879 S. 418.
" Collin de Plancy Bd. 1 S. 173. 174. Delpit S. 126.
' Labessade S. 50.
« Collin de Plancy Bd. 1 S. 172. Delpit S. 126.
9 CoUin de Plancy Bd. 1 S. 176. Delpit R. 126.
10 Delpit S. 124.
'1 Delpit S 124. Vgl. Vcuillot 2. Autl. S. 300 — 302, der diese Sage
darauf zuriickfiihrt, dass im Jahr 1599 dcr achtzigjahrige Herr von Callas,
Kiipitel 5. Lehendif;^ Ueljorlicfernnfr. 23
getheilt werden. Boutaric und Renauldon versichern, Herren
gesehen zu haben , die jenes Recht zu haben behaupteten \
Aus Norditalien wird erzahlt, die Grafen von Monferratp, von
San Martino zu Yische und von Valperga zu Castellamonte, ferner
die Tizzoni zu Crescentino und die Biandrate zu San Giorgio
hutten dem Anschein nach sich das jus primae noctis angemasst;
Spuren eines solchen Rechtes seien noch heutzutage im Carneval
von Ivrea erhalten ; auch werde der iSTame des Ortes Feletto (von
flere, weinen) im Yolksmunde auf jenes Recht zuriickgefiihrt ^.
Im Jahr 1848 sollen nordamerikanische Soldaten im Kriege gegen
Mexiko, kurz vor Ueberschreitung der mexikanischen Grenze,
durch eine Anrede ihres Hauptmauns angefeuert worden seiu,
worin es hiess : „AYir ziehen in eiu Land, das ga,nz dem Pa-
pismus verfallen ist; die Pfaffen haben die Herrschaft und fuhren
das arme. Yolk irre; von den vielen Greueln, welche hier veriibt
werden, will ich nur einen anfiihren: der neue Ehemann darf
nicht zu seiner Frau, wenu er die Pantoffeln des Pfarrers vor der
Thiir stehen sieht; und das gilt acht Tage lang!" ^ Hierin kijnnte
die Anspielung auf ein jus primae noctis des Pfarrers gefunden
werden.
Allein aus derartigen unbestimmten Sagen ist keiu Beweis
zu entnehmen. Die in Kapitel 1 erwahnten Schriftsteller haben
den Glauben an das Herrenrecht der ersten Nacht in der ge-
lehrten Welt ausgebreitet ; und seit dem achtzehnten Jahrhundert
haben zahlreiche Unterhaltungsschriften und Theatervorstellungen
fiir weitere Yerbreitung jenes Glaubens Sorge getragen. Es
konnte daher nicht auffallen, wenn hier und da die Meinung,
dass ein solches Recht bestanden hiitte, selbst in den Yolksghiuben
iibergegangen ware. Hiernach wiirde aus einer „lebendigen Ueber-
lieferung" oder aus einem „Yolksglauben" iiber jenes Recht ein
geschichtliches Beweismittel nur dann entnommen werden konnen,
wenn feststiinde, dass die Ueberlieferung oder der Yolksglaube
Jean Baptiste de Ponteves, in einem Kampf mit der Gemeinde Callas (Ijei
Draguignan in der •Provence) auf der Strasse getodtet worden sei.
* Boutaric chap. 15 und Renauldon liv. 5 chap. 10 (Beide fnit denselhen
Worten, unter Droit de marquettes).
- Gubernatis, Usi S. 201 — 205.
^ Dies erzahlten zM^ei Soldaten , die jene Anrede gehort hatten , nach
Beendigung des Feldzugs zu Holydaysburg im Staat Pennsylvanien dem Ilerrn
P. Th. Brunner, wie Letzterer (.jetzt Prior zu Kloster Scheftlarn bei Miinchen)
mir mitgetheilt hat. Sie erkundigten sich bei dem genannten Geistlichen, ob
die Erzahlung ihres friiheren Hauptmannes auf Wahrheit beruhe.
24 Kapitel 6. Erbrecht. Vorzug des zweiten Sohnes.
in den einzelnen Liindern auf selbstiindigen Quellen beruhtie;
auch miisste die Zeit der Entstehung einer solchen Ueberlieferung
wenigstens in annahernder Weise ermittelt werden.
II. Theorieen iiber Wirkung des jus primae noctis im Erbrecht.
Kapitel (>. Manche Schriftsteller glauben, das jus primae
noctis sei die Ursache, dass nach eiuigen Erbrechtssystemen der
tilteste Sohn von der Erbschaft des Vaters ausgeschlossen sei, und
an erster Stelle entweder der zweite, oder der jiingste Sohn, oder
der Sohn der Schwester zur Erbschaft berufen w^erde.
1. Yorzug des zweiten Sohnes.
Angelo de Gubernatis behauptet, es gebe in Indien Yolker,
bei denen nicht der iilteste, sondern der zweite Sohn zur Erb-
schaft des Yaters berufen werde; er sucht diesen Rechtssatz aus
einem vermeintlichen jus primae noctis zu erlclaren ^ Er meint,
derselbe Yorzug des zweiten Sohnes hiitte im germanischen Mittel-
alter bestanden , wie aus Ducange zu ersehen sei^. Allerdings
sagt Ducange, das engli^che Gewohnheitsrecht des Borough-English
beruhe auf dem Grundsatz, dass die Erbgiiter eines Yaters, der
melirere Sohne hinterlasse, ausschliesslich dem zweitgeborenen
Sohne zufielen ^. Dies ist jedoch ein Irrthum. In den Landern
des Borough-Englisli hat nicht der zweitgeborene, sondern der
jiingste Sohn einen Yorzug im Erbrecht ■^, wie in einem Zu-
satz Henschers zu Ducange richtig beraerkt wird ^. Ein gleich-
artiger Irrthum findet sich bei Delpit. Derselbe meint, nach vielen
deutschen Gewohnheitsrechten, insbesondere in Sachsen und West-
falen, ferner nach Gewohnheitsrechten in der Picardie, in Flan-
dern, im Hennegau und in England, falle das Erbgut eines Leib-
eigenen nicht an dessen iiltesten, sondern an den zweitgeborenen
Sohn. Eine Erkliirung fiir diese Eigenthiimlichkeit findet er in
dem „droit du seigneur" ^. Indessen bezieht sich in den be-
zeichneten Liindern der Yorzug nicht auf den zweitgeborenen,
sondern auf den jiingsten Sohn.
' Gubernatis, Indie S. 137 und Usi S. 197.
- Gubernatis, Uai S. 197.
^ Ducange unter Burglieiiglish. — Derselben Meinung ist Laya Bd. 1
S. 313.
* Blackstone 9. Aufl. Bd. 9 S. 83. Stephen 5. Autl. Bd. 1 S. 216.
* Henschel bei Ducange unter Burghenglish.
« Delpit S. 117.
Kapitel 6. Erljrecht. Vorzuf; iles zueiten Sohnes. 25
Mir ist kein Yolk Ijokannt, welches im Eibreclit den Giund-
satz befolgte, dass gerade der zweite Sohn des Erblassers einen
Yorzug vor dem ersten haben und an erster Stelle zur Erbfolge
kommen sollte. ^Vo eine Secundogenitur-Erbfolge durch Testa-
ment oder sonst begriindet ist, erkliirt sie sich aus dem sonstigen
Yorzuge der Primogenitur; sie bildet eine Abfindung des zweiten
Sohnes und seiner Xachkommenschaft.
Es wiire nun allerdings nicht absolut unmoglich, dass in
irgend einem Theile Indiens, wie Gubernatis behauptet, der
Eechtsgrundsatz galte, dass der zweite Sohn den A^orzug im
Erbrecht hiitte; denn im Gebiet Indiens, das so gross wie Europa
ist, finden sich sehr A^erschiedene Rechtseinrichtungen. AUein
jedenfalls ist die Behauptung von Gubernatis im hochsten Grade
unwahrscheinlich. Denn sie ist giinzlich beweislos und beruht
auf der irrigen Yorausset/.ung, dass derselbe Grundsatz im euro-
paischen Mittelalter gegolten hiitte. Zudem steht sie in AYider-
spruch mit den Grundsatzen des indischen Erbrechts, wie solche
aus den indischen Rechtsbiichern zu ersehen sind. Apastamba,
der nach den durch Biihler angestellten Untersuchungen im
vierten oder fiinften Jahrhundert vor Christi Geburt gelebt habeu
mag, lehrte, der Yater solle, sobald er den altesten Sohn mit
einem Yermogensstiick erfreut habe, sein iibriges Yermogen bei
Lebzeiten unter alle Sohne gleichmiissig vertheilen; weder die
von Einigen vertheidigte Meinung, der iilteste Sohn konne zum
Alleinerben bestimmt werden, noch die Gewohnheit einiger Liin-
der, dem iiltesten Sohn des Yaters Gold, die schwarzen Kiihe
oder schwarzes Eisen oder Getreide zu bewilligen, stehe im Ein-
klang mit den Yedas; denn in der Taittiriya Sanihita stehe:
„Manu vertheilte sein Yermogen unter seine Sohne", ohne be-
sondere Yorschrift fiir den iiltesten Sohn, und eine andere Stelle
desselben Yeda, die von einer Bevorzugung des iiltesten Sohnes
spreche, enthalte nur die Angabe iiber eine aufgestellte Meinung,
keineswegs aber eine Yorschrift ^ Ein iilterer Rechtslehrer, Gau-
* Apastamba , Dharmasiitra or Aphorisms on the Sacred Law of the
Hindus, Prasma II, Patala 6, Khanda 13 n. 13 bis Khanda 14 n. 14, bei
Biihler S. 132 — 135: „After having gladdened the eldest son by some choice
portion of his wealth, he should, during his lifetime, divide his wealth
equally amongst his sona ,- excepting the eunueh , the mad man , and the
outcast. On failure of sons the nearest Sapinda takes the inheritance. On
failure of then} the spiritual teacher inherits; on failure of the spiritual
teacher a pupil shall take the deceased^s wealth , and use it for religious
works for the deceased's benefit. or he himself may enjoy it; or the daughter
26 Kapitel 6. Erbrecht. Yorzug des zweiten Sohnes.
tama, lehrte ebenfalls den Grundsatz der Gleichbereehtigung aller
Sohne, jedoch mit der Abweichung, dass in gewissem Umfang
eine Bevorzugung des altesten Sohnes gestattet sei ^. Nach der
Lehre von Baudhayana, der nach Annahme Buhler's spater als
Gautama, jedoch friiher als Apastamba lebte, konnte der Yater
sein Vermogen unter alle Sohne gleichmassig vertheilen oder den
altesten Sohn in einer naher bezeichneten Weise bevorzugen ^.
Er beruft sich fur den Grundsatz der Gleichberechtigung auf
denselben Yeda-Satz wie Apastamba, und fiir die Befugnit^s, den
altesten Sohn zu bevorzugen , auf die Stelle , von der Apastamba
may take the iiilieritaiice. On faihire of all rehations let the king take the
inheritance. Some dechire that tlie eldest son alone inherits. In some
countries gold or hlack cattle or bhick produce of the earth is the share of
the eklest. The chariot and the furniture in the house are the fathers share.
According to some, the share of the wife consists of her ornaments. and the
wealth which she may have received from her relations. That preference of
the eldest son is forbidden by the Castras. For it is declared in the Veda,
without marking a difference in the treatment of the sons : Manu divided his
wealth amongst his sons. Now the Veda declares also in conforinity with
the rule in favour of the eldest son alone: They distinguish the eldest by a
larger share of the heritage. But to this plea in favour of the eklest I an-
swer: Now those who are acquainted with the interpretation of the law de-
clare a statement of facts not to be a rule, as for instanee. . . . Therefore
all sons who are virtuous inherit." Vgl. auch Biihler S. XX.
1 Gautama, Dharmacastra . or Institutes of the Sacred Law, chap. 28
n. 1—13, bei Buhler S. 299—301: ..After the fathers death let the sons
divide his estate; or, during his lifetime, when the mother is past child-
bearing, if he desires it, or the whole estate may go to the first-born; and
he shall support the rest as a father. But in partition there is an increase
of spiritual merit. The additional share of the eklest son consisfs of a twent-
ieth part of the estate . a niale and a female of animals with one row of
front teeth, such as cows. a carriage yoked with animals that have two
rows of front teeth , and a buU. The additional share of the middlemosl
consists of the one-eyed, okl, hornless and tailless animals, if there are se-
veral. Tlie additional share of the youngest consists of the sheep, grain, the
iron u.-^tensils, a house , a cart yoked with oxen, and one of each kind of
other animals. AU the remaining property shall be divided equally. Or let
the eklest have two shares, and the rest one each. Or let them each take
one kind of property, selecting according to seniority, what they desire,
ten head of cattle. But no one brotlier shall take ten onehoofed beasts or ten
slaves". . .
* Biihler S. XXI: . . . „According to him (niimlich BaudhAyana) , either
an equal share may be given to each son, or the eldest may receive the best
part of the wealth, or . also. a preferential share of one tenth of the whole
property. He further alleges that the cows, horses, goats, and sheep also
go to the eldest son."
Kapitol 6. P>breclit. Vurzuf; des jiiiig?teii Solines. 27
aiiiiimmt, dass sie keine Yorschrift enthalte ^ Yon einer Aus-
schliessung des altestea Sohnes ist, abgesehen von bestimmten
Kiiterbungsgriinden, in diesen und andern Gesetzbuchern keine
Spur zu finden ^. Nach den Grundsatzen der Yedas fiel beim
Tode eines Konigs dessen AYiirde regelmassig auf den altesten
Sohn ''. Das Gesagte wird durch eine gefallige Mittheilung des
Ilerrn Professors Dr. Julius JoUy bestatigt: „Die Bevorzugung
(les iiltesten Sohnes bei der Theilung ist durch eine sehr grosse
Anzahl von Stellen der alten Gesetzbiicher zu belegen. Ueber
die Art dieser Bevorzugung finden mancherlei DifFerenzen statt;
auch wird zweifelhaft gelassen, ob nicht die Theilung zu gleichen
Theilen vorzuziehen sei, oder ob die Theilung ganz unterlassen
werden solle , wobei dann entweder der alteste Sohn oder auch
,selbst der jiingste Sohn , wenn er dazu fahig ist', an die Spitze
des Haushalts treten soU. Thatsachlich bildete gewiss die Fort-
setzung der Giitergemeinschaft, wie bei den Siidslaven und fast
im ganzen Orient, von Alters her die Regel. Die Bevorzugung
des Aeltesten kam , wie Apastamba zeigt , schon friih ausser
Gebrauch; schon den mittelalterlichen Juristen Indiens erschien
sie als Antiquitat, und die gleiche Theilung als das allein Zu-
lassige." Yon einer grundsatzlichen Ausschliessung des altesten
Sohnes zu Gunsten des zweiten ist nirgends die Rede.
Dies wird geniigen , um die Grundlage zu zerstoren , worauf
eine Hypothese iiber Wirkung des jus priraae noctis erbaut ist.
2. Yorzug desjiingsten Sohnes. (Minorate.)
Yiele Schriftsteller meinen, das Herrenrecht der ersten Nacht
sei die Ursache, weshalb nach manchen Rechtssystemen der jiingste
Sohn im Erbrecht bevorzugt werde. Plot vermuthet, an den
Orten, wo jetzt Borough-English gelte, habe friiher dieselbe
gottlose Gewohnheit bestanden , wie solche durch Konig Evenus
in Schottland eingefiihrt gewesen sei; danach hatten die Bauern
in der Yoraussetzung, dass der alteste Sohn durch den Lord er-
zeugt sei, ihre Lander auf den jiingsten Sohn iibertragen, welchen
1 Biihler S. XXI: „As authority for the equal division he gives the first
of the two Vedic passages quoted above; and for the doctrine that the eldest
is to receive the best part of the estate, he quotes the second passage ■\vhich
Apastamba considers to be without the force of an injunction."
^ Vgl. uber die Bevorzugung des altesten Sohnes Mayr § 8, S. 41 — 47.
^ Vgl. Muir 2. Aufl. Bd. 1 S. 275 (bei der Sage von Konig Santanu. der
seinen alteren Bruder. Devapi, verdrJingt liatte und in dessen Einsiedelei auf-
suchte); Wheeler Bd 1 S. 97.
28 Kapitel 6. Erbrecht. Vorzug des jiingsten Sohnes.
sie fiir ihren eigenen hielten ; aus dieser Uebung sei durch langen
Gebrauch ein Gewohnheitsrecht geworden ^ Auch Anderson halt
es fiir wahrscheinlich , dass die Gewohnheit des Borough-English
aus dera Bestreben entstanden sei, die iibeln Folgen des Ilerren-
rechts der ersten Nacht zu verhiiten; wenn namlioh der iilteste
Sohu fiir illegitim gehalten werden konnte, so habe man den
jiingsten Sohn zum Nafhfolger berufen, weil auf ihm kein Makel
ruhen konnte ^. Die Encyklopiidisten Jaucourt und Garran de
Coulon erwahneu die Meinung „mehrerer gelehrter Eugliinder",
dass der Ursprung des Borough-English im Herrenrecht der
ersten Nacht zu suchen sei ^. Blackstone und Stephen erheben
gegen diese Meinung keinen anderen Einwand, als dass nicht
feststehe, ob das Herrenrecht der ersten Nacht in England jemals
gegolten habe ■*.
Diese ErkLirung des Borough-English und iiberhaupt des
Yorzugs der Jiingstgeburt aus dem vermeintlichen Herrenrecht
der ersten Nacht leidet an zahlreichen Gedankenfehlern •'. Sie
iibersieht erstens, dass die Erzahlung vom Gesetz des Konigs
Evenus und von Abschaffung desselben, unter Einfiihrung der
raarcheta mulierura, eine Sage ohne geschichtlichen Werth ist^;
zweitens, dass der Grundsatz des Borough-English in andern
Landesthoilen gilt als die marcheta mulierum; drittens, dass die
Aufkliirung dariiber fehlt, wann und wie das Herrenrecht von
Schottland nach England verpflanzt sein soll; viertens, dass die
Geburt des ersten Kindes nicht immer wiihrend des ersten Jahres
uach der Heirath stattfindet: fiinftens, dass als erstes Kind ein
Madchen geboren werden kann; sechstens endlich, dass nicht der
jiingste, sondern der zweite Sohn zur Erbfolge berufen werden
miisste, wenn der iilteste bloss wegen Zweifels an seiner Legi-
timitat ausgeschlossen werden sollte.
Schon ira Alterthum hatte bei vielen Yolkerschaften der jiingste
Sohn oder das jiingste Kind einen Yorzug ira Erbrecht ^ Im
Mittelalter und bis zur neuesten Zeit begriindete nach zahlreichen
Gewohnheitsrechten die Jiingstgeburt einen Yorzug ira Erbrecht,
besonders bei der biiuerliclien Erbfolge ^. Der Grundsatz des
' Plot, eap. 8 n 21. ^ Anderson S. 72.
' Encycl. meth . Bd. 5 S. 835, unter Marquette.
» Blackstone (9. Aufl.) Bd. 2 S. 83. Stephen (5. Aufl.) Bd. 1 S. 216.
5 Vgl. Dalrymple Bd. 1 S. 315. 316. « Vgl. Kap 40.
~ Bachofen, an vielen Stellen. vgl. Register unter ,.Jiingstgeburt". Lieb-
recht 1879, S. 431.
8 Grimni. R.-A . S. 475. Miltcrmaier S 468, Aiim. l(i. Bonvalot. Orbev S. 42.
Kai)it('I (!. Erl)r('clit. Vorzug des .jiiiigsten Sohiies. 29
Borough-Enf^lisli tiudct sich in Gewohnheitsreehten der Graf-
schaften Kent und Sussex und anderer Theile Englands, sowie
in Wales. Ein ahnlicher Vorzug dcr Jiingstgeburt bestand an-
geblich in Flandern und im Hennegan, in Brabant, in den franzo-
sischen ]S'iederlauden (insbesondere in Cambray, Valeneiennes und
Lille), ferner in eineni Theil der Picardie nebst Artois, in einem
Tiioil von Russland, in Ostfriesland, in Oldenburg, Brauuschweig,
Hessen-Kassel, in einem Theil von AVestfalen, in der Rhein-
pfalz, in Altenburg, in Baden, in AViirttemberg, im Ober-Elsass
und in einigen Theilen der Schweiz. Er wurde theils durch das
Gesetz vom 15. Marz 1790 und theils durch Art. 1 des Ges. v.
8. April 1791 im damaligen Gebiete Frankrcichs aufgehoben ^
Auch in ^orwegen soU ein iilmlicher Grundsatz, wie der des
Borough-English bestanden haben ^. Ferner soll bei den Ta-
taren und Mongolen der jiingste Sohn den Vorzug im Erbrecht
liaben ^, desgleichen in Xeuseeland, ^Xeuholland, in Capland unter
den Zulu und anderwiirts \
Es kann hier nicht untersucht werden, ob und inwieweit jede
einzelne dieser Angaben richtig ist. Was aber speciell das Elsass
betrifft, so findet sich schon in einer Verleihungsurkunde Lud-
wigs des Frommen vom Jahr 824, zu Gunsten der Abtei Ebers-
miinster, die Bestimmung, dass beim Tode eines Horigen dessen
jiingster Sohn mit der Mutter als Nachfolger belehnt werden
sollte ■'' ; und obwohl das romische R(}cht, wonach mehrere Kinder
als Erben ihrer Eltern gleichberechtigt sind, im Elsass recipirt
wurde^, so erhielt sich doch in vielen Gewohnheitsrechten ein
A^orzug des jiingsten Kindes in der Art, dass demselben das Recht
zustand, in Anrechnung auf seinen Erbtheil des Vatcrs Hofreite
oder Behausung', den sogenannten .,GiiIthof", zu iibernehmen *.
' Merlin. Rep. nnter Mainete, Bd. T S. 583—590. Mittermaier ^ 468,
Anm. 16. Grimm, R -A. , S. 475. Courson S. CCLXXIV. Bonvalot, Orbey
S. 42. 48. Bastian S. 185. Liebrecht 1879. S. 431, 432.
- .Anderson S. 72.
3 Blackstone, 9. Aufl. . Bd. 2 S. '83. Encycl. mrthod. unter Marquette,
Jurispr. Bd. 5 S. 835. Stephen Bd. 1 S. 216. Bastian S. 185. Liebrecht
1879 S. 432.
* Liebrecht 1879, S. 432. "> Bonvalot, Orbey S. 44.
6 Bonvalot. Ferrette S. 236. "^ Coutumes de Ferrette. cap. 20
8 Der Giilthof bestand aus dem vatejlichen Wohnhaus nebst Zubehor,
dessen Bestandtheile durch verschiedene Gewohnheitsrechte bestimmt waren.
(Bonvalot. Orbey S. 2.) Sachverstandige hatten den Giilthof und den iibrigen
Nachlass abzuschatzen Gehorten mehrere Wohnhauser zur Erbschaft, so
3Q Kapitel 6. Erbrecht. Yorzug des jiingsten Sohnes.
Ueber deii Ursprung aller dieser Gewohnheitsrechte , nach
denen im Erbrecht der Kiuder das jiingste Kind vor seinen Ge-
schwistern bevorzugt wird, sind verschiedene Meinungen verbreitet *.
Yiele erkliiren dics besondere Recht aus den Sitten derjenigen
Tolker, die hauptsachlich Yiehzucht und Handel treiben und des-
halb ein unruhiges Leben fuhren. Bei solchen Yolkern sei es
natiirlich, dass die alteren Kinder friihzeitig mit Yieh, Geld oder
\Yaaren ausgestattet wiirden und das viiterliche Haus verliessen,
um auswarts Gewinn und Lebensunterhalt zu suchen und sich ein
selbstandiges Unterkommen zu verschaffen, und dass dann die im
Hause gebliebenen jiingeren Kinder so lange, bis sie ebenfalls
ausgestattet wiirden, eine besondere Fiirsorge des Yaters und der
■wahlte das jungste Kind sich eins aus . und hatte das nachstjUngste Kind als-
dann ein Wahlrecht unter den iibrigen "Wohnhausern , und so fort nach der
Reihenfolge der jiingeren Geburt. (Bonvalot, Orbey S. 45 und Ferrette
S. 235) In der Baronie Bollweiler, den Aemtern Jungholz, Rimbach und
Brunstatt, in Hesingen , Sennheim, Kestenholz, Ebersheim, in der Herrschaft
Granvillars und in den Aemtern Rappoltsweiler , Zellenberg, Markirch.
Gemar und Wittelsheim beschrankte sich das Yorzugsrecht auf den jungsten
Sohn, so dass es keine kAnwendung fand, -wenn der Erblasser bloss weib-
liche Nachkommen hinterliess. Dagegen in der Grafschaft Pfirt , in Artols-
heim. Biesheim, Amt Kochersberg , Egisheim, Amt Eschensweiler , Herrschaft
Herrlisheim. Hattstatt, Yoklingshofen, Hiisseren und Sulzbach, in Hirsingen,
Grafschaft Froberg (Montjoie), Bisch, Emericourt, Ruderbach und Briibach. im
Amt Landser, in der Grafschaft Horburg. Herrschaft Reichenweier, Rufach. in
der Yogtei Traubach , in den Aemtern Sirenz und Wiedensohlen . in der
Grafschaft Weiler und im Amt Urbeis stand das bezeichnete AVahlrecht dem
jiingsten Kinde ohne Unterschied des Geschlechts zu. Bonvalot, Orbey
S. 43,, 44. (Ygl. jedoch Bonvalot , Ferrette S. 235, 236, wo versichert wird.
dass die ,.juveigneurie" im ganzen Ober-Elsass und in einigen Orten vom
Unter-Elsass gegolten habe, und zwar nicht bloss fiir die bauerliche Erb-
folge. sondern fiir das Erbrecht aller Stande: und dass in spaterer Zeit, seit
Eindringen des Feudalwesens, der jiingste Sohn uberall den Vorzug vor
seiner jiingeren Schwester gehabt habe.) Es machte meistens keinen Unter-
schied, ob das jiingste Kind beim Tode des Vaters grossjjihrig oder minder-
jahrig war: meistens hatte das jiingste Kind des Vaters aus dessen letzter
Ehe im AVahlrecht den Yorzug vor dem jungsten Kinde erster Elie: meistens
stand das Wahlrecht dem jiingsten Kinde zu, welches deu Yater iiberlebte,
unter Ausschluss der Enkel von einem vorverstorbenen jiingeren Sohne.
Doch gab es in allen diesen Beziehungen Abweichungen in einzelnen Ge-
Avohnhcitsrecliten. (Bonvalot, Orbey S. 44.) Starb das jungste Kind nach
Ausiibung des Wahlrechts, jedoch vor Abfindung seiner Geschwister, so
konnte sein jiingstes Kind das grossvaterliche Wohnhaus nicht erlangen,
sondern es fiel dcm niiclistjungsten Sohn dos friihercn Besitzers zu. (Bonvalot.
Orbey S. 45.)
1 Vgl. die Uebersiclit bei Bonvalot. Orbey S. 45—51.
Kapitel G. Erbrecht. Vorzug <les juiigsten Solines. 31
Gesetze verdienten *. Eine Bestiitigung dicser Erkliiruug soll
darin liegen, dass der Yorzug der Jiingstgeburt vorzugsweise bei
Tataren und Kelten, aber auch bei Cimbern und Teutonen,
Gernianen und Scandinaviern vorkomme, und dass diese Yolker
sich urspriinglich mehr mit Viehzucht als mit Ackerbau beschaf-
tigt hatten ^. Ob dies richtig ist, mag dahingestellt bleiben.
Keinenfalls befriedigt die angegebene Erklarung. AViire namlich
die unruhige ]^atur gewisser Volker der einzige Grund fiir den
Vorzug der Jiingstgeburt , so miisste dies Gewohnheitsrecht mit
den Sitten eines Volkes sich iindern; es miisste allmiihlich ver-
schwinden, weun das Volk die Gewohnheit annahme, Ackerbau
zu treiben und sich mehr mit Handwerken und Grosshandel als mit
Herumziehen auf Messen und Miirkten zu erniihren. Derartige
Aenderungen des Gewohnheitsrechts werden aber nicht nachzu-
weisen sein. Im Gegentheil findet sich der Vorzug der Jiingst-
geburt gerade hauptsiichlich im Bauernrecht. — Bachofen findet
in den Bestimmungen , welche dem jiingsten Kiude ein Vorzugs-
recht ira Erbrecht gewiihren, den Grundgedauken ausgedriickt,
dass die Fortpflanzung der Familie durcli das jiingste Kind am
weitesten hinausgefiihrt werde ^ Es ist wohl moglich, dass diese
oder eine verwandte Anschauung manchen Gewohnheitsrechten
des Bauernrechts zu Grunde liegt; auch mag dabei eine Kiick-
sicht auf Steuern fiir Besitzveriinderungen mitgewirkt haben \ - —
Littleton meint, die Gewohnheit des Borough-Englisli ^ beruhe
auf dem Gedanken, dass der jiingste Sohn nacb dem Tode der
Eltern wegen seines jugendlicheu Alters weniger als seine Briider
sich selbst forthelfen konne ''. Hiergegen bemerkt Corner, die
1 Montesquieu liv. 18 chap. 21. Blackstone , 9. Anfl. , Bd. 2 S. 83.
GarraQ de Coulon in der Encycl. method unter ^ilarquette. Jurispr. Bd. 5
S. 835. Bonvalot, Orbey S. 47—51.
2 Bonvalot, Orbey S. 47.
3 Bachofen S. 216, 288 ii. a.
^ Auf ahnliche "Weise soll es in Oesterreich vorkommen. das.s in dortigen
Klostern. mit Riicksicht auf die bei Abtwahlen zu entrichtenden hohen
Staatsabgaben , moglichst jugendliche Aebte gewiihlt ■\verden.
* Littleton, lib. 2 cap. 10, tenure in burgage, sect. 165: ,,Also for the
greater part such boroughes have divers customes and usages , which be not
had in other townes ; for some boroughes have such a custome, that if a man
have issue many sonnes and dyeth, the youngest son shall inherit all tlie
tenements which were his fathers within the same borough as heir unto
his father. by force of the custome, the which is called Borough English.'"
* Littleton. lib. 2 cap. 11, of villenage . sect. 211: ...41so where by the
custome called Burrough English, In some Burrough the youngest son shall
32 Kapitel 6. Erbrecht. Vorzug des Schwestersohnes.
MeinuDg Littleton's setze voraus, dass der jiingste Sohn allein
ohne Ausstattung im Haus des Yaters zu dessen Yerpflegung
zuriickbleibe K Doch ist dies nicht richtig. Die Meinung Littleton's
geht nur von der Yoraussetzung aus, dass in vielen Fiillen der
jiingste Sohn allein zuriickbleibe, und dass im Allgemeinen der
jiingste Sohn die Fiirsorge des Yaters in hoherem Grade verdiene,
als irgend ein iilterer Sohn ^. Allein es wird nicht leicht moglich
sein, mit Sicherheit die Griinde zu ermitteln, auf denen ein in
alten Zeiten durch Gewohnheitsrecht gebildeter Rechtssatz beruht.
Yerschiedene Anschauungen konnen zusammengewirkt haben.
Auch ist es moglieh, dass ein Rechtssatz, der sich bewahrt, aus
anderen Ursachen aufrecht erhalten wird, als aus den Griinden,
welche zu seiner Ausbildung gefiihrt haben.
Im Gewohnheitsrecht des Landes Delbriick in Westfalen
war bis in die neueste Zeit der jiingste Sohn eines Bauern (YoU-,
Halb-, Yiertel-, Sechzehntel- etc. Meiers) dessen Anerbe, das
heisst Xachfolger im Bauerngut. Die iilteren Sohne waren Knechte
des Yaters und spiiter Knechte ihres jiingsten Bruders, sofern
sie sich nicht mit einer Anerbin verheiratheten oder aus sonstigen
Griinden das viiterliche Gut verliessen. Die Bewohner des Landes
Delbriick halten den Yorzug des Anerben fiir selbstverstandlich
und nothwendig wegen seiner verhaltnissmassig grosseren Hiilfs-
bediirftigkeit; sie erklaren also ihren Rechtsgrundsatz ahnlich wie
Littleton das Borough-English. Moglicherweise liegt jedoch dem
Grundsatz des Delbiiicker Landrechts zugleich die conservative
Tendenz zu Grunde, den Besitzeswechsel muglichst weit hinaus-
zuriicken; also ein iihnlicher Gedanke wie der, welchen Bachofen
beziiglich mehrerer Yolkerschaften des Alterthums entwickelt.
3. Ybrzug des S ch westersohn es.
Der romische Patricier und Seefahrer Ludovico de Yarthema
aus Bologna, der im Jahr 1510 die Beschreibung seiner Reisen
herausgab^, berichtet, nach altem Herkommen gelange bei dem
inherit all the tenements, etc. this custome also stands with some certain
reason, because that the younger sonne (if he lacke father and mother) because
of his young age , may least of all his brethren helpe liimseife. etc."
» Corner S. 9, 10.
* Mittermaier § 468. Bd. 2 S. 622, meint. das Minorat scheine „thcils
durch Billigkeit, theils durch vorkonimonde Auswanderungsverhiiltnisse''' ver-
anla.sst zu sein.
3 In dcn /.alilrciclien Ausgabcn dic^cr Reisebeschreibung, die durch
Kapitel 6. Erbreclit. Vorzufr ilcs Scliwe-^tersolines. 33
Tudu Jus KiJnigs von Calicut niclit dessen Sohu oder IJruder,
sondern sein Scliwestersohn zur Thronfolge, uud zwar deshalb,
weil die Brahmanen oder Pfaffon die Jungferschaft der Konigin
hatten^, und weil die Konigiu auch sonst in Abwesenheit des
Konigs mit den Ijrahmanen vertrauten Umgang pflege ^. Auf
Jones S. I — XVI aufji,ezalilt und genau bezeichnet worden , ist der Nanie
des Verfassers verschiedcn geschrieben. Es finden sich folgende Lesarten
iiber den Namen einer und derselben Person : Varthema. Verthema. Vartoman.
Barthema und Vertomannus.
* Varthema S. 143, 144 (Uebers. der ersten Ausg., von 1510): ,,The king
being dead, and having male children , or brothers, 01* nephews on his
l)rother"s side , neither his sons , nor his bi-other, nor his nephews become
king; but the heir of the king is the son of one of his sisters. And if there
be no son of a said sister, the nearest [collateral] relation of the king succeeds
him. And this custom prevails because the Brahmins have the virginity of
the queen." Vgl. die deutsche Ausgabe Vartoman"s vom Jahr 1534, Buch 5.
Kap. 7, Bl. 74: ,.So der konig gestirbt . hat er dann siiu verlassen , briider
oder briiders siin . so (M-beii die selben das reich nit, dann das reych gehort
dem schwestcr sun zu. von alteni herkomcn. So aber kein schwester suu
da wer, so nimbt der das reich an . der dem kiinig am nechsten verwant ist,
das kumbt allein daher , dieweyl die Brammini oder pfaffen die konigin zum
ersten beschlafFen hond, wie oben gsagt ist." (Hieriiber unten, Kap. 75.)
Die entsprechende Stelle lautet in der deutschen Ausgabe vom Jahr 1556
(ohne Seiten- oder Blatt-Zahl , unter der Ueberschrift ,,Von der Herrligkeit,
die man helt nach des Konigs todfj : ,,Vnd so ein Konig zu Calicut gestorben
ist, vnd verlesst er Son, Briiders Siine, odder Briider, die erben nit das
Konigreich, das Reich bleibet seiner Schwester Son , wo nit Stine verhanden
veren, von den Schwestern, so bleibt Konig der nehest Freund des Kiinigs,
umb deren vrsach wi.len, das die Bramini odder Pfaffen des Kijnigs Weib
defloriert haben." Vgl. Forbes Bd. 1 S. 416: Wheeler Bd. 1 S. 420.
- Varthema S. 144 (hinter der in der vorigen Anmerkung angefiihrten
Stelle): „an(l likewise when the king travels, one of these Brahmins, although
he might be only twenty years of age, remains in the house with the queen,
and the king would consider it to be the greatest favour that these Brahmins
should be familiar with the queen. and on this account they say that it is
certain that his sister and he were born of the same person, and that there
is more certainty about her than of his own children, and therefore the
inheritance falls to the sons of his sister." Ausg. v. 1534 (Buch 5, Kap. 7,
Bl. 74): ,,So der klinig vber land zeucht, oder auff das gejegs oder weyd-
werck zeucht, so verwaren die pfaffen oder die zweintzig jar alt seind die
kiinigin da heymen, vnd seind steths bey jr, die kiinden denn dem kiinig
kein grosser eher vnd wolgefallen thun. sie iiben sich dann weydlich bei der
kunigin zu schlafPen. Darumb weysst der Kiinig wol. dieweyl die kiinigin
so vil mannen gemein ist, das seine kinder nicht fiir ehelich gezelt sollen
werden." Au.sg. v. 1556: „Desgleichen s» der Konig auss rheit, bleibt einer
dersclben PfafFen dieweil bey der Konigin , der etlich zwentzig oder vier und
zwentzig jar alt sein, das wirdt dem Konig fiir ein ehr geacht, das er mit
der Konigin hausshelt , vnd jr dic zeit lang pflegen thut. vnd das angesehen,
Sfhmidt. .Jiis iirimae uocti.s. 3
34 Kapitel 6. Ei-brecht. Yorzug des Schwestersohnes.
diese Quelle kouneii alle ^S^achrichten spaterer Schriftsteller von
ahnlichem Inhalt zuruckgefiihrt werden, obwohl darin einige Aen-
derungen enthalten sind. Dahin gehoreu namentlich die Berichte
des venetianischen Juwelenhandlers Caspar Balby iiber den Konig
von Cocchi in Malabar ^ und des mecklenburgischen Edelmannes
Albrecht von Mandelslo iiber die Erbfolge in den Stadten Cana-
mor , Cotschin uud Calicut ^ , mit einem Zusatz von Olearius ^.
Gubernatis erklart ebeufalls aus dem angeblichen Recht der Brah-
manen von Malabar den Rechtssatz, dass niemals der alteste
Sohn , sondern entweder der zweite Sohn (woriiber bereits obeu,
Seite 24—27, gesprochen ist), oder noch hiiufiger der Schwester-
sohn des Erblassers zur Erbfolge gelange ^*.
In der That scheiut bei den ]S"airs in Malabar der Rechts-
satz bestanden zu liaben oder noch zu bestehen, dass naehster
Erbe der Schwestersohn ist. Schon Varthema und Barbosa er-
wahnen diesen Grundsatz ^. Bei dem Tode des Konigs von Cal-
cutta gelangte das Scepter nach altem Herkommen an die Schwester-
sohne des Konigs''; die Erbfolge der weiblichen Linie blieb be-
so sagen sie, das die Sctwester vnd der Konig warlicli geboren seien aiiss
eiyem Leib, vnnd weniger zweifTel von seiner Schwester Siine, denn von sein
selbs Son. dermassen kompt die erbschafft des Reichs an die Sim seiner
Schwester."
' Balbi Kap. 44. Dort wird die Gewalt dcr Brahmanen. mit allen
Frauen und Madchen fleischlich zn verkehren. als die Ursache fiir das Her-
komnien bezeichnet. wonach bei dem Tode des Konigs nicht dessen Sohn.
sondern der Sohn seiner Schwester zur Thronfolge gelange. Doch wird an
einer friiheren Stelle desselben Werkes, namlich in Kap. 27, nicht jene Ge-
walt der Brahmanen , sondern die allgemeine Unsicherheit der Vaterschaft
als Ursache fiir das Erbrecht des Schwestersohnes angegeben.
- Mandelslo Buch 2, Kap. 10, S. 100, 101. Darin wird gemehlet, dass
in jenen Stadten keine Jiingfraii sich vermahle , bevor ihr die .Tungfrauschaft
durch einen Brahmanen genommen sei (vgl. unten Kap. 45 und 75): und
dass von diesem Gebrauch „auch des Konigs Braut nicht ausgeschlossen"' sei :
dann wird hinzugefiigt : ,,so kann allhier des Konigs Sohn uicht seines Vaters
Stuhlerl)e sein, sondern des Konigs Schwestersohn . damit sie des koniglichen
Gebluts halber desto mehr versichert sind.'"
* Olearius zu v. Mandelslo, Buch 2, Kap. 10, S. 101, Anm. c. Dort
wird aus dcr bezeichneten Gewalt der Brahmanen der Rechtssatz erkliirt.
dass bei dem Tode des Konigs nicht scin Sohn , soiulcrn sciii Schwestersohn
Konig werdo.
^* (jubernatis, Indie S. 137.
* Barbosa S. 326, 327: . . . „saom seus erdciros seus sobrinhas e das
mays; esta ley quem a iiuizer conciderar mais profundamente. achara que
foi instituida com maior subedoria do que vulgarmente se pensa". . .
6 Varthema (s. oben S. 33). Forbes Bd. 1 Kap. 13 S. 416.
Kapitel 6. Erbrccht. Vorzug des Schwestersohncs. 35
stehen, als die Brahmanen in Malabar ihre Gesetze einfiihrten ^
"VVie Franz Day nach Strange berichtet, gilt bei den Nairs von
Cochin noch heutzutage folgende Lineal-Erbfolge-Ordnung : Zuerst
erben die Schwestern des Erblassers, dann in folgcnder Reihen-
folge : die Schwestersolino , die Scliwestertochter , die Sohne der
Schwestertochter und die Tochter der Schwestertochter; die Mutter
des Erblassers, die Schwester der Mutter und die Kinder von
der Mutterschwester; die miitterliche Grossmutter des Erblassers,
ihre Schwester und deren Kinder ^. Hiermit stimmen die Nach-
richten von Talboys Wheeler iiberein ^. Aehnliche Grundsiitze
des Erbrechts sollen bei einigen andern Volkern gelten *. Allein
diese Eigenthiimlichkeit erbrechtlicher Grundsiitze ist leicht er-
klarlich. Bei den >'airs in Malabar besteht oder bostand Poly-
andrie in verschiedenen Formen ^. Bei einer derartigen Unsitte
kann der Grundsatz: „pater est quem justae nuptiao demonstrant",
1 Nelson S 93 (aus Ellis): ..The Brahmins. in introducing into this parf
of India, their la^vs and religion . were obliged in many things , to conform
to the opinion of the original irihabitants . . . hence the . . . succes.sion in the
female line in rkralabar". . .
2 Day S. ;31T (aus Strange pag 67. Civil Law) : ..The law of succession
to property is as follows, it gnes to a man's sisters : sister's sons, si3ter's
daughters: sister's daughter"s sons, and daughters: Mother: Mother's sisters.
their children: then to his maternal grandmother, her sisters, and their
children. Failiug these, and their stoclc, in the same way of descent, it
goes as in other parts of the Presidency, to a man's discipie, and fellow
student, and then escheats." Vgl. auch Day S. 318: ,,The succession in
this caste is that best adapted to a military people There property etc.
descends to the eldest of their sister's children". . . Vielleicht konnte die
Polyandrie (vgl. Anm. 5) nicht bloss aus der Kriegernatur, sondern auch aus
Armuth der Bevolkerung erklart werden.
3 Wheeler Bd. 1 S. 420. ^* Henne-Am Rhyn Bd. 1 S. 70, 71. •
•^ Varthema S. 14(i. 147 (nach Beschreibung des AVeibertausches, der
bei Edelleuten und Kauileutcn in Calicut angeblich stattfand) : „And amongst
the other classes of Pagans above-mentioned one woman has five , six and
seven husbands, and even eight. And one sleeps with her oue night. and
another another night. And when the womau has children, she says it is
the cbild of this husband or of that husband , and thus the children go
according to the word of the woman." Vgl. die deutsche x\.usg. v. J. 1534.
Buch 5, Kap. S, Bl. 74 Riickseite : ..Die andern Abgiittischen halten gar ein
andere weys , dann ein yede fraw nimbt sieben mann , die schlaff"en eyn
nacht umb die ander bey jr. Vnd so sie kindt macht. so giebt sie es
welchem sie will von den siben , daruber wirt jm kein ander recht ge-
sprochen." Deutsche Ausg. v. ,1. 1556- (unter der Ueberschrift „Wie die
Edlen bey weilen verwechsslen jr AVeiljcr-'): . . . „vnd vnder der andern
schar der Edlen, vor genennet. so helt ein Fraw fiinfF, sechs , sieben vnd
bey weilen acht Mann . vnd ligt einer eine naclit bey jr, die ander naclit ein
3*
36 Kapitel 7. Hetarismus iind Hauptlingsrecht.
keine Anerkennung finden; daher wird die Yerwandtschaft nur
durch Weiber bestimmt, und die gesetzliclie Erbfolge der Yer-
wandten nmss sich auf die miitterliche Yerwandtschaft beschranken ^.
AYeun aber auch bei Yolkern, bei denen Polyandrie nicht herrscht,
das Erbrecht des Schwestersohnes gilt, so lasst es sich daraus
erkliiren, dass bei ihnen nur die durch Weiber vermittelte Yer-
wandtschaft (im Sinn des „Mutterrechts" ^) als rechtsgiiltig be-
trachtet wird.
Hiernach ist es nicht gerechtfertigt, in den angegebenen
Rechtssiitzen eine Y^^irkung des jus primae noctis zu finden.
III. Theorieen iiber Ursprung und Entwicklung des Jus primae
noctis.
A. Hetarismiis iind HunptUngsrecM.
Kapitel 7. Bachofen meint, dem «Yaterrechf des griechisch-
romischen Zeitalters sei ein Zeitalter des -Mutterrechts" voran-
anderer, vrid also fiir und fiir, vnd wenn eine ein Kindt gebirt, sagt sie,
das Kindt ist dieses, vnd das ander ist dieses Mannes, demselben jren sagen
glauben sie , vnd sein damit zufrieden."' Barbosa S. 324: ... „hos irraaos
deste que ficaom solteiros dormem con has mulheres dos Nayres , e eles ho
haom por grande honra . e pera Bramenes nenhua mulher se Ihes negua , mas
eles nom hamde dormir com mulher mais uelha que sy". . . (Vgl. auch Bar-
bosa S. 327.) Weitere Nachrichten bei Linschot Buch 1, Kap. 42, S. 61, 62;
Faria y Sousa Bd. 1. Th. 1, Kap. 9, S. 84 CLas mugeres de los Nayres,
comunes a todos. nias a los Bramenes, y por esse no se le sabe Padres cier-
tos, ni algunos obligados a sustentar los hijos"); Balbi Kap. 44, S. 120:
Olearius zu v. jNIandelslo, Buch 2, Kap. 10, S. 100, 101; Forbes Bd. 1,
S 412; Day S. 303, 304, 317—319; Badger S. 146; Wheeler Bd. 1,
S. 420 und Bd. 3, S. 425, und besonders Nelson S. 141 — 145. Aus den Nach-
richten Nelson"s mag hervorgehoben ^verden (aus S. 141, 142J : „After marriage
it is customary for the Tottiyar women to cohabit with their husband*s
brothers and near relatives, and with their uncles. . . I should be supposed
to believe that polyandry is quite common in the South of India, taking the
form of openly practiscd concubinage as between the wife and the husbands
rolatives. . . Thc Western Kallars of the Madura District have a curious
eustom of assigning a woman as a v\-ife to ten, eight, six or two husbands,
Avho are held to be the fathers jointly and severally of any children that
may be born of her body." — Mit den vorstehenden Nachrichten lasst sich
der Bericht Abulfcda's (bei Fleischer S. 173) uber die „concubitus promiscui",
die bei don indischen Brahmanen fiir erlaubt gehalten wurden. einigermassen
vereinigen. da Abulfeda seine Quellen aus Siidindien bezogcn haben kann.
Er schrcibt : „Concubitus promiscui apud eos liciti sunt". und iiber die Ko-
mari : ..lucolae soli inter Indos concubitus promiscuos, ut nofaiidos, lege pro-
hibent " — Vgl. auch S. 35 Anm. 2.
1 Vgl. Whceler Bd. 1 S. 420 und B.l. 3 S. 425. - Vgl Kap. 7.
Kapitcl 7. IletJirismus iind Iirmiitlintjsrccht. 37
gegangcn, und noch friilier, iu der Urzeit der Menschlieit, habe
,,Hetarismus" geherrscht. Danach soU anfanglich das Zeitalter
<les aphroditischen oder tellurischen Hetarismus, dann das Zeit-
ulter des demetrischen oder lunarischen Mutterrechts, und endlich
das Zeitalter des apollinischen oder solarischen Vaterrechts ge-
herrscht haben. Bachofen sucht aus der griechischen Mythologie,
hauptsiichlich aus den Tragodien von Aeschylus und Sophocles,
nachzuweisen, dass unter dem alten Recht, welches die Erinnyeu
beschiitzten, das Mutterrecht zu verstehen sei, und dass dies dem
neu entstandenen, von Apollo und Athene in Schutz genommenen
Vaterrecht habe weichen miissen. Er fiihrt aus, das Vaterrecht
sei erst durch den Hellenismus und hauptsachlich durch die ro-
mische Staatsidee und durch das romische Recht zur Herrschaft
gelangt und seitdem in Geltung geblieben. Unter Hetiirismus
versteht er die schrankenlose „Natiirlichkeit des reinen, sich
selbst iiberlassenen Tellurismus", „ein rein thierisches Naturrecht",
das „aphroditische jus naturale", das „Naturgesetz des StoflFes".
Er meint , in jenem urspiiinglichen Zeitalter „des rohsinnlicheu
thierischen Lebens" habe keine Ehe bestanden, sondern regel-
loser Geschlechtsverkehr dergestalt geherrscht, dass die Eingehung
einer ausschliesslichen Geschlechtsgemeinschaft als ein Frevel und
als eine Verletzung der Religionsvorschrifteu betrachtet wurdc.
Der Kampf des demetrischen Mutterrechts gegen deu Hetarismus
habe einen Zeitraum von Jahrtausenden eingenommen ^; er sei
theils durch Ausartung des Mutterrechts im Amazonenthum ^,
theils durch Verbreitung der dionysischen Religion ^ gehemmt
worden; indesscn habe der Hetiirismus nach und nach vor deni
demetrisrhen Mutterrecht zuriickweichen miissen; das weibliche
Siihnopfer, welches der Hetiirismus verhmgte, sei allmiihlich er-
leichtert wordcn '* ; einige Volkcr hiitten den Hetiirismus auf die
Brautnacht beschriinkt •"; endlich Jiabe die demetrische Gyniiko-
kratie iiber deu aphroditischen Hetiirismus den Sieg errungen ^.
„Mit der Gemeinsamkeit der Weiber," sagt Bachofen, „hiingt
die Tyrannis eines Einzelnen nothwendig zusammen . . . Jeder
Stamm hat seinen Tyrannos. Es ist das Recht der Zeugung,
auf welcher diese Herrschaft beruht. Da in der Geschlechtsver-
bindung keine Sonderung eintritt, mithin auch das individuelle
Vaterthum wegfiillt, so haben Alle nur Einen Vater, den Tyrannos,
dessen Sohnc und Tiichter sie alle sind, und welchem alles Gut
» Bachofen S. XIX. 2 Rachofen S. XXIV, S. 26. 27.
3 Bachofen S. XXII- XXIV. " Bachofen S. XIX und S. 12.
5 Bachofen S. 12, 13 und 18. 6 Bachofen S XXVII.
38 Kapitel 7. Hetarismiis und Haiiptlingsrecht.
gehort . . . Dlii-cIi diese Yerbindung erhalt der Tyrannos seinen
physischen Zusammenhang mit dem Stamme, den der kephalle-
nische Tyrannos durch Beiwohnen mit jeder Braut vollstandiger
erreicht." ^ Aus einer Stelle Herodot's ^ folgert Bachofen, „dass
die Adyrmachiden unter dem Einfluss der gebildeten Aegypter
zu einem hoheren Grade der Kultur als die iibrigen libyschen
Stamme sich erhoben hatten. Der Hetiirismus war dem ehelichen
Leben gewichen . . . Im Anschluss an diese Darstellung muss
auch das dem Konige vorbehaltene droit de culage als eine
Aeusserung fortgeschrittener Gesittung betrachtet worden sein. Es
erscheint wirklich in solchem Lichte, sobald wir darin eine Be-
schrankung des friiher weitergehenden Hetarismus erblicken. Der
Konig allein hat noch das alte Recht, und auch er nur in dem
ihm beigelegten hoheren religiosen Charakter." ^ Aus dem Zu-
sammenhang dieser Stelle und aus der iibrigen Entwicklung
Bachofen's erhellt, dass er mit dem Ausdruck „droit de culage"
das Herrenrecht der ersten Nacht bezeichnen will '^. Er meint
also, dies E,echt sei der Ueberrest des Hetarismus.
Ware eine derartige Beweisfiihrung zuliissig, so konnten aus
der grossen Masse gesqhlechtlicher Unsitten ^ beispielsweise noch
folgende als Ueberreste des Hetarismus angefiihrt werden. „Einige
Tolker" iibergeben ihre Braute den Konigen zur Defloration '';
bei andern Yolkern gehort die Braut allen Yerwandten und
Freunden des Briiutigams und erst zuletzt ihrem Manne^; in
den entferntesten Theilen Afrikas werden die Briiute von Ko-
nigen oder Priestern deflorirt^; in Mozambique, Malacca, Pegu
1 Bachofen S. 17, 18. — Ueber den kephallenischen Tyrannos vfil. unteii
Kap. 34.
- Vgl. unten Kap. 33.
^ Bachofen S. 173. Aehnlich S. 328: . . . „Ueber\vunden ist l)ei deu
Adyrmachiden der Hetarismus, und nur dem Konige gegeniiber noch in einem
einzelnen Falle zugelasscn."
^ Ueber die Unrichtigkeit dieser Bezeichnung s. Kap. 3 ( S. 14. 15) und Kap. 18.
5 Polyd. Verg. lib. 1. cap. 4. IMutio fol. 60 --61. Grand Vocab. Bd 17
S. 171, 172. Grupen § 1. Fischer S. 93—97. Bachofen S. 10, 12. 13.
6 C. P. Hoffmann S. 58.
' Giraud-Teulon S. 69: „Cliez lcs anciens Peruvicns, en i^thiopie , aux
iles Baleares, et, de nos jours, chez plusieurs tribus aborigenes de l'Inde, au
Birman, k Cachemir, dans le sud de rArabie, k Madagascar et a la Nouvelle-
Zelande, la fiancee appartient de droit k tous les parents ct amis — le mari est
lc dernier admis k cet honneur et supporte en g^neral gahunment ce jus
primae noctis."
^ Tollius zu Lact. de mort. pors cap. 38. Hiermit kann die unsichere
Nachricht Cantu"s (Mittehilter Bd. 4 S. 1472) vcrglichon werdon . dass l)e =
Kapitel 7. Ilctiirismus iin<l Hihiptliiigsreclit. 39
und andern Jjiindern wird ein frenider Mann eing-claden, dem
Briiutigam einen solclieu Dienst zu erwcisen^; anderwiirts ge-
scliieht diese Einladung durch die eigenen Miitter der Jung-
frauen^; auf den rhilippinen wird jene Aufgabe durch bezahlte
Miinner erfiillr ^. Dahin geliiirt ferner die Erziihlung iiber die
babylonischeu Frauen und iiber Cypern * ; die Preisgebung von
Frauen und Tochtern an Giiste ^ ; die Erziihlung des Ritters von
Gruitzow iiber „sclione Weiber zur Kurzweil"*^; und die Nach-
richt, dass bei den Indianern Xordamerikas Jeder, der in eine
hohere Klasse aufriiclve, seine Frau deni Vorgesetzten fiir eine
gowisse Zeit iiberlassen miisse '^. Bei einigen Volkerschaften
muss die Neuvermiihlte in der Hochzeitsnacht alle Hochzeitsgiiste
befriedigen, bevor sie ihrem Ehemann gehort^; so hatte bei den
Nasamonen die Braut in der ersten Nacbt geschlechtlichen Yer-
kehr mit deu einzelnen Giisten, von denen sie dafiir ein Geschenk
erhielt'-'; Aehnliches wird von den Ano-ulern berichtet ^*', des-
einigen Negervolkeni Afrikas die Priester sieh die ehelicheu Priinitien an-
massten; ferner die Nachricht von geschleclitlichen Ausschweifungen , die im
Konigreich Daliomey in Oberguinea, namentlich in der Provinz Ardrah (?) und
in der Hafenstadt Widah (Whyda), zwisclien Priesiern iiiid Miidchen angeblich
stattfinden. (Kulischer S. 223.)
1 Varthema (iiber Tarnassari) S. 202 — 204 der engl. Uebers. der Ausg.
v. 1510 (ebenso in der deutschen Ausg. v. 1534 Buch 6 Kap. 8 Bl. 80, und
in der deutschen Ausg. v. 1556). Mutio fol. 00 v. , 61. Linschot Buch 1
Kap. 17 S. 22 (iiber Pegu). v. Mandelslo S. 144. Olearius in der Anmerk.
zu V. Mandelslo S. 144. P^rancisci S. 937, 938. C. P. HofPmann S. 58. Tollius
zu Lact. de mort. pers. cap. 38. Delpit S. 272—278. Gubernatis, Indie
S. 137, und Usi S. 197. « Liebrecht 1879, S. 42L 422.
3 Demeunier Bd 2 S. 96. Liebrecht 1874, S. 14L 142 und 1879. S. 420, 42L
♦ Herodot lib. 1 § 199. Voltaire, Def. de mon oncle. Giraud-Teulon
S. 73, 81. V. Hellwahl S. 146. 147.
5 Oviedo Bd. 2 S. 222, lib. 24 cap. 3 (betr. Uruacay). v. Martius 1832,
S. 65. Arch. f. Anthrop. Bd. 11 S. 127.
^ Hieran kniipft sich eine Streitfrage iiber „schone Frauen". Vgl.
V. Hormayr 1832, S. 38 und 1842, S. 147; Anz. d. D. Vorz. Bd. 6 S. 136 xind
S. 213 und Bd. 8 S. 55, 56 (betr. den Lehnsrevers des alteren Gotz von Ber-
lichingen. vom 26. Miirz 1498); G. M. Weber S. 543; Fahne S. 309.
' Nuits d'epreuve S- 82.
« Montaigne liv. 1 ch 22 S. 144, 145. Chr. Ariiold S. 100. Giraud-Teulon
S. 69. Kulischer S. 221.
' Herodot lib. 4 § 172: ... ttoojtov ?s Ya[j.£OvTo; Naao(;j.wvo; dvof;6c voiao;
£3Tt TTjV v6|J.Ci.T,V VJXTt T/] ZpWTT^ 0(7. -0!VT(OV OIc^eXSeIv T(I|V Oa[TU[J.o'viOV [J.taYO[J.£VT|V
Twv rji (o; £/.c<aTo; o't [Jf-y^^ri . otoot oiTjpov , TO 7.V r/T, '.icpojj.jvo; iz rjiyj/j'-'- . . . VgL
Polyd Verg. lib. 1 cap. 4: Du Verd\er S. 95, 96; Grupen § 1 S. 2. 3;
v. Martius S. 6L
i" Solinus ca]). 31. dc intimis gentibus Libyae : .. . „Angulae foeminas
40 Kapitel T. Hetarismus und Hauptlingsrecht.
gleiclien von den Bewolinern der Balearen ^, von den Bewohnern
Perus (aus der Zeit vor der Herrschaft der Yncas) ^, von einigen
Volkern ini Nordosten Sudamerikas ^ und von den Bewohnern
Cubas (aus dem achtzehnten Jahrhundert) 'K Bei den Gebirgs-
vcUkern von Asyr wird „das Recht der Brautnacht dem reisenden
Gaste zugestanden" ^. In Ceylon theilt der Eheraann seine Rechte
an der Frau mit seinen Briidern; nur auf die Hochzeitsnacht
hat er ein ausschliessliches Recht ^. Bei andern Yolkern besteht
der Hochzeitsgebraucli , dass die Braut ihre Jungferschaft einem
Gotzenbilde opfert ^. Endlich konnte noch die Sage von den
sogenannten Probenachten ^ hier angefiihrt werden.
"Waren alle diese und noch viele andere geschlechtliche Un-
sitten bewiesen, so konnten sie doch nicht ohne AYeiteres als
Ueberreste des ^Hetarismus" betrachtet werden^; und noch weniger
suas primis noctibus uuptiarum adulteriis cogunt patere : mox ad perpetuam
pudicitiam legibus stringunt severrimis." Aehnlich lauten die Nachrichteu
bei ^NIela und Plinius. Vgl. Salmasius zu Solinus cap. 31: Bachofen S. 174.
> Bachofen S. 12. 18. Henne-Am Rliyn Bd. 1 S. 67.
- Garcilaso liv. 1 ch. 14, Bd. 1 S. 57 und (1>etr. Manta) liv. 9 ch. 8, Bd. 2
S. 389. V. Martius S. 61. *
^ Martius S. 62.
* Carli, 9. Brief, vom 2. Juli 1777, Bd. 1 S. 175. Vgl. Kap. 91.
^ Chwolsohn Bd. 1 Kap. i) S. 292.
« Grand Vocab. Bd 17 S. 172.
' Barbosa S. 804 , 305. Linschot Buch 1 Kap. 33 S. 51. Balbi Kap. 23.
Chr. Arnold S. 100. Francisci Buch 3 S. 936. C. P. Ploffmanu Th. 2 Kap. 1
§ 8 S. 59. Demeunier Bd. 2 S. 102. Giraud-Teulon S. 72.
5 Fisclier. Danz Bd. 6 S. 47 ff. v. Schmitz S. 230, 231. Nuits d"epreuve.
Damit zu vergleicheu sind die Nachrichten iiber Nachtbesuche der Brautleute
bei den Afghanen und nordwestlichen Indern (Zimmer S. 308, 309), und bei
europaischen Yolkern (v. Dliringsfeld S. 9, 254), auch iiber die ..Amannados"'
(Zusammengewohnung) in Ecuador (Ulloa lib. 6 cliap. 6 Bd. 1 S. 343, 344.
und V. Martius S. 56j.
s Henne-Am Rhyn (Bd. 1 S. 66, 67) sucht in folgender Weise dar-
zuthun, dass in den Ui-zustanden der Menschheit der Hetiirismus geherrscht
halio. ..Unverdiichtige Zeugen erzahlen von den Massageten (Herodot I, 216),
den libyschen Auseern (ebd. IV, 180) und den iithiopischen Garamantcu
(Strabon), von den Griechen vor Kekrops und deu Cliinescn vor Fohi, dass
bei denselben eine Elie, d. li. dauernde Verbindung zwischen Personcn ver-
schiedencn Geschlechts. uicht stattgefunden, sondern vollstandige Zuchtlosigkeit
allgemein geherrscht habe." An diesen Vordersatz fiigt er in buutem Mosaik
mehr oder minder bestimmte Nachricliten und Geriichte iiber Unsitten, die im
Lauf von Jahrtausenden bei einzelnen Volkerschaften der verschiedenen "Welt-
theile gchcrrschl habcn sollen, und er schliesst mit den Worteu: „Aus diesen
Thatsachen muss wohl auf einstige allgemcino Herrschaft des Hetiirismus iu
Kapitel 7. lletiirNimis iiiid Iliiuptliiiirsroclit. 41
konnten sie ziun lieweise des jus piimae noctis dienen. Die An-
nahme, dass in der Urzeit der Menschheit allgemein Hetiirismus
geherrscht habe, beruht auf blosser Hypothese, ist also nicht ge-
eignet, als feste Grundlage fiir weitere Folgerungen zu dienen.
Zudem Ijisst sich die Frage, ob irgendwo und irgendwann das
sogenannte jus primae noctis bestanden hat, nicht wie eine an-
thro])ologische Hypotliese behandeln; sondern sie konnte nur dann
und nur insoweit bejaht werden, als geschichtliche Beweise dafiir
erbracht wiirden.
I^iemand wird leugnen, dass in der Geschichte der Yulker-
schaften alter und neuer Zeit mannigfache geschlechtliche Un-
sitten verzeichnet stehen. Yiele dieser Unsitten sind auf irre-
geleitete religiose A^orstellungen zuriickzufiihren. Auch kann zu-
gegeben werden, dass gewisse Unsitten verschiedener Yolker aus
verschiedenen Zeiten miteinander Aehnlichkeit haben. Allein dies
geniigt nicht zu der Yoraussetzung, dass dieselben untereinander
in ursachlichem Zusammenhang stehen, Ueberdies leidet die Hy-
pothese Bachofen's auch an innerer Unwahrscheinlichkeit. Durch
Fortschritt der Civilisation ist es erkliirlich, dass ein Yolk die Un-
sitte der Weibergemeinschaft ablegt und dafiir gesittete Gewohn-
heiten annimmt. Dagegen ist es unglaublich, dass ein Yolk, welches
in Weibergemeinschaft lebt, diese Unsitte mit dem ausschliesslichen
Recht des Hauptlings auf alle AYeiber des Stammes vertauscht.
Stiinden aber gleichwohl alle AYeiber „vor Allem zur Disposition
des patriarchalischen Hauptlings" , und hiitte der Herrscher „das
alleinige Privileg, Frauen zu haben", so ware es hochst unwahr-
scheinlich, dass er eine Beschrankung seines vermeintlichen Rechtes
freiwillig aussprtiche, indem er sich ein fiir alle Mal rait dem
„Herrenrecht der ersten Nacht" begniigte, oder dass ihn die Be-
volkerung zu einer solchen Beschrankung seiner AYillkiir zwingen
wiirde. Soweit es moglich ist, sich in die Anschauungsweise eines
wilden Yolkes zu versetzen , diirfte anzunehmen sein , dass die
den Urzustanden der Menschheit geschlossen werden." Nnn sind aher be-
kanntlich die Nachrichten iiber den chinesischen Heros und Gesetzgeber Fohi,
der etwa dreitansend Jahre vor Christi Gebnrt gelebt haben soll , und iiber
Kekrops, den um 1470 v. Chr. Geb. aus Sais in Aegypten eingewanderten Konig
von Attika, bloss mythische Erzahlungen; und es ist ein Irrthum, zu glauben.
da.ss es fiir die Sitten der Griechen vor Kekrops und der Chinesen vor Fohi
„unverdiichtige Zeugen" gabe. Aehnlich verhalt es sich mit den daran ge-
reihten weiteren Thatsachen, die keinen^falls als geschichtlich festgestellt be-
trachtet werden konnen. So wird aus morschen Bausteinen, die nicht einmal
zusammenpassen, mit HiJlfe lebhafter Phantasie. das Luftgcbiiude eines iiber
die ganze Welt verbreitet gewesenen Hetiirismus errichtet.
42 Kapitel 7. Hetarismiis uiul Hauptliiigsreclit
AVilden entweder roli genug sind, um jederzeit ihre Frauen dem
Belieben des Hauptlings zu iiberlassen, oder genug Gesittung
haben, um sich den Eingriff iu ihre ehelichen Eechte iiberhaupt,
und insbesondere auch fiir die Hochzeitsnacht, zu verbitten.
Durch das Gesagte erledigen sich die Hypothesen aller iibrigen
modernen Schriftsteller ^ die theils aus eigeuer Erfinduug, theils
' Sclion Evvers (S. 72. 73) erklJirte das jus primae uoctis aus der alten
Stellung der Geschlechtshaupter : ..Der Stammgenosse war urspriinglich Unter-
than des Stammhauptlings ; nur der Hiiuptling hatte jenes Recht; ob aber
iiber alle Stammgenossen , auch iiber die , welche urspriinglich zu dem Ge-
schlecht gehoren, als jiingere Zweige der ersten Hauptlingsfamilie (die Edlen
und Freien). oder nur iiber die allmahlich in den Stamm aufgenommenen Ab-
kommlinge der dienenden Klasse? — dariiber werden erst tiefere Forschungen
kiinftig Aufschluss geben. Denn soviel steht durch Vergleichung wohl jetzt
schon fest: es war kein Herrscherrecht. sondern ein Recht des Hauptlings."
— Liebrecht betheuert (1874, S. 141 und 1879, S. 423, 424), es konne nicht
der mindeste Zweifel dariiber herrschen, dass sich in dem jus primae noctis
eine deutliche Spiir jenes Hetarismus, jener sntv.oivo; ;j.t'5'.; erhalten habe, deren
einstige Herrschaft Bachofen in seiner erschopfeuden Untersuchung iiber das
Mutterrecht ausfiihrlich besprocheu habe. „Die luhaber der Gewalt hielten,
wie es scheint, noch immer an dem urspriinglich allgemeinen Rechte fest, als
es schon liingst in den iibr\gen Volksschichten verschwunden. und das einstige
Bestehen desselben vergessen Avar, so dass da, wo der Einzelne (biirgerliches
oder geistliches Haupt) es noch iibte , diesem Recht bald dieser. bald jener
Grund untergelegt wurde." — Post schreibt (S. 36 — 38): ..Urspriinglich stehen
anscheinend alle Weiber der Geschlechtsgenossenschaft mit AVeibergemein-
schaft vor Allem zur Dispositiou des patriarchalischen Hauptlings, auch in
Beziehung auf den geschlechtlichen Gebrauch Dies fiihrt bei Ausbildung
eines despotischen Konigthums zu dem Satze, dass der Herrscher das alleinige
Privileg hat , Frauen zu habeu, und vou diesen nur an seine Giinstlinge ab-
giebt''. . . . „Das alte Recht des Hauptliugs auf alle AVeiber fiihrt zu dem jus
primae noctis, dem Recht des Geschlechtsfiirsten, alle zur Genossenschaft ge-
hiirigen Weiber zu entjungfern , mit andern Worten , die maritalischen An-
spriiche der Geschlechtsgenossen gegen alle Weiber vor den iibrigen Genossen
auszuiiben. Wo sich Spuren eines jus primae noctis findcn, kann man mit
zipmlicher Sicherheit darauf zuriickscliliessen, dass bei dem betrefifeuden Volke
urspriinglich einmal Weibergemeinschaft geherrscht hat."' — Giraud-Teulon
(S. 1 — 71) vertheidigt ebenfalls die Hypothese Bachofen'3, dass in alten Zeiten
Hetarismus geherrscht habe, und damit die Eingehung eiuer individuelleu Ehe
nicht vereinbar gewesen sei; noch spater, versichert er, habe der Abschluss
einer festen Ehe als Verletzung des Naturgesetzes gegolten, wofiir Siihne ge-
fordert wurde; die Ehegatten hatten das Recht auf ihren ausschliesslichen
Besitz gewissermassen aus der Gemeinschaft einlosen miissen: bei weiterer
Ordnung gesellschaftlicher Zustiindi» sci der Tril)ut . den die Frau an die
Gemcinschaft verschuldete. allmiihlich auf ciiie ciiizige Lcistung eingeschriiukt
worden; so sei das jus primae noctis entstanden , welches den Hiiuptlingen,
den Konigen oder den Priestern eingeriiumt wurde. — AUe diese Hypothesen
machen im Allgemeinen den Eindruck. als meinten die Verfasser. es sei bereits
Kapitcl 8. Heidniscbes iiiid christliches Priestcrthum. 43
utblge der von I^)achofeii gegobenen Anregung in alinlielier AVeise
wie Baoliofen das llerrenreeht der ersten Nacht zu begriinden
suclien.
B. HekhuscJies laid cltristliches Friesfertlnon.
K.ipitel 8. Yiele Schriftsteller der Xeuzeit nieinen , das
Herreureclit der ersten Nacht sei nSogar" von Geistlichen iu An-
spruch genommen und ausgeiibt worden. Aus einigen derartigen
Ausspriichen ist nicht deutlich zu ersehen, wie sich die Yerfasser
die Entstehung eines solchen Rechts der Geistlichkeit vorstellen.
An manclien Orten hatte es „sogar der Ortsgeistliche" ^ «Sogar
die Geistlichkeit hatte zuweilen eine Yorliebe fiir die siisse Frucht
der ersten Nacht." ^ „Die Pfaffen und sogar die Monche be-
sassen dieses Recht und genossen es in natura." ^ „Das Sclimali-
lichste war, dass Xiemand auf dies abscheuliche Recht, selbst in
seiner urspriinglichen rohen Form, erpichter gewesen ist, als die
Clerisei." ^ „An der Richtigkeit der Thatsache, dass selbst
Geistliche jenes Recht auszuiiben suchten, lasst sich leider nicht
zweifeln, wie selir man auch die Sache in Abrede zu stellen ge-
sucht hat." -^ „Es war gar nichts Unehrliches fiir einen Dorf-
pfafFen, der doch die Keuschheit heilig gelobt und das heilige
Sacrament der Ehe abgeschworen hatte, die Braute seiner ganzen
Pfarre in der ersten Brautuacht zu beschlafen." *^ Gegen Bi-
schofe und Aebte wurden Strafen verhangt, weil sie fiir jenes
Recht Geld annahmen, „statt dass sie das Recht der Entjung-
ferung bisher personlich, con amore, ausgeiibt hatten" '.
In andern Ausspriichen wird durch den Zusammenhang an-
gedeutet oder ausdriicklich gesagt, dass die Geistlichen in der
Eigenschaft als Grundherren jenes Recht in Anspruch genommen
hatten. „Es ist , nicht zu bezweifeln, dass Aebte und Bischofe
in ihrer Eigenschaft als weltliche Herren dies Yorrecht in An-
spruch nahmen; und es ist nicht sehr lange her, dass Priilaten
von diesem Yorrecht Abstand genommen haben, und zwar fiir
anderweitig 'bewiesen , dass in alten Zeiten das jus primae noctis geherrscht
habe. Sie suchen es zii erkliiren. Doch konnen einige Bemerkungen der
genaunten Schriftsteller auch in dem Sinn aufgefasst werden, dass darin Be-
weise jenes Rechts gefunden werden <ollten. In jedem Fall sind sie un-
begrUndet.
1 Maurer Bd. 3 S. 169. 2 SchafPner Bd. 2 S. 184, 185.
3 Dulaure, Adel S. 242, 243. * Sugenheim 1861 S. 104.
'' Kolb 1842 S. 497. 6 Reynitzsch S. 275.
7 Hormavr 1842 S. 146.
44 Kapitel 8. Ileidnisches iind cliristliclies Priesterthiim.
Geldabgabon , worauf sie ebenso viel Recht hatten, wie auf die
Jungferschaft der juugen Madchen." ^ „Das Anstossigste ist,
dass selbst geistliclie Herren den Anspruch auf Ausiibung dieses
Rechts erhoben." ^ „Das unter dem Nameu droit de markette,
cullagium oder marcheta bekannte schmahliche Herrenrecht nah-
meu selbst Pfarrer fiir sich in Anspruch, und Bischofe verwan-
delten es in Geldabgaben." ^ „Aebte und selbst Bischofe iibten
es aus, wie Barone." * „Die franzosischen Bischofe und Aebte
hatten dies Recht sehr oft iiber ihre Yasallen, und die enthalt-
samsten verlangten Geldentschadigung fiir die ^Nichtausiibung." ^
„Es ist nicht zu bezweifeln, dass Aebte und Bischofe in der
Eigenschaft als weltliche Herren sich dies Yorrecht beilegten.
Uuter den Geistlichen, welche dies Recht geuiessen, erkennt
mau die Bischbfe von Amiens, die Monche von Saint-Etienne zu
IS^evers, die adeligen Domherren von Lyon, die x\ebte von Saint-
Theodard etc. etc. etc." ^"
Eine dritte Klasse moderner Schriftsteller sucht jenes Recht
aus der priesterlichen Gewalt zu erkhiren, und zwar aus der
Gewalt heidnischer sowohl als christlicher Priester '. Angelo de
Gubernatis spricht vop Brahmanen, die es fiir ihre religiose Pflicht
hielten, den jungen Madchen, bevor dieselben heiratheten, den
Schmuck der Jungfriiulichkeit zu nehmen * , und kniipft daran
die Bemerkung, derselbe Gebrauch habe in Europa im Mittel-
alter geherrscht, jedoch mit dem Unterschied, dass er nicht, wie
in x^sien, durch die Priester aus Gnade und Profession, sondern
' Voltaire. Dict. phil. unter Cuissage. Diss. S. Claude. Anh. S. 133, 134.
2 Dupin bei Mignet Bd. 28 S. 131. Journal des Debats, 2. Mai 1854, auf
der ersten Seite.
3 Chateaubriand S. 386.
" Merlin, Eep. unter Markette. Kolb 1842, S. 497. Kolb 1843, Bd. 2
S. 73. Vgl. (in abgeschwachter Fassung): Dict. Acad.. Suppl. 1836 unter
Markette.
* Marichalar Bd. 6 S. 70. " Labessade S. 1).
" Eine solche Gleichstelhing heidnischer und christlicher Priester findet
sich in zahlreichen Schriften des ncunzehnten Jahrhunderts. Untcr dem Ein-
fluss dieser Vorstellung legen Einigc (z. B. Dulaure, Adel S. 242, Diimge
S. 20, Le Siecle vom 26. Sept. 1854 und Labessade S. 23 Nr. 41 u. 42 und
S. 92) besonderes Gewicht darauf, dass selbst der gelehrte Jesuit Papebroek
an das jus primae noctis geglaubt habe: gleichsam als ob dies Recht durch
Zugestiindniss eines Priesters be-\viesen wcrden konnte. Doch geht die Mei-
nung Papebroek"s (AA. SS. 30. aprilis. lid. 3 S. 822) nur dahin, dass jenes
Reclit in heidnischer Zeit bestandeu habe und durch das Cliristentluim ver-
drangt sei. Vgl. unten Kap. 20.
8 Gubernatis Indie S. 137 und Usi S. 198.
Kapitcl «S. Ilcidiiisclies iiiul chri.stliclies Pricstertlium. 45
\uii cleii i'rietitcrn uiul Lelmstriigern des Mittelalters kraft eines
Keehtes ausgeiibt worden sei, so lange die Geduld der Unterthanen
• liesen Schimpf ertragen konnte ^ Liebrecht vermuthet, da die
Caziken als weltliche HiiuptHnge zugleicli die oberste priester-
liehe Gewalt besassen, so moge das jus primae noctis den Ober-
priestern oder iiberhaupt einem Priester verblieben sein, „wo sie
nicht mehr auch weltliche Haupter waren, wiihrend diese es ver-
loren hatten" ^. Also meint Liebrecht, jenes Recht habe an-
fiinglicli den weltlichen Hiiuptlingen und spiiter den Priestern
zugestanden. Ein anderer Schriftsteller der Gegenwart meint, das
vorlaufige Paaren mit den neuvermiihlten Frauen sei anfiinglich
ein Recht der Geistlichkeit gewesen und habe sich bei den Brah-
manen Indiens ebenso wie bei den christlichen Priestern des
Mittelalters auf die ersten drei ^iichte erstreckt; „der von der
Geistlichkeit angelobte Colibat" sei „kein Hinderniss zur Yoll-
ziehung des vorliiufigen Begattungsrechts" gewesen; a]hiiiihlich
hiitten sich die weltlichen Herren dieses Rechts bemiichtigt: je-
doch hiitten dieselben den Umfang des Rechts eingeschriiukt, in-
dem sie nicht mehr das „trinoctiuni", sondern nur das jus primae
noctis fiir sich in Anspruch nahmen -^
In neuester Zeit w^rd sogar gelehrt, die Kirche habe das
Herrenrecht der ersten Nacht als gerechtfertigt anerkannt und in
ihreu besondern Schutz genommen. Die Zeitung „Deutscher Mer-
kur" •^ stellt niimlich iiber jenes „Ehebruchsprivilegium" folgende
Siitze auf: „Es hiitte sich dieser Missbrauch der grundherrlichen
Gewalt leicht beseitigen lassen, wiire ihm, so lange er nur spo-
radisch veriibt wurde, nur von der Kirche entgegengetreten worden.
L^nter den Augen der Kirche wuchs er aber zur allgemeinen
Landplage heran: sie aber, sonst so freigebig mit ihren Fliichen,
liess das U ebel ruhig weiter wachsen , ohne daran zu denken,
ihre Fluchapparate gegen diesen Unfug spielen zu lassen. L^^nd
doch war schon der Tribut, der fiir den Nichtgebrauch dieses
vermeintlichen Rechts entrichtet werden musste, nicht bloss eine
schmiihliche Entwiirdigung der armen iS^euvermiihlten, sondern
auch des Ehestandes iiberhaupt. Aber davon hatte die Kirche
so wenig eine Ahnung, dass auch sie diesen Tribut einzog. Nach-
dem wegen allzu starken Gebrauchs dieser Ehebruchspriitensionen
> Gubernatis, Usi S. 198. 2 Liebtecht 1879 S. 420.
» Kulischer S. 223—227.
^ D. Merkur v. 17. April 1880, S. 124, unter der Ueberschrift : ..Der
Papst Leo XIII. als Geschichtsbaumeister".
46 Kapitel ^s. Heidnisches und christliclies Priesterthuni.
Aufstande vorgekommen waren, wurde daran gedacht, durch
Landesgesetze diese Pratensionen als unberechtigte Anmassuugen
zu heseitigeu, womit auch der fiir den Mchtgebrauch eiugefor-
derte Tribut hinfallig wurde. Xirgends ist der Impuls zu diesen
Gesetzen von deu Organen der Kirehe ausgegangen ; wohl aber
ist es nachweisbar, dass sie nur mit Widerwillen sich dieselben
gefallen liess. Als in Frankreich einige Parlamente bei ihren
Entscheidungen vou dem Satze ausgingen, dass es fiir Niemanden
eiu Ehebruchsrecht geben konne, opponirten die Feudalherren,
und die Kirclie war auf ihrer und uicht der Parlamentsherren
Seite". . . Es wird beliauptet, aus jenem Ehebruchsprivilegium
habe die Kirche selbst Nutzen gezogen; sie habe wohl auch
ihren geweihten Organen diese Profanation nachsichtsvoll ge-
stattet und sei daher nicht in der Lage gewesen , derselben mit
Xachdruck entgegenzutreten. „Was dieser Umstand fiir die Pflege
hiiuslicher und oflFentlicher Sitte zu bedeuten hatte, vermag man
erst dann vollstiindig zu ermessen, wenn man bedenkt, dass es
der Kirche gelungen war, die Ehesachen zu monopolisiren, und
es niithin auf der ganzen weiten Erdenrunde kein Forum mehr
gab. bei welchem fiir das Magdthum der Braut eines Sklaven
Schutz gegen feudale Greliiste hatte gefundeu werden konnen.'" ^
Der in jenem Zeitungsartikel gelobte Gewahrsmann meint, die
Kirche habe sich gegeniiber jenem Recht „nicht uur passiv" ver-
halten. Denn es sei „eine historische Thatsache, dass sie den
feudalistisclien EhebruchsprJitensionen nicht nur nicht entgegen-
getreten, sondern auch dieses schiindlichste aller Herrenrechte
als begriindet anerkaunt hat, indem entweder Priistation in na-
tura oder im Falle der Yerweigeruug das dafiir iibliche oder
festgesetzte Aequivalent bcansprucht wurde. . . Zum Schutze
der Ehe, fur welche die Kirche das ausschliessliche Gesetzgebungs-
recht in Anspruch nahm, hatte sie keine Ceusuren, keine Ana-
theme." 2
Die einzelnen Thatsachen, die in vorstelienden Ausziigen er-
wiilint werden, sollen im Verlauf dieser Untersuchung gehorig
beleuchtet werden. Die angefiihrten Tlieorieen stimmen mitein-
ander nicht iiberein und leiden siimmtlich an dem Fehler, dass
sie ein Rccht zu erkliiren sucheu, ohne vorher nachzuweisen,
dass es iiberluiupt bestanden hat. Eine weitere Kritik der be-
zeichneten Yerirruugen wird hier unterbleiben konnen.
1 Buchmann S. 38.
- Buchmann S. 68, 69.
Kapitol i). Sklaverei uud Fcudalitat 47
SJdaverei und Feudalitdt.
Kiipitel 9. Weinliold behauptet, „der Gebieter der Braut"
liabe „bei den spateren Roraern" das jus primae noctis gehabt ^,
ohne die dunkeln Ausdriicke ^Gebieter der Braut bei den spii-
tern Komern" zu erkliiren. Mit grosserer Deutlichkeit driicken
andere Schriftsteller die Meinung aus, jenes Recht sei aus der
Sklaverei entstanden, Avie solche bei den alten Griechen und
Roraern Geltung hatte ^. „Es ist wahrscheinlich, dass raan dies
Recht von dera Augenblicke an ergrifF, wo es Sklaven gab. Ein
Mann, der sich eine unbegrenzte Gewalt iiber das Lcben und
iiber die Giiter aller seiner Unterthanen anniasst, kann ebenso
gut mit ihren Frauen schlafen." ^ Masson meint, uni die Zeit,
als die Sklaven in die Stellung vou Unteithanen aufriickten, sei
die urspriingliche Rohheit jenes Herreureciits beseitigt und durch
Geldabgaben ersetzt worden ^.
Eine derartige Auffassung ist unvereinbar mir dem Begriff
der Sklaverei, die bei den alten Griechen und Roraern bestand.
Danacli war der Sklave rechtlos ; der Herr hatte das Eigen-
thuni , also die volle Herrschaft iiber den Sklaven wie iiber
eine Sache; nur aus polizeilichen Riicksichten konnten Sklaven
gegen Gewaltthatigkeiten ihrer Herren geschiitzt werden; von
einzelnen Rechten des Herrn gegeniiber deni Sklaven konnte
keine Rede sein.
Andere Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts betrachteu
das Herrenrecht der ersten Nacht theils als eine nothwendige
Folge, theils als eine Ausartung der Leibeigenschaft und
der Feudalitat. ^iS^icht die niedrigsten personlichen Dienste
der Leibeigenen und ihrer Kinder bloss, selbst das jus primae
noctis hatten sich die Leibherren anzueignen gewusst." -" Dies
Recht war die „Schande der Peudalitat" ^. „Es bestand mit dem-
selbeu Recht wie die Feudalitat, wovon es eine ungeheure Aus-
artung bildete." ^ „Der feudalistische L^ebermuth ersann neben
physischen auch nioralische Martern, uni den letzten Funken des
Gefiihls der Menschenwiirde im Bauer zu ersticken. AYie die
Erstlinge des Yiehs und der Friichte des Fekles, so kam dem
1 Weinhold S. 194.
2 Chateaubriand S. 386. CoUin de Planey S. 16,i. :*Iasson S. 382. 383.
3 Collin de Plancy Bd. 1 S. 165. ^* :\[asson S. 382. 383.
5 Welsch S. 2. Daraus: Chr. Meyer S. 371.
6 Bibl. hist. Bd. 12 S. 232: . . ..cette turpitude de feodalite".
" Labessadc S. 106.
48 Kapitel 9. Sklaverei und Feudalitiit.
Gutsberrn auch die Jungferschaft seiner weiblichen Tnterthanen
zu. Er hatte das Recht, das Magdthum der leibeigenen Braut
zu nehmen, die Hochzeitsnacht mit ihr zu begehen (jus primae
noctis)." * „Das Herrenrecht der ersten Xacht beweist, wie
verderbt die Sitten waren , und in welcher Erniedrigung sich der
grossere Theil des Menschengeschlechts befand, als die Feu-
dalitat in ihrer ganzen Kraft regierte." ^ Jenes Recht war „eine
nolhwendige Folge des Feudalwesens, das vor Allem auf per-
sonlicher Dienstbarkeit beruhte" '^. „Es ware zu verwundern,
wenn es nicht bestanden hatte." ^ „ Jenes Recht der Cxewalt
und Unkeuschheit" war ein „gehassiger Missbrauch der driickend-
sten Feudalitat." "" „"SYarum sollte man dariiber erstaunen oder
aufgebracht werden? Weiss man nicht, dass die Feudalitat
grundsiitzlich das Recht der Gewalt war; dass ein Mann, der
dem Taumel der Gewalt, dem Triebe der Rohheit ergeben ist,
gegen seine Untergebenen die wikleste Bedriickung ausiiben kann,
und dass ein Mann, der durch die Knechtschaft seiner Umgebung
verdorben ist, die Kenntniss des Guten und Bosen verliert, seine
Frevelthat in Recht verwandelt und so in ihrem ruhigen und
schuldbaren Genuss s\ch zu befestigen trachtet? Freilich kommt
der Augenblick, wo der Geist des Menschen erwacht, wo die
wahre Erkenntniss des Rechts erscheint und den altei\ Besitzer
verwirrt ; dann schiimt sich die Gewalt vor sich selbst; aber statt
ausdriicklich ihre alten Missbriiuche zu verurtheilen, verwandelt
sie dieselben in Abgaben, in Gewohnheiten, in Symbole, die noch
ein Zeugniss von ihnen ablegen und sie eines Tages durch das
Zeugniss iiber ihren Ursprung in der Geschichte brandmarken
werden." ^
Der Ausdruck Feudalitat umfasst hier nicht,bloss den Yer-
band zwischen dem Lehnsherrn nnd seinen Yasallen im Sinn des
eigentlichen Lehnrechts, sondern zugleich den Yerband zwischen
dem Grundherrn und seinen biiuerlichen Unterthanen. Aus keinem
dieser beiden^Rechtsinstitute ist das Herrenrecht der ersten jS^acht
zu begriinden.
AViire dies Recht aus dem Lehnswesen hervorgegangen,
oder konnte es daraus erkliirt werden, so miisste davon in den
Hauptwerken iiber Lehnrecht die Rede sein. Und doch findet
sich in keinem derselben auch nur eine Andeutung jenes Rechts.
1 Scherr 1858, S. 211.
^ Merlin, Rep. unter Culage (von Garran de Coulon).
3 Legouve S. 94. ■* Bonnemere Bd. 1 S. G2.
5 Laierriore Bd. 5 S. 454. ^ Laferriere Bd. 5 S. 457.
Kapitcl y Sklaverei uiul Feudalitiit. 49
Collin de Plancy sucht dies daniit zu erkliiren, dass die Lob-
redner des Lelinsvvesens jenes Recht verheimlicht hatten ^. Allein
es ist nicht anzunehmen, dass alle namhaften Juristen, die das
Lehnrecht behandelten, blinde Verehrer jeder einzelnen Lehns-
einrichtung gewesen seien und aus Arglist eine derselben ver-
heimlicht hiitten. Zudem ist in zaWreichen Quellen des Lehnrechts
auf Ehebruch oder sonst vertraulichen Umgang des Lehnsherrn
mit der Gattin des Yasallen der Verlust des Obereigenthums oder
wenigstens aller Anspriieho auf die Dienste des Vasallen als
Strafe gesetzt ^.
Viele suchen das jus primae noctis aus dem germanischen
Recht des Grundherrn iiber die Leibeigenen zu begriinden.
Ein deutsches Spriichwort sagt vom Leibeigenen: „er ist mein eigen,
ich mag ihn sieden oder braten''^; und ein franzosisches Spriich-
wort: „entre toi et ton seigneur, uul juge fors Dieu" *. Daraus
folgert Bouthors: „Wer sagen konnte, dieser Mann gehort mir,
ich mag ihn sieden oder braten, konnte aus demselben Grunde
hinzufiigen: diese Frau gehort mir, die Kinder, welche sie zur
Welt bringt, sind meine Sache; daher kann ich von ihr den
Tribut des Vergniigens erheben und den Leib befruchten, dessen
Frucht mir gehort."^ Osenbriiggen meint, das Recht der ersten
Nacht sei die juristische Consequenz personlicher Horigkeit, und
der Rechtstitel fiir die in Wirklichkeit an Stelle jenes Rechts
getretenen Abgaben ''. Schiiffner sagt: „Die Seigneurs betrachteten
sich als die Herren ihrer Vilains und Hintersassen und liessen
sich von diesen entweder hohe Gebiihren bezahlen oder iibten
selbst das verrufene droit de jambage, cuissage oder marquette
aus." ^ Buchmann scheint anzuuehmen, dass die Sklaverei zwar
nicht bei den alten Heiden, wohl aber im Mittelalter, unter dem
^ Collin de Plancy Bd. 1 S. 166.
2 n Feud. 26 § 24: vgl. I Feud. 5 § 1 und I Feud. 17. Gerber § 137.
— Ira Gesetzbuch Castiliens ,,Las siete Partidas" (..die sieben Abtheilungen"')
aus der Zeit von 1256 bis 1263 ist die Bestimmung enthalten, dass ein Lehns-
herr, der mit der Tochter oder Schwiegertochter seines Vasallen schlaft oder
sie zu einer solcheu Schiindlichkeit auch nur auffordert. wegen dieser Felonie
das Obereigenthum verliert. Ygl. Partida cuarta, tit. 26 art. 9, bei Lagr^ze
1867, S. 396.
^ Osenbriiggen, Studien S. 91.
* Dalloz, Rep. Bd. 1 (1870) S. 86. Vgl. Bonnemere Bd. 1 S. 62.
5 Bouthors Bd. 1 S. 470. Sugenheim ^1861, S. 103. Aehnlich : Le Siecle
du 16. Sept. 1854; Kolb 1842, S. 496 („totale Rechtlosigkeit".)
6 Osenbruggen, R.-A. S. 93 und Studien S. 91, 97.
' Schaffner Bd. 2 S. 184, 185.
Schmidt, Jus primae noctis. 4
50 Kapitel 9. Sklaverei iind Feudalitat.
Eiufluss der Kirche, zur Einfiihrung jenes „Eliebruchsprivilegiunis"
gefiihrt habe ^ — Die hier dargelegten Meinungen stimmen darin
iiberein , dass sie das jus primae noctis aus der Natur der Leib-
eigenschaft zu begriinden suchen, weichen aber in der Art dieser
Begriiudung von einander ab. Manche Schriftsteller meinen, die
Leibeigenschaft sei eine unbeschrankte Herrschaft gewesen, gleich-
wie die Sklaverei. Wtire diese Auffassung richtig, so konute
von einem einzelnen E,eclit des Grundherrn gegeniiber seinen
Leibeigenen keine Rede sein. Daher erscheint die Begriindung,
welche Bouthors von deni jus primae iioctis giebt, als unhalt-
bar. Die andern Meinungen beruhen auf der Yorstellung, dass
die Leibeigenschaft zwar rechtlich ein Institut gegenseitiger Rechte
und Pflichten, also von der Sklaverei grundsatzlich verschieden
gewesen sei, dass jedoch diese Rechtseinrichtung thatsachlich den
Leibeigenen keinen Rechtsschutz gewahrt, sondern unerhorte
Missbrauche der Grundherren ermoglicht und so die Entstehung
des jus priniae noctis herbeigefiihrt habe. Allein aucli diese Yor-
stellung ist in ihrer Allgemeinheit nicht zu rechtfertigen ^.
iS[ach einigen Gewohnheitsrechten waren die Gutsunterthanen
verpflichtet, zu gewissen Zeiten, insbesondere wenn die Grund-
herrin in Wochen lag, auf das Wasser des Schlossgrabens zu
schlagen, damit das Quaken der Frosche den Schlummer der
Herrin und ihres Kindes nicht store. Diese und andere Gewohn-
heiten werden von modernen Schriftstellern getadelt ^. Zu der Zeit,
als derartige Dienstleistungen fiir rechtsbestandig galten, wurden
sie wahrscheinlich , bei freundlichen Beziehungen der Gutsunter-
tlianen zu ihrer Herrschaft, gern ausgeiibt. Dasselbe gilt von
seltsamen Spielen, die an einigen Orten und an gewissen Tagen
zur Belustigung der Grundherrschaft aufzufiihren waren *. Manche
scherzhafte Ausdriicke und Darstellungen hatten im Mittelalter eine
harmlosere Bedeutung, als sie lieutzutage haben wiirden. Es kann
nicht auffallen, dass derartige Gebrauche auch bei Heirathen sich
ausbildeten ^, und dass sie im siebzehnten Jahrhundert durcli Lehre
der Schriftsteller und durch Urtheile franzosischer Parlamente ^
1 Buchmann S. 38.
2 Vgl. Kindlinger: Mone Bd. 7 S. 139, 140.
' V. Hormayr 1832, S. 38 iind 1842, S. 145. Dupin S. 131. Alloury im
Journal des Ddbats v. 2. Ma,i 1854, erste Seite.
^ Vgl. die Beispiele oben in Kap. 2 S. 7 und 8.
5 Vgl. z. B. Raynal Bd. 2 S. 207—209.
^ Vgl. Automne , tit. 8 § 1 Art. 81 (iiber den Lchnsgcbraucli , dem Herru
eine Lerche auf einem Ochscnwagcn zu iibcrreichen).
Kaiiitel 10. Drutalitiit des Mittelalter.s. 51
fiu- ungiiltig- orkliirt wurdon, weil sio nach den Yeranderteu
Anschauungen der Zeit als lacherlicli oder als unschicklich er-
schienen. Jedenfalls ist es unmoglich, in der vermeintlich ent-
wiirdigenden Natur dieser und anderer Dienstleistungen eine
Erklarung oder gar einon Beweis fiir das jus primae noctis
zu fiuden.
D. Brntalitat des MittelaUers ^
Kapitel 10. In der Keuzeit meint man das jus primae
noctis aus den allgemeinen Zustanden des Mittelalters erklaren
zu konnen. Man bezeichnet dies Recht als eine „Missgeburt
des mittclalterlichen Eechts" ^ oder als eine „mittelalterliche Bar-
barei" ^. Ein solches Recht, sagt man, war nur moglich in einem
Zeitalter, worin „der Irrthum nicht bloss verbreitet, sondern zum
Dogma erhoben war" *. „Es ist erstaunlich, dass man ira christ-
lichen Europa den Gebrauch, die Jungferschaft seiner Vasallin
zu liaben, selir lange Zeit zu einer Art Lehnsgesetz gemacht und
wenigstens als ^ein Gewohnheitsrecht betrachtet hat; die erste
Hochzeitsuacht der Bauerntochter gehorte ohne Widerrede dem
Grundherrn; dies Recht wurde festgestellt wie das, mit einem
Vogel auf dera Daumen zu gehen, und sich bei der Messe mit
AVeihrauch berauchern zu lassen." '" „Es giebt nichts Bezeichnen-
deres fiir den ganzen Socialzustand jener finsteren und greuelvoUen
Zeiten, nichts Sprechenderes, wie sehr alle sittlichen und iiberhaupt
menschlichen Begriffe mit Fiissen getreten und verhohnt wurden,
als das sogenannte jus primae noctis, jener schamloser Weise
zu einer Rechtsinstitution (!) erkliirte scheussliche Gewaltmissbrauch,
gegen den sich schon beira blossen Gedanken daran alle Gefiihle
aufs Tiefste eraporen raiissen." •> „Das Mittelalter, ein Zeitalter
furchtbarer Verwirrung , das die grossten Gegensatze enthalt,
hat das Andenken an die Knechtschaft, die iiber die Keusch-
heit der jungen Gattin ausgeiibt wurde, in den Ueberlieferungen
der Volker hinterlassen ; die Geschichte ist nicht berechtigt, dies
1 Ueber diesen Ausdruck vgl. die Berichte und Erorterungen der olfent-
lichen Bliitter iiber die Sitzung des Preussischen Hauses der Abgeordneten
vom 15. Dezember 1880.
2 Augsb. Ailg. Ztg. V. 18. April 1868, S. 1662.
3 Scherr 1865, S. 132.
* Labessade S. 179, auch S. 222—225.
* Voltaire, Dict. phil. unter Cuissage.
6 Kolb 1843, Bd. 2 S. 72.
4*
52 Kapitel 10. Brutalitat des Mittelalters.
Andenken der Leibeigenschaft und die Thatsachen, wodurch es
im Gediichtniss eines Yolkes bewahrt wurde, zu leugnen; jedoch
die Nachweisung des Abgrundes, wohin die sich selbst iiberlassene
Gewalt den Mann und seine sittliche Wiirde fortreissen kann,
heisst nicht, die AYurde der menschlichen Isatur leugnen, die sich
im Mittelalter durch ritterliche Tugenden und erhabene Regungen
der Religion aufrichtet. Das Mittelalter hat die moderne Welt
erzeugt und ihr die grossen AVege der europiiischen Gesittung
geoffnet; das unparteiische Studium des Mittelalters ist zugleich
ein Act der Gerechtigkeit und Dankbarkeit." ^
Manche Schriftsteller der Neuzeit, z. B. Veuillot, Vallein und
Delpit, legen fiir Entscheidung der Streitfrage iiber das Herren-
recht der ersten Nacht das Hauptgewicht auf eine Erorterung
der allgemeinen Zustande des Mittelalters. Diese Untersuchung
ist jedoch iiberflussig. Denn selbst vom Standpunkt derjenigen,
die sich das Mittelalter als ein Zeitalter der Brutalitiit und Roh-
heit vorstellen, ist die Annahme, dass darin jenes Recht geherrscht
haben konnte, aus allgemeinen Griinden unerkliirlich. AVie ist es
moglich, dass jeder „Kampf um's Recht" unterblieb, wenn die
Grund- oder Lehnsh^rren jenes Recht fiir sich in Anspruch
nahmen? AVie kann man glauben, dass Jungfrauen am Tage der
Hochzeit sich schiinden liessen, dass junge Ehemanner diesen
Schimpf duldeten, und dass keine Angehorigen der Brautleute
Klage dariiber erhoben? Dann miisste man annehmen, dass es
im Mittelalter kein Rechtsgefiihl gegeben hiitte, wie Kolb be-
hauptet 2, obwohl das Rechtsgefiihl in der menschlichen Natur
unausloschlich begriindet ist ^. Vollig unglaubwiirdig ist die Be-
hauptung eiuiger Schriftsteller ^, dass die Jungfrauen des christ-
lichen Mittelalters sich jeuem Reclit ohne Widerstreben und ziem-
lich gern unterworfen hiitten.
Hatte das jus primae noctis im Mittelalter geherrscht, so
miissten die Beweise dafiir aus Gesetzen, Prozessen und Schriften
des Mittelalters zu entnehmen sein. Allerdings wird behauptet,
1 Laferriere Bd. 5 S. 457. 458.
2 Kolb 1842, S. 497: „Sobald auch nur cin Fiinkchen des einfachsten
Rechtsgefiihls wieder zu glimmen begann, musste sich die menschliche Natur
empijrt flihlen gegen jene skandalose Einrichtung." Der Zusammenhang
dieser Stelle mit dem Vorhergehenden ergiebt als Meinung Kolb's, dass ,,der
finstersten Zeit des ^littelalters" selbst jenes ..Fiinkchcn des einfachsten Rechts-
gefiihls" gefehlt habe.
3 Ygl. Ihering.
* Voltaire, Dict. phil. unter Cuissage. Collin de Plancy Bd. 1 S. 167, 1G9, 177.
Kapitol 10. Brutalitiit des Mittelalters. 53
Gesetze seien dag-egeu erlassen \ Parlamentsurtheile liatten es
geachtet^, Charten hiitten dagegen geeifert^, Gemeinden hatten
dagegen revoltirt '^ , Glossatoren und Commentatoren hiitten da-
gegen geschrieben ^. Allein es fehlt der Beweis fiir die Wahr-
heit dieser Behauptungen. Es giebt kein Gesetz und kein Par-
lamcntsurtheil iiber jenes Recht aus der Zeit des Mittelalters ;
und bei keinem der zahh-eichen Glossatoren und Commentatoren
wird jenes Recht erwiihnt ; ebensowenig findet sich eine Er-
wahnung desselben in den zahlreichen Yolksrechten aus dem
sechsten bis neunten Jahrhundert, in den Kapitularien der frtin-
kischen Konige, in den deutschen Rechtsbiichern, den Gesetzen
Ludwigs des Heiligen und der romischen Kaiser. Besonders
bezeichnend ist das Stillschweigen der deutschen Minnesanger
und der franzosischen Fabliaux ^. Aus der gesammten Litteratur
des Mittelalters ist meines Wissens kein einziger geistlicher oder
weltlicher Schriftsteller ermittelt worden , der als Zeitgenosse
jenen Missbrauch tadelte oder auch nur erwahnte.
Wie ist es denkbar, dass ein solcher Missbrauch geherrscht
haben konnte , ohne dass die Kirche dagegen ihre Stimme er-
hoben hiitte ? Und doch steht Xichts dariiber in den Quellen
des kanonischen Rechts, weder in den Decretalen der Piipste,
noch in den Conciliensammlungen ^.
Buchmann fragt, „wo denn damals der civilisirende Einfluss
der Kirche geblieben sei, wenn derselbe nicht einmal im Stande
war, das Heiligthum eines eben aufgerichteten hiiuslichen Heerdes
vor der schandlichsten Profanation zu schiitzen, die es geben
< Scherr 1858, S. 212. Buchmann S. 69. Deutscher Merk. v. 17. April
1880, S. 124.
2 Boutaric chap. 15 unter Droit de marquettes. Renauldon liv. 5 chap. 10
S. 450. Vgl. auch v. Hormayr 1832, S. 38 und 1842. S. 146; Buchmana
S. 69; D. Merk. v. 17. Apr. 1880, S. 124.
' SchilfFner 1858, S. 185.
4 Buchmann S. 69.
5 Vallein S. 225, 226.
^ Vgl. den Kommissionshericht der franzosischen Akademie der Inschriften
vom 11. August 1854, Berger de Xivrey S. 23 : ... „le silence des fabliaux.
On ne peut douter que si ce droit (namlich das „droit du seigneur") efit exist^
comme on le croyait, il leur eut fourni quantite de traits malins, du genre
de ceux qiii y sont le plus frequents." — In dem grossen Werk von A. Schultz
uber „das hofische Leben zur Zeit der Minnesinger" ist vom jus primae
noctis keine Rede ; und auf besondei-e Anfrage hat mir Herr Professor
Dr. Alwin Schultz ausdriicklich erkllirt , dass er in den von ihm benutzten
Quellenscliriften keine Spur von jenem Recht gefunden habe.
' Cheruel bei Flechier S. 157. Berger de Xivrey S. 24. Lorsch S. 446.
54 Kapitel 11. Droit de cuissage oder jambage.
kann" \ Collin de Plancy wundert sich, dass Konig Ludwig der
Heilige keiu Gesetz zur Unterdriickung des Herrenrechts der
ersten Nacht erlassen habe^. Dalloz wundert sich, dass in dem
christlichen Zeitalter, ungeaclitet der strengen Bestrafung des
Ehebruchs, das seltsame „droit de prelibation" habe bestehen
konnen ^. Labessade wundert sich , dass Dante vergessen habe,
diesen Missbrauch in der Gottlichen Koraodie zu geisseln*. In
der That wilre Alles dies wunderbar, wenn jenes Recht im Mittel-
alter bestanden hatte.
E. Droii de cuissage oder jainbage.
Kapitel 11. Einige Schriftsteller des siebzehnten Jahrhunderts
erwalmen unter den Missbrauchen, die sich bei lehns- und grund-
herrlichen Rechten eingeschlichen hiitten, den Anspruch gewisser
Herren, am Hochzeitstage ihrer Lnterthanen ein Bein in das
Bett der Neuvermahlten zu legen^. Im Jahr 1684 behauptete
Franz Chalier, als Erwerber der Besitzung Perignat-es-Allier in
der Auvergne, mit dieser Herrschaft sei das adelige Yorrecht
des „droit de cuisse" verbunden; dariiber entstand ein Prozess,
und das Urtheil vom 21. Juni 1686 entschied, dass jenes droit
de cuisse eine ^Xeuerung sei, die aus dem Yerzeichniss der herr-
schaftlichen Rechte gestrichen werden miisse ^. Schon im sech-
zehnten Jahrliundert schrieb Du Yerdier: „Ich habe mir sagen
lassen, dass vor nicht langer Zeit einige Herren, sogar Geistliche,
nach altem Gewohnheitsrecht befugt waren, ein Bein in das Bett
zu legen, worin die neuvermahlte Frau in der ersten Nacht
schlief. Es war einmal Einer, der aus ungeziigelter Liisternheit
iiber die Grenzen der Pflicht hinausgehen und sein Yorrecht
missbrauchen wollte; doch verlor er das Recht um den Preis
seines Lebens." ' Auch bei andern Schriftstellern des sech-
zehnten Jahrhunderts ® und schon in einer Urkunde vom Jahr 1486
1 Buchmann S. 38.
2 Collin de Plancy I3d. 1 S. Uio.
3 Dalloz, R^p. unter Adult^re n. 7.
* Labessade S. 117.
5 Choppin lib. 1 chap. 31 n. 8, S. 269. Automnc tit. 8 § 1 Art. 81,
S. 477. D"01ive liv. 2 chap. 1, S. 149, 150. D"Espeisses Bd 3 S. 306, tit. 6
sect. 9. Vgl. unten Kap. 54 und 85.
6 Barthelemy S. 101, 102 (aus Dominiquo Branche).
' Du Verdier S. 96. Daraus: La Curne do Sainte-Palaye unter Cuissage,
Bd. 4 V. 1877, S. 480.
^ Boerius dec. 297 n. 17, vgl. unten Kap. 6L
Kapitel 11. Droit de cuissage oder jambage. 55
wird ein ahnlicher Missbrauch erwiihnt K Dies sintl die Quellen
fur den erst in neuerer Zeit entstandenen Ausdruck „droit de cuis-
sage" - oder „janibage"^, spanisch „derecho de pernada" , italie-
nisch ^gambada." Wiiren die Nachrichten von deni bezeichneten
Yorrecht bewiesen, so wiirde daraus gefolgert werden konnen,
dass seit Ausgang des Mittelalters und in neuerer Zeit in ein-
zelnen Ilerrschaften ein Gehrauch entstand, der als symbolische
Handlung die Herrschaft iiber die Unterthanen kennzeichnen
sollte. Dieser Gebrauch wiirde an eine deutsche Sitte erinnern,
die bei Heirathen fiirstlicher Personen, namentlich bei der Hei-
rath des Kaisers Friedrich III. mit Leonore von Portugal , nach
Zeugniss von Aeneas Silvius beobachtet wurde '^. Es wiirde er-
klarlicli sein, dass unter den Gebriiuchen und Ausartungen der
lehns- und grundherrliclien Anspriiche die vorbezeichnete Unsitte
sich ausbildete.
Yoltaire meint, es sei schwer zu ermitteln, ob die Ilerren
sich damit begniigten , ein Beiii in das Bett der jungen Frau zu
legen, wie es bei Yerheirathung einer Prinzessin durch Stell-
vertreter geschehe, oder ob sie beide Beine hineingelegt hatten ^.
Diese Bemerkung enth.ilt eine Anspielung auf das jus primae
noctis und erinnert an die Erzahlung von Du Yerdier; sie kann
aber nicht ernst gemeint sein; denn es ist nicht anzunehmen, dass
derartige Formlichkeiten, wenn sie iiberhaupt beobachtet wurden,
anders als in Gegenwart von Zeugen und in hergebrachter Art
stattfanden *>. Ebenso unbegriindet ist die umgekehrte Yermuthung
anderer Schriftsteller, die im droit de cuissage oder jambage einen
Ueberrest des iilteren „droit de prelibation" zu finden meinen ^
^S^icht minder ungerechtfertigt ist die ileinung*, das droit de
^ Vgl. unten Kap. 70.
^ Voltaire, M. Beaumarchais, Bd. 29 S. 460. Dict. Acad. suppl. und
compl. unter Cuis.5age. Littre unter Cuissage.
^ Voltaire, ed. Beaumarchais , Bd. 29 S. 460. Dict. Acad. compl. unter
Jambage. Littre unter Jambage.
* Aeneas Silvius S. 84, 85. Stryk lib. 2 tit. 2 § 31. Weinhold S. 269.
Delpit S. 93. Kulischer S. 218, 219.
^ Voltaire, Def. de mon oncle.
^ Das Besteigen des Brautbettes vor Zeugen wird als indogermanische Sitte
geschildert, A. Weber Bd. 5 S. 209, 279, 401, 410, 412. — Die Annahme, dass
eine derartige Formlichkeit den Vorwand zu schandlichen Handlungen hatte
bieten konnen, ist mit guten Griindeu widerlegt im Kommissionsbericht der
franz. Akademie der Inschriften vom 11. Aug. 1854, Berger de Xivrey S. 24, 25.
' Dict. Acad. compl. unter Jambage.
8 Encycl. 1. Ausg. unter Droits abusifs. Voltaire Ausg. 1819 Bd. 35
56 Kapitel 12. Heirathsbeschrankung der Yasallen nnd Horigen.
cuissage oder jambage sei gleichbedeutend mit dem eigentlichen
Herrenrecht der ersten Nacht ; insbesondere die Yorstellung ^, dass
zur Bezeichnung dieses Rechts anfanglich der Ausdruck cullage
gedient habe, und dass an dessen Stelle das Wort cuissage getreten
sei. Das droit de cullage war eine Heirathsabgabe ^ und hatte
keine Verwandtschaft mit dem vorbezeichneten droit de cuisse ^.
F. Heirathsheschrunkimg der Vasallen Kud Horigen.
Kapitel 1*2. Im neunzehnten Jahrhundert ist die Meinung
aufgestellt und vertheidigt worden, das Herrenrecht der ersten
Nacht sei dadurch entstanden, dass die Vasallen und Horigen zu
ihren Heirathen die Erlaubniss der Lehns- und Grundherren hJitten
einholen miissen *. „Diese Dazwischenkunft des Herrenwillens
bei den Heirathen war bei einigen Lehen der Ursprung eines
schandlichen Anspruchs, dessen Endzweck mehr dahin ging, von
dem zahlungsfahigen Ehemann Geld zu erpressen (und er zahlte
immer), als einen schuldbaren und schandlichen Act der Ty-
rannei auszuiiben (droit de marquette, braconnage, cuissage, scoz-
zonaria)." ^ „Es ist leider nur zu gewiss, dass das beriichtigte
S. 49 und Bd. 24 S. 260. Collin de Plancy Bd. 1 S. 164. 165. Kolb 1843,
Bd. 2 S. 73. Schliffnei- Bd. 2 S. 184, 185. Cutchet bei Marichalar Bd. 6
S. 498. Marichalar Bd. 6 S. 69. Kulischer S. 2^. Liebrecht 1879, S. 417.
* Voltaire, Dict. phil. unter Culage.
2 Vgl. Kap. 3 (S. 14) und Kap. 18 S. 94 ff.
^ Jules Delpit (S. 127) berichtet, bei Berufung der „etats gen^raux", im
Jahr 1789, hatte die senechaussee von Dijon AbschafFung des „droit de jam-
bage" oder der zum Ersatz desselben eingefiihrten Rechte verlangt. Der
Inhalt der betreftenden Bittschrift ist mir nicht bekannt: vermuthlich betraf
sie Heirathsabgaben der serfs de formariage. Vgl. unten Kap. 59. — In
einer spanischen Gemalde-Ausstellung erschien vor einigen Jahren ein Bild,
worin das ,.derecho de pernada" behandelt war; in der Beurtheilung dieses
Bildes machten die Zeitungen Madrids geltend, dass ein solches Recht in
Spanien niemals bekannt gewesen sei. Dariiber schrieb mir am 31. Marz 1877
Herr Vicente de la Juente (damals Rector der Universitiit zu Madrid): . . . „del
llamado jiis 2»'iniae noctis en Espana. Entre nosotros no fue conocido ese
derecho inmoral y abominable. Aqui lo llaman los historiadores derecho de
pernndd , equivalente a la (jamhada de Italia. Hace pocos aiios se presento
en una exposicion de pinturas un cuadro que representaba ese derecho y la
prensa de Madrid lo considero como un error historico, y nego que ese de-
rccho fucra conocido en Espaiia. Yo no he liallado vestigios de ol y los diplo-
maticos a quienes he consultado me dicen lo mismo."
" Kolb 1843, Bd. 2 S. 66, 72, 73. Cibrario Bd. 1 S. 38. Sugcnhclm 1861,
S. 103. Scherr 1865, S. 128—130. v. Hcllwald S. 494.
* Cibrario Bd. 1 S. 38. Der Ausdruck „scozzonaria", den ich sonst nir-
Kapitel 12. Heirathshcsclirankung der Vasalleii und Hfirigen. 57
Recht der ersteii Nacht der (Jcwohnlieit vieler Seigneurs seinen
Ursprung verdankt, nur um den schandliclien Preis, den es be-
zeichnet, ihren heirathslustigen Grundholden die fragliche Erlaub-
niss zu ertheilcn." ^
In der Tliat bestand an sdelen Orten der Rechtssatz, dass
Vasallen oder Horige zur Verheiratliung einer Tochter die Ge-
nehmigung des Lehns- oder Grundherrn nachsuchen mussten. Dies
erklart sich aber durch die Natur dieser Rechtsinstitute.
Im Lehnrecht war die Heirath einer Vasallentochter von
Einfluss auf die Rechte des Lehnsherrn. "Ware namlich die Wahl
ihres Gatten vollig frei gewesen, so hatte ein Unw^iirdiger oder
gar ein Todfeind des Lehnsherrn durch Heiratli in den Besitz
des Lehens gelangen konnen ^. Deshalb hatte nach manchen
Lehnsgewohnheiten der Lehnslierr fiir die Verheirathung der Va-
sallin Sorge zu tragen, und die Letztere war verpflichtet, aus den
ihr durch den Lehnsherrn vorgeschlagenen Mannern den Gatten
zu w^ahlcn^. Jedenfalls entsprach es den PflicJiten der Lehns-
treue, dass ein Vasall seine Tochter nur mit Zustimmung des
Lehnsherrn verheiratliete. Die Verletzung dieser dem Lehnsherrn
schuldigen Riicksicht wurde nach manchen Lehnsgesetzen mit
dem Verlust des Lehens bestraft \ In Frankreich hatte nach
einer Verordnung Ludwigs des Heiligen vom Jahr 1256 der Vor-
mund einer Vasallin dem Lehnsherrn Sicherheit dafiir zu leisten,
dass sie nicht ohne seine Einwilligung heirathcn wiirdc ^ ; doch
^vurde seit dem fiinfzehntcn Jahrhundcrt das Erforderniss der
lehnsherrlichen Erlaubniss aufgehoben **. In England ^ bildete
nirgends gefunden habe , scheint mit scozzonare (d. h. ein Pferd abrichten)
und scozzone (d. i. der die Pferde zum ersten Mal zureitet) zusammenzuhangen.
1 Sugenheim 1861, S 103.
2 Vgl. Assises de Jerusalem . chap. 191, 192. 242. und Etablissements de
Saint-Louis, liv. 1 chap. Gl, bei Dalloz , Rep. Bd. 1 S. 82, 84. Miclielet
S. 258. Bouthors Bd. 1 S. 473. Raepsaet 3. Au.sg. S. 10, 11.
3 Glanvilla lib. 2 cap. 12 § 1. Dalloz , Rep. Bd. 1 S. 82, 83.
■» Schilter, Pand. lib. 36 § 32, S. 342. Bouthors Bd. 1 S. 473. Dalloz,
Rep. Bd. 1 S. 82—84 und S. 130. Raepsaet 3. Ausg. S. 10—12 und S. 14. —
Als Graf Guido von Flandern seine Tochter Philippine mit Eduard von Eng-
land verheirathen wollte, suchte er die Genehmigung des Konigs Philipp
von Frankreich nach : doch erhielt er die Antwort, als freier Herr konne er
liber seine Tochter verfiigen , wie ihm beliebe. Urk. in Joh. Iperii Abb.
Chronicon Sythiense S. Bertini , cap. 53, ])ars 5, bei Martene Bd. 3 S. 768.
5 Dalloz, Rep. Bd. 1 S. 84. Schilterv Pand. 36 § 32 S. 342.
« Dalloz, Rep. Bd. 1 S. 130.
' Die Justitiarien hatten darauf zu achtcn , ol) Kronlehen durch Todesfall
in die Hiinde von "Weibern kamcn. (Assisae Henrici Regis factae apud
58 Kapitel 12. Heirathsbeschriinkmig der Vasallen iind Horigen.
sich der Grundsatz aus, dass ein Yasall das Lehen verwirkte,
wenn er eine Tochter verheirathete, ohne die Genehmigung des
Lehnsherrn nachgesucht zu haben, dass aber andererseits der
Lehusherr nur aus gerechter Ursache die Erlaubniss versagen
durfte und andernfalls die Genehmigung unentgeltlich ertheilen
musste \ Hauptsachlich konnte die Erlaubniss versagt werden,
wenn die Tochter an einen Feind des Lehnsherrrn vermahlt
werden sollte ^.
Die Leibeigenschaft oder Horigkeit war in der Hof-
verfassung so geordnet, dass alle Horigen eines Hofgutes unter
Yormundschaft des Hofbesitzers standen^; dort war es natiirlich,
dass sie nur mit Zustimmung des Hofbesitzers heirathen durften.
Allein auch anderwiirts konnte sich aus der rechtlichen Stellung
des Grundherru zu seinen Horigen der Rechtssatz entwickeln,
dass zu jeder Heirath eines Horigen die Genehmigung des Gruhd-
herrn nachgesucht werden musste*, weil jede Heirath auf Er-
fiillung der Dienste, zu denen der Horige verpflichtet war, einen
wesentlicheu Einfluss ausiibte. Dadurch erkliiren sich die Reclits-
Clarendon et renovatae apnid Northamtitne, Nr. 16. bei Philipps, R.-G. Bd. 2
S. 81). — Rei Kronlehen musste der Vasall die Zustimmung des Konigs nach-
suchen, wenn er eine Tochter, Schwester, Nichtc oder sonstige Verwandte
verheirathen wollte. (Leges Henrici primi. cap. 1 § 3. bei Schmid S. 433.
Macphersou S. 196. Philipps, R.-G. Bd. 1 S. 121.) — Die Erbin eines Va-
sallen blieb auch nach erlangter Grossjiihrigkeit bis zur Verheirathung (wozii
die Einwilligung des Lehnsherrn nothig ww) unter Lehnsvormundschaft
(Glanvilla lib. 2 cap. 12 § 1). Starb dann ihr Ehegatte, so trat sie zwar
nicht in die Vormundschaft des Lehnsherrn zuriick; doch bedurfte sie gleich-
wohl zur Wiederverheirathung, mit dem durch sie selbst gewahlten Gatten,
der Genehmigung des Lehnsherrn. (Leges Henrici primi, cap. 1 § 4, bei
Schmid S. 433. Glanvilla lib. 7 cap. 12 § 5. Fleta lib. 1 cap. 13 § 6.)
• Leges Henrici primi, cap. 1 § 3, bei Schmid S. 433. Glanvilla lib. 7
cap. 12 §§ 1 — 5. Fleta lib. 1 cap. 13, de maritagiis. Bei Glanvilla heisst
es iu § 2 : „si quis "licentiam quaerit a domino suo filiam suam et heredem
alicui maritandi, tenetur dominus aut consentire aut justam causam ostendere.
quare consentire non debeat, aliter enim etiam eontra ipsius voluntatem
poterit mulier ipsa de consilio patris sui et pro voluntate libere maritari."
^ Leges Henrici primi. cap. 1 § 3, bei Schmid S. 433: . . . .,neque ei
defendam, quin eani det, excepto si eam jungerc vellet inimico meo." —
Glanvilla lib. 7 cap. 12 § 2: . . . ,,requirenda est ipsius domini ad id facien-
dum voluntas et assensus, ne de inimico suo vel alio modo minus idonea
persona homagium de feodo suo cogatur recipere.'' — Fleta lib. 1 cap. 13
§ 16: ... „ne forte capitalibus inimicis Regis maritentur."''
^ Kindlinger § 6 S. 15.
* Vgl. G Waitz Bd. 5 S. 239 („Das Rccht dazu l)ernht ohne Zwcifel in
der Schutzgewalt, die der Herr hatte^') ; v. Diiringsfeld S. 20.
Kapitcl 12. Ileirathshcschriinkung dcr Vasallen und II<"irifren. 59
bostiminuiigon, wonacli iille H(>rigen, oder \veni<^stens die Mitglie-
der gowis.-ier Klassen von Horigen, zu ihrer Verheirathung die Ge-
nehniigung des Grundherrn nachsuchen mussten ^. Dor Mangol der
grundhorrlichen Zustimmung zu einer Heirath unfreier Personcn
war zwar nach einer Entscheidung des Papstes Hadrian voni
Jahr 790 2, womit das biirgorliche Recht in den meisten christ-
lichen Landorn iibereinstimmte, kein Grund, die Ehe fiir nichtig
zu erkliiren^; wohl aber bildote jener Mangel nach manchen Orts-
rechten ein aufschiebendes Ehehinderniss*, und es waren Rechts-
nachtheile und Strafen fiir den Fall festgesetzt, dass Heirathen ohne
Genehmigung des Grundherrn geschlossen wurden ^. Indessen fin-
den sich nur wenige Orts- oder Personah-echte, in denen die grund-
horrhche Genohmigung als allgemeines Erforderniss fiir Hoirathen
der Hcirigen unbedingt aufgestellt ist. Nach manchen Rochten
konnte ein Mangel der grundherrlichen Genehmigung durch den
Richter eraranzt werden ^. Fiir Heirathen unter Genossen war
1 Vgl. iiber Luxemburg Guicciardini S. 452 und v. d. Schelling S. 146. —
In einer Denkschrift, die an Konig Philipp von Frankreich gerichtet wurde, ist
gesagt, dass in Corbie an der Schelde etwa tausend Personen nicht ohne Zu-
stimmung der Abtei heirathen durften. ( Mem. Pic. Bd. 2 S. 341, unter Nr. 7.)
— Nach einigen englischen Ortsrechten bedurften die Bauern der grundherr-
lichen Erlaubniss , wenn sie eine Tochter verheiratheten oder einen Sohu
Priester werden liessen. Vgl. die Urkunden aus Brayles (Grafschaft AVarwick)
und Clymeslond (Grafschaft Cornwall) bei Hazlitt S. 37, 77, 78, und bei Astle
S. 37. — Im xVllgemeinen vgl. Ducange unter ^laritagium : Heineccius, Elem.
lib. 1 tit. 1 § 46; Dalrymple Bd. 1 S. 322: Raepsaet 3. Ausg. S. 12, 13;
Grimm, R.-A. S. 383, 384.
2 C. 1 X. de conj. serv. (4, 9). Vgl. Zopfl Bd. 2 S. 138.
3 V. Raumer Bd. 5 S. 25. Warnkonig Bd, 2 § 86. v. Maurer Bd. 3 S. 151,
§ 464 Pertile S. 13, 14. Laboulaye S. 327. — Solche Ehen wurden aller-
dings bisweilen, wie es scheint, biirgerlich ignorirt. Vgl. Kindlinger S. 117;
Mone S. 133; Mevius, pars 5 dec. 129; Heineccius. Elem. lib. 1 tit. 1 § 46.
Doch war keineswegs (wie v. Hellwald S. 494 vorau.ssetzt) die Niehtigkeit
einer solchen Ehe ein allgemeiner Grundsatz im christlichen Europa.
* Raepsaet 3. Ausg. S. 13. Walter, K -R. § 314. Richter , K.-R. .§ 267.
Vering, K.-R. § 203.
5 Cowel, Inst. lib. 1 tit. 10 § 14. Potgie.s.ser lil). 2 cap. 2 §§ 19 — 21.
Heineccius, Antiq. Bd. 2 Th. 1 S. 473, 474. v. Arx Bd. 2 S. 167. Kindlinger
§§ 39, 45, 47, S. 158, 159, 184, 185, 193. Mone S. 133, 134. Cibrario (Bar-
neaud) Bd. 1 S. 38. v. Maurer Bd. 3 S. 153 — 157, §§ 465, 466. Lagreze 1804,
S. 130. Pertile Bd. 3 S. 42. Vgl. auch unten S. 60 Anm. 6 und S. 61 Anm. 1.
« Cout. de Norm. Art. 231, 233. Mittermaier Bd. 1 § 93. — Vgl. Danz
Bd. 6 S. 45, § 544: „In Ermanglung besonderer gesetzlicher Bcstimmungen
bleibt es Regel des gemeinen Rechts, dass bei den ehelichen Verbindungen
der Leibeigenen die Einwilligung des Leibherrn zwar erforderlich ist, dass
60 Kapitel 12. Heirathi?beschrankung der Vasallen imd Horigen.
bisweilen nur bei Standesunterschied der Brautleute eine grund-
herrliclie Erlaubniss erforderlich ^; oder es galt der Grundsatz,
dass dieselbe zwar nachgesucht werden nmsste , aber nicht
verweigert werden konnte ^. Noch hiiufiger war den Horigen
allgemein gestattet, innerhalb der Herrschaft ihres Grundherrn
frei zu heirathen , ohne dazu einer Genehmigung zu bediirfen ^.
Zuweilen waren auch Heirathen zwischen horigen und freien
Personen allgemein erlaubt * , und nur Heirathen unter Horigen
verschiedener Herrschaften (Ungenossen) an die Genehmigung
eines der beiden oder beider Grundherren gebunden^. In zahl-
reichen Urkundeu fiuden sich Bestimmungen iiber das Yerbot
solcher ungleichen Heirathen ^ und Strafbestimmungen fiir Ueber-
aber doch dieser die Heiratlien seiner Leibeigenen weder ohne rechtliche
Ursache zu liindern noch nach Gefallen anzubefehlen berechtigt ist: in
Streitfallen tritt Erkenntniss des Richters ein.** Es lasst sich dariiber streiten,
was Ausnahme und Regel ist.
1 Urk. V. 1166 und 1380, bei Kindlinger Nr 12 und 131, S. 240 und 486.
2 Danz § 544, Bd. 6 S. 44. v. Arx Bd. 2 S. 166, 167. Vgl. auch die in
Kap. 20 S. 107 erwahnten Urkunden, die sich dahin ausdriicken, dass fiir die
Heirathserlaubniss unter Genossen keine Abgabe zu entrichten sei.
' Vgl. Osenbriiggen, Stud. S. 92. — Urkundlich war fiir einige Horige aus-
driicklich bestimmt, dass sie zu Heirathen unter Genossen keiner Erlaubniss
bedurften, z. B. durch Urk. v. 1086, bei Lacomblet Bd. 1 S. 154, Nr. 239; von
1181, bei Piot Nr. 103, Bd. 1 S. 140, 141; v. 1223, bei Pertile Bd. 3 S. 42, § 89.
» Vgl. V. Arx Bd. 2 S. 167, 168; Bluntschli Thl 1 § 17B, S. 188, 189;
Osenbriiggen, Stud. S. 93; v. Maurer § 467, Bd. 3 S. 161, 162.
^ Damit sollte der Verlust von Arbeit und Einnahme, sowie jeder Streit
unter den beiderseitigen Grundherren verhiitet werden. Vgl. Mone S. 131.
* Papst Gregor der Grosse erliess ein Verbot gegen den Auszug der
Colonen der romischen Kirche (S. Gregor. Epist. lib. 10 epist. 28, S. 1022.
Pertile Bd. 3 § 88 S 33). — Freie Personen, die auf ihren Wunsch in die
Altarhih-igkeit einer Kirche, eines Klosters oder eines Stifts eintraten. mussten
bei ihrer Aufnahme nicht selten ausdriicklicli fiir sich und ihre Nachkom-
men versprechen , nur innerhalb der Herr.schaft oder mit besonderer grund-
herrlicher Erlaubniss zu heirathen. Vgl. z. B. Urk. v. 1086, bei Lacom-
blet Bd. 1 S. 154, Nr. 239; vom 13. Marz 1425 und vom Jahr 1427. bei
Mnne S. 147, 148. Viele Altarhorige von Sanct-Trond bedurften zu Hei-
rathen unter Ungenossen einer speciellen Erlaubniss des Abtes. Vgl. die Ur-
kundfu des Abtes Wiricus v. 1150—1180. des Abtes Christian v. 1208, 1209,
1212, 1213, 1217 und Miirz 1222, und des Abtes Thomas v. 14. Juli 1240, bei
Piot Nr. 66, 120, 122, 131, 132, 138, 141, 166, Bd. 1 S. 89, 160—163, 170,
175, 177, 178 und 201. Die Erlaubniss musste nach einer Urkunde v. 1088,
bel Piot Nr. 20, Bd. 1 S. 27. vom Custos, dagegen nach einer Urk. von
1072—1075, bei Piot Nr. 17, Bd. 1 S. 24, sowohl vom Abt wie vom Custos
eingeholt werden. Nach einigen Urkunden von Sanct-Trond war die Ver-
pflichtung. zu Heirathen mit Ungenosscn die Erlaubniss einzuholen, allgemein
Ivapitcl 12. Heirathsbeschrankiing der Vasallen uiid Horii^en. (51
tretung der Yorschriften iiber Einholung der Heirathserlaubniss ^
Das Verbot, sicli mit Ungenossen zu verheirathen, galt bei einigen
Horigen nur fur die Miinner^, bei andern nur fur die Tuchter
der Horigen^; daneben gab es auch Horige, die ohne Unterschied
ausgesprochen, mochte die Braiit oder der Brautigam zur Abtei gehoren.
Diesen Inhalt haben dic Urkunden des Abtes Christian v. 1208, 1210. 1211
und 1212, bei Piot Nr. 119, 124, 126 und 129, Bd. 1 S. 160, 164 und 168,
"Weit hiiufiger aber war die Erlaubniss (licentia, gratia oder misericordia
abbatis) nur dann erforderlich, wenn der Mann, nicht wenn die Frau zu den
Altarhorigen gehorte. Dahin gehoren die Urkundcn des Abtes Gerardus von
1152, des Abtes Wiricus v. 1156—1180, 1158 (zwei) und 1172, des Abtes
Nicolaus V. 1180—1193 und 1191 und des Abtes Christian v. 1193-1222,
1200, 1210, 1212, 1216 und 1217, bei Piot Nr. 60, 65, 68, 69, 91, 101, 111,
114, 117, 125, 130, 135 und 136, Bd. 1 S. 83, 88, 91, 92, 121, 139, 151, 155,
158, 165, 169, 173 und 174. Dies erklart sich dadurch, dass der Eintritt in
die Altarhorigkeit mit erheblichen Vortheilen verbunden war. Vgl. Kap. 20
S. 106. — Nach einer Entscheidung des Erzbischofs Friedrich zu Koln v. 1120
(bei Eive S. 390, 391, Brewer S. 437—439, Binterim Bd. 3 S. 86—88 und
Sommer S. 30, 31) war bei allen Censualen des Sanct-Victor-Stifts von Xanten
zu Heirathen unter Genossen nur die Genehmigung des Propstes. dagegen
zu Heirathen unter Ungenossen die Erlaubniss des Hofgerichts (der curia)
zu Bienen bei Eees erforderlich. — Vgl. auch die Urk. aus Wei-den v. 1125
bis 1141 bei Crecelius Bd. 7 S. 25, Nr. 129.
' Durch eine Urkunde der Abtei Schwarzrheindorf (bei Bonn) v. 1172. bei
Lacomblet Bd. 1 S. 309, 310, Nr. 444. Avurden die Eigenhorigen des dortigen
Klosterhofes in den Stand der Wachszinsigen erhoben, mit der Bestimmung,
dass ein Mann, der sich mit einer Ungenossin ohne besondere Erlaubniss der
Aebtissin verheirathe, in den Stand der Eigenhorigkeit zuriickfalle und ein
ihm etwa durch die Kirche verliehenes Beneficium fiir seine Lebenszeit ver-
lieren sollte; auch soUten seine Erben zur Wiedererlangung dieses Beneficium
die Genehmigung der Aebtissin nachsuchen. — Ausfiihrliche und mannigfache
Strafbestimmungen fiir Heirathen unter Ungenossen finden sich in dem De-
cretum Capituli Monasteriensis ratione Cerocensualium v. 1272 oder 1372 (bei
Binterim Bd 3 S 404, 405, Nr. 234, Kindlinger M. B. Nr. 58, S. 327-329,
Grimm Weisth. Bd. 3 S. 126, 127), wodurch das Domstift zu Mlinster die
Eeclitsverhaltnisse seiner Wachszinsigen feststellte. Diese Bestimmungen wur-
den auf der Synode zu Miinster vom 11. Oct. 1405 (Kindlinger M B. Nr. 60,
S. 332—335) feierlich bestiitigt. — Nach der bei Potgiesser S. 365 (ohne An-
gabe des Datums) mitgetheiltcn Urkunde konnte die Sanct-Pelagius-Kirche zu
Oberreitenau von den Gotteshausleuten, die sich mit Ungenossen verheiratheten,
eine willkiirliche Busse erheben. — Grafin ]\Iathilde von Nevers ertheilte durch
Verordnung von 1235 allen ihren Horigen die Erlaubniss, ihre Tochter auch
ausserhalb der Herrschaft zu verheirathen und ihnen ihrc Mobel mitzugeben;
doch fiel alsdann ihr Erbgut der Herrschaft anheim. (Coquille cap. 8 art. 16,
S. 326, 327: Morellet Bd. 1 S. XXXIX.J — Vgl. auch S. 59 Anm. 5.
2 Vgl. oben Anm. 6 (auf dieser Seite).
3 Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 20 , S. 365, 366. Warnkonig Bd. 2 § 86,
S. 232. Weinhold S. 194. Mone S. 130, 131. v. Maurer Bd. 3 S. 146-168,
62 Kapitel 12. Heirathsbesclirankung der Yasallen und Horigen.
des Geschlechts sich frei verheiratlien konnten , ohne einer grund-
herrlichen Erlaubniss zu bediirfen ^
Hiiufig schlossen die Herrschaften miteinander Yertrage ab,
um Heirathen zwischen den beiderseitigen Horigen zu erleich-
tern ^. Durch derartige Yerbriiderungsvertriige wurden solche
Heirathen allgemein erlaubt, z. B. von Dienstleuten des Bi-
schofs zu Regensburg mit denen des Herzogs von Bayern^; von
Unterthanen des Bischofs von Freisingen mit Unterthanen des Ko-
nigs von Bohmen und Herzogs von Oesterreich, sowie mit Unter-
thanen des Bischofs von Augsburg, des Domkapitels zu Freisingen
und einiger anderer geistlicher Herrschaften "• ; von Unterthanen
§§ 464—469. Hanauer S. 126—129. 134. Osenbriiggen, Stud. S. 93. Pertile
Bd. 3 § 89 S. 42, 53. — Die bei Pertile Bd. 3 S. 42 abgedruckte Sentenza
della M. Corte sui diritti de' nobili di Sorrcnto vom Jahr 1223 entschied. dass
die Bauern der Herren von Sorrent, mit Ausnahme der Soldaten, die Geneh-
migung des Herrn nachsuchen miissten, wenn sie einen Sohn in den geistlichen
Stand treten oder eine Tochter an einen Fremden verheirathen wollten —
Nach einem Zinsbuch vom Jahr 1538, bei Mazure S. 171, bedurften die
questaux (Schutzhorigen) zu Riviere-Basse der Genehmigung des Grundherrn.
um ihre Tochter mif freien Mannern zu verheirathen.
^ Vgl. die Urkunden d^s Herzogs Friedrich von Lothringen v. 1059 und
des Abtes Gerardus von Sanct-Trond v. 1151, bei Piot Nr. 13 und 59, Bd. 1
S. 18 und 82 (worin ein solches Vorrecht einiger Altarhorigen von Sanct-
Trond ausdriicklich festgestellt ist); Urk. v. Juni 1260, Art. 4, bei Cassany-
Mazet S. 283 (wodurch ein derartiges Recht den Bewohnern von Villeneuve-
sur-Lot durch den Grafen Alphons von Toulouse und Poitiers ertheilt wurde).
Vielleicht gehort hierhin auch das Privileg des Erzbischofs Bruno II. zu Koln
von 17. Juli 1134. bei Kindlinger Nr. 9, S. 235, 236 und bei Seibertz Nr. 91,
Bd. 1 S. 126, 127, worin das Recht einiger Kirchenhorigen erneuert "wird,
„sine muudiburnio" zu heirathen. (Mundiburnium ist abzuleiten von mundi-
burnus, d. i. patronus, defensor, tutor, Vogt. Vgl. Ducange unter Mundi-
burnium und Mundiburnus; Dalloz, R6p. Bd. 1 S. 98 und die Urkunden bei
Seibertz Nr. 4, 8, 18, 23, 34 und 90, Bd. 1 S. 5, 9, 21, 25, 39 und 125, bei
Monc S. 141 Note 8 und bei Hanauer S. 123.)
2 V. Raumer Bd. 5 S. 25. Haberlin S. 170—172. Mone S. 138, 139. — Auch
durcii schiedsrichterlichen Ausspruch konnten solche Rechtsverhaltnisse ge-
ordnet werden. Vgl. Urk. v. Juli 1222, bei Kindlinger Nr. 19 S. 255, 256.
3 Vertrag v. Jahr 1213, bei Dumont Bd. 1 S. 145, Nr. 272 (wonach das
erste Kind dem Vater folgt).
^ Urkunden vom 4. Dec. 1266, 29. Miirz und 30. Oct 1268, 18. Mai 1277,
30. Jan. 1316 u. a. m bei Meichelbeck, Instrum. Nr. 84, 94, 95, 133, 240,
S. 54, 60, 80 und 153. In diescn Vertriigen ist verabrcdet, dass die Kinder
getheilt werden sollten, jedoch ist auffallenderweise iiber die Art der Theilung
Nichts gesagt. Vgl. Haberlin S. 172. Anderwiirts war es ublich , nach Ana-
logie von Justinian's Nov. 162 cap. 3 dem Herrn der Frau das erste Kind zu-
zutheilen. Vgl. die folgende Note, auch Laboulaye S. 329 und den dort er-
wahnten Prozess vom Jahr 1262 in Olim Bd. 1 S. 164, 165. — Die Meinung
Kapitcl 12. Iloiratlisbcscliraiikung der Vasallcn und Ilorigen. 03
des rialzgrafen bei Rliein und Herzogs von Bayern mit denen des
Abts vonRoth^; von Horigen des Stifts Trier mitHorigen desStifts
Sanct-Maximin ^; von Horigen des Domkapitcls zu Konstanz mit
denen des Klosters Petershausen ^; von Horigen des Klosters Sanct-
Georgen mit denen der Herren vonHomburg^; und von Horigen
der verbiindeten Abteien Zurich, Reichenau, Sanct-Gallen und Ein-
siedeln uutereinander ^. Die Abteien Sanct-Gallen und Pfeffers
schlossen sogeuannte „Raub- und AVechselvertrage" mit zahlreichen
Stiftern und Klostern. Danach waren die Heirathen unter den bei-
derseitigen Horigeu im Voraus genehmigt, uud die Frau wurde Ho-
rige derselben Grundherrschaft, zu welcher der Mann gehorte, so-
fern der Brautigam vor der Hochzeit an den Grundherrn der Braut
fiir deren ^Raub" drei Pfennige und ein Paar Handschuhe gab ''.
"NVo die Heirath zwischen einer freien und horigen Per-
son verboten war, konnte eine Aushiilfe dadurch geschaffen
werden, dass entweder die unfreie Person losgekauft oder sonst
freigelassen wurde', oder die freie Person in die Horigkeit
eintrat^, AVo ein Verbot gegen Heirathen von Horigen ver-
schiedener Herrschaften bestand, konnte dadurch geholfen wer-
den , dass der Briiutigam oder die Braut durch Verkauf ^,
Haberlin's (S. 172), dass seit dem vierzehnten Jahrhundert Heirathen zwischen
Horigen verschiedener Herren, unter Vorbehalt der Theilung der Kinder.
vollig frei gewesen seien, ist In ihrer Allgemeinheit nicht richtig.
1 Pactum Ottonis ill. Baj. Ducis cum Abbate Eotensi circa Mancipia mu-
tiia, vom 19. Jan. 1233, Mon. Boica Bd. 1 S. 377, Nr. '20. Vgl. v. Raumer
Bd. 5 S. 25. In diesem Vertrage ist bestimmt, dass die Kinder aus solchen
Ehen unter den beiden Herrschaften „equaliter dividantur, ita tamen , quod
ab eo inciinat particio liberoriim, de cujus familia mater est".
2 Kindlinger § 45 unter f.
3 Vertrag vom 22. Oct. 1297, bei Mone S 153.
* Vertrag vom Jahr 1450, bei Mone S. 154.
^ Liber mancipiorum monasterii Thuricensis in der Zeitschr. f. schweiz. R.
Bd. 4 Abth. 2 B, S. 98, 99; Oefnung von Hirslanden und Stadelhofen, daselbst
S. 79 und bei Grimm. Weisth. Bd. 4 S. 321, 322. Osenbruggen, Stud. S. 95,
96. Vgl. aucli Kyburger Oefnung aus der Zeit vor 1506, Art. 3, bei Grimm,
Weisth. Bd. 1 S. 22.
« V. Arx Bd. 2 S. 167, 168. Osenbriiggen, Stud. S. 94. Vgl. auch Oefnung
von Tannegg und Fischingen von 1432, bei Grimm, "Weisth. Bd. 1 S. 282.
' Vgl. Urk. V. 1081—1105, bei Lacomblet Bd. 1 S. 172, Nr. 266; von 1443
und 1478, belMone S. 169—171 : aus der Zeit um 1037, bei Guerard Bd. 2 S. 354.
« L'rk. V. 12. Nov. 1020, bei Lacomblet Bd. 1 S. 97, Nr. 157. Urk. v. 1079,
bei Dronke 1850 Nr. 766, S. 372. Urk. v. 1101—1131 bei Seibertz Nr. 39,
Bd. 1 S. 44, 45. Urk. v. 1462, 1466, 1472 und 1476 bei Mone S. 148—150.
9 Urk. V. 1247, 1280, 1337, 1339, 1356, 1388, 1395 und 1410 bei Mone
S. 161—166. Kindlinger §§ 29, 45.
64 Kapitel 13. Heirathsabgaben.
Tausch ^ oder Schenkung ^ in die andere Horigkeit iiberging,
oder dass die beiderseitigeu Grundherren sich iiber eine solche
Heirath anderweitig verstandigten ^.
So weit und so lange zui' Heirath von Horigen eine grund-
herrliche Genehmigung erforderlich war, bestand die Moglichkeit,
diese Genehmigung von Gegenleistungen abhangig zu machen"*;
doch ist anzunehmen, dass nur solche Gegenleistungen gefordert
werden durften, die dem Herkommen und der Billigkeit ent-
sprachen. Obwohl es nicht undenkbar ist, dass einzelne Grund-
herren die Gewalt iiber ihre Horigen missbrauchten ^ und die Er-
theilung der Heirathserlaubniss von unsittlichen Zumuthungen
abhiingig machten, so spricht doch fiir derartige Missbrauche keine
Yermuthung, und die einzelnen Falle miissten streng bewiesen
werden. Geschichtlich festgestellt ist meines Wissens kein einziger
Fall dieser Art.
G. Heiratlisahgahen (im Allgemeinen).
Kapitel 13. Dass alle Heirathsabgaben, die im Mittelalter
oder in neuerer Zeit von Horigen (Leibeigenen) an deren Grund-
herren zu entrichten . waren , oder wenigstens viele dieser Ab-
gaben, durch Ablosung des Herrenrechts der ersten Nacht ent-
standen seien und insofern die friihere Herrschaft desselben
bewiesen, wird von vielen Schriftstellern des achtzehnten und
neunzehnten Jahrhunderts entweder fiir moglich gehalten, oder
als bestimmte Yermuthuug ausgesprochen, oder ausdriicklich
behauptet, oder als bekannte Thatsache behandelt *"'. Die En-
1 Sacbsenspiegel Thl. 1 Tit. 52 § 1. Zobel Fol. 131. Die oben (S. 61,
Anm. 6) erwahnte Urk. v. 1120. Urk. v. 1290, 1296, 1297, 1328 und 1348,
bei Mone S. 156—161 und S. 312. Kindlinger §§ 28, 45. Potgiesser lib. 2 cap. 2
§ 22. Hurter Bd. 3 S. 495, 496. Laboulaye S. 328, 330.
2 Urk. von 1081—1105, bei Lacomblet Bd. 1 S. 172, Xr. 266. Urk. v. 1273
und 1300, bei Mone S. 167, 168.
3 Urk. V. 1242 bei Saint-Foix Bd. 2 S. 133, 134 und bei Dulaure, Adel
S. 233. Urk. v. 1290, 1294, 1401 und 1462 bei Mone S. 151—153. v. Arx
Bd. 2 S. 167.
* Ueber Heirathsabgaben s. Kap. 13—25. ^ Vgl. Delisle S. 75.
« Grand Vocab. unter Culage und Marquette, Bd. 7 S. 308, Bd. 17. S. 236.
Diss. S. Claude, Anh. S. 133, 134. Collin de Plancy Bd. 1 S. 172. Ewers
S. 72. Pastoret, Ord. Bd. 18 S. XVL Raynal Bd. 2 S. 209. Noordewier
S. 160. Bonnemere Bd. 1 S. 59, 60. Laferri^re Bd. 5 S 457. Littr6, unter
cuissage, cullage, marqiiette und prelibation. Scherr 1858, S. 211, 212, und
1865, S. 131. Post S. 38. Vgl. auch Voltaire, 6d. Beaumarchais, Bd. 29 S. 460,
und gegen jene Meinung: Grupen §§ 2 — 10, S. 4 — 20; Berger de Xivrey S. 24, 25.
Kapitel 13. HeiratliRat)f:;abcii. 65
cyklopadisteii stelleii dicse Bcg,riindun^- dcr Ilciratlisabgaben nur
als moglich hin K Zopfl meint, diese Entstehung- der Ileiraths-
abg-aben sei ^wenigstens fiir Deutschland nicht nachvveisbar" ^-
Jakob Grimm halt fiir erwiesen, dass in Schottland und eini-
gen Tiieilen Frankreichs die Heirathsabgaben aus jenem Recht
hervorgangen seien, was sich aus deutsclien Urkunden kaum
nachwcisen lasse ^. Xoordewier meint, aus niederdeutschen Ur-
kunden lasse sich nicht beweisen, dass die Heirathsteuer (Trow-
geld), gleichwie iu Schottland und in einigen Theilen Frank-
reichs, dort unter einem verachtlichcn iS^amen, aus dem Recht
des Herrn auf die erste Brautnacht entstanden sei'*. Pcrtile
spricht von „Abgaben fiir Loskaufung des jus primae noctis" ^.
Chaudruc de Crazannes behauptet, dies Reeht sei fast immer in
eine willkurliche Abgabe umgewandelt worden, dereu Hohe sich
nach Alter, Staud und Yermogen der Neuvermahlten und nach
der Schonheit der jungen Frau gerichtet haben moge ''. Labes-
sade bemerkt, es sei in den meisten Fiillen nicht in Xatur aus-
geiibt, sonderu durch eine Abgabe in Geld oder Lebensmitteln
ersetzt worden, zu einer Zeit, als die Ausiibung in der urspriing-
liehen Form unmoglich wurde ^. Jules Delpit meint, die unter dem
Jfamen ^formariage" bekannte Geldabgabe sei in vielen Fiillen
eine Entschadigung fiir das Herrenrecht der ersten Nacht gewesen ®.
Daneben ist auch die entgegengesetzte Meinung in der Neu-
zeit vertreten, dass namlich das jus primae noctis aus den Hei-
rathsabgaben sich entwickelt habe ^. Kolb meint, der Grundsatz,
dass die Leibeigenen nicht ohne ausdriickliche Zustimmung ihres
Herrn heirathen durften, habe als Erpressungsmittel zur Ein-
fiihrung von Heirathsabgaben gefiihrt; daraus habe sich, als die
Zeiten „noch finsterer" wurden, das jus primae noctis entwickelt;
spater, als die Cultur ein wenig wieder stieg, seien an Stelle
des jus primae noctis die Heirathsabgaben wieder hergestellt
worden ^°.
Sowohl die eine als die andere Meiuung ist haltlos. Die
Heirathsabgaben erklaren sich als Gegenleistungen fiir die grund-
1 Encvcl. uuter Culage , von Boucher d'Argis, 1. Ausg. Bd. 4 v. J. 1754
S. 548. Encycl. meth. Bd. 3 v. J. 1783 S. 434.
2 Zopfl Bd. 2 § 30 S. 168 (4. Aufl.). ^ Grimm, R.-A. S. 384.
■'' Noordewier S. 160. ^ pgrtile Bd. 3 S. 53. Vgl. oben Kap. 1 S. 5.
« Crazannes S. 145, 146. ' Labess^de S. 82, 107.
s Delpit S. 118—122.
' 9 Laboulaye S. 331, 332. Kolb 1843. Bd. 2 S. 72. 73. Scherr 18G5, S. 129
1" Kolb 1842, S. 495—498, und 1843, Bd. 2 S. 72—74.
Schmidt. Jus primae nootis. 5
6(3 Kapitel 13. Heirathsabgaben.
lieiTliche Heirathserlaubuiss ^ AYie die Yorschrift, eine solche
Erhiubuiss zur Heirath einzuholen, eine mehr oder niinder aus-
gedehute Geltung hatte , so erkliirt sich auch die Yerschiedenheit
der Grundsatze, die iu den eiuzelnen Laudern und Herrschaften
iiber Heirathsabgaben bestandeu. In vielen Herrschaften waren
solche Abgaben unbekannt; in andern waren sie durch Yertrage
oder Herkommen festgestellt -. Es wiirde denkbar sein, dass an-
fanglich die Grundherren nach freiem Ermessen entschieden, ob
und unter welchen Bedingungen sie ihren Horigen die Einwilli-
gung zur Heirath ertheilen wollten, und dass erst spiiter eine
Garantie gegeu Missbrauch dieses Rechts gefordert, und dadurch
die Einfiihruug bestimmter Heirathsabgaben veranLasst sei^; auch
ist die Mogliohkeit nicht zu bestreiteu, dass in einzelneu Fallen
die Drohung, eiu Herrenrecht der ersten Nacht auszuiiben, zur
Erpressuug you Abgaben dieute ^ Doch fehlt ein geniigeuder
Grund zur Yermuthung derartiger Missbrauche, uud mir ist kein
geschichtlich bewiesener Fall dieser Art bekannt geworden.
Freilassungen erfolgten haufig unter dem Yorbehalt, dass
die Freigelasseneu gewisse Abgaben, darunter auch bei Heirathen,
an ihreu friihern Hevrn zu entrichten hatten; dies gesehah ius-
besondere im zwolften Jahrhundert, als in den Stadten selb-
staudige Gemeindeverfassuugen geschafi^en und von den bisherigen
Gruudherren bestatigt wurden. Alsdann waren jeue Abgaben
ein Zeichen friiherer Unfreiheit, also gewissermassen eine Bestii-
tigung der erlangten Freiheit ^.
Heirathsabgaben bestanden entweder nur fiir Heirathen mit
Ungenossen (forismaritagium), oder auch fiir Heirathen unter Ge-
nossen (maritagium) , im letztern Fall zur Anerkennuug der
Unfreiheit; sie waren im Fall des forismaritagium (formariage)
entweder an den Herrn der Braut, oder an den des Brautigams,
oder an beide Herren zu entrichten "^. In den meisteu Fiillen
1 Vgl. obeii Kap. 12 S. 64.
- Sie siiid keineswegs, wie Ernst Joachim Westphal (§ 13 S. 41, 42) meint.
durch Einfiihriing des kanonischen Rechts aufgehoben . sondern stehen mit
demselben in keinem Widerspruch und haben sowohl im Mittelalter wic in
neuerer Zeit in anerkannter Geltung bestanden.
3 Vgl. Raepsaet 3. Ausg. S. 14, 20. * Barth^lemy S. 122.
5 Bouthors Bd. 1 S. 476. Louandre S. 79. Raepsaet 3. Ausg. S. 17—20.
Laboulaye S. 329, 330.
^ Spelman. unter Maritagium. Lauri^re . vinter Formariage und Cullage.
AVestphal § 12. Heineccius, Elem. lib. 1 tit. 1 § 46 und Antiquit. Bd. 2
lib. 2 cap. 9 § 14 und § 29. Kindlinger § 45 S. 184. Pcrtile Bd. 3 S. 53.
Osenbruggen, Stud. S. 93. Zopfl Bd. 2 S. 167, 168.
Kapitcl 13. Iloiruthsahiraheu. 67
des fonnariage ]uittc*nur der Grundherr der liraut (liesen An-
sprucli, was sicli dadurcli erkliirt, dass dieselbe deni Ehegattea
folgte und aus ihrer bisherigen Horigkeit befreit wurde ^ Die
Abgabe ini Fall des formariage ^ war eine Abzugsteuer (Gebiihr
fiir den Losschein) oder eine Niederlassungsteuer oder Beides zu-
gleich, je nachdeni sie von dem einen oder deni andern Grund-
herrn oder von beiden erhoben wurde.
Wo von dem urspriinglichen Verbot des formariage (Yer-
lieirathung der Tochter mit einem Ungenossen) bloss eine Abgab^
(droit de formariage) iibrig geblieben war, konnte es nicht auf-
falien, dass in spiiterer Zeit das Bestreben der Horigen hervor-
trat, sich von dieser Abgabe zu befreien -\ Konig Ludwig XVI.
von Frankreich erkliirte durch Edict vom August 1779 (unter
dem Ministerium Xecker) auf alleu koniglichen Domanen die
main-morte mit ihren Folgen fiir aufgehoben, namentlich auch
die Beschriinkungen der Freiheit , sich zu verheirathen * ; dem-
nachst wurden die Rechte aus dem formariage, weil sie mit der
raain-morte personelle zusammenhingen , durch das am 3. No-
vember 1789 promulgirte Decret vom 4. August 1789 allgemeiu
und ohne Entschadigung aufgehoben^.
Mitunter diente der Nanie einer Heirathsabgabe zugleich zur
Bezeichnung der Strafe, die bei dem Fehltritt einer Jungfrau ent-
weder durch deren Vater oder Vormund, oder durch ihren Ver-
fiihrer an den Grundherrn zu eutrichten war. Diese doppelte Bedeu-
tung hatten beispielsweise die Ausdriicke amobyr oder amobragium
in Wales^, merchet, merchetum oder marchetum in England ^,
1 Vgl. V. d. Schelling Bd. 1 S. ir)0.
^ Ragueau, unter Formariage. Lauriere, unter Formariage (wortlich aus
Kagueau). Boutaric, unter Droit de Formariage. Encycl. meth. unter 3£ain-
morte (vou Henrion). Dalloz, Rep. Bd. 1 S. 95. Guerard Bd. 1 § 207 S. 413.
Kindlinger S. 15 und S. 59. Laboulaye S. 325—332.
3 Vgl. Guerard Bd. 1 § IGS S. 338.
* Edit du mois d"aout 1779, art. 1, iu der Eucyel. meth. Bd. 5 S. G94.
^ Dalloz, Rep. unter Propriete f^odale, Nr. 100.
6 Leges Hoeli Boni , ed. Wottonus, Gloss. S. 554: „Amohr . . . dicitur de
pecunia quae vel pro maritandis puellis vel pro pudicitia violata domino
pendebatur". . . Vgl. Anderson S. 60. Naheres dariiher s. uuten Kap. 14 S. 70.
' Spelman, unter Merchetum: „Hoc est, quod Sokemauui et nativi debent
solvere pro filiabus suis corruptls sive defloratis.''' Vgl. Dalrymple Bd. 1
S. 319, 320: Brinckmeier Bd. 2 S. 190. — Ohne jeden Grund setzt Ducange dem
voi-stehenden Ausspruch Spelman's hinzu : „id est , ni fallor . ue corrumpantur
aut deflorentur a suis dominis, in prinia nuptiaruui suarum nocte." S. unten
Kap. 16.
68 Kapitel 14. Heirathsabgaben in Wales.
marcheta in Schottland ^ , Beddemunt in Nbrddeutschland ^.
Einige Schriftsteller meinen in dem Namen gewisser Heiraths-
abgaben, worin eine geschlechtliche Anspielung- enthalten sein
soll, eine Bestatigung fiir die Yermuthung zu finden, dass sie
durch Ablosung des Herrenrechts der ersten Nacht entstanden seien.
Wenn jedoch eine solche Anspielung iiberhaupt anzunehmen ist,
so erklart sie sich aus der Natur der Ehe , und es liegt darin
durchaus kein Grund zu der Yermuthung, dass die Abgabe auf
einem schandlichen Ursprung beruhe.
Die in diesem Kapitel entwickelten Siitze werden durch den
Inhalt zahlreicher Urkunden bestatigt, wie die in den Kapiteln
14 — 26 enthaltene Zusammenstellung ergiebt. Keine einzige von
allen darin erwahnten Urkunden gewiihrt einen Grund fiir die
Yermuthung, dass eine Heirathsabgabe durch Ablosung des be-
zeichneten Rechts entstanden sei. Aus einer grossen Zahl dieser
Urkunden erhellt die Unmoglichkeit eines solchen Yerdachts, da
sie selbst den Titel iiber die Entstehung jener Abgaben bilden,
und darin die Begriindung derselben erklart ist.
IV. Heirathsabgaben in den einzelnen europaischen Landern.
A. Iu Grossbritaunicn.
1. "Wales: amohi-, amobi/r, amohragium , merched, gohr-vierch , girahr-
merched, maiden-rent, chevagium.
Kapitel l-t. Die dem Konig Hoelus (How^el), dem Guten,
zugeschriebenen alten Gesetze von Wales ^ erwahnen an vielen
> Houard, Littl. sect. 257 S. 332 Note 6. Vgl. unten Kap. 15.
2 Urk. V. 1120, bei Rive. Anl. 7 S. 390, 391, und bei Sommer S. 30, 31,
Beil. 13 : ... „si autem aliquis sine legitimo thoro cuiquam copulata fuerit,
foris factum suum, quod frequenter usus Beddemundum vocat, supra dictae
componat curiae" . . . Dieselbe Urkunde steht bei Brewer S. 437—439 und
bei Binterim Bd. 3 S. 86—88 mit der Lesart Reddemundum statt Beddemun-
dum; doch ist dies ein Druckfehler, wie Herr Archivar v. Haeften im Jahr
1865 durch Einsicht der im Pfarrarchiv zu Xanten befindlichcn Originalurkunde
festgestellt hat, und wie auch Grimm, W.-B. (unter Bettemund), uud G. Waitz
(Bd. 5 S. 236, 237) annehmen. — Piper § 18 S. 33 und § 6 S. 14 berichtfet,
dass im Fiirstenthum Minden, in der Grafschaft Ravensberg, in Lippe und in
andern Gegenden der Grafschaft Hoya die geschwJingcrte Magd dem Gutsherrn
„Bcdemuth" bezahlen miisse, wogegen im Hochstift Osnabriick der Schwan-
gerer zur Entrichtung der Bedemuth verpflichtet gewcsen sei. Doch irrt Piper
darin, dass er die andere Bedeutung des Wortes bestreitet. Vgl. Deutsche
Encykl. unter Bedemund; Brinckmeier Bd. 1 S. 306—308; unten Kap. 22.
* Diese Gesetze riihren nach den dariiber angestellten Untersuchungen
Kapitol 14. IIeiratlis:il)H:iilH'ii iii AValcs. G9
Stellcii eiue Abi^abe uriter dem Nameii amobyr oder amobr.
Das AVort wird iiergeleitet voii am = zum (pour oder a cause)
und gwobr — Elireng-eschonk ^ oder Entschadigung -; es heisst
also wurtlich „zum Ehrengeschenk" oder „zur Entschadigung".
Die lateinische Uebcrsetzung lautet amobragium^, merces oder
maritagium. Diese Abgabe sollte bei Verheirathung einer Jung-
frau, wcnn sie selbstaudig war, von ihr selbst, sonst von ihrem
gesetzlichen Vertreter '\ nach einer andern Stelle von ilirem Ehe-
mann ^ entrichtet werden. Das amobr war in der R,egel nur fiir
diejenigen MildLlien zu zaiilen, deren Vater zur Entrichtung des
herezeld (heriotum) verpflichtet war; doch gab es mehrere Aus-
nahmen von dieser Regel ^. Der Betrag war so liocli, wie das
heriotum des Vaters ^ und denigemass verschieden, je nach dem
Stande, den der Vater einnahm^. Die Zeit der Falligkeit be-
(vgl. Gengler S. 78, 79, 169, 170, fenier Dalloz , Rep. Bd. 1 S. 28 iind Pel-
letier S. VI) aus dem zehnten Jahrhundcrt lier und hattcn nicht bloss in Wales?
sondern auch in der Bretagne Geltunji;.
^ Leges Hoeli Boni (ed. Wottonus) Ghiss. S. 554.
2 Bullet unter Am und Gobr. 3 Hazlitt S. 413.
* Ancient laws of Wales (Ausg. 1841), Venedotian Code, book 2 ch. 1
art. 28: „Whoever shall give a woman to a man, must pay her amobyr, or
take sureties from her for its payment: but if she dispose of herself, let her
I)ay her amobyr herself; because she has been her own disposer."
* Ancient laws of Wales (Ausg. 1841), Gwentian Code, book 2 ch. 39
art. Sf) : „There are three causes of blu,shing to a maid: one is, the being told
by her father : maiden , I have given thee to a husband; the second is, the
desiring her to go to her husband to sleep ; the third is , seeing her rising
in the morning from her husband : and on account of those three, her hushand
pays her amobyr to the lord, and her cowyll and her agweddi to herself."
In der lateinischen Ausgabe, lib. 2 cap. 23 art. 37, fehlt die Angabe, wer die
Zahlung zu leisten hat : „Triplex est pudor puellae: primus est, cum pater
suus, ipsa presente, dixerit se viro illam dedisse . . . pro primo datur amobyr
(amobragium), pro secundo cowyl (antipherna), pro tercio aguedi (dos)."
^ Leges Hoeli Boni (ed. Wottonus) lib. 4. triades forenses, art. 189: „Tres
sunt puellae, quae maritagium solvere debent, licet patres earum non teneantur
heriota solvere". . .
■^ Leges Hoeli Boni, ed. Wottonus, lib. 4 cap. 190 § 8: „Maritagium filiae
cujuslibet hominis qui heriotum solvere tenetur, aequale erit ejus herioto."
^ Ancient laws of Wales (Ausg. 1841), Vened. Code , book 2 ch. 1
art. 42 — 50: „The amobyr of the daughter of a maer canghellor, one pound.
The amobyr of the daughter of a maer, six score pence. The amobyr of
the daughter of a chief of a kindred, six score pence and one pound. The
amobyr of the daughter of an uchelwr, six score pence. The amobyr of
the daughter of an aillt, four scorc pence. The amobyr of the daughter
of an alltud, twenty four pence. The amnbyr of the daughter of every
chief ofticer. according to some, a pound, according to others, six score pence.
70 Kapitel 14. Heiratlisabgaben in Wales.
stimmte sich durcli Uebergabe der Jungfrau an ihren Ehemann,
eventuell durch offenes Zusammenleben, iiusserstenfalls durch
Schwangerschaft ^ Berechtigt zur Erhebung des amobyr waren
die Herren oder Herrinnen, in deren Gebiet die Heirath stattfand ^.
Nach Einzelbestimmungen erhielt der Musikmeister (pencherd,
musicus primarius) das amobyr der Dichtertochter ^, und der Jager-
meister (penchenid, princeps venatorum) den dritten Theil des
amobyr von den Jagertochtern \ Fiir ein entfiihrtes Madchen
musste das amobyr am Ort seiner Heimath bezahlt werden ''.
Auch bei der Entehrung einer Jungfrau war ein amobyr
zu zalilen, und zwar im Allgemeinen nach denselben Regehi wie
bei der Verheirathung ••. Wer Nothzucht an einer Frauensperson
veriibte, hatte an ihren Herrn ihr amobyr und dirwy, und an
sie selbst ihr saraad. agweddi und dilvswedd zu zahlon '. War
The amobyr of the danghters of each of the other ofiicers , according to
some, six score pence, according to others. three score pence. The amobyr
of the daughter of a slave , twelve pence." Die entsprechende Stelle des
lateinischen Textes, lib. 2 cap. 21, enthalt mehrfache xVbvpeichungen.
1 Ancient laws of Wales (Ausg. 1841), Vened Code, book 2 ch. 1 art. 41:
„In three modes an amobyr accrues to a woman : one is, by gift and delivery
before she be slept with ; thc second is, by open cohabitation , though there
may be no gift nor delivery: the third is, by her pregnancy."
2 Ancient laws of W^ales (Ausg. 1841), Venedotian Code, book 2 chap. 1
art. 78 : ..Every lady is intitled to the amobyr of the women of her domain."'
Art. 79: ..Every land maer is to liave the amobyr of the women of the maer-
trev."
' Leges How-eli Boni (Ausg. 1841) cap. 21 S. 861: „Pencherd (musicus
primarius) debet habere amobor filiarum poetarum sub se existentium". . .
* Leges Howeli Boni (Ausg. 1841) cap. 21 art. 11 S. 860: „Penchcnid
(princeps venatorum) debet habere tertiam partem de diru (dirwy) venatorum,
et de kamgul (camlwrw) et ebediv (heriota) ac ammoboren merched ( et amo-
bragia iiliarum)." In dieser Stelle wird diirch „ammoboreu merched" die
Mehrzahl ausgedriickt.
* Ancient laws of Wales (Ausg 1841) , Gwentian Code , book 2 chap. 29
art. 21: „According to where her home may be, her amobyr is paid."'
^ Leges Hoeli Boni (cd. Wottonus) Gloss. S. 554: „Amobr . . . dicitur de
pecunia quae V"el pro maritandis puellis vcl pro pxidicitia violata domino pen-
debatur". . . Anderson S. 60: ..Thc amobyr . . . was paid cith(>r for violating
the chastity of a virgin or for tlic marriagc of a vassal."
'' Ancient laws of Wales (Ausg. 1841), Dimetian Code , book 2 ch. 18
art. 18: „Whoever shall commit a rape upon a woman is to pay her amobyr
and her dirwy to the lord; and to the woman hc is to pay her saraad , her
agweddi and her dilyswydd. If the man will to deny it, and the woman
support it against him, prehendat pencm ejus manu sinistra et dextra rcliquiis
imposita, and let her swear to liis liaving committcd a rapc upon her: and thus
he cannot withhold any of licr right." Der Schlusssatz dieser Stelle diirfte
Kapitol 14. Ileirathsabgaben In Walcs. 71
der Mann, der dio Nothzucht veriibt hatte, unbekannt, so wurde
kein amobyr ontrichtet ^ Dasselbe galt bei Nothzuclit an ciner
Ehefrau, weil deren amobr boi ihrer Heirath bezahlt war ^.
In den beiden Bedeutungen, in denen das Wort amobyr in
den Cxesetzen des Konigs Howel vorkommt, fiir Yorheirathung
oder Entohrung- oinor Jungfrau, findet es sich auch in andorn
Urkunden. Auf dem Parlament, welches Konig Eduard II.
von England im Jahr 1316 zu Lincoln abhielt, ward iiber ver-
scliiedone Antrage beziiglich des Gowohnheitsrechts von Nord-
Wales ontschieden. In der orsten dieser Entscheidungen wurde
fiir das amobragium, das wegen eines Yergehens gefordert
werden konnto, eino bosonders streng bestimmte Yorjahrungs-
frist von einem Jahr eingefiihrt; zugleich wurde bestimmt, dass
ein amobragium bloss in den Fallen erholaen werden soUte, in
denen es beroits zur Zeit der alten Konige von Wales Geltung
hatto ^. In oiner Urkunde aus der Zeit um loOo wurde das
amobr, welches bei Yerheirathung, Entfiihrung oder Schandung
eines Madchens zu zahlen war, fiir die Tochter eines freieu
Mannes auf fiinf, und fiir die Tochter eines Bauern auf zwei
Schillinge festgesetzt; eine Strafe von gleicher Hohe hatte oin
Ehemann fiir den Ehebrucli seiner Frau zu zahlon, wenn or sio
bei sich behielt ''•. Boi dor am 14. Xovember 1501 erfolgten
als juristischer Witz aufziifassen sein. in dem Sinn, dass der BeAveis einer
erlittenen Nothzncht fiir unmoglich erachtet Avurde. Doch ist Peignot andercr
Meinung.
* Ancient laws of AVales (Ausg. 1841). Gwentian Code, book 2 ch. 29
art. 24: ..A ■vvonian Avho shall be violated , if she know not who has vi(dated
her, is not to pay amobyr: since the king preserved her not from violation,
he loses her amobyr: and if the vvoman be doubted in this respect, let her
give her oath , that she knows not who has violated her: and that she was
violated as aforesaid."
2 Ancient laws of Wales (Ausg. 1841). Vened. Code, book 2 ch. 1 art. 68 :
..If a rape be committed on a married woman, no amobyr is to be paid for
her: because she herself paid it, when shc married."
3 Urk. v. J. 1316, An. 9 Edw. II, bei Rymer Bd. 2 (der Ausg. Londini 1818)
Theil 1 S. 283, 284: . . . „Quod illa consuetudo, quae vocatur Amobrayium,
de eaetero non exigatur , nisi infra annum a tempore cognitionis delicti , pro
quo dicta consuetiido solvi debeat: ita tamen quod, si infra hujusmodi annum
exigatur, licet durante anno illo non solvatur, post annum ilhim finitum nulla-
tenus persolvatur : et de caetero, tantummodo levetur in casibus illis. in quibus
temporibus principum Walliae levari consuevit." Daraus: Ducange. unter
Amobragiiini.
^ Extent. Reddit. Treth et Firm. de Moghnant, fact. per R. anno regis Ri-
cardi XVI, im Glossar zu Leges Hoeli Boni (ed. Wottonus) S. 554: .,Et parcn-
tes et heredes inter nativos tantum obligentur ad solvendum Amohf pro filia
72 Kapitel 14. Hcirathsabgaljen iii Wales.
Yermahlung des Prinzeii von Wales, Arthurs, erstgeborueu Sohues
des Konig-s Heinrich Vll. von England, mit der spanischen Konigs-
tochter Katharina, wurden iu der Urkunde iiber die assiguatio
dotis die Gerechtigkeiten, die zur Grafschaft Caernarvon in Wales
gehorten, einzelu aufgezuhlt; dazu gehorten auch die amobragiai.
lu der Grafschaft Flintshire in Nord-Wales bestand eine Ab-
gabe unter dem JSTamen amobragium im Betrage bis zu iiinf
Schillingen, die der Yasall an den Konig als deu Lehnslierrn zu
zahlen hatte -.
Als gleichbedeutend mit amobr oder amobragium galten die
Ausdriicke merched, gobr-merch oder gwahr-merched^.
In Zusammensetzung mit Ableituugen vou amobr kommt das Wort
merched schou in den alten Gesetzen vou Wales vor*. Nach
dem Gewohuheitsrecht von Dinover iu der Grafschaft Caermartheu
hatte jeder Bauer bei Yerheirathuug seiner Tochter unter dem
Namen „gwahr-merched" zehn Schillinge au den Grundherrn zu
bastardi sicut pro nata iii matrimoiiio. Et quilibet liber solvet Domino, cum
primo filiam suam maritaverit, vcl ipsa corrupta fuerit, seu rapta et defiorata,
nomine At/iobr 5 s. , nativa vero solvet 2 s. Et postea quotiens seipsam ma-
ritaverit vel corrupta fuerit, solvat domino 5 s. , nativa vero 2 s. , si habeat
unde distringi poterint. Et quociens uxor alicujus adulteraverit, ipsa manente
cnm viro. viz. Kutkufke, maritus solvet domino 5 s. nomine Aniobr , nativa
vero 2 s. Si vero a communicatione et kytkufky cum alio in adulterium se
diverterit, et pormanserit a viro suo, ipsa sola solvet si habeat unde Amobr
et propartem lionorum quae sibi competere j)osset post mortem viri sui de bonis
ejusdem mariti amittct , ni.si per ipsum virum ante obitum suum reconciliata
fuerit" . . .
^ Urk. V. 14. Nov. 1501, bei Rymer Bd. 5 der Ausg.. Hagae Comitis 1741,
Theil 14 S. 163: ..Nos Arthurus . . . dotamus . . . Katharinam ... de et in
Dominio, Castro, Villa et Comitatu de Carnarvon ac Dominio, Castro et Villa
de Coneway . . . una cum omnibus et singulis aliis Dominiis. . . Amobragiis . . .
Maritagiis, Releviis, Escaetis . . . ac oninibus aliis ad dictum Principatum . . .
spectantibus sive pertinentibus."' Daraus: Ducange, unter Amobragium.
^ Anderson S. 60: „Certain lands in the county of Flint are hekl of the
king by services and by ammobragium, which extended to five shillings when
it happened "
^ Leges Hoeli Boni. ed. Wottonus. Gloss.: ^^Amobr . . . dicitur etiam Gobr
merch". Tomlins Bd. 1 unter Ammobragium und Gwabr Merched, Bd. 2
unter Merchet. Anderson S. 60: „The Amobyr or rather Gobr-merch or
Gwahr-merched was a British custom of great antiquity." Vgl. Boxhorn,
Lex. S. 45: Anderson S. 58; Wachter, unter Reitschoss ; Ilazlitt S. 433 und
S 413.
* Laws of Howel Dha Buch 1 Kap. 14 und 27, bei Chalmers Bd. 1 S. 450:
„Efe a gaiff obreu Merched y maer biswail" (lateinisch : maritagium filiarum
villici dominici regi solvetur); und die obon S. 70 Aiim. 4 angefiihrte Stelle.
Vgl. das Niihere unten Kap. 15 S. 75.
Kapitel 14. Ileirathsaljgaben in Wales. 73
eiitricliten ^ Laya bcliauptct, die Zalilung dieser Abg-abe <;-esclielie
iinter der Bedinyung-, dass der Herr auf sein E,eclit verziclite,
die erste Nacht mit der jungen Frau zu sclilafen; doch bezweifle
ich, dass eine solche Bedingung in der (niir nicht zug;ingliclien)
Urkunde iiber jenes Gewohnheitsrecht ausgedriickt ist.
Aus dem (xewohnheitsrecht von Buelld oder Builth in der
Grafschaft Radnorshire in Mittel-Wales wird berichtet, dass dort
die Abgabe, welche der Tenant bei Verheirathung einer Tochter
an den Lord zu zahlen hatte, den Namen maiden-rent fiihrte ^.
Danach war dioser Ausdruck gleichbedeutend niit amobyr oder
gwahr-merched, und erklart es sich, dass Anderson das namliche
Gewohnheitsreclit als „custom of marcheta" bezeichnet^. Xach
beiden Berichten betrug die Abgabe einen „nobIe".
Auch der Ausdruck chevagium oder chevage , welcher
eine grundherrliche Abgabe bedeutete, wurde zur Bezeiclmung
einer Heirathsabgabe angewendet ^ Spelman erkliirt diesen Aus-
druck aus dem franzosischen Wort chef und meint deshalb, er
bezeichne allgemein eine Abgabe, die dem Herrn zu entrichten
war ^. Als eine Art von chevagium erwiihnt er das amobyr, das
dein Fiirsten von Wales fiir Verheirathung einer Tochter einst-
mals angeblich von allen Unterthanen, zu seiner Zeit aber nur
von gewissen, auch freien Unterthanen gezahlt wurde ''.
Obwohl keine der mitgetheilten Urkunden vermuthen lasst,
dass irgend eine in "NVales geltend gewesene Heirathsabgabe aus
einein unsittlichen Ursprung entstanden sei, so behaupten doch
Ducange und dossen Nachfolger, in AVales habe das Herrenrecht
der ersten Nacht unter dem Namen amachyr oder amobr be-
standen ". Diese ^^leinung: stiitzt sich auf eine einzio-e in den
' Jaucuurt in der Encycl. (erste Ausg.) unter Marchet. Garran de Coulon
in der Encycl. meth Jurispr. Bd. 5 S. 834 unter Marquette. Anderson S. 70.
Laya Bd. 2 S. 417.
^ Leg Wall. Hoeli, Gloss. unter Amobr: „In the Mannour of Buelld in
Radnorshire, a noble paid by every Tenant at the marriap;e of a daughter, is
caird Maidenrent." Tomlins Bd. 2 unter Maiden Rents. Vgl. "Wachter, unter
Reitschoss ; Grupen §§ 10, 15
' Anderson S. 70: ,,In the manor of Builth, in Radnorshire, ench vassal
paid a noble to the lord, at the marriage of his daughter, for quitting of the
custom of raarcheta."
* Spelman unter Chevagium. Tomlins unter Ammobragium und Clievage.
5 Spelman untcr Chevagium. Vgl. auch Courson S. CCLXXXVI.
^ Spelman unter Chevagium : . . . „E§t et insviper apud Wallos chevagii
genus quod Amobyr vocant, Principi Walliae pro maritandis filiabus, olim ab
omnibus (ut asserunt), hodie a quibusdam (etiam liberis) persolutum."
" Ducange unter Marcheta. Labessade S. 22, 94, 95.
74 Kapitel 14. Heirathsabgaben in Wales.
alten Gesetzen von Wales enthaltene Stelle. Dieselbe lautet in
keltiscber Sprache: „Ditfaitb Brenin y dywedir Morwyn, ac wrth
hynny ni ddyly y Brenin ei hamobr" ; lateinisch, in der Ausgabe
von 1730: „Puella vocatur Desertum Regis, et idcirco maritagium
Regi pro illa debetur" ; in der Ausgabe von 1841: „Puella di-
citur desertum regis esse, et ob hoc regis est de ea amobyr (amo-
bragium) habere." ^ Der Ausdruck „DiflFaith Brenin", lateinisch
desertum Regis, bedeutet eine herrenlose Sache oder Person ^.
Hieraus ergiebt sich folgende Uebersetzung: „Ein Madchen,
welches keinem Herrc (namlich Grund- oder Lehnsherrn) unter-
worfen ist, gehort zur Herrschaft des Konigs; deshalb ist bei
ihrer Verheirathung das herkommliche Ehrengeschenk an den
Konig zu entrichten." ^ Einige Schriftsteller '' iibersetzen das Wort
amobyr in dieser Stelle mit pretium virginitatis, Preis der Jung-
frauschaft; und Bullet bemerkt, das AYort „am" bedeute auch vir-
ginite; allein diese auffallende Uebersetzung beruht. wie die
Yerweisung auf den Abschnitt von Amobr ersehen lasst, auf der
vorgefassten Meinung, dass amobr den Preis bezeichnete, den ein
Ehegatte fiir die Jungfrauliehkeit seiner Braut zahlte. „Gobr",
Preis, Yergeltung, in ^iusammensetzung „obr"; „am" also Jung-
fraulichkeit" ■'. In der irrthiimlichen Yorstellung, dass Ducange
die von ihm mitgetheilte Stelle einer schottischen Bechtsquelle ent-
1 Leges Hoeli Boni , ed. Wottonu.^. lib. 2 cap. 1 art. 82: ed. 1841 lib. 1
cap. 19 art. 3. — Bei Dncange. nnter Marcbeta. ist eine andere Lesart citirt,
worin der Ansdruck „amachyr" (statt amobyr) steht und mit ,.pretium virgi-
nitatis" erklart \\-ird, ohne uass sich ersehen liisst, ob diese Erkliirung von
Ducange herstammt oder aus der von ihm benutzten Ausgabe entnommen ist.
2 Leges Hoeli Boni {ed. Wottonus) Gloss. S. 554 : „Diffaith Brenin, Desertum
Regis, Vacua Regia. Loea a nullis certis proprietariis posses.sa ita appellabantur,
ex quibus lucrum omne quod per accidens oriretur, ad Regem pertinebat, qualia
sunt mare, loca inculta campestria, vasti saltus, quos nostri Forestas vocant.
Hoc autem vocabulo non tantum res, sed et personae interdum denotantur.
Puellae vocantur Diffaith Brenin , ob quarum matrimonium honorarium Regi
vel vasallis ejus deberetur, pro ratione dignitatis aut status sui vel paterni". . .
Vgl. Leges Hoeli Boni (ed. Wottonus) lib. 2 cap. 13 et 21 § 7. lib. 5 cap. 4 § 35.
^ Vgl. Astle S. 37 : „Thc marchet of Howel Dha was the fine for the mar-
riage of a daughter'': Anderson S. 60 (aus Blount) : ,.Definition of Ammo-
brogium: a pecuniary acknowledgment paid to the king by the tenants — or
vassals to their lord — for liberty of marrying or not marrying."
* Vgl. Ducange unter* Amachyr und Marcheta; Grupen § 4; Bullet unter
Amobr; Anderson S. 60: Brinckmcier Bd. 2 S. 190.
* ^SIan konnte jene Bemerkung .sogar fiir Ironic halten. da dic richtige
ErkUirung des Stammes Am unmittelbar dahinter steht: „Amobrydd, Steuer-
Einnchmer. Am. von jedcr Seite; Gobr, in Znsammensetzung obr, bezeichnete
jede Zahlung."
Kapitcl 15. Ileiratlisabjraben in Schottlarifl. 75
noiniiHMi liabe, sagt Diimge von dem Recht auf die „erste Braut-
naclif* : „Die Konigc Schottlands dehnten dieses Recht auf alle
Br;iute ihr(!s Landes aus, ohne Unterschied des Standes; denn,
hiess es, jedes Madclien ist Eigenthum des Konigs, darum gehort
auch dem Konige der Preis ihrer Jungfrauschaft." ^ Diese Mei-
nung beruht nach vorsteliender Entwickhing auf Missverstandniss.
2. S('ii()TTr,\xi) : Merrhet, mercheie, mercheta (marclietd) mulieram.
Kajdtel 15. Gleichwie in Wales und in England^, gab es
auch in Stliottland eine Heirathsabgabe unter dem Xamen merchet
oder merchete (latinisirt mercheta oder marcheta), die bei Ver-
heirathung oder Entehrung einer Jungfrau zu zahlen war ^. Der
Ausdruck kann aus dem keltischen AVort merch, d. i. Tochter
oder Madchen '^ (lithauisch ^Merg" , altgermanisch „Marge"j '', er-
kliirt werdeu. Diese Auslegung diirfte den Vorzug verdienen vor
derjenigen von Edward Coke, der das AVort marchet von chete
d. i. Strafe, und marriage herleitet und daraus als eine Strafe
fiir Heirathen erkliirt''; desgleichen vor der Meinung von Schwenck,
der das Wort ^marchetum" aus dem Lateinischen, von mercari
(handeln),- ableitet '. Allerdings findet sich in mehreren L'rkunden
Schottlands auch der Ausdruck „mercheta mulierum" ; doch erklart
sich hier das "NVort mulierum als ein pleonastis'dier Zusatz. Ob
diese Worterklarung haltbar ist, mogen Sprachgelehrte beurtheilen.
Das "Wort „marc" oder ^merk" bedeutet Merkmal -, „marca"
oder „marcha" heisst eine Geldmiiuze ^, und „marc'h" bezeichnet
eine Mahre (ein Pferd) ^°. Hierauf stiitzen sich drei Erkliirungen
1 Dumge S. 19. 20. ^ Vgl. obcn S. 72 und unten S. 84 fF.
^ Heineccius, Elem. lib. 1 tit. 1 ,S 46. Wachter unter Merch und Reit-
schoss. Grupen §§ 3. o — T. Whitaker S. 205. Houard. T rait(^ Ed. 'l S. 260
Chalmers Bd. 1 S. 450. 451. Anderson S. 58. Hazlitt S. 433.
* Boxhorn. Lex. unter Merch. Pelletier S. 595 und 398: I\Ierc'h-gwerac"h
und Gwerches = Jungfrau. Bullet Bd. 3 unter Merch , ^lerh und IMarch.
Dalrymple Bd. 1 S. 318. Chalmers Bd. 1 S. 450. Anderson S. 58, wo die
verschiedenen Dialekte verglichen sind. — Merched ist der Plural von merch.
5 Pelletier S. 595. Allg. Lit. Anz. 1797, S. 1422, 1423, und 1800, S. 22, 23.
Diimge S. 25, 26. — Hiermit mag das in der Bienenzucht gebrauchliche
franzosische Wort marquette = pain de cire vierge , .Iungfern\vacli3 . zu-
sammenhangen.
** Coke zu Littleton, lib. 2 cap. 11 sect. 209. unten S. 86 Anm. 1.
' Schwenck S. 394. ^ Pelletier S-. 576.
9 Macpher.5on S. 198. Corner S. 8 Schmid S. 593 (iiber inarca der
xVngelsachsen).
'0 Pelletier unter :Marc'h S. 578.
76 Kapitel 15. Heirathsabgaben in Schottland.
des Ausdrucks marcheta mulierum, die zu geschmacklos sind, als
dass sie angenommen werden k(3nnteu. Nach der einen Erklarung
soll der Ausdruck von dem Geldstiick herzuleiten sein, das als
Heirathsteuer zu entrichten war. Die zweite Erklarung nimmt an,
das Wort marcheta stamme von einem gewissen Merkzeichen an
der neuvermahlten Jungfrau, ebenso wie der angeblich venezia-
nische Ausdruck ^marchetta" und das italienische Wort „il mar-
chete" *. Skene meint, marcheta sei von march in der Bedeu-
tung Pferd herzuleiten und bezeichne danach das Schiindungs-
recht des Herrn ^ ; diese Meinung hat vielen Beifall gefuudeu ^,
den sie nicht verdient.
Eine Hauptstelle iiber die mercheta oder marcheta (mulierum)
findet sich in „Regiam Majestatem" , einem Rechtsbuch, welches
gegen Ende des zwolften Jahrhunderts , zur Zeit des Konigs
David II. von Schottland, auf Grund alterer Quellen verfasst sein
mag^. Danach war der Betrag der Abgabe ein verschiedener,
je nach dem Stande, den der Yater der Braut hatte^; darin
stimmte sie mit dem amobyr in Wales iiberein •". Diese Stelle
lautet^: „Nach dem Grundgesetz Schottlands betriigt die mar-
cheta ^ mulierum, mag, die Frau von adeligem oder unfreiem oder
Handwerkerstande sein, ein Bind oder drei Schillinge, und die
Gebiihr des ,serviens' drei Pfennige ^. Ist ihr Yater ein Freier,
1 M^nage (Ausg. 1694) unter ^NIarquette.
2 Skene zu Reg. Maj. lib. 4 cap. 31 : „March eqiium significat prisca
Scotorura lingua. . . Hinc deducta metaphora ab equitando, marcheta mulieris
dicitur virginalis pudicitiae prima violatio et delibatio". . .
3 Hachenberg § 12 S. 122. Keysler § 64 S. 484. Westphal ,§ 11 S. 36. 37.
Gundlingiana, zehntes Stiick S. 504. SchiifPner Bd. 3 S. 185. Kulischer
S. 223.
* Macpherson S. 175 — 177, 191. Raepsaet (Ausg. v. 1877) S. 32. Acts of
Parl. of Scotl. Bd. 1 S. 21, 27.
5 Vgl. Macpherson S. 198. « S. ol)en Kap. 14 S. 69.
" Reg. Maj. (Ausg. von Skene) lib. 4 cap. 31, de marcheta miilierum :
,,Sciendum est, quod secundum assisam terrae Scotiae, quaecunque mulier
fuerit, sive nobilis sive serva sive mercenaria, marcheta sua erit una juvenca,
vel 3 solidi, et rectum servientis 3 denarii. Et si filia liberi sit, et non
Domini villae, marcheta sua erit una vacca, vel sex soiidi, et rectum ser-
vientis sex denarii. Item marcheta Thani vel Ogetharii 2 vaccae vel 12 solidi,
et rectum servientis 12 denarii. Item marcheta filiae comitis. est Reginae,
duodecim vaccae." Vgl.' Spelman unter Marchet; Dalrymple Bd. 1 S. 322;
Anderson S. 50.
^ In der amtlichen Ausgabe von 1854 findet sich in dom Kapitel ,,de
merchetis mulierum" (lib. 4 cap. 54) nicht dic Lesart marchcta . sondern
iiberall mercheta.
^ Dieser Satz wird daliin zu verstchen sein, dass die Steuer im niedrigsten
Kapitel 15. Hcirathsabgaben in Scliottland. 77
aber iiicht llerr der ,villa', so betragt ihrc marchcta eine Kuh
oder sechs Schillinge, und die Gebiihr des serviens sechs Pfennige.
Ist ihr Vater ein Than oder Ochiern^, so betriigt ihre niarcheta
zwei Kiihe oder zwolf Schillinge, und die Gebiihr des serviens
zwolf Pfennige. Ist sie die Tochter eines Grafen (Earl) , so be-
triigt ihre marcheta, und zwar fiir die Konigin^, zwolf Kiihe."
In den drei ersten Siitzen dieser Stelle ist nicht gesagt, fiir wen
die Hauptabgaben (von einem Eind oder drei Schillingen, einer
Kuh oder sechs Schillingen und zwei Kiihen oder zwolf Schillingen)
bestimmt waren. Moglicherweise gebiihrten sie dem Konige, und
die Abgabe war eine allgemeine Steuer fiir jede Heirath •'. Der
Satz ein Rind oder drei Schillinge betnig: sonst war die Hohe verschieden,
nach deni Rang des Vaters, wie die folgeuden Siitze- ergeben.
1 Macpherson S. 179 — 186 bezeichnet den Than (giilisch Tierna) als den
Nachsten nach dem Konige, der zur Thronfolge bestimmt war und den dritten
Theil von den Giitern des Konigs besass , und den Ochiern oder Ogetharius
(aus Oge-Tierna, d. i. junger Herr) als einen Wiirdentrager, der denselben
Rang wie ein Sohn des Than einnahm. Doch ist es bedenklich . dieser
Erklarung zuzustimmen, da in vorstehender Stelle aus Reg. Maj. der Ochiern
mit dem Than auf dieselbe Rangstufe gesetzt ist, und Beide niedriger stehen
als der Comes. Moglicherweise hat die Bedeutung der Wiirden sich geandert.
^ Im Schlusssatz ist ,,est Reginae" ein selbstandiger Zusatz, der so zu
verstehen ist, als stande er in Parenthese oder in einem Relativsatze (quae
est Reginae). Das Wort Reginae stelit namlich im Dativ. nicht im Genitiv.
Diese Auslegung wird getheilt von Macpherson (S. 197 : . . . ..which belonged
to the Queen") und wird durch die Lesart hestatigt, die in der von Skene
im Jahr 1609 besorgten schottischen Ausgabe steht, lib. 4 cap. 31 Nr. 4:
„Item, the merchet of the dochter of ane Earle perteines to the Quecn and
is twelve kye." Der Sinn ist also, dass die letzterwahnte Abgabe der Konigin
gehort. Allerdings steht in der auf Anordnung des Parlaments besorgten
neuen Ausgabe von Regiam Majestatem, lib. 4 cap. 54 (im ersten Bande der
Acts of the Parl. of Scotl.), nicht „est Reginae", sondern „et reginae". Doch
hat das Wortchen „et" in diesem Zusammenhang keinen Sinn, da es nicht
denkbar ist, dass die Konigin einer Steuer unterworfen war. Zudem ist es
leicht moglich, dass ein Absclireiber das „est" in ,,ef verwandelt hat,
da auf den ersten Blick das Wort „est" nicht leicht verstandlich ist. Da-
her verdient die in der Ausgabe von Skene enthaltene Lesart vor der Lesart
der neuen Ausgabe den Vorzug.
^ Dieselbe Bedeutung mag urspriinglich das Amobr in Wales gehabt habeu.
Vgl. die Nachricht Spelman's, oben Kap. 14 S. 73. Die Steuer wurde nicht
bloss von Tochtern unfreier Personen, sondern auch von freigebornen Tochtern
iind sogar von Tochtern der Adeligen erhoben. Auch in England galt lange
Zeit derselbe Grundsatz; doch schon zur Zeit Bracton's waren die Tochter
von freien Mannern dieser Abgabe nicht mehr unterworfen. Vgl. unten Kap. 16
S. 84. — Als unbegriindet erscheint die Meinung von H. Martin (Bd. 5 S. 567),
dass die marcheta mulierum in Schottland bloss im Fall des formariage er-
hoben worden sei.
78 Kapitel 15. Heirathsahgaben in Schottland.
Zusammenhang- des Kapitels iiber die mercheta mulierum fiihrt
zu der Yermuthung, dass der mit dem Ausdruck „serviens" be-
zeichuete Beamte die Stellung des Steuerempfiingers einnahm,
da er von jedem Schilling einen Pfennig (also ein Zwolftel
der Einnahme) fiir seine Bemiihungen erhielt; nur bei dem hoch-
sten Steuerbetrage von zwolf Kiihen, die der Konigin gebiihrten,
war von einem Abzug fiir den serviens und von einer Umwand-
lung in Geld keine liede \
Hiernach bietet diese Stelle keineu Anlass, an einen schand-
lichen Ursprung der Steuer zu denken. Gleichwohl glaubt An-
derson, die "Vermuthung eines solcben Ursprungs sei deshalb ge-
rechtfertigt, weil die Tochter aller Stiinde der Abgabe unter-
worfen gewesen seien ^. Alleiu gerade der Umstand , dass selbst
Tochter von freien Miinnern die Steuer zu zahlen hatten, spricht
gegen jene Yermuthung ^ ; man miisste denn annehmen , dass
nur dem Konig urspriinglieh das fragliche Recht zugestanden
hiitte, wofiir jeder Grund fehlt. Uebrigens bemerkt Anderson
selbst, dass er nieht eine Losung der aufgestellten Frage, son-
dern nur eine Anregung zu weitern Untersuchuugen geben wolle *.
Die im Jahr 1613 durch Skene herausgegebenen Leges et
consuetudines burgorum enthalten das Wort marchela in folgendem
Zusammenhang: „Bei dem Biirger ist keine Rede von bludewite,
stingis dint, marcheta, herrezeld und irgend etwas Aehnlichem." ^
Diese Stelle konnte man nach ihrem Wortlaut so verstehen, als
1 Dalrymple (Bd. 1 S. 323) regt folgeude Fragen an, ohne sie zu beaut-
worten: „1. Zu welcher Zeit betrug der Preis einer Kuh in Schottland sechs
Sehillinge? 2. Was heisst servieus? Ist es der Sheriff oder ein uiederer
Beamter? 3. Zu welcher Zeit betrug die Gebiihr eines koniglichen Beamten
ein Zwolftel der zu erhebeuden Summe? 4. Wie kam es, dass die marcheta
einer adeligen Frau und die eiuer Unfreien gleich war? 5. Wie kam es,
dass die marcheta einer Than-Tochter viermal so hoch war, wie die einer
adelig Geborneu? 6. Wie konnte es vorkommen, dass die marcheta einer
filia libera doppelt so hoch war, als die einer mulier nobilis? 7. Bei welcher
Behorde w'ar die marcheta einzuzitehen , falls die Tochter eine Besitzung in
freiem Biirgerlehen hatte ?" — Eine nahere Untersuchung dieser Fragen wiirde
zu weit fiihren; doch sind sie zum Theil durch vorstehende Erkliirung des
Textes erledigt.
2 Anderson S. 64.
3 Vgl. Houard Bd^. 2 S. -200.
* Ob weitere Untersuchungen zufolge diesor Anrogung in Schottland statt-
gefunden haben, ist mir uicht bekannt.
^ Leg. et consuet. burg. Ausg. v. Skeue , cap. 19, de bludewite et cousi-
milibus, S. 134: „Scieudum est, quod in burgo non debet audiri bludewite,
stingis dint, marcheta, herrezeld nec aliquid de similibus"; Leges quatuor
Kiipitel 1;"). Heiratlisabgabeii iii Scliottlaiid. 79
wiire die maiclieta (oder luercliet) eine blo.ss hauerliehe Abgabe
und desluilb von den Pachtern des Konigs in „free-burgage" niclit
zu zahlen geweseu K Dann wiirde sie aber niit der Stelle aus
Regiaui Majestatem nicht zu vereinigen sein.
Wenngleich iiber die urspriingliche Bedeutung der mit dem
Nameu marcheta oder mercheta mulierum in Scliottland be-
zeichneten Abgabe uud iiber das Alter derselben nocli naliere
Aufklarung Aviinschenswerth - ist, so erhellt doch mit Sicherheit
aus dem Zusam;uenluing der beiden Stellen, aus der Etymologie
des Wortes mercheta oder marcheta und aus einer Vergleiclmng
mit den in Kapitel 14 und IG erwahnten Urkuuden aus ^Vales
und England, dass mit deni Ausdruck mercheta (mulierum) so-
burgorum , rubr. 17, in den Act.s of the Parl. of Scotl. Bd. 1: „Et sciendum
est quod infra burgum non debet exaudiri blodewit nec stygisdynt nec merchet
nec herieth nec aliquid de consimilibus" ; daneben der schottische Text :
„And it is to wyt at in burgh fall noclit be herde bludewyt na zit stokisdynt
na merchet na herezelde na nane suilk maiier of thyng." Vgl- Anderson S. 58.
Unter bludewite verstand man ein Siihnegeld flir vergossenes Blut, iinter
stingis dint cine korperliche Ziichtigung, unter herezelde eine aus dem Nach-
lass des Horigen zu entrichtende Abgabe, ilhnlich wie heriotum oder Best-
haupt. Vgl. Ducange vinter Blodwita, Bludwelf, Bludewica, Stingis dint,
Herizelde, Herezelda und Heriotum : auch Hazlitt S. 417 unter Blodwite.
1 Ygl. Dalrymple Bd. 1 S. 322.
2 Moglicherweise ist diese Abgabe von Wales nach Schottland gekommen;
fiir eine solche Vermuthung spricht nicht bloss der Name mercheta und dessen
Uebereinstimmung mit den iu den alten Gesetzen von Wales enthaltenen
Benennungen, sondern hauptsaehlich die innere Verwandtschaft der Rechts-
grundsatze liber die mercheta in Schottland und Wales. Vgl. Kap. 14 S. 69.
Andere (z. B. Macpherson S. 195, 197) vermuthen, die Abgabe sei mit dem
Lehnswesen von England nach Schottland gelangt. Nun wird zwar glaubhaft
berichtet, dass Konig Malcolm III. von Schottland im Frieden von Abernithi
(um 1072) in Ansehung seiner in England belegenen Besitzungen dem Konig
Wilhelm von England den Lehnseid leistete (vgl. Dalrymple Bd. 1 S. 13 — 17,
und Phillips, R.-G. Bd. 1 S. 97—99, 111, 112), und dass seitdem durch Ge-
wohnheitsrecht das Lehnswesen in Schottland nach und nach Eingang fand
(Dalrymple Bd. 2 S. 28—30). Allein es fragt sich, ob jene Abgabe in Schott-
land nicht iilter ist, als die Verbreitung des englischen Lehnswesens; iiber-
dies ist der Name mercheta eher aus den alten Gesetzen von Wales , als
aus den jiingeren englischen Reclitsquellen zu erklaren. Anderson (S. 64)
meint, der Ursprung des merchet konne in einer brutalen Gewalt weltlicher
Herren gefunden werden, ahnlich wie die kirchliche Vorschrift, wouach die
Ehegatten in den ersten drei Nachten Enthaltsamkeit iiben sollten, auf willkiir-
licher Laune der Kirche beruht habe. ^ Allein in Wahrheit besteht zwischen
der Kirchenvorschrift , die an das Beispiel des Tobias erinnerte (vgl. dariiber
Kap. 27), und einer brutalen Gewalt weltlicher Herren keine Aehnlichkeit.
Daher verdient die Meinung Anderson"s keinen Beifall.
30 Kapitel 15. Heirathsabgaben in Schottland.
wohl eine Heirathsabgabe als auch eine Unzuchtstrafe bezeielmet
wurde.
In zahlreichen schottischen Urkunden aus der Zeit Yom
z^volften bis zum siebzehnten Jahrhundert steht die mercheta
unter gruudherrlichen Rechten verzeichnet. Osbert, Abt von
Kelso in der Zeit von 1180 — 1203, iibertrug an Constantin, Prie-
ster von Lesmahagu, die Ortschaft Doman in Strathclyde mit
dem Bemerken, dass Letzterer die merchetas von den Tochtern
seiner Leute als Zubehor seiner Gerechtigkeiten beziehen, dagegen
von seinen eigenen Tochtern (Magden?) die merchetas an den
Abt entrichten sollte ^ Derselbe Abt Osbert von Kelso bestiitigte
den Dekan David von Stobo im Besitz der Landereien von Cur-
roc in Strathclyde, die derselbe von seinem Yater hatte, mit ver-
schiedenen Gerechtigkeiten, darunter auch mit den merchetis seiner
Leute ^. Bei einem Zeugenverhor vom IL April 1206, vor der
Synode von Perth , in einem Prozess zwischen William, Bischof
von Saint-Andrews, und Duncan von Arbuthnot, iiber Kirktoun
of Arbuthnot (im Besitz des Yiscount von Arbuthnot), bekundete
der Zeuge Isaac Benein : Er sei Pachter der Einkiinfte des Konigs
aus dem Gebiet von Kirktoun zu der Zeit gewesen, als Osbert
Olifard, welcher das Jerusalem-Kreuz zuni Zuge ius heilige Land
anlegte, das genannte Gebiet besass und davon die Abgaben an
den Konig verschuldete ; damals habe er, Zcuge, daraus Nichts
weiter bezogen , als die Halfte von bloodwicks und die Halfte
von der mercheta mulierum, wahrend die andere Halfte dem
Bischof geschuldet wurde ^. Heinrich, Abt von Kelso in der Zeit
von 1208 — 1218, iibertrug an Gillemor einen Theil der Landereien
von Fincurroc in Strathclyde fiir eine jahrliche Pacht von zwanzig
Schillingen, mit der Bestimmuug, dass Gillemor die merchetas
von den Tochtern seiner Leute haben sollte ''. Dalrymple erwiihnt
^ Chart. Kelso Nr. 103, bei Chalmers Bd. 1 S. 450: . . . „merchetas de
filiabus hominum suorum habebit ; et de filiabus suis dabit nobis merchetas".
Vgl. Dalrymple Bd. 1 S. 322.
^ Chart. Kelso Nr. 3, bei Chalmers Bd. 1 S. 450: . . . „cum molendino,
et blodwitis, et birthinsak et merchetis hominum suorum".
3 Andersou S. 68 , 69 : ... „Isaac Benein depones that in the time of
Osbert Olifard, \j\io took on the Jerusalem Cross for an expedition to the
Iloly Land, he farmed the King's revenue, due by the said Osbert, out of
the lands of Kirktoun; and whilst he possessed these lands, he received
nothing out of the same, unless a moiety of Bloodwicks, and of the Mercheta
Mulierum — the other moiety being due to the Bishop."
* Chart. Kelso Nr. 107, bei Chalmers Bd. 1 S. 450 : . . . „habebit autem
Merchetas de filiabus hominum suorum, curiam suam".
Kapitel 15. lleiratlisabfiabcn iii Scliottland. 81
eine Urkumlo aus Kelso , oline Angabe des Datunis, wonacli eine
gewisse Person und ihre Erben (als Besitzer eines Gutes) fiir ihre
Tochter keine merchet zu zahlen hatten ^. Der Earl Archibald
von Douglas bestiitigte durch Urkunde vom Jahr 1403 den Laird
Johann von Edmonston im Besitz der Landereien von Tulyalon
in Perthshire, rait verschiedenen Gerechtigkeiten , darunter auch
mit den merchetis -. Derselbe Earl hatte vorher dem genannten
Laird eine Pachtung von Liindereien auf neunzehn Jahre mit den-
selben Gerechtigkeiten, nebst den merchetis mulierum, iibertragen,
mit Riicksicht auf 240 Mark schottischer AYahrung, die ihm in
seiner Yerlegenheit gegeben waren ^. Durch einen Yertrag aus
Aberdeen vom 5. Februar 1447 iibertrug ^Yittwe Christiane von
Stratoun an ihren Sohn Alexander Frog und dessen Gemahlin
Marianne, und fiir den Sterbefall an den Ueberlebenden, alle ihre
Liindereien von Stratoun und Stratounhall, von Plingsten 1447 ab
auf neunzehn Jahre gegen eine j;ihrliche Paehtsumme von 26 Mark
(6 Schillingen und 8 Pfennigen), mit der Erlaubniss, auf diesen
Landern eine Miihle anzulegen und Kohlen und Steine zu gewin-
nen; und zwar mit allen Zubehorungen und Gerechtigkeiten, mit
Ausnahme der bludwite und mercliete, die sich die genannte
Dame vorbehielt ''. Kimig Jakob II. von Schottland stellte im Jahr
1450 zu Gunsten des Bischofs von Glasgow eine Urkunde aus,
worin er die Baronie Glasgow und andere Landereien des Bis-
thums zu einer freien regality erhob und, abgesehen von andern
Yorrechten des Bischofs, dessen Recht auf die merchetas mulierum
* Urk. aus Kelso, bei Dalryinple Bd. 1 S. 321: Dabit etiam, tam
ipse quam haeredes sui , duos solidos pro Plerieth, et merchet de filiabus
suis non dabunt."
- Urk. V. 1403, bei Chalmers Bd. 1 S. 450: cum curiis et curiarum
exitibus , cura hereyeldis , Merchetis''.
3 Chalmers Bd. 1 S. 450.
■* Indenture made at the Burgh of Aberdene, Febr. 5. 1447 (bei Anderson
S. 67), „betuix a worshipful lady, Cristiane of Stratoun of that ilke , on ye
ta part, and Alex. Frog, his sonnys . and Marione, his spouse, on ye thoyr
part"', in which she liad „set and to farme latyne in hir pure wedowhed"
to the said Alex. etc. and „to ye langer leuer of yim . al and sindry hir
landis of Stratoun and Stratounhall , with lefe and ful po\ver to big and mak
ane mylne Avithin ve samyn landis, and for to wyn colis and stanis within
ye .saide landis to yair awue mast (maist or greatest?) profit. sekande as for
thingis ach and to be soch (ath & to be sothV) w* al profitis and pertinends
ferme & unlawis and eschaetis to ye saide landis pertenit or may pertenc,
„sauf-ande andly (allenerly or anerly) to ye said lady bludwite and merchete,
for ye terme of nyntene yer fra Witsunday nex folowande ye date of y"'
present endenturis" , paying yearly 20 markis (6 s. 8 d.)" etc.
S I- li m i (1 1 . .Jns iji-imai' uuctis. G
82 Kapitel 15. Heirathsabgaben in Schottland.
bestatig-te ^. Diese Rechte wurden mit denselben Ausdriicken
durch Konig Jakob III. im Jahr 1476 nochmals bestiitigt^. Konig-
Jakob II. bestiitigte durch Urkunde vom Jahr 1452 den Bischof
von St. Andrews und dessen Nachfolger im Besitz und Eigenthum
der Liindereien jenes Bisthums, mit Zubehor, namentlich mit
den „merchetis mulierum". Dies wurde in gleicher Weise durch
Urkunden des Konigs Jakob III. vom Jahr 1480 und der Konigin
Maria vom Jahr 1553 wiederholt^. Im Jahr 1454 stellte der Earl
Cxeorg von Angus eine Bestatigungsurkunde iiber die Liindereien
von Invenethy in Strathern aus, mit Zubehor, darunter auch
mit den merchetis mulierum "^. Durch Urkunde vom Jahr 1462
iibertrug Thomas Rogerson von Drumdewan mit Riicksicht auf
86 Pf. St. 13 Schilliuge und 4 Pfennige schottischer "Wahrung, die
ihm in grossen Nothen gezahlt waren, an Johann Stewart, Herrn
von Lorn, die Liindereien von Strathier mit der Miihle und allem
Zubehor, namentlich mit den merchetis mulierum^. DurchUrkunde
vom 24. Mai 1503 verlieh Ivonig Jakob von Schottland seiner Braut,
der Prinzessin Margarethe, altesten Tochter des Konigs von Eng-
land, Liindereien mit mannigfachen Gerechtigkeiten, insbesondere
auch mit den merche^tis mulierum ^. Durch Urkunde vom 13. Juni
1 Urk. V. 1430, l)ei Chalmers Bd. 1 S. 450, aus Chart. Glasgow S. 498:
. . . „Merchetis mulierum" : Ducange unter Bludwelf und unter Herizelda:
,.Episcopi Glasguenses teneant de nohis dictas terras . . . cum libero introitu
et exitu, Bludwelf, herizeldis et marchetis mulierum."
- Chalmers Bd. 1 S. 450 aus Chart Glasgow S. 486.
3 Urk. V. 1452, bei Chalmers Bd. 1 S. 450 (aus den Reliquiae Divi Andreae
S. 99—102).
* Urk. V. 1454, bei Chalmers Bd. 1 S. 450.
^ Urk. V. 1462. bei Chalmers Bd. 1 S. 450. — In einem ahnlichen Zu-
sammenhang spricht eine Urkunde vom Jahr 14TG von „mulierum eschaetis",
namlich Charter of confirmation by James III., dated at Edinburgh, January 31.
1476, and shire of Are, dated apud Ila, Aug. 20. 1476, bei Anderson S. 68:
. . . „cum curiis et curiarum exitibus et earundem eschaetis, cum averagiis
et carriagiis, cum bludewitis et herezeldis, ac mulierum eschaetis". Anderson
nimmt an, mit „mulierum eschaetis" sei hier dasselbe wie mit mulierum
merchetis gemeint. Hiergegen ist jedoch zu bemerken, dass in andern Urkun-
den von eschaetis im Unterschied von merchetis die Rede ist, z. B. in der
schottischen Urkunde vou 1447, oben S. 81 Anm. 4, ahnlich wie in der Ur-
kunde aus Wales von 1501, oben S. 72 Anm. 1, von amobragiis und spater
von escaetis gesprochen wird. In englischen Rechtsquellen hat das Wort
escaeta verschiedene Bodeutungen ; es bezeichnet zumeist das Heimfallsrecht.
Vgl. Tomlins Bd. 1 unter Escheat: Piullips, R.-G. Bd. 2 S. 81.
6 Urk. d. d. Edinburgh den 24. Mai 1503, bci Rymer Bd. 13 der .Vusg.
Londini 1712, S. 63: . . . „una cum libere tenentium servitiis, molendinis,
multuris, et eorum sequelis, aucupationibus, venationibus , piscationibus,
Kapitel 16. Ilcirathsabgaben in England. 83
1598 ubertrug- ein schottischer Lehnsliorr seineni Yasallen Liin-
dereien mit Gerichtsbarkeit und mehreren Gerechtigkeiten, nebst
mulierum merchetis ^ Anderson, der diese L^rkunde verofFentlicht
hat, bemorkt dazu, dass or die Ausdriicke „cuni herezeldis et mer-
chetis mulierum" in zahlroichen alton Urkundon gcfunden habe,
insbosondore auch in IJewilligungen zu Gunsten von Frauonkhjstorn,
in Leibrentenverloihungen au Wittwen und in Urkundon iiber Aus-
stattung schottischer Koniginnen und anderer angesehenen Perso-
nen^. Lii Jahr 1610 iibertrug der Laird Robert Douglas von Glen-
bervie an seinen zweiten Sohn, R.obert Douglas, verschiedene Lan-
dereien ini nordlichen Theil von Kincardinshire, mit verschiedeneu
Gerechtigkeiten, darunter aucli mit „inulierum inerchetis" ^.
Aus diesen Urkunden erhellt die Unmoglichkeit der Annahme,
dass die mercliota durch AbhJsung des jus primae noctis ent-
standen sei, was gleichwohl von zahlreichen Gelehrton der Neu-
3. Exgland: MeirJiefHiii, merchet, iiniirJief, iiiarcJiefw», aiiio/j//r.
Kapitel 10. Das Domesday-book Wilhelms des Eroberers
(1066—1087) enthielt bei den Gebraucheu von Shrewsbury die
Bestimmung, dass der Konig bei Verheirathung einer Wittwe
zwanzig, und bei Verheirathung einer Jungfrau zehn Schillinge
von derselben empfangen sollte ■". Wie es scheint, waren also in
petrariis, turbariis, carbonariis , lapicidiis, lapide et calce fabrilibus, brasinis,
brueriis, et genestis, cum herezeldis, bludeAvicis, et marchetis mulierum.
cum furca et fossa". . . . Daraus : Ducange unter Bludewica.
' Urk. V. 13. Juni 1598, bei Anderson S. 56: . . . „cum curiis et earum
exitibus , et amertianientis, herezcldis, l)luidwiti3, et mulierum marchetis,
liberoque introitu et exitu".
2 Anderson S. 67.
3 Urk. V. 1610, bei Clialmers Bd. 1 S. 450: . . . „euriis et exitibus, Here-
yeldis, Bludwitis, et mulierum Merchetis." — Samuel Johnson erzahlt, zu
seiner Zeit, also im achtzehnteu Jahrhundert, habe auf der schottischen Insel
Ulva (westlich von MuU und nordlich von StafTa) und. wie er glaiibe, sonst
nirgends, die Bezahlung der mercheta mulierum noch fortgedauert ; es sei
das Losegeld, das in alten Zeiten bei der Hochzeit einer Jungfrau an den
Laird entrichtet wer^en musste; die Bezahlung dieser Abgabe sei friiher nicht
mit Geld, sondern mit einem Landes-Erzeugniss geschehen; und zwar habe
Macquarry, der EigenthUmer der Insel Ulva und der umliegenden kleinen
Inseln, einstmals gewohnlich ein Schaf genommen, wahrend er zu seiner Zeit
eine Krone Geld erhielt. Vgl. Johnson S. 229, 230: Michelet S. 264.
^ Vgl Kap. 40.
^ Domesday-book I, 252, bei Spelman unter Maritagium und bei R. Schmid
S. 609 : ..Mulier accipiens qiiocunque modo maritum, si vidua erat, dabat regi
20 s., si puella 10 s., quolibet modo acciperet virum." Ygl. Macpherson S. 196.
6 *
84 Kapitel 16. Heirathsabgaben in England.
Shrewsbury (abnlich wie urspriinglich in Wales und Schottland *)
selbst freie Miinner (who hekl their lands in free soccage) zur
Entrichtung der Heirathsabgabe verpflichtet ^. Joffridus , Abt von
Croyland seit dem Jahr 1109, errichtete ein Kloster zu Wridthorp
bei Stanford und iiberwies demselben gewisse Liindereien, eine
Wassermiihle und vierzehn Horige nebst allen Abgaben, die von
den Letzteren bisher an die Abtei zu entrichten waren; dazu
gehorte eine Heirathsabgabe unter dem Namen gerson, und eine
Strafe fiir entehrte Tochter unter dem Namen ourlop^.
Schon zur Zeit Heinrichs HI. (1216 — 1272) war die Yer-
pflichtung zur Zalilung eines „merchetum" auf unfreie Personen
beschriinkt. Bracton niimlich erwiihnt das merchetum als die
Heirathsabgabe , die fiir Tochter der Horigen bei deren Yer-
heirathung zu entrichten war ''. An einer andern Stelle erortert
er die Frage, ob und inwieweit ein freier Mann durch den Besitz
eines „purum Aallenagium" zu unbestimmten oder durch den Be-
sitz eines „villanum socagium" zu bestimmten Knechtsdiensten
verpflichtet werde. Er setzt hinzu, auch der Besitzer eines freien
Gutes (liberum teuementum) konne sich durch Yertrag zu gewissen
Diensten verpflichten.^ „Aber ein merchetum fiir die Tochter
zu geben, kommt dem freien Manne nicht zu, unter Anderm
wegen des Yorreclits eines freien Mannes." '"
In der Fleta (einem Rechtsbuch aus der Zeit Eduards L,
1272— 1307) findet sich das Wort merchetum in folgendem
Zusammenhang. Schenkte ein Herr seinem Leibeigenen ein Gut
mit der Bestimmung, dass er es fiir sich und seine Erben be-
halten sollte, so wurde daraus zugleich die Freilassung des Leib-
eigenen hergeleitet, wenn auch das Wort „frei" vor dem Wort
„bchalten" nicht ausgedriickt war; doch blieben die Lasten und
' Vgl. Kap. 14 tS. 73 n. Kap. 15 S. 77. = Vgl. Maephcrson S. 196, 197.
^ Bleseusis S. 115: ... ,.et solvit quilibet -pvo tiliabus suis maritandis
gerson Domiuo, et ourlop pro tiliabus corruptis et Stoth et alia servitia et
auxilia, quae plenius in Cartariis Monasterii describuntur. Qui [quae] omnia
praedictus Pater venerabilis Abbas Joffridus suis praedietis Monachis assi-
gnavit". . . . Vgl. Dalrymple Bd. 1 S. 319: iiber den Ausdrnck gcrson Kap. 18.
S. 91; iiber dcn Ausdruck ourlop auch Kap. 22.
■* Bracton lib. 2 tit 1 cap. 8 n. 2 : ..Tranavit totam Angliam Marcheti
hujus pecuniarii consuctudo in mancipiorum iiliabus maritandis'': an einer
andern Stelle : ,.Qui tenet in villenagio, talliari potest ad voluntatem domini
. . . item dare Mcrclictum ad iiliam maritandam''. Vgl. Raepsaet 3. Ausg. S. 21.
^ Bracton lil). 2 cap. 8 n. 2 (am Scliluss): Merchetum vero pro
iilia dare non comi^etit libero liomini , inter alia propter liberi lioniiMis pri-
vilegium". . . .
Kapitel Ki. Iloirathsabiiaben in Enijland. 85
Abg-aben, wozu das „morc]ictuin sang-uiniw" geborte, insoweit be-
stehen , als sie auf dem liesitz des Guts und nicht auf der Un-
freiheit der Person beruhten ^. Uer Ausdruck „merchetum san-
g-uinis" mochte andeuten, dass die Abgabe in der Rogel nur von
Unfreien zu entrichten war, also gcwissermassen auf unfreies Blut,
den unfreien Stand des Vaters, schliessen liess.
Der Grundsatz, dass ein freier Mann seine Tocliter froi ver-
heirathen konnte, ohne dazu einer Genehmigung des Lord zu
bediirfen , und oline eine Abgabe dafiir entrichten zu miissen,
konnte dureh Gewohnheitsrecht der Herrschaft nicht geandert
werden, weil angenommen wurde, dass thatsachliche Abweichungen
von jenem Grundsatz contra rationem seien und deslialb keine
rechtliche Wivkung haben konnten^. Dagegen konnte ein freier
Mann eine Besitzung ,,cum conditione servili" vomLord iibernehmen
und durch diesen Yertrag' verpfiichtet werden, bei Verheirathung
seiner Tochter (oder Sohne) eine Abgabe an den Herrn zu zahlen;
obwohl Littleton meinte, es sei thoricht, wonn oin freier Mann
sich derartigen Verpflichtungen unterwerfe ^. Also konnte ein
freier Mann bei Erwerbung der Besitzung jone Verpflichtung
iibernehmen, die durch Gewolmheitsreclit nicht eingefiihrt worden
^ Fleta lil). 3 cap. 13. de donationibus servi.-i factis , § 1: . . . ,,snfficit
ad libertatem tantiim haec chiusuhi, Habendum et tenendum sibi et heredibus
suis, eo quod donator per hujusmodi verba innuit manifeste, quod in donatione
voluit ipsum esse liberum, quamvis hoc verbum libere non exprimatur, non
obstante incerto servitio ac vilissimo, vel iiiercheto sanguinis, vel aliis tallia-
giis voluntariis contributis , dum tamen hujusmodi praestationes fiant ratione
tenementi et non ratione personae". ... In den letzten Worten dieser Stelle
entspriclit die Unterscheidung von dinglichen und personlichcu Abgaben dem
romischen Gegensatz von vectigalia und stipendium.
- Littleton lib. 2 cap. 11, Villenage , sect. 209 (Uebers. v. Coke): ,.Also
if the Lord of a manor will prescribe that there hath been a custom within
his manor, time out of mind of man , that every tenant within the same
manor, who marrietli hls daughter to any man without licence of the I^ord
of the manor , shall make fine , and have made fine to the Lord of the manor
for the time being, this prescription is voyd: For none ought to make such
fine but onely villeines. For every free man may freely marry liis daugliter
to vvhom it pleasetli him aiul his daughter : and for that this prescriptiou is
against reason , such prescription is voyd.''
3 Littleton lib. 2 cap. 11, Villenage, sect. 17-1 (Uebers. v. Coke) : ,.But
if a Free-man wil take any lands or tenements to hold of his Lord by such
villeine service,. viz. to pay a fine to him for the marriage of his sonnes or
daughters, then he shall pay such fine f(5r the marriage, yet notwithstanding
though it be the folly of such freeman to take in such forme lands or tene-
ments to hold of the Lord by such bondage. yet this raaketh not the Free-
man a \ illeine."
86 Kapitel 16. Heirathsabgaben in England.
konnte ^ Ferner konnte durch Gewohnlieitsrecht in einer Herr-
schaft der Eechtssatz entstehen, dass alle Besitzer, auch solche
freieu Standes, welche ein Gut „cum conditione servili" iiber-
nahmen, an den Lord eine Strafe zu entrichten hatten, wenn sie
ohne dessen Erlaubniss eine Tochter verheiratheten. Diese Strafe
hiess „merchet" oder ^marchet" ^.
In Blomefield's Geschichte von Norfolk wird ein Prozess vom
Jalir 1240 erwahnt, wonach der Prior von Shouldham, als Grund-
herr von Caversham, von einem Einwohner dieser Stadt, Namens
AVilliam de la Ferte, bei einer Heirath die mercheta begehrte,
jedoch abgewiesen wurde, weil der Beklagte kein horiger Bauer
(villain), sondern ein freier Mann (freeman) war ^. In einer ge-
richtlichen Urkunde vom Jahr 1250 bekannte Wilhelm Maynard,
Besitzer in Heurst, Grafschaft Berks, dass er als Bauer des Abts
von Abbendon nach dem Recht der Horigkeit (per villanas con-
suetudines) ein Gut besitze, mit der Verpflichtung, an den Abt
jahrlich achtzehn Pfennige und bei Verheirathung einer Tochter
oder Schwester ein maritagium und merchetum (marchetum) nach
dem Willen des Abts zu zahlen und alle nach Bauernrecht her-
gebrachten Dienste z\i verrichten ^. Nach dieser Urkunde war also
* Coke zu Littleton lib. 2 cap. 11 sect. 209: . . . „though it may be so
in a particular case upon such a special reservation of such a fine upon a
gift of land, yet to claime such a iine by a general custome within the Mannor,
is against the freedome of a freeman . that is not bound thereunto by parti-
cular Teniire."
^ Coke zu Littleton lib. 2 cap. 1 1 sect. 209 : ..But a custom may be
alleged within the mnnor, that every tenant (albeit his pei-son be free). that
holdeth in bondage or by native teniire, the freehold being in the Lord,
shall pay to the Lord for the marriage of his daughter without licence, a
fine : and it is called marchet, as it were a chete or fine for marriage. And
here Littleton saith, that none ouglit to pay such fines but villeines, that
is , either villeins of blood or freemen holding in villenage or base Tenure."
Vgl. Coke zu Littleton, lib. 2 cap. 11 sect. 174: „And this villeine and
servile Tenure is called in old books Marchetum or merchet".
5 Hazlitt S 433.
* Placita de Banco a die Pasch. in 15 dies 34 H. 3 Rot. 20 Berks, bei
Spelman imter Merchetum und bei Hazlitt S. 157, 158, unter Heurst: ,,\Vill.
Maynard, qui tenuit terras in Heurst, cognoscit se esse villanum Abbatis de
Abbendon et tenere de eo in villenagio, et per villanas consuetudines, viz.
per servicium 18 d. jier annum, et dandi maritagium et marchetum (bei H.
merchetum) pro filia et sorore sua, ad voluntatem ipsius Abbatis, et facicndo
omnes villanas consuetudines.'' Vgl. Plot cap. 8 n. 22; Dalrymplo Bd. 1
S. 315. Auffallend ist, dass eine doppclte Abgabe, ,.maritagium ct marche-
tum'', entrichtct werden soUte. Vielleicht ist das Abkiirzungszeichcn fiir vcl
mit dem ahnlichen fiir et durch den Abschreiber verwechselt.
Knpitcl 16. Heirathsabfiahen iii Eiifrland. 87
niclit bloss iiir die Tochter, soudern aucli fiir die Schwester bei
deren Yerhoirathung ein merclietuni zu zahkm K Der Betrag war
dem jedcsmahgen Uebereinkommen iiborhxssen. Im Jahr 1253
wurde gerichtlich festgostellt, dass die Leute von Berkliolt, Graf-
scliaft Huffolk, nach einem seit Konig Heinrich II. in Geltung
gewesenen (Tewohnheitsrecht, so oft sie eine Tocliter verhoirathen
wollten, als merchetum zwei Oer, im Werth von 32 Pfennigen ^,
an die Herrschaft zu entrichten hatten ^. In einer gerichtlichen
Urkunde vom Jahr 1330, die in den Jahren 1357 und 1508 er-
neuert wurde, ist fiir die Herrschaft Wivenhoe oder Wyvenho,
Grafschaft Essex, ausser andern herkommlichen Lasten, auch die
Yerpflichtung des merchet festgestellt ; dergestalt, dass ein Be-
sitzer unter dieser Herrschaft , welcher seine Tochter an einen
auswiirtigen Mann von freiem Stande verheirathen wollte , sich
mit dem Herrn iiber das maritagium verstiindigen musste: ver-
heirathete er die Tochter an einen zur selben Herrschaft gehorigen
Mann, so hatte er kein maritagium, sondern nur das doppelte
herezeld zu entrichten*. Nach dem Gewohnheitsrecht von Thur-
* Dieser Grundsatz galt aucli in einigeu audern Ilerrschafteu. Vgl. z. B.
die normannische Urk. v. 12. Jahrh., unten Kap. 18 S. 91.
- Also hatte ein Oer sechzehn Pfennige. Nach einer Verorduung des Kouigs
Aethelred (978 — 1016) sollten fiinfzehn Oer auf ein Pfund gchen. Institutiones
Aethelredi regis, IV. de institutioue Lundoniae, cap. 9, bci R. Schmid S. 221 :
„Et ut monetarii paiiciores sint, quam antea fucriut, . . . omue pondus sit
marcatum ad pondus, quo pecunia mea recipitur, et eorum singulum signetur
ita, quod XV orae libram faciaut.'' Danach scheint das Oer eine angel-
sachsische Miinze gewesen zii seiu. Auch Hazlitt berichtet (S. 434), jene
sachsische Miinze habe Anfangs sechzehn (spater zweiundzwanzig) Pfennige
betragen. Dagegen meint R. Schmid, Gloss., Geldwahrung, 6. Oere, S. 593, das
Oer sei eine diinische Miinze, und es miissten sechzehn Oer aixf ein Pfuud
gerechuet werden, so dass ein Oer fiiufzehn Pfenuige betragen habe.
^ Placita coram concilio domini Regis Term. Mich. 37 H. 3 Rot. 4 Suff.,
bei Spehnann uuter Marchetum uud (im Auszug) bei Hazlitt S. 24, unter
Berkholt, Co. of Suffolk: „Johanua Deakony attachiata fuit ad respondendum
hominibus de Bei-kholt, quare exigit ab eis alia servicia etc. unde dicit, quod
tempore Regis H. avi Regis, solebant habere talem consuetudiuem, quod quando
maritare volebant filias suas, solebant dare pro filiabus suis maritaudis duas ho-
ras [oras], quae valent 32 denarios etc. Postea veniunt homines et concedunt,
quod domina Johanna potest eos talliare semel in anno secundum facultatem
eorum, et quod debent carriare maeremium, et quod debent dare Merchetum
pro filiabus suis maritandis , scilicet 32 d." Vgl. Ducange unter Marcheta;
Dalrymple Bd. 1 S. 322; Astle S. 36; Coruer S. 7: Brinckmeier Bd. 2 S. 190.
^ Extenta Manerii de Wyvenho in Com. Essex, reuovata 20. Mar. 23 H. 7,
.iuxta antiquiorcm 18. Dec. 40. Ed. 3 et aliam 13. Ed. 3 A. D. 1330, bei Spel-
man unter "VVardpenny, auch uuter Marchet: ,,Ric. Burre teuet uuum mesuag.
88 Kapitel 16. Heirathsahgaben in England.
garton uud Horsepoll, Grafrfcliaft ]^ottiugham, hatte jede Bauerin,
die heirathete oder Uuzucht beging, als uierchet (oder marchet)
„fur Losuug ihres Bluts" fiiuf Schilliuge uud vier Pfeuuige zu
zahlen; die Tochter eines Kotters die Halfte K Derselbe Grund-
satz galt in Fiskerton uud Moretou, Grafschaft Nottiugham ^ ; des-
gleicheu in der Abtei Peterborough^. Auch auf der Insel Guern-
sey soU eiu marchetum gegolteu liaben''^. Astle berichtet von
seiuer eigenen Herrschaft, Manor of Great Tey, Grafschaft Essex,
dass viele Besitzungen dieser Herrschaft dem Recht der mar-
cheta mulierum unterworfen geweseu seieu ^.
lu eiuem Renteuverzeichuiss des Priors vou Tyuemouth,
Grafschaft Northumberland, vom Jahr 1378 ist gesagt: „Alle
Bauern von Tynemouth haben vorkommenden Falls die layre-
vrite ^ fiir ihre Tochter oder Miigde und das merchet fiir Yer-
heirathung ihrer Tochter zu zahleu ^. Im Herrensitz Burg oder
etc. ... Et debet . . . JilercJief boc modo. quod si voluerit maritare filiam
suam cum quodam homine libero cxtra villam , faciet pac. cum dom. pro
maritagio. Et si eam maritaverit alicui customario villae nihil dabit pro
maritagio. Et dabit duplex heriotum". . . Daraus: Dalrymple Bd. 1 S. 321;
Astle S. 35: Corner S. 8: Brinckmeier Bd. 2 S. 190. Vgl. Hazlitt S. 376, 377,
unter Wivenboe, Co. of Essex: ^Ricardus Burr tenet unum messuagium. et
debet tallagium, sectam curiae, et merchet boc niodo. quod si maritare vo-
luerit filiam suam cum quodam libero homine extra villam, faciet pacem
domini pro maritagio, et si earn maritaverit alicui customario villae, nil dabit
pro maritagio. Anno Dom. 1230." (Druckfehler fur 1330?)
1 Eeg. Prior. de Thurgarton , bei Blount S. 143 und bei Hazlitt S. 320.
unter Thurgarton and Horsepoll, Co. of Nottingham: . . . „Likew-ise every
naif, or she villain , that took a husband or committed fornication, paid
merchet [bei B. marchet] for redemption of her blood. five slullings and
fourpence , and tlie daughter of a cottager paid but lialf a merchet [bei B.
marchet]." Ygl. Astle S. 37; Anderson S. 60.
2 Reg. Priorat. de Thurgarton, bei Hazlitt S. 123 uuter Fiskerton and
Moreton. Co. of Nottingham : . . . „Every she-native that married, or committed
fornication , paid for redemption of her blood (pro redemptione sanguinis)
five shillings and fourpence to the h^rd. which was in lieu of mercheta
mulierum." Vgl. Dalrymple Bd. 1 S. 319; Astle S. 37.
^ Spelman unter Merchetum: „Hoc est quod Sokemanni et nativi debeut
solvere pro filiabus suis corruptis sive dpflorntis, 5 s. 4 d. Rogist. Abb. de
Burgo S. Petri in bibl. Cotton."
* Plot cai>. 8 n. 22 S. 278. Vgl. Spelman unter Mnrchot: ,,Floruit (audio)
et mos iste in Gernsey. insula Normannica" : v. d. Schelling Bd. 1 S. 148;
Anderson S. 59.
^ Astle S. 34—37. Vgl. Hazlitt S. 315. " Vgl. S. 89 Note 2.
' Brand (ed. EUis) Bd. 2 S. 177 Anm. : „1 found the subsequent clause in a
curious M. S. in the Cotton Library, Vitell. E. 5. entitled, Excerpta ex quodam
antiquo registi'0 prioris de Tynemouth, remanente apud comitem Northumbriae
Kapltel 16. II(.Mrathsal)fial)eii iii Enc;iaiid. 89
|}rug, Graf-scliaft Salop, hatre eiii Jiauer, der seine Tochter ausser-
halb dor Lehnsherrschaft verheirathete, drei Schillingc an den
l^ischof (als Lehnshin-rn) zu zahlen \ und fiir jede lierwyte ^ zwei
Schillinge.
In der Herrschaft Clun, (irafscliaft Salop, l^estand eino Ab-
gabe unter dem Namen amabyr und chevage , die Henry Earl
of Arundel im Jahr 1557 oder 1558 seinen Bauern erliess ^. Hier-
iiber wurde eineDenkschrift des Mr. Thomas Salt aus Shrewsbury
in der Jahresversammlung, welche das Archaeological Institute
of Great Britain and Ireland im August 1855 zu Shrewsbury ab-
hielt, am 7. August 1855 durch Dr. Kennedy verlesen -^.
Aus vorstehender Entwicklung und aus den mit"etheilten
de Baroniis et Feodis: Rcntale de Tynemoiith . factum A. D. 1378: Omnes
Tenentes de Tyncmouth, cum contigerit. solvcnt Layrewite [pro] filiabus
vel ancillis suis, ct etiam Mcrchet pro filiabus suis maritandis." Daraus:
Anderson S. 61. Bei Hazlitt , unter Tinmouth . Co. of Northumberland. fehlt
die Erwahnung dieser Urknndc.
' Liber ruber Castri Episeopi. bei Hazlitt S. 45 unter Brug or Burg,
Co. of Salop: ,.Sciendum est, quod quando customarius maiierii de Burg, in
comitatii Salop , moritur, episcopus habebit mclius averium, omnes porcos,
apes, baconem integrum, pullum masculum, pannum integrum . ollam aeneam,
tenellam cerevisiae , si sit plena. Et quando maritabit filiam extra feodum.,
dabit tres solidos: dabit etiam pro qualibet lierwyte ii s." Vgl. Astle S. 37.
* Der Ausdruck layrewite oder lierwyte bedeutet Unzucht-Strafe, von
dem angelsiichsischen leger = fornicatio und wite = mulcta. Vgl. R- Schmid,
Gloss. S. 623: Anderson S. 60; Hazlitt S. 432. Derselbe Ausdruck findet
sich in den Leges Henrici Primi, cap. 23 ^ 1 und cap. 81 § 3, sowie in der
Fleta, lib. 1 cap. 47. Hiernach hat das "Wort layrewite oder lierwyte den-
selben Sinn, wie die schottische marcheta mulierum oder das galische amobyr
in der einen Bedeutung des Worts. Vgl. Anderson S. 60: Hazlitt S. 413.
Vermuthlich gleichbedeutcnd ist die ..Letherwyte". die unter den Abgaben an
die Abtei Croyland erwilhnt wird, bei Ingulphus S. 101.
^ Hazlitt S. 77 unter Clun. Co. of Salop : . . . „A custom in the honour
of Clun: Pretium virginitatis domino solvendum. . . . This custom Henry Earl
of Arundel released to his tenants , anno 3 et 4 Phil. et Mar. 155." Corner
S. 9: ..In Walcs. and on the Shropshire border, a similar custom to the
marcheta existed under the name of amabyr or amvabyr. It existed in the
honour of Clun, formerly belonging to the Earls of Arundel, and is mention-
ed . . . as Pretium virginitatis domino solvendum. . . . This custom was
released to his tenants by Henry, Earl of Arundel , anno 3 and 4 Pliilipp
and Mary, by the name of the custom of amahyr and chevage."
^* The Archaeological Journal , vol. XII, London 1855 S. 385: ,,The Rev.
Dr. Kennedy then red a memoir prejxared and entrusted to him by Mr.
Thomas Salt of Shrewsbury, on the history of the Manor. Borough and
Forest of Clun in Shropshire, and observations on the Cu.stom of Amobyr
formerly cxisting tliere." Vgl. Corner S. 9.
90 Kapitel 17. Heirathsabgaben iii Irland.
Urkunden erhellt die Grundlosigkeit der Meinung ^, dass in Eng-
land das Herrenrecht der ersten Nacht bestanden haben miisse,
weil daselbst (ebenso wie in Schottland) die marcheta mulierum
verbreitet gewesen sei. Dieser Meinung liegt der Irrthura zu
Grunde, dass die Erzahlung des Hector Boethius iiber den Ur-
sprung der marcheta mulierum^ auf AYahrheit beruhe. Aus dem-
selben Irrthum, in Yerbindung mit der vorerwahuten Stelle aus
Bracton (lib. 2, cap. 8), erklart sich die Behauptung Diimge's,
dass die Konige Euglands, im Gregensatz zu denjenigen Schott-
lands, jenes schiindliche Recht auf die Freigebornen nicht hatten
ausdehnen konnen ^. Besonders bezeichnend fiir die Unklarheit,
die iiber die marcheta bei einigen modernen Schriftstellern herrscht,
ist folgende Darstelhing der spanischen Advokaten Marichalar
und Manrique. Sie meinen, in England habe unter dem Namen
marcheta das Recht gegolten, die jungfrauliche Keuschheit zu
verletzen; durch Konig Evenus niimlich sei den Grundherren die
Braurnacht eingeriiumt worden; doch sei dies Recht „sehr bald"
verschwunden ; denn Kouig Malcolm III. habe es im Jahr 1090
unter der Bedinguug aufgehoben, dass der Brautigam dem Grund-
herrn fiinf SchilHnge und vier Pfennige zahlte oder dafiir Sicher-
heit leistete. „Seitdem besteht in England die Gewohnheit, das
Recht abzulosen, doch ist die Ablosungssumme eine verschiedene,
nach dem Vermogensstand der Brautleute. Zur Zeit Heinrichs IIL
hatte die Abtei Abbendon das Recht der Marcheta; der Brau-
tigam loste es ab mit einer Summe, die der Abt festsetzte." "*
4. Irlaxd : Lohe)i>pi/.
K.apitel 17. Nach unsicheren jS^achrichten soll in Irland un-
ter dem Xamen Lohempy eine Heirathsteuer bestanden haben;
Plot erkliirt den Ursprung dieser Abgabe ebenso, wie Hector
Boethius die marcheta mulierum von Schottland^. Diese Erklii-
1 Plot cap 8 11. 21 S. 278. Diimge S. 19. 20. Marichalar S. 08. La-
bessade S 22 Nr. 37.
2 Vgl. dariiber Kap. 40. ' * Diimge S. 19. 20.
* Marichalar Bd. 6 S. 68. Vgl. zur Beleuchtuug der iu dieser Stelle ent-
haltenen Irrthiimer oben S. 1 und S. 86 und unten Kap. 40.
^ Plot cap. 8 n. 22 (S. 278) sagt von der maivheta mulierum: „Nor did
it only prevail in England and Scotland, but . . . iu the kingdom of Ire-
land too; where as I am told by the Whorshipful Colonel Edward Vernon
(deputy high Steward of the Honor of Tutliury, and deputy Lieutenaut of
the Forrest of Needwood) it is call"d Lohempy.'' Vgl. Dalrymplc Bd. 1
S. 315. — Das Wort Lohempy ist bei Lluyd und bei Windisch nieht zu
finden; es erinnert an 16 g, in der Bedeutung vou Lohn, Preis.
Kapitfl IS. Ilciriitlisaligabon iii der Norniaiulie. 91
rung- beruht auf dem Irrtluim^, dass die Erzahlung des Hector
Boethius vom Gesctz des Konigs Evenus als geschiclitliclie AVahr-
heit zu betrachten sei.
B. Helrallisabgabeu iii Fraiikrpich.
1. Xokmaxdik: Droit ih' foymarhiifc, (jKcrsionma , f/asfcaHX oa rc</ards,
mcts (hi maria(/c, ph(t UKjitial, droit de c>dh((/c, cida(/ii(m.
K.apitel 18. Die Abtei Saint-Georgcs de Bocherville empfing
im zwolften Jahrhundert von ihreu Leuten achtzehn Pfennige , so
oft dieselben eine Schwester oder Tochter in einem auswiirtigen
Lehen verheiratheten ^. Dies war also ein droit de formariage ^.
Ebenso erhielt die Aebtissiu von Caen drei Sous, so oft die Bauern
von Carpiquet eine Tochter nach auswarts vermahlten '^. Lii Ar-
chiv der Abtei Preaux findet sich eine Urkunde vom Jahr 1231,
wonach in einem von der Abtei abhangigen englischen Herren-
sitz die Horigen fiir die Erlaubniss, sich oder ihre Tochter zu
verheirathen, eiue ^guersumma" zu zahlen hatten^. In einem
Lehnsanerkenntniss *" vom 20. December 1373 sagt der Herr des
Halblehens Chauvigni zu Hellon und Alencon, er habe das Recht,
bei allen Heirathen die „gasteaux ou regards" zu erhalten; diese
' Vgl. Kap. 40.
- Urk. V. 12. Jahrh. bei Delislo S. 6!): ,,Si quis illornm maritaverit sororem
vel filiam suam in extraueo feodo, prebere nobis debet 18 denarios." Daraus :
Barthelemy S. 105 und Delpit S. 52.
^ Vgl. Kap. 13 S. 66. — Ohne allen Grund meinen Delpit und Labessade
(Nr. 20 S. 20, 21 und 92), das Recht der Abtei sei von derselben Natur
gewesen, wie das Herrenrecht der ersten Nacht.
* Urk. V. 12. Jahrh., bei Delisle S. 69- „Si dederit filiam suam e.xtra
vilanagium, dabit 3 solidos abbatissae." Daraus: Delpit S. 48. Seltsamer-
weise erblickt Labessade, der Nachfolger Delpit"s, (S. 20, 9, 29 und 46) in
dieser Urkunde den Beweis eines „droit de prelibation", welches der Aebtissin
zugestanden haben soU.
* Consuet. de Tostes v. J. 1231, bei Delisle S. 69: ..Debent dare guer-
summam, hoc est non possunt maritare se nec filias suas sine licentia domini."
Daraus: Delpit S. 50 und Labessade Nr. 13 S. 20 und S. 81. Der Ausdruck
guersumma bedeutet sonst allgemein eine Abgabe. Vgl. oben Kap. 16 S. 84,
Ducange unter Gersumma und Hazlitt S. 428 unter Gersuma. Ueber die be-
zeichnete Abtei vgl. Mordri unter Preaux. ^
^ Ein aveu oder d6nombrement ist ein fiir den Lehnsherrn ausgestelltes
Anerkenntniss des Vasallen , dass er von jenem ein Lehen mit den im Ein-
zelnen verzeichneten Rechten und Pflichten habe. Es war ein Anerkennungs-
titel (titre recognitif), wovon der urspriingliche Erwerbstitel (titre primitif)
unterschieden wurde. Vgl. Dalloz unter Propriete feodale Nr. 427, 428.
92 Kapitel 18. Heirathr^abgaben in der Normandie.
Abgabe betrage niir zwei Sous und zwei Pfennige, so dass die
Brautleute die AVahl liatten, ob sie diese Geldsumme zahlen oder
einen Blumeutisch niit zwei Weizenbroten, ein Baril Wein von
hoher Lage und einen guten Schweineschinken liefern wollten;
werde die Abgabe binnen acht Tagen nach der Hochzeit nicht
entrichtet, so sei eine Strafe von noch fiinfzehn Sous zu zahlen;
iiberdies miisse sein Sergent zur Hochzeit geladen, oder ihm der
Betrag von acht Pfennigen fiir Haudschuhe gezahlt werden; alle
diese Dinge seien durch Abkommen seiner Yorfahren und seiner
Leute festgestellt, „zum Ersatz fiir andere Abgaben, die friiher
zu entrichten waren" ^ Nach Inhalt der Schlussworte hatte die
Art der Abgaben (redevances) im Lauf der Zeit- sich- geiindert.
Die Urkunde gewiilirt keinen Cxrund fiir die Meinung ^, dass der
H^rr von Chauvigni ahnliche Reclite wie das der ersten Nacht
ausgeiibt habe. In einem Lelmsanerkenntniss vom Jahr 1400
sagt Stephan von Sainte - Martin bei Etrepag, wer auf seinem
Lehen heirathe, miisse ihm ein Stiick Fleisch, zwei Brote und
zwei Kannen Wein, in Begleitung von Spielleuten, in seiu Haus
bringen, von derselben Giite wie das, was die junge Frau auf
der Hochzeit «•eniesse ^, Aelmliche Bestimmuno-en finden sich in
1 Aveu dn 20 dec. 1373. bei Delisle S 70: ,.Item je tiens et aveue tenir
et a avoir par reson de heritage, comme dit est . a avoir les gasteaulx ou
regars de touz ceulz qui se raarient . . . . le dit gastcl ou regart n'est que
de ij sous ij deniers, ainsi que il est au chois de celuy ou de celle qui se
marie de poier les sommez d"argent dessuz desclarees, selon le temps des
dictes nopces, ou de poier un gastel de la fleur de ij hoessiaulx de froment,
un baril de vin de haute vignee. et une jambe de porc bon et suffisant, ainsi
que celluy ou celle qui se marie ne poie les choses dessus dictes ou l'une
d'icelles, selon le cours du tenips des dictes nopces, dedenz 8 jours aj)res
les dictes noces, il encourt en Tamende de 15 sous en oultre le dit gastel
ou regart, et auxi convient-il que le sergent de mon dit deme fie soit as
noces, 011 que il ait 8 deniers pour ses gans, et sont ces choses ycy portees
par lettre de certain acort de mes ansesours et des hommes de mon deme
fieu en recompensation d'autres redevances. selon ce que par les dictes lettres
appert, qui furent faictes et passees il y a onviron IX^^ ans." Daraus:
Delpit S. oO
2 Labessade S. 84 berichtet, ,jene Rechte des Herrn von Chavivigni standen
schon in einer Coutume vom Jahr 1193 verzeichnet; dies wird schwerlich
richtig sein, da die Schlussworte der rrkunde vom Jahr 1373 auf ein so
hohes Alter ni^ht hinweisen.
' Labessade S. 20.
* Urk. V. 1400, bei Delisle S. 71: ..Item. quant aucun se marie ou dit
fief, 11 doit une piece de viande, deux pains et deux pos de vin , ct doit
estre pareil h celui de l'espousee, et lc doivent aportcr ou dit hostel en la
compaignic des menestricrs faisans mestier." Daraus: Delpit S. 53.
Kapitel 18. IIeirathsal)jLcaben iii der Nonnaiidie. 93
Lehnsanerkenntnisseu aus den Jahren 1402 — 1416*. lu einem
solchen Yerzeichniss der Barouie Orglandos voni Jaiu" 1454 ist
gesagt: „So oft einer meiner Leute zu Goue heirathet, schuldet
er mir uuter Auderm einen Kucheu im Preis von fiinf Sous oder
dafiir ftinf Sous Geld." ^ Der Prior de la Bloutiere sagt in einem
Lehnsanerkeuutniss vom selben Jahr: „Wir haben die herkomm-
lichen Abgaben fiir deu Fall, dass uusere Leute ihre Kiuder
ausserhalb unseier Herrschaft verheirathen, uud zwar fiir jeden
Livre, den sie ihren Kindern iu die Ehe mitgebeu, zwulf Pfen-
nige bei Yerheirathung des ersteu und sechs Pfenuige bei Yer-
heirathung jedes anderu Kindes; ausserdem fiir jedes Ohrgehange
vier Pfennige, fiir jedes Kupfergeriith vier Pfeunige; fiir jede
Kissenhandhabe des Federbetts vier Pfenuige ; ferner fiir den
Backtrog pro Fuss vier Pfennige: und fiir die silberne Schnalle,
wenn eine solche gegeben wird, vier Pfennige." ^ In eiuem Lehns-
anerkenntniss des Herrn Heinrich von Saucei fiir das Lehen
Mesuil-Auber vom Jahr 1463 ist erkliirt, dass, wer seiue Tochter
verheirathet und ihr eiu Bett oder einen Backtrog mitgiebt, fur
jede Federbett-Haudhabe und joden Backtrog-Fuss zwei Pfennige
zu zahleu habe" *. Der Herr vou Chiiteau-Dassi bemerkte in
eiuem Lehnsverzeichuiss, welches er dem Konig einreichte, dass
ihm von jedem Gericht der Hochzeitschmiiuse eine Schiissel in
sein Haus gebracht werden miisse '". Der Marschall de la Force
1 Urk. V. 1402, 1403. 1407. 1410 u. 1416 bei Dellsle S. 71. 72. Diese
Urkiinden bieten keinen Grund fiir die Annahme Labessade's (Nr 21, S. 21 uud
S. 92. 93). der Herr von Saint-Martin bei Etrepag hatte bei Heirathen seiner
Unterthanen Rechte von der Art des Ilerrenrechts der ersten Nacht gehabt.
2 Urk. V. 1454, bei Delisle S. 73: .,Item, toutes et quantesfois que aucun
de mes hommes du siege de Goue se marient, ilz. entre autres choses, me
doivent ung gasteau du pris de cinq solz tournois ou einq solz pour ycelui."'
3 Urk. V. 1454 , bei Delisle S. 73 : ,,Item nous avons les coustumes des
mariaiges que noz hommes font aux gens de dehors nostre dicte seigneurie,
pour chascune livre de monnoye qu'ilz donnent h mariaige a leurs entfans,
pour la premiere xij deniers , et pour chascune des autres vj deniers. Item,
pour chascun orillier, iiij deniers: pour chascuu cuevrechief iiij deniers;
pour la coycte . pour chascune corniSre de traversin , iiij deniers : item , pour
la huge, pour chascun pie de huge, iiij deniers: et s"il y a serreure, pour
la serreure iiij deniers."
^ Urk. V. 1463, bei Delisle S. 73, 74: ,,que chascun qui marie sa fille.
s"il luy donne liet ou huche, il doit de cliascune cornierc do couite et de
chascun pie de huche ij deniers tournoi.s.''
•" Lauriere unter Mests de Mariage: „C'est un droit du au Seigneur de
Chateau- Das.si. porte par ses aveus rendus au Roy, que de toutes viandes
qui se mangent aux noces, en est dfi un plat au seigneur , portable en sa
94 Kapitel 18. Heirathsabgaben in der Normandie.
soll als Inliaber der Herrscliaft de la Boullaye bei Hochzeiten
seiner Untertlianen folgendes Reclit gehabt haben : „Am Tage der
Hochzeit muss der Brautigam, unter Begleitung einer Geige oder
Bratsche , deni Herrn das Hochzeitsgericht (mests du mariage)
bringen, und zwar zwei junge Hiihner, zwei Kannen Wein und
eine Hammelschulter ; er muss dann einen Tanz auffiihren und
sich zuriickziehen." ^ Yon dem Herrensitz Genesville '^ theilt Du-
cange folgende Urkundenstelle mit: „Und wenn Jemand an dem
genannten Ort heirathet, so ist er verpflichtet , am Tag der
Trauung uns auf unsern Herrensitz von Genesville einen Teller
Fleisch, zwei Brote und eine Kanne Weiu, unter Yorantritt von
Spielleuten, zu bringen: dies Recht heisst Hochzeitsgericht (plat
nuptial)." ^ Aehnliche Heirathsabgaben soUen in vielen andern
Herrschaften der Normandie bestanden haben ^.
An einigen Orten der ISTormandie fiihrte die Heirathsabgabe
deu Namen droit de cullage oder culagium. Nach einer
Urkunde vom Jahr 1235, aus Fecamp, hatte ein Bauer, der seine
Tochter nach auswarts verheirathete, eine Abgabe von drei Sous,
unter dem xS^araen ^culagium'^, an die Benedictinerabtei zu Fecamp
zu eutricliten ^. Durcl^ Urkunde voni 22. Juli 1238 verzichtete
Simon de Pierrecourt, mit Zustimmung seiner Gemahlin Agnes
und seines erstgebornen Sohnes Willernus, in Gegenwart des
maison.'" Ducange , unter Missus : ,.Mes de mariage , jus quod domino castri
d'Assi competit, quod ejusmodi est , ut ex singulis cibis qui in vassallorum
nuptiis apponuntur, discus unus ad dominum deferri debeat." Das Datum
dieses Verzeichnisses ist nicht angegeben
1 Galland bei Lauriere Bd. 2 S. 112. unter Regal de mariage. Daraus:
Ducange unter Missus: Mlchelet S. 266. 267: Bouthors Bd. 1 S. 470.
Lauriere giebt das Datum einer etwa dariiber ausgestellt gewesenen Urkunde
nicht an; die Angabe von Michelet, dass die Urkunde vom Jahr 161o datire.
scheint auf Verwechslung zu beruhen.
2 Genest in der NormandieV ^ Ducange unter Plat nuptial. Michelet
S. 266. Das Datum der Urkunde ist nicht angegeben.
* Vgl. Labessade Nr. 22—34, S. 21: „Le seigneur de Crennes, dans la
vicomte de Vire, le seigneur de Conde-sur-Risle, le seigneur de Montbraie.
le seigneur de Launoy, a Saint-Pierre-es-Champs, le seigneur de Honneteville.
dans la vicomt6 de Pont-Audemer . le seigneur de Saint-Etienne de Lailler,
le seigneur dc Chavoi, le seigneur d'Aubigni, le seigneur de Goue, le seigneur
de Glatigni . lc seigneur de Torquenne-en-Aulge , le seigneur de Boisbenart,
le seigneur de Foville, et plusieurs autres seigneurs normands percevaient
des droits de meme nature sur les mariages de leurs sujettes."
* Polyptych. Fiscann. a. 1235, bei Ducange unter Culagium: „Cum villanus
maritat filiam suam extra villenagium, debet tres solidos dc culagio." Daraus:
Laferriere Bd. 5 S. 457.
Kapitel 18. Heirathsabgaben in der Normandie. 95
Abts Robert voii Faucarmont, nicht nur auf alle Jahresabgaben
seiner Leute, sondern auch auf das „culagium", was darin bestand,
dass ilim seine Leute, so oft sie eine Tochter verheiratheten, drei
Sous zu zahlen hatten ^ In einem Lehnsanerkenntniss vom Jahr
1455 erklarte der Herr von Trop, dass seine Leute ihm den
„cullage de mariages" zu entrichten hatten ^. Zufolge Urtheils
des Rechnungsliofes vom *i. April 1507 wurde die Grafschaft Eu,
die unter vormundschaftlicher Yerwaltung des Konigs als Ober-
lehnsherrn stand, fiir die minderjahrigen Kinder des Grafen von
Nevers und seiner Gemahlin Charlotte von Bourbon abgeschatzt;
zu den abgeschiitzten Giitern gehorte die Baronie Saint-Martin-
le-Gaillard; bei deren Beschreibung ist im AbschatzungsprotokoU
gesagt, dass ihr bei Heirathen das „droit de cullage" zustehe ^
Offenbar betrifft auch diese Stelle lediglichi eine Heirathsabgabe,
und die Meinung der Schriftsteller, die darin einen Hauptbeweis
fiir das Herrenrecht der ersten Nacht finden wollen, ist durchaus
hinfallig.
Fiir die Erkliirung des Ausdrucks culagiuni, culage oder cul-
lage sind verschiedene Yerniuthungen moglich. Soweit damit
1 Urk. V. 22. Juli 1238 (in der Bibliothek von Xeufchatel, Dep. Seine-
Inferieure) , bei Beaurepaire S. 168 und bei Barthelemy S. 118: . . . ,,Quitavi
etiam dictis hominibus quendam reditum qui culagium dicebatur, videlicet tres
solidi quos mihi singuli reddebant. quando filias suas maritabant.'''' Ohne
Grund finden Delpit (S. 54) und Labessade (Nr. 35 S. 21, 22, 93. 94) in dieser
Urkunde einen Beweis des Herrenrechts der ersten Nacht.
2 Aveu du fief de Trop en 1455. bei Delisle S. 69 : ... „paier le cullage
de mariages". Daraus entnehmen Delpit (S. 52) und Labessade (Nr. 19
S. 20 und S. 92) ohne Grund einen Beweis ftir das jus primae noctis.
3 Proces-verbal fait par M. Jean Faguier. auditeur en la cliambre des
comptes, eu vertu d"arrest d'icelle du 7 avril 1507, bei Lauriere S. 307: . . .
,.item a ledit Seigneur audit lieu de Saint-Martin droit de cullage quand
i)n se marie." Vgl. Ducange unter Collecta, Culagium und Marcheta; Grupen
§ 8: Encycl. unter Culage (von Boucher d'Ai-gis); Voltaire, Dict. phil. unter
Taxe: Encyl. meth., Jurispr. Bd. 3 S. 434; Merlin, Rep. unter Markette,
Bd. 8 S. 107: Raepsaet 3. Aufl. S. 23; Roquefort, suppl. S. 106: Collin de
Plancy Bd. 1 S. 166. 167; Peuchet-Chanlaire S. 23: Delisle S. 69; Veuillot
(2. Aufl.) S. 264: Delpit S. 55, 56; Marichalar Bd. 6 S. 69. 70; Gubernatis,
Usi S. 199: L. Favre bei La Curne unter Cullage. Einige Schriftsteller
driicken sich so aus. als stande in jener Urkunde „droit de prelibation", Avas
nicht der Fall ist. Dieser Irrthum findet sich namentlicli bei Dulaure, Adel
S. 243: Merlin. Rep. unter ^Markette; Dict. Acad. suppl. unter Markette:
Kolb 1842, S. 497 und 1843, Bd. 2 S. 73: Lagreze 1867, S. 402. Labessade,
Nr. 36 S. 22 und S. 94, gebraucht bei Erwiihnung derselben Urkunde die
Ausdrucke droit de culage und droit de prelibation als gleichbedeutend.
96 Kapitel 18. Heirathsabgaben in der Normandie.
eine Niederlassungssteuer bezeichnet wird ^, liegt es nabe, an die
Bauernsprache zu deukeu, worin der Name von cul gebildet
sein kann ^, Es kann aber auch an eine Corruption des lateini-
schen Ausdrucks collecta, collata, collatio oder collectio (d. i.
Abgabe ^) gedacht werden. La Curne de Sainte-Palaye leitet
das "Wort culage von osculage , osculagium her ''. Yiele Schrift-
steller endlich finden in dem Ausdruck eine geschlechtliche An-
spielung. Ware eine solche in dem AVort zu finden, so miisste
sie auf die Natur der Ehe bezogen werden^. Keinenfalls be-
rechtigt der ^Yortlaut zu der Yermuthung, dass dem Grund-
herrn das Recht zugestanden hatte, an Stelle des Brautigams
die erste jSTacht mit der Braut zuzubringen. Es liegt kein ge-
niigender Grund vor, zwischen den Ausdriicken culage und cu-
laige einen wesentlichen U nterschied zu machen ^. Das Wort
culaige bezeichnet in mehreren Urkunden eine Abgabe oder ein
Geschenk von Y'ein, Esswaaren oder Geld '. Dieselbe Bedeutung
haben in andern Urkuuden die Ausdriicke cullage oder coullage ^,
1 Ygl. unten Kap. 78.
^ Vgl. den Kommissioiisbericht der franz. Akademie der Inschrifteu vom
11. August 1854, Berger de Xivrey S. 24 („exi)ression indecente'').
^ Vgl. Ducange unter Collecta. * La Curne unter Cullage Bd. 4 S. 435.
* In vielen modernen Worterbiichern (z. B. bei Mozin-Peschier unter cu-
lage) ist der Ausdruck droit de cuUage mit „Recht der Brautnacht" ubersetzt.
Dies ist schon deshalb unrichtig, weil das Wort droit in jener Zusaramen-
setzung nicht „Recht'', sondern „Abgabe" bedeutet. AUenfalls konnte jener
Ausdruck niit ..Abgabe fUr die Brautnacht" iibersetzt werdcn. in der Unter-
stellung. dass die Abgabc vor der Brautnacht zu zalilen Avar: alloin auch dann
ist die Uebersetzung ungenau.
* Ducange Bd. 7 (Gloss. francais) S. 116 erklJirt das Wort Cullage fiir das
Herrenrecht der ersten Nacht, dagegen Culaige fiir ein Geschenk in Fleisch,
Wein oder Geld. Roquefort Bd. 1 S 330 halt zwar die Ausdriicke culaige,
culage, cuUage und cuUiage etymologisch fiir gleichbedeutend, meint aber,
alle diese Ausdriicke seien in zwei verschiedenen Bedeutungen zur Anwendung
gekommen, uamlich sowohl zur Bezeichnung des tyrannischen Herrenrechts der
ersten Nacht, als auch zur Benennung des Geschenks, welches der Neu-
vermahlte am Hochzeitstage an seine Gefahrten zu entrichten hatte. La
Curne, Bd. 4 S. 434, 435, halt es fiir moglich, dass culaige ebenso wie cullage
das Herrenrecht iiber die neuvermahlten Vasallen bezeichnet habe. Dagegen
bemerkt L. Favre (ebendaselbst) , culaige bedeute ein Geschenk. Offenbar
ist in der Schreibart culaige der Buchstabe i ein blosses Dehnungszeichen.
ebenso wie z. B. in mariaige, oben S. 93 Anm. 3.
' Lettres de Charles VI du mois de juillet 1415, bci La Curne unter Cu-
laige Bd. 4 S. 434: „Je crois qirelle est allee boire du culaige."' Vgl. auch
die Urk. v. 1454 unten in Kap. 26.
8 Vgl. Urk. v. 1375 unten Kap. 26.
Kapitel 19. Ileiratlisabgaben in Frankreich. 97
couillage, couillaige uud coillage *. Es ist daher erklarlicJi, dass
der Ausdruck culage , wie culaige , eine Heirathsabgabe be-
zeichnet.
2. AxDERK Pkoviszen Fraxkkeichs.
Kapitel 19. "NVie in der Normandie, so waren auch in an-
deru Pruvinzen Frankreichs Heirathsabgaben mannigfacher Art
hergebracht, von denen einige eine besondere Erurterung ver-
dienen ^, andere hier zusammengestellt werden raogen.
Isle de France. Dass in der Provinz Isle de France
Heirathsabgaben an Grundherren ^ zu entrichten waren , erhellt
beispielsw^eise aus dem Bericht iiber einen Prozess, der um 1100
schwebte. Aus Anlass dieses Prozesses wurde anerkannt, dass
dem Stift Saint-Michel de Beauvais das Recht zustand, von seinen
Horigen bei deren Yerheirathung unter dem jS^amen ^licentia"
fiinfzehn Pfennige zu erheben '^. Ferner bezog die Abtei Saint-
1 Vgl. die Urkunden von 1385. 1391. 1396 nnd 1458 unten in Kap. 26.
2 Vgl. unten, besonders Kap. 26, 78 bis 81.
^ Daneben gab es auch Heirathsabgaben zu Gunsten der Geistlichkeit. die
den Namen „plat de noces" fiihrten und in Speisen oder Getranken bestanden.
Ueber die Vertheilung dieser kirchlichen Einkiinfte bildeten sich feste Grund-
satze. Vgl. Dulaure, Paris Bd. 3 S. 250; Brillon Bd. 2 S. 924; Michelet
S. 266. Ein solches i^lat de noces erhielten die Pfarrer von Paris ausser der
in Kap. 27 S. 148 erwahnten Gebiihr flir Einsegnung des Ehebetts. Die bei
Ducange unter Fercula citirten Synodalstatuten des Bischofs Otto von Paris
(1197 — 1208) verboten in cap. 7 § 4 den Geistlichen , die unter dem Namen
Fercula bekannte Abgabe schon vor der Trauung zu erlieben, uud stellten
ihnen frei, diese Abgabe nach der Trauung anzunehmen und nothigenfalls
einzutreiben. (Anderwarts bezeichnete das Wort Ferculum eine Art von Be-
neficium. z. B. in den kolnischen Urkunden von 1176 und 1190, bei Binterim
Bd. 3 Nr. 51 und 54 ). Der Pfarrer von Palestin erhielt bei Heirathen seiner
Pfarrkinder, nach Massgabe ihres Vermogens, als droit de nop^age zwei oder
drei Sous: dies Herkommen w-ard durch Urtheil des Parlaments zu Paris vom
18. August 1562 als rechtsgiiltig anerkannt. Brillon Bd. 1 S. 638: „Par arret
du 18 aout 1562 entre les Paroissiens de Palestin et leur Recteur est dit que
le Recteur levera les droits Rectoriaux contenus en la Clementine du concordat,
qui sont . . . le droit de Nopgages, autrement dit, le Pact Nuptial . . . c'est a
sgavoir . . . pour le droit de Nopgages 3 sols tournois de ceux qui auront en
meuble valant 50 liv. tournois, et au-dessus; et des autres qui auront moins
de 50 liv. valant toutefois leurs meubles plus de 30 liv. la somme de 2 sols
tournois, sans rien prendre de ceux desquels les meubles ne se monteront
jusqu'a la valeur de 30 liv.". . . Vgl. auch Brillon Bd. 4 S. 472.
* Urk. circa 1100, bei Guerard Bd. 2 S. 379: . . . „ibique propria r.ianu,
pro filia secum adducta, quam in conjugium erat datura, consuetudinem que
licentia vocatur, scilicet 15 denarios, sancto Michaeli ejusque canonicis , uti
eorum coliberta, multis aliis videutibus, donavit." Vgl. Guerard Bd. 1 S. 414.
ScUmidt, Jus primae noctis. 7
98 Kapitel 19. Heirathsabgaben in Frankreich.
Gfermain - des - Pres in mehreren Ortschaften bei Heirathen im
Fall des formariage eine Abg-abe , die um Mitte des dreizehn-
ten Jahrhunderts durch Zahlung von Kapitalsummen abgelost
wurde ^
Picardie. Es wird gemeldet, dass die Heirathen in der
Stadt Saint-Riquier der dortigen Abtei im neunten Jahrhundert
jahrlich zwanzig Pfund schweren Silbers einbrachten ^. Vielfach,
wenigstens in spaterer Zeit, beschrankte sich die Heirathsabgabe
auf Esswaaren oder Getranke ^. Der Bischof von Amiens em-
pfing bei Heirathen seiner Unterthanen als „droit de mariage"
vier Sester \Yein '^, und zwar zwei von der theuersten und zwei
von der billigsten Sorte. Diese Abgabe wurde , wie es scheint,
spater auf die Hiilfte herabgesetzt. Ein Urtheil des Parlaments
zu Paris vom 9. Juni 1391 bestatigte einen Vergleich, wonach
der Bischof statt der inzwischen streitig gewordenen einzel-
nen Heirathsabgaben im Ganzen jahrlich fiinfzehn Franken und
zwar auf Petri Kettenfeier, Weihnachten und Ostern jedesmal
hundert Sous (fiinf Franken), aus der Stadtkasse von Amiens
erhalten sollte ; zugleich wurde der Stadt Amiens das K.echt vor-
behalten, diese RentvO durch einmalige Zahlung von fiinfhundert
' Urk. V. 1249 u. 1250, bei Gnerard Bd. 2 S. 385—391, vgl. Bd. 1 S. 415:
Hiillmann Bd. 1 S. 86.
2 Urk. V. 831, bei Chateaubriand Bd. 5 bis, S. 271, 272: . . . „Les mariages
raj)portaient annuellement vingt livres d'argent pesant". . .
3 Bouthors Bd. 1 S. 470; Delisle S. 70—73. Vgl. auch unten Kap. 78.
■* Le role de l'eveche d'Amiens de 1301 , bei Grenier vol. 159 fol. 44 v.,
45: bei Thierry, Mon. Bd. 1 S. 313; ferner (mit Jahreszahl 1302) bei Bouthors
Bd. 1 S. 469, 475: „Chi parole du respit de Saint Fremin. Sachent tout chil
qui kuellent le respit Saint Fremin. Que tout li bourgois doivent iij par.
chascuns, et les veves autant a rendre a le Saint Fremin chascun an : Et qui
se marie il doit iiij sestiers de vin ij sestiers du plus kier et ij sestiers du
plus bas fuer; Et qui entre en le commugne il doit XVIII deniers. Sen a
li sergens iij deniers qui doit amener chelui en le commugne a chelui qui
kuelle le respit. Tout chiaus qui sont extrait de bourgoisie d'Amiens et
manans as viles doivent chascun iij deniers et le vin des neuches et le vin
des cors fors de chiaus du chapitre qui ne doivent que doubliau denier
j. autant de vin pour leur neuches. j. autant de vin pour leur cors. qui li
bourgois qui sont manans k Amiens. Exceptes chiaus de Polainville qui ne
paient ne cors ne neuches fors ij deniers s'il ne vont hors manoir de chele
vile. Ne si ne doivent nient chiaus qui nont femmes ou nont eues. Et si
sont tous jours kuite. Tres kachou qnil se marient, ne se puct nus oster du
respit Saint Fremin ne li respiteur ni puent mcttre arme se il nen est de droit
estoc. Sache bien que uns hons (jui prcnt femme (lui soit du respit ou
femme prenge baron qui en soit, il nen pueent .jamais estre hors ne leurs en-
fants; ne lcur femme nen puet estre hors puis que ses barons scra mors". . .
Ka])itoI li>. Ileirathsabf^abon in Frankreioli. 99
Franken, sobald .sie wolle , abzulosen ^ Danach erfolgte die
Ablosung- am 28. Juli desselben Jahres ^. — In einem Buch
vom Jahr 1767 wird gcmeldet: „Jeder Einwohner von llue
war verpfliclitet, an den Grafen von Pontliieu eine Abg-abe de
pudore corporis sui zu entrichten." ^ Und in einer Schrift vom
Jahr 1878 wird daran folgende Erzahlung gekniipft: „Rudolph,
Graf von Guines, liatte den Bewohnern von Ham das Recht auf
eine ahnliche Abgabe, die am Tag der Hochzeit erhoben wurde,
als Lehen bewilligt. Diese Abgabe wurde durch Graf Manasses,
auf Andrangen seiner Gemahlin , abgeschafft , weil eine Frau,
Namens Harnide, sich dariiber beschwerte, dass die Gerichts-
diener ihr eine grosse Beschiimung bereitet hiitten, indem sie
von ihr die Abgabe in dem Augenblick begehrten, als sie sich
ins Ehebett legen wollte." '^ Wcnn diese Erziihlungen auf Wahr-
heit beruhen, so sind sie auf Heirathsabgaben zu beziehen, und
es liegt kein Grund vor, einen schimpflichen Ursprung dieser
Abgaben vorauszusetzen.
Champagne. Ein Freibrief der Stadt Tannay vom Jahr
1352 enthalt fiir die Herrscliaft das Yerbot, von uen Einwoh-
» Urth. des Parl. zu Paris v. 9. Juni 1391, in der Bibl. Nat. , Coll. de
Pieardie, D/)m Grenier, vol. 158 fol. 144 — 146 (aus dem Archiv von Amiens,
cote B fol. XLVII recto). Vgl. Gall. Christ. Bd. 10 S. 1197.
* Daire Bd. 2 S. 84. Unbegriindet ist die Meinung von Delpit (S. 40, 41)
und Labessade (S. 19) , dass diese Abgabe durch Ablosung des Herrenrechts
der ersten Nacht entstanden sei. Eigentlich bedeutete respit (lateinisch re-
spectus) eine Jahresabgabe (Ducange unter Respectus), und „respit de Saint-
Fremin" diejenige Jahresabgabe, welche an den Bischof als einen der vier
Landesherren zu zahlen war ; der Name erinnert an den Martyrer Fremin
oder Firmin , ersten Bischof von Amiens (260 — 303). Vgl. Thierry , Mon.
Bd. 1 S. 3. Die Abgabe betrug anfanglich vier Pfennige fiir jeden selb-
standigen Haushalt und ward durch Vergleich vom 6. Nov. 1226 fur eine
durch die Stadt Amiens gezahlte Kapitalsumme von 180 Fr. auf drei Pfennige
herabgesetzt. Vgl. Urk. vom 6. Nov. 1226, bei Daire Bd. 2 S. 377 und bei
Thierry, Mon. Bd. 1 S. 200, 201, auch Ducange unter Respectus. Neben
dieser Hauptabgabe stand die Heirathsteuer in demselben Verzeichniss, obwohl
sie zu dessen Ueberschrift (respit) eigentlich nicht passte.
^ Hist. de Ponthieu Bd. 1 S. 237, 238: „chaque habitant de Rue ^tait
oblige de payer au Comte de Pontieu un droit de pudore corporis sui.'-
Dieselbe Nachricht will Labessade in einem Coutumier vom Jahr 1770 ge-
funden haben; er schreibt (S. 74): „chaque habitant de la ville de Rue, dans
le Ponthieu, payait un droit de pudore corporis sui." Die wahre Quelle dieser
Nachrichten ist mir nicht bekannt; doch ii5t es moglich, dass zu Rue eine
Heirathsabgabe unter dem Namen „droit de culage" bestanden hat. •Vgl. iiber
diesen Ausdruck Kap. 18 S. 94 — 97.
* Labessade S. 74, 75.
7*
JOO Kapitel 19. Heirathsabgaben in Frankreich.
nern bei deren Heirath, „pour cause de nocailles", eine Ab-
gabe zu verlangen ^ In einem Lelinsverzeichniss Ludwigs von
Sainte-Maure , als Herrn von Caenchi, Saulx und Richebourg,
vom Jahr 1615 ist gesagt: „Ferner haben wir bei Heirathen,
die in der Kirche von Saulx geschlossen werden, das Recht, von
den Neuvermahlten das Hochzeitsgericht (mets de mariage) zu
erhalten, welches die Frau in Begleitung von Spielleuten bis ins
Schloss bringen muss; das Gericht muss bestehen aus einem
Hammelstiick, zwei jungen Hiihnern, zwei Quart AVein im Werth
von vier Pinten (pintes), vier Broten , vier Kerzen und Salz
(und) am Hochzeitstage (iiberreicht werden) , bei Yermeidung
einer Strafe von sechzig Sous." ^
Burgund. Ein Herr von Thomirey klagte auf Entrich-
tung der Abgaben fiir formariage, weil zwei Frauen, die aus
seinem Dorf stammten, vor siebenundzwanzig Jahren ausserhalb
seiner Herrschaft geheirathet hatten ; diese Klage ward durch
Urtheil des Parlaments zu Dijon vom 7. December 1626 abge-
wiesen, weil der Klitger die Liegenschaften der beiden Frauen
inzwisclien durch Erbschaft erlangt hatte ^.
Berry. Es wird erziihlt, zu Mareuil habe der Brautigam
bei einer ersten Heirath einen Spielball von zweiunddreissig Yier-
ecken und neun Farben, bei einer zweiten Heirath ein neues Billard
von 2^2 Fuss mit dem Kolben und zwei neuen Kugeln, bei einer
dritten Heirath noch ein Billard oder zwei Giinschen und zwanzig
Pfennige an den Grundherrn entrichten miissen *. Dem Herrn
de la Motte im Kirchspiel Masce soll bei Hochzeiten seiner Unter-
thanen unter dem Namen mets de mariage dasselbe Recht zu-
gestanden haben, wie dem Herrn de la BouIIaye in der Nor-
mandie ^,
Poitou. Der Priester Lambert von Ardes, der zur Zeit
des Konigs Philipp August (1180—1223) lebte ^, theilt eine Frei-
1 Libert. villae de Tannay an. 1352, art. 14, bei Carpentier unter Nup-
tiaticum: „Ne pourront demander lidit seigneur et dames es diz habitanz ne
avoir d'iceulx nulle chose pour cause de ost, de chevauchee, de subvencion,
. . ! de mortailles, de no^ailles (male dictum Notailles), de chevalerie" etc.
^ Charta Ludovici de Sainte-Maure D. de Caenchi, de Saulx et de Riche-
bourg ann. 1615, bei Ducange unter Missus; ^NIichelet S. 26G ; Bouthors Bd. 1
S. 470.
^ Brillon Bd. 2 S. 924 (aus Xaintonge, Plaidoyers S. 595).
* Pastoret S. XV.
* Laurifere Bd. 2 S. 112, untcr Regal dc Mariage (von Thaumassiere).
Vgl. oben Kap. 18 S. 94.
* Ducange, im Register unter Lambertus. Gall. CIu'ist. Bd. 2 S. 1281.
Kapitel 19. Iloiratlisaligahcn in Frankroich. 101
lassungsurkiin<le niit, wonach dio Freigelasscncn und dcren Nach-
kommen an don Abt eines Klosters jahrlich oinon Pfennig und
bei jedor Hoirath und jedem Todosfall vior Pfennige zu zahlen
liatton K
8aintong-e. Die Ileirathsabgaben, die in Saintonge be-
standen, sollen schon im zwolften Jahrhundert durch die Konigin
Eleonoro, Herzogin von Guyenne, aufgehoben worden sein ^.
Limousin. In Limousin scheint eine Niederlassungsteuer
unter dem Namen „droit de gendrage" fiir den Fall bestanden
zu haben , dass die neuvormahlton Manner bei den Schwieger-
eltern Wohnung nahmen : die Hoho dieser Abgabe hing von
der durch die Manner mitgebrachton Kapitalsumme ab ^. — In
Montmalier, einer Vorstadt von Limoges, bestand ein Gowohn-
heitsrocht, wonach dio Frauen, oder ihro Manner fiir sie, bei der
Yerraahlung und bei der Entbindung mehr oder weniger als einen
Thaler, nach Massgabo ihres Ranges, zu zahlen hatten. Man
"nannte diese Abgabe „droit do couillage". Die Bewohner cedirten
den Anspruch auf dieso Abgabe an die Augustiner zu Limoges.
Ein einzelner Bewohner orkannte jedoch die Cession nicht als
giiltig an und klagte gegen einen gewissen Duran, dessen Gattin
entbunden war, auf Zahlung der Abgabe (zur Ortskasse). Der
Beklagto wurde, obwohl die Augustiner zu seinon Gunsten inter-
venirten, durch den Senechal von Limousin verurtheilt; zugleich
wurde don Augustinern die Einziohung dieser Abgabe vorboten,
Dies Yerbot ward in dor Berufungsinstanz durch Urtheil des
Parlaments zu Bordeaux vom Februar 1620 wiederholt. Ob die
Yerurtheilung zu Gunsten des Hauptklagers bestehen blieb, ist
aus dem Bericht von Automne nicht zu ersehen''.
' Lambertus Ardensis. pag. 163. bei Ducange unter Capitale , num. 5:
„Manumisit et liberos resignavit, dum ipsi et ipsorum et posteri et successores
Abbati jam dicto et ejus successoribus annua pensione singulos redderent
denarios, et in nuptiis et in morte quatuor."
2 Veuillot 2. Aufl. S. 220.
^ Galland bei Lauriere unter Gendrage: „Droit qui se prend par usur-
pation par quelques Seigneurs du Limousin ;i raison de Targent que portent
les nouveaux maries, allant loger et demeurer chez leurs beaux peres, ou
chez leurs femmes." Encycl. meth. , jurispr., unter Gendrage (von Garran de
Coulon) Michelet S. 265. Brunet S 172.
* Automne tit. 8 S 1 (art. 81) S. 477: . . . ,,Le different qui estoit entre
les habitans de Montmalier. fauxbourg de Limoges, et les Augustins, n'est
pas hors de propos. La coustume estoit de tout temps que les nouvelles
mariees et les nouvelles accouchees payoient un escu, plus ou moins, selon
leur qualite. Les habitans cedcnt ce droit aux Religieux des Augustins: un
102 Kapitel 19. Heirathsabgaben iii Frankreich.
Querci. Die Eiuwolmer der Stadt Fons stritten mit dem
dortigen Kloster iiber eine hergebrachte Getreideabgabe, die das
Kloster bei jeder Heirath in der Stadt begehrte; die Einwohner
wollten dieselbe bloss dann leisten, wenn der Prior auf Yerlangen
seine Sanfte hergabe, um die Braut zur Kirche zu tragen. Dieser
Streit ward durch schiedsrichterliches Urtheil des Juristen Geraud
de Sabanac am 30. Dec. 1296 (ultra petitum) dahin entschieden,
dass die Abgabe fiir die Zukunft ganzlich wegfallen sollte *.
Languedoc. Ein Urtheil des Parlaments zu Toulouse
vom 20. Juli 1468 entschied, dass dem Armand de Polignac, als
Prior des Klosters im Marktflecken Dumiere-, bei Heirathen,
die in der Ortskirche von Ortsangehorigen geschlossen wurden,
AYein, Brot und Speck oder gesalzenes Fleisch in der durch das
Urtheil bezeichneten Menge zu liefern war ^.
Bigorre, Nach einer Urkunde vom 1. Juli 1313 hatten
die Einwolmer des Thales von Lavedan dreissig Sous zu zahlen,
wenn sie einen Sohn oder eine Tochter ausserhalb der Herrschaft
verheiratheten '^.
des habitans s'estant phxiiict de ce droict cede. fait assigner un nomme Duran
pour ]3ayer ce droict, parce que sa femme s"estoit accouchee; les Augustins
prennent la cause pour Duran, qui refuse payer. Par sentence du Seneschal
est ordonne que Duran payera ledit droict; mais inhibitions sout faictes aux
Augustins d'exiger ce droit qu'on appelle en ce lieu droit cle couillage. Appel
en la cour. Par arrest de Bourdeaus, du mois de fevrier 1620, plaidans
Cotsage-le-jeune et Ardent, president M. de Gourgue, l'appel et ce dont a
ete appelle est mis au neant, et inhibitions sont faictes aux Augustins d'exiger
ce droict." Ohne Grund finden Delpit (S. 88, 89) und Labessade (S. 27 Nr. 60
und S. 43) in vorstehender Urkunde einen Beweis flir das Herrenrecht der
ersten Nacht.
1 Urk. V. 30. Dec. 1296, bei Veuillot 2. Aufl. S. 298, 299 (aus einer Mit-
theilung von M. Lacabane): „Item super eo quod predicti Prior et Conventus
dicebant et asserebant, se habere et se fuisse in sazina et possessione ab an-
tiquo habendi et levandi unum sestarium razum avenae a quolibet nubente
in dicta villa. Dictis consulibus in contrarium asserentibus et dicentibus
dictum Priorem esse in sazina percipiendi dictum sestarium avenae, razum ad
niensuram veterem, tamen ab illis tantum quibus requisitus accommodabat
suum palefredum ad portandam sponsam ad ecclesiam et non ab aliis." L'arbitre
abolit la coutume: „Item quod prefati sint quiti et liberi deinceps a presta-
tione dicti sestarii avenae ratione nuptiarum et ab aliis quae praedicto Priori
occasione praedicta prestare consueverunt." Diese Urkunde erwahnen Delpit
(S. 106, 107) und Labessade (S. 28 Nr. 65 und S. 43) ohne Grund als einen
Beweis fiir das Herrenrecht der ersten Nacht.
^ Duniere in Languedoc?
* Urth. Parl. Toulouse v. 20. Juli 1468, bei Dueaiige uiiter Plat nuptial.
* Lagreze 1864, S. 129.
Kapitel 20. Heirathsabgaben In Bolgien. 103
Ein Ueberblick iiber alle erwalmten Heirathsabgaben, die
im Gebiet des heutigen Frankreich erhoben wurden, bietet keine
Yeranlassung, an eincn unsittlichen Ursprung derselben zu denken.
C. Hoiratlisabgabeu iii «leii Xiederlaudeii.
1, Belgiex.
Kapitel 20. Nach Inhalt einer vom 5. April 982 datirteu
unachten Urkunde, die etwa im zwolften Jahrhundert angefertigt
sein mag, bestatigte Kaiser Heinrich I. die durch den hl. (ierard
gegriindete Stiftung der Abtei Bronium (Brogne) im Bisthum
Namur ; danach soUte der Abt ausser andern Einkiinften auch
Anspruch auf die Heirathsteuern (abmatrimonia) haben, welche
bis dahin dem Stifter zugestanden hatten ^ Der im Jahr 977
oder 982 gestorbene Grraf Eilbert verschenkte seine Herrschaften
theils an seine beideu Stiefsohne Grottfried und Arnulph, theils
an die Kirche und Abtei zu Wassiors (Walciodurum) , mit der
Bestimmung, dass die Horigen dieser verschiedenen Herrschaften
bei wechselseitigen Heirathen von der unter dem Namen „bathi-
nodium" hergebrachteu Steuer ebenso befreit sein sollten , als
wenn die getheilten Gebiete noch eine einzige Herrschaft bil-
deten 2. Das \Yort bathinodium erinnert an badimonium, vadi-
monium oder Beddemund ^. Auch kann es aus ^bat" (Nutzen)"^
» Urk. V. 5. April 932, bei Miraeus, Cod. Don. S. 123—126: Mon. Germ.,
Diploniatum Regum et Imp. tom. I Nr. 43, S. 77—79: . . . .,Et in hiis locis
et in omnibus quae possidet concedimus et confirmamus ei bannum et justiciam,
impetum et burinam, ictum et sanguinem reperturum, pergum regium, fora,
thelonia, vicecomitatum, wagaria, rectum et non rectum, vectigalia, et quidquid
pertinet ad judicatum, integritatem Reipublicae, et incolumitatem, et campestria
et silvestria jura, et mortimanus suas et abmatrimonia tam libere in sem-
piternura possideat, sicut fundator ipsius loci, nobili prosapia natus, ante con-
versionem suam possederat." Ueber die Unachtheit dieser Urkiinde vgl. Stumpf
S. 6; Mon. Germ., Dipl. Reg. et Imp. Bd. 1 S. 77; G. Waitz Bd. 5 S. 237.
2 AA. SS. 30. Aprilis, Bd. 3 S. 821, 822, de S. Forannano, cap. 3 § 21: . . .
„Constituit praeterea quatenus ex his duabus partibus et potestatibus, quasi
gens una et populus unus, sibi invicem familiae baererent, et sine exactione
contrarii et bathinodii quaestu Florinensis homo ex Walciodorensi potestate
mulierem sumens, legitime sibi parem ducat; sicut versa vice similiter Wal-
ciodorensis, de Florinensi potestate mulierem sumendo, faciet.'" Vgl. Dalrymple
Bd. 1 S. 321; Bonnemere Bd. 1 S. 59; Labessade S. 23 Nr. 41 und Nr. 42.
3 Vgl. Kap. 22 S. 125-128. G. Waitz (Bd. 5 S. 237) sagt iiber badi-
monium : „Es ist wohl Uebersetzung von beddemund, nicht umgekehrt."
* Gothisch „botan"; in dem plattdeutschen und alemannischen Ausdruck
„es battet nichts"', d. h. es niitzt nichts, erhalten.
104 Kapitel 20. Heiralhsabgaben in Belgien.
und „Nod" (Genosse) hergeleitet und danach als Nutzen von
Genossen (Eheleuten) erklart werden. Offenbar verfehlt ist die
Meinungi, bathinodium konne mit „Bed-nood" iibersetzt und fur
eine Steuer zur Ablosung des beriichtigten Herrenrechts gehalten
werden.
Durch Stiftungsurkunde vom Jahr 1133 erwarb der Abt des
im selben Jahr gegriindeten Pramonstratenserklosters zu Tongerlo
von der adeligen Dame Alpeda das Recht, von ihren Nachkommen
bei deren Heirath sechs Pfennige zu beziehen ^, Im Jahr 1173
schenkte Walter von Mauretanien, Bischof von Laon, dem Stift
zu Tournai die Leibeigenen, die er im dortigen Gebiet hatte,
mit der Bestimmung, dass dieselben bei ihrer Heirath zwei Sous
an das Stift zu zahlen hatten ^. Li einer Lrkunde vom 29. Mai
1243 erklarten der Burgvogt (Chatelain "*) Hugo von Gent und
dessen Gemahlin Maria die Freilassung ihrer Leibeigenen zu
Gunsten der Marienkirche zu Antwerpen ; und die Freigelassenen
begaben sich mit ihrer I^achkommenschaft in Horigkeit dieser
Kirche, mit der Yerpflichtung, bei jeder Heirath sechs Pfennige
an die Kirche zu zahlen ^. In einer iihnlichen Urkunde vom
Jahr 1251, die von (^emselben Hugo, Yogt von Gent, herriihrt,
wurde die Abgabe von der Heirath ebenfalls auf sechs Pfenniffe
1 AA. SS. 30. aprilis, de S. Forannano, Bd. 3 S. 822 : „Bathinodium . . . intelligo
quod nos leniori dialecto Bed-nood possemiis dicere, quo significetur redimendi
concubitus sive lecti necessitas : quae inter servos glebae ut vocant (quales
etiam in Belgio olim erant rustici et adhuc multi sunt in Frisia et Germania)
et dominos eorum intercedebat". . . . Ducange unter Bathinodium. Le Si^cle
du 26 sept. 1854. Labessade S. 96.
2 Urk. V. 1133, bei Miraeus, Not. eccles. cap. 144, S. 383, 384: ... „tam
viri quam feminae singulis annis pro capitali censu unum denarium Antwer-
piensis monetae, in Nativitate B. Mariae, saepe dictae ecclesiae persolvere
debeant, et sex de matrimonio contrahendo , et sex in obitu , ejusdem mo-
netae" . . . Vgl. Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 25; G. Waitz Bd. 5 S. 239.
3 Urk. v. 1173, bei Miraeus, Don. Belg. lib. 1 cap. 71, S. 144: „De uno-
quoque eorum, tam servo quam ancilla, habebitis annuatim sex denarios cen-
suales, et de mortua manu duos solidos et cle maritagio duos solidos." Dar-
aus: v. d. Schelling Bd. 1 S. 141; Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 25.
* Chatelain war in Flandern ein Beamter, welcher ein militiirfsches und
zugleich richterliches Amt als erbliches Lehen besass. Warnkonig Bd. 1
S. 357.
5 Urk. v. 29. Mai 1243. bei Miraeu.s, Dipl. Belg. lib. 2 cap. 88, S. 396: . . .
,,Manumissi autem singuli, in praesentia nostra, obtulerunt semetipsos dictae
ecclesiae, cura omni posteritate sua, ad duos denarios Flandrcnses solvcndos
annuatim in Assumptione B. Mariae nomine censiis capitalis. ct qiianfJu iiubiint
sex denarios Flandrenses, duodecim vcro quando moriuntur." Daraus: Du-
cange unter Capitale.
Kapitol '20. Ileirathsabgaben in Helgien. 105
festgesetzt ^. Am 2, Januar 1314 verkiindete Sigerius von Liede-
kercke, als Herr dc Boulario, in der Hadrianskirche zu Geraldi-
monte die Freilassung- seiner namcntlicli bczeiclmeten Leibcigenen,
die er in den Dienst der genanntcn Kirclie iibergab, mit der
Bestimmung, dass sie, ausser andern Abgabcn, bei ihrer Hcirath
sechs Pfonnige an dic genannte Kirche zu entrichten hattcn ^.
Neununddreissig (in einer Sammkmg von sechshundert und
siebzehri) Urkunden aus der Benedictinerabtei Sanct-Trond (im
Bisthum Liittich) enthalten Bestimmungcn iiber Heirathsabgaben.
Yon diesen Urkunden stammen drei aus dem elften, sechzehn
aus dem zwolften und neunzehn aus dem dreizehnten Jahrhun-
dert, dagcgen keine aus spiitercr Zeit'; von densclben wurden
acht zur Zeit des Abts Wiricus (1150 — 1180) und achtzehn zur
Zeit des Abts Christian (1193 - 1222) aufgenommen. Durch diese
L"rkunden wurde entweder den darin bezeichnetcn Personen das
Recht der Altarhorigkeit zuerst bewilligt, oder auf ihr Ansuchen
festgestellt , dass sie schon von altcrcr Zcit lier der Abtci an-
gehorten. Dafiir hatten dicse Altarhorigcn , ausscr eincr Kopf-
steuer mit jahrli<h eincm Pfennig, zumeist noch andere Steuern,
darunter auch Heirathsabgaben ^, zu entrichten. Yiele dieser
Altarhorigen hatten bei jcder Heirath unter Gcnossen ncun Pfcn-
nige (fiir die Heirathserlaubniss) zu zahlen ^. Fiir Hcirathen un-
* Urk. V. 1251. bei Lauriere unter CuUage : „Ita quod singulis annis in
Festo beati Bertulphi duos denarios de capite, sex de »iafyii)iO)iio , et duo-
decim de morte persolvant>"
2 Urk. V. 2. Jan. 1314, bei Miraeus, Don. Belg. lib. 1 cap. 129, S. 282: . . .
„et eosdem obtuli sub schola beato Adriano de Geraldimonte, servituros
ecclesiae de duobus denariis nomine census capitalis annuatim, ad matrimonium
de sex denariis, et ad mortem de duodecim, monetae Flandriae, et mihi vel
heredi meo, mediante meliori catallo, ab ipsis conferendo in morte ipsorum".
Daraus: Lauriere unter Cullage (mit dem Fehler 2 statt 6 Pf.) : Ducange unter
Capitale: v. d. Schelling Bd. 1 S. 141, 142.
' Dies kann jedoch nur unter Vorbehalt cines miiglichen Irrthums lie-
hauptet Averden
* In einigen andern Urkunden dieser Art aus dem dreizehnten Jahr-
hundert ist zwar die Kopfsteuer festgestellt , jedoch keine Rede von einer
Heirathsabgabe. Vgl. die Urkunden vom 24. Febr. 1227, vom 19. Marz 1242,
vom 4. Juli 1247 und vom Mai 1262, bei Piot Nr. 152, 172, 194 und 256,
Bd. 1 S. 187, 206, 194 und 307, 308. Daher scheint der Gebrauch, den Altar-
horigen von Sanct-Trond eine Heirathsabgabe aufzuerlegen, im Lauf des drei-
zehnten Jahrhunderts allmahlich ausser- Uebung gekommen zu sein. Aus
spaterer Zeit, als dem dreizehnten Jahrhundert, finde ich iiberhaupt keine
Urkunde aus Sanct-Trond iiber Rechte und Pflichten von Altarhorigen.
* Eine solche Abgabe ist in folgenden neunundzwanzig Urkunden erwiihnt.
106 Kapitel 20. Heirathsabgaben in Belgien
ter Ungenossen wurde nach einigen Urkunden, falls der Mann
zur 'Abtei gehorte, die Hohe der Heirathsabgabe durch den i^bt
nach freiem Ermessen bestimmt ^ Dagegen war durch einige Ur-
kunden des dreizehnten Jahrhunderts allgemein (ohne Beschran-
kung) eine Heirathsabgabe von neun Pfennigen festgesetzt ^, wo-
raus sich entnehmen liisst, dass die in diesen Urkunden bezeich-
neten Altarhorigen , sowohl Manner als Frauen, gegen Entrich-
tung der Abgabe berechtigt waren, sich nach freier Wahl mit
Genossen oder mit Ungenossen zu verheirathen ; und eine Urkunde
vom Jahr 1168 bestimmte ausdriicklich fiir jede Heirath, mochte
dieselbe unter Genossen oder Ungenossen geschlossen werden, eine
Abgabe von sechs Pfennigen ^. Andere Altarhorige waren ver-
pflichtot , bei Heirathen unter Ungenossen neun Pfennige zu ent-
richten'': woraus zu folffern ist, dass bei ihnen die Heirathen
aiis der Zeit von 1072—1075, 1088, 1129. 1152. 1150-1180 (zwei) , 1158
(zwei), 1172, 1180—1193, 1186, 1191, 1193—1222, 1200, 1208 (zwei), 1209,
1210 (zwei), 1211, 1212 (drei) . 1213, 1216, 1217 (zwei), 1222 und vom
14. Juli 1240, bei Piot unter Nr. 17, 20, 32, 60, 65, 66, 68, 69, 91, 101, 109,
111, 114, 117, 119, 120, 122, 124 bis 126, 129 bis 132, 135, 136, 138, 141
und 166, Bd. 1 S. 24, 27, 41, 83, 88, 89, 91. 92, 120, 139, 148, 151, 155,
157, 160—166, 168—170, 173-175, 177 und 201. In den meisten dieser Ur-
kunden ist der Mann (Brautigam) als der Zahlungspflichtige bezeichnet. Als
Empfiinger der Abgabe ist in den Urkunden Nr. 17 und 20 der Custos, in der
Urkunde Xr. 119 der Abt erwiihnt.
* Vgl. die Urkunden des Abts Nicolas von 1181 und 1186, bei Piot
Nr. 103 und 109, Bd. 1 S. 140 und 148. Auch die Urkunde des Abts Ro-
dulfus von 1129, bei Piot Nr. 32, Bd. 1 S. 41 , diirfte hierhin gehoren, da
dem Anschein nach im Abdruck, Seite 42 Zeile 5, ein Druckfehler (extra-
neum statt extraneam) vorliegt. Nach den oben Kap. 12 S. 60, 61 erwahnten
Urkunden bedurften die betrefifenden Manner zur Verheirathung mit einer
Ungenossin unbedingt der Erlaubniss des Abtes. Aus allen diesen Urkun-
den, die nur von ^lannern sprechen, ist zu folgern, dass die weiblichen
Altarhorigen, soweit jene Urkunden auf sie Anwendung fanden, iur Heirathen
mit Ungenossen keine Abgabe zu zahlen hatten. Dieser Unterschied erklart
sich dadurch, dass in dem einen Fall eine fremde Frau durch Verheirathung
in die Altarhorigkeit eintrat, dagegen ira andern Fall eine Altarhorige durch
Verheirathung mit einem fremden Mann aus der Altarhorigkeit ausschied,
und dass nach Inhalt aller hier einschlagigen Urkunden die Zugehorigkeit
zur Abtei Sanct-Trond als ein werthvoUes Recht betrachtet wurde.
^ Vgl. die Urkuiiden des Abts Christian von 1212 und 1217 und des Abts
Heinrich vom 29. .luli 1270, bei Piot Nr. 128, 137 und 277, Bd. 1 S. 167,
174 und 342.
^ Urk. des Abts Wiricus v. 1168, l)ei Piot Nr. 86, Bd. 1 S. 113, 114: ... ..pro
licentia nubendi sive intra sive extra potcstatem sex denarios debeant dare'^
* Urk. von angeblich 1150 (vermuthlich 1160) bei Piot Nr. 73, Bd. 1 S. 96.
Urk. des Abtes Thomas vom 10. April 1241, bei Piot Nr. 170, Bd. 1 S. 205.
Kapitel 20. Heirath?abgaheii iii l?olgien. 107
unter Genossen keiner Abgabe unterlagen. Einige Altarhorige
hatten nach ausdriickliclier Bestimnmng bei Heiratlien unter Ge-
nossen Nichts zu zahlen K Dass unter den Altarhorigen von
Sanct-Trond einige Mauner selbst bei Verheirathung mit Un-
genossinnen keine Abgabe zu entrichten hatten, ist zwar in kei-
ner Urkunde (aus der Zeit bis zum dreizehnten Jahrliundert)
direct ausgesprochen, ergiebt sich jedoch aus den ini Kapitel 12
(Seite 62 Anm. 1) ervvahnteh Urkunden.
Aus dem vorstehenden Bericht erhellt die Unmoglichkeit,
die in den angefiihrten Urkunden aus der Zeit vom elften bia
vierzelinten Jalu-hundert bezeichneten Heirathsabgaben auf einen
unsittlichen Ursprung zuriickzufuhren, da sie durch jene Stiftungs-
urkunden zu Gunsten von Klostern , Stiftern oder Kirchen be-
griindet wurden.
Nichtsdestoweniger behaupten einige Schriftsteller, es hatten
in Belgien Abgaben bestanden, die aus Ablosung des Herrenrechts
der ersten Nacht herriihrten. Schon Hector Boeis (Boethius) fugt
seiner Nachricht iiber das von Konig Evenus erlassene und
von Konig Malcolm III. aufgehobene Gesetz hinzu^: „Etwas
Aehnliches geschieht in einem Flecken nicht weit von Lowen,
W'0 der Brautigam die Schandung der Braut vom Yorsteher
des Orts ablost; nirgends hat es jemals eine unerhortere Knecht-
schaft gegeben." ^ Diesen Satz haben die Bollandisten ''^ und
mehrere neuere Schriftsteller ^ wiederholt. Boxhorn bemerkt im
Anschluss an die Erklarung, die Skene von der Marcheta mulierum
giebt: „Solche Abgaben werden bei uns in Belgien in einigen
Bezirkeu noch heutzutage an die Herren der Ortschaften be-
zahlt." '^ Keysler sagt: ^Solche Abgaben, Reste der zollpflichtigen
Keuschheit, bestehen noch iiberall in Belgien." ^ Die Bollan-
disten meinen, Spuren jenes beriichtigten Herrenrechts fanden
sich noch in mehreren Ortschaften Belgiens (sowie in Friesland
1 Vgl. die Urkunden von 1095 und 1165, bei Piot Nr. 21 und 83, Bd. 1
S. 28 und 110. Im Wesentlichen gleichbedeutend und nur in der Fassung
verschieden ist die oben Kap. 12 S. 60 erwilhnte Bestimmung , wonach einige
Altarhorige von Sanct-Trond zu Heirathen unter Genossen keiner Erlaubniss
des Abts bedurften.
^ Vgl. dariiber Kap. 40.
3 Boethius lib. 12 fol. 260.
* AA. SS 10. junii Bd. 2 S. 332. -
5 Delpit S. 64. Labessade S. 23 Nr. 40.
^ Boxhorn, Anm. zu Suetonius lib. 4 n. 40
' Keysler § 64 S. 487.
108 Kapitel 21. Heirathsabgaben in Holland.
und Deutschland), ^wo gesagt wird, dass die Bauern das Reclit
der ersten Nacht durch eine Abgabe vom Grundherrn einlosen.
Obwohl namlich das Christenthum den abscheulichen Missbrauch
des alten Heidenthums abgeschafft hat, nach welchem der erste
Beischlaf dem Herrn iiberlassen wurde, so blieb doch der An-
spruch auf eine bestimmte Geldsumme, die der Brautigam zur
Anerkennung des Herrenrechts zu zahlen hatte ; unter Aenderung
des Eechts, soweit es mit der Religion in Widerspruch stand,
bleibt die Bezeichnung des alten Rechts iu der Redeweise." ^
Dieser Irrthum erklart sich dadurch, dass die Erzahlung des
Hector Boeis iiber ein Gesetz des Konigs Evenus IH. von Schott-
land^ ohne Priifung als wahr angenommen wurde, und dass sich
daran noch die ungerechtfertigte Folgerung kniipfte, die Heiraths-
abgaben miissten in Belgien ebenso wie in Schottland durch Ab-
h"5sung jenes Rechts entstanden sein.
2. HOLLAND.
Kapitel '21. In eiuem Zusatz zu Reygersberg's Chronik von
Seeland, bei Beschreibung der Stadt Cortgene, findet sich folgender
Zusatz von M. Smalle'gange (1696): „Es wird gesagt, der Herr
von Cortgene liabe seit ganz alten Zeiten das Recht iiber die
Jungferschaft aller Braute, die in sein Gebiet kamen, um zu hei-
rathen; dies Recht pflege mit Geld abgelost zu werden." ^ Gargon
(1717) schreibt dariiber: „Der Herr von Cortgene hatte in alten
Zeiten das Jungferschaftsrecht von allen Tochtern, die auf seinem
Gebiet heiratheten, welches Recht mit Geld abgekauft wird." ^*
Adrian Pars berichtet: „Eins der wunderlichsten Yorrechte,
welches in AViderspruch mit den christlichen Grundsatzen einige
alte Herrschaften in unserm Land angeblich gehabt haben, ist
das vom ersten Beischlaf bei den Brauten, die dort heiratheten,
auch Brautgeld genannt. Dasselbe soll in Schagen, Suidwijk,
Yoshol (mit Einscliluss der vier Ortschaften Swammerdam, Lan-
' 1 AA. SS. 30. aprilis Bd 3 S. 822. Neuere Schriftsteller (vgl. oben Kap. 8
S. 44) haben diese Meinung der Bollandisten arg entstellt.
- Vgl. dariiber Kap. 40.
^ Smallegange 1. Deel, 5. boek, 3. hooftdcel, S. 621: ,,De Heer van Cort-
gene word geseit. van over gants oude tijden het Recht te hcbben over de
Maegdoni van alle de Vrysters die onder zijn gebied komcn te trouwen, 't wclk
met eenig geld geredimeert pleeg te worden.'''
•* Gargon Bd. 2 S. 221 : „De Heer van Cortgene had ouds tijds het Maagdom-
recht van alle Dochters, die onder zijn gebied trouwden, het geen met geld
wierd afgekoclit."
Kapitel 21. Heirathsabgaben in Hollaiid. 109
geraar, Korteraar uiul Rewijk), Sluipwijk, Tempel, Roou, Kort-
gene und verschiedenen anderu Ilerrscliafton bestanden haben,
die von der graflichen Rechenkamnier angeblich aufgeziihlt werden
konnen; dies Recht sollen die Staaten mit einer bestimmten
Geldsumme abgekauft haben, die an den Herrn jeder Ortschaft
zu zahlen war." ^ Eine ausfiihrliche Abhandlung iiber denselben
Gegeustand hat P. van der Schelling im Jahr 1727 verofFentlicht ^.
Danach soll das jus primae noctis zur heidnischen Zeit einge-
fiihrt und in Geltung gewesen sein, uamentlich in der Herrlich-
keit Yoshol, wozu die Ortschaften Zwammerdam, Langeraar, Kor-
teraar, Reewyk, der Tempel (eiu Gehoft, ungefahr eine Yiertel-
stunde von Reewyk), Middelburg und andere gehorten; auch in
Zuidwyk, das ebenso wie das erw-iihnte Middelburg den Herren
von Breederode gehorte, ferner in den Herrlichkeiten Schagen,
Sluipwyk und Rhoon; ausserdem nach Meinung einiger Schrift-
steller in den (vielleicht zu einer Herrlichkeit, unter Johann von
Oldenbarneveldt, vereinigt gewesenen) drei Ortscliaften Berkel,
Rodenrys und dem Tempel bei Rodenrys (obwohl van der Schel-
ling annimmt, dass diese Meinung auf eine Yerwechslung mit
dem Tempel bei Reewyk zuriickzufiihren sei); ferner in Nord-
holland und in einigeu Herrlichkeiten von Zeeland, namentlich
in dem Orte Cortgene. Yan der Schelling meint, nach Annahme
des Christenthums sei jenes heidnische Recht in den genannten
Herrschaften abgeschafft oder vielmehr durch eine Geldsumme,
die Brautschatz oder Brautgeld hiess, abgeliist worden;
^ Pars S. 182, Katwijkse Oudheden : . . . ,.En van de wonderlijkste Voor-
regten (met het Kristendom gants niet overeenkomende) waar van men leest,
dat enige oude Heerlijkheden in ons Land souden gehad hebben, is dat van
de eerste Bijslaap bij de Bruiden, dewelke aldaar trouden. ook genannt, het
Briiitgeld. Gelijk dat soude geweest sijn. in de Heerlijkheden van Schagen,
Suidwijk, A^^oshol (in sig begrijpende nog 4 Plaatsen, als Swammerdam,
Langeraar , Korteraar , en Rewijk) , Sluipwijk , Tempel , Roon , Kortgene ens.
als mede verscheide andere, die op de Gravelijksheids Rekenkamer soude
kunnen werden opgesogt, het welk de Staten hebben doen afkopen met een
seker stuk Gelds , aan den Heer van jeder plaats te betalen. Pr. de Nein,
Lusthov der Huwelijken". . . . Vgl. Bayle unter Sixte IV, Bd. 4 S. 224,
Anm. H, Note 56 (wo eine altere Ausgabe von Pars citirt ist). Raepsaet
3. Ausg. S. 23. Veuillot (2. Aufl ) S. 248. Noordewier S. 160. Liebrecht
1869, S. 811, ebenso 1874, S. 140 und 1879, S. 418, 419. — In der vor-
stehenden Stelle bezeichnet der Ausdruck „de Staten'' (die Staaten) die Be-
horden der einzelnen Provinzen, also nicht etwa, wie Liebrecht (1869, S. 811,
auch 1874, S. 140 und 1879, S, 419) annimmt, die Generalstaaten.
2 Schelling Bd. 1 S. 142—150, §§ XII— XVIL
110 Kapitel 21. Heirathsabgaben in HoUand.
dies sei der Ursprung mancher Abgaben, die noch zu seiner
Zeit bestanden. Er beriehtet, dass eine solche Abgabe in der
Herrlichkeit Voshol sechzig Gulden einbrachte, ferner dass noch
in den Jahren 1676 und 1703 die Herrlichkeit Voshol mit dem
erwtihnten, zum Tempel gehorigen sogenannten Recht offentlich
feilgeboten und verkauft worden sei; und dass die bis zu seiner
Zeit aufbewahrten Bekanntmachungen der Kaufbedingungen eine
Beschreibung jenes Rechts enthielten. Ueber Cortgene schreibt
van der Schelling: Wo das Dorf Cortgene in Nord-Beverland
(oberhalb der Stadt Zierinczee, Hauptstadt der Insel Schouw^en)
liege, habe friiher die alte Stadt Cortgene gestanden; dieselbe sei
bei der grossen Ueberschwemmung von Allerheiligen 1532 (worin
72 Dorfer Siidhollands zerstort wurden, und Tausende von Men-
schen das Leben verloren) ganzlich vertilgt worden * ; zu den
Vorrechten dieser friiheren Stadt habe, wie die alten Chroniken
von Zeeland meldeten, „das beschriebene sogenancte Keeht oder
die Ablosung oder der Freikauf von demselben" gehort.
Aus allen diesen Berichten geht deutlich hervor, dass sie
von einer Sage sprechen, die den Ursprung einer unter dem
Namen ^Brautgeld" >hergebrachten Heirathsteuer durch Ablosung
eines heidnischen Rechts erklarte. Diese Sage hielt van der
Schelling im Allgemeinen fiir glaubwiirdig, indem er nur im
Einzelnen auf einige Irrthiimer aufmerksam machte. Im sieb-
zehnten und achtzehnten Jahrhundert war eine solche Sage nicht
auffallend. Sie wiirde ein erliebliches Interesse nur dann haben,
wenn sie schon vor der Zeit von Hector Boethius entstanden
Aviire. Dies ist aber weder bewiesen, nocli zu vermuthen. Viel-
mehr erwahnt van der Schelling ausdriicklich den Bericlit des
Hector Boethius iiber das in Schottland von Konig Evenus ein-
gefiihrte und von Malcolm III. abgeanderte siindhafte Recht, um
nachzuweisen, dass es nicht wunderbar sei, wenn das niimliche
Recht auch in Holland zu heidnischer Zeit gegolten habe ^. Nun
kann aber jener Bericht des Hector Boethius auf Glaubwiirdigkeit
keinen Anspruch machen ^. Damit zerfiillt die Grundlage der
Meinung*, dass jene Sage iiber den Ursprung der holliindischen
Heiratlisteuer geschichtlich beglaubigt sei.
1 Vgl. dariiber Smallegange S. 621 (aus Boxhorn); Gargon Bd. 2 S. 221.
2 Schelling Bd. 1 S. 146—150, §§ 16 und 17.
^ Ygl. unten Kap. 40.
* Liebrecht 1874, S. 140. Labessade S. 23 Nr. 43—46. Liebrecht 1879,
418.
Kapitel 21. Heiratlisal.c,r;iben iii IIoUaiHl. 111
Gerard van Loon hat dic Ausfiihrungen van der Schelling's
einer Kritik unterzogen ^ Er fuhrt aus, die Annahme, dass bei
den Friesen, als sie noch heidniscli waren, das jus priniae noctis
bestanden hal)e, sei oine blosse Vernmthung, wofiir nicht der
mindeste Beweis aus dem Alterthum beigebracht werden konne;
eine solche Vermuthung stehe mit den Nachrichten des Alter-
thums in Widerspruch, insbesondere mit den Nachrichten von
Tacitus iiber die Sitten der Germanen und mit dem Inhalt der
alten friesischen Gesetze. Ferner fanden sich in den Predigten,
die der hl. Bonifatius zur Bekehrung der Friesen hielt, scharfe
Riigen gegen mancherlei heidnische Gebrauche , z. B. gegen
Verehrung heiliger Haine und gegen Unzucht im Allgemeinen,
dagegen keine Bemerkungen oder Andeutungen iiber das jus
primae noctis, was unerklarlich sein wiirde, wenn dasselbe da-
mals bei den heidnischen Friesen in Geltung geweseu ware.
Zudem sei es unglaublich, dass ein solches Recht in der christ-
lichen Zeit (unter frankischer Herrschaft) abgelost worden sei.
Die frankischen Konige wiirden gewiss kein Losegeld fiir Ver-
zicht auf Ausiibung jenes heidnischen Rechts gefordert haben.
An andere Herren kcJnne nicht gedacht werden, weil es zur fran-
kischen Zeit noch keine Herren der einzelnen Herrlichkeiten
gab. Alles dies ist vollkommen richtig.
Van Loon stellt seinerseits eine andere Vermuthung iiber
den Ursprung der niederlandischen Heirathsabgaben auf^. Er
meint, die Vorschrift des vierten Concils von Carthago iiber die
Enthaltung, welche die neuvermahlten Ehegatten in der ersten
Nacht beobachten sollten ^, sei durch die Gesetze der frankischen
Konige nicht allein bestatigt, sondern nach dem Vorbilde des
jiingeren Tobias auf drei Nachte ausgedehnt worden; diese Ge-
setze hatten in den Niederlanden seit dem zwolften Jahrhundert
die Abanderung erfahren, dass den Brautleuten gestattet wurde,
durch Zahlung einer Gebiihr Dispens von jener Vorschrift
zu erlangen. Dadurch, meint van Loon, seien die Heirathsab-
gaben entstanden. Sir David Dalrymple halt diese Erklarung
fiir befriedigend ^. Sie ist jedoch schon deshalb unhaltbar, weil
die fragliche Stelle, worauf van Loon und Dalrymple sich be-
1 Loon 3. Theil, 15. Hauptstuck, S. 158 — 165. Daraus : Dalrymple Bd. 1
S. 326, 327.
2 Loon 3. Theil, 5. Hauptstiick. S. 165—168. Daraus: Dalrymple Bd. 1
S. 324, 327, 328.
3 Vgl. daruber uiiten Kap. 27 S. 152.
♦ Dalrymple Bd. 1 S. 329.
-[12 Kapitel 21. Heirathsabgaben in Holland.
zielien, nanilich Capitularium lib. 7 cap. 463, kein frankisches
Gesetz ist, sondern von Beuedictus Levita herriihrt ^
Yoet berichtet, dass in einigen Theilen von Geldern und
Ziitphen und an andern Orten gewisse Grundherren von ihren
Horigen eine Geldsumme „zur Einlosung des Rechts des ersten
Beischlafs" erhoben ^. Der Zusammenhang dieser Stelle handelt
von Besthauptrecht, Frohndiensten und Yerbot ungleicher Hei-
rathen. Yielleicht meinte Yoet, gewisse Geldabgaben bei un-
gleichen Heirathen (forismaritagium) wiirden „zur Einlosung des
Rechts des ersten Beischlafs" erhoben, obwohl dies nicht deutlich
ausgedrlickt ist. Ein derartiges Missverstandniss kann nicht auf-
fallen, da zur Zeit Yoet's die Sage von einem vergangenen Herren-
recht der ersten Nacht schon weit verbreitet war. Ebenso erklart
sich die Erzahlung von Tollius, er habe vor einigen Jahren am
Thor vou Mastricht die Bekanntmachung einer Herrschaft iiber
verschiedene Yorrechte gelesen, darunter auch iiber das Recht,
die neuvermahlten Ehefrauen zu defioriren, das jedoch mit Geld
abgelost werden konnte'.
Es hegt also keiu Grund zu der Annahme vor, dass hollandische
Heirathsabgaben auf ^eiuem veriichtlicheu Ursprung beruhten^.
' Pertz Bd 2 S. 132. Walter, C. J. Bd. 2 S. 774. Vgl. Kap. 27 S. 152.
- Voet lib. 1 tit. 5 de statu hominum § 3 S. 120: . . . „quippe quibus
defunctis pro usu regionis cujusque vario succedit dominus in quandam
mobilium partem, imponit certis temporibus operas manu aut jumentis prae-
standas, mulctas illiciti conjugii ab illis exigit, quoties non de ejusdem con-
ditionis hominibus matrimonium inierint, pecuniam in redemtionem juris primi
concubitus accipit". . . . (bei Auslegung dieser Stelle fragt es sich , ob die
Worte ,,quoties" bis „inierint" auf das Vorgehende oder auf das Xachfolgende
zu beziehen sind). Daraus: Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 28 S. 379; Pertile
Bd. 3 § 89 Anm. 75 S. 53.
3 Tollius zu Lact. de mort. pers. cap. 38: . . . „Apud nos autem Tra-
jectinae portae affixam proscriptionem nobilis dominii ante aliquot annos legi,
quae inter cetera jura et privilegia jus etiam deflorationis novarum nuptarum
continebat, quae tamen pecunia a domino loci posset redimi." Daraus: Gru-
pen § 14 S. 25.
* Einc solche Annahme ist unvereinbar mit einer Stiftungsurkuade vom
21. Juli 1050, die bei Heda S. 118—120 abgedruckt ist. Darin ubergab eine
freie Edeldame, Namens Berta, auf Rath des Bischofs Benno von Utrecht (des
heiligen Bernulphus) sich und ihre Nachkommen in Horigkeit an das neu-
gegriindete Sanct-Martinskloster zu Utrccht mit der Bestimmung, dass fiir
jede Heirathserlaubniss (ohne Unterschied von Genossen und Ungenossen)
zwolf Pfennige an das Kloster zu zahlen seien. . . . ,Jterum ne omnimodo sine
respectu vidcatur sancta Dei Ecclesia, pro licentia nubendi infra vel extra
concedere potestatem , dcntur sex denarii". . . . Vgl. Heineccius , Antiq.
Bd. 2 lib. 2 c. 9 § 14 und § 29; Grimm, R.-A. S. 383; Noordewier S. 160.
Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland. 113
I». Heiratli>abtraben in Dentschland.
Kapitel 22. Die ziemlich weit verbreitete Meinung, dass
deutsche Heirathsabgaben durch Abl()sung des jus primae noctis
entstanden seien ^, ist ebenso ungerechtfertigt, wie die Annahme ^
dass jenes Recht ausgeiibt worden sei, wenn die Abgaben nicht
bezahlt wurden. Beides ist mit dem Inhalt der Urkunden, wo-
durch Heirathsabgaben im Gebiet des Deutschen Reichs be-
griindet oder anerkannt wurden, schlechthin unvereinbar. Zum
Beweis dieses Satzes diene die nachfolgende Uebersicht iiber die
hier einschlagenden Stellen zahlreicher Urkunden aus dem Mittel-
alter und der Xeuzeit (S. 113 — 125). Auch bieten die besonderen
Namen ^, die in Urkunden oder Berichten fiir einzelne Heiraths-
abgaben gebraucht wurden und im zweiten Theil dieses Kapitels
(S. 125 — 136) zusammengestellt sind , durchaus keinen Grund
zu jener Yermuthung. Die in diesem Kapitel erwahnten Urkun-
den stammen zumeist aus Rheinland oder Westfalen. Es wiirde
leicht sein, aus Urkundensammlungen und Archiven der einzelnen
deutschen Liinder beide Yerzeichnisse betriichtlich zu vermehren.
Doch diirften die Mittheilungen der nachsten Seiten fiir die Auf-
gabe der vorliegenden Untersuchung geniigen.
]. Urhmden iiber Becjriindurtg und AnerJiennung von Heirailisahgahen.
Aus der Zeit vor dem zwolften Jahrhundert sind
nur wenige Urkunden iiber Heirathsabgaben veroffentlicht wor-
den*. Nach einer Urkunde, die sich auf die Zeit von 794 bis
800 bezieht, jedoch in der vorliegenden Form (nach Annahme
Lacomblet's) wahrscheinlich auf Grund einer alten Aufzeich-
nung spater niedergeschrieben ist, trat um jene Zeit eine freie
Frau , Namens Rikildis , in das Wachszinsrecht der Sanct-
Severins-Stiftskirche zu Koln ein , mit der Abrede, dass ihre
J^achkommen fiir jede Heirathserlaubniss sechs Pfennige an
den Altar-Kiister entrichten sollten '". Im Giiterverzeichniss der
^ Dieser Meiuung sind z. B. folgende Schiiftsteller des neunzehnten Jahr-
hunderts: Diimge (S. 20, 28), v. Hormayr (1832, S. 38 und 1842, S. 146),
Nork (S. 191, 192j, Delpit (S. 65, 66), v. Schmitz (S. 232), Post (S. 38),
Sugenheim (1861, S. 360), Kulischer (S. 224. 228).
2 Dies meint Labessade Nr. 47, S. 24.
» Vgl. dariiber auch Kap. 3 S. 13—15 und Kap. 18 S. 96.
■* Eine Urkunde von 1092 ist unten S. 131 erwahnt.
* Urk. von 794-800, bei Lacomblet Bd. 1 S. 9, 10, Nr. 15: ... „Pro
licentia uero maritali custodi altaris VI denarios" . . .
Schmiclt, Jns primae noctis. ' 8
114: Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
Abtei Priim, welches vom Jalir 898 datirt und mit einem Com-
mentar des Exabts Caesarius vom Jahr 1222 versehen ist, findet
sich die Bestimmung, dass zu Trittenheim eine Leibeigene bei
Yerheirathung mit einem auswartigen Mann zwei Hiihner, zehn
Eier und eine gewisse Menge Flachs und Leinsamen an die
Abtei zu entrichten habe *. In einer Schenkungsurkunde zu
Gunsten der Abtei Sanct-Maximin bei Trier aus der Zeit von
993 bis 996 ist verfiigt, dass die mitiibergebenen Leibeigenen
und ihre Nachkommen, wenn sie auswiirts heiratheten, ani Fest-
tag des hl. Maximin Wachs im Werth eines Pfennigs fiir die
Seele des Stifters an die Abtei entrichten miissten ^. In einer
Urkunde aus dem Anfang des elften Jahrhunderts erkliirt der
Bischof Burchard von Worms, gewisse Einnahmen der Gerichts-
barkeit, namentlich auch die aus den (unerwiinschten) Heirathen
von zinspflichtigen Mannern der Peterskirche zu Worms mit
AVeibern aus andern Herrschaften , seien bisher mit Unrecht zur
bischoflichen Kasse gezogen; deshalb weist er diese Einnahmen
fur die Zukunft dem Custos der genannten Kirche zu ^.
Dem zw(3lften Jahrhundert gehort die Mehrzahl der
Urkunden an , die \n neuerer Zeit iiber Heirathsabgaben ver-
uffentlicht sind'*. Am 4. Marz 1101 bestiitigte Erzbischof Rut-
hart von Mainz eine durch die Stiftsherren der Kirche zu
Fritzlar genehmigte Yerfiigung des Stiftsherrn Merbodo , wo-
nach derselbe mehrere Allodialgiiter nebst einer ihm eigenhori-
1 Reg. Prumiense. bei Beyer, Bd. 1 S. 100. Nr. 29: ,,Et si femina forinse-
cum hominem acceperit, solvit i^ullos II, ova X et de lino clauos II et de
lino semine bacinum I " Ygl. Potgies:^er S. 36.i. und Ducange iiber die Aus-
driicke Clavus und Baccinus.
2 Urk. V. 993—996, bei Beyer, Bd. 1 S. 327. Nr. 272: ... ,,mancipia quo-
que que trado et posteri eorum. si in eadem villa sederint uel nupserint. tali
libertate et seruicio perfruantur. sicut cetera confessoris Christi inibi manens
familia. Si qui uero foris nupserint uel manserint, uel alias uagati fuerint.
unusquisque eorum in festiuitate s. Maximini persoluat unam denariatam cere
pro remedium anime mee'* . . . Ygl. Potgiesser S. 365.
3 Urk. des Bischofs Burchard von Worms fnach 1000). bei Mone, Anz.
1838, S. 443, 444: . . . „et si aliquis illorum. quod aon exoptamus. extraueam
mulierem fortuitu in suum conjugium duceret, quicquid justitiae inde dijudi-
caretur" . . . „Quae omnia . . . ad altare S. Petri apostoli "\Yormatiensis et
cjusdem altaris custodi cum communi consilio nostrorum fidelium restitui-
mus'- . . . Vgl. G. Waitz Bd. 5 S. 238.
* Bestimmungen iiber Ileirathsabgaben stehen auch (nach einer gefliUigen
Mittheilung dcs Ilerrn Geheimraths Dr. Harles.s) in ungedruckten Urkunden der
Abtei Brauwoiler von 1159 und des Quirinstifts zu Neuss von 1188, im Staats-
archiv zu Diisseldorf — Vgl. auch die rrkunden S. 126, 127 und 130.
Kapitel 22 Heirathsaljgaben in Deutschland. 115
gen Frau , Namens Mazzecha , und deren sechs Kindern an
die genannte Kirche iibergeben und dabei unter Anderm be-
•stimmt hatte, dass, so oft aus der Nachkommensehaft der ge-
nannten Mazzecha sich eine Frau rechtmiissig verheirathe, deren
Ehemann an den Oekonomen der Kirche zwei Schillinge zu
zahlen habe ^ Im Jahr 1114 traten mehrere freie Familien in
■das Wachszinsrecht der Kapelle des Grafen von Arnsberg ein;
hierbei verpflichteten sie sich fiir ihre weiblichen Nachkommen,
bei der Yerheirathung ein Losegeld von sechs 1'fennigen an die
Kapelle zu zahlen ^. Durch Urkunde des Abts AVibaldus oder
Wicboldus zu Corvey aus der Zeit von 1146 bis 1160 wurden
auf Ansuchen seines Dienstmanns Conradus de Kaminata zwei
Leibeigene, die zu dessen Beneficium gehurten, mit ihren kiinf-
tigen Nachkommen, in das Wachszinsrecht der Sanct-Dionys-
Kapelle zu Kemnaden aufgenommen, unter der Verpflichtung,
bei jeder Heirath zwei Schillinge an die genannte Kapelle zu
entrichten, wie in der Herrschaft der Abtei Corvey Gewohn-
lieit war ^. Conrad, Abt zu Corvey seit 1160, beurkundete
mehreren Personen, dass dieselben als freie Leute durch seinen
Torganger in das Wachszinsrecht der Marienkirche zu Kem-
naden aufgenommen seien, unter der Yerbindlichkeit, bei der
Yerheirathung zwei Schillinge an den Kiister der genannten
Kirche zu zahlen *, Im Jahr 1153 bestiitigte Erzbischof Ar-
nold 11. von Koln einen Vertrao-, wodurch Abt AVolbero von
1 Urk. V. 4. Miirz 1101. bei Kindlinger, Nr. 6, S. 228—230: . . . ,.Femina
liiijus posteritatis, si legitime alicui nubat. vir illius pro ea legitime habenda
i.i solidos Yconomo fratrum componat, et ex his, quae tum conveniens sit.
clementer persolvat." Vgl. Will S. 229; G. Waitz Bd. 5 S. 239.
2 Urk. V. 1114, l)ei Kindlinger. IM. B. Nr. 16, S. 99, und bei Seibertz Nr. 38,
'Bd. 1 S. 43, 44: ... „femina ex illa procreatione nubens .... sex dena-
Tiis redimat" ... In der Liicke mag, wie Kindlinger und Seibertz ver-
muthen. ,,pro Bedemund''' gestanden haben. Erhard, Reg. Nr. 1399, Bd. 1
S. 222, bezeichnet diese Urkunde als ,.ungemein -\vichtig fiir die Geschichte
-der Horigkeitsverhaltnisse".
^ Urk. des Abts Wiboldus zu Corvey v. 1146—1160. boi Kindlinger, M. B.
Nr. 28, S. 179, 180, und bei Sommer, Beilagen 43 und 44. S. 137, 138:
^ , . „ut per singulos annos ad idem Altare duos denarios vel tantum de Cera
persolvant . . , Yolumus autem, ut tam ipsae quam posteri earum et omnes
ad summum Monasterium pertinentes. sicuti duos persolvunt denarios, ita nu-
bentes duos persolvant solidos, quemadmodum apud nos consuetudo esf . .'.
* Urk. des Abts Conrad zu Corvey "(seit 1160). bei Kindlinger, M. B,
Nr. 30, S. 189—191, und bei Sommer, Beihige 45, S. 138. 139: ... ,,Cum ali-
qua femina illarum nupserit, sicut duos denarios ad altare, ita duos solidos
Custodi aecclesiae persolvat'" . . .
8*
116 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
Sanct-Pantaleon ein Grundstiick aiif Erbzins verliehen hatte: da-
naeh hatte jeder Besitzer dieses Grundstiicks fiir die Erlaubniss
zu einer rechtmassigen Heirath sechs Pfennige zu zahlen ^. Aus-
weislich einer Urkunde der Abtei Corvey voni 27. Februar 1153
iibergab Conrad von Natzungen mehrere leibeigene Weiber ari
den Altar Sanct-Yeit zu Corvey, niit der Bestimmung , dass die-
selben bei ihrer Verheirathung als Preis ihrer Schamhaftigkeit
(Keuschheit) zwei Schillinge an den Altar entrichteu miissten ^^
Durch Yertrag vom Jahr 1155 wurden zwei Schwestern, die zum
Hof Siirdt gehorten, aus diesem Hofverband entlassen und in die-
Altarhorigkeit der Sanct-Georg-Stiftskirche zu Koln aufgenommeny.
rait der Yereinbarung , dass ihre mannlichen Xachkommen fiir
die Erlaubniss zu einer rechtmassigen Heirath sechs Pfennige an.
den Stiftskiister zu zahlen hiitten, und dass Letzterer diese und
andere Abgaben an den Meier des Hofes Siirdt abliefern miisse ^>
Die Kammerlinge des Benedictinerklosters zu Liesborn hatten, nach
einer L"rkunde des Abts Franco vom Jahr 1166, bei Heirathen
mit Personen ihres Standes oder mit Dienstleuten ein Goldstiick.
oder ein Bockfell an das Kloster zu liefern ^ Im namlichen
1 Urk. V. 1153. bei Lacomblet Bd. 1 S. 261. 262, Nr. 378: . . . .,Si parl
suo nubere uoluerit, VI denarios pro licentia dabit."
- Urk. v. 27. Febr. 1153, bei Falke § 427, S. 657, und bei Erbard, Cod.
dipl. Th. 2 S. 51, Nr. 264: . . . .,Sed et quedam mancipia idera Conradus ad
seruiciura predicte festiuitatis altari beati Viti tradidit, quorum hec sunt no-
mina . . . qxiecunque istarum feminarum nupserit. pro precio pudicicie dabit
ad altare duos solidos" . . . Vgl. Halthaus unter Stechgroschen : v. Reynitzsch
S. 275, 276; v. Maurer Ed. 3 S. 169. 170; G. Waitz Bd. 5 S. 239. Die-
Meinung der beiden letztgenannten Schriftsteller , dass in den Worten ,.pro-
precio pudicicie^' eine Erinnerung an das jus primae noctis oder eine Hin-
deutung darauf zu finden sei , wird durch den Zusammenhang der Urkunde
widerlegt. G. Waitz hat bei den iiber diese Urkunde gemachten Bemer—
kungen iibersehen, dass sie bei Erhard ahgedruckt steht. Wegen des Da—
tums vgl. Erhard, Reg. Th. 2 S. 24.
3 Urk. v. 1155, bei Lacomblet Bd. 1 S. 265. Nr. 383: . . . ..ut si quis uir
de familia supra dictorum legitimam duxerit uxorem , ad ducendi licentiam
VI denarios persoluat custodi . . . Hec autem scilicet de licentia nubendi et
de meliori veste po.5t mortem seu viri seu feminae per custodem uillico pre-
fatae curiae pro darapni recompensatione lideliter assignentiir*' . . .
♦ Urk. V. 1166, bei Kindlinger Nr. 12, S. 240, 241, und bei Sommer Beil. 55,.
S. 181 : . . . .,\it de nuptiis unus tantum aureus vel pellis hercina . . .,
nostris utilitatibus proveniat . . . quamdiu uxores de sua condicione vel de
ministerialibus sibi copulaverint." Vgl. Grimm , R.-A. S. 379; Brinckmeier
Bd. 1 S. 307. — Ueber die Verschiedenheit des Gegenstandes von Heiraths-
abgaben vgl. Danz Bd. 6 S. 46, 47 (§ 5441: auch § 6 des Hofrechts des Amts-
hofes zu Loen. bei Sommer Beil. 54. S. 160: ..Item weret. dat eyne wer die
Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland. 117
Jahr wurden einige Familien, die keiner Horigkeit unterlagen,
in die Altarhorigkeit der Abtei Sanet-Pantaleon zu Koln aufge-
noramen, unter der VerpHichtung, Ijei jeder rechtnuissigen Heirath
sechs Pfennige zu entrichten, die zu zwei Dritteln dem Custos
und zu einem Drittel dem Magister der Abtei zufallen sollten ^.
Ira selben Jahr wurden durch Grafin Hedwig von Meer und
•durch deren Tochter Hildegund die Yerpflichtungen ihrer Ho-
xigen in mehrfacher Hinsicht erleichtert, namentlich auch in der
Weise, dass diejenigen Horigen, welche bisher fiinf Schillinge
fiir die Heirathserlaubniss zu zahlen liatten, fortan diese Er-
laubniss schon dann erhalten sollten, wenn sie nur sechs Pfennige
sn die Sanct-Laurentius-Kirche zu Meer zahlten ^. Die Eigen-
horigen des Klosterhofes zu Schwarzrheindorf wurden im Jahr
1172 in den Stand der Wachszinsigen erhoben, mit der Yer-
pflichtung eines jeden Mannes , der eine Genossin heirathete,
sowie einer jeden Frau, die sich mit einem Genossen oder Un-
genossen verehelichte, fiir die Heirathserlaubniss sechs Pfennige zu
zahlen ^. Nach einem Hofrecht vom Jahr 1175, welches Baltha-
sar von Biiren als Erbvogt des Oberhofs Hiininghof (Kirch-
spiel Ascheberg) im Jahr 1467 (bei seiner Belehnung durch den
Abt Heinrich zu Liesborn) besratigte, hatten die Leute des ge-
nannten Oberhofes bei ihrer Yerheirathung an die Kirche zu
Liesborn neun Pfennige zu zahlen, und zwar sechs an den Abt
und drei an den Kiister '^. In der Zeit von 1183 bis 1196
sick verander saten wolde vth dem Ampte , die is schuldig dem Ampte eya
Pf. Peppers, vnd Tegedere oer Recht so nha alss hie dingenn kahn."
1 Urk. des Abts Wichmann v. 1166, bei Lacomblet Bd. 1 S. 296. Nr.
425 : , . . ,,Pro licentia legitimarum nuptiarum VI denarii dabuntur totidem-
•que in obitu singulorum, quos ecclesie custos cum magistro eorum hoc modo
partietur, ut duae partes custodi. tercia uero magistro pro labore exactionis
sue proueniaf ...
2 Urk. V. 1166, bei Lacomblet Bd. 1 S. 288. Nr. 410: .. . ,.ut qui prius
pro contrahendi matrimonii licentia dabant quiuque solidos. eandem licentiam
datis sex denariis ecclesiae S. Laurentii in mere optineant'' . . .
3 Urk. der Abtei Schwarzrheindorf v. 1172, bei Lacomblet Bd. 1 S. 309.
310, Nr. 444: . . . „uir si mulierem ecclesiae nostrae ducat, pro nubendi
licentia VI denarios persoluat . . . Mulier uero cuicumque nupserit, pro licen-
tia VI denarios dabit." Die Manner bedurften zur Heirath mit einer Un-
genossin der ausdriicklichen Genehmigung der Aebtissin. Vgl. Kap. 12 S. 61,
Kap. 20 S. 106, auch Kap. 28 gegen Ende.
* Urk. V. 1175, erneuert im Decemb"er 1467 (am Donnerstag nach Mariii-
Geburt), bei Kindlinger Nr. 181, S. 604—607, und bei Sommer Beil. 49,
S. 149 — 151, Art. 6: „Ock wan se syck nemet to Echte . so soUen se negen
Pennynge brenge to Leysborne, dem Abbete VI. dem Kiister III Dr." Vgl .
118 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
iibergab ein Ritter Namens Udo an die Kapelle zu Remelinkrode
(Remlingrath) zwei seiner Eigenhorigen ■ mit der Bestimmung^
dass diese nunmehrigen Altarhorigen und ihre Nachkommen zu
jeder Heirath unter Standesgenossen derselben Kirche an den
Custos ein Ziegenfell oder neun Pfennige fiir die Heirathserlaub-
niss geben sollten, und dass sie zu jeder Heirath unter Unge-
nossen einer besondern Dispensation des Custos bediirften ^ Am
19. Juli 1186 erneuerte Erzbischof Philipp I. von Koln die in
einer verbrannten Urkunde verzeichnet gewesenen Rechte der
Familie des hl. Petrus zu Soest nebst den dazu gehorigen Ober-
hofen Hottorp oder Gelmen, Borgelen, Osinchusen und Elfende-
husen; darin ist bestimmt, dass ein Mann fon dieser Familie,
wenn er innerhalb derselben heirathe, nicht mehr als vier Schil-
linge fiir die Heirathserlaubniss an den Schulzen zu entrichten
habe, und dass er damit das Recht erlange, seine Besitzungen
an Frau und Kinder zu verschenken, dass dagegen bei Heira-
then mit Ungenossen der Ehevertrag nebst den Brautgeschenken
vom Gutbeiinden des Schulzen abliangen solle ^. Im Jahr 1187
iiberliessen Lambert von Wied und dessen Schwestersohn einige
ihrer Horigen an die Stiftskirche zu Schwarzrheindorf, mit der
Bestimmung, dass die Kirche von diesen Horigen fiir die Heiraths-
dazu den endlir.hen Vertrag zwischen dem Kloster Liesborn und Balthasar
von Buren vom Jahr 1497, bei Somnier Beil. 31, S. 153—156, Art. 7: „Unde
wanner sych de hofhorigen Liide welk friget , so sal ich Baltazar van Biiren
als eyn Erffvaget vor eyn Overlaet hebben van den gennen , de gefriget
werth, twe Mark, ende nicht mer; unde wy Abt unde Convent sullen darvan
hebben, als sych dat geborth na Vormoghe unde Inholde unses Bokes."
1 Urk. aus Werden v. 1183—1193, bei Erhard, Cod. dipl. Bd. 2 S. 168,
Nr. 437, und bei Crecelius Bd. 7 S. 33. 34, Nr. 139: . . . „Cum licentiam
imbendi requirunt a custode, si matrimonium contractum fuerit inter eos qui
ecclesiae sint et paris fuerint conditionis, pellem hircinam vel VIIII denarios
persoluant. Alias si matrimonium inter extraneos contrahatur, sub pia dis-
pensatione custodis ordinatio procedaf' . . .
2 Hofrecht von St. Peter zu Soest v. 19. Juli 1186, bei Seibertz Nr. 90,
Bd. 1 S. 124—126, und bei Grimm, Weisth. Bd. 6 S. 723—725: . . . „si vir
de familia illa quicunque uxorem ducat de ipsa familia villico curtis quatuor
solidos non amplius dare teneatur et sic optento illius assensu domum, agros
curtis aut quidque habuerit mobile aut immobile tradat uxori et filiis si ha-
buerit, nec tenebitur uxor aut filii agros seu quidque eis traditum fuerit, de
manu villici vel cujuscunque alterius suscipere, viri sive patris donacione
contenti . . . Si autem vir non de familia ducat uxorem de familia, vel si vir
de familia ducat uxorem de non familia, contractus ille matrimonii et dona-
ciones inter sponsum et sponsam erunt pro bene plaeito villici" . . . Vg].
Erhard, Reg. Nr. 2187, Bd. 2 S. 71; v. Schmitz S. 58.
Kapitel 22. lleirath^abgaben in Deutschland. 119
erlaubniss nicht mehr als sechs Pfennige einziehen diirfe ^ Im
Jahr 1192 wurden drei Schwestern freien Standes auf ihren An-
trag in die Hurigkeit des Marienaltars des Kolner Dorns aufge-
nommen, mit der Abrede , dass ihre Cognaten, ohne Unter-
schied des (leschlechts, frei heirathen diirften, jedooh binnen
Jahresfrist nach der Hochzeit zwolf Pfennige oder ein Ziegenfell
von gleichem Werth an den mit der Aufsicht iiber das Nacht-
licht des Doms beauftragten Domherrn liefern miissten ^. Im
Jahr 1196 wurde festgestellt, dass gewisse Personen, als AVachs-
zinsige der Kirche zu Meer, bei jeder Heirath unter Genossen
sechs Pfennige zu zahlen hatten ^. Eine Freie Namens Werens-
vidis wurde im Jahr 1197 durch die Aebtissin Elisabeth zu Essen
unter die Wachszinsigen der Stiftskirche oder des Altars der
hl. Maria und der hl. Martyrer Cosmas und Damianus (der Pa-
trone der Essener Kirche) aufgenommen und iibernahm hierbei
fiir ihre weiblichen Nachkommen die Yerpflichtung, bei jeder
Heirath ein Bockfell oder zwolf Pfennige an die Kiisterin des
Stifts Essen zu entrichten *.
Aus dem dreizehnten Jahrhunderr mogen folgende An-
gaben hier erwiihnt werden ^. Im Jahr 1224 trat eine freige-
borne Frau , Namens Rikelindis , mit ihrer Tochter Vda und
ihrer kiinftigen Nachkommenschaft in Altarhorigkeit der Marien-
kirche zu Aachen, mit der Verpflichtung, bei jeder Heirath fiir
die Erlaubniss zwolf Pfenni^e an den Custos zu zahlen ^. Um
1 Urk. V. 1187, bei Lacomblet Bd. 1 S. 354, Nr. 604: ... ..Pro licentia
uero matrimonii contrahendi neque uir neque femina amplius quam sex de-
narios dare cogantur'' . . .
2 Urk. des Erzbischofs Bruno III. v. 1192, bei Lacomblet Bd. 1 S. 373,
Nr. 536: . . . .,Item mulier eiusdem cognationis libere nubat, uir licenter
uxorem ducat. et infra annum nuptiarum, seu uir, seu feniina, predicto cano-
nonico XII denarios aut hircinam pellem eiusdem precii persoluaf' . . .
* Urk. des Abts Herimann von Cappenberg vom .1. 1196, bei Lacomblet
Bd. 4 6. 789, Nr. 642: . . . ,.in contractu coniugii cum consorte sua sex
nummos."
♦ Urk. V. 1197, bei Crecelius-Harless Bd. 16 S. 222: ... „et si mulier
ex hac progenie nuberet, pellem hircinam sive XII denarios custodi conferet.''
^ Ausserdem stehen Bestimmungen iiber Heirathsabgaben (nach einer ge-
falligen Mittheilung des Herrn Geheimraths Dr. Harless) in Urkunden des
Gereonstifts zu Koln von 1224 und der Pantaleonabtei zu Koln vom 18. Nov.
1280, im Staatsarchiv zu Diisseldorf — In diesen Zeitraum gehoren auch die
unten S. 126, 127 und 130 (Anm. 6) mitgetheilten Urkunden.
6 Urk. v. 1224, bei Quix Nr. 137, Bd. 2 S. 99: ^Volens etenim ei an-
cillari, cui servire regnare e.st, hanc legem sibi et sue indixit successioni, ut
annuatim duo denarii aquen. pro sirgiila capita ad altare bte. Marie custodi
120 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
1224 wurde beurkundet, dass die nicht angesessenen Hofliorigen
des Stifts Essen ini Salland fiir ihre Heirath einen Schilling
oder ein Ziegenfell an die Grundherrschaft zu liefern hatten ^.
Kach einer Urkunde des Erzbischofs Engelbert zu Koln vom
Jahr 1225 iibergab Hermann von Yolco einen Hofhorigen und
dessen Nachkommen als Wachszinsige an die Kirche zu Camp
mit der Bestimmung, dass dieselben fiir die Erlaubniss zur Hei-
rath sechs Pfennige entrichten miissten^. Durch Urkunde vom
Juni 1239 iiberliess der Ritter Friedrich von Rindorp an die
dem deutschen Orden gehorige Katharinenkirche zu Koln einige
eigene Leute und deren kiinftige Nachkommen, mit der Be-
dingung, dass dieselben bei jeder Heirath fiir die Erlaubniss dazu
„der Gewohnheit gemass" sechs Pfennige zu entrichten hatten ^.
Am 24. Mai 1253 bestatigte Erzbischof Conrad von Koln den
Inhalt einer durch den heiligen Anno errichteten und durch
einen Brand zerstorten Urkunde, worin das Recht der Wachs-
zinsigen an der Kirche zu Helden bei Attendorn festgestellt war;
danach hatten diese Wachszinsigen dem plebanus bei jeder Hei-
rath eine Abgabe von sechs Pfennigen zu zahlen *. In einem
soluerentur. pro licentia maritandi XII denarij aquen. de mortua manu su-
perior vestis, vel pro redemptione similiter XII denarij aquen.'''
1 Urk. um 1224. bei Kindlinger Nr. 20 lit. a, S. 257—259, n 11: ,Jtem
homo ecclesiae mansum non habens pro contrahendo matrimonio solidum
dabit vel pellem hirci." Daraus : Grimm, R.-A. S. 379. Nach einer deut-
schen Ausgabe desselben Hofrechts vom Jahr 1224 (bei Kindlinger Nr. 20
lit. b, S.. 259—262, n. 11) betrug die Abgabe fiinf Schillinge oder ein Zie-
genfell: ,,Item eyn horich Mensch der Kercken sal geven 5 Schillingh oft
1 Seghenvel . dat he sich moghe bestaden . welkere geynen Hoef en hefft."
Ygl. Brinckmeier unter Bedemund . Bd. 1 S. 307 (der sich fur diese Bestim-
mung auf ein Hofrecht des Stifts Essen aus dem fiinfzehnten Jahrhundert
beruft, ohne die Quelle anzugeben). Eine Heiratlisabgabe von fiinf Schillingen
findet sich auch in §§ 3. 34 und 67 des Hofreehts des Amthofes zu Loen, bei
Sommer Beil. 54. S. 160—180.
^ Urk. V. 1225. bei Potgiesser S. 376: . . . ,.ut quando hic juvenis ad
nuptias transire desiderat , nubendi licentiam sex denariis redimat"' : und bei
Binterim Bd. 3 S. 185, Nr. 75 : . . . ,.cum vero ad nuptias transire desiderat,
nubendi licentiam sex denariis redimat" ... — Durch Urkunde vom selben
Jahr. bei Lacomblet Bd. 2 S. 68. Nr. 127, bestiitigte Konig Heinrich VII. der
Abtei Camp den ruhigen Besitz ihrer Rechte.
3 Urk. V. Juni 1239, bei Hennes Bd. 2 Nr. 54, S. 57: ... „ita videlicet,
quod quisquis ipsorum singulis annis pro iure cerocensuali dabit ecclesie
predicte II denarios Coloniensis monete. Si autem aliquis eorum matrimo-
nium contraxerit, pro lieentia. ut consuetudinis est . dabit VI den.. de obitu
vero" etc.
■* Urk. des Erzbischofs Conrad zu Koln vom 24. Mai 1253. I)ei Lacomblet
Kapitel 22. Heirathaabgaben iu Deutscliland. 121
durch Bischof Simou vou Taderboru verkiiudeteu Synodalbeschluss
vom Jahr 1262, iiber die Wachsziusigeu des Bi.stliums Paderborn,
ist gesagt: ^Heirathet eiu wachszinsiger Mauu eiue Standesge-
uossin, so hat er eiu Ziegenfoll oder einen Schilling zu geben,
nach Wahl des Herrn; heirathet er aber eine Ungenossiu, uud
erseheint er (zur Yerantwortung dariiber) bei dreimaliger Ladung,
80 soll er gegen Zahluug von fiinf Schillingen in seiuem Recht
verbleiben." ^ Derselbe Grundsatz galt bei den Wachszinsigen
des Domstifts zu Miiuster, nach eiuem Weisthum vom Jahr 1272
oder 1'612^. In einer Urkunde vom 8. Miirz 1278, wodurch Graf
Adolph von Berg eiuige Horige dem Kloster Dunwald als AVachs-
ziusige schenkte, wurde vereinbart, dass dieselbeu bei jeder Hei-
rath fiir die Erlaubniss dazu sechs Pfennige zu zahlcn hiitten ^.
Im dreizehnteu Jahrhuudert hatten sich mehrere AVachszinsige
des Klosters Cappenberg ohue dessen Erlaubniss in der Stadt
Liinen '^ niedergelassen, und es war fiir sie uud ihre Nachkom-
Bd. 2 S. 209, Nr. 391: ... „si quam [quisV] vero ipsorum matrimonium
contrahere contigerit. siuc masculus aut femina fuerit. sex denarios dabit
plebano" . . .
1 Urk. V. 17. Octuber 1262. bei Sommer Beil. 37. S. 123—125: ,,Item
de cerosensualibus ita sententiatum exstitit. quod juris est, et in omnibus
Eccis observatur. quod si vir cerocensualis ducat uxorem sue conditionis dabit
pellem hircinam aut unum solidum et stat in arbitrio Domini, quid duxerit
eligendum. Si vero duxerit uxorem . que non est sue conditionis, citandus
est tribus edictis. et si comparuerit daliit quinque solidos , et remanebit in
jure suo" . . .
^ Decretum Capituli Moiiasteriensis ratione Cerocensualium . bei Binterim
Bd. 3 Nr. 234, S. 404. 40."), und bei Grimm, Weisth. Bd. 3 S. 126. 127 (mit
Jahreszahl 1272). ferner bei Kindlinger. U. B. Nr. 58, S. 327—329 (mit Jahres-
zahl 1372) : Quod ?i vir cerocensualia ducat uxorem suae conditionis,
dabit pellem hircinam aut unum solidum. et stat in arbitrio domini, quid du-
xerit eligendum . si vero duxerit uxorem non suae conditionis citandus est
tribus edictis, et si comparuerit , dabit quinque solidos et remanebit in Jure
suo"'' . . . Dies Recht wurde auf der Synode zu Miinster am 11. Oct. 1405
(bei Kindlinger, M. B. Nr. 60, S. 332—335) nochmals feierlich festgestellt.
Wegen des weitern Inhalts der Urkunde vgl. oben Kap. 12 S. 61; auch
Brinckmeier unter Cerocensualis Bd. 2 Suppl. S. 3. Herr Geheimrath Dr. Har-
less zu Diisseldorf halt die Jahreszahl 1272 fiir die richtige.
3 Urk. V. 8. Marz 1273. wovon eine Abschrift des siebzehnten Jahrhun-
derts sich im Staatsarchiv zu Diisseldorf befindet ( Redingh. CoUect. I fol. 425) :
. . . ,.Et etiam ipsorum quilibet pro licentia matrimonii sex denarios Colo-
nienses persoluat super altare predictum" , . . Bel Lacomblet Bd. 2 S. 386.
387, Nr. 658, ist der vorstehende Satz im Abdruck weggelassen. Vgl. die
Anmerkung daselbst S. 387.
* Geraeint ist das spatere Dorf Altenlanen im Stift Miinster.
122 Kapitel 22. Heirathsaligaben in Deutschland.
men, durch einen zwischen dem Kloster und der Stadt geschlos-
senen Yergleich, ein besonderes Wachszinsrecht geschaffen, das
von dem allgemeinen Wachszinsrecht in mehrfacher Hinsicht ab-
wich. Darauf entstand ein neuer Streit iiber den Inhalt des Yer-
gleichs, da die urkundliche Feststellung desselben versaumt war.
Jene Einwohner behaupteten namlich, zur Verheirathung inner-
halb oder ausserhalb der Stadt berechtigt zu sein, wenn sie nur
zwolf Pfennige fiir die Heirathserlaubniss an den Kiister dea
Klosters entrichteten. Demgegeniiber wurde durch Urkunde vom
23. Xov. 1279 nachtraglich der ganze Inhalt des Yergleichs ver-
brieft, und insbesondere festgestellt, dass die Heirathsabgabe von
zwolf Pfennigen nur fiir die in der Stadt selbst geschlossenen
Heirathen gelte, dagegen fiir Heirathen mit Auswartigen das
allgemeine Wachszinsrecht zur Anwendung komme ^ Durch Ur-
kunden vom 21. Sept. 1280 und 20. Sept. 1309 wurden die
Rechtsverhaltnisse gewisser Wachszinsigen der Kirche von Wer-
den festgestellt. Danach hatten dieselben schon seit alterer Zeit
bei jeder Heirath unter Genossen an den Custos sechs Pfennige
fiir die Heirathserlaubniss zu zahlen; die Genehmigung zu einer
Heirath unter Unoen«ossen hinjr vom Gutbefinden des Custos ab ^.
* Urk. des Klosters Cappenberg vom 23. Nov. 1279, bei Kindlinger, ^I. B.
Nr. 48, S. 286—290: . . . .,Preterea prehabiti Cerocensuales nostri, et eorum
posteri pro licentia contrahendi matrimonium , ubicunque eis intra opidum
Lunen contrahere placuerit, custodi nostro duodecim denarios Monasteriensis
monete persolvere non omittent: si vero extra opidum contraxerint, tunc
jure communi aliorum nostrorum in illo contractu Cerocensualium tenebuntur
. . . [folgt weiterer Inhalt des Vergleichs] . . . Postremo, cum compositio
inter dictos Cives et nos per has Conditiones inducta per negligentiam non
conscriberetur : prefati cives metas dictarum conditionum transgredi volentes,
in eo quod tam infra quam extra, vel extra et infra opidum contrahere licere
sibi dicebant, datis custodi nostro duodecim denariis; Bernardus Custos noster,
Conradus Cellarius, Warmundus Sacerdos . Bertoldus Camerarius et frater
Henricus dictus Horich juraverunt. ut dicti Cerocensuales nostri infra opidum
tantum licentiam contrahendi Matrimonium haberent, tam cum hominibus sue
conditionis quam aliis, solutis pro eo Custodi duodecim denariis, ut superius
est expressum; qui Bernardus, Conradus, Warinus. et oeteri predicte dissen-
tionis fuerunt Reformatores" . . .
2 Urk. von Rutgerus, Custos der Werdenschen Kirclie, v. 21. Sept. 1280,
wiederhergestellt und erneuert durch die l'rkunde von Riquinus, Prouisor et
Thesaurarius Monasterii Werdinensis . vom 20. Sept. 1309. bei Sommer Bei-
lage 74, S. 230 — 232 : . . . ,,Pro licentia nubendi si sue conditioni nupserint sex
denarios colonienses ; sin aliter, licentia consistat in beneplacito Custodis'' . . . ;
iu der Erneuerungsurkunde von 1309: . . . „pro licentia quorum seu matri-
monium contrahendi, si inter eiusdom iuris seu condicionis personas contractus
matrimonii fiat, sex denarios brabantinos dabunt: sin aliter. graoie seu ordina-
Kapitel 22. Heirathsabgaben iii Deutscliland. 123
Aus dem v i erzelinten Jalirhundert datiren folgende
Urkunden ^ Ein Kiimmerer der Abtei Werden , Godekind von
Lo, verzichtete am 16. September 1815 fiir sich und seine
Nachkommen auf alle Anspriiche, die er gegen die Abtei er-
hoben hatte, unter dem Yorbehalt seines Rechts auf gewisse
Abgaben der Kiimmerlingshorigen ; zu den letzteren gehiirte eine
Gebiihr von zwolf Pfennigen, die jeder Horige bei der Hei-
rath zu zahlen hatte, mochte die letztere unter Genossen oder
Ungenossen stattfinden ^. ]S[ach einer Urkunde der Propstin Lut-
gardis zu Essen vom 25. Octobcr 1821 wurde eine Eigenhorige
des Oberhofs Nunning, Namens Hilla, durch Tausch in das
Wachszinsrecht der Propstei Essen aufgenommen, mit der Ver-
abredung, dass sie im Fall einer standesmassigen Heirath an die
Propstin zwolf Pfennige zu zahlen habe ^. Der Kaufmann Her-
mann Schotelmann zu Miinster nahm als Vertreter des Stifts
Essen in einer Urkunde vom Jahr 1826 fiir sich das Recht in
Anspruch, von den Horigen bei deren Heirath eiue Licenzgebiihr
zu erheben, wie solche durch Recht und Gewohnheit der Kirche
zu Essen begriindet war *. Im Jahr 1328 beurkundete Dietrich
von Hagenbeck , nach Uebernahme der lebenslanglichen Ver-
waltung des von der Propstin zu Essen abhiingigen Oberhofs
Niinning, dass die Horigen desselben fiir die Heirathslicenz
cioni Thesaurarii Monasterii Werden^iis predicti qui pro tempore fuerit pro
eo se submittet"' . . .
* In einer ungedruckten Urkunde des Neusser Quirinstifts vom 12. Mai
1352, im Staatsarchiv zu Diisseldorf, ist, wie mir Herr Geheimrath Dr. Harless
mittheilt, ebenfalls eine Bestinimung iiber Heirathsabgaben enthalten. — Spa-
testens aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt eine handschriftliche Notiz
zu einem im Pfarrarchiv zu Xanten aufbewahrten Codex (liber ruber) , die
bei Binterim Bd. 3 S. 405 abgedruckt ist: ... „sex vero denarios graves
Colon. monetae pro licentia nubendi dabunt". Aus einer Vergleichung dieser
Stelle mit den oben erwahnten Urkunden erhellt, dass die Abgabe in den
meisten Herrschaften sechs Pfennige betrug. -- Ueber die Urkunde des Dom-
stifts zu :Munster von 1372 s. oben S. 121.
2 Urk. V. 16. Sept. 1315, bei Lacomblet Bd. 3 S. 111, 112, Nr. 150: . . „et
si matrimonium contraxerint , siue cum pari seu impari, siniiliter habebimus
XII denarios de eis, et in hiis consensus noster non est requirendus" . . .
3 Urk. V. 25. Oct. 1321, bei Kindlinger Nr. 72, S. 379, und bei Sommer,
Beilage 66, S. 212: . . . „pro licentia vero nubendi, si suo pari nupserit, dabit
nobis duodecim denarios legales et persolvet ; sin autem , procurabit hujus-
modi licentiam de nostra gratia et favore."
* Urk. V. 1326. bei Kindlinger Nr. 76, S. 384—386: . . . „eo tamen nobis
salvo, quod . . . licentiam pro matrimoniis dictorum hominum dandam secun-
dum jus et consuetudinem praenarrate ecclesie Assyndensis nobis licite pote-
rimus vindicare."
124 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
zwolf Pfennige an ihn zu zahlen hatten ^ Im Jahr 1374 wurde
die Freie Blyda von Devers auf ihren Antrag in das Wachszins-
reeht des Sanct-Antonius-Ordens von AVestfalen durch dessen
Rector zu Essen aufgenommen , unter der Festsetzung, dass sie
fiir die Erlaubniss zu heirathen zwolf Pfennige zahlen miisse ^.
Ein Eigenhoriger des Hofes Xiinning, Xamens Rutgherus, von
Huttorp, kam im Jahr 1380 durch Tausch in das Wachszinsrecht
der Kirche von Essen. Bei seiner Aufnahme durch Lyse von
Broicke, Kiisterin von Essen, wurde vereinbart, dass er das Recht,
sich mit einer Standesgenossin zu verelichen, durch Zahlung von
neun Pfennigen erlange : dagegen sollte die Erlaubniss, eine Un-
genossin zu heirathen, von Gunst und Gnade der jedesmaligen
Kiisterin abhangen ^.
Aus der Zeit nach dem vierzehnten Jahrhundert "*
datiren zwei Urkunden iiber die hofhorigen Leute des Oberhofs
Eickel in der Mark (zwischen Iserlohn undHagen), dessen Erb-
grundherrin die Benedictiner-Abtei Sanct-Pantaleon zu Koln war.
In der iilteren von diesen beiden L^rkunden ist gesagt, die Hof-
leute hatten stiftungsgemiiss, seit funfhundert Jahren, fiir die
Erlaubniss (den ^Orloff") zur Heirath an den Schultheissen eine
Abgabe zu entrichten; der Betrag war nach vier verschiedenen
Fiillen und nach der Yermogenslage der Brautleute abgestuft^.
In der andern T^rkunde, vom 26. Juli 1569, sind ahnliche Be-
1 Urk. V. 1328. bei Klndlinger Nr. 77, S. 386—388: . . . „de nubendi
licentiis hominum ad curtem eandem spectantium duodecim denario.s recipiam
et h.abebo."
2 Urk. V. 1374. bei Kindlinger Nr. 128. S. 482: . . . ,,si ipsa nubere vo-
luerit. pro tali licentia dabit XII denarios.''
3 Urk. V. 1380, bei Kindlinger Nr. 131, S. 486: . . . „pro licentia nubendi.
si pari suo nupserit. dabit novem denarios usuales et legales, si impari nup-
serit, talem licentiam de nostra seu Thesaurarie tunc existentis gratia pro-
curabit et favore.'"
■* In diesen Zeitraum fallen auch die Urkunden von 1405, 1415, 1433. 1467.
1496, 1497 und 1571, oben S. 117. 118 und 121, und unten S. 127. 128 und
129. Aus einer mir unbekannten Quelle stammt folgende Nachricht aus Wtirt-
temberg. bei Danz Bd. 6 S. 46, 47, § 544 : „Im Jahre 1496 erhielt der Pralat
zu Neresheim von den Biirgern und Biirgerskindern des Stadtchens . welche
sich verheiratheten, eine Mass Festwein."
^ Urk. um 1500, bei Kindlinger Nr. 195, S. 645—657, bei Sommcr Heil. 25.
S. 72—80. und bei Grimm, Weisth. Bd. 3 S. 60—65, Art. 25—28. Aus Art.
25: ... „fur den OrloflP sal der Jenne, die uess unserem HofF gevvesselt wird.
geven dem Herren off Scholtiss der reichste zweien rinsche Gulden , der
Middelmassigste anderhalben rinsche Gulden, der Arme einen rinssschen Gul-
den, der allerarmste einen halven rinschen Gulden, ind alles in Gnaden, ind
Kapitel 22. Heirathsabgahen in Deutschland. 125
stimmuDgen onrhalten, jedoch liuliere Betiiige fiir die Heiraths-
abgaben festgesetzt ^
2. Besondere Xainen zitr Bezeiclinunfj ron Heiraflimhgahen.
Bei modernen Schriftstellern finden sich fiir deutsche Hei-
rathsabgaben folgende Bezeichnungen, die nur zum Theil durch
Urkunden beglaubigt sind:
A b,z u g s g e 1 d , in Bayern ^.
Bedemund, Beddemund, Beddemunt^, in Westfalen,
Braunschweig und andern norddeutschen Liindern. Diese Abgabe
wird in folgenden T'rkunden aus dem zwOlften bis fiinfzehnten
einen rinschen Gulden mag man lietalen mit vier iiml thwintig alder Engelss".
Die Abgabe war in Art. 25 — 28 verschieden bestimmt. je nachdem der Brautigam
oder die Braut zu einem fremden Hof gehorten . oder Beide Genossen waren.
Das "VVort OrlofT erinnert an das englische Wort ourlop, in Kap. 16. S. 84.
1 Vergleich zwischen den Hofherren und Leuten des Hofes Eickel vom
26. Juli 1569, bei Sommer S. 80—86, Beil. 26, besonders §§ 4 und 5. Vgl.
auch Brinckmeier Bd. 1 S. 307.
2 V. Maurer Bd. 3 S. 168.
3 Schottel cap. 1 § 35, S. 27, 28; Westphal § 13, S. 39, 40: Schilter, Pand.
36 § 32, S. 342; Harenberg, Diss. 3 § 16, S. 539, (der das Wort von ,.Bede"
= Bitte und von „Mund" ableitet) ; Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 25; Zedler
Bd. 3 S. 891. unter Bedemundsrecht ; Piper § 11 (der das Wort aus ..Wette"
und ,,muthen" zu erkliiren sucht) ; J. G. Heineccius, Ant. Bd. 2 lib. 2 cap. 9
§ 29 (..Bedemuthe"); Deutsche Encykl., unter Bedemund : Kindlinger §§ 6.
7, 9, 31 (der das Wort von .,Bellemund'' = Unmiindiger ableitet) ; Brinck-
meier, unter Bedemund, Bd. 1 S 306 — 308 (von Bett und Mund = Erlaub-
niss zur Besteigung des Ehebetts); v. Maurer Bd. 3 S. 168; Grinim, W.-B. un-
ter Bettmund (wo das Wort von „Mund" = Schutz. und von ,,Bett" abgeleitet
wird); Scherr 1865. S. 129 und 1876. S. 237; G. Waitz Bd. 5 S. 236. —
Dasselbe Wort bezeichnete auch die Strafe einer unrechtmiissigen Geschlechts-
verbindung, vgl. oben Kap. 13 S. 68. — Der Ausdruck „Bedemund'" diirfte
von bede oder bete (praestatio. Abgabe) und raund (mundium, Schutz) her-
zuleiten sein und danach urspriinglich den allgemeinen Sinn einer Abgabe an
den Schutzherrn gehabt haben. Vgl. cap. 34 ex Codice Eberhardi monachi,
bei Dronke 1844, S. 64: . . . ..In hetenhusen soluant mancipia antequam nu-
bant censum intra XXX annorum spacium. qui census vulgariter heitemunt
nuncupatur. et est numerus quinque solidorum uel optimam uestem eius. In
franchwarteshusen similiter" . . . Hier bezeichnet das Wort „beiteraunt" nicht,
wie G. Waitz (Bd. 5 S. 236) raeint , eine Heirathsabgabe , sondern eine Art
Grund- oder Kopfsteuer. die der Leibeigene zu zahlen hatte . bevor er hei-
rathete oder dreissig Jahre alt wurde. Das Recht zur Erhebung dieser Steuer.
die dera Anschein nach durch Ablosung" von Frohndiensten entstanden Avar
(vgl. cap. 35 Eberh. Fuld., bei Dronke 1844, S. 65), hatte in Thiiringen zu
den Einkiinften des Konigs Konrad (911 — 918) gehort und war durch denselben
an die Kirche zu Fulda iibertragen worden; sie betrug fiir jeden dcr dazu
126 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Ueutschland.
Jahrhundert erwiihnt K Durch eine Urkunde aus der Zeit von
1142 — 1156 erlangten sammtliche Wachszinsige des Sanct-Patro-
clus-Stifts zu Soest die Anerkennung ihres Rechts, ein Weib zu
nehmen oder eine Tochter zu verheirathen, ohne deshalb der mit
dem Namen ^Beddemunt" bezeichneten Abgabe unterworfen zu
sein 2. In derselben Bedeutung, einer Heirathsabgabe, findet sich
das AVort Beddemunt in der bereits oben (S. 116) erwahnten
Urkunde des Abts Franco zu Liesborn vom Jahr 1166 ^; in eiuer
vom Jahr 1171 (irrthumlich) datirten Urkunde des Propstes Hunold
zu Kloster Yolchardinchusen im AValdeck'schen '^; in einer Urkunde
des Erzbischofs Philipp I. von Koln aus Soest vom 1, Juni 1172,
iiber die aus freiem Stande in das Wachszinsrecht der Sanct-Peters-
Kirche zu Medelach eingetretene Hadeloch und ihreXachkommen ^:
verpflichteten Leibeigenen fiinf Schillinge oder das beste Kleid. In noch an-
derer Bedeutung findet sich das "Wort Bedemunt in eineni Verzeichniss des
Abts Wedekind zu Corvey, von 118J— 1205, bei Sommer. Beilage 40. S. 132
(§ 17): . . . „Hereditates que dicuntur Bedemunt Abbati cedunt" . . .
1 Dazu kommt noch die bei Nolten S. 145 erwahnte Urkunde, deren Alter
mir nicht bekannt ist. Nolten versichert namlich, dass nach einem sehr alten
Copialbuch der Kirche Sanct-Michael zu Hiklesheim die Horigen der Kirche
bei ihrer Verheirathung, nach Beschreitung des Ehebetts. unter dem Namen
Beddemund neun Groschen und drei Heller an den Propst zu entrichten hatten.
Vgl. iiber das Bisthum Hildesheim unten S. 131.
2 Urk. V. 1142 — 1156, bei Kindlinger, M. B. Nr. 26, S. 172—174, bei Som-
mer. Beil. 36, S. 122, 123, und bei Seibertz Nr. 43, Bd. 1 S. 57, 58: . . . ,,Scien-
dum est praeterea. quod quilibet in tota familia illa, rerum suarum donationes
facere, uxores ducere et nuptum [nuptui] tradere, omnimodam libertatem ha-
bebit, nec aliquis Ecclesie Priorum seu Canonicorum per exactionem que
vulgo BechJemunt vocatur, ab aliquo quicquam extorquebit" . . , Vgl. Er-
hard. Reg. Nr. 1600. Bd. 2 S. 13; G. Waitz Bd. 5 S. 237.
^ Urk. des Abts Franco zu Liesborn v. 1166, bei Kindlinger Nr. 12, S. 240.
241 . und bei Sommer, Beil. 55. S. 181 (im Anschluss an die oben S. 116
Anm. 4 citirten "Worte): „sin vero in inferiori gradu . id est in Ancillis vel
mancipiis matrimonia contraxerint , pueri ab illis procreati jus parentum per
omnia obtinebunt, ex«epto, quod hereditas morientium jure mancipiorum in-
tegraliter utilitati nostre deputabitur: porro per succedentes generationes.
quotquot fuerint, dimidium censum et nuptialia commoda, quod dicitur Bedde-
munt , ac hereditates per omnia more litonum persolvent'' . . . Vgl. Erhard.
Reg. Nr. 1921, Bd. 2 S. 46; G. Waitz Bd. 5 S. 237.
" Urk. V. 1171 oder um 1220, bei Varnhagen (Urk -B ) Nr. 3 S. 8. und
bei Wigand Bd. 3 S. 89—91: . . . „domine (d. h. an die Oberin des Augusti-
nerinnenklosters Volchardinchusen) cum nupserint heddemuiiditni persolvere
debent duobus solidis." Vgl. Grimm, W.-B. unter Bettemund; Erhard, Reg.
Nr. 1969, Bd. 2 S. 50 (wo der bei Wigand abgedruckte Aufsatz v. Spilker"s
unbeachtet geblieben ist).
5 Urk. V. 1. Juni 1172. bei Seibertz Nr. 62, Bd. 1 S. 87. 88: ... „et tam
Kapitel 22. Ileiratlisabgaben in Dcutschland. 127
und in eincr Urkunde der Aebtissin Jutta zu Meschede* vom
Jahr 121t) iiber eine Wachszinsige der Kirche zu Mesciiede ^ In
rrlvunden des Abts Conrad zu Corvey vom 27. Mai 1176 ^ und
des Herrn Friedrich von Padberg vom 27. Miirz l^DO^ ist der
Name der Abgabe auf die Bezeichnung des Yerlobnisses iiber-
tragen. Nach einer Urkunde des Erzbischofs Dietrich von Koln,
als Yerwesers des Bisthums Paderborn, vom Jahr 1415, hatten die
Untersassen und Landleute im Lande Delbriick zufolge alten
Landesrechts als Beddemund bei ihrer Yerheirathung (fiir das
Yollwort, d. h. fiir die Zustimmung zur Heirath) fiinf Schillinge
nebst seclis Yierlingen fiir den Geldbeutel, an den Bischof oder an
dessen Amtmann, zu entrichten ^. Herzog Heinrich von Braun-
schweig und Liineburg erliess, mit Zustimmung der braunschweigi-
schen Landstiinde, im Jahr 1433, am Sonntag Yocem jucunditatis
(5. Sonntag nach Ostern), ein Gesetz, wonach als Bedemund
kein hoherer Betrag erhoben werden sollte, als von Alters her
festgesetzt war ^. Yeranlassung dieses Gesetzes war (nach einer
in der Einleitung enthaltenen Bemerkung) der Missbrauch, dass
iibermassige Betriige fiir den Beddemund eingefordert wurden,
weshalb viele Leute auswanderten.
Die unter deni Namen Bedemund bekannte Heirathsabgabe
bestand noch in der Keuzeit. Im Freiengericht, das Herzog
Julius von Braunschweig zu Sickte (in der Niihe von Wolfen-
ipsa quam omnes femine propagande ex suo semine libera ab eo jure quod
hedcJemunf dicunt semper permaneat" . . . Vgl. Erhard, Reg. Nr. 1973,
Bd. 2 S. 51.
1 Urk. V. 1216, bei Seibertz Nr. 142. Bd. 1 S. 184: ... ,,pro heddemumlf,
sex denarii solvantur." (In dieser und der vorgenannten Stelle ist die Mog-
lichkeit nicht ausgeschlossen . das "\Yort beddemund in beiden Bedeutungen
zu verstehen.)
2 Urk. des Abts Conrad zu Corvey iiber die Rechte des Stiftskusters am
Dorf Haversfort, vom 27. JHai 1176, bei Wigand, Corvey Nr. 6, S. 225—228,
bei Kindlinger Nr. 14, S. 243—245, und bei Sommer, Beil. 41, S. 185, 186:
. . . ,.desponsationes puellarum, que vulgariter Beddemund vocantur" . . .
Vgl Erhard. Reg. Nr. 2017. Bd. 2 S. 55: G. Waitz Bd. 5 S. 237.
3 Urk. Friedrichs von Padberg vom 27. Marz 1290. bei Seibertz Nr. 432,
Bd. 1 S. 522—524: ... „11) Sponsalia que vulgo bedemunt dicuntur nomine
et vogethdingh et frygedingh nullum jus ibi obtinebunt''.
* Urk. V. 1415, bei Kindlinger Nr. 158, S. 545—549, Art. 7: „Item wan
man eyne Echtescap maket , de soUen dan na Wontheit des Landes tor Del-
briige eynem Bisscope oder sinen Amptliiden geven vyff Schillinge vor eynen
Beddemund , unde sees Verlinge vor eynen Biidel, dair men dat Gelt insteke,
dair mede sal men der Heren Vulbord hebben."
* Gesetz v. J. 1433 (5. Sonntag nach Ostern), bei Schottelius cap. 2 § 13,
S. 48—51.
128 Kapitel '22. Heirathsabgaben in Deutschland.
biittel) im Jahr 1571 abhalten liess, wurde entsehieden, dass die
Mitglieder der vier Geschlechter der Freien keine Bedemund zu
geben hatten ^ Schottel berichtet : „Und hat es mit der Bede-
mund (merces copulationis oraliter petitae) oder dem Bedemunds-
recht diese Bewandtniss, der Brautigam muss sich personlich bei
der bestellten Obrigkeit auf dem Lande anfinden, Bedeweiss
miindlich sein Vorhaben zu heirathen anbringen, und wenn solches
erlaubt und verzeichnet wird, deshalber ein geringes jedoch ge-
wisses Geld ins Amt erlegen: und zwar zuni ersten Mal giebt
er zwanzig Mariengroschen und sechs Pfennige. Freiet er zum
andern Mal, giebt er vierzehn Mariengroschen und vier Pfennige.
Zum dritten Mal giebt er nur sieben Mariengroschen und vier
Pfennige. Der aber zum vierten Mal freiet, giebt zur Bedemund
Nichts. Wiewohl das Quantum der Bedemunds-Groschen, nach-
dem es Herkommen, variirt." ^ In Pommern, in der Lausitz, in
Mecklenburg, in Holstein und in Hannover soU eine bauerliche
Steuer unter dem Xamen ^Bedemunt" noch im achtzehnten Jahr-
hundert bestanden haben ^.
Brinckmeier halt es fiir niclit ganz unwahrscheinlich, „dass
das in den alten Zeitpn, doch nur in einigen Landern und Ge-
genden, angeblich ausgeiibte, meistens aber doch wohl abgeloste
Recht der ersten Nacht (jus deflorationis, cunagii) den Anlass
zur Einfiihrung der Bedemund gegeben habe" ^. Und Westphal
bemerkt, das Bedemundsrecht sei ein Ueberrest des durch das
Christenthum verdriingten jus connagii, wonach in alten Zeiten
die deutschen Herrscher die Gewalt gehabt hiitten, bei Heirathen
ihrer Unterthanen die jungfrauliche Keuschheit in der Hochzeits-
nacht zu verkosten ^. Diese Yermuthung findet in den erwahn-
ten Urkunden keine Bestatigung und ist , wie Danz richtig an-
nimmt ^ vollig grundlos. Sie ward schon in der deutschen Ency-
klopiidie fiir eine „ungegriindete Fabel" erkltirt '.
1 Freiengericht zu Sickte von 1571, Art. 7, bei Grimm, Weisth. Bd. 3 S. 245:
. . . „Dazu geben sie keine bedemund noch bulebe, weder pferd noch kiihe''.
2 Schottelius cap. 1 § 35, S. 27, 28. Vgl. Deutsche Encykl. unter Bede-
mund: „An den meisten Orten wird bei der ersten Verheirathung zehn, bei
der zweiten vierzehn , bei der dritten sieben Mariengroschen, und bei der
vierten gar Nichts bezahlt;" Brinckmeier Bd. 1 S. 306.
3 Michelet S. CXXIII.
* Brinckmeier Bd. 1 S. 307. Gleich nachher giebt jedoch Brinckmeier selbst
zu, dass der Ursprung der Abgabe „sich schon aus den in manchen Gegenden
sehr ausgedehnten Eigenthumsrechten der Leibcsherren erkliiren'' lasse.
5 Westphal g§ 11—13, S. 37—40.
* Daiiz Bd. 6 S. 45, ^ 544. "^ Deutsche Enoykl. unter Bedemund.
Kapitel 22. Hciratlisabgnben in Deutscbland. 129
B r a u t g e 1 d o d e r B r a u t g u 1 d e n, in Bayern \ sclieint niclit
eine grundlierrliehe, sondern eine landcslierrliclie Steuer gewesen
zu sein ^.
Brautlauf, in Sclnvaben. Obwolil dieser Ausdruck, wie
der lateinische cursus nuptialis, in der Regel die Hochzeit be-
zeichnet^, so scheint er doch in einigen Gegenden Deutschlands
der Xame einer grundherrlichen Heiratlisabgabe gewesen zu sein "•.
Wenigstens findet sich iiber den wiirttembergischen, Yormals
Kloster Adelberg'schen Ort Bortlingen (nordlich von der Stadt
Goppingen) folgende ISFachricht: „Eigenthumlich war der Braut-
lauf, welchen Adelberg^sche Personalleibeigene im Stabe Bort-
lingen entrichten mussten; nach dem Lagerbuche von 149G nam-
lich: der Mann eine Scheibe Salz, die Braut aber 1 Pf. 7 Sch.
Hlr. oder eine Pfanne, dass sie mit dem Hinteren darein sitzen
kann oder mag." ^
Brautlosungsgeld hiess eine Abgabe, welche Handwerker
an die Zunft fiir die Erlaubniss zur Heirath entrichteten ^ : es war
also keine grundherrliche Abgabe.
Bulevinge. Dies Wort soU dem Ausdruck Bumede ent-
sprechen ^, wonach man denken konnte , es sei auch in der
Bedeutung einer Heirathsabgabe gebraucht worden. Indessen
war bulevinge eine Abgabe, die wegen der Heirath von Un-
1 V. Maurer Bd. 3 S. 1()8.
- Vgl. Verordnung des Konigs Max Josepb von Bayern v. 25. Nov. 1808,
Bayer. Reg.-Bl. 1808, Bd. 2 S. 2822, wodurcb ausser andern Steuern die
..Brautgulden^'' in den ebemaligen Provinzen Bayern- und Oberpfalz, die
,.Brautgelder" in der ebemaligen Provinz Scbwaben und die ,,Hocbzeitgelder"'
in der ebemaligen Provinz Neuburg aufgehoben -wurden.
^ Der Ausdruck wird daraus erklart, dass im Alterthum ein Wettlauf um
die Braut stattfand. Vgl. Deutscbe Encykl. unter Brautlauf; Grimm. W.-B.
unter Brautlauf; Grimm, "Weistb. an den im Register unter Brautlauf be-
zeicbneten Stellen ; Simrock, Myth. § 147, unter Hocbzeit; Schonwertb Bd. 1
S. 121; Diimge S. 28; Weinhold S. 246, 263: v. Diiringsfeld S. 215.
* Deutsche Encykl. unter Brautlauf ; Runde § 544 : Danz § 544. Bei
Reynitzsch S. 276 findet sich die grundlose ^SIeinung, dass der ..Brautlauf'*' in
Bayern auf dem jus primae noctis berube.
^ Moser S. 74. Vgl. iiber einen derartigen Inbalt der Abgabe auch v. Hor-
mayr 1842, S. 146; v. Scbmitz S. 232. Ohne allen Grund meint Sugenheim
(1861, S. 360), jene Abgabe sei ,,die alte Ablosungssteuer des beriichtigten
Rechts der ersten Nacht" geweseii. Diese Nachricbt Sugenheim's rechnet Ku-
lischer (S. 224) zu den directen Zeugniss«n fiir die Existenz des jus primae
noctis.
6 Grimm, W.-B. Bd. 2 S. 338.
' Grimm, W.-B. unter Baulebung,
Schmidt, Jus primae noctis. 9
130 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
genossen nicht bei der Hochzeit, sondern erst nach dem Tode
erhoben wurde ^
Bumede, Burmede oder Baurmiethe-. Der Ausdruck
Bumede findet sich in einer Stiftungsurkunde des Kais6rs Lothar
vom 1. Aug. 1135^, in einer Schenkungsurkunde des Grafen
Siegfried von Boumeneberg vom 2. Nov. 1141 * und in einer
Urkunde des Herzogs Heinrich von Bayern und Saclisen vom
4. Nov. 1164^, zur Bezeichnung einer Abgabe, die bei Heirathen
unter Nichtgenossen zu entrichten war. Der Sachsenspiegel er-
wahnt die Burmede als Heirathsteuer der "Wendinnen, zum Be-
weis ihrer Unfreiheit, ohne hinzuzufiigen, dass diese Abgabe
nur bei Heirathen unter Nichtgenossen zu zahlen sei ''. Eine mit
^ Vgl. ohen y. 61 Anm. 1: Harenberg, diss. 3 § 16, S. 539: Grimm, 'W.-B.
unter „Bauiebung" ; Brinckmeier \inter Budelinge , Bd. 1 S. 300. 301. Hier
wird Bulevinge oder Budelinge definirt als ..das vorbehaltene Recht des Herrn
an eine Quote des Nachlasses seines Horigen , der eine fremde Horige zum
"Weibe genommen hat".
- Harenberg. diss. 8 § 16. S. 1173 (wo das Wort von „anbuen" oder „buen"
= genus propagare, \ind „Miethe" = pretium hergeleitet wird); Potgiesser
lib. 2 cap. 2. ^ 15: G. Hoffmann llb. 1 cap. 8. S. 84—91 (der ^Burmede'-
mit „Bauerniiethe" = census rusticorum erklart): Wachter unter Bumede
und unter Reitschoss; Halthaus unter Bumede; Scherz unter Bumede: Zedler
ISd. 3 S. "86 unter Baurmiethe ; Deutsche Encykl iinter Bedemund und unter
Bauermictlie (wo eine Ableitung des Worts aus „Braut" und „Metha" = Ge-
schenk erwahnt wird) : Raepsaet 3. Ausg. S. 22: Runde § 544; Danz § 544:
Grimm, R.-A. S. 384: Brinckmeier Bd. 1 S. 298; v. Raumer Bd. 5 S. 25:
V. Maurer Bd. 3 S. 168: Noordewier S. 160: Scherr 1865, S. 129 und 1876.
S. -237: Zopil 4. Aufl. Bd. 2 § 30, S. 167, 168: G. Waitz Bd. 5 S. 237.
3 Urk. V. 1. Aug. 1135, bei Rehtmeier Bd. 1 S. 298 und in den Orig.
Guelf. Bd. 2 S. 524 — 526, Nr. 524: . . . „Volumus, ut si qua mulier de fa-
railia Ecclesic servo nostro ad admlnistradium [aut uni ministerialium ?] iio-
strorum nupserit data justitia, quae Bunieda dicitur, in perpetuum cum ma-
rito juri nostro remaneat. Et e conver.so ideni fiat, si qua de faniilia nostra
Ecclesie servo nupserit." Vgl. Estor § 93, S. 130, 131: G. Hoffmann lib. 1
cap. 8. S. 84—91: v. Raumer Bd. 5 S. 25; G. Waitz Bd. 5 S. 237.
* Urk. v. 2. Nov. 1141, bei Harenberg S. 707, 708: . . . „Ad haec conce-
dimus, ut si qua de familia ecclesiae cuiquara nostrorura [nostro ?] maritaverit
servo , data justitia, quae vulgo Bnmeile dicitur, juri nostro de cetero cum
suo inaneat marito . et e converso fiat id ipsum , si qua de nostra familia fa-
mulo fuerit Ecclesiae copulata." Vgl. G. Waitz Bd. 5 S. 237.
» Urk. V. 4. Nov. 1]64, Orig. Guelf. Bd: 3 S. 424—425: . . . ,.Itom con-
cedimus, ut si qua de familia Ecclesiae alicui nostro nupserit servo , data
prius justicia, quae vulgari eloquio Btimede vocatur, in reliquum cum marito
juri nostro remaneat. ct e converso idem fiat si quam de familia nostra Eccle-
siae nubere cnntingat" . . . Vgl. v. Raumer Bd. 5 S. 25..
* Saclisenspiegel IH, 73 § 3 : ,.Man saget dat alle wendinne fri sin, durch
Kapitel 22. Hcirathsaljgaben iii I)eutr<chland. 131
dem Nanien bumiete bezeiclinete Ifeiratlisabgalje wird schon in
einer Urkunde des Bischofs Udo zu Hildesheim vom 24. Mai
1092 erwiihnt, wodurch die Dienstleute der Kirche zu Hildes-
heim von jener Abgabe befreit wurden. In dieser Urkunde ist
bemerkt, dass die vollige Freiheit zu heirathen, wie solche den
Dienstleuten des Reichs und der Kirche zu Mainz zustehe, friiher
auch im Gebiet der Kirche zu Hildesheim gegolten habe, bis
jene Abgabe durch die Bischufe Azelin und Hettilo zu Unrecht
eingefiihrt worden sei ^.
Bunzengeld oder B u nze n groschen ^. Yon dem Dorf
Farnstadt, welches im ehemaligen Fiirstenthum Querfurt liegt und
den Herren von Geusa gehorte, berichtet Liinig^: . . , „es muss
dat ire kindere na deme wendischen vadere horet ; des is doch nicht : wenne
si gevet ire hurmede irme herren, also dicke als si man nemet'' . . . Latei-
nisch : suis dominis . quotiens copulantur. praestant mercedem copula-
tionis" . . . Diese Abgabe soll von dem in § 2 desselben Artikels erwahnten
Erzbischof Wichmann von Magdeburg herriihren. Ygl. dariiber Allg. Lit. Anz.
1797, S. 1423: Riedel Th. 2 S. 29; Homeyer S. 248. — Zobel (fol. 449 Anm. c)
bemerkt, die Baurmiethe sei fiir den Loskauf von den Pfiichten gegen den
Herrn (fiir die Freilassung) gezahlt wordeu. "Ware dies sicher . so konnte
daraus gefolgert werden, dass die Abgabe bei Heirathen \inter Genossen
nicht zu zahlen \var.
1 Urk. V. 24. Mai 1092. bei WigaVl Bd. 1 S. 104— lOG: ..Vdo huius
sancte scdis uocatus episcopus diuine miserationis gratia tactiis insuper et
fratrum nostrorum canonicorum sancte Marie karitate doctus . et seruentium
nostrorum beniuola seruitute beneiiolus illis factus, et iusta proclamatione
eorum uictus sanctio atqiie perpetualiter constituo. ut omnes, legitimi seruien-
tes nostre ecclesie et filie eorum liberam potestatem cui uelint nubendi
habeant . sicut seruientes ad regnum pertinentes et mogontine ecclesie. Et
hoc novum non statuo, quia autecessores eorum idem ius a constitutione
liuius ecclesie habuerunt usque ad tempora Azelini et Hettelonis, antecesso-
rum nostrorum, qui uiolenter sine ratione et sine consuetudine aliarum eccle-
siarum eos coegerunt ad reddendum censum, quem uulgo bi(mietc uocant.
Nunc autem pro redemptione anime antecessorum nostrorum et nostre et pro
salute ecclesie huius cognosco iniusticiam illis factam et iusticiani quam
antecessores eorum habuerunt . communi consilio fratrum nostrorum eis be-
nigne reddo, et banno confirmo." Ygl. G. AVaitz Bd. 5 S. 237.
- Halthaus unter Schiirzenzins und Stechgroschen: Diimge S. 21. 22: Danz
Bd. 6 S. 46, 47 (§ 544): Reynitzsch S. 276: Grimm, R.-A. S. 384, und AV.-B.
unter ..Bunzengeld" und ..Bunzenzins" : Brinckmeier unter Bunzengeld ; v. Mau-
rer Bd. 3 S. 108: Scherr 1865, S. 129; Zopfl Bd. 2 S. 168; Scherr 18J6,
S. 237. — Nach Halthaus (unter Schlirzenzins und Stechgroschen) und Diimge
(S. 28) werden dieselben Ausdriicke auch von denjenigen Abgaben gebraucht,
die von entehrten Madchen an die Ortsobrigkeit oder an den Pfarrer zu ent-
richten waren. Ygl. oben Kap. 13. S. 67, 68.
3 Liinig Bd. 3 S. 723, 724. n. 57. -
9*
132 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
eine jede Braut vor ilirer Trauung dem Gerichtsherrn drey gute
Groschen bringen, welche vormals, und nur noch vor etwan zwolf
Jahren, der Buntzengroschen genennet worden, und von der Braut
selbst so hat miissen genennet werden ; die Gerichtsherrschaft aber
hat vor etwan zwolf Jahren diese Benennung aus guter christlicher
Wohlmeinenheit abgebracht, und spricht anitzo die Braut, wann
sie die drey Groschen bringt: Hier bringe ich, was ich schuldig
bin. Dabey ist zu merken, dass wenn diese drey Groschen
von der Braut, ehe ihr zur Trauung ausgelautet, nicht erleget
worden, der Gerichtsherrschaft freystehet, dass sie den Gerichts-
knecht ins Hochzeithaus schicken und die sammtiiche Hochzeit-
speisen wegnehmen lassen mag, Den Ursprung dieses Zinses,
und warum es der Buntzengroschen genennet worden, kann man
nicht finden, allein die Nachricht findet man, dass er iiber 150
Jahr so genennet gewesen. ... In Eilenburg findet man gleich-
falls eine curieuse Arth von einer Zinse, von deren Ursprung
und Beschaffenheit folgende Isachricht gegeben zu werden pfleget:
Im Anfange des eilfften seculi hat Friiulein Hidda zu Eilenburg
in der Stadt und Yorstadten daselbst die Anordnung gemacht,
dass eine Wittib , w^nn sie sich wieder verehelichen wiirde , zu-
vor auf das Schloss, oder ins Amt, einen Beutel ohne Nath,
worinn zwey Schreckenberger (sind 7 Groschen), und vier Pfen-
nige einlieffern sollte; woriiber noch heutiges Tages gehalten
wird, und bekommt der Beambte die zwey Schreckenberger, der
Land-Knecht^aber die vier Pfennige."
Busenhuhn, Busenrecht, Busenzins^ Es wird ohne
Angabe eines Beweises behauptet, dass fiir eine Heirathsabgabe
der Ausdruck ^Busenhuhn" und fiir das Recht des Grundherrn,
diese Abgabe zu erheben, der Ausdruck „Busenrecht" vor-
komme ^.
Buteil, Budeil oder B u d t e i 1 war, ebenso wie bulevinge
(s. oben), ein Anspruch des Grundherrn gegen den Nachhiss der-
jenigen Horigen, die ohne seine Erlaubniss sich mit Ungenossen
verheirathet hatten ^. Es war also zwar keine eigentliche Heiraths-
abgabe, wohl aber eine Strafe fiir Heirathen von Ungenossen.
1 Runde § 544: Danz § 344: v. Alvensleben zu p-ellens S. 137.
^ V. Alvensleben zu Fellens S. 137. — Dagegen gebraucht v. Martius
(1832. S. 56) das "Wort „Busenrcchf' fiir die Beziehungen der Brautleute
untereinander , Avie solche bei vielen sibirisclion Volkern, iusbesondere bei
Kalmlicken, Tataren und Baschkiren, iiblich sein sollen.
* Vgl. die Urltunden, die boi ]?rinokmeier unter Budolingc und uiitcr Bu-
deil, Bd. ,1 S. 300 und S. 428, 429, citirt stehen.
Kapitel '22. Heirathsabgabcu iii Deutsc-hlanJ. 133
C 0 n 11 a y- i u iii oder C u n n a ii; i u ni \ E.s wird angegeben, da.ss
diese Ausdriicke zur Bezeiclinuiig deutseher Heirathsabgaben vor-
kiimen.
F r a u e n z i n s oder F r a u e n g e 1 d , in Niedersachsen - , war
nicht eine Heirathsabgabe, sondern, falls eine darauf beziigliche
Erzahlung Keysler's iiberhaupt Glauben verdient, eine Jahres-
abgabe verheiratheter Frauen ^. Ein moderner Schriftsteller
meint, „der Frauenszins in der Altmark" sei ein Ueberbleibsel
des bei nordlichen Yolkern verbreitet gewesenen und in christ-
licher Zeit durch einen Betrag von Yieh oder Geld abgekauften
jus primae noctis oder jus connagii, d. h. des Rechts, die Braut
seines Yasallen oder Unterthanen zu entjungfern *. Doch besteht
fur diese Meinung keine Berechtigung.
Freudengeld ^. Yon den zur Abtei Sanct-Peter zu Merse-
burg gehorig gewesenen sogenaunten Abteidorfschaften wird be-
richtet, dass die Yerlobteu, bevor sie getraut wurden, eine Ab-
gabe unter dem Namen „Freudengeh;l" (an den Abteirichter) zu
entrichten hatten *'.
1 Hachenberg S. 122; Westphal § 12 S. 38; Deutsche Encykl. unter Bede-
mund; Runde § 544: Danz 544. Zur Erklarung des Wortes verweist Wachter
(unter Reitschoss) auf das islandische Wort kona = uxor. Vgl. auch Grimm,
W.-B. unter Kone und Kunne; Schmeller-Frommann Bd. 1 S. 125(3 — 1258;
Diefenbach iinter Cunnus. — Mir ist aus Deutsthland keine Urkunde bekannt,
worin das Wort connagiuin oder cunnagium vorkommt. Ueber das ..jus
cunni", das zu Montauban bestanden haben soll , vgl. unten Kap. 69: iiber
die italienische Heirathsabgabc ..connagio" unten Kap. 24 S. 139. Yielleicht
ist dies Wort durch volksetymohigische Umdeutung aus connubium entstanden.
Fur die mehrfach (z.B. bei Westphal §§ 11 — 13. Kestner § 1, Nork S. 191,
192 und Brinckmeier Bd. 1 S. 307) aufgestellte Behauptung, das Jus cunnagii
sei gleichbedeutend mit dem Jus primae noctis und hatte bei den alten Deut-
schen und andern nordischen Yolkern geherrscht. fehlt jeder Beweis.
2 Deutsche Encykl. unter Bedemund; Runde § 544; Danz § 544; Brinck-
meier unter Frauengeld : v. Maurer Bd. 3 S. 168; Scherr 1865, S. 129 und
1876, S. 237.
^ Keysler (§ 64, S. 487) berichtet, er kenne eine Stadt im Elbkreise (.,in
tractu Albino"), wo die verheiratheten Frauen jiihrlich zu Martini vor Sonnen-
untergang vier und einen halben Pfennig an den Quastor zahlen miissten;
diese Abgabe werde in den Registern Frauengeld genannt und vom Yolk mit
einem andern Namen bezeichnet ; dasselbe Recht gelte in den Hamburgischen
Yier Landen. Ygl. auch Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 28, S. 380, und Halthaus
unter Frauengeld.
♦ Nork S. 191, 192.
* Runde § 544; Danz § 544; v. Alvensleben zu Fellens S. 137; Grimm,
W.-B. Bd. 4 S. 147.
^ Dietmann S. 428. 429 : ..Diese Dorfschaften . . . haben einen sogenannten
134 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutschland.
Gastschilling, im Eichsfeld ^
Hemblaken, Hembschilling, Hemdschilling oder
Hemdlaken, in Niedersachsen, Braunschweig und Bremen^.
Diese Abgabe halt man fiir gleichbedeutend mit Bedemund ^. Es
wird berichtet, dass in gewissen Herrschaften Bremens jeder
^N^euverraahlte eine Abgabe unter dem Namen nHemdschilling"
zu eatrichten hatte, die hochstens einen Imperial betragen durfte *.
Doch werden die Ausdriicke „Hemdlaken" und „Bedemund'^ auch
nebeneinander zur Bezeichnung verschiedener Abgaben erwahnt ^.
Jungfernzins'' oder Jungf ernpf enni g ". Dass solche
Ausdriicke fiir Heirathsabgaben in Urkunden vorkommen, ist
zu bezweifeln; ahnliclie Ausdriicke, namlich „Jungfern-Zoll'* und
.^Jungfer-Tribut", werden in ganz anderm Sinn gebraucht *.
Kardiestelgeld^. Urkunden iiber ein e solche Bezeichnung
von Heirathsabgaben habe ich nicht gefunden.
Klauenthaler , in Mecklenburg ^^. Keysler versichert, in
Mecklenburg habe eine Heirathsabgabe im Betrag eines Thalers
unter dem Namen ^Klauenthaler" bestanden *^. Ob die Nachricht
der Wahrheit entspricht , kann unerortert bleiben. Jedenfalls
verfehlt ist die Yermuihung Keysler's, der Ausdruck sei dadurch
zu erklaren, dass die Jungfrau durch Zahlung des Thalers aus
den Klauen ihres Herrn entrissen wurde ^^.
Abteirichter, welcher aber unterm Amte steht: ingleichen mlissen ein Paar
Verlobte. ehe sie getraut werden, bei Rutsche-Recht , 6 gl. Freudengeld, und
Wittwer oder "Wittwen 12 gl. erlegen; wofern sie versaumen, solch Geld vor
der Trauung zu bezahlen , so rutsehet oder riicket es alle Stunden weiter
fort, in einer Stunde noch einmal so viel.""
* V. Maurer Bd. 3 S. 168. — Zur Erkliirung des Ausdrucks kann es vielleicht
dienen, dass zu Meissen im dreizehnten Jahrhundert die unfreien Bauern
..Gasti" genannt wurden: vgl. Grimm. W.-B. unter Gast.
2 Vgl. Deutsche Encykl. unter Bedemund : Runde § 544; Danz § 544;
v. Alvensleben zu Fellens S. 137; v. Maurer Bd. 3 S. 168: Scherr 1865,
S. 129 und 1876, S. 237.
^ Grimm. W.-B. unter Bettemund.
* Brinckmeier unter Hemdschilling, Bd. 1 S. 975. Wegen der Miinze vgl.
Brinckmeier unter Imperialis. Bd. 1 S. 1030.
^ Brinckmeier unter Hemdlaken, Bd. 1 S. 975 ( zwei Urkunden. nach Nolten).
6 Sclierr 1865, S. 129 und 1876, S. 237. ' Kolb 1842, S. 497.
8 Zedler Bd. 14 S. 1614, unter Jungfeni-Zoll.
9 Runde § 544; Danz § 544.
1" Keysler § 64 S. 487 ; Deutsche Encykl. unter Bedemund und unter
Bauermiethe; Runde § 544; Danz § 544; Grimm, W.-B. Bd. 5 S. 1034.
'• Keysler ^ 64 S. 487.
*- Ebenso gcschmacklos ist die hei Diimge (S. 27) citirte Meinung. dass der
Ausdruck von ..glau" herkomme und danacli eine Steuer von schoiicn Madclicn
Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutsohland. 135
Mannthaler^. Dies war, wie es scheint, nicht eine grund-
herrliche, sondern eine landesherrliche Niederlassungsteuer, in
einem Theil des Herzogthums Calenberg- ^,
Marcheta'' oder Marchzins \
M a r i t a g i u m -'.
M e i d e n r e n t e ''.
Fiir die drei zuletzt genannten Ausdriicke sind meines Wis-
sens keine Urkunden aus dem Gebiet des deutschen Reichs ent-
deckt worden.
Nagelgeld'. In der Grafschaft Raveusberg bestand die
Sitte , dass eine Leibeigene , welche den Horigen eines fremden
Herrn heirathete und durch Tausch unter dieselbe Herrschaft
kam ®, sich einen willigen Herrn machen musste, „das ist die Auf-
fahrt oder AVeinkauff uud zugleich das Xagel-Geld entrichten" ^.
bedeute. Glaubhafter ist die eigene Vermuthung Dumge's, dass die Abgabe
urspriinglich in einer Kuh bestanden habe, und die Benennung von den Klauen
der Kuh entnommen sei. Dafiir kann auf die Ausdriicke Klauenseuche,
Klauensteuer, Klauenvieh, Klauenzehnte verwiesen werden. Vgl. Adelung
und Grimm, W.-B. unter den bezeichneten Ausdriicken, auch Zedler unter
Klauensteuer (Bd. 15 S. 866). — In der Geschichte des Kurfiirsten Rudolph I.
vun der Pfalz (Schwiegersohns des Kaisers Adolph von Xassau) wird be-
richtet, dass derselbe eine bis dahin unbekannte Yiehsteuer eingefiihrt habe,
um die durch den Krieg gegen Kaiser Albrecht von Oesterreich veriirsachten
Schulden zu decken, und dass man diese Abgabe ..Klauensteuer" genannt
habe. Parei lib. 4 cap. 2, S. 157; daraus: Diimge S. 27.
1 Runde ,S 544: Danz § 544.
- Im Rationarium Praefecturae Coldingensls vom Jahr 1685 — 1686 sind,
wie Pufendorf Bd- 2 obs. 166, S. 535, 536, berichtet, Einnahmen aus den
..Mannthalern" unter den unbestandigen Hoheitsgefallen aufgefiihrt: die Amts-
ordnung vom Jahr 1674 erwiilint ..Maanthaler" unter den Hoheitsgefiillen und
Regalien; eine Verordnung vom 14. Jan. 1660 betriff't den ..Huldigungs- sive
Mannthaler"; ein Schreiben vom 5. ^Marz 1634 giebt an, dass .,von allen neu
antretcnden Amtsunterthaiien ein Mannthaler zu Schutzgeld nebst dem Amts-
Vogts-Gebiihr alten Herkommens nacli" erlegt werde. Pufendorf Bd. 3 obs.
28, S. 105—107.
3 Westphal ^ 12 S. 37 und § 13 S. 41: Deutsche Encykl. unter Bede-
mund: Runde ^ 544; Danz § 544.
* Zopfl Bd. 2 S. 168.
* Deutsche Encykl. unter Bedemund : Runde § 544: Danz § 544.
*> Runde § 544 ; Danz § 544.
' Halthaus unter Nagel-Gelt : Grimm, R.-A. S. 384; Brinckmeier unter
Nagelgelt: v. Maurer Bd. 3 S. 168; Scherr 1865, S. 129; Zopfl Bd. 2 S. 168;
Scherr 1876, S. 237.
^ Vgl. dariiber Kap. 12 S. 63.
^ Potgiesser lib. 5 cap. 2 ,^ 29. S. 861: ..Persona commutata in praedium
136 Kapitel 22. Heirathsabgaben in Deutscliland.
Keitschoss^ Diesen Ausdruck erkliirt Wachter aus Reit
oder Rad in der Bedeutung von Ehe und aus Schos, gleich
Abgabe, ohne Urkunden iiber diese Heirathsabgabe anzufiihren.
flSchiirzenzins" oder „Schiirz enthaler" ^. Es wird er-
zahlt, der Abt des Klosters Liraburg, bei Diirkheim in der Rhein-
pfalz, habe von allen seinen Leibeigenen [bei deren Yerheirathung]
den Schiirzenthaler erhoben ^.
^Sprunk-Daler", im Arat Liichow (Landdrostei Liineburg,
in Hannover). „Der Sprunk-Daler ist eine Abgabe der neuan-
gehenden Eheleute ira Amt Liichow, welche sie des Morgens
nach der Hochzeit dem Amtmann sowohl, als Pastoren ihres
Ortes, und zwar einem Jeden einen Thaler geben." ^ ^Js^ach dieser
Beschreibung war der Sprunkdaler eine Niederlassungsgebiihr,
die nicht bloss an die weltliche, sondern auch an die geistliche
Behorde entrichtet wurde. Ohne Grund regt das Breraisch-Nieder-
sachsische Worterbuch die Frage an, ob diese Abgabe wohl noch
ein Ueberbleibsel der „Abkaufung des juris priraae noctis sei".
Diese Frage beruht auf der irrigen Yoraussetzung, dass andere
Heirathsabgaben aus Abkauf des jus primae noctis herriihrten.
Stechgroschen^^. Ueber eine Heirathsabgabe dieses ^N^a-
mens ist mir keine Urkunde bekannt.
„UpspringeI-GeId" in Dannenberg, im hanuoverschen
Wendland. „UpspringeI-GeId wird in Dannenberg dem Gerichts-
schulten von einer jeden Heirath entrichtet; es betriigt 8 Schill." ^
Die Frage des Bremisch-Niederdeutschen AVorterbuchs, ob darin
„ein Ueberbleibsel der Abkaufung des juris primae noctis" zu
finden sei, ist zu verneinen.
Vogthemd^ Dieser Ausdruck soll dieselbe Bedeutung
deducenda persolvit domino laudemium. dictum der Weinkautt". et praeterea
repraesentat das Nagel-Geld."
* Wacliter unter Reitschoss; G. Hoffmann lib. 1 cap. 7, S. 78—84; Gru-
pen § 10; v. Alvensleben zu Fellens S. 137; Runde § 544; Danz § 544;
Brinckmeier unter Reitschoss.
2 Halthaus unter Schiirtzenzins: Rcynitzsch S. 276: Diirage S. 28: Kolb
1842, S. 497: Grimm . R.-A. S. 384: v. Maurer Bd. 3 S. 168: Scherr 1865,
S. 129 und 1876, S. 237.
3 Kolb 1842, S. 498.
* Brem. N. W. Bd. 4 S. 975.
* Halthaus unter Stechgroschen; Reynitzsch S. 275. 276: Diimge S. 28;
Kolb 1842, S. 497: v. Maurer Bd. 3 S. 168; Scherr 1865. S. 129 und 1876.
S. 237.
6 Brem. N. W. Bd. 4 S. 975.
' Brinckmeier unter Vogthemd: Scherr 1865. S. 129 und 1876, S. 237,
Kapitel 2;}. Hcirathsahgahcii in Oostorreifli-Unjjarii. 137
haben wie Bedenmiid ^ Dooli sind niir keine Urkunden dariiber
/u Gesieht gekoninien.
E. Heirathsabgabeu in Oesterreith-rngani.
Kapitel 23. Es kann angenommen werden, dass an man-
chen Orten ini Gebiet des heutigen Kaiserreichs Oesterreich und
Konigreichs Ungarn wahrend des Mittelalters bei Heirathen , we-
nigstens unter Ungenossen, soweit dariiber nicht Verbriiderungs-
vertriige bestanden^, Abgaben an Grundherren entrichtet wur-
den. Der Herzog Ottokar von Steyermark erkltirte in einer
Stiftungsurkunde (zu Gunsten einer Abtei) vom Jahr 1191, dass
Heirathen zw^schen Horigen seiner eigenen Herrschaft und sol-
chen der Abtei frei (ohne Abgabe) gesclilossen werden konnten,
und dass die Kinder aus diesen Ehen getheilt werden sollten;
dass dagegen bei Heirath eines Horigen der Abteikirche mit
einer Frau aus einem andern fremden Gebiet eine Heirathsteuer
von sechzig Pfennigen an den Yertreter der Abtei zu zahlen
sei ^^. Das Gericht des Patriarchen von Aquileja entschied durch
Urtheil vom Jahr 1276, dass an den Orten von Friaul, wo
das „copulaticum" bestehe , fiir jede Feuerstelle ein Scheifel
Getreide „pro copulatico" zu liefern sei ■*. Danz berichtet :
„In Ungarn kommen die Brautleute am Hochzeitstage in den
Schlosshof, wo sie einen Tanz anffiihren und deni Leibherrn
eine Henne iiberreiehen.'' ^ Diese und iihnhche Nachrichten
geben keinen Grund zu der Yermuthung , dass die Heiraths-
abgaben durch Loskauf eines unmoralischen Rechts entstanden
seien.
1 Grimm, W.-B. unter Bettenuuid.
2 Vgl. daruber Kap. 12 S. 62.
^ Urk. V. 1191, bei Potgiesser S. 365: ,.Si filius eccle.siae ex aliena familia
uxorem duxerit, cum Advocato 60 denariis componat: Abbatissa vero ius
Ecclesiae exquirat: Si autem de familia Styrensi matrimonium contraxerit,
nullam vim utrobique patiantur, sed filii et nobis et ecclesiae aeque divi-
dantur". . . .
•* Urk. v. 1276, bei Pertile Bd. 3 S. 154 Note 30: . . . „in villis, in quibus
copulaticum persolvitur, quilibet massarius (d. i. Hausbesitzer) residens cum
foco super aliquo manso , unum modium scilicet 3 staria aniionae dare i)ro
copulatico debet. Et quotquot massarii fuerint super uno manso cum focis,
tenentur pro unaquaque domo unum modium annonae persolvere. Et licet
massarius habens unum focum decem mansos aut plus aut minus coleret,
nisi tantum unum modium persolvere teneatur.'"
^ Danz Bd. 6 8 544. S. 46. 47.
138 Kapitel 24. Heirathsabgaben in Italien.
F. Heirathsabgaben in Italien.
Kapitel 24. An vielen Orten Italiens bestanden Heiratbs-
abgaben *. Papst Gregor I. (der Grrosse) erfuhr, dass die Horigen
der Kirche in Sicilien iibermassige Heirathsteuern entrichteten, und
verfiigte zur Abstellung dieses Missbrauchs, dass jene Abgaben
hochstens einen Schilling (fiir Wohlhabende) betragen diirften ^. In
einem Prozess der Gemeinde Romagnano gegen den Grafen von
Romagnano voni Jahr 1445 wurde festgestellt, dass der Graf be-
rechtigt sei, von den Tochtern seiner Horigen , wenn dieselben
ausserhalb seiner Herrschaft heiratheten, als Abzugsteuer unter dem
IS^amen „jus foeminarum" zehn Tarenos zu erheben. Dies Recht
galt noch im neunzehnten Jahrhundert ^. Aus diesen und iihn-
lichen Nachrichten kann ein Grund fiir die Meinung, dass hier
und da eine „Abgabe fiir Abkaufung des jus primae noctis" noch
besteheu konne \ nicht entnommen werden ''.
Allerdiugs findet sich in einem Werk von Hieronymo Mutio
aus dem Jahr 1553 folgende Stelle: „Ich will nicht unterhissen,
von einem andern Gegenstand zu sprechen, den ich nicht ohne
Jammer erwahnen kann; nach Erinnerung unserer Yorfahren
' Pertile Bd. 3 § 89.
2 S. Gregor. lib. 1 epist. 42, Gregorius Petro Subdiacono Siciliae: . . . „Per-
venit etiam ad nos, quod de nuptiis rusticorum immoderata commoda perci-
piantur: de quibus praecipimus , ut omne commodum nuptiarum iinius solidi
summam nullatenus excedat. Si qui sunt pauperes, etiam minus dare debent.
Si qui autem divites , praefati solidi summam nuUatenus transgrediantur :
quod nuptiale commodum nuUatenus volumus in nostram rationem redigi,
sed ad utilitatem conductorum proficere.'" Daraus: Pertile Bd. 3 § 88 S. 33;
Laboulaye S. 334.
5 Urk. V. 1445, bei AVinspearc Bd. 1 S. 130 Note 126 (aus fol. 314 vol. 2
der Prozessakten) : ,.Habet dictus comes jus faeminarum , quae maritantur
extra terram, a quibus recipit pro exitura tarenos decem.'^ — Keinc Hei-
rathsabgabe. sondern eine Jahresabgabe , war das „diritto della connatica"
des Grundherrn der Gemeinde Torepaduli in Otranto : derselbe hatte niimlich
von jedem verheirathcten Horigen, solange beide Eheleute in seinem Gebiet
lebten, jahrlich vier Carlini , von dem Witt-vver jahrlich zwei Carlini, von
der "Wittwe fur deren minderjahrigen Sohn jahrlich zwei Carlini und von
dem grossjahrigen Sohn (bis zu dessen Verheirathung) ebenfalls jahrlich zwei
Carlini zu fordern ; dies Recht wurde, wie Winspeare (Bd. 1 S. 131 Note 126)
berichtet, im Jahr 1750 notariell anerkannt.
* Pertile Bd 3 S. 53.
* Herr Hofrath Dr. Ficker in Innsbruck hat mir im Novbr. 1876 mit-
getheilt: „Ich habe in den letzten Jahren ,eine Menge italienischer Archive
nach rechtsgeschichtlich interessanten Urkunden durchforscht, insbesondere
auch auf Ehcrecht und verwandte Dinge gcachtet, auch vieles Interessante
gefunden, al^er kciiie Spur vom jus primac noctis."'
Kapitel 25. IleirathsaligabcMi in Spanien. 139
namlich uiul iinseror Viiter bestand in l*iemont und auf den Ge-
birgsiibergangen der Apenninen und franzosisciien Alpen der
Brauch, dass die neuvermahlten Frauen die erste Nacht mit dem
Herrn der Ortschaft schliefen. Und diese Sache ist so wahr,
dass noch in irgend einem dieser Orte ordentliclie Auflagen be-
zahlt werden, wodurch die Leute sich gegeniiber ihren Herren
von solcher unziichtigen Unterwiirfigkeit befroiten; diese Ab-
gaben tragen heute den Namen Connagio."* Aus dieser Stelle
geht hervor, dass bereits Hieronymo Mutio eine Sage erwiihnt,
welche den Ursprung einer mit dem Namen nConnagio" bezeich-
neten Abgabe auf jenes vielberufone Rocht zuriiclvfiihrte. Es
wiirde jedocli unzulassig sein, daraus zu folgern, dass jener Sage
eine geschichtliche Wahrlieit zu Grunde liogo. Die Nachricht ist
erkliirlich, da schon geraumo Zeit vor der Abliandlung des Hie-
ronymo Mutio die Geschichte des Hoctor Boethius erschienen
und weit verbreitet war, worin eine in Schottland horgebrachte
Heirathsabgabe in ahnlicher Weiso erkliirt wurde. Ein Bericht
des Camillus Borrellus iibor das „jus Cunnagii" beruht lediglich
auf der erwiihnten Stello des H. Mutio ^, Spatere Schriftsteller
haben dieselbe Nachricht weiter verbreitet ^.
G. Heirathsabg^aben in Spanien.
Kapitel 25. In Spanien mogon Hoirathsabgaben wie ander-
wiirts bestandon haben. Es wird berichtot, eine Abgabe, die
an den Schutzherrn fiir Ertheiluug dor Hoirathserlaubniss ent-
richtet werden musste, habe den Namen „doreclio de osas" oder
„dar calzas" gefiihrt, und sei auf den Cortes von Segovia (1256)
1 H. Mutio fol. 61: . . . „Non voglio lasciare di dire una altra cosa, la
quale senza rammario non posso rammemorare; che alla nienioria de gli avoli
nostri & de' nostri padri nel Piemonti & tra i gioghi del Apennino & dell'
Alpi di Francia si usava, che le nuove spose si giacevano la prima notte col
Signore del paese. Et e questa cosa tanto vera, che anchora in alcuno dl
que' luoghi si pagano delle gravazze ordinarie , per le quali da' loro Signori
si liberarono da cosi dishonesta soggettione: & servano hoggi il nome del
Connagio." — Ueber die Etymologie des Wortes connagio vgl. Kap. 22 S. 133
und Kap. 53.
^ Borrellus fol. 6 v., cons. 1 num. 150: ,,Hieronymus ^Iutius.Tustinopolitanus
in tract. 2 de Matrimonio ad Fabritium Columnam et Hippolytam Gonzagam,
idiomate Italico retulit, circa juga Alpium (ialliae et Montes Allobrogos fuisse
in pecuniarium onus redactum jus quorundam Dominorum, qui prima nuptia-
rum nocte novas nuptas eorum amplexibus accipere soliti fuerunt, ct hodie
apud illos obscaeno vocabulo Cunnagii jus appellari."
3 Hildebrand S. 189.
140 Kapitel 26. Heirathsabgaben an .Tunggesellen.
(lurch Konig Alphons X. von Castilien und auf den Cortes von
Yalladolid (1258) abgeschafFt worden ^ Ob diese Angabe richtig
ist, kann dahingestellt bleiben : in der Rechtsgeschichte von Mari-
chalar und Manrique finde ich nur die Nachricht, dass iu den
erwiihnten Cortes die Fahigkeit zu Heirathen geordnet, und die
Steuer fiir llochzeitsaufwand neu bestimmt worden sei -.
H. Heiratlisahgabeii aii Kameraden des Brautigrams:
coiUage, couiUage, conllage, cukiige, ciiUage; cochet, cocpief ; droif da han;
schofelen-spgse ; souUe; vin de mariage.
Kapitel 26. Seit dem Mittelalter bestehen an vielen Orten
Hochzeitsgebrauche, wonach der Brautigam sich das Recht der
ersten N^acht von seinen Kameraden gewissermassen erkaufen muss ^ ;
bei Nichtbezahlung der hergebrachten Abgabe wird die Ruhe der
Hochzeitsnacht durch Larmen (Charivari , Katzenmusik) gestort "^.
Gerard van Loon bezeugt, in den J^iederLinden finde sich das
Herkommen, dass die Braut durch ihre Spielgenossen fiir eine
Mahlzeit von Fischen oder etwas Anderm an den Briiutigam ver-
kauft und abgeliefert werde ^ ; und Raepsaet meldet von den Braut-
fiihrern der Provinz Seeland: „Am Abend giebt es zarte Kiimpfe
zw^schen ihnen und dem jungen Gatten, der sich anstrengt, seine
Schoue aus ihren Htinden zu ziehen, um sie zum Ehebett zu
fiihren, und er erreicht den Zweck, sie sich abtreten zu lassen,
nur durch eine Abfindung." '' Aus der oberen Pfalz wird berichtet,
1 Wolf S. 70, 71 aus T). Tomas Munoz y Romero , Coleccion tle fueros
municipales y cartas pueblas, Madrid 1847, tonio I p. 223.
2 Mariclialar Bd. 3 S. 82 : ... ,.se reglamenta la facultad de cazar" . . .
S. 83 : y encarga nuevamente las disposiciones sobre gastos de bodas."
Vgl. auch S. 82: ... ,,Se mandaba que nadie por casamiento de parienta
tomase ni diese calzas". . . .
^ Ducange unter Bannum. CJrimm , R -A. S. 167. 168. Schmeller-From-
mann unter dem Wort ,,Hochzeitspasse" S. 104.'). v. Diiringsfeld S. 50, 51,
126, 159, 166, 183. — Dies konnte man jus primae noctis nennen; doch
kommt der Ausdruck in diesem Sinn meines Wissens in keiner Urkunde
oder Erziililung vor.
* Barthelemy S. 119. In der Monographie iiber Charivari von G. Phillips
(1849) ist vou der Hochzeitsnacht nicht speziell die Rede.
5 Loon S. 168. — Vgl. v. Duringsfeld S. 234.
6 Raepsaet 3. Aufl. S. 51, 52. Moglicherweise ist jedoch diese Stelle und
auch der Bericht van Loon's nicht von Junggesellen, sondern von vveiblichen
Spielgenossen (Brautfiihrerinnen) zu verstehen. — Vgl. auch v. DUringsfeld
S. 233 iiber Texel: ,.t^inige Burschen fragten l)eim Heraustreten aus der
Kirche den Brautigam: Die Braut oder ein FasschenV Da er sclbstverstiindlich
Kapitel '2G. Heiratlisabgaben an Junggesellen. 141
dass dort die jungen Leute eines Durfe.s an den Ilociizeiten durcli
^Fange und Kaupereyen" tiieilnelinien, indeni sie in dcn Hausern
die Tliiiron auslieben, die Kamine verstopfen , ja ganze Wagen
auf die Firsten der llauser bringen (und dergleichen mehr) ; auf
dem Weg zur Kirche, wo die Yerbindung vor sich gehen soll,
sucht man die Braut wegzuhaschen , wo sie dann der Briiutigam
durch ein Lijsegeld wieder befreien muss ^ In Tyrol und im
bayerischen Oberland wird bei Hochzeiten ein sogenannter Braut-
fiihrer aufgestellt, der die Braut den ganzen Tag zu bewachen
hat; wird sie ihm doch entfiihrt, so muss der Brautigam sie
von dem Entfiihrer loskaufen. Von Nordamerika, namentlich
aus dem Staat Pennsylvanien, beispielsweise von dem Ort Clear-
field am Susquehana, ist mir erziililt worden, dass dort in der
Hochzeitsnacht auf der Strasse vor der Wohnung der Neuver-
mahlten entsetzlicher Larm gemacht wird, wenn der Briiutigam
unterlassen hat, seine Frau loszukaufen.
Hierdurch erklaren sich die nachbezeichneten scherzhaften Ab-
gaben, die im vierzehnten und fiinfzehnten Jahrhundert in Frank-
reich erhoben wurden^, Eine Urkunde vom Jahr 1357 spricht von
einem Herkommen , wonach an einem Ort des Bisthums Carnot
die Xeuvermahlten des Abends nach der Hochzeit (an die jungen
Leute des Dorfes) eine Kerze zu geben hatten ^. Ausweislich einer
Urkunde vom Jahr L378 begehrten die Junggesellen des Orts
nach Beendigung einer Hochzeit zu Lisines (Isle de France) im
Hochzeitshaus die hergebraclite Art von Pasteten ^. Eine Ur-
kunde vom Jahr 1375 sagt, in Jallon sur Marne und in der
Umgegend davon bestehe seit langer Zeit die Sitte, dass jeder
Bursch (^Knappe") , mit Ausnahme de.r Gelehrten und Adeligen,
bei der Heirath seinen heirathsfahifjen Kameraden ihren Will-
das Fasschen gab , wurde bestimmt. in welcher Herberge es getrunken wer-
den soUte, und die Burschen holten sich ihre Miidchen zur Hiilfe herbei;
allein konnten sie doch mit dem Fasschen nicht fertig werden "
^ Schmeller-Frommann S. 1045.
* Carpentier iind Ducange unter Culagium.
^ Urk. V. 1357 , bei Carpentier unter Nuptiaticum : ,.In villa de Uno-
pano (dioec. Carnot) nuptiae factae fuerant. . . . Ad domum sponsae in sero
diei iverunt et petierunt candelam per sponsum et sponsam praedictus, prout
actenus extitit et est in dicta villa in similibus fieri consuetum sibi dari."
* Urk. V. 1.373, bei Carpentier unter Nuptiaticum: ,,Conime icelui Jehan,
par maniere d'esbatement, feust ale avec-pluseurs jeunes gens de la ville de
Lisines en un certain hostel, ouquel il avait noces celle journee, pour deman-
der et avoir les pastez, comme Ten a coustume a faire en ladite ville en
tel cas."
142 Kapitel 26. Heirathsabgaben an Junggesellen.
komm bezahlen miisse, was man dort „cullage'' oder ^coullage"
nenne ^ In ahnlicliem Zusammenhang findeu sich die Ausdriicke
„vin du couillage" und „droit de coillage" in Urkunden von 1385
und 1391 2. Eine Urkunde vom Jahr 1390 beschreibt, wie nach
der Hochzeit eines Webers in Dreux (in Orleanais) mehrere
Weber desselben Ortes ihr „droit du ban" verlangten, namlich
ein oder zwei Quart Wein oder deren AYerth in Geld, wofiir
sie dem Herkommen nach ein Lied zu singen hatten ^. In einer
Urkunde vom Jahr 1396 findet sich folgender Bericht: „Diese
Leute begaben sich alle zusammen nach der Feierabendstunde
von La Greve nach Moustier, um von dem AVinzer Johann
Thibaut seinen nCoillage" zu verlangen, weil derselbe an dieseni
Tag ein Madchen aus La Greve geheirathet hatte . . . Johann
Thibaut wollte ihnen Nichts geben als Brot und Wein ..." *
Eine Urkunde vom Jahr 1382 berichtet, dass zu Azy an der
Marue, im Amt Titry, eine Hochzeit stattfand, und dass bei An-
bruch der Nacht die Kameraden sich gemeinschaftlich aufmachten,
um von der jungen Frau den ^cochet" zu begehren, so wie
» Urk. V. 1375. bei Car^entier und bei Ducange uiiter Culagium: ,,Comme
eu la ville de Jallon sur Marne et ou pais d'environ, il soit aecoustume et
de long temps. que un chascun varlet, mais qu'il ne soit clerc ou noble,
quant il se marie, soit tenuz de paier aus autres compaignons et varlez
a marier son becjaune, appelle oudit pais Cullage'''' (bei Ducange: „Conllage").
Ueber dcn Ausdruck Cullage vgl. oben Kap. 18 S. 95. 96.
- Urk. V. 1385. bei Carpentier u. Ducange unter Cuhigium: .,Le vin du
couillage du fils Petitpas, qui fu de nouvel mariez.'" I"rk. v. 1391. ebenda-
selbst : ..Auxquelles noces certain grant debat fu meu entreulx pour savoir a
qui appartenait le droit de coillage, deu par ledit espouse."
3 Urk. V. 1390 , bei Carpentier unter Bannum : ..Quant respousee se
deust coucher, vinrent pluseurs tisserans d'icelle ville de Dreux, lesquelz
demanderent a rexposant , comme administrateur du vin , leur droit du han,
qu'ils disoient a eulx appartenir: c'est assavoir qu'ilz dient avoir de cou-
stume ou lieu et ou pays d'environ, que, quant aucun se marie, ils doivent
avoir de Tespousee, ou de ses commis, une carte ou deux de vin, pour leur
ban, ou argent pour la valeur , et par especial ceulx qui sont de meme
mestier ou oftice de respouse: et pour ce aussi qu'il est accoustume de
chaiiter par esbatement une chanoon par ceulx iiui fdiit laditte demande,
ledit exposant respondi amiablement (pril/. n"en auroient poiiit. se ilz ne
chantoient la chan^on accoustumee."
* Urk. V. 1396. bei Carpentier und Ducange unter Cuhigium: ..Lesquelz
se partirent touz ensemble du lieu de la Greve apr^s heure de cuevrefeu.
pour venir au lieu de Moustier . en esp^rance de alcr demander a Jehan
Thibaut vigneron son coillage, pour ce que ce jour il avait espous^ une
fille dudit lieu de la Grfeve. . . . Lequel Jehan Thibaut ne leur voult donner
aucune chose , fors . . . que son pain et son vin. et des biens de son hostel."
Kapitcl 26. Ileirathsab^aben an Junggesellen. 143
herk()mnilicli aii mehrcreii Orten geschah ^ Einen ahnlichen
Inhalt liaben Urkunden von den Jahren 1397, 1400 und 1471,
die cbenfalls den Ausdruck „cochet" enthalten ^. Nach einer
Urkunde vom Jahr 1404 liatte ein Gerbernieister an die Gerber
des Orts fur Hochzeitswein („vin de mariagc") zwanzig Sous zu
zahlen'. In einer Urkunde aus der Picardie vom Jahr 1413
wird eine Landessitte erwahnt, wonach bei Hochzeiten unter
deni Namen „coquet" an die heirathsfahigen Junggesellen des
Orts Wein uud Fleisch geliefert wurde '^. Eine Urkunde vom
Jahr 1428 erzahlt: -Die Gefiihrten beschlossen, in das Zimmer
' Urk. V. 1382. bei Carpentier unter Cochetus: .,Jehan Grigois estant en
la ville (le Azy sur Marne ou baillage de Vitry . . . en laquelle avait unes
noces; et quant vint vers la nuit. ycellui exposant et .lescliz compaignons d'un
accort se mirent ensemble pour allcr querir le Cochet de Tespousee. si comme
il est accoustume a faire en plusieurs lieux ou pafs.'' Der Name dieser Ab-
gabe lasst sich durch die Vermuthung erklaren. dass urspriinglich ein junger
Hahn gegeben wurde , zumal da eine Urkunde v. 1350 (bei Carpentier unter
Cochetus) die Ausdrlicke gallus und cochetus als gleichbedeutend gebraucht :
„Die nuptiarum dicti matrimonii de sero accesserunt ad domum dicti defuncti
tunc sponsi parentes et amici, qui ad nuptias ipsas ratione amicitiae convene-
rant . . . causa solatii et quaerendl gallum sen cochetmn , ut in partibus illis
est moris." Zwar konnte das Wort auch von dem lateinischen cocetum
(griech. ■/.j/.ciuv) hergeleitet Averden , Avomit ein durch Mischung mit Honig
und Pfefler bereitetes Getrank bczeichnet wurde. Ygl. Carpentier I. c. und
Forcellini (Corradini) unter Cocetum. Allein die erstgenannte Etymologie ver-
dient den Vorzug, da auch in Deutschland ein Brauthahn oder Brauthuhn nicht
selten iinter den Hochzeitsgeschenken erwiihnt Avird. Grimm, R.-A. S. 441
(„briuteIhuon, minnehuon") ; Simrock S. o!)6. Vgl. auch die folgenden An-
merkungen, 2 und 4,- dieser Seite.
^ Carpentier unter Cochetus, Urk. v. 1397: „Lesdessuz nommez alerent
querir et demander le Cochet de I'esi)ousee, si comme accoustuine est . lequel
cochet leur fut ordene par ycelle espousee, et apres ce qu'ils orent receu
ledit Cochet s'en alerent boire en la sale." Urk. v. 1409: ..Icelui Oudin
demandait un Cochet , qui par la coustume du lieu est deu en tel cas (de
noces) aux compaignons de la ville . qui sont a marier." Urk. v. 1471: ,,Le
Cochet, qui est le droit que les espousez au pais ont accoustume de donner
le soir de leurs nopccs aux compaignons du lieu et paroisse, ou se font
lesdites nopces." Auch in diesen Stellen kann ..le cochet de respousee" mit
„Brauthahn" iibersetzt werden.
2 Urk. V. 1404, bei Carpentier unter Vinum maritagii: ..Chacun maistre
dudit mestier (de tanneur) sera tenu payer pour ri>i du uiariiiigc vingt solz
tournois.''
* Urk. V. 1413, bei Carpentier unter Cochetus: „Le Coquet, qui est une
chose accoustumee au pais de donner (aux jeunes compaignons) a marier, du
vin et viande pour aler boire et esbatre ensemble; lequel Coquet eust ete
baillie" etc. Hier ist das Wort ..coquet" im selben Sinn wie cochet ge-
braucht: es kann von coq (Hahn) al)geleitet werden.
144 Kapitel 26. Heirathsabgaben an Junggesellen.
der jungen Frau zu gehen, um zwei Kannen AVein fiir den
Schlaftrunk zu begehren, wie bei solehen Hochzeiten in diesem
Land (Rheims) iiblich ist, mit der Erkliirung, dass die Frau nicht
zu Bett gehen werde, bevor sie ilmen den Wein gegeben habe." *
In einer Urkunde vom Jahr 1454 wird iiber S. Leu in Rethelois
geschrieben ; „Die Gefahrten schickten zu dem Haus, wo die
Hochzeit stattfand, um nach dem Herkommen dieses Orts vom
Briiutigam sein culaige zu verlangen." ^ In einer Urkunde vom
Jahr 1458 heisst es: „Die Burschen der Stadt S. Just verlangten
den Wein oder den couillage (couillaige) nach dem Herkommen
des Landes." ^ In einer Urkunde vom Jahr 1479 wird erwahnt,
dass in Semur die heirathsfahigen Junggesellen sicli versammelten,
um die herki)mmlichen Pasteten von gewissen Hochzeiten zu be-
gehren "^.
Eine niederlandische Verorduung des Konigs IMiilipp II. vom
22. Juni 1589 richtete sich in Art. 7 gegen die Unordnungen,
welche an vielcn Orten bei Hochzeiten dadurch veranlasst wur-
den, dass die Junggesellen die „Schotelen-Spyse" vom Brautigam
verlangten^. Diese Bestimmung wurde in folgendem Prozess er-
1 Urk. V. 1428, bei Carpentier unter Nuptiaticum: „Lesquelz compaignons
conchircnt entre eulx que 11 convenoit aler en la chambre de respousee de-
mander deux pots de vin pour le vin de couchier, comme Ten seult faire
en teles nopces oudit pais (de Reims) disans s'ils ne les avoient, Tespous^e
ne s"en iroit pas couchier."
2 Urk. V. 1454. bei Carpentier und Ducange unter Culagium und bei
L. Favre zu La Curne de Sainte-Palaye unter Culaige, Bd. 4 v. 1877 S. 434:
..Lesquelz compaignons envoyerent . . . oudit hostel ou se faisaient les nopces,
pour demander a Tepouse son cuhtige, ainsi qu"ils ont accoustume de faire
oudit lieu.'"
^ Urk. V. 1458, bei Carpentier und Ducange unter Culagium : ,,Fut par
les varles de la ville de S. Just demande le vin ou le coinllage , qui est une
ehose accoustume au pays"; bei L. Favre zu La Curne de Sainte-Palaye
unter Culaige, Bd. 4 v. 1877 S. 434, in folgender Lesart : „Fu par les varles
de la ville de S. Just demande le vin ou couiUaiye, qui est une chose accous-
tum^e ou pays'^
* Urk. V. 147S). bei Carjientier unter Nuptiaticum: „Une meslee de gens,
qui estoient assemblcz au lieu de Semur pour cuider avoir les pastes de cer-
taines noces: lesquelz on a accoustume de bailler aux varlets ii marier."
5 Verordnung des Konigs Philipp II. v. 22. Juni 1589, im Tweeden Placaet-
Bouck, I. Bouck, Rubr. 4 (S. 169—180) Art. 7: „Daer-enbouen willen Avy,
dat inde Bruyloften die ten platten Lande ghehouden sullen worden, mit
vergaderynghe van volcke, de Officieren senden eenighen Sergeant oft anderen
persoon wel ghequalificeert wesende, om aldaer te slisten ende neder te leg-
ghcn alle twisten ende gheschillen, die aldaer zouden moghen vallen, den
weleken te vreden sal moeten wesen, met zes stuyvers s' daechs bouen zi.jnen
Kapitol 26. llciratlisaljgal^en an Junggesellen. 145
wahnt. Im Dorf ilargnies, in der l'rev6te von Agimont, hei-
ratliete am 13. October 169(5 Joliann Ferdinand Arnout aus Har-
gnies ein Miidchen aus demselben Dorf. Am Tag nach der
Hochzeit sammelten sich die Junggesellen des Orts, acht oder
zehn an der Zahl, unter Anfiihrung von Pierre Liegeois, „Capi-
taine de la Jeunesse" des Orts, auf der Strasse, die der Neu-
vermiihlte mit seiner Frau auf dem Ileimweg passiren musste;
sie trafen ihn um zehn Uhr Nachts, hielten ihn fest und ver-
langten von ihm eine ^soulle" (d. h. Geld, um sich zu be-
trinken) ; da er nur zwei Thaler bei sich hatte , pfiindeten sie
seine Jacke, die sie mit sich zum AVirthshaus nahmen. Arnout
stellte den Antrag auf Strafverfolgung gegen die jungen Leute
Henry Brichet und Genossen, worauf die Sache vom General-
procurator betrieben wurde. Der Prevot von Agimont verurtheilte
am 8. Xovember 1698 die Beklagten, die Jacke herauszugeben
und sechs Franken Schadensersatz an den Kliiger Arnout zu
zahlen, ausserdem einen jeden Beklagten zu einer Geldstrafe von
sechs Franken und zu den Kosten. Gegen dies L'rtheil legten
Brichet und Genossen Berufung ein, woriiber das Parlament von
Tournay zu entscheiden hatte. Sie machten geltend, es liege
kein Grund zu einem Strafverfahren vor, und sie hatten auf das
droit de souUe einen wohlbegriindeten Anspruch, weil sie dafiir
an die Gemeinde jahrlich zwei Franken zahlten. Yon der an-
dern Seite wurde entgegnet, es sei eine Gewaltthiitigkeit veriibt
w^orden, und das sogenannte droit de soulle sei ein Missbrauch,
der weder durch Yerjiihrung noch durch einen entgeltlichen Titel
gereclitfertigt werden konne; auch seien iihnliche Missbriiuche
bereits durch das Placard Philipp's 11. vom 22. Juni L589 ver-
boten worden. Xach Anhorung des Generalprocurators, verwarf
das Parlament die Berufung durch Urtheil vom 7. Juli 1699, mit
dem gleichzeitigen Yerbot fiir alle jungen Leute der Prevote von
Agimont, unter dem Namen von Soulle oder unter einem andern
Yorwand irgend Etwas von Neuvermiihlten einzuziehen, bei Yer-
meidung exemplarischer Bestrafung ^
Ist bei allen solchen scherzhaften Abgaben die Moglichkeit
cost: encle zuUen de voornomde Officieren ook zien te beletten de onghere-
geltheden, die in vele plaetsen gheschieden, om de Schotelen-spiise , die de
Jonghesellen ghewoonliek syn vande Bruydegoms te heysschen , iae mits
stellende zekcre boeten ende peinen teghens de ghene di voortaen om sulcke
zaecke hen vergaderen sullen.'*
» Pinault de Jaunaux, tome 2, arret 265. S. 359 — 362. Brillon Bd. 2 S. 899.
Raepsaet 3. Aufl. S. 52, 53.
Schmidt, 3\\s primae noctis. 10
146 Kapitel 27. Religiose Vorschriften iiber die Hoclizeitsnacht.
ausg-eschlossen , ihre Entstehung auf das jus primae noctis zu-
riickzufiihren, so dient dies zur Bestatigung der Annahme, dass
ebensowenig beziiglich der grundherrlichen Heiratlisabgaben , die
durch luhalt und Namen ^ mit jenen Abgaben iibereinstimmen,
an das vielberufene Recht zu denken ist.
V. Vorschriften uber die Hochzeitsnaclit.
J. Beligidse Vorschriften.
Kapitel "2?. Aus der Xatur der Sache erkliirt es sich, dass
die Vollziehung der christlichen Ehe ^ einen Gegenstand kirch-
licher Fiirsorge nach verschiedenen Riclitungen gebildet hat.
Es wurde die fromme Sitte eingefiihrt, das Schlafgemach
und das Bett der Neuvermiihlten kirchlich einsegnen zu lassen ^.
Alte Rituale von Salisbury und York sclirieben vor, dass dazu
AVeihraucli und ^Veihwasser verwendet werden solle ^. Ein Pa-
riser Missale aus dem fiinfzehnten Jahrhundert enthalt genaue Vor-
schriften iiber die Einsegnung des Ehebetts und der Ehegatten,
im Anschhiss an andere religiose Vorscliriften, die bei Einfiihrung
der Eheoratten in ihr Volmliaus beobachtet wurden ^ Auch wird
1 Ygl. Kap. 3 S. 13. 15 und Kap. 18 S. 94-97.
2 Die katholische Kirche lehrt die Unauflosliclikeit einer unter Christen
giiltig geschlossenen Ehe mit der Massgabe, dass diese Unaufloslichkeit aus-
nahmslos nur fiir das matrimonium ratum atque consummatum gilt. wiihrend
das Band eines matrimonium ratum, nondum consummatum durch das Ordens-
gelubde eines Ehegatten und aus wichtigen Griinden durch pjipstliche Dispen-
sation gelost werden kann. Vgl. Cap. 2, 7 und 14 X. de conversione con-
jugatorum ; die Entscheidungen der Congregatio Concilii bei Richter. Conc.
Trid., sess. 24 num. 139—150.
3 Vgl. Aeneas Silvius S. 85: Chardon Bd. 0. cap. 2 S. 162. 163: Dulaure.
Paris Bd. 2 S. 495, Bd. 3 S. 249: Voltaire, Dict. phil. unter Taxe: Drake
S. 110; Gubernatis, Thiere S. 200; Sohm S. 155; A. Schulz Bd. 1 S. 494.
* Chardon Bd. 6, cap. 2 S. 162, 163 (aus Franc. Alvarez lib. 2 cap. 10):
„Secundum morem antiquum thurificantur thorus et thalamus.'"
5 ISIissale von Paris aus dem 15. Jahrh., bei Fr. X. Schmid Bd. 3 S. 376, 377 :
. . . Quo facto introducit eos sacerdos per manum in domum dicens: „In no-
mine Patris et Filii et Spiritus sancti. amen." Item in sero benedictio tha-
laml: „Benedic, Domine, thalamum hunc, et omnes habitantes in eo, ut in
pace tua consistant, et in tua voluntate permaneant, et in amore tuo vivant, et
senescant, et multiplicentur in longitudinem dierum. Per Dominum" etc.
Tunc thurificet thalamum, postea sponsum et sponsam, sedentes vel jacentes
in lecto suo, benedicat dicens: ,,Benedic, Domine, adolescentulos istos, sicut
benedixisti Tobiam et Saram filiam Raguelis: ita benedicere digneria eos,
Domine, in nomine tuo. vivant et seiicscant et multipliecntur in hmgitudinom
Kapitel 27. ReligiOse Vorsehrifteii iibcr die Hochzeitsnacht. 147
bericlitet, dass bei llochzeiten in x\.byssinien eine Art Bett in
die Kirche gebracht wurde, iind dort die Einsegnung desselben
stattfand; und dass die Einsegnung des Ehebetts unterblieb,
wenn der Pfarrer voraussah, dass sie nach dem Zustand der An-
wesenden nicht mit Schicklichkeit vorgenommen werden kiJnne ^
Die Einsegnung des Ehebetts, die nocli heutzutage in manchen
Gegenden Deutschlands iiblich ist , geschah an vielen Orten
Schwabens am Tag vor der Hochzeit^; in Konstanz zu der Zeit,
um welche das Ehebett zurechtgemacht wurde , meist Abends ^.
Nach einem Strassburger Ritual vom Jahr 1742 begiebt sich der
Priester am Morgen des Trauungstages in das Haus der Braut-
leute; dort wird er von den Eltern oder andern betagten Per-
sonen zum Brautbett gefiihrt, vor welchem die Brautleute knieen ;
er besprengt dann das Bett und die Brautleute mit Weihwasser,
spricht einige Segensgebete ^, besprengt nochmals das Ehebett,
cUerum. Per Christiim" etc. Item alia benedictio: ..Benedictio Dei omni-
potentis, Patris et Filii et Spiritus sancti. descendat super vos. et maneat
semper vobiscum. In nomine Patris et Filii et Spiritus sancti, amen." —
Vgl. uber die Pariser Synodalstatuten Veuillot 2. Aufl. S. 113.
' Chardon Bd 6, du mariage chap. 2 S. 163.
2 Birlinger Bd. 2 S. 334, 335 (Obersclnvaben) , S. 336 (Umgegend von
Saulgau), S. 344 (Bettringen bei Gmlind). S. 362 (Gegend von Ehingen a. D.).
v. Diiringsfeld S. 138 (Schvaben).
^ Birlinger Bd. 2 S. 401, Nr. 349: „Wenn man sich verehelichte und das
Ehebette zurechte machte, so liess man den Herrn Pfarrer oder einen INIonch
zu sich bitten, dasselbe einzusegnen, welche Handlung meistens Abends vor-
genommen wurde. Man ziindete zwei Lichter an, der Geistliche legte seine
Stola an und betete aus einem lateinischen Buche. Hierauf nahm er das
Weihwasser und segnete das Bett ein, wodurch die Teufel. Hexen und Schrattle
(Alp) verhindert wurden, den Eheleuten schaden zu konnen. Nacli vollendeter
Einsegnung des Ehebettes bewirthete man den Priester gut. unterhielt ein
munteres Gespriich und drlickte demselben beim Weggehen noch ein Stiick
Geld in die Hand."
♦ Ritual von Strassburg v. ,1. 1742, bei Fr. X. Schmid Bd. 3 S. 377: Sacerdos
autem indutus superpelliceo et stola albi coloris aspergit conjuges et thalamum
aqua benedicta, dicens: „Asperges me, Domine, hyssopo et mundabor; lavabis
me, et super nivem dealbabor. Oremus! Visita, quaesumus , Domine. habi-
tationem istam, et omnes insidias inimici ab ea longe repelle, angeli tui sancti
habitent in ea, qui hos novos conjuges in pace custodiant. et benedictio tua
sit super ipsos semper. Per Christum dominum nostrum. Amen.'" Deinde
alternatim cum ministro dicat psalmum „Beati omnes" cum versiculis. „Ore-
mus! Benedic, Domine, thalamum istum nuptialem una cum his tuis conju-
gibus, ut in tua pace consistant, tua voluhtate permaneant, tuo amore vivant
et senescant. et multiplicentur in longitudinem dierum. Per Christum Do-
minum nostrum. Amen." Demum elevans manum dexteram sponsis benedicat,
dicens : „Benedicat Deus corpora vestra et animas vestras, et det super vos
10*
148 Kapitel 27. Religiose Vorschriften iiber die Hochzeitsnacht.
die Ehegatten und alle Anwesenden und halt eine kurze Er-
mahnung ^.
Wo die Einsegnung des Ehebetts hergebracht war, bestanden
dafiir nicht selten feste Stolgebiihren. In der Pfarrei Saint-Eustache
zu Paris hatte der Pfarrer die Einnahmen aus solchen Cfebiihren
nach Massgabe eines Yergleichs vom Jahr 1254 mit dem Decan
von Saint-Germain-rAuxerrois zu theilen ^. In den Bisthiiraern
Amiens und Paris betrug die Gebiihr fiir Einsegnung des Ehe-
betts zufolge einer Entscheidung des Parlaments zu Paris zwolf
Pfennige ^ oder zwei Sous ^. Voltaire berichtet , diese Gebiihr
sei in einer durch Franz von Harlai de Chamvallon, Erzbischof
von Paris, am 30. Mai 1693 erlassenen und durch das Parlament
am 10. Juni desselben Jahrs genehmigten Taxe auf anderthalb
Franken festgesetzt worden ^.
Die Einsegnung des Ehebetts ist ein iiusseres Zeichen der
Ermachtiguug zum Beginn des ehelichen Lebens, Obwohl diese
Berechtigung durch Abschluss der Ehe begriindet wird, so hatte
sich doch im Lauf des Mittelalters an vielen Orten theils durch
benedictionem siiam , sicut benedixit Abraham , Isaak et Jacob. Manus Do-
mini sancta sit super vos. mittatque angelum suum, qui custodiat vos omnibus
diebus vitae vestrae. Amen. Beaedicat vos Pater et Filius et Spiritus sanctus.
Amen."
1 Ritual von Strassburg v. J. 1742, bei Fr. X. Schmid Bd. 3 S. 377, 378:
..L"eglise ne peut rien dire de plus juste pour cette ceremonie, que ce que
dit Tange au jeune Tobie, que le demon de l'impurete a pouvoir sur ceux,
qui dans leur mariage bannissent Dieu de leur esprit et de leur coeur, et
qui ne suivent, comme les animaux , que les moiivemens de leur sensualite:
c'est pourquoi pour eviter ce malheur, considerez, qu-^tant les enfans de Saints,
vous ne pourrez pas vous unir ensemble comme des paiens, qui ne con-
noissent point Dieu. Suivez cet avis, que Tapotre saint Paul donne a tous
les epoux: Que le mariage soit trait^ de tous avec honnetet^, et que le lit
nuptial soit pur et sans tache." — Der hier und in der vorstehenden Note
(S. 147 Anm. 4) beschriebene Gebrauch ist gegenwllrtig dem Vernehmen nach
fast ganz abgekommen.
2 Dulaure, Paris Bd. 2 S. 495.
3 Parl.-Urth. v. (5 Miirz 1501 in den Syn. Stat. des Bischofs Poncher vom
Jahr 1515 (vgl. dariiber unten Kap. 63): ... i,pour la benediction du lict en
lieu de ung (vin?) paieront les nouveaux maries douze deniers parisis."
Vgl. Hist. de Ponthieu S. 286.
* Parl.-Urth. v. 19. Marz 1409 (s. untcn Kap G3): . . . „pr() bencdictione
lecti sponsatorum duos solidos parisiensium". . .
* Voltaire, Dict. phil. unter Taxe. — Ist dies richtig, so kann damals das
Verbot, wolches Konig Hetnrich II. im Jahr 1556 gegen die kirchliche Ein-
segnung des Ehebetts erlassen haben soll (Brillon Bd. 1 S. 573), nicht mehr
in Geltung gewcsen sein.
Kapitcl 27. Religinse Vorschriftcn ii1)er die Hochzeitsnacht. 149
kircliliolie Yorsohrifton , tlioils duroh kirohliches nerkornmen dio
Regel gebildet , dass die Yollziehiing der Ehe nicht ani Tag
der Trauung, sondern erst spiiter stattfand ^. Eine Erkhirung da-
fiir liegt schon in der Sitte, wahrend der Brautmesse oder iiber-
haupt vor der Trauung zu conimuniciren ^. In der morgen-
hindischen Kirohe riigte Theodor Balsamon, Patriarch von An-
tiochien im zwolften Jahrhundert , dass die altc Strenge der
Enthaltsamkcit fiir die Hochzeitsnacbt nachgelassen habe; er
schiirfte sie von Neuem ein und berief sich hierbei auf die
Uebung der Brautleute, vor der Hochzeit zum Tisch des Herrn
zu gehen, sowie auf eine Synodalbestimmung des Patriarchen
Lucas -^ Im Abendland wurde noch grossere Strenge geiibt \
Eine weitere Erklarung fiir die Enthaltsamkeit, die den Neu-
vermahlten fiir die erste Zeit nach der Hochzeit empfohlen wurde,
findet sicli im Beispiel des jiingeren Tobias. Als Tobias durch
den Erzengel Eaphael, der die Gestalt des Azarias angenommen
hatte, von Ninive nach Rages in Medien geleitet wurde, um eine
Darlehnsforderung von zehn Talenten Silber fiir seinen Yater
bei Gabelus einzuziehen , kehrten beide Reisende zu Ekbatana
im Haus Raguers ein. Raguel gehorte ebenso wie Tobias zum
Stamm Nephtali. Er hatte keinen Sohn , sondern nur eine
Tochter, Namens Sara, auf deren Hand und Yermogen (nach dem
Gesetz Mosis iiber die Erbtuchter) Tobias als der nachste Stam-
' Diese Regel steht in Einklang mit sonstigen Vorschriften iiber eheliche Ent-
haltsamkeit. Die Beobachtung derselben war beispielsweise ia einer Synodal-
vorschrift des Bischofs Ratherius von Verona fiir zwanzig Tage uud Nilchte um
Weihnachten. fiir die Octaven von Ostern und Pfingsten, fur die Vorabende der
Festtage und fiir alle Samstage und Sonntage vorgeschrieben: in einer Ver-
ordnung des Erzbischofs Theodor von Canterbury fiir die Zeit der vierzigtagigen
Fasten und fiir die ersten Wochen nach Ostern und Pfingsten ; in einer Synodal-
vorschrift des Erzbischofs Egbert von York fiir die drei Tage und Nachte vor
und nach jeder heiligen Communion. Vgl. Bened. XIV. de Syn. dioec. lib. 5
cap. 1 § 8; Fr. X. Schmid Bd. 3 S. 379; Veuillot 2. Aufl. S. 125-127. — Papst
Benedict XIV. bemerkt in seiner Schrift iiber die Diocesan-Synode, dass der-
artige Bestimmungen in alterer Zeit rechtsgliltige Kirchenverbote gewesen
seien und erst spater die Natur blosser Rathschlage angenommen hiitten. Dies
mag richtig sein ; doch waren die einzclnen Bestimmungen von einander ver-
schieden und nur fiir einzelne Kirchensprengel erlassen; es gal) keine der-
artige Vorschriften von bindendem Charakter flir die ganze Kirche.
2 Cliardon Bd. 6 S. 160. Calmet unter Noces . Bd. 3 S. 54. Deutsche
Encykl. unter Brautnacht.
3 Thomassin part. 1 lib. 6 cap. 83 num. 10, S. 496.
♦ Thomassin part. 1 lib. 83 num. 11. Fr. X. Schmid Bd. 3 S. 379. Veuillot
2. Aufl. S. 126, 127.
150 Kapitel 27. Religiiise Vorschriften iiber die Hochzeitsnacht.
mesgenosse Anspruch erheben konnte. Demgemass sprach Ra-
phael zu Tobias: ^Dir gehort ihr ganzes Yermogen, und du musst
sie zur Frau nehmen; bewirb dich also um ihre Hand bei ihrem
Yater, und er wird sie dir zur Gattin geben." Doch war Sara
schon siebenmal verheirathet gewesen, und jedesmal ward ihr
Gatte vor YoUziehung der Ehe durch einen bosen Geist getodtet.
Tobias fiirchtete, es moge ihm ebenso ergehen. Raphael belehrte
ihn, der Damon habe Gewalt iiber diejenigen, die bei der Hei-
rath Gott aus ihrem Herzen ausschliessen und, den unverstandigen
Thieren gleich, ihren Geliisten folgen; Tobias dagegen moge
nach der Hochzeit drei Tage lang sich des ehelichen Umgangs
enthalten und diese Zeit gemeinsam mit der vermahlten Jung-
frau zum Gebet verwenden^; erst nach der dritten Nacht moge
er, mehr aus Yerlangen nach Kindern, als aus Begierde, die
Jungfrau in der Furcht des Herrn zu sich nehmen, um im Samen
Abraham's Kindersegen zu erlangen. Tobias befolgte diese Rath-
schlage. Als er nach dem Hochzeitsmahl in das Schlafgemach
gefiihrt wurde, fesselte Raphael den Diimon. Dann sprach To-
bias zur Jungfrau: ^Stehe auf, Sara, wir wollen zu Gott beten,
heute, morgen und. iibermorgen. Diese drei ^S^iichte sind wir mit
Gott vereint; nach Yerlauf der dritten Xacht woUen wir als Ehe-
leute leben; denn wir sind Kinder von Heiligen und konnen uns
nicht verbinden wie Heiden, die Gott nicht kennen." ^ Sie bete-
ten inbriinstig. Dann schliefen sie zwar schon in der ersten
Xacht nebeneinander 3; doch beobachteten sie Enthaltsamkeit bis
nach der dritten ]S^acht.
' Lib. Tobias cap. 6 v. 18 (Vulg.): ,.Tii autem cum acceperis eam, in-
gressus cubiculum per tres dies continens esto ab ea, et nihil aliud . nisi
orationibus vacabis cum ea.''' Diese Stelle der Vulgata fehlt im griechi-
schen, hebraischen und syrischen Text und ist vom hl. Hieronymus aus dem
chaldaischen Text mit Hiilfe eines chaldaisch-hebraischen Dolraetschers her-
gestellt worden. Epist. D. Hieronymi Bd. 3 S. 22. In der Itala (dem Codex
Sinaiticus) ist an dieser Stelle (v. 17) nur gesagt: ,,Und wenn du die Ehe
mit ihr vollziehen willst, so wachet erst zusammen und betet und bittet den
Herrn des Himmels, dass Erbarmen und Heil auf euch komme.'v Gutberlet
(§ 3 S. 22—27) nimmt an, dass die hebraische Urschrift des Buches Tobias
verloren gegangen ist, und davon die verschiedenen Texte herriihren.
2 Lib. Tob. cap. 8 v. 4. 5 (Vulg.): ,.Sara, exurge, et deprecemur deum
hodie, et cras et secundum cras: quia his tribus noctibus Deo jungimur: tertia
autem transacta nocte, in nostro erimus conjugio. Filii enim sanctorum sumus,
et non possumus ita conjungi sicut gentes quae ignorant Deum." Auch bel
dieser Stelle fehlt die Erwahnung der drei Nachte im griechischcn. hebriii.schen
und syrischen Text und in der Itala. Vgl. I. Thessal. cap. 4 v. :>.
3 Lib. Tob. cap. 8 v. 15.
Kapitel 27. Religiiii^e Vorschrifteii iiber die Ilochzcitsnacht. 151
Die dreitiigige Enthaltsamkeit von Tobias und Sara war ein
aussergewolinliclies Mittel zum Scluitz gegen ein aussergewohn-
liches Ungliick ^ Keine allgemeine Yorschrift der Kirche ge-
bietet, das Beispiel des Tobias zu befolgen. Im ersten Brief
des Apostels Paulus an dic Corinther ist angedeutet, dass die
Enthaltsamkeit nur zeitweise, mit gegenseitigcr Zustimmung, geiibt
werden solle , um freie Zeit zum Gebct zu gewahren ^ ; und das
Concil von Trient ermahnt nur, dass die j^euvermalilten nicht
unter demselben Dach zusammenwohnen (d. h. die Ehe nicht
consummiren) sollen , bevor die priesterliche Einsognung (die in
gewissen Fallen bei Abschluss der Ehe nicht erfolgen kann) in
der Kirche stattgefunden hat ^.
Allerdings erinnern einige Quellenstellen des kanonischen
Rechts durch ihren Inhalt an das Beispiel des Tobias. Eine
angeblich aus den Decreten des Papstes Soter, Kapitel 5, her-
riihrende Stelle, welche in die Decrete von Burchard und Ivo
aufgenommen ist , fordert die jungen Ehegatten auf, bis zum
dritten Tag einschliesslich Enthaltsamkeit zu beobachten '^.
1 Gutberlet S. 211.
- I. Cor. 7. 5: Mr^ 'j.-fjZ-.z[jil-.t 7./././^//yj; . it a/^ ti iv i/. '■j;;.-j,(ovoj -po: /.cc.pov,
iva ayoXctaTjtc TJj •/rp-ti.y. v.aX t/j ~Vjtvy/r^ , •/,c(i rc</.'.v i-\ to 7.jto 'jvEp/E jili . iva
1J.7] T.v.rA^T^ 'J;jta; 6 accrotvoi; ot-/ Tr,v c<-/.pajio'.v •jaujv.
^ Conc. Trid. sessio XXIV. de reform. matr. cap. 1 : . . . Practera eadem
sancta synodus hortatur , ut conjuges ante benedictionem sacerdotalem in
templo suscipiendam in eadem domo iioii cohabitent". . . Vgl. dazu Ferraris
unter Benedictio sponsorum num. 4 — 7. Bd. 1 S. 402.
* Burchardi Decret. lib. 9 cap. 5; Decretum Ivonis, pars 8 cap. 145: . . .
,,biduo etiam ac triduo abstineant, et doceantur ut castitatem inter se custo-
diant." An diese Vorschrift und an das Beispiel des Tobias erinnert der
Inhalt einer Legende des Bischofs Aribo von Freisingen (angeblich 764 — 782
oder 784), die in dem Werk Arnoldi Emmerammensis monachi (aus dem elften
Jahrhundert) de miraculis S. Emmerammi, lib. 1 num. 3, wiederholt ist. Darin
sagt ein Christ, der wider seinen Willen in der Gefangenschaft vermilhlt
Avurde, im Schlafgemach zu der neuvermahlten Frau: „Providendum nobis
est, karissima soror, ne gentilium more, Christianas nuptias sociemus , sed
magis per triduum abstinere oportet et Deum cum lacrimis deprecari , ut det
germen justum in conjunctione; quia mulier non propter libidinem accipienda
est, sed propter sobolis procreationem." (Dann -\vurde er im Schlaf, durch ein
Wunder des hl. Emmeram, von der Frau und aus der Gefangenschaft be-
freit und nach Regensburg zuriickgefUhrt.) Vgl. AA. SS. 22. Sept., Bd. 4 Sept.
S. 483; Mon. Germ., scriptores Bd. 4 S. 550: Migne Bd. 141 S. 999—1001;
Hanauer S. 137. Ferner stimmt mit jener Vorschrift der Rath iiberein, wel-
chen nach Bericht von Aeneas Silvius (Ausg. 1685 S. 79) der Papst Nicolaus
dem, Kaiser Friedrich III. bei dessen"Vermiihlung mit Leonore von Portugal
ertheilte ; denselben Rath soll Konig Ludwig dcr Heilige bei seiner Vermahlung
befolgt haben (vgl. Veuillot 2. Aufl. S. 126); ein ebenso strenger Gebrauch
152 Kapitel 27. Religiose Vorscliriften iiber die Hochzeitsnacht.
Ein angeblielies Schreiben des Papstes Evaristus an die afrika-
nisehen Bischofe, welches sich in den Sammlungen von Ivo und
Gratian befindet, empfiehlt den ]S^eu\'ermahlten, zwei oder drei
Tage dem Gebet zu widmen und solange die Jungfraulichkeit
zu bewahren ^ Ein dritter Ausspruch, der mit Unrecht an eini-
gen Stellen 2 auf ein Concil von Yalentia, Kap. 101, an andern
Stellen^ auf Art. 13 des vierten Concils von Carthago * vom
Jahr 398 zuriickgefiihrt wird, geht dahin: „Brautigani und Braut
sollen, um den Segen des Priesters zu empfangen, von ihren
Eltern oder von Brautjungfern (Brautfiihrern ^) geleitet werden
und nach Empfang des Segens aus Ehrfurcht vor demselben die
erste Nacht in der Jungfraulichkeit verharren." "^ Allein schon
die Yerschiedenheit dieser Bestimmungen lasst erkennen, dass sie
kein allgemein giiltiges Kirchengesetz enthalten. Die Rechts-
biicher, worin sie sicli finden, haben keine Gesetzeskraft ^ ; und
die erwalmten Yorschriften haben nur die Xatur eines evange-
lischen Ptaths ^, dessen Xichtbefolgung keine Siinde ist ^
soll bei den orientalischen Armeniern zur Zeit von Olearius herkomnilich ge-
Avesen sein (Olearius. Buch 4 Kap. 41, von der Armenier Hochzeit).
* Benedictus Levita (Capit. lib. 7 cap. 463) und Pseudo-Isidor bei Walter. C. J.
Bd. -2 S. 774, Pertz Bd. 2 S.'132 und Hinschius S. 87: Decretum B. Ivonis. pars 8
cap.4: Liber decretorum sive panormia Ivonis lib. 6 fol. 122 v. : Gratian. causa 30
qu. 5 c. 1: ... ,,bi(Jiio rel tridtio orationibus vacent et castitatem custodiant.''
^ Decr. B Ivonis. pars S cap. 143: Burchardi Decr. lib. 9 cap. 5.
^ Coll. ant. lib. 1 cap. 61. Regino lib. 2 cap. lo3. Decr. B. Ivonis pars 8
cap. 6. Panormia Ivonis lib. 6 fol. 125 v. Gratiani Decr. dist. 23 cap. 33
und causa 30 qu. 5 c. 5. Pseudo-Isidoi' bei Migne Bd. 84 S. 201.
•* Vgl dariiber Harduin Bd. 1 S. 975: Hefele Bd. 2 S. 63. 64: Richard
Bd. 1 S. 345-358: Hinschius S. 304.
^ Aus dem Wort ,.paranymphis" liisst sich nicht mit Sicherheit ersehen,
ob Brautjungfern oder Brautfiihrer gemeint sind, weil sowohl das AVort para-
nymphus (-oi(iG(vj|j.cf;o;) in der Bedeutung eines Brautfuhrers, als auch das "Wort
paranympha in der Bedeutung einer Brautjungfer vorkommt. Vgl. Kap. 26
S. 140; auch v. Diiringsfeld S. 58, 94.
6 ,,Sponsus et sponsa. cum benedicendi sunt a sacerdote, a parentibus suis
vel a paranymphis offerantur, qui cum benedictionem aeceperint, ea^em nocte
pro reverentia ipsius benedictionis in virginitate permaneant." In dieser Vor-
schrift findet Liining, Bd. 2 S. 575, 576. ohne Grund eine Besonderheit der
^gallischen" Kirche.
' Philipps, K.-R. Bd. 4 § 180. Dalloz, Rep. Bd. 1 S. 161.
8 Glosse zu cap. 33 dist. 23: „alibi dicitur de biduo vel triduo . . . et intelligo
et illud et istud csse coneilium." Lovys Servin S. 229: „cela estoit ordonne
par conseil. ct non par precepte, ex honestate, non ex necessitate." d'Espcisses
Bd. 1 S. 167. Van Espen Bd. 1 pars 2 sect. 1 tit. 12 n. 48 und Bd. 3 S. 634.
Calmet Bd. 1 S. 54, unter Noces. Chardon Bd. 6, mariage, cap. 2 S. 160.
9 Glosse zu Cau.sa 30 qu. 5 c. 5: „pro revercntia, ergo non erit peccatum,
Kapiti'! 27. Reli};ioso Vorschiiftcn iiber ilie Ilochzeitsiiacht 153
Docli konute eine Yorsclirift , die den Xeuvermahlten die
A^ollziehung dor Ehe fiir eine gewisse Zeit nach deren Abschluss
untersagte , durch kirchliches Statutar- oder Gewohnheitsrecht
eingefiihrt werden. Dies geschah beispielsweise in der DiiJcese
Amiens ^ Ferner finden sich derartige Anordnungen iu meii-
reren Ritualen des fiinf^ehnten Jaliriiunderts und spaterer Zeit,
namentlich von Lyon, Liittich, Limoges und Bordeaux ^. Das
Kolner Provincialconcil vom Jahr 1538 beschrankte sich auf
den Rath, den Brautleuten den Inhalt des Buches Tobias mit-
zutheilen und zu erliiutern^; und der hl. Karl Borromiius em-
pfahl auf einer Synode zu Maihind deu Geistlichen seines Bis-
tliums, die Gliiubigen zur Befolgung der erwiihnten Rathschlage
zu ermahnen ^.
Soweit in dieser llinsicht bestinimte Yorsehriften galten, war
naturgemiiss der Bischof befugt , davon zu disponsiren. Fiir die
Dispens konnte er eine Gebiihr erheben ^. Darauf wiirde sich
der Ausdruck jus primae noctis anwenden lassen, da das AYort
jus, ebenso wie das franzOsische Wort droit, eine Abgabe be-
zeichnen kann. In der That Vvird der Ausdruck in diesem Sinn
von einigen modernen Schriftstellern gebraucht ^. Indessen fehlt
der Nachweis, dass dieser Sprachgebrauch schon zu der Zeit be-
kannt war, als jene Dispensgebiihren erhoben wurden.
Giinzlich verfehlt ist die Meinung, dass die angefiihrten kirch-
si aliter fiat." Sanchez lib. 3 ilisp 12. crEspeis.ses BJ. 1 S. 167. Thiers
liv. 10 ch. 6, S. 561—565. Anderer Meinung ist Euchmann S. 69.
* Ygl. unten Kap 63.
2 Deutsche Encykl. unter Brautnaclit. A^euilhit 2. Autl S. 12G.
=• Conc. Colon. I. a. 1536 art. 41, bei Harduiu Bd. 9 S. 2010: . . . ,.Hic
quae Tobiae 6, 7 et 8 scribuntur , enarrari, proponi ac doceri conveniet. Ubi
locus pulcherrimus est, exemplo commonstrans, quemadmodum bona uxor do-
nuni Dei sit". . .
* Veuillot 2. Autl S. 127.
^ Hanauer S. 136 : ... ,,la ferveur se refroidit; on demanda des dispenses
pour cette loi, comme pour celle du jeune ou de rabstinence; on la remplacja
par une aumone , inscrite parmi les revenus des eveques et des curea." — In
Frankreich wurde die Berechtigung zurErhebung solcher Gebiihren bestritten.
und dem Bischof von Amiens, sowie den Pfarrern von Amiens und Abbeville
durch Urtheile des Parlaments die Einziehung derselben untersagt. Ygl.
unten Kap. 63. — Bei Mittermaier (7. Aufl. S. 278) und Marichalar (Bd. 6
S. 70) finden sich Andeutungen, als hiitten bisweilen Grundherren sich jenes
kirchliche Dispensrecht mit dem Anspruch auf die Dispensgebuhren angemasst ;
doch ist mir kein Beispiel eines solchen Missbrauchs bekannt geworden.
6 Danz § 544. Bd 6 S. 51. Jacobson bei AVeiske Bd. 3 S. 566. Vgl.
■nnten S. 159.
154 Kapitel 27. Religiose Vorschriften iiber die Hochzeitsnacht.
lichen Yorscliriften mit dem jus primae noctis in der Bedeu-
tung eines Herrenrechts in Zusammenhano; stehen konnten ^ Die
Deutsche Encyklopadie bemerkt, Priester und Bischofe hatten
aus Gewinnsucht den neuen Eheleuten erlaubt, in der ersten
Brautnacht beisammen zu sein: ^daraus entstand dann die der
Geistlichkeit an der Ehre so nachtheilige und so schmutzige
Erzahlung de jure primae noctis und du droit de cuissage" ^.
In der neuesten Zeit wird sogar behauptet, sowohl heidnische
als auch christliche Priester hatteu sich das „Recht der vor-
laufigen Begattung" fiir die ersten drei Nachte augemasst. „Be-
wusst oder unbewusst hat eben darum die Geistlichkeit gegen
die Beschlafung der Frauen durch die Ehemanner wahreud der
ersten drei Xachte geeifert. Es isr selbstverstaudlich, dass die
Geistlichkeit diesem Yerbote ein ganz anderes Motiv unterzu-
schieben pflegte, als dasjenige , dem es seinen Ursprung zu ver-
dankeu hatte . . ." ^ Ein anderer moderner Schriftsteller sagt von
dem jus primae noctis: .,Die Nonnenkloster konnten selbstver-
standlich dieses Feudalrecht nicht ausiiben uud waren deshalb
auch nicht befugt, das Aequivalent dafiir zu beanspruchen. Das
Institut der Tobiasnachte, welches allen Xeuvermahlten aufge-
zwungen wurde, half aus." * Und das „Organ fiir katholische
Reformbewegung" schreibt: „Als in Frankreich einige Parlamente
bei ihren Entscheidungen vou dem Satze ausgingen, dass es fiir
Xiemanden ein Ehebruchsrecht geben konne , opponirten die
Feudalherren, und die Kirche war auf ihrer und nicht der Par-
lamentsherren Seite. Als aber gleichwohl die Parlamente fort-
fuhren. in dem angegebeneu Sinne zu entscheiden, wurde die
Kirche demonstrativ und forderte der weltlichen Obrigkeit zum
Trotze die dem Gebrau''h substituirte Abgabe ftir drei Xiichte.
Das blieb ihr unverwelirt. bis die Rothen in der constituirenden
^ Dies erkeniit Dalrymple, Bd. 1 S. 324. aiisdriicklich an . obwohl er jene
kirchlichen Vorschriften verspottet.
^ Diese Bemerkung der deutschen Encyklopiidie (unter Brautnacht) enthalt
zwei Irrthiimer: erstlich, dass die Ertheilung der Dispensc lediglich auf Ge-
winnsucht der Priester und Bischofe zuriickzufiihren sei, und zweitens, dass
die Verantwortlichkeit fiir jene schmutzige Erzahlung nicht sowohl den Er-
iindern derselben , als viehnehr der Geistlichkoit zur Last gelegt wird , zu
deren Verunglimpfung jene Erziilihing verbreitet wurde.
^ Kulischer S. 223—225.
* Buchmann S. 69. Danach scheint die Meinung Buchmann's dahin zu
gehen, dass die Xonnenkloster eine Gebiihr empfingen, so oft der Bischof vou
Beobachtung der Tobiasniichte dispensirte. Ein Grund dieser seltsamen Meinung
ist nicht angegeben. Ebenso unverstiindlich ist der erste Satz.
Kapitel 27. Religiose Vorschriften iiber die Iloehzeitsnacht. 155
Versamnilung auch diesem klerikalen Unfiige ein Ende machten." *
Die Ilaltlosigkeit aller dieser Yerirrungen erhellt aus der vor-
stehenden Entwickhin^^
Der Gebrauch, die drei „Tobiasnachte" zu beobachten, hat
sich in manchen Gegenden Deutschlands als Yolkssitte erhalten ^,
verbunden mit der Yorstellung, dass davon Gliick und Segen
des Ehestandos abhiinge; beispielsweise an einigen Orten der
Oberpfalz ^ und bei der oberschwabischen Hochzeit, im Allgiiu,
namentHch in Christatzhofen und Egloffs * , auch in Bettringen
bei Gmiind ^. Diese fromme Auffassung fiir Aberglauben zu er-
klaren*, durfte schwerlich gerechtfertigt sein.
In der Geschichte und Sage selbst heidnischer Yolker finden
sich Sitten und Yorstellungen, die einigermassen an das Bei-
spiel des Tobias erinnern ^. Bei den Griechen soll der Ge-
brauch, dass Braut und Briiutigam nach der Hochzeit die erste
Nacht getrennt blieben , unter dem Namen 7.-7.'jX'.7. bestanden
haben^. Nach einer Sage iiber die Hochzeitsnacht des Franken-
' Deutscher Merkur v. 17. April 1880, S. 124.
2 Die.s berichtet Hanauer S. 137 von rnehreren Genieinden des Kochersbergs
(im Elsass) : vgl. auch beziiglich der ersten Hochzeitsnacht (zu Sachehiy. Dep.
Seine-et-Oise) v. Diiringsfeld S. 250
3 Schonwerth Tli. 1 S. 111. 112 (im Kapitel iiljer die Heimkehr nacli der
Hochzeit): . . . „Bei Tiefenbach kehrt die Braut noch auf drei Tage zu ihren
Eltern zurlick. . . Bei Waklmiinchen zieht zwar die Braut gleich bei dem
Brautigam ein: doch darf er die ersten drei Naclite nicht mit ihr zusammen-
schlafen, weil sonst Gliick und Segen weichen wiirde."' Daraus : A. Weber
Bd. 5 S. 326.
* Birlinger Bd. 2 S. 334, Nr. 317: ,,Eine wunderschone. auf der Bibel
beruhende Sitte im Allgau (z. B. Christatzhofen, Eglofts) war — ob"s jetzt
noch so ist, weiss ich nicht — , die Tobiasnachte zu halten. . . Die Ehe wird
gliicklicher ausfallen, weil ihr in Folge dieser Enthaltung der Teufel Nichts an-
haben konne.'' Daraus: A. Weber Bd. 5 S. 455. Vgl auch v. Diiringsfeld S. 146.
5 Birlinger Bd. 2 S. 354, Nr. 319: .,Die Tobiasniichte werden auch hin
und wieder gelialten. d. i. der Briiutigam beriihrt seine Braut drei Nachte
nacheinandcr nicht. Durch diese Enthaltsamkeit hofFt man eine arme Seel zu
erlosen." Vgl. A. Weber Bd. 5 S. 455: ,,Hiernach liegt es in der That wohl
niiher, die deutsche Sitte auf kirchlichen. resp. biblischen Einfluss zuriickzu-
fiihren. statt sie als einen Rest aus indogermanischer Zeit zu betrachten.^'
« Dies geschieht bei Wiittke § 569 S. 352.
' Vgl Simrock § 147 S. 596.
8 Haas S. 331. Vgl. C. P. Hoffmann cap. 3 § 1. und L. 66 (§ 1) Dig. de
don. inter virum et ux. (24, 1). — Das Wort i-aj/.tct bezeichnet gewohnlich
Hochzeitsgeschenke, aber auch den Tag, an welchem die Neuvermahlte mit dem
Gatten schlaft. Wie mir Herr Oberlehrer Dr. Zoller zu Colmar mitgetheilt hat,
findet sich im Etymologicum magnum (einem griechischen Worterbuch von
einem unbekannten Verfasser, der wahrscheinlich im zehnten Jahrhundert
156 Kapitel 27. Religiose Vorschriften Uber die Hochzeitsnacht.
konig's Childerich mit Basine (die er ihrem rechtmassigen Ge-
mahl, dem Konig Basing oder Basinus in Thiiringen, entrissen
hatte ^) sprach Basine zu Childerich: „Enthalten wir unsl Stehe
auf, und was du auf dem Hof sehen wirst. das berichte deiner
Dienerin." Childerich erhob sich und sah Thiere voriibergehen,
Avelche Lowen, Einhornern und Leoparden glichen. Er kehrte
zu seiner Gattin zuriick und berichtete , was er gesehen hatte.
Sie sagte: „Herr, gehe nochmal und erziihle dann deiner Dienerin,
was du gesehen hast." Childerich begab sich aufs Neue hinaus
und sah Thiere wie Biiren und Wolfe voriibergehen. Als er dies
seiner Gemahlin erziihlt hatte, liess sie ihn zum dritten Mal hin-
ausgehen , und er sah Thiere einer geringeren Gattung. Daraus
erkliirte Basine dem Childerich seine Nachkommenschaft, und sie
gebar einen Sohn Xamens Chlodwig: dieser war gross, beriihmter
Krieger, iihnlich einem Lowen unter den Konigen ^. Yon den
brasilianischen AVilden wird erziihlt , dass bei ihnen eine gewisse
Enthaltsamkeit der Neuvermiihlten fiir riihmlich gehalten werde ^.
Besonders auffallend ist die Aehnlichkeit der im Buch Tobias
enthaltenen A^orschrift mit Bestimmungen der indischen Haus-
regeln (Grihyasutrani) \ iiber Hochzeitsgebriiuche (bei der Nach-
lebte, Ausg. Heidelberg 1594 und Leipzig ISKJ) folgender Satz: ,.ot'. -6-z
drj/i-i'. T. y.opr^ 7."^P-' "''J ~^"po? ofJ/.i^£3l)o!t ■?, TOTE STrofJAUcToc. Tto dvopt /j yjvr,"
(d. h. diiiin beginnt das Madcheu ausserhalb des Hauses ihres Vaters zu
Avohnen. oder dann zieht das Weib in die Wohnung des Mannes); hierzu kihi-
nen die bei Stephanus citirten Parallelstellen aus Pollux. Hesychius, Isidor
und Acro , Pausanias ap. Eust. verglichen werden. Das Citat aus PoUux.
<1. h. aus dem Onomasticon von Pollux oder Polydeukes aus Naukratis (um
180 n. Chr. Geb ) lautet: lib. 3 cap. 3 oder 3. 39, 40: es \vird sich in der
Ausgabe von Imm. Bekker . Berlin 1846. finden lassen. Im griechischen
Lexikon von Suhle (1875 S. 576) steht: ..T-i i-ocj/.tcc-. der Tag nach dem
Hochzeitsbeilager.
1 Chateaubriand S. 217, 218. Michelet, Hist. de France Bd. 1 S. 120.
Michelet, Orig. S. 37. Cantu, Mittelalter Bd. 1 S. 235. 236. Thierry. Lettres
3. Brief S. 31, 32. Junghans S. 6, 7.
2 Chateaubriand S. 217—218. Vgl. Junghans S. S.
2 V. Martius (1832) S. 60. 61.
* Die Literatur der vier Vedas. namlich des Rig-Veda, des Yajur-Veda,
des Sama-Veda und des Atharva-Veda, die als heilige Schriften der Inder
gelten (Colebrooke Bd. 1 S. 9—113), hat drei Stufen durchlaufen : die
Sanihita- oder ^NIantra-Literatur, die Brahmana-Literatur und die Sutra-
Literatur. Die Sfitras zerfallen Avieder nach ihrem Inhalt in verschiedene
Klassen, (^rauta-SCitras, Grihya-Sfttras , Dharma-Siitras (d. i. Rechts-Sutras),
grammatische Sutras und andere. Die Grihya-Sutras gehoren einer spiitern
Zeit an als die Crauta-Sutras. Sie und die Dliarma-Sutras behandeln im
Allgemeinen denselben StofF. indem sie den brahmanischen Inder von seiner
Kaj)itel 27. Religiose Vorschriften iiber die Hoclizeitsnaclit. 157
feier der Hochzeit), dic aus don verscliiedcnen Bearbeitungcn durch
Haas, wie folg't, zusammengefasst worden sind: „Stillschwcigcnd
sollen sie dann sitzcn bis Abends, wenn die Sonne untergcgangen
ist: dann zeigt ihr dcr Brautigam unter freiem Hinimcl den Polar-
stern . . . und die sicbcn Stcrnc des grossen Biircn . . . (mit der
Ermahnung), sie mogc ebenso unwandelbar und bcstiindig sein,
wie diese. Drei Xachto von der Hochzcit an sollen sie, auf dem
Boden liegend und Keuschheit bewahrend, das Hochzeitsfeuer unter-
halten und dabci nur ungesalzene Speise, bestehend in Reis und
Milch, geniessen." ^ Spater: „Am vierten Tag nach der Hoch-
zeit . . . soll man das Hochzeitsfeuer iibertragcn ins Innere des
Hauses und sogleich Speiscopfer bereiten . . . Die letzten Con-
sequenzen des Ganzen zu ziehcn , dazu ist endlich, nach vier
Tagen der Ceremonic und Enthaltung, am fiinften die Zeit
gekommen. Gobhila sagt, dass Einige nicht so lange warten,
wozu eine Bestiitigung Paraskara liefert. Die verschiedenen
Fristen, die er ansctzt, sind: drci oder sechs oder zwolf Nuchte
nach der Hochzeit, und auch sogar Jahresfrist . . ." ^ Dieser Be-
richt wird durch den Wortlaut dcr vier bekanntesten Grihya-
siitras bestiitigt ^. Wegen der Achnliehkeit altindischer Hochzeits-
Erzeiigung bis zu seiiiem Tod beglciten. E.s giebt zahlreiche l^earbeitungen
der Grihya-Sutras, von denen einige nur aus Anfuhrungen bekannt sind
(A. Weber, L.-G., ed. Mann, S. 55, 84, 101. 102, 152, 278). Herausgegeben
sind bis jetzt die Grihya-Siitras des C^NkhAyana und des A^vahlyana zum
Rig-Veda. des Paraskara zum Yajur-Veda und des GobhiLa znm Sama-Veda.
(Von den Dharma-Sutras sind drei iibcrsetzt. und zwar die des Apastamba und
Gautama von Biihler, und die des Vishnu von Jolly.)
1 Haas S. 325, 326. Vgl. auch Colebrooke Bd. 1 S. 221. 222. — Haas
erinnert hierbei (S. 326) an das Naishadhiyacarita . ,,wo im 47. Vers des
16. Gesanges auch davon die Rede ist. dass Nala und Damayanti drei >s'aclite
hei einander weilten und die Keuschheit bewahrten".
2 Haas S. 330, 331.
2 Das Grihyam von CaiikhAyana. Buch 1 Kap. 17. bei Oldenberg S. 34
(Weber Bd. 5 S. 346 1 : . . . ,,Eine dreitagige Frist sollen sie Enthaltsamkeit
iiben, am Boden schlafen, . . . Abends und Morgens das hochzeitliche Feuer
umwandeln" . . .: und Buch 1 Kap. 18, bei Oldenberg S. 35 (Weber Bd. 5
S. 347): ,,Nun die Feier des vierten Tages. Nach Ablauf der drei Tage opfert
er von einer Topfspeise". . . Paraskara, Buch 1 Kap. 8 Vers 21. bei Stenzler
S. 21 (Webcr Bd. 5 S. 359. 360): ,,Drei Nachte sollen sie nichts Gesalzenes
essen und auf der Erde schlafen. Ein Jahr lang soUen sie keine Beiwohnung
begehen, oder zwolf Nachte, oder sechs Niichte. oder wenigstens drei Nachte.'''
A^valayana's Hausregel, Buch 1 ivap. 8 Vers 10 u. 11, bei Stenzler
S. 22 (Weber Bd. 5 S. 368) : „Von da an sollen sie kein Salz essen , keusch
sein, sich schmiicken, auf dem Fussboden schlafen, drel Nachte oder zwolf
Niichte. Oder ein Jahr: denn dann wird ihnen ein Rishi geboren." Gob-
158 Kapitel 28. Rechtliche Bedeutung der Hochzeitsnacht.
briiiiche mit der biblischeii Darstellung ist die Frage angeregt
worden, ob etwa die drei Tobiasniichte nach Indien, als dein
Land ihrer Entstehung, zuriickzufiihren seien ^ Doch wiirde
eine Bejahung dieser Frage nur dann moglich sein, wenn fest-
stande, dass die Grihyasiitras aus alterer Zeit stammen, als das
Buch Tobias. Solange hieriiber keine Sicherheit besteht, kann
auch die umgekehrte Frage aufgeworfen werden, ob das Buch
Tobias als Quelle fiir die angefiihrten Bestimmungen indischer
Lehrbiicher anzusehen ist. Desgleichen ist noch eine dritte An-
nahme moglich, dass namlich die Enthaltsamkeit der Neuver-
mahlten bei den verschiedenen Yolkern nicht auf Entlehnung,
sondern auf locale Entstehung zuriickzufiihren sei. Eine Unter-
suchung dieser Fragen wird liier unterbleiben konnen.
B. Staafs- und j^trivatrechtliche Bestimmungen.
Kapitel 28. Der Ort, wo die Neu^-ermtihlten die erste Nacht
mitcinander zubrachten, war im Mittelalter und in neuerer Zeit
nach einigen Ortsrechten von Entscheidung fiir wichtige Rechts-
verhaltnisse, ahnlich wie heutzutage nach vielen Gesetzen das
eheliche Giiterrecht durch den ersten Wohnsitz der Ehegatten
bestimmt wird. Jene Ortsrechte erkliiren sich durch den alt-
germanischen Rechtssatz, dass die vermogensrechtlichen ^Yirkungen
der Ehe rait dem Beihiger beginnen ^. Soweit die Rechte der
hila, Bueh 2 Kap. 3 Vers 13, bei "Weber Bd. 5 S. 374. 375: ,,Von nun an
darf das Paar ein trinoctium hindurch keine gesalzene Speise essen, muss
sich keusch lialten und auf der Erde zusammenliegend schlafen", und Buch 2
Kap. 5 Vers. 5, bei Weber Bd. 5 S. 377: „Nach einem trinoctium findet die
Beiwohnung statt, sagen die Einen." — Der indische Commentator Nurayana
(der im 15. oder 16. Jahrhundert lebte, vgl. A. Weber. ed. Mann , S. 58)
meint, die Vorschrift des Grihyam von Agvalayana iiber die Enthaltsamkeit
konne durch Landessitte nicht geandert werden. Naruyana bei Stenzler
S. 15: „Wenn zwischen den Sitten eines Ortes und den hier beschriebenen
Handlungen ein Widerspruch ist , so sollcn die letzteren vollzogen werden.
So findet z. B. bei den Vaidehas das Beilager sogleich statt, wahrend die
Hausregel vorschreibt, dass das junge Paar drei Niichte Keuschheit bewahren
soll. Hier soU also der Mann die Vorschrift der Hausregel befolgen, nicht
die Sitte des Landes." (Vgl. auch Zimmer S. 314, wonach die Samhita keine
derartige Vorschrift enthalten.) Narayana stutzt sich hierbei auf Agvahlyana,
Buch 1 Kap. 7 §§ 1 u. 2, bei Stenzler S. 15: „Nun giebt es mannigfaltige
Sitten der Liinder und der Oerter; die muss man bei der Hochzeit bcobachten.
Was aber das Gemeinsame ist, das wolleu wir sagen.^'
* Vgl. A. Weber Bd. 5 S. 455, 456; Gihlemeister bei Benfey, Or. u. Occ.
Bd. 1 S. 745 und 746; W^uttke § 569 S. 352.
2 Vgl. Sachsenspiegel. Landrecht Bucli 1 Art. 45 § 1 : . . . ,,se is sin ge-
Knpitcl 28. Kcehtliche B("<loutuii<; dcr Hnehzcitrtnacht. 159
EhegattcMi, im Gebiet de.s ofientliclien Jvechts oder des Privat-
rechts, von jeneni Ort abhing-en, an deni sie in der ersten Xacht
verweilten, kihinte man von eineni Reclit der orsten Nacht sprechen;
doch findet sich cin solcher Sprachgebrauch nieines "Wissens in
keiner Urkunde ^
Nach einigen Ortsrechten bestinimte sich die Landesange-
horigkeit der Eheleute nach dem Ort, wo sie die Hochzeits-
nacht zubrachten. Beispielsweise ist in einem Verzeichniss der
Rechte und Giiter des Bisthums Strassburg, das aus dem Anfang
des vierzehnten Jahrhunderts herriihren soll, von dem Dorf
Wettolsheim (bei Colmar im Elsass) Folgendes gesagt: „Die
Halfte dieses Dorfes auf der Seite nach Rufacli, in der ganzen
Ausdehnung, welche durch Grenzsteine bezeichnet wird, gehort
dem ]3ischof. Es besteht dort der Gebrauch, dass wenn Einer
in der genannten bischofliclien Halfte sich verheirathet und da-
selbst die Nacht mit seiner Gattin zubringt, er Unterthan des
Bischofs wird, sollte er sich auch spiiter mit seiner Familie und
seinem Yermogen in die andere Halfte begeben, die dem Herrn
von Horburg gehort." ^
Nach einigen Stiidterechten hing das Btirgerrecht davon
ab , ob die Neuvermtihlten in der Stadt die Hochzeitsnacht zu-
brachten ^. Zuweilen wurde dafiir eine Steuer erhoben ''. Im
Gewohnheitsrecht der Stadt Aubigny in der Picardie (Amt Amiens)
vom Jahr 1507, Art. 26, ist gesagt: „Ferner kann nach dem Ge-
wohnheitsrecht des genannten Orts Niemand das Biirgerrecht er-
werben, wenn er nicht Sohn eines Biirgers oder einer Biirgerin
ist; der Biirger-Ehemann kann seine Gattin zur Biirgerin machen,
und die Frau-Biirgerin ihren Gatten zum Biirger: aber zur Er-
notinne , iinde trit in sin recht , Avenne sc in sin bedde gaf . . . : Buch 3
Art. 45 § 3 : . . . „I)at wif is ok des mannes genotinne tohant alse sie in sin
bedde trit''. . .
1 Vgl. Kap. 3 S. 14 und Kap. 27 S. 153.
- Rcgistre des droits et biens de reveche, sans date , mais presume par
son contenu et son caractere etre du commencement du quatorzieme siecle,
unter Vettolsheim, im Inventaire des Titres des Bailliages de Teveche de
Strasbourg, tome 8, Obermundat, von Duboys im Jahr 1758 angefertigt, boite 17,
liasse 1 lit. E; davon eine Abschrift im Bezirksarchiv zu Colmar, Serie G
Nr. 2, Bisthum Strassburg, S. 439: „La moitie de ce village du cote de Rouf-
fach et dans toute Tetendue que les pierres bornes lui donnent, appartient k
Veveque. II y a un usage , que si quelqu'un se marie dans la dite moitie
^piscopale et y passe la nuit avec son epouse. il devieut sujet de l'eveque,
quand m6me il se transporterait lui, sa famille et ses faeult^s dans Tautre
moitie, qui est aux sieurs de Horbourg.
^ Vgl. unten Kap. 78. * Vgl. unten Kap. 78.
1()0 Kapitel 28. Rechtliche Bedeutuiig der Hochzeitsnacht.
werbung dieses Biirgerrechts geziemt es sich , dass sie den Tag
ihrer Hochzeit zusammen in der Stadt Aubigny zu Bett gehen
und die Schoffen des Orts rufen lassen, damit dieselben die Ehe-
gatten beieinander im Bett liegen sehen, so dass Nichts zwischen
ihnen liegt. Anders kann man nicht einen Nichtbiirger zum
Biirger und eine Nichtbiirgerin zur Biirgerin machen ; und auf
diese Art werden die Kinder, wenn solche aus der Ehe hervor-
gehen, Biirger werden; und so sind die Ehegatten gehalten, von
dem Tag, an welchem sie das Biirgerrecht erworben haben, die
Einschreibung in die Schoffenregister bewirken zu lassen." * Das
Stadtrecht von Dercy in der Picardie vom Jahr 1318 bestimmte,
dass die Bewohner und Bewohnerinnen dieser Stadt, wenn sie
ausserhalb heiratheten , verpflichtet waren , nach der Hochzeit
die erste Nacht in Dercy zu rulien ^. Diese Vorschrift erkhirt
sich aus dem Bestreben , die Ortsangehorigkeit der jungen Ehe-
leute festzustellen ; sie wird ohne Grund von Carpentier und spa-
teren Schriftstellern ^ als Beweisstelle fiir ein Herrenrecht der
ersten Nacht angefiihrt. Die spanischen Advokaten Marichalar
und Manrique fiigen hinzu, es sei im Yertrag festgestellt, dass alle
neuvermahlten Frauen zum Palast des Herrn gebracht werden
miissten, „damit er sie deflorirte, wenn es ihm beliebte" *, obwohl
kein Wort hiervon in der Urkunde zu lesen ist. In einem Lehns-
1 Coutume d'Aubigny Art. 26. bei Bouthors Bd. 2 S. 299: Item . selon la
coutume dudit lieu, nulz ne peult droit de bourgoys acqu6rir, s'il n"est filz
de bourgoyz ou bourgoise; le mari bourgois peult faire sa femme bourgoise,
et la femme bourgoise son mari bourgois semblablement : mais il convient,
pour acquerir ladite bourgoisie, que le jour de leurs espousailles, ilz viennent
couchier ensemble en ladite ville d'Aubigny, et faire appeller les eschevins
dudit lieu pour les voir tous deulx au lit pres l'un de Tautre, et que rien ne
soit mis entre eulx deulx. Autrement ne se peult faire le non bourgois bour-
gois, ne semblablement la non bourgoise bourgoise: et par ces moyens, se
lesdits conjointz ont enffans, ilz seront bourgois; et sy sont tenus lesdits con-
jointz eulx faire registrer du jour qu*ilz ont acquis ledit droit de bourghesie,
es registres desdis eschevins." Vgl. hierzu: Bouthors Bd. 2 S. 549: Dupin
S. 138, 139.
2 Pactum an. 1318 inter Joan. de Herbigny dom. de Dercy et habitatores
ejusdem villae ex Reg. 59 Chartoph. reg. ch. 150, bei Carpentier und Ducange
unter Marcheta: ,.Se aucuns demourans en ladite ville de Dercy se marioit
hors de ladite ville de Dercy, il devait et estait tenuz a amener sa femme au
giste en la devantdite ville de Dercy. la nuit que il Tesposoit: et se famme
de Dercy se marioit a aucun de dehors, clle devait et cstait tenue h gesir b.
Dercy la nuit que elle esposoit."
3 Delpit S. 33, 34. Sugenheim 1861, S. 120. Gubcrnatis, Usi S. 200.
Labessade S. 19, 62, 63.
" Marichalar Bd. 6 S. 69.
Kapitel 28. Kechtliche Bedeutung der HochzeLtsnacht. 161
anerkeimtniss vom l;i. Januar 18G9 ist gesagt, dass wenn ein
Mann in der Stadt Briineu (in der Picardie) oder anderswo hei-
rathe und mit der Frau die erste Nacht in Brimeu ruhen wolle,
dazu die Genehmigung des Gruudherrn eingeholt werden miisse;
dass jedoch diese Bestimmung auf den Vasallen (homme-iige), der
auf seinem Lehen ruhe , koine Anwendung finde ^ Ohne Grund
wird auch diese Urkunde von einigen Schriftstellern als Beweis
eines Herrenrechts der ersten Nacht angerufen. Dasselbe gilt
von mehreren Gewolinheitsrechten vom Jahr 1.507 aus dem Amt
Amiens ^.
Winspeare berichtet, der Baron von Castiglione in (3tranto
habe von jedem Neuvermahlten , der die erste Isacht nicht in
Castiglione zubrachte, fiinfzig Asses erhoben , und zufolge einer
Beschwerde der Gemeinde Castiglione habe die Feudalcommission
am 3. Juli 1810 iiber diesen Anspruch entschieden ^ Dieser Be-
richt ist so kurz, dass er nicht einmal den Inhalt der Entschei-
dung angiebt. Doch ist darin keine Rede vom jus primae noctis;
die fragliche Abgabe scheint eine Abzugsteuer gewesen zu sein.
Isach zahlreichen Gewohnheitsrechten galt im Erbrecht
der Grundsatz, dass die Tochter eines Horigen, welche sich mit
einem freien Mann oder mit dem Hijrigen einer andern Grund-
herrschaft vermahlte , dadurch die Moglichkeit verlor, bei dem
Tod ihres Yaters dessen Hof zu erben. Sie schied durch die
Heirath aus der bisherigen Horigkeit aus. Es entwickelte sich
der Grundsatz : „Der Erbe muss sein huldig und horig nach dem
Hofe."'^ Insofern war die Horigkeit begehrenswerth ^. Hieraus
folgte, dass beim Tod eines Horigen, der keine hofhorigen Erben
» Urk. V. 13. Jan. 1369, in der Hist. de Ponthieu Bd. 1 S. 238: . . . „que
si aucun prend femme en la ville de Brimeu , ou hors d'icelle, et s'il veut
gesir la premiere uult avec elle, il convient qu'il en prenne conge de lui, s'il
n'est homme-lige qui gise sur son fief." Vgl. de Labessade S. 74.
2 Vgl. Kap. 78.
3 Winspeare Bd. 1 S. 131, 132: .,V. pure il volume de' gravami del co-
mune di Castiglione in Otranto che si dolse nell' abolito sacro Consiglio che
il barone esigeva .a sponso quoMbet asses quinquaginta si prima nuptiarum
nocte in Castilione cum sponsa sua non commoratus fuerit". V. la decisione
della commissione de' 3 luglio 1810."
* Moser Bd. 5 S. 155. Vgl. z. B. Lagerbuch v. 1. April 1581 Kap. 2 und
Urk. V. 11. .luli 1602, bei Sommer, Beil. 56, S. 181—186; Hofrecht zu Loen,
bei Sommer, Beil. 54, S. 160—180; v. Maurer § 464 Bd. 3 S. 150; Laboulaye
S. 320, 322.
* Vgl. Urk. V. 1101 — 1131, bei Seibertz Nr. 39, Bd. 1 S. 44, 45: auch oben
S. 61, 106, 117.
Schmiclt, .Jus primae noctis. 11
162 Kapitel 28. Rechtliche Bedeutung der Hochzeitsnacht.
hinterliess, sein Gut an den Grrundlierru zuriickfiel ^. Doch ge-
stattete der Grundherr nicht selten, dass die ausserhalb seiner
Herrschaft verheirathete Tochter seines Horigen zur Nachfolge
gelangte , wie wenn sie niemals ausgezogen ware ^. Oder der
Uebelstand wurde durch Tausch ausgegUchen ^. In einigen Ge-
wohnheitsrechten entwickelte sich die Milderung, dass die Toch-
ter des Hof besitzers , welche durch Heirath aus der Herrschaft
ihres bisherigen Grundherrn ausschieden , sich ihr eventuelles
Erbrecht am yaterlichen Gute vorbehalten konnten; dies ge-
schah bisweilen dadurch, dass die Xeuvermahlten die erste Nacht
in der Wohnung des Yaters der Braut zubrachten, und dass sie
sich dariiber bei ihrem Auszug ein Anerkenntniss des Grund-
herrn (gegen eine Abgabe) oder eine Notariatsurkunde aus-
stellen liessen*. Justus Moser meint, wahrscheinlich sei hierin
der Grund des Rechts der ersten Nacht zu finden; es sei ein
Recht gewesen, welches die Ehegatten erwarben, indem sie die
Brautnacht auf dem Hofe zubrachten „und damit gleichsam
offentlich erklarten, dass ihre I^achkommen als in der Hofhorig-
keit erzeugt angesehen werden sollten". Er setzt hinzu: „Es ist
traurig, dass die Spotter aus einem so edlen und sprechenden
Symbol, womit sich die Yolker, ehe sie schreiben konnten, so
gut behalfen, gerade eine der unmoralischesten Handlungen ge-
macht haben." '"
1 Dies Recht des Grundherrn hiess in Frankreich „Droit de mainmorte'".
Vgl. Laboulaye S. 320: Dalloz, Rep. unter Propriete feodale (oben Kap. 13,
S. 67).
2 Vgl. z. B. Urk. V. J. 1227, bei Coutant S. 84 und bei Laboulaye S. 321.
3 Laboulaye S. 323, 324 („mariage par echange").
* Vgl. iiber die Coutumes von Burgund und Franche-Comte unten Kap. 59
und 60.
^ Moser Bd. 5 S. 158; daraus: Kreuzzeitung, 11. Juli 1875, Sonntagsbeilage ;
Herder Bd. 3 S. 179. Vgl. jedoch oben S. 159 und Kap. 3 S. 14, 15.;
Zweiter Ab.sehnitt.
Barstelluii^ uihI Beurtheiluiij^- der einzeluen
Naehricliten iiber das ju8 primae noctis.
A. Galt das jus primae noctis im Alterthum?
I. Asieu.
a. Palastina und Babylon,
1. Eiiip im Tah)U(iJ i^nculode Xachricht '.
Kapitel 29. Der Jerusalemische Talmud, der im funften
Jahrhundert nach Christi Geburt redigirt ist^, enthalt in der Ab-
handlung Kethubhoth (Yerlobungen), Abschnitt I, zu Mischna V,
eine Erorterung iiber den Satz der Mischna ^, dass „der Brautigam,
dessen Schwiegervater in Judaa zu Haus ist, eine Klage wegen
fehlender Jungfrauschaft ^ nicht anstrengen kann , sobald er bei
1 Die zu Kap. 29 und 30 nothigen Vorkenntnisse. insbesondere die Be-
schaffung, Uebersetzung und Erklarung der hebraischen Stellen, verdanke ich
theils dem Herrn Dr. Moritz Steinschneider in Berlin, theils dem Herrn
Dr. S. Landauer in Strassburg. (Fiir die aus der Worterklarung gezogenen
"weiteren Folgerungen bin ich allein verantwortlich.) Den beiden genannten"
Herren driicke ich hiermit offentlich fiir die mir bereitwilligst ertheilten Be-
lehrungen den verbindlichsten Dank aus.
2 Steinschneider 1857 S. 9 ff. Vgl. Griitz Bd 4 S. 384: ,.Einer An-
deutung zufolge scheint man in Tiberias in der erstea Halfte des vierten
Jahrhunderts mit dem Sammeln begonnen zu haben."
^ Mischna heisst die miindliche Lehre der Juden. im Gegensatz zu der
Bibel. Gemara heisst Ausflihrung. Mischna und Gemara zusammen bilden
den Talmud. Vgl. Gratz Bd. 4 S. 381 : ..Die Mischna lieferte nur die trockene
Halacha, kunstlich abgerundete Gesetzesparagraphen. der Talmud aber gab
auch das Lebendige der Gesetzesentwicklung und ihren geistigen Gehalt. noch
dazu mit dialektischer Scharfe.'' (Hier wird das Wort Talmud fur Gemara
gebraucht). Nach Griitz. Bd. 4 Note 35, S. 494, 495, soll das Niederschreiben
von Mischna und Talmud erst um 550 n. Chr. Geb. erfolgt sein.
^* Die Jungferschaftsklage , postulatio de praerepta virginitate, war die
Klage auf Scheidung wegen Mangels der Jungfrauschaft. Vgl. Selden lib, 3
cap. 1.
11*
164 Kapitel 29. Ehie Nachricht des Talniud.
dem Yater seiner Braut, ohne Gegenwart von Zeugen, zu Tisch
gesessen hat, weil dort die Braut alleiu mit dem Brautigam
zu verkehren pflegt" ^ Hierzu bemerkt der Jerusalemische Tal-
mud: „In friiherer Zeit gab es eine Yerfolgung in Judaa (Jehuda),
die ihren Ausgang in einer von den Ahnen der Yerfolger iiber-
kommenen Ueberlieferung nahm, Jehuda (namlich der Sohn Ja-
kob's) habe den Esau umgebracht . . . Man knechtete die Judaer,
nothziichtigte deren Tochter und bestimmte, dass der o-rjd^
Tioc^ sie zuerst beschlafe. Da traf man die Einrichtung, dass
der Brautigam seine Braut schon im Haus des Schwiegervaters be-
schlafe ; denn wenn sie sich bewusst ist, dass die Furcht (Gewalt^
Macht) ihres Mannes iiber ihr ist, so fiihlt sie sich auch weiter zu
ihm hingezogen." Hierauf folgt die Frage: „Und wenn sie dann
doch vom atpat-.oc beschlafen wdrd?" was hilft dann jene Mass-
regel? Antwort: „Ja, dann ist sie genothziichtigt, und in diesem
Fall darf sie der Gatte (gesetzlich) als Frau behalten." „Was
thun aber Priester-Frauen?" (Dieselben wiirden nach erlittener
Nothzucht wegen der Befleckung zu ihren Gatten nicht zuriick-
kehren diirfen.) „Die hat man im Yerborgenen gehalten."
„Warum dann nicht ebenso die audern?" „Das wiirde nicht
mehr geheim bleiUen ; die Regierung wiirde es erfahren, und die
Einen wiirden das Loos der Audern theilen" . . . „Die Yerfol-
gung ist nun wohl voriiber; der Gebrauch aber hat sich (bei
den verlobten Mannern) erhalten. So trat die Schwiegertochter von
Rabbi Hoschaja schwanger in die Ehe." ^ Ein Rabbi Hoschaja
lebte um 300 n. Chr. Geb. ; doch ist die Moglichkeit nicht aus-
geschlossen, dass die Stelle sich auf einen alteren Rabbi Hoschaja
^ Das gleiche Verhaltniss heriihrt die Mischna im Tractat Jehhamoth, Ab-
schnitt IV, Mischna XI.
* Wie mir Herr Oberlehrer Dr. Albrecht zu Colmar mittheilt, ist das
Wort ctpaTto? sonst nicht als Hauptwort, sondern nur als Eigenschaftswort
bekannt, namlich arpiTto;, a, ov, d. i. zum Heer oder zum Krieg gehorig,
kriegerisch ; bei Aristophanes, Vespae 618: [xeya xai aTpaxtov xaT^-apSEv;
Herodot V. 119: it Atoc a-rpaTio-j iptjv — und ot Att aTpaTioj ^uaia; dvayouai:
ausserdem bei Aristoteles. Strabo, Aelian, Plutarch und Lucian.
2 Jerusalemischer Talmud, tractatus Kethubhoth, Abschnitt I zu Jlischna V :
"iTn . . . nc>- ns i-in r:-;:--r cm2>57: cnV r,-i:05: ••zx nii-^a i^ic 1-173 r;:i»N-i3
li^iprm . nViMn Vyia ci-i:-iys"N Nn-r i-:Tii ■n^ni:^ ns vo-"^^" *~- V"2?^'Ki v^'""
N-n iiy n'^V? nVja ns^Nc nytr x-nr "^inx:» n^2N niaa miy n-Vy ns nVva Nn"»»
. nr"2V mnitt nDi:Ni Nin noi:N . on^c-iao^stt VsainV nsio v^* Dip'c Vott .mna:
NnirVtti NS11 Vip [?] Vn-i»-* ni:2 tn i:i>2t2ii . i-n ni:"'ttt2tt niriy iin nw ni:ns
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; m=iytt nc:s: Niynn ■'ai V»
Kapitel 29. Eine Nachricht des Talmud. 165
bezielit, der etwa dreiviertel Jahrhundert friiher lebte und ge-
Avohnlich mit dem Beiwort Rabba , d. h. der Aeltere, bezeichnet
wird K
Im Babylonischen Talmud, dessen jiingste Redaction aus
■dem fiinften oder sechsten Jahrhundert n. Chr. (jeb. stammt^,
und zwar ebenfalls im Abschnitt Kethubhoth, fol. 3 y. , erortern
dic jiidischen Gelehrten Babylons einen andern Satz der Mischna,
namlich dass Jungfrauen Mittwochs, AVittwen Donnerstags hei-
rathen. Zuniichst werden die miindlichen Ueberlieferungenvor-
getragen. Die Mischna namlich vermeidet jede Discussion, in
Gemiissheit ihres Codifications-Charakters, wie derselbe aus der
letzten Redaction des Rabbi Jehuda ha-Nasi ^ (gegen 200 n. Chr.
Geb.) hervorgegangen ist ; doch stammen aus ebenso alter Zeit
viele gut iiberlieferte Erorterungen des gleichen Stoffs , die noch
mehr den Stempel der in den Schulen miindlich gemachten
Auseinandersetzungen tragen. Eine solche wiederholt nun der
Tahnud wortlich: ^Warum sollen Jungfrauen des Mittwochs hei-
rathen?" Antwort: „Damit der Ehemann, falls er eine Jungfer-
schaftsklage vorzubringen hat, sogleich den nachsten Tag, der
Oerichtstag ist, vor das Tribunal treten kann." * ^Warum dann
nicht am Sonntag? Montag ist ja gleichfalls Gerichtstag." Die
Antwort lautet: „Es sollte Gelegenheit geboten sein, drei Tage
fiir das Hochzeitsmahl sich zu bemiihen." (Daran hiitte, wenn
Sonntags geheirathet werden sollte, der vorausgegangene Sabbath
gehindert.) „yon der Zeit der Gefahr an und spiiter ward
es im Yolk Gebrauch, auch schon Dienstags zu heirathen; und
die Weisen wehrten ihnen nicht. Am Montag soll man nicht
heirathen; aber wenn ein Zwang stattfindet, ist es erlaubt."
An das vorstehende Referat kniipft nun die spatere Babylonische
Schule an, mit folgender Interpretation : „Worin besteht die Ge-
» Vgl. auch Gratz Bd. 4 S. 232 und S. 347, wo ,.Rabbi Uschaja der Aeltere.
zubenannt der Vater der Mischna'" , unter den Nachfolgern von R. Juda
ha-Nasi, und „Uschaja der Jiingere" als Bruder von Rabba bar Nachmani
(vgl. S. 166) erwahnt wird.
- Nach Gratz Bd. 4 S. 409 erfolgte der Endabschluss des Babylonischen
Talmud (auch Gemara genannt) am 2. Dez. 499.
3 Vgl. Gratz Bd. 4 S. 220 und Note 1 S. 413, wonach der Abschluss der
Mischna von Einigen in das Jahr 189, von Andern in das Jahr 219 n. Chr. G.
gesetzt wird. — Nach Gratz Bd. 4 S. 210 bis 213 lebte R. Juda (Sohn Si-
nions II.), mit dem Beinamen ha-Nasi-, d. h. der Fiirst, von 150 bis um
210 n. Chr. G., und er gelangte zur Patriarchenwiirde um 170 n. Chr. G.
Zufolge seines hohen Ansehens wurde er schlechtweg Rabbi genannt.
* Vgl. das Nahere hieriiber bei Selden lib. 2 cap. 11.
16(5 Kapitel 29. Eine Nachricht des Talmud.
fahf? Sollte sie etwa darin liegen, dass ein Befehl der Macht-
haber erlassen wurde, wonach Jungfrauen, die Mittwochs hei-
rathen , umgebracht werden sollten ? — Dann hatte man nicht
von Gebrauch reden konnen, sondern man hatte geradezu ver-
bieten miissen, Mittwochs zu heirathen,'' und nicht bloss erlauben,
am Dienstag zu heirathen. Hierauf wird von Rabba folgende Ant-
wortgegeben: „Sie befahlen, dass die Jungfrau, welche
am Mittwoch heirathete, vom Taphsar zuerst be-
schlafen werde." Einwand: ,,Das ist nicht mehr Gefahr zu
nennen, das ist Zwang/ Ein Zwang wiirde die Schuld aufheben.
Antwort: «Es giebt aber Ziichtige, die lieber ihr Leben verlieren,
als sich dem Zwaiig unterwerfen/ Frage: ^Mochte man ihnen nun
aber erkliiren, dass bei einem Zwang sie keine Schuld trifft?" Ant-
wort: Nein, denn „es giebt wieder Unziichtige und Priesterinnen".
Die Ersteren wiirden sich leicht hingeben, unter dem Vorwand,
Zwang erduldet zu haben; die Letzteren wiirden wegen der Be-
fleckung zu ihren Ehegatten nicht zuriickkehren (nicht heirathen)
diirfen. Einwand: „Xun, dann wird der Taphsar auch am Dienstag
zum Actus sich prasentiren ?" Antwort: ^Eines zweifelhaften
Falles wegen (wenn namlich der Dienstag uur facultativ ist) be-
miiht sich jener Taphsar nicht." ^ Der in dieser Stelle erwahnte
Rabba (bar Xachmani) lebte von 270 bis 330 n. Chr. Geb. und
bekleidete die Resch-Metibta-Wiirde in Pumbeditha seit 309; er
gilt als Hauptvertreter der talmudischen Dialektik ^. Unrichtig
ist die Uebersetzung Heliferich's : ^Rabba sagte, es ist die
Meinung, dass eine Jungfrau, welche sich an einem Mittwoch
vermahlt, in der Brautnacht vom Taphsar beschlafen wird." *
Ebenso irrig ist die daran gekniipfte Bemerkung, dass Rabba em-
pfehle, -sich am Mittwoch zu verheirathen, trotz des Eingriffs in
die ehelichen Rechte". Yielmehr geht der Sinn der Stelle dahin,
dass wegen der Gefahr, und zur Abwehr gegen dieselbe, durch
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— .SN-; rsn -,«« [!] n— p?-: — ;:c;V '^^r.'. i-r-r 'vz-r c"V rxr-:r; nV:n2 ■'-DSN-r
c-r-c [!] NT c:-N r:c3 •sn [.] nV-^rtr -cruV VrcT 'vz-r c-^c rsr':r! nVnns
...[.] r".r.z -k: az-a' r";s--is nc-n [?] — ,r 5::n- tV ::•■— V- . . . r-yi:s nc-int
: rrzt: -.py nV Np-soic [?] V-yc: -rs "c: -i-Vsc •cn ^m
2 Vgl. Gratz Bd. 4 S. 347, 349 und Kote 32 S. 492, wo die Nachricht
von Moed Katan 28 a , dass er nur 40 .Jahre alt geworden sei . fiir sagenhaft
erklart wird.
' Helfferich S. 411.
Kapitel 29. Eine Nacl)richt des Talnnul. 167
einen Satz der Ueberlieferung, welchen Rabba interpretirtej eine
Abweichung von der rituellen Yorschrift gestattet wurde.
Die Erorterungen jiidischer Gelehrten iiber zwei verschie-
dene Siitze der Mischna stimmen darin iiberein, dass sie eine
Be^rimmung der Machtliaber erwiilmen, wonach die Briiute der
Juden geschiindet werden sollten. Diese Verordnung wird zur
Erkliirung zweier Mischnas und einer alten Ueberlieferung ver-
werthet; es wird also von einer Zeit gesprochen, die vor Ab-
sciihiss der Mischna liegt.
Helfferich meint, es liege nahe, bei dem Ausspruch Rabba's
an ein persisches Satrapenrecht zu denken^, weil Rabba „um's
Jahr 320 n. Chr. Geb. unter dem persischeu Konige Schabur
(Sapor) lebte ^, der die Juden, auch die babylonischen, stark be-
driickte", und weil der Ausdruck Taphsar -^cei: , der aucli bei
Jeremias 51, 27 und Kahum 3, 17 vorkomme und bei Buxtorf
durch princeps iibersetzt werde, mit dem persisch-tiirkischen Wort
Tephtar iibereinstimme oder durch Lautverschiebung aus Satrap
entstanden sei. Diese Worterkliirung ist an sich gewagt ^, aber
auch unerheblich , da ein in der Bibel zweimal gebrauchtes
Wort vom Talmud aufgenommen werden konnte, ohne dass
irgendwie gefiihlt wurde, aus welcher Sprache das Wort stammte.
Ueberdies bestand nach andern Nachrichten ein freundliches Yer-
hiiltniss des persischen Hofes zu den Juden bis kurze Zeit vor
dem Tod Rabba's '. Zudem bezieht sich die Stelle des Jerusale-
mischen Talmud ausdriicklich auf Judiia. Allein, ganz abgesehen
von allen diesen Bedenken, ist die Meinung Helfferich's jedenfalls
deshalb unhaltbar, weil die vor liinger als hundert Jahren, in
einem Satz der alten Ueberlieferung , erwiihnte und von Rabba
erkliirte „Zeit der Gefahr" nicht auf einen Yorgang aus der
Lebenszeit Rabba"s bezogen werden kann. Aus demselben Grund
kann die „Zeit der Gefahr" ebensowenig aus der im Kapitel 37
erwiihnten Nachricht des Lactantius iiber den ostromischen
Kaiser Maximin erkliirt werden.
1 Helfferich S. 410, 411.
2 Sapor oder Schapur der Zweite, nachgeborner Sohn von Hormizd II. , re-
gierte von 309—379: er fiihrte Krieg mit den romischen Kaisern Constantius
und Julian. Vgl. Noldeke S. 417.
3 Eine andere Erklarung des genannt.en Ausdrucks findet sich bei Gesenius-
Miihlau S. 319 und hei Lenormant Bd. 3 S. 264.
* Vgl. Griltz Bd. 4 S. 352, iiber Verfolgung. Flucht und Tod Rabba's:
Noldeke S. 68.
168 Kapitel 30. Ursache des Makkabaer-Aufstandes.
Rabba spricht von einer so alten „Zeit der Gefahr", dass er
keiue directe Auskunft iiber die damals erlassene Yerordnung von
Augenzeugen oder sonstigen Zeitgenossen empfangen haben kann;
und er beruft sich auf keine urkundliche Geschichtsquelle. Daher
wird anzunehmen sein, dass er die Nachricht aus einer miind-
lichen Ueberlieferung geschopft hat. Aus seinem Ausspruch ist
nicht zu ersehen, zu welcher Zeit, von welchem Machthaber, und
in welcher Form die fragliche Yerordnung erlassen wurde.
Mithin ist daraus nicht eine bestimmte geschichtliche Thatsache,
sondern nur eine Sage zu entnehmen. Ist dies richtig, so kann
es nicht auffallen, dass jener Befehl des Machthabers in den
Makkabaischen Buchern nicht erwahnt wird; und es darf aus
diesem Stillschweigen nicht gefolgert werden, dass der fragliche
Befehl erst nach der Zerstorung Jerusalems (70 n. Chr. G.) er-
lassen sein konne. Es ist nicht sicher, ob Rabba den Satz der
Ueberlieferung von der .,Zeit der Gefahr" richtig erklart hat;
vielleicht bezog sich dieser Satz auf einen andern Yorgang, der
zur Zeit Eabba's nicht mehr bekannt war. Ware aber auch die
Auslegung Rabba's richtig, so wiirde sich auf den Befehl, den
er anfiihrt, der moderjie Ausdruck „jus primae noctis" nicht an-
wenden lassen. Aus allen diesen Griinden ist es ungerechtfertigt,
dass Herzfeld den apodiktischen Satz aufstellt: „Das jus primae
noctis muss einmal gegen die Juden geltend gemacht sein, denn
selbst jiidische Gebriiuche erscheinen danach abgeandert." ^
2. Veranlassung des Aiifstandes der Makkahder'^.
Kapitel 30. Einige Schriftsteller des neunzehnten Jahr-
hunderts meinen, es sei geschichtlich festgestellt, dass der Aufstand
der Makkabaer gegen den syrischen Konig Antiochus lY. Epi-
phanes (165 oder 167 v. Chr. Geb.) durch das jus primae noctis
hervorgerufen worden sei ^. Dies ist ein Irrthum. Abgesehen
davon, dass der moderne Ausdruck jus primae noctis auf die in
Rede stehenden Nachrichten nicht passt, gehoren dieselben nicht
1 Herzfeld Bd. 2 Abschn. 3 Kap. 3 § 60 Anm. 80, S. 266. Ilier ver-
weist Herzfeld auch auf die Tosifta Ketubot K. 1. Darin tindet sich jedoch
keine neue Quelle, sondern nur jene alte Ueberlieferung erwahnt, die den
Ausspruch Rabba"s veranlasste. (Vgl. auch unten S. 173. Anm. 2). Ueber
die unter dem Namen Tossefta (d. i. Zusatz, Xachtrag) bekannte tiammlung
vgl. die Monographieen von Diinner und Zuckermandel.
^ Vgl. S. 163 Anm. 1, auch Lipsius S. 338—340.
3 Helfterich S. 412. S. Cahen in den Arch. Israel. Bd. 17 S. 174.
Kapitel 30. Ursache des Makkabiier-Aufstandes. 169
der Geschiclite, sondern dor Sage an. Es liandelt sich hierbei
um folgende Xachrichten iiber die Veranlassung zur Einfiihrung
des Chanukka-Festes, d, i. des Festes zur Feier der Befreiung
der Juden von der Herrschaft des Antiochus Epiphanes ^
In den Scholien zum sechsten Kapitel der M^gillath
Ta'anith findet sich folgende Erorterung: „AVomit haben die
griechischen Kihiige ihnen Leides gethan '? Sie setzten in den
Stadten Quastoren (castiraoth) ein, um die Braute zu beschlafen
(zu nothziichtigen) ; und dann wurden die Braute ihren Mannern
zugefiihrt . . . Und Xiemand wollte eine Frau nehmen wegen
der Castiraoth" . . . „Mattatja ben Jochanan, der Hohepriester,
hatte eine Tochter: und alf die Zeit der Hochzeit kam, erschien
der Quastor (Castrin), um sie zu verunreini-gen (zu beschlafen).
Abor man liess ihn nicht gewahren. Da ereiferten sich Mattatja
und seine Sohne , und sie iiberwanden die griechische Regie-
rung . . ."2 Diese Darstellung erscheint als eine Sage aus dem sie-
benten oder achten Jahrhundert n. Chr. Geb. ^. In Wahrheit hatte
der Aufstand der Makkabiier eine andere VeranLassung, wie aus dem
* Ueber die Bedeutung des Chauukka-Festes vgl. Pfannenschmid S. 526
bis 529.
* iPgillath Taanith, Amsterdam 1711, fol. 26i"o imten (lat. Uebers. bei Lip-
sius S. 338) = M-gillath Taanith. Warschau 1874. S. 23. 24:
n:V3- nx e*:"" r"-V r-~"-Jz r'^~"-z~ ■■-■-"■- V" "='-'- -""- "*~'^'- ""- r."s.'
-\iziizv r.-c C"~.'~ cr.-r-:;: zv rrz-j'- sVr Vx--;-- rs "•:"• -r''ryz'~ .--N-r: ■"- zr,ti:
■-iTn n^x-^ni^sp" ■;■:•: rrN n-o--V -jp--; :-n r-r sV- r:zz~-' -nx r-s- --x.- r.z-a
y:2r -,2- "■=:!• c— :-s ■■- •:— zz z"r~ ":;•-, z'^"--:; "r-z' ~: -•>i' Z"" V^p
ni-;.\ rz- c^- rr-i-: =::• r.r-::-z Z'—Z'H "r '~'r -•-=- -: — s =•>;•- "r-::z' -,zr
■^ Brann (S. 375, 452. 453) sagt : ,.Die ^Pgillath Taanith ist eine Sammlung
hervorragender Ereignisse, die zur Zeit des zweiten Tempels und wahrend
der letzten Kampfe unter Trajan und Hadrian die Kraftigung und Eiuigung
der Nation herbeigefiihrt haben. Die Jahrestage solcher Ereignisse bezeichnet
der chaklaische Grundtext . der Ordnung des Kalenders folgend. in einem
schwer vei-stiindlichen Lapidarstil. Hebraische Xoten, die Jahrhunderte spiiter
hinzukamen, machen den Versuch . die Bedeutung der Gedenktage zu er-
lautern. . . . Die Daten des Textes besitzen die Autoritat vollgiiltiger That-
sachen. . . . Das Scholion darf nur mit iiusserster Vorsicht benutzt werden.
Es hat sagenhafte Berichte in der kritiklosesten Weise durcheinandergemengt
und dennoch Geschichte darzustellen genreint. Darum kann auch den Nach-
richten, deren sagenhafter Charakter nicht erwiesen ist, nur ein zweifelhafter
Werth zuerkannt werden'\ . . . Herzfeld bemerkt (Bd. 1 S. 266) von der
M*gillath Taanith : .,In ihr sind nach der Reihenfolge der Monate des jiidischen
170 Kapitel 30. Ursache des Makkabaer-Aufstandes.
biblischen Bericht ^ zu ersehen ist. Zwar nieint Gratz, die M^^gillath
Taanith sei von grossem geschichtlichen Werth, als eine von der
Hauptquelle unabhangige Quelle, welche sich auf die Haupt-
begebenheiten der Makkabaischen und spatern Geschichte er-
streckt^; doch wiirde es, wie Herzfeld richtig bemerkt, ungerecht-
fertigt sein , auf die in den Scholien zur M^^gillath Ta'anith ent-
haltenen Marchen einen hoheren Werth zu legen, als auf den In-
halt der Makkabaischen Biicher ^. Die vorstehende Erzahlung
erinnert an die im vorigen Kapitel besprochene Stelle des Jeru-
salemischen Talmud: „Man knechtete die Judaer, nothziichtigte
deren Tochter und bestimmte, dass der a-rAv.o: sie zuerst be-
schlafe." Daher diirfte sich vielleicht die Yermuthung aufstellen
lassen , dass die im Talmud erwahnte Sage, die von einer unge-
wissen Zeit handelt, spater auf den Aufstand der Makkabaer be-
zogen wurde.
Die in den Scholien zur M*gillatii Ta anith enthaltene Sage
liber die Veranlassuno' zum Aufstand der Makkabaer ist in der
Kalenders die Tage aufgezahlt, an welchen nicht gefastet werden diirfe, iind
die freudigen Ereignisge » mitgethellt, die fiir Israel an diesen Tagen statt-
fanden, und wegen deren ihre Jahrestage nicht traurig begangen werden
sollten. Dies verbiirgt zwar viel geschichtliche Wahrheit in ihr, doch glaube
ich. dass zu manchen dieser halben Feiertage, dessen Veranlassung mit der
Zeit vergessen war , entweder vom Verfasser selbst oder schon von seiner
Quelle , Schrift oder Sage . ein Geschichtchen hinzugedichtet worden ist". . . .
Diese Bemerkungen findet er (Bd. 2 S. 266) bestatigt bei der vorerwahnten
Stelle. Eine Abhandlung von Juseph Schmilg iiber die Entstehung und den
historischen "Werth der M^gillath Ta anith gelangt auf Seite 43 zu folgendem
Ergebniss : ..Die Erklarungen. die das Scholion giebt, konnen keinen Ansprnch
auf geschichtliche Vollgiltigkeit erheben, da sie mit unverkennbaren Sagen
vermischt sind und dann auch oft mit den uns anderweitig bekannten, aus
sicheren Quellen fliessenden Nachrichten in Widerspruch stehen." — Brann
(S. 449) halt es fur sicher. ..dass der Scholiast nicht friiher als in das siebente
nachchristliche Jahrlmndert zu setzen ist" ; Schmilg (S. 36) nimmt an, dass
die Abfassung des Kalenders ..im siebenten oder achten Jahrhundert nach
Christus" stattgefunden habe. Steinschneider (Ersch u. Gruber Bd. 27 S. 378)
versichert. das unter dem Nanien M^gillath Taanith gedruckte Werk sei ein
schon im achten Jahrhundert bekannter Commentar iiber Fragmente der aus
dem zweiten Jahrhundert herriihrenden urspriinglichen Schrift, und setzt hin-
zu: „Eine .jiingst versprochene kritische Bearbeitung von L. und G. ist noch
nicht erschienen". Dem Vernehmen nach fehlt die kritische Bearbeitung noch
heute, und die verschiedenen Handscliriften sind noch nicht gepriift.
' Erstes Buch der Makkabaer Kaj). 2.
2 Griitz Bd. 3 S. 415.
3 Herzfeld Bd. 2 S. 239, 260. Vgl. Buxtorf cap. 28, S 552 (aus A.?arias
in Meor enajim cap. 51).
Kapitel 30. Ursache des Makkabaer-Aufstandes. 171
spatern judischen Litteratur theils geandert, theils weiter
ausgebildet worden. In Beth ha-Midraseli, Sammlung kleiner
Midraschim (d. h, Legenden, Yortrage, Sagen, Spriiche), und zwar
ira Midrasch fiir Chanukka, findet sich n.in^ilich folgende Erziihlung
iiber llanna, Tochter Jochanan's, in drei Yersionen ^ An der
einen Stelle wird im Namen des Kabbi Simon ben Jochai be-
richtet: „Zur Zeit des Makkabaerkrieges nalim ein Grieche eine
Thora-Rolle und brachte Hanna, die Tochter des Hohenpriesters
Jochanan, die von einer Schonheit war, wie sie sonst die AVelt
nicht kannte, und die an Eleasar, Sohn des Hasmonai, verheirathet
war, und wollte sie beschlafen, Angesichts ihres Gatten und Va-
ters . . . Eleasar erhob das Schwert und brachte die Griechen
um." 2 An der zweiten Stelle wird iiber die Griechenherrschaft
erzahlt: „Sie (die Inhaber der damaligen Regierungsgewalt)
verordneten, dass wenn ein Mann heirathe, die Frau
zuerst von dem 7)-j'£a(ov (Hiiuptling) beschlafen werde
und dann zu ihrem Manu zuriickkehre; und dies dauerte drei
Jahre und acht Monate, bis die Tochter des Jochanan, des Hohen-
priesters, verheirathet wurde. Als man sie zu jenem r-;zixdy/
fiihrte, entblosste sie ihr Haupt, sie zerriss ihre Kleider und stand
nackt vor dem Volk. Da wurden Juda und seine Briider von
Zorn erfiillt, und sie befahlen, sie hinauszufiihren und zu ver-
brennen, damit es nicht der Regierung zu Ohren korame, wegen
Lebensgefahr, da sie die Frechheit hatte, sich nackt vor das ganze
Volk hinzustellen. Da sprach sie zu ihra (Jehuda) : Wie sollte ich
verachtlich geworden sein vor nieinen Briidern und Freunden und
nicht verachtlich geworden sein in den Augen des Unbeschnittenen
und Unreinen, da ihr an rair den Frevel begehen wollt, mich ihm
zuzufiihren, dass er bei rair schlafe? Als Juda und seine Briider
dies horten, beschlossen sie, den Hegemon umzubringen.'^ . . .
Dann wird weiter erzahlt, wie die Braut mit grossem Gepriinge dem
y,73aa)v zugefiihrt, und Letzterer von Jehuda getodtet wurde ^.
Die dritte Fassung lautet: „Als die Griechen (Syrer) sahen,
dass Israel sich an ihre Befehle nicht kehre, gaben sie eine
bittere Verordnung . . . (die Braut) miisse die erste Xacht
1 Jellinek Theil 1 S. XXIII u. XXIV und Theil 6 S. 2, 3.
- Jellinek Tlieil I S. 135; Berliner Jahrg. 3 S. 036 des hebriiischen Textes.
Vgl. Herzfeld S. 266: Lipsius S. 351: ferner (uber Hanna als Tochter Matis-
jahu's und ihren Verlobten, den Hasmanaer Elasarj Berliner Jahrg. 3 S. 219;
auch (iiber den Zusammenhang der Sagen von Hanna, Martha und Mirjam) :
Steinschneider 1877 S. 264. 265; Frankel Bd. 28 S. 496; Kayserling S. 56. 343.
3 Jellinek Theil 1 S. 133. Ygl. Lipsius S. 339, 348. 349. auch S. 360, 361.
172 Kapitel 30. Ursache des Makkabaer-Aufstandes.
b e i d e m r; 7 3 ;x (u v d e s 0 r t e s v e r b r i n g e n . . . In dieser Weise
misshaudelten die Griechen die Jungfrauen Israels drei Jahre und
acht Monate, bis die Geschichte mit der Tochter des Hohenpriesters
Mattatja sich ereignete, die einen Hasmonaer, Namens Elasar,
heirathen sollte. An ihrem Hochzeitstag namlich , als die Ange-
sehensten in Israel zum Mahl versammelt waren, erhob sich Hanna,
die Tochter Mattatja's, von ihrem Ruhebett: sie schlug die Hande
zusammen, zerriss ihr Gewand und stand so entblosst vor dem
ganzen Yolk . . . Als die Briider das sahen, senkten sie vor
Scham ihren Blick zu Boden . . . und sie wollten sie todten. Sie
aber sprach : Horet, ihr Briider und Yettern ! wenu ich vor frommen
Leuten nackt stehe, ohne mich (fleischlich) zu vergehen, ereifert
ihr euch; warum thut ihr das nicht, wenn ihr mich dem Un-
beschnittenen iiberantwortet, dass er meiner hohut?" ^ . . ,
Den letzterwiihnteu Midrasch, der aus dem cod. h. Miinchen
117, 4 herriihrt, halt Jellinek „fiir die iilteste der drei Bearbei-
tungen", weil sich diese Recension „an biblische Yerse anlehut",
uud weil die erste Recension (Jellinek Theil I S. 133) „kurz zu-
sammeufasst, was hier ausfiihrlich erziihlt wird, iiberdies auch
die Formel 7:2-1 i;r * auf eiue bereits vorhaudene und benutzte
Hagada hinweist^. Doch diirften diese Griinde nicht ausreichen,
die Annahme Jellinek's zu rechtfertigen. Eine Yergleichung
des Inhalts der drei Fassungen fiihrt vielmehr zu der Yermuthung,
dass der an erster Stelle mitgetheilte Midrasch (Jellinek I, 133)
gerade wegen seiner Kiirze als der alteste anzuseheu ist, uud
dass daraus, unter Beriicksichtigung der iu den Scholien zur
M-gillath Ta auith enthalteneu Sage, mit weiterer Ausschmiickung,
die beideu andern Midraschim entstanden sind. Die beideu letz-
teren zeigen untereiuander grosse Uebereinstimmung; beide spre-
1 Jellinek Theil 6 S. 2. 3:
. . m;: rr-i crrVy ■;-i7,i- :-:y =nT--T;- -•-■:--" Vs-r- v-'^- ="" ">!"" ""=
nrVinaa C^VVjtt: c":*" vr- . . . z-p-cz-:; •■";-r V::s nVn -■«•.v- rV"V r:::".- nVi;
inTinx: na Va r»"- s=w -:• [c-iJ-r;] C"::a r;:":;«-- c-:r sVr r.r -cra •.ir" V.s-is^
r-icis-irt r.r\ri'!ZZ' z" y:<r-v -••3 ••:r -t ■^ti^Vsi •x:-'crr; -pV nsr:^! V-tj -,r!3
. . . •ii-.vz-::^: r-rr'z --lacV VN-ir^ •V--;. Vc rucpn: r:-;";yar; •'z- v^ir.vz- -■■-isxc
N-^-i:--s r-"-p- -T V? ••{ n-sc rpsc: -"—sx Vi"; rT-nn:c na nr. r-^cj -lyoV -cs^rc:
■:r:- -r-^c.-: -,r r--s -N-r ■•;•= . . . r'--yz a^r-cz VN-r* Vc -:sV r,~.^i': rVr
r-z- ■ ^— — --x -:-:":-i- crV r--:>5 • r:.--r'~ r^Vy ■—::■• cr— ic -i-ip-i yp"ip3 cr;^:s
-,-N^ c-.s:pr-; crs — r r.—zv c-r sVc r-z—j c--—^ -:sV \-i-;?2S» V^cra CN
: . . . "c '■::'-^vrr'- '-—j —2. ^i-iOzizh caif.niz cns
Vgl. noch daselbst S. 6, M^giUath Antiochus vers. 47—50, wo Aehnliches
berichtet wird.
2 Jellinek Theil G S. VI u. VII.
Kapitel 30. Ursache des Makkabiier-Aufstandes. 173
chen von einer forinlichen Verordnung der griechischen Regie-
rung, wovon im ersten Midrasch noch keine Rede ist; doch wird
nur im dritten „die erste Naclit' erwiihnt. Insofern ist dieser
dritte Midrasch der wichtigste fiir die gegenwiirtige Untersuchung.
Die erwiihnte Miinchener Handschrift (cod. 117 Monach.) ist nach
Angabe des Katalogs der liebraischen Handschriften, Seite 57,
im Jahr 1433 (nicht 1435, wie es Seite 56 heisst) geschrieben.
Daher wird bis auf Weiteres das erste Drittel des fiinfzehnten
Jahrhunderts als die Zeit anzunehmen sein, in der diese Recen-
sion der Sage spiitestens entstanden ist; ob sie ein hoheres Alter
hat, steht noch nicht fest.
Jellinek zahlt zur Erlauterung der drei von ihm heraus-
gegebenen Bearbeitungen vier grausame Edikte auf, welche die
Griechen gegen die Juden erliessen: „Die Wohnungen mussten
offen stehen, die Hausthiere den Gottern geweiht werden, damit
sie nicht gebraucht und genossen werden diirften, die Frauen
sollten nicht das Reinigungsbad nehmen, und die Briiute (sollten)
durch das jus primae no ctis geschiindet werden. Daran
schliesst sich die Erziihlung von der schonen Braut Hanna, der
Tochter des Mattisjahu — in der ersten Recension zweimal „des
Johannes" — deren bevorstehende Schiindung das Signal zum
Kampfe wider die Griechen ward." ^ In dieser Darstellung diirfte
die Anwendung des modernen Ausdrucks. jus primae noctis ^ nicht
gerechtfertigt sein, da weder aus der Fassung der drei Midraschim
noch aus andern Griinden zu entnehmen ist, dass schon zur Zeit
der Abfassung der Erziihlungen von jenem Herrenrecht die Rede
war. Jellinek fiigt den vorstehenden Erliiuterungen hinzu: ^Diese
Erziihlung, die in allen hagadischen ^ Relationen iiber Chanukka
1 Jellinek Theil 6 S. VII. iinter Verweisung auf Raschi zu Tr. Sabbat
•23 a und auf die Einleitung zu ..M-^gillath Antiochus".
- Derselbe Fehler findet sich bei Lipsius S. 338, 339, bei Rosch S. 20
und in folgendem Satz Berliner"s (Jahrg. 3 S. 219): ,,Die Anmassung des
jus primae noctis wird in Megillat Taanit c. 6 er^vahnt, ebenso in Jerusch,
Ketubot 1, 5 und Tosifta daselbst, womit Babli Ketubot 3 b zu erganzen
sein diirfte".
3 Nach Gratz Bd. 4 S. 17, 18 bezeichnet das Wort Agada (Hagada) eine
Homilie, d. h. eine zwanglose Auslegung der heiligen Schrift ohne Gesetzes-
charakter. Den Gegensatz bildet die Mischna, d. i. die Lehre mit Gesetzes-
kraft. Der Inhalt der Mischna zerfjillt in drei Lehrweisen, namlich erstens
Halacha (Herkommen, Brauch, Praxis) in fest formulirten Satzen, zweitens
:Midrasch (Deutung), d. h. Herleitung des iiberlieferten Stoffs aus dem Schrift-
wort, und Talmud (Gemara), d. h. Anwendung und Folgerung aus den
Gesetzesbestimmungen. Vgl. oben S. 163 Anm. 3.
174 Kapitel 30. Ursache des Makkabaer-Aufstandes.
erscheint, muss einen histx»rischen Kern in sich bergen." ^ Gleich-
wohl ist es bis jetzt noch nicht gelungen, den geschichtlichen
Kern aus jenen Sagen herauszuschalen.
In einem um 1000 n. Chr. Geb. ^ verfassten arabischen
Werk von Abu Raihan Muhammad ben 'Ahmad Albiruni wird die
Sage iiber Entstehung des jiidischen Hanukka- (Reinigungs-) Festes
in folgender Fassung mitgetheilt: „Antiochus, Konig der Grie-
chen, hatte sie (die Juden) lange Zeit bezwungen und miss-
handelt. Er hatte die Gewohnheit , in einem unterirdischen
Gewolbe die Frauen zu schanden, bevor sie ihren neuvermahl-
ten Gatten zugefiihrt wurden. Aus dem Gewolbe fiihrten zwei
Stricke hinaus, an deren Enden Glocken befestigt waren. So-
bald er nun eine Frau begehrte, schellte er auf der rechten
Seite, und die Frau trat ein; war er mit ihr fertig, so schellte
er auf der linken Seite, und sie wurde entlassen. Damals lebte
ein Israelit, der acht Sohne und eine Tochter hatte ; die Letztere
hatte ein anderer Israeiit zur Ehe begehrt. Nun sagte der Yater
der Braut, der sie zu vermahlen wiinschte: Gieb rair Zeit, denn
ich stehe zwischen zwei Dingen. Fiihren wir meine Tochter zu
dir, so wird sie durch den verfluchten Tyranuen entehrt werden ;
und sie ist dann fiir dich nicht mehr eine gesetzmassige Gattin.
Will sie sich ihm aber nicht unterwerfen, so wird er mich zu
Grunde richten. Wegen dieser Sachlage tadelte und schalt er
seine Sohne, die sehr erregt und iirgerlich wurden. Doch der
jiingste von ihnen sprang auf; er kleidete sich wie eine Frau,
verbarg einen Dolch in seinen Kleidern und kam zum Thor
des Konigs, indern er sich gleich einer Lustdirne benahm. Jetzt
zog der Tyrann die Schelle auf der rechten Seite, und er ward
zu ihm gefiihrt; dort, allein mit ihm, todtete er ihn (der Jiing-
ling den Tyrannen) ; er schlug ihm den Kopf ab, zog dann die
Schelle auf der linken Seite, ward hinausgelassen und pflanzte
(anderwarts) den Kopf auf. Deshalb feiern die Israeliten ein Fest
an jenem Tage und an den (sieben) folgenden Tagen, nach der
Zahl der Briider dieses Jiinglings. Gott weiss es am besten"
(wie viel AVahrheit dieser Erzahlung zu Grunde liegt) ^. Mit
dieser Erzahlungr stimmt der Bericht von Abulfeda iiber einen
1 Jellinek Theil 6 S. VII.
* Die Jahreszahl 1000 steht auf der Ausgabe von Sachau. Friiher wurde
das Jahr 10:31 als Zeit der Abfassung angegeben, bei A. Weber (ed. Mann)
S. 201, 253. 261, 262.
^ Albtrfini chap. 14 (of the Festivals and Fast-days in the months of the
Jews), S. 271 272 (in der arabisclien Textausgabe S. 278).
KapLtel 30. Ursache des Makkabaer-Aufstaudes. 175
„gewis8en griechischen Konig", der in Jerusalem residirte, mit
geringen Abweichungen, meist wortlich iiberein K In beiden Be-
richtcn, von Albiruni und von Abulfeda, fehlt eine Angabe iiber
die Xamen der Juden. Eine fernere Abweichung von dem judischen
Sagenkreis besteht darin, dass die Schandtliaten nicht einem Be-
amten, sondern dem Kunig selbst zugeschrioben werden. Danach
scheinen die beiden arabischen Berichte auf einer von der M*"gillath
Taanith unabhiingigen Quelle zu beruhen. Zwar ist es moglich,
dass dem Biruni ein alterer und besserer Text der ^Pgillath
Taanith vorlag, als der bisher durch Druck bekannt gewordene.
Denn S. Landauer bemerkt, dass Biruni fiir den Bericht iiber die
Fasttage der Juden das letzte Kapitel der ^Pgillath Taanith fast
wortlich „nach einem vorziiglichen Text" aufgenommen habe, und
dass er deshalb „in manchen Punkten zur Sicherstellung des inter-
polirten hebraischen Originals dienen" konne ^. Allein aus innern
Griinden diirfte es unwahrscheinlich sein, dass eine bestimmte Hin-
weisung auf Konig Antiochus in der altesten Gestalt der Sage sich
vorfand und spater unterdriickt wurde ; vielmehr diirfte eine innere
Wahrscheinlichkeit dafiir sprechen, dass die concretere Form der
Sage erst in der spatern Entwicklung hervortrat. Andererseits erin-
nert die (bei Abulfeda weggelassene) Bemerkung AIbiruni's iiber die
„gesetzmassige Gattin" au die im vorigen Kapitel erorterten Tal-
mudstellen. Sonst hat die Sagre in der arabischen Fassuno- Yer-
1 Abulfeda, Uebers. Fleischer's. S. 161, 163: „Aliud festum est El-Hanuccah,
i. e. Lustratio, octo dierum, quorum primus est quintus et vigesimus mensis
Kislev. Prima festi nocte singulae lucernae accenduntur. secunda binae, et
sic deinceps , donec nocte octava ad octonas pervenitur. Hoc festo recolitur
memoria adolescentis , ex octo fratribus natu minimi , a quo rex quidam
graecus interfectus est , qui imperium in Judaeos adeptus, sede Hierosolymis
fixa, virginibus, antequam ad sponsos deducerentur , pudorem eripere solebat.
Cryptam habebat sub terra, unde duo funiculi prodilmnt, quorum uterque
tintinnabulo instructus erat. Quoties igitur lubidine tentabatur, funiculum
dextrum movebat: quo signo audito mulier ei adducebatur; ea postquam abu-
sus erat, moto funiculo sinistro rursus dimittebatur. Illo ipso tempore vir
erat inter Israelitas, qui octo filios unamque flliam habebat. Hanc aliquis
popularium in matrimonium duxit: sed quum a patre petiisset, ut eam sibi
traderet, ille: ,Si puellam', inquit, .ad te deducam. nebulo ille eam vitiabit'.
Simul filios, talis scilicet injuriae patientes , increpuit : quibus quum hac re
indignationem incussisset, minimus eorum prosiluit, et sumto cultu muliebri.
pugionem vestibus tegens sororisque personam agens ad aulam regiani venit.
Rex funiculum movet: adolescens ad eum deducitur: ceteri discedunt: ille
regem interficit, caput recisum aufert. moto funiculo sinistro exit et dimittitur.
Regis nece divulgata, Judaei magno gaudio affecti festum octo dierum in-
stituerunt, quo memoria octo illorum fratrum conservaretur."
2 S. Landauer in den Gott. gel. Anz. v. 23. Juni 1880. Nr. 25, S. 781.
176 Kapitel 31. Konig Sharahbil von Saba.
wandtschaft mit der Erzahlung Heraklid's iiber den Tyrannen von
Kephalenia ^ Es wird nicht gesagt, dass die Schandthaten des
Konigs Antiochus nur bei Nacht stattfanden, und zwar nach der
jedesmaligen Hochzeitsfeier ; insofern kann hier von einem ju&
primae noctis in der gewohnlichen Bedeutung dieses Ausdrucks.
nicht gesprochen werden.
b. Arabien.
1. Vprordnung des Konigs Sharahhil von Saha.
Kapitel 31. Ueber die in der heiligen Schrift erwahnte
Konigin von Saba, die auf das Geriicht von Salomon's Weis-
heit zu ihm kam, ihn mit Rathseln versuchte und nach gegen-
seitigen Beschenkungen in ihr Land zuriickzog, theilt Weil unter
dem Titel „Salomon und die Konigin von Saba" folgende Legende
der Muselmiinner mit^: Konig Salomon machte auf Anweisung
Abraham's, der ihm im Traum erschienen war, eine Pilgerfahrt
von Jerusalem nach Jathrib (Medina) und nach Mekka. Er reiste
mit Menschen, Genien und Thieren auf einem grossen Teppich,
der von Vogeln iiberischattet und von Winden getragen wurde.
In der Kaaba zu Mekka predigte er iiber den kiinftigen Pro-
pheten Mohammed, Nach drei Tagen, als die Riickreise be-
ginnen soUte, fehlte ein Yogel im koniglichen Gefolge, und zwar
der Wiedehopf. Derselbe wurde durch den Adler herbeigeholt
und brachte dem Konig Kunde iiber das Land Saba in Siid-
arabien und iiber die Konigin Balkis. L^nter Anderm erzahlte
der Wiedehopf: „Der letzte Konig von Saba, welcher
Scharahbil hiess, trieb die Gewaltthatigkeiten so
weit, dass kein Madchen sich verheirathen durfte,
ohne sich vorher ihm hingegeben zu haben^. Konig
Scharahbil sah, als Bettler verkleidet, auf einer Fussreise die
dreizehnjahrige Balkis, die so schon war, dass sie einer Huri
aus dem Paradiese glich. Diese, Tochter eines friiheren Yeziers
und der Nymphe (Djinnstochter) Umeira, war in stiller Zuriick-
gezogenheit aufgewachsen , ,weil ihr Yater fiirchtete, Scharahbil
moge von ihr horen und sie nicht schonender als die andern
Jungfrauen Sabas behandeln' '*. Der Yezier trat in seine friihere
Stellung bei Konig Scharalibil zuriick und erijffnete nach kurzer
Zeit seiner Tochter: ,Was. ich liingst befiirchtete, ist nun ein-
1 Vgl. Kap. 34. 2 Weil S. 225 ff.
3 Weil S. 253. Vgl. Delpit S. 274. * Weil S. 254.
(
Kapitel 31. Konip; Sharahl)il von Saba. 177
getroffen. Dcr KiJnig liat bei niir uni dcine Hand angehaltcn, und
icli konnte sie ihm ohnc Lebcnsgefahr nicht versagen, obgleich
ich dich lieber ins Grab steigen siihe , als in das schandbefleckte
Eett dieses Tyrannen.' ,Sei ohne Furcht, mein Vater,' erwiederte
Balkis, ,ich werde mich ,und mein ganzes Geschlecht von der
Liisternheit dieses Wolliistlings zu befreien wissen; zeige ihni
nur eine heitere Stirn, damit er keinen Verdacht schijpft, und
erbitte dir als einzige Gnade, dass die Vermahlung hier im Stillen
gofeiert werde.' Der Kiinig gewtihrte gern seiner Braut diesen
Wunsch und begab sich am folgenden Abend, nur von einigen
Dienern begleitet, in das Schloss seines Veziers, wo er eine
kijnigliche Bewirthung fand. Nach der Tafel zog sich der Vezier
mit allen Anwesenden zuriick, und Balkis blieb allein bei dem
Konig. Auf ihren AVink erschienen ihre Sklavinnen, von denen
die eine sang, die andere die Harfe spielte, die dritte tanzte, und
die vierte den Weinkelch iiberreichte. Die Letztgenannte war
nach Balkis' Anweisung besonders thiitig, so dass der Konig, dem
Balkis auf jede Weise zusprach und von den stiirksten AVeinen
reichen liess, bald bewusstlos auf das Sopha hinsank. Jetzt zog
Balkis einen Dolch unter ihrem Gewand hervor; damit durchbohrte
sie den Konig, so dass seine Seele augenblicklich zur Holle fuhr.
Sie rief ihren Vater und zeigte ihm des Ki3nigs Leichnam. Dann
sagte sie : ,Morgen friih hisst du im jS^amen des Konigs die ein-
flussreichsten Miinner der Stadt, auch einige Hiiupter der Truppen,
auffordern, ihni ihre TiJchter zu schicken. Dies wird einen Auf-
stand verursachen, den wir zu unserm Vortheil ausbeuten konnen.'
Balkis hatte sich nicht getiiuscht. Die zur Entehrung ihrer Tochter
aufgeforderten Miinner versammelten ihre Freunde und rotteten
sich des Abends vor dem Schloss des Veziers zusamnien ; sie
drohten , dasselbe in Brand zu stecken, wenn ihnen der KiJnig
nicht ausgeliefert werde. Balkis schnitt der Leiche den Kopf ab
und warf ihn den versammelten Emporern zum Fenster hinaus.
Da erscholl ein lautes Jubelgeschrei in der Menge, die Stadt
wurde festlich beleuchtet , und Balkis, die Beschiitzerin aller
Miidchen, ward zur Konigin erwiihlt. Diese Konigin" — so schloss
der Wiedehopf seine Erzahhmg — „regiert nun seit mehreren
Jahren mit vieler Weisheit und Einsicht und lasst Gerechtigkeit
in ihrem ganzen, wdeder hochst bliihenden Reiche walten" \ . . .
In diesem Miirchen sind Ausschweifungen des Konigs Sha-
rahbil beschrieben, wobei nicht gesagt ist, dass Sharahbil die
1 Weil S. 256—258.
Schmidt, .Jns ijrimae noctis. 12
178 Kapitel 31. Koiiig Sharahbil von Saba.
Entelirung der Jungfrauen als ein Recht fiir sich in Anspruch
genommen oder gar ein Gesetz dariiber erlassen habe.
Ueber die Konigin Balkis oder Belkisa von Saba, d. h. Ye-
men in Siidarabien, und iiber ihre Beziehungen zu Konig Salo-
mon sind in Ermanglung urkundlich beglaubigter Ueberlieferungen
viele unsichere Nachrichten verbreitet ^ Es wird erziihlt, sie sei
um das Jahr 1000 vor Chr. Geb. Konigin von Yemen geworden,
habe sich naeh zwanzigjahriger Regierung mit Konig Salomon,
dem Sohn David's , vermahlt und sei durch denselben nach
Jerusalem gefiihrt worden ^. In den Stammtafeln wird sie als
22. oder 28. Konigin vom Stamm Yemen, als Nachfolgerin ihres
Yaters Hodhad oder Heddad, des Sohnes von Sharhabil oder Schara-
chil, bezeichnet^. Andere Erzaliluugen melden, lange Zeit, bis
zu der des Konigs Salomon, hatten iiberhaupt nur Frauen iiber
Saba geherrscht *. Daneben findet sich auch noch die Sage, dass
Belkisa nicht eine Konigstochter, sondern die Tochter des
Dsi-Asrog, Yeziers von Konig Sjerah, gewesen sei '".
' Vgl. V. Lilienstern S. 1. 100, 101, 22.3 (die Konigin Balkis sei ,.eine in der
spateren Zeit des Judaismus eingeschwarzte mythische Figur'') ; Steinschneider
bei Frankel 1845 S. 273 (Zuriickfiihrung auf Malika Saba, d. i. Konigin von
Saba); Bachofen S. 173, 174; Rosch S. 51, 52. Ein arabisches Gedicht aus
dem zwolften Jahrhundert, die himjarische Kasideh, handelt von Bilkis und
Salomo in den Versen 44 — 48, bei v. Kremer 1865 S. 10 — 13. (Der Verfasser
dieses Gedichts starb, wie v. Kremer 1866 S. 45 angiebt, im Jahr 573 d. H.,
also 1195 nach Chr. Geb.) In denselben Sagenkreis gehort ein abyssinisches
Werk (des spaten Mittelalters) , ..Lob der Konige", das im Jahr 1870 mit
lateinischer Uebersetzung durch Fr. Praetoriiis herausgegeben ist.
2 Hamza, lib. 8, bei Gottwaldt Bd. 2 S. 99 und bei Schultens S. 25: Abulfeda
bei Schultens S. 7, 9, und bei Fleischer S. 117 (nach Ibn Sayd Africanus).
Vgl. Volney bei v. Lilienstern S. 29 ; de Sacy S. 501 ; v. Lilienstern. Tafel 1 unter C.
* Hamza, bei Gottwaldt Bd. 2 S. 99. Pocock , Ausg. von 1806 S. 60 und
Ausg. V. 1650 S. 59. Volney bei v. Lilienstern S. 29. 30. 102. Tafel 1 unter
D. V. Lilienstern aus Hamza, Tafel 1 unter A. In einer Denkschrift der
franzosischen Akademie der Wissenschaften wird die Vermuthung aufgestellt,
dass die nach Abulfeda angefertigte Stammtafel liiekenhaft sei. und dass Balkis
erst ungefahr vierhundert Jahre nach dem Tod des Alhodad. Nachfolgers von
Sherhabyl. zur Regierung gelangt sei. Vgl. v. Lilienstern S. 25, 26, 228 und
Tafel 1 unter B.
* Diese Nachricht wird auf Georgius Ebno '1 Amdi und auf den Patriarchen
Eutychius Patricides (Said Ebn Patrik) zuriickgefiihrt , bei Pocock Ausg. v.
1650 S. 85 und Ausg. v. 1806 S. 87 : „Diebus Argu multos annos occupavit
foemina regnum Sabae, et post eam regnarunt ibi foeminae usque ad tempus
Salomonis filii Davidis." .Vgl. v. Lilienstern S. 28. 63.
5 Noweiri, bei Schultens S. 55, 57: .,Nos historiam Bclkisae ante executi,
diximus eam iiliam fuisse D.si-Asrogi ; ejusque patrem non Regem fuisse.
Kapitel 31. KiJnig Sharahbil von Saba. ]^79
Ueber die Grundlagen des vorsteheuden Marchens k<»nnen hier
nur Andeutungen gegeben werden \ Im Koran steht: „Ein Kibitz
berichtet dem Salomo, dass dort ein Weib regiere, verselien mit
Allem, was zu einem Fiirsten erfordert wird, und mit einem
prachtigen Thron, aber sie und ihr Yolk seien Anbeter der Sonne.
Deshalb sandte ihr Salomon durch denselben Kibitz zuerst einen
Ermahnungsbrief , zum rechten Glauben zuriickzukehren, dann
bedrohte er sie mit Krieg, worauf sie sich selbst nach Jerusalem
auf den Weg machte." ^ Ausserdem erinnert der Inhalt jenes
Mtirchens an verschiedene Sageu iiber den Regierungsantritt der
Bilkis. Es wird erzahlt, sie habe einen Gegenkonig dadurch be-
seitigt, dass sie ihn zum Schein heirathete, bei der Hochzeit mit
AVein berauscht machte und dann todtete^. Eine andere Er-
zahlung lautet, sie habe ihren Oheim, der nach ihres Yaters Tod
zur Thronfolge gelangte und jede schone Konigstochter entehrte,
durch scheinbares Eingehen auf seine Bewerbungen in ihr Schloss
gelockt und dort durch Manner ihrer Yerwandtschaft todten lassen,
worauf sie selbst zur Konigin firwiihlt worden sei ^. Js^ach einer
dritten Erzahlung war sie die Tochter eines Yeziers; sie todtete
den Konig, der die Tochter der Yornehmen zu rauben pflegte,
und wurde dann selbst zur Konigin erwahlt ^. In einer weit-
verbreiteten Sage erscheint Bilkis als Tochter des Konigs Hadhad
und einer Fee, niimlich der in eine Gazelle verzaubert gewesenen
Hariira, Tochter des Dschinnenkonigs Teleb''.
Liebrecht fiihrt in einer Abhandlung iiber das jus primae
sed Vezii-ium Regis Homeiritarum , Sjerahi Homeiritae videlicet. Et hoc soli
Deo notum. Dissentitur autem circa eum. qui post Alhadhadum regnavit.
Mesoudius dicit. Tobbaa primum. ejusque imperio quadringentos annos tribuit.
Sed Ibn Katiba Alhadhado successisse ait filiam ejus Belkis, conjugem Salo-
monis filii David, super quibus pax et fausta comprecatio. Ea regnum tenuit
per centum et viginti annos". . . . Vgl. v. Lilienstern S. 101. 113, 228 ;
Rosch S. 13.
* Weil sagt in der Einleitung (S. 4) : ,,Diese Sagen stammen . einzelne
spatere Ausschmiickungen abgerechnet . von Mohammed selbst her. Die
wesentlichsten Ziige sind sogar im Koran vorhanden, und was nur angedeiitet
ist, wird durch die miindliche Tradition weitergesponnen und erganzt." Unter
den Quellen erwahut Weil mehrere arabische Handschriften der herzoglich
Gothaischen Sammlung (Nr. 279, Nr. 235 und Kr. 909).
2 v. Lilienstern S. 101.
' Ro.sch S. 18, 19, aus der Prophetengeschichte von Taalebi.
* Rosch S. 19, aus der Chronik von Ibii-el-Athir (die im Jahr 1867. leider
ohne Uebersetzung. durch C. J. Tornberg herausgegebeu ist).
5 Rosch S. 19. 20, ebenfalls aus Ibn-el-Athir.
6 A. V. Kremer 1866 S. 65—67.
12*
180 Kapitel 32. Die Stamme Tasm und Djedis.
noctis aus der Schrift von Weil bloss den Satz an: „Der letzte
Konig von Saba, weleher Scharahbil hiess, trieb die Gewalt-
thatigkeit so weit, dass keine Madchen sich verheirathen durften,
ohne sich vorher ihm hingegeben zu haben." ^ Dies muss auf
den Leser den Eindruck machen , als werde hier eine geschicht-
liche Thatsache mitgetheilt. Aus dem Yorstehenden erhellt je-
doch, dass jener Satz einem Marchen, und zwar der Erzahlung
eines AViedehopfes, entnommeu ist.
2. Vntergang der Arabersfamnw Tasm nnd Djedis.
Kapitel 32. Man sagt , ein Hauptling des Araberstammes
Djadis habe das „droit du seigneur" oder jus primae noctis iiber
den Stamm der Tasmiden ausgeiibt ^. „Ein Tyrann vom Stamm
Tasm, bei den Arabern vor Mahomet, erliess ein Gesetz , wel-
ches anorduete , dass keine Tochter dieses Stammes sich ver-
heiratheu diirfe, bevor er selbst zuerst die Rechte des Ehegatten
genossen habe." ^ Liebrecht bemerkt iiber das jus primae noctis:
„In Arabien masste es sich an Amlek, ein alter Konig der
Stamme Dschadis und ,Tasm." * Er beruft sich hierfiir auf Caussin
de Perceval, obwohl Letzterer deutlich erklart, dass die von ihm
mitgetheilte Erziihlung ein Marchen sei ^. In der That hat die
fragliche Erzahlung keinen geschichtlichen Werth, wie aus fol-
gender Darstellung erhellt.
In der Geschichte Abulfeda's wird liber die erloscheuen ara-
bischen Yolkerstammo berichtet: „Erloschen sind die Araber-
Stamme der Tasmiten und Djedisiten. Diese beiden Stamme be-
wohnten den Theil der arabischen Halbinsel, der El-Jemama
genauut wird. Die Herrschaft war bei den Tasmiten. Nachdem
diese Lage ziemlich lange bestanden hatte, geiangte die Herrschaft
an einen ungerechten und gewaltthatigen Tasmiten, der den
Brauch einfiihrte, dass keine Jungfrau vom Stamm
der Djedisiten ihrem Brautigam zugefiihrt wurde,
bevor er selbst mit ihr zu thun gehal)t und ihr die
Keuschheit entrissen hatte. Nachdem die Djedisiten dies
geraume Zeit erduldet haben, werden sie durch die Nichtswiirdig-
keit der Sache bewooren, einen gemeinsamen Beschluss zu fassen.
> Liebrecht 1879, S. 419.
- Perron, citirt bei de Barthelemy f>. 110.
' Nuits d'epreuve S. 82.
" Liebrecht 1864, S. 541, ebenso 1874, S. 140 und 1879, S. 419.
^ Caussin de Perceval S. 28.
Kapitel 32. Die Stiimme Tasm und Djedis. 181
Sie verbergen ilire Schwerter im Saiid vind horeiten daselhst dem
Konig ein- Gastmahl. Der Kcmig kommt /ufol<j-e ihrer Einladung
mit den Vornehmsten der Tasmiten zu dem bezeichneten Ort,
wo die ])jedisiten ihre Schwerter ergreifen und den Konig nehst
den meisten Tasmiten todten. Einer von ihnen entwischte und
hinterbrachte die Sache dem Tobba, Konig von Yemen, welcher
damals Hassan, Sohn von Asad , gewesen sein soll. Er beklagte
sich bei diesem Konig iiber die durch die Djedisiten an ihrem
eigenen Konig veriibte Schandthat und bat um Rache. Der Konig
brach auf gegen die Djedisiten , griff sie an und vernichtete sie.
So sind die Tasmiten und Djedisiten aus dem Gedachtniss der
Menschen verschwunden." ^ Auf Grund dieser Stelle des Abul-
feda ist die Sage, mit einigen Abweichungen , durch Pocock ^,
durch de Sacv ^ und durch Sale * weiter verbreitet.
^ Abulfeda S. 181, 183: „D(' iis quae <Je Arahu)n ('.istiiictoruni liistoria me-
moriae prodif(( sKiif. Arabes exstincti sunt Tasmitae et Djedisitae. Duae hae
tribus illam partem peninsulae arabicae incolebant quae El-Jemama appellatur.
Impcrium penes Tasmitas erat. Postquam per sat longum tempus res eo loco
fuerunt. imperium nactus est Tasmita quidam, vir iniquus et violentus, qui
etcm morem instifuit , iit nulla rirgo e Djedisitis ad sponstmi dedncerefur, qiiin
ipse prius cum ea r(m haberet eisque pudorem ^>raerjpere^. Quod cum Dje-
disitae aliquamdiu tulissent, tandem , rei indignatione moti. commune capiunt
consilium: gladios in arena abscondunt et regi eo in loco convivium parant:
qui ubi invitatus cum optimatibus Tasmitarum eo venit, Djedisitae, arreptis
gladiis, et illum et plerosque Tasmitarum occidunt. Unus tamen ex iis evasit
et causam detiilit ad Thobba"unt, regem Jemenensem, qui eo tempore Hassan
fil. As'adi fuisse dicitur. Apud hunc igitur de facinore a Djedisitis in ipsorum
regem commisso questus est, et, ut suorum vindictam susciperet. ab eo petiit.
Itaque rex, adversus Djedisitas profectus, eos adortus est et ad internecionem
delevit. Sic Tasmitae et Djedisitae hominum memoria exciderunt.'' Daraus
v. Lilienstern S. 77.
2 Pocock, Ausg. V. 1650, S. 37, 38: Ausg. v. 1806. S. 38: ..Tasmum e po-
steris Ludi filii Semi statuit Abu'lfeda . Jadisum e filiis Getheri : promiscue
autem habitasse tribus istas in peninsula Arabum, imperio apud Tasmum ma-
nente, donec devolutum tandem sit ad tyrannum quendam qui legem condidit
ne nuptmn daretur cuipiam e Jadtso virgo, nisi a se prius vitiata: quod cum
aegre tandem ferrent Jadisidae , inter eos convenisse ut gladiis arena tectis
regem una cum viris e Tasmo primariis ad convivium evocatum adorirentur,
atque ita maximam Tasmi partem e medio sustulisse. De quo eorum facto
Tasmidarum quendam apiid Tobbaum Yaraani regem questum. auxilium ab
ipso contra eos impetrasse: qui ergo tribum Jadis adortus eos internecione
delevit, adeo ut post haec nulla fere Tasmi et Jadis memoria supersit."
' de Sacy S. 547, 548 : „Arabes extincti sunt Tasmitae et Djadisitae. Duae
illae tribus partem peninsulae Arabum incolebant, cui Yemama nomen est.
Apud Tasmitas regium fuit imperium: cumqiie res eo statu per sat longum
temporis spatium perdurasset. solium consceiiiUt e Tasmitis vir quidam iniquus
182 Kapitel 32. Die Stamme Tasm und Djedis.
Dieselbe Sage steht bei Nowairi, in dessen Werk iiber die
Kriege der Araber vor der Hegira, in folgendem Zusammenhang:
„Geschichte des Untergangs von Thasm und Gadis.
Thasm vrar der Sohn des Laud, des Sohnes Arem's, des Sohnes
Sem's, des Sohnes Noah's. Gadis war der Sohn Amer's, des
Sohnes Arem"s, des Sohnes Sem's, des Sohnes ]^oah's, Dies
sind iichte Araber, wie einige Geschichtschreiber versichern. Sie
hatten ihren Sitz in Jemamah, was damals Gu hiess. Es herrschte
iiber sie ein Thasmite, Namens Amlek, ein unbilliger und un-
gerechteT Mann, der den Untergang beider Stiimme herbeifiihrte.
Zu ihm kam einmal eine Frau ]S^amens Hazilah, Tochter Ma-
zen"s, mit ihrem Ehemann, Namens Mas, der sie verstossen hatte
und nunmehr den von ihr gebornen Sohn fiir sich in Anspruch
nahm. Diesen Streit brachten Beide vor den Konig zum Schieds-
spruch. Hazilah behauptete, das bessere Recht auf den Sohn
zu haben, weil sie ihn neun Monate im Leib getragen, dann
geboren und demnachst bis zur Sattigung gesaugt habe und
keinen Xutzen von ihni erlangen konne, bevor er kraftige Glie-
der erlange...; jetzt aber, sagte sie, wolle ihr Ehemann ihr
den Sohn mit Gewalt'entreissen. Der Mann entgegnete, er habe
der Frau eine reichliche Ausstattung gegeben und daraus keinen
andern Vortheil erlangt, als den unmiindigen Knaben. Der
Konig fallte das Urtheil, dass der Knabe in die Zahl seiner
Hascher (Diener) eingereiht werden solle. Dariiber entriistet,
schalt die Frau den Konig, worauf der Konig sehr erziirnt den
Schwur that, er wolle kiinftighin nicht gestatten,
dass eine Frau vom Stamm Gadis ihrem Gatten bei-
et violentus, qui hunc morem instituit, ut ex Djadisitis nulla virgo ad sponsum
sibi destinatum deduceretur , quin prius eam rex ipse violaret. Quod cum ali-
quamdiu tolerassent Djadisitae, tale tandem facinus indignati, in hoc consilium
communi consensu convenerunt. ut gladiis sub arena conditis. regem convivio
exciperent : qui ad convivium vocatus , ubi advenit . praec^uis Tasmitarum
eum comitantibus, Djadisitae, arreptis gladiis, regem majoremque Tasmitarum
partem necaverunt. Horum quidam cum fuga se eripuisset, ad Tobbaum
Yemamae regem se contulit, qui tunc, ut quibusdam placet, Hasanus filius
Asadi fuit, et de eo quod in regem Tasmitarum a D.jadisitis factum fuerat,
apud eum conquestus, auxilium ab ipso expetivit. Itaque ad Djadisidas
profectus est Yemamae rex. eosque adortus internecione delevit : ita ut post
haec nulla remanserit Tasmitarum et Djadisitarum memoria."
* Sale (franz. Ausg.) S. 22: ... „fit une loi defendant qu"aucune fille de
la Tribu de Jadis se mariat qu'il n'eut joui le premier les droits de T^poux" . . . ;
Sale (engl. Ausg) S. 10: ... „till a certain tyrant made a law, that no maid
of the tribe of Jadis should marrv. unless first defloured by him". . .
Kapitel 32. Die Stamme Tasm und Djedis. 183
w 0 li n e, b e V 0 r e r s e 1 b s t e i n e u Y e r s u c h m i t i h r g e ui a c h t
habe. Dies wurde auch eine Zeit lang beobachtet, bis Atirah
(Akirah) , die Tochter Affar's (Akkar's) , vom Stamm Gadis,
Schwester Asvad's, eines vornehmen (Tadisiten, von ihrem Ver-
lobten, Namens Schamus, heimgefiihrt wurde. Sie ward der
Gewohnheit gemiiss von Amlek geschandet und begab sich, so-
bald sie vou ihm entlassen war, hinaus zu den Stammesgenossen,
noch blutig , mit einem vorn und hinten zerrissenen Hemd,
und forderte die Gadisiten zur Rache fiir diese schwere Be-
schimpfung auf. Die Gadisiten pflogen Rath und versprachen
dem Asvad, Sohn Affar's, sie wollten seine Befehle ausfiihren,
wie sie auch sein mochten, 'n\ gleicher Weise, als die Thasmiten
die Befehle ihres Konigs befolgten. Als sie das Bedenken er-
hoben , die Thasmiten seien ihnen an Zahl und Zuriistung iiber-
legen, belehrte er sie, wie er durch List bei einem Gastmahl
Alle aufheben und, wahrend sie mit langen und weiten Ge-
wandern bekleidet seien, mit Schwertern angreifen wolle. Afirah
entgegnete zwar, Kunstgriffe seien unwiirdig und gereichten
zur Unzier ; sie meinte, es sei besser, die Feinde in ihrem
eigenen Gebiet, wiihrend sie unvorbereitet seien, anzugreifen,
um in offenem Kampf zu siegen oder mit Ehren zu sterben;
allein Asvad verharrte bei seinem Vorhaben. Er bereitete also
ein Gelage und befahl den Seinigen, die blanken Schwerter im
Sand zu verbergen. Der Plan gelang. Dem Blutbad entging
•nur Einer, Rejah, der Sohn Morra's. Derselbe tiiichtete sich zu
Hasan , dem Sohn Tobba's , und bat ihn um Hiilfe , um das Ver-
brechen der Gadisiten zu rachen. Anfanglich erklarten die vor-
nehmen Jemenenser, sie hatten keine Kenntniss von Gadisiten und
Thasmiten; und auf die Belehrung, dass sie Briider (miteinander
verwandt) seien, gaben sie den Besclieid, dass sie keinen Theil
an der Sache nehmen wollten. Hasan aber fragte, ob sie glaub-
ten, falls ihnen selbst so Etwas begegne, es schicke sich fiir
ihren Konig, zu gestatten, das Blut seiner Unterthanen ungestraft
zu vergiessen, und ob es nicht Aufgabe der Konige sei, Jedem
das Seine zuzutheilen und Gerechtigkeit zu iiben. Darauf billig-
ten Alle die Meinung des Konigs. Er befahl also, den Marsch
nach Jemamah anzutreten. Als sie von dort noch drei Nachtreisen
entfernt waren , theilte Rejah, der Sohn Morra's, dem Hasan,
Sohn Tobba's, mit, er habe eine Schwester Namens Jemamah,
die mit einem Gadisiten verheirathet sei; dieselbe konne einen
Reiter in der Eutfernung von drei Nachtreisen erkennen; er
fiirchte daher, dass sie ihr Volk von der Ankunft der Reiter
184 Kapitel 32. Die Stamme Tasm und Djedis.
benachrichtigen moge.
fehlen, dass jeder Soldat einen aus dem Boden gerissenen Baum
vor sich hertragen soUe. Hasan befolgte diesen Rath. Die
Schwester E,ejah"s sah die Baume und rief: ^Gradisiten, Baume
kommen auf euch los.' ,Wie ist das moglich?' versetzten sie.
,Ich sehe,' sagte sie, ,Baume, und hinter ihnen Menschen. Ich
sehe hinter einem Baum einen Mann, der entweder ein Schul-
terstiick (scapulam ^) zernagt oder einen Schuh zusammennaht.'
Indessen die Gadisiten zeihten sie der Liige und unterliessen des-
halb die Kriegsriistung. So kam es , dass die Himjariten , als
sie noch eine Nachtreise von den Gadisiten entfernt waren , sich
in Schlachtreihe stellten und friih Morgens die Unvorbereiteten
erschlugen und das Land Jemamah verwiisteten. Asvad floh zu
den Thaiten, welche ihn gegen alle seine etwaigen Yerfolger in
Schutz nahmen. Yon seiner Familie ist noch die Rede bei den
Thaiten. Alsdanu befahl Hasan, der Jemamah die Augen aus-
zureissen ; als dies geschah , fand man darin schwarze Adern.
Auf die Frage nach der Ursache davon erwiederte Jemamah, sie
sei gewohnt gewesen, mit einem schwarzen Stein, welcher Ithmid
heisse, sich die Augen* einzureiben, und habe dadurch ein schiir-
feres Augenlicht erhalten. Sie soll die Erste gewesen sein, welche
sich dieses Steins (Minerals) bediente. Endlich liess Hasan sie
,kreuzigen, am Thor von Gu. Man sagt, von ihr sei das Land,
welches bis dahin Gu hiess, Jemamali genannt worden." ^
' Dies Wort erinnert an den elsassischen Ausdruck ..Schiifel"', d. i. eine
geraucherte Schweinsschulter.
- Nowairi caput quintum de bellis Arabum ante hegiram, bei Rasmussen
S. 81 —83 : „Historia excidii Tasm et Gadis. Tasm filius erat Laudi, filii Aremi,
filii Semi. filii Noachi. Gadis erat filius Ameri, filii Aremi. f. Semi, f. Noachi.
Hi sunt genuini Arabes. ut historici quidam asseverant. Sedes suas habuerunt
in Jemamah. tunc temporis Gu dicta. Imperavit illis Thasmifa quidam, nomine
Amluk [Amlek], vir iniquus et injustus. qui utriusque gentis exitium eflPecit.
Accessit enim aliquando ad eum mulier quaedam, uomine Hazilah, filia Mazeni.
cum marito suo, Mas dicto. qui eam repudiaverat, et nunc quidem voluit natum
ab ea filium sibi vindicare. Hanc litem ad regis arbitrium retulerunt. Ha-
zilah filium contendit optimo jure suum esse . quia eum per novem mcnses
gestaverat, deinde partum ediderat. tum ad satietatem usque lactaverat.
neque uUam utilitatem ex eo capere potuerat, antequam articuhjs robustos
adeptus erat , et bene moratus evaserat: nunc vero , inquit, velle maritum vi
et violentia eum ipsi adimere. Contra maritus ad ea verba respondit , se
mulieri plenam dotem dedisse, neque vero aliud emolumentum ex ea dote
cepisse, quam puerum insipientem. Rex eam tulit sentcntiam, ut puer satel-
litibus (famulis) suis insereretur. Hinc indignabunda mulier versibus regem
increpavit: qui valde oftensus juravit , se unquam iJeiitceps permittere noUe,
Kapitel 32. Dip Stiimiiic Tasm uiid Djedis. 185
In der Darstelluni;- Nowairi's finden sicli crlieliliehe Ab-
weichungen von derjenigen Ahulfeda's. Nowairi berichtet weit-
laufiger als Abulfeda; er thoilt die Namen der betreffenden Per-
sonen mit und fiigt den Anlass hinzu , der den Konig Amlek
ttt foemina Gadisensis priiis cnin inarito concuinheret , quain ipse ejus experi-
mentum cepisset. Id etiam aliquamdiu observatum fuit, donec Afirah (v. Aki-
rah) , filia Affari (v. Akkari) , Gadisitis , soror Asvadi , domini Gadisitarum,
ad sponsum, Sohamus vocatum, deduceretur. Illa. pro recepto more ab Am-
luko vitiata, ad gentiles, ut primum ab eo dimissa erat, exivit, sanguinolenta,
lacero indusio, tarh antrorsum . quam retrorsum. versusque recitavit , quibus
Gadisitas ad ulciscendum hanc gravem ignominiam excitabat. Gadisitae igi-
tur, collatis consiliis, Asvado, filio Aftari, promiserunt, se hac in re imperata
ejus quaecunque essent. haud minus ac Thasmitae ipsorum regis, facere velle.
Cum vero opponerent, Thasmitas plus numero et apparatu valere, docebat se
velle eo8 doloso convivio omnes tollere et, longls largisque chlamydibus indu-
tos, gladiis adoriri. Afirah quidem opposuit, indignos et dedecori esse dolos ;
melius esse affirmavit, hostes in suis sedibus imparatos invadere. et ita aperto
marte aut vincere aut honeste mori; sed Asvad proposito stetit. Comparavit
igitur epulas, suosque jussit, ut gladios nudos in arena conderent. Pros-
pere cessit institutum. Necem solus evasit Rejah. filius Morrae, qui ad Has-
sanum , filium Tob1)ai aufugit, ejusque auxilium ad ulciscendum Gadisitarum
scelus rogavit. Negabant primum proceres Jemenenses scire . quid essent
Gadisitae et Thasmitae; edocti vero, quod fratres essent, profitebantur sibi
nullas in ea re partes fore. Hasan autem interrogavit , si inter ipsos tale
quid contigisset, crederentne, suum regem decere, sanguinem ipsorum impune
effundi permittere ; si quidem id ipsum regum munus esset, suum cuique
tribuere et justitiam administrare. Mox omnes sententiam regis approbarunt.
Ille igitur jussit iter ad Jemamah ingredi; unde cum trinoctii itinere abessent.
edocuit Hasanum, filium Tobbai, Rejah , filius Morrae, sibi esse sororem
Jemamah vocatam. Gadisitae cuidam nuptam, quae equltem trium noctium
itineris spatio distantem agnoscere posset; timere itaque, ne illa gentem suam
de adventu equitum admoneret. Hinc regi persuasit, ut juberet unumquem-
que militem suam ante se gestare arborem , terra evulsam. Hasan consilium
comprobavit. Soror vero Rejahi, his visis. o Gadisitae! inquit , arbores ad
vos accedunt. Quomodo hocV responderunt. Yideo. inquit, arbores . et post
eas homines. Video virum post arborem. aut rodentem scapulam aut calceum
consuentem. Sed Gadisitae eam mendacii arguerunt, ideoque se ad bellum
parare neglexere. Hinc factum, ut Himjaritae. acie, cum unius noctis itinere
a Gadisitis distarent, instructa, mane improvidos et incautos opprimerent,
ferroque et rapinis regionem Jemamah vastarent. Asvad ad Thaitas aufugit,
qui eum . quamvis ignotum, contra omnes eum requisituros in tutelam rece-
perunt. Adhuc de familia ejus inter Thaitas mentio fit. Deinde jussit Hasan
oculos Jemamae erui; tunc intra eos invenerunt nigras venas. Cujus rei
causam interrogata Jemamah respondit, se lapidem nigrum ithmid dictum
oculis inspergere solitam, qui visum acutierem reddidit. Dicitur prima fuisse
eo lapide usa. Denique jussit Hasan eam crucifigi apud portam Gu. Dicunt
ab ea appellatam esse regionem, antea Gu dictam, Jemamah." Hactenus
Nuvairius. Daraus : v. Lilienstern S. 77, 78. — Wie mir Herr Dr. Stein-
18(3 Kapitel 32. Die Stamme Tasm und Djedis.
zum Zorn getrieben haben soll. Nach Nowairi hat der Konig
Aralek nicht ein Gesetz erlassen, sondern einen Schwur gethan,
und der Inhalt dieses Schwurs ist etwas anders angegeben, als
der Inhalt des von Abulfeda bezeichneten Gesetzes. Eine von
Caussin de Perceval mitgetheilte Erzahlung derselben Sage stimmt
in der Hauptsache theils mit Abulfeda, theils mit Nowairi iiber-
ein und enthiilt einige selbstandige Angaben, welche aus den von
ihm angefiihrten andern Quellen ^ entnommen sein mogen ^.
Man streitet dariiber, ob die Vernichtung der Stamme Tasm
und Gjadis zur Zeit des Perserkonigs Darius Kodomannus (der
in der Schlacht bei Issus im Jahr 333 v. Chr. von Alexander
d. Gr. besiegt wurde) oder etwas friiher oder zur Zeit Ardeschir's,
der gegen 220 n. Chr. Geb. die Dynastie der Sasaniden griindete,
oder noch spater erfolgt ist. Bei Hamza und Abulfeda findet
sich die Meldung, Dhu Habshan (Dzu Djeischan), der Sohn Acran's,
des Sohnes von Abimalich , sei der Konig gewesen, der zur Zeit
des Darius, Sohnes des Darius, des Sohnes von Bahman, und seiner
Nachfolger, vor der Herrschaft Alexander's , die Tasmiten und
Giadisiten besiegte -^ Dies fiihrt auf die Zeit des Perserkonigs
schneider mittheilt, wird Stibium (Spiessglanz) schon bei Dioskorides und bei
Galenus als Augenmittel empfohlen: es ist ein Heilmittel arabischer Aerzte. —
Ueber die Erziihlung vgl. auch die himjarische Kasideh , Vers 77 — 80, bei
V. Kremer 1865, S. 16 — 19, und die auf 'Ubeid I. Sarjeh zuriickgefiihrte Sage,
bei V. Kremer 1866. S. 88.
1 Diese Citate sind: Aghrmi III. 15: Ibn-Khaldoun , Ms. Bibl. Nat. R. B.
2402 I 1838, fol. 11; und Ibn-Badroun ed. R. Dozy S. 53—56.
- Caussin de Perceval S. 28: ..Les tribus de Tasm et de Djadis etaient
gouvernees par un roi nomme Amloiik , de la race de Tasm. II tenait les
Djadicites sous une dure oppression. II les avait obliges de se soumettre k
l'humiliant usage de lui presenter toutes les jeunes filles qui devaient se
marier, et tie perrnettait pas qa'eUes fussent conduites a la demeure de leurs
epoux ' amnt qu'il Jeur ent enJeve Jeur rirginite. II jouit de ce droit du
seigneur pendant assez longtemps. Enfin il l'exer§a sur la jeune Ghofayra,
surnomm^e Chamous, la retive, soeur d*Aswad, fils de Ghifar, run des princi-
paux personnages de la tribu de Djadis. Aswad, pour venger cet affront et
delivrer les siens de la tyrannie d'Amlouk , forma un complot avec les chefs
Djadicites. Us inviterent Amlouk et les membres de sa famille k un grand
repas. Au milieu de la fete, saisissant leurs armes qu'ils avaient cach^es
sous le sable, ils tomberent sur Amlouk et les enfants de Tasm, et les massa-
crerent. Un seul ^chappa: il s'appelait Ribrih , fils de Mourra. II se r^fugia
dans le Yaman aupr6s de Hassan, fils de Tobba, souverain himyarite, qui, k
son instigation, entreprit ensuite une expedition contre la tribu de Djadis,
et l'extermina.''
3 Hamza, lib. 8, boi Gottwaldt Bd. 2 S. 101 und bei Schultcns S. 29, 31;
Abulfeda aus Ilaniza, bci Schultens S. 9. 11 und lioi Fleischer S. 117. Vgl.
Kapitel 32. Die Stamnie Tasrn und DJodis. 187
Darius Kodonianiiu.s \ Jedocli nacli den welteren Bericliten llaniz;a's
erfolgte die Aufiosung- der beiden Stumme erst einige Jahr-
hunderte spiiter, unter llassan, dem Sohn Tobba's und Vorgiinger
Amr's 2. Dieser letztgenannte Konig (niimlich Amr, mit dem Bei-
namen Dzu'1-Avad) soll ein Zeitgenosse des Perserkonigs Sapor I.
(238—271 n. Chr. Geb.) gewesen sein ^ Nun konnen zwar die
beiden Nachrichten Hamza's dahin vereinigt werden, dass sowohl
durch Konig Dhu Habshan, zur Zeit des Perserkonigs Darius
Kodomannus, als auch durch Konig Hassan, zur Zeit des Konigs
Ardeschir, Kriege gegen Tasm und Djadis gefiihrt, und dass
diese Stiimme in beiden Kriegen besiegt, jedoch erst durch
den letzteren vollig ausgerottet WHirden. Allein es besteht Streit
dariiber, ob Dhu Habshan zur Zeit des Darius Kodomannus oder
erst von 160 — 175 n. Chr. Geb. regierte^; und oh Hassan, der
Sohn Tobba's, etwa im Jahr 238 die beiden Stiimme vernichtet hat^,
oder ob die Lebenszeit dieses Konigs anders zu bestimmen ist ^.
de Sacy, Mera. S. 521, 524. — Nuweiri, bei Schultens S 59, 61. bezeichnet den
Akran, Sohn des Abimalich (also den Vater des erwahnten Dhu Habshan). als
den Konig, der die beiden Stamrae vernichtete. Vgl. dazu de Sacy, Mem. S. 521.
> V. Lilienstern S. 78, 137, 323.
2 Hamza, lib. 8, bei Gottwaldt Bd. 2 S. 103 und bei Schultens S. 33.
^ Vgl. die bei Hamza (Ausg. von Gottwaldt Bd. 2 S. 104) erwahnte Nach-
richt eines Schriftstellers : de Sacy, M6m. S. 525, 538.
* Vgl. de Sacy, Mem. S. 540-542.
^ Dies meinen de Sacy. Mom. S. 538, 539, und Caussin de Perceval S. 100,
vgl. auch S. 29.
^ Ein Hauptgrund der Ungewissheit liegt darin, dass in den Stammtafeln
weit hinter Tobba dem Zweiten wieder ein Tobba der Erste und spater
ein Tobba der INIittlere erwahnt werden (vgl. v. Lilienstern S. 592, 593,
Tafel I A bis B und die Tafeln III bis V), also vermuthlich raehrere Konige
Yemens als Tobba I. etc. bezeichnet wurden. Vgl. auch Gottwaldt's Ausgabe
von Hamza, Bd. 2. S. 101, 102. mit den Bemerkungen in Bd. 1 S. XIV— XVI
(wodurch die Schwierigkeit nicht gehoben sein dlirfte). Ware ferner der ge-
nannte Amr Ibn Tobba ein Zeitgenosse des Perserkonigs Sapor I. gewesen, und
hatte Dhu Habshan ben Al-Acran zur Zeit des Darius Kodomannus regiert,
so wiirde zwischen Beiden ein Zeitraum von fiinf- bis sechshundert Jahren
liegen, und es wlirde unerkliirlich sein , dass in dieser Zwischenzeit , wie
Hamza (lib. 8, bei Gottwaldt S. 102, 103) berichtet. nur vier Konige regierten.
Deshalb wird vermuthet. dass die Stelle aus Hamza liickenhaft sei. (Vgl. de
Sacy, Mem. S. 523.) Einen weitern Fehler Hamza's glaubt de Sacy (Mem. S 541)
darin finden zu raiissen, dass derselbe den Kotsay als Sohn von Cenara be-
zeichne : er meint, „Cenara" sei ein Schreibfehler fiir Kenana, doch sei Kotsay
nicht Sohn des Kenana, sondern dessen Nachkomme im neunten Grad gewesen.
Reiske und de Sacy vermuthen , Hamza habe an der Stelle , wo jetzt der
Name Kotsay steht, von Nadhr, dem Sohn des Kenana, sprechen wollen , der
zu den Vorfahren Mohammed's geliorte und um 142 n. Chr. Geb. geboren sei.
188 Kapitel 32. Die Stiimme Tasm und Djedis.
Eine dritte Nachricht geht dahin, dass Hassan, der Sohn von Tobba
Asad, zu der Zeit iiber Yemeu regierte, als Godzaimah al Ab-
rasch (der Aussatzige) Konig von Hira war ^ , dass also damals
die Yernichtung der Stamme Tasm und Djadis erfolgte. Jedoch
besteht keine Gewissheit dariiber, wann Godzeimah der Aus-
satzige regierte ; die Nachricht, dass er im Jahr 44 n. Chr. Geb. zur
Eegierung gelangt sei^ ist unsicher. Es steht also nicht fest, um
welche Zeit die Araberstamme Tasm und Gjadis ausgerottet wurden.
Die Sage, die den Grund des Yernichtungskampfes auf die
fraglichen Gewaltthatigkeiten eines Herrschers vom Stamm Tasm
zuriickfiihrt , scheint erst gegen Ende des dreizehnten oder An-
fang des vierzehnten Jahrhunderts entstanden zu sein. Sie findet
sich weder bei Hamza noch bei Abulfaragius ^. Der letztgenannte
Schriftsteller bemerkt, es gebe iiber die erloschenen Araberstamme,
zu denen die Stamme Tesm und Jadis gehorten, weder sichere
Xachrichten, noch Mittel , solche zu erlangen ^. Daher lasst sich
annehmen, dass ihm die fragliche Sage unbekannt war, weil er
sonst Yeranlassuug hatte, sie zu erwahnen. Die Quelle, woraus
Abulfeda die Sage entuommen hat, ist nicht bekannt und von
ihm selbst nicht bezeichnet '".
(Vgl. de Sacy. Mem. S. 541, 542.) Diese Vermuthung wird durch Gottwaldt
insofern bestiitigt, als derselbe die fragliche Stelle (Bd. 2 S. 102. auch Bd. 1 S. XV)
dahin ubersetzt: ..li. qui Dzu Djeischano successerunt, Alexandri tempore, id
est tempore Nadhr, filii Kenanae. regnavere." A. v. Kremer (1866 S. XIIJ
halt die Synchronismen Hamza's fQr ungetreu und verlegt die Herrschaft des
ersten Tobba in die Zeit von 200—250 nach Chr. Geb.
^ Rasmussen S. 83 , im Einklang mit Hamza cap. 6 . de Lachmitis . bei
Rasmussen S. 4. 5.
- Vgl. de Sacy. Mem. S. 5T9.
^ Abu'1-Farag bedeutet Vater von Farag : Bar heisst Sohn. Daraus
erklart sich der Name Abu '1 Farag Gregorius Bar-Hebraeus. Er war Christ,
Sohn eines Juden. und schrieb arabisch. Pocock S. XII u. XIII ( Ausg. 1806)
nimmt an, er habe von 1221 bis 1297 oder 1305 gelebt. Steinsclineider (1877
S. 101) giebt nach alteren Auctoritaten das Jahr 1286 als Todesjahr an.
* Abulfaragius, bei Pocock S. 3: ,,De Arabum moribus ante Mohammedem.
Duo sunt, inquit Al-Kadi Saeid Ebn Ahmed Andalosenus . Jiidex urbis
Tolaitelae, Arabum genera: unum quod periit, alterum adhuc superstes.
Quod ad illos qui perierunt, gentes erant copiosae , velut Ad et Thomfid et
Tesm et Jadis, qui quod ita pridem deleti sunt, certis eorum memoriis
destituimur, et defecerunt prorsus rationes quibus in ipsorura vestigia in-
quiramus." Der hier erwjihnte Gelehrte, Said, Sohn des Ahmed, starb am
16. Juli 1070. Vgl. Steinschneider, 1867 S. 1 und 141.
^ Vgl. Abulfeda S. 181: „Historiae scriptores Arabes in tria genera divise-
runt : Baida , Exstinctos, 'Ariha, Indigenos, Mostha' riba, Insititios. Ex-
stincti sunt prisci illi Arabes, quorum historia accuratior propter teniporum
Kai) 3;5. Dif Adyrniacliiden. Kap. 34. Ein Tyrann von Kejihalonia. 189
II. AlVica: Hcrodofs Xacliriclil iilMT dic Advi-niacliidcn.
Kapitel ^i^. Bei Beschreibung der einzelnen libyschen Volks-
stamnie hebt Herodot als eine Eigentliiimlichkeit der Adyrmachi-
den, die an Aegypten grenzten, den Gebrauch hervor, dass sie
die Jungfrauen, die heirathen wollten , dem Konig vorstellten,
und dass der Konig die, welche ihm gefiel , deflorire ^ Diese
Nachricht nimmt in den Untersuchungen moderner Schriftsteller
iiber das jus primae noctis einen hervorragenden Platz ein; und
sie verdient Beachtung wegen ihres hohen Alters, da das Werk
Herodot's um 450 v, Chr. Geb. verfasst ist. Allein zunachst
konnen die Erzahiungen iiber sonderbare Unsitten barbarischer
Volker, die Herodot den grie^hischen Sitten gegeniiberstellt, im
Allgemeinen als geschichtlich beglaubigt nicht ohne Weiteres an-
genommen werden. Sodann ist es nicht gerechtfertigt, den mo-
dernen Ausdruck „jus primae noctis" auf eine ^sachricht Hero-
dot's anzuwenden. AVare der Beweis eines solchen Rechts in
jener Stelle zu fiuden , so wiirde diese Xachricht vereinzelt da-
stehen , und kein Grund zu der Annahme vorliegen , dass die
geschilderte Unsitte eine allgemeine Bedeutung fiir die Cul-
turgeschichte damaliger Zeit gehabt habe ^. Aber auch der
Inhalt jener Stelle ist ungeeignet, als Beweis eines Rechts der
ersten Nacht zu gelten. Es ist darin weder von der Hochzeits-
nacht, noch von eineni Reclit des Konigs die Rede. Im Wesent-
lichen geht der Siun der Nachricht dahin, dass die Adyrmachiden
den Gebrauch beobachteten , ihre heirathsfahigen Tochter dem
Konig zur Gesclilechtsgemeinschaft anzubieten.
' III. Eiiropa.
a. Griechenland. Ein Tyrann von Kephalonia.
Kapitel 34-. In den Fragmenten von Heraclides Ponticus
(Schiiler von Plato und Aristoteles) wird von der ionischen Insel
vetustatem nos fugit. ... De Ai-abum exstinctorum historia pancissima super-
sunt, quae jam.jam enarrabimus". . . .
1 Herodot lib. 4 § 168: . . . ..ojto'. os ij/jjvoi A'.;jJwv -rouTO ipYot^ovTctt, /.iX
Tuj 3c(ji/it aouvot Toi; -ctpDcvoj; ac/./.oJjs; sjvot/.iciv j-to£i7.vJojjt • t^ o£ av Tilj ,ja3t-
/.£t aocjTT, ■(ivr-a'.. •j-'v to jtoj ota-ap9£v£ J£Tc<f . . . Ygl. Polyd. Verg. lib. 1
cap. 4. S. 19: Petr. Gregor. lib. 9 cap. 1 n. 45. S. 605: Ducange unter Mar-
cheta: C. P. Hoffmann S. 58: v. d. Schelling Bd. 1 S. 147; Zedler Bd. 1
S. 597 unter Adyrmachiden; Demeunier Bd- 1 S. 237: Bachofen S. 173, 328;
Giraud-Teulon S. 70: Liebrecht 1864. S. 541, ebenso 1874. S. 140 und 1879,
S. 419.
2 Vgl. oben Kap. 4 S. 18 und Kap. 7 S. 38.
190 Kapitel 35. Die Sklaven in Volsinii.
Kephalonia, die damals Kephalenia hiess, Folgendes erzahlt: „In
Kephalenia herrschte der Sohn des Promnesus, ein unsanfter und
rauher Mann, der seinen Biirgern nur zwei Feste gestattete und
in jedem Monat nur zehn Tage lang den Aufenthalt in der Stadt
erlaubte. Die Miidchen erkannte er selbst, bevor sie
verheirathet wurden. Ein gewisser Antenor aber kam mit
einem Schwert, in Frauenkleidung, in das Schlafgemach und
todtete ihn. Deshalb erlangte er solche Ehre, dass er vom Yolk
zum Fiirsten erwahlt wurde. Aber auch das Madchen, fiir wel-
ches er zum Tyrannen eintrat, ward geehrt." ^
In dieser Stelle finden einige Schriftsteller des neunzehnten
Jalirhunderts einen Beweis des jus primae noctis ^. Allein es ist
darin von der Nacht keine Rede. ISoch weniger wird von einem
Eecht gesprochen. Im Gegentheil ist aus dem Wortlaut der
Nachricht deutlich zu ersehen, dass jener Tyrann, dessen Name
nicht mitgetheilt wird, Gewaltthatigkeiten veriibte und dadurch
mit dem Rechtsbewusstsein des Volks in Widerspruch trat; dass
er zur Strafe fiir diese Yerbrechen den Tod fand; und dass die
Handlung dessen, der ihn erschlug, um eiu Madchen vor ihm zu
schiitzen , als Heldenthat gefeiert wurde und den Thater zum
Thron fiihrte. Es ist also nicht zuliissig, die erwahnten Schand-
thaten eines einzelnen Tyrannen der Insel Kephalonia so darzu-
stellen, als ob dieselben durch die Rechtszustande des Alterthums
begriindet wiirden ^.
b. Romisches Reicli.
1. HerrscJiaft der Sklaven zii Vohinil.
K.ai)itel 35. Valerius Maximus erziihlt, als die Sklaven zu
Volsinii in Etrurien herrschten, hatten sie ein Gesetz erlassen,
dass die von ihnen an Wittwen oder Ehefrauen veriibten Schan-
dungen straffrei sein sollten, und dass keine Jungfrau sich mit
einem Freien vermahlen diirfe, bevor Einer aus der Zahl der
» Heracl. Pont. XXXII, K £ 9 a X X^ v co v , bei Sclmeidewin S. 25, bei C. Muller
Bd. 2 S. 222: Ev Ka'.pot?,ATjVta npoij.vT^ao'j 'jto; VArAixfif -aolX yxKz-o^ f|V, xai iopTcts
-/iov o'jotv o'JX dTtETpsTTEV, 0'j5' iv Tzokzi SiatToia&at ttXeov rj|j.Epa; 8^-/a Toij \t.r^^6z-
Ta; T£ y.opa; 7:p6 to'j Ya[j.i3X£a&at a-JTo; lYtv(o3x£v. 'AvTr^viop 81 XajBibv ;tcptotov xoit
yjvatxciav la&TJTa, cvO'J3a[j.£vo; £(; Tr^v xoittjv dTTEXTcivc • xal 6 orjij.oc auTOv iTiLirjac
xat rjY£[j.ova xaT£aTrj3£' xai Tfj xdpir], 'J7i£p ^; ^'jto; Eiar^ct. £7ttx)/rjpo? ^y^'"''"'^'
2 Bachofen S. 18. Liebrecht 1864, S. 541 und 1879, S. 419.
^ Dieser Fehler findet sicli bei Bachofen. Vgl. dariibcr oben Kap. 7
S. 37, 38.
Kapitel 36. Kaiser Caligula. 191
Sklaven sie entehrt liabe K Diese Angabe kann in ihrem Zu-
sammenhang nur dahin verstanden werden, dass die Sklaven die
kurze llerrschatt, welche sie durch einen Aufstand in Volsinii
erlangten , zu Ausschweifungen und \Yillkiirhandlungen miss-
brauchten. Ein bestimmtes Zeugniss fiir ein Herrenrecht der
ersten Nacht ist darin nicht zu finden.
2. Ein Gesef.z des Kaisers Caligula.
Kapitel 36. Sueton berichtet, Kaiser Caliguia habe neue
und unerli(»rte Steuern erhoben, ohne irgend eine Menschenklasse
zu verschonen, namentlich von Dienstmannern den achten Theil
ihrer Tageseinnahme, und von dem Fang (der Einnahme) der
Prostituirten soviel, als jede bei einem Beischlaf verdiene; nach
einem Zusatz zu diesem Theil des Gesetzes sollten auch Weiber,
die gewerbsmassige Unzucht, und Miinner, die Kuppelei (vor
Erlass des Gresetzes) getrieben hatten, mit dem dadurch erwor-
benen Yermogen zu der Steuer herangezogen werden, und auch
rechtmassige Ehen sollten der Steuer unterworfen
sein^. Diese Stelle handelt lediglich von Steuern; sclion da-
durch widerlegt sich die auch sonst unverstiindliche Meinung eini-
ger Schriftsteller ^, dass Caligula bei allen Heirathen im rumischen
' Val. Max. lib. 9 cap. 1 de luxuria et libidine, § '2 : ... „Postremo lege
sanxerunt, iit stupra sua in viduis pariter ac nuptis impunita essent; ac ne
qua virgo ingenuo nuberet, cujus castitatem non ante ex numero ipsorum ali-
quis delibasset." Vgl. Petr. Gregor. lib 9 cap. 1 n. 45. S. 605; C. P. Hoff-
mann S. 57; Bastian S. 189.
^ Suetonius lib. 4 (Caligula) cap. 40: „Vectigalia nova atque inaudita
primum per publicanos , deinde , quia lucrum exuberabat, per centuriones
tribunosque praetorianos exercuit. nuUo rerum aut horainum genere omisso.
cui non tributi aliquid imponeret. Pro edulibus, quae tota urbe venirent,
certum statutumque exigebatur : pro litibus atque judiciis, ubicunque con-
ceptis , quadragesima summae , de qua litigaretur : nec sine poena , si quis
composuisse vel donasse negotium convinceretur : ex gerulorum diurnis quaesti-
biis pars octava, ex capturis prostitutarum, quantum quaeque uno concubitu
mereret. Additumque ad caput legis, ut tenerentur publico, et quae mere-
tricium et qui lenocinium fecissent; nee non et mafriinonia ohnoxia essenf}''
Vielleicht ist der letzte Satz dieser Stelle anders auszulegen , als oben
geschehen ist. Allein keinenfalls ist darin vom jus primae noctis die Rede.
Die ganze Stelle handelt lediglich von der Habsucht des Kaisers.
^ Vgl. Boxhorn zu Sueton lib. 4 cap. 40: Burmann bei Panckrouke zu
Sueton lib. 4 cap. 40. — Aus der Stelle .Sueton's ist nicht zu ersehen , nach
welchen Rechnungssatzen die Steuer von Eheleuten erhoben werden sollte,
auch nicht, ob sie bloss einmal oder in wiederkehrenden Zeitraumen, etwa
Jahrlich , zu zahlen war. Torrentius sagt, die Steuer sei erhoben worden, „si
192 Kapitel 37. Kaiser Maximin.
Reich fiir sich das Herreurecht der ersten Xacht in Anspruch
genommen habe.
3. E/i)e Massreyel des Kaisers Maximhi.
Kai)itel 37. Nach Beschreibung der Christenverfolgung, die
unter Maximin * stattfand, spricht Lactantius von den iibrigen
Schandthaten dieses Kaisers. „Er iibertraf alle seine Yorganger
in der Begierde, zu verfiihren, die ich nur als blind und unge-
ziigelt bezeichnen kann, obwohl sie mit diesen Worten nicht in
ihrer ganzen Nichtswiirdigkeit ausgedriickt wird. Die Sprache
versagt den Dienst bei der Grosse des Yerbrechens. Yerschnittene
und Kuppler durchsuchten AUes. Wo immer eine einigermassen
iippige Cxestalt war, mussten sich Yater und Ehegatten von Toch-
tern und Frauen trennen. Den vornehmen Frauen und den Jung-
frauen wurden die Kleider ausgezogen , uud sie wurden an den
eiuzelnen Gliedern untersucht, ob nicht irgend ein Korpertheil der
koniglichen Lagerstatte unwiirdig sei. Hatte sich Eine diesen
Untersuchungen entzogen. so wurde sie ertrankt, als ob Keusch-
heit uuter einem solchen Ehebrecher ein Majestatsverbrechen ware.
Eiuige Mauuer todteteu sich selbst, weil sie den Schmerz nicht
ertrageu kouuten , dass ihre Gattinnen, die sie wegen ihrer ehe-
lichen Keuschheit und Treue lieb hatten, geschandet waren. Keine
Keuschheit blieb vor diesem Ungeheuer unverletzt, sofern seine
barbarische "NYollust nieht etwa durch ausgezeichnete Hasslichkeit
gebiindigt wurde. Endlich hatte er sogar deu Brauch
eingefiihrt, dass kein Maun ohue seine Erlaubuiss
heirathete, damit er selbst bei alleu Hochzeiten.der
Y 0 r k o s t e r s e i. Edle und unversehrte Jungfrauen ffab er seinen
qui in matrimonio turpiter et incoutinenter viverent, aut etiam quoties con-
cumberent conjuges". Isaak Casaubonus meint , sie sei zu zahlen gewesen,
„q\ioties liberis operam darent". Diese Vermuthungen verdienen keinen Bei-
fall. da die bezeichneten Voraussetzungen nicht leicht festzustellen sind.
Die Meinung, dass die Steuer nur fiir zAveite und spatere Heirathen eingefiihrt,
also gewissermasen eine poena secundaruni nuptiarum gewesen sei (Brodeau
S. 273) , ist mit dem Wortlaut schwer zu vereinigen. Die Schlussworte
wiirden fur sich allein dahin verstanden werden konrien , dass die Steuer von
Prostituirten auch dann erhoben werden sollte , wenn sie verheiratliet waren ;
doch passt diese Auslegung nicht in den Zusammenliang mit der Steuer der
Kuppler.
* Cajus Galcrius Valerius Maximinus. Neffe des Kaisers Galerius, erklarte
sich im Jahre 307 zum Augustus und starb zu Tarsis im Jahr 313 (an einer
schrecklichen Krankheit oder durch Selbstmord).
Kapitel 37. Kaiser Maximin. 193
Sklaven zu (fattinneii. Aiich die Stattlialter dieses Fifrsten
ahmten sein Beispiel nach und verletzten ungestraft die Lager-
statten ihrer Unterthanen. Wer hiitte sich riiehen konnen? Die
Tochter geringer Leute raubte Jeder, wie ihm beliebte. Yor-
nehnie Damen, die nicht geraubt werden konnten, wurden bei
Gunstbezeugungen erbeten; unterschrieb der Kaiser, dass man
zu Grunde gehen oder einen Barbaren als Schwiegersohn an-
nehmen solle, so musste man sich dieser Wahl unweigerlich
unterziehen. Denn fast alle Trabanten (Leibdiener) an seiner
Seite gehijrten zum Stamm Derer, die zur Zeit der Vicennalien
(d. h. der Feier der zwanzigjahrigen Regierung des Kaisers Ma-
ximian, im Jahr 304) aus ihrem Land durch die Gothen vertrieben
waren und sich dem Maximian, dem Uebel der Menschheit, er-
geben hatten, so dass sie in der Flucht vor der Knechtschaft der
Barbaren unter die Herrschaft der Romer gelangten. Yon solchen
Helfershelfern und Beschiitzern umringt, trieb der Kaiser mit dem
Morgenland sein Spiel." ^
Es kommt hier hauptsachlicli auf Auslegung des Satzes an:
„Postremo hunc jam induxerat morem, ut nemo uxorem sine per-
missu ejus duceret, ut ipse in omnibus nuptiis praegustator esset."
Das AVort praegustator (Yorschmecker) ist hier , wie der Zu-
* Lactantii liber ail Donatum Confessorem de Mortibus Persecutorum,
cap. 38: .JUud vero capitale, et supra omnes, qui fuerunt, corrumpendi
cupiditas, quid dicam nescio, nisi coeca et effraenata, et tamen his verbis
exprimi pro indignatione sua non potest. "Vincit officium linguae sceleris
magnitudo. Eunuchi, lenones scrutabantur omnia. Ubicunque liberalior facies
erat, secedendum patribus ac maritis fuit, Detrahebantur nobilibus foeminis
vestes, itemque virginibus , et per singulos artus inspiciebantur, ne qua pars
corporis jegio cubili esset indigna. Si qua detrectaverat, in aqua necabatur;
tanquam majestatis crimen esset sub illo adultero pudicitia. Aliqui, constu-
pratis uxoribus, quas ob castitatem ac fidem carissimas habebant, quum do-
lorem ferre non possent, se ipsos etiam necaverunt. Sub hoc monstro, pudi-
citiae integritas nulla, nisi ubi barbaram libidinem deformitas ini5ignis arcebat.
Postremo hunc jam induxerat inorem , ut nemo uxorem sine permissu ejus dii-
ceret, ut ipse in omnibus nuptiis praegustator esset. Ingenuas virgines imminutas
servis suis donabat uxores. Sed et Comites ejus sub tali Principe imitabantur
[hoc exemplum , et civium] suorura cubilia impune violabant. Quis enim
vindicaret? Mediocrium filias. ut cuiqiie libuerat. rapiebat. Primariae, quae
rapi non poterant, in beneficiis petebantur: nec recusari licebat, subscribente
Imperatore. quin aut pereundum esset, aut habendus gener aliquis barbarus.
Nam fere nullus stipator in latere ei , nisi ex gente horum , qui a Gothis
tempore vicennalium terris suis pulsi, Maxittiiano se tradiderunt, malo generis
humani, ut illi barbaram servitutem fugientes , in Romanos dominarentur.
His satellitibus et protectoribus cinctus, Orientem ludibrio habuit." Daraus:
Grupen § 1 S. 1; Michelet S. 258: Pericaud S. 10; Kolb 1842, S. 495.
Schmidt, Jus primae nocti.s. 13
194 Kapitel 38. Das Rigsmal-Lied.
saramenliang zeigt , nicht in seiner urspriinglichen Bedeutung,
sondern bildlich zu verstehen ^. Daraus ergiebt sich die Aus-
legung, dass nach Meinung des Lactantius der Kaiser Maximin
Gelegenheit suchte, die Braute seiner Unterthanen zu entehren ^.
Das Mittel, wie er diesen Zweck erreichen wollte, war nicht eine
kaiserliche Yerordnung, sonderu die Einfiihrung eines Gebrauchs.
Danach heirathete „Niemand'' ^ ohne Genehmigung des Kaisers.
Also soll der Kaiser auf die Mauner seiner Umgebung und auf
alle Manner, die sich durch ihu bestimmen liessen, den Einfluss
ausgeiibt haben, dass dieselben nicht heiratheten, ohne ilin um
Erlaubniss zu fragen ; und zwar in der Meinung, dass der Kaiser
dadurch Gelegenheit haben sollte, ihre Braute zu entehren. Als-
dann aber erscheint die Nachricht als unglaublich, und es liegt die
Yermuthung nahe, dass Lactantius in dem Bestreben, die Schlech-
tigkeit des Kaisers zu schildern , einem iibertriebenen Bericht
Glauben geschenkt und Ausdruck gegeben hat. Keinenfalls ist
es gerechtfertigt, die Stelle des Lactantius dahin auszulegen, dass
der Kaiser und seine Statthalter das jus primae noctis (oder jus
deflorationis) fiir sich in Anspruch genommen und ausgeiibt hat-
ten. Denn Lactantius'spricht nicht von Ausiibung eines vermeint-
lichen Rechts, sondern von Schandthaten eines Tyrannen und
seiner Helfershelfer '^.
c. Nord-Europa.
1. Eine Stelle des Bhjsmdl-Liedes.
Kapitel 38. Helff^erich meint, in der nordischen Dichtung
kamen Ziige vor, die aus dem jus primae noctis ein Yorrecht der
Gotter machten '". Dies ist ein L-rthum. Die Meinung stiitzt sich
* Ursprunglich bezeichiiet das Wort praegustator Denjenigen. der Speisen
oder Getranke vorschmeckt oder vorkostet. bevor dieselben Andern vorgesetzt
werden. Vgl. Baluzius zu der angefuhrten Stelle des Lactantius. Doch
braucht schon Cicero in der Rede pro domo den Ausdruck „praegustator libi-
dinum"; deshalb versteht Tollius die Stelle des Lactantius (in einer An-
merkung dazu) von einem ,,jus deflorationis".
* Was hier von ,,allen Hochzeiten" gesagt ist. kann nach der Natur der
Sache nicht auf den Umfang des ostromischen Kaiserreichs bezogen werdea,
sondern nur auf den Umkreis, in welchem der Kaiser seine WoUust befriedigte.
^ „Niemand" muss ebenso wie der Ausdruck „bei allen Heirathen" in ein-
geschranktem Sinn verstanden werden.
* Vgl. Grupen S. 1—4: de Gubernatis. Usi S. "200: . . . ,,pu6 essere uu caso
isolato di arbitrio sovrano". . . .
* Helfferich S. 418, 419.
Kapitel 39. Die Hebriden. 195
lediglich aiif das Rigsniiil-Lied der Edda, wonach der Gott Heim-
dallr unter dem Xamen Rigr die griinen Wege der Erde durch-
wanderte und die menschlichen Stande griindete. „An der Mee-
reskuste fand er eine Hiitte mit offener Thiir. Zwei Eheleute,
Ai und Edda , bewirtheten ihn drei Niichte mit grober Kost.
Nach neun Monaten genas Edda eines Kindes mit schwarzer
Haut, von dem das Geschlecht der Thrale (Knechte) stammt . . .
Ihm vermahlte sich Thyr, die Dirne. Rigr aber wanderte weiter
und fand ein Ehepaar, Afi und Amma, in eigenem Hause woh-
nen, bei dem er wieder drei Tage blieb . . . Nach neun Monaten
genas Amma eines Kindes , das Karl genannt ward ... Er
freite ein Weib, das Snor hiess; von ihnen stammen die freien
Bauern. Rigr aber wanderte weiter und gelangte zu einer Halle
mit leuchtendem Ring, worin Yater und Mutter sassen und an
den Fingern spielten . . . Auch hier blieb Rigr drei Nachte,
bei guter Bewirthung; nach neun Monaten aber gebar die Frau
ein Kind mit lichter Locke, leuchtender Wange und scharfem
Blick, das Jarl genannt ward . . . Dem Jarl vermahlte sich die
giirtelschlanke, adelige , artliche Erna. Yon ihnen stammen die
Edeln und Fiirsten." ^ In dieser Cxottersage, worin die mensch-
lichen Stiinde auf gottliche Griindung zuriickgefiihrt werden, findet
sich keine Spur eines jus primae noctis, und nicht einmal eine
Erwiihnung der Hochzeitsnacht.
2. Eine Xachrkht des SolinHS ilber die Hehriden.
Kapitel 39. Um die Behauptung zu erlautern, dass schon
in alter Zeit und bis nach Asien und Afrika hin das jus primae
noctis geherrscht habe, bemerkt Liebrecht: „So iibte es nach So-
linus c. 22 der Konig der Ebudischen Inseln." ^ Die „Ebudi-
schen" Inseln liegen weder in Asien, noch in Afrika, sondern
in Europa; es sind die Hebriden. Solinus erzahlt, der Konig
der Hebriden habe kein Privateigenthum und keine Familie, son-
dern erhalte Alles aus der Gemeinschaft; ihm werde keine be-
sondere Frau gegeben, sondern er nehme abwechselnd jede Frau,
zu der er Neigung habe, in seinen Gebrauch ^. Es bedarf keiner
1 Simrock § 89, 2. Aufl. S. 301. 302. Vgl. Grimm, Myth. 4. Ausg. Bd. 1
S. 194, 299: Haupt Bd. 2 S. 266, 267 (im Aufsatz J. Grimm's uber die un-
gleichen Kinder Eva's) : Scherr 1865, S. ItlO, 101.
2 Liebrecht 1864, S. 541, ebenso 1874, S. 140 und 1879. S. 419.
' Solinus cap. 25 (oder cap. 22, bei Mommsen S. 234, 235): „Haebudes
inaulae. . . . Rex nihil suum habet, omnia universorum: ad aequitatem certis
13=^
196 Kapitel 40. Koiiig Evenus von Schottland.
nahern Untersuchung iiber die Auslegung und den AYerth dieser
Stelle^; denn soviel ist klar, dass von einem Reeht der ersten
Xacht darin keine Rede ist.
3. Ein Gesetz des Konigs Eveniift III. con Schottland.
Kapitel 40. In der Geschichte der Schotten von Hector
Boeis, welche zuerst im Jahr 1526 erschien^ und in zweiter Auf-
lage im Jahr 1574 von Ferrerius herausgegeben wurde, findet
sich folgende Erzahlung. Zur Zeit des Kaisers Augustus regierte
in Schottland Konig Evenus der Dritte, ein Mann von schlechtem
Lebenswandel; derselbe erliess ein Gesetz, wonach „jeder Herr
einer Ortschaft die Gewalt haben sollte, die erste Keuschheit der
neuvermahlten Jungfrau zu geniessen" ^; Versuche spaterer Ko-
nige, dies Gesetz abzuschaffen , scheiterten am Widerstand der
jungen Magnaten; erst durch Konig Malcolm ni. Canmoir, auf
Andrangen seiner Gemahlin, der heiligen Margarethe, wurde jenes
Gesetz aufgehoben, und an Stelle desselben eine Steuer einge-
fiihrt, wonach bei der Hochzeit einer verlobten Jungfrau ein
Goldstiick als Loskaufsgeld an den Ortsherrn gegeben werden
sollte ^ ; diese Steuer fiihrte den j!s amen marcheta. An einer
andern Stelle desselben AVerkes wird als eine That Kijnig Mal-
colm's III. hervorgehoben, durch ihn sei die von dem heidnischen
Tyrannen Evenus eingefiihrte abscheuliche Gewohnheit abgeschaift
worden, wonach die Herren oder Prafecten in ihrem Gebiet die
legibus stringitur : ac ne avaritia divertat a vero , discit paupertate justitiam,
utpote cui nihil sit rei familiaris: verum aliter e publico. nulla illi datur
foemina propria, sed per vicissitudines in quamcunque commotus fuerit,
usurariam sumit. unde ei nec votum nec spes conceditur liberorum."
1 Vgl. Raepsaet S. 38 — 43, wo ausgefiihrt vvird, die Nachricht beruhe
wahrscheinlich auf einer Verwechslung mit der rechtmassigen Polygamie
des germanischen hohen Adels im Sinn des Zeugnisses von Tacitus, Germania,
cap. 18: vgl. Caesar, De bello Gall. lib. 1 cap. 53.
2 Mackenzie, Lives Bd. 2 S. 384, 451.
3 Boethius lib. 3 fol. 35: „Fecit ad haec plura relatu indigna, leges tulit
improbas omnem olentes spurcitiam: ut liceret singulis suae gentis plures
uxores, aliis sex, aliis decem pro opibus ducere. Nobilibus plebejorum uxo-
res communes essent, ac virginis novae nuptae loci dominus primam libandi
pudicitiam potestatem haberet."
* Boethius lib. 3 fol. 35 : ... ,,Eam tandem Malcolmus Canmor rex , diva
Margareta regina suadente veluti in Deum et homines iniuriam prorsus sub-
movit sanciens nummum aureum fMarchetam nostra vocat aetas) in nuptiis
sponsae pudoris redimendi causa loci domino pendendum." In dieser Stelle ist
noch keine Rede von der ersten Nacht.
Kapitel 40. Konig Eveiius von Schottland. 197
Jungfraulichkeit aller Braute verkosteten; statt dessen miisse die
Braut fiir eine halbe Silbermark eine Nacht von den Gattinnen
der Prafecten einlosen; diese Abgahe bestehe noch unter dem
Namen marketa ^
Die vorstehende Erziihlung macht in beiden Grestalten von
vornherein den Eindruck einer Dichtung^. Undenkbar ist, dass
irg-end ein Yolk, selbst von der niedrigsten Bildungsstufe, die
Ausiibung der bezeichneten Gewaltthiitigkeit geduldig ertragen
soUte ^. Gerade in den alten Zeiten waren die Schotten, ebenso
wie andere Volker, zu stolz und unbandig, als dass sie sich
unter eine solche Last hJitten beugen konnen''^. Noch unglaub-
licher ist es, dass jene Unsitte bis zur Regierung des Konigs
Malcolm III. (1059 — 1093), also mehr als tausend Jahre lang,
geherrscht habe; und dass selbst der grosse Einfluss, welchen
die Konigin Margarethe auf ihren Gemahl ausiibte, nicht die
ganzliche Abschaff^ung jener Unsitte, sondern nur ilire Umwand-
lung in eine Geldabgabe herbeizufiihren vermochte.
Ueber die alte Geschichte Schottlands herrscht im Allgemeinen
grosses Dunkel; die in den offentlichen Archiven Schottlands auf-
bewahrt gewesenen Urkunden gingen nach dem Tod des Konigs
Alexander III. von Schottland, zur Zeit des Konigs Eduard I. von
England (1272 — 1307), verloren^; die Geschichtsquellen Schott-
lands aus der Zeit bis zum Tod des Konigs Malcolm Canemore
oder Canmoir beschranken sich im Wesentlichen auf Nachrichten
fremder Schriftsteller und auf miindliche Ueberlieferungen **. Da-
raus haben spatere Chronikschreiber eine Geschichte hergestellt ^.
' Boethius lih. 12 fol. 260: „Illud vero inter caetera haud indignum me-
moria cxistimem , abrogatam pessimam eam ac pestilentem consuetudinem
olim ah Eveno tyranno Ethnico inductam, ut domini praefective in suo terri-
torio sponsarum omnium virginitatem praelibarent , dimidiata argenti marca
unam noctem a praefectorum uxoribus redimente sponsa; quam etiamnum
pendere coguntur . vocantque vulgo mulierum Marketam.'' In dieser Stelle
wird zwar „eine Nachf erwahnt , jedoch nicht gesagt . dass in dem abge-
schafften Gesetz die erste Nacht dem Herrn iiberlassen sei.
2 Macpherson S. 193. 195. Wachter unter Reit-schoss. Whitacker S. 265.
Grupen § 2. Dalrymple vol. 3 app. 1. Raepsaet 3. Ausg. S. 25. 29—35.
Anderson S. 56.
3 Macpherson S. 193, 194. * Macpherson S. 193.
* Acts of Parl. of Scotl. Bd. 1 S. 18. Robertson Bd. 1 S. 6. Macpher-
son S. XI. de Lagreze 1867, S. 410.
^ Acts of Parl. of Scotl. Bd. 1 S. 3: „There is probably no Scotch writing
extant, whether of charter, record or chronicle. so old as the reign of Mal-
colm Canmore , who died in the year 1093". . . .
' de Lagreze 1867. S. 410.
198 Kapitel 40. Konig Evenus von Schottland.
Hector Boeis oder, wie er selbst schrieb , Boethius, geboren
zu Dundee in der Grafschaft Angus, Professor der Philosophie
zu Paris, dann seit 1500 bis zu seinem um 1550 erfolgten Tode
Yorsteher der Universitat (des Kings College) zu Aberdeen, wird
als Wiederhersteller der schonen Wissenschaften und als ein
Schriftsteller von gutem Geschmack geriihmt, steht aber im Ruf
grosser Unzuverlassigkeit und Leichtgliiubigkeit ^. Diesen Vor-
wurf bestatigt der Inhalt seines Geschichtswerks, namentlich die
vorstehende Erzahlung, nebst den Unklarlieiten und Widerspriichen,
die in den beiden angefiihrten Stellen sich vorfinden. Diese
Stellen widersprechen sich in Ansehung der H5he der Los-
kaufsumme und in Ansehung der berechtigten Personen; unklar
ist die Bezeichnung der Berechtigten, besonders die Stelle, die
von den' Gattinnen der Prafecten spricht. Die schwiilstige Fas-
sung des Gesetzes steht mit der Angabe von seinem hohen Alter
in Widerspruch; die Ausdriicke sind so gefasst, als ware bereits
zur Zeit des Konigs Evenus das Lehnswesen in Schottland aus-
gebildet gewesen, was noch nicht einmal von der Zeit des Konigs
Malcolm IIL Canemore feststeht^.
Ferner ist nicht ajizunehmen, dass zur Zeit des Kaisers Au-
gustus ein Konig Xamens Evenus oder iiberhaupt ein Konig von
Schottland lebte ^. Hatte um jene Zeit ein einziger Konig iiber
Schottland geherrscht, so wiirden dariiber bei Ciisar und Strabo,
sowie bei Pomponius Mela und andern Schriftstellern Nachrichten
zu finden sein, was nicht der Fall ist^; sicherlich hiitte Solinus
dariiber nicht geschwiegen, da er von den fiinf Hebriden beson-
ders hervorhebt, sie lagen so nahe aneinander, dass sie zusammen
einen einzigen Konig hatten ^. Anderson bemerkt, unter Be-
rufung auf mehrere Geschichtswerke, es sei bekannt, dass die
Caledonier und Picten erst um das fiinfte Jahrhundert unter einem
Herrscher vereinigt wurden, und die Scoten erst im vierten Jahr-
hundert, vielleicht sogar erst um das Jahr 503 n. Chr. Geb., sich
in dem heutigen Schottland dauernd niederliessen ^ Die durch
1 Mackenzie, Lives Bd. 2 S. 376—451 : the life of Hector Boeis, principal
of the Kings CoUege at Aberdeen. Robertson Bd. 1 S. 5. Fabricius S. 195.
.Jocher Bd. 2 S. 1426. Johnson S. 21, 22, 45. Michaud Bd. 4 S. 668. Didot
Bd. 6 S. 362, 363. Potthast S. 171.
2 Vgl. Dalrymple Bd. 1 S. 28 — 30: Chalmers Bd. 1 S. 455—457.
' Macpherson S. 193.
» Vgl. Caeear, De bello Gall. lib. 4 cap. 27 u. 30, lib. 5 cap. 22 u. .50;
Mela lib. 3 cap. 6; Strabo lib. 4 cap. 5 u. 6 (Ausg. 1853, S. 165—167).
5 Solinus cap. 25.
6 Anderson S. 72. Vgl. auch W. Skene S. XXIV if.
Kapitel 40. Kunig Evenus von Schottland. 199
Casar^, Solinus^ und den hl. Hieronymus gemeldeten Nachrich-
ten, wonach bei den alten Bewohnern Schottlands und der be-
nachbarten Inseln die ehelichen Zustiinde sehr ungeordnet waren,
und kaum feste Ehen bestanden, sind ebenfalls mit der Erzahlung
des Hector Boethius unvereinbar.
Hiitte ein Gesetz des Konigs Evenus in Schottland bestan-
den , und wiire es, wie Hector Boethius behauptet, zur An-
wendung gekommen, so miissten Nachrichten und Beschwerden
dariiber schon vor dem elften Jahrhundert ausserhalb Schottlands
bekannt geworden und zum papstlichen Stuhl gelangt sein. Mac-
pherson^ sagt: „Der Satiriker Gildas"^, welcher die heftigsten
Vorurtheile gegen die Schotten unterhielt, wiirde eine solche Cxe-
legenheit sich nicht haben entgehen lassen, mit seiner gewohnten
Bitterkeit gegen sie zu eifern; Beda ^ selbst, obwohl ein Schrift-
steller von grosserer Humanitiit und Mjissigung, wiirde einen so
bemerkenswerthen Theil ihres Charakters nicht iibersehen haben,
zumal da er sie mehr als einmal anklagt." John Pinkerton hat
iiber die Geschichte Schottlands aus der Zeit vor Konig Mal-
colm III. eine kritische Untersuchung angestellt und 'den Yersuch
gemacht, eine zuverlassige Geschichte herzustellen; doch finde
ich darin nicht einmal den Namen des Konigs Evenus, daher noch
weniger dessen angebliches Gesetz erwiihnt ^. Die Yitae San-
ctorum von Surius, von Pinkerton und von Guerin enthalten
ausfiihrliche Lebensbeschreibungen der lil, Margaretlie, Konigin
von Schottland , und viele Naclirichten von den durch ihren
Einfiuss beseitigten Missbriiuchen , jedoch keine Andeutung
iiber Aufhebung eines Gesetzes von Konig Evenus ^. Ebenso-
wenig steht dariiber Etwas in den AYerken des Willielmus Mal-
mesburiensis (st. 1141), De Gestis rerum Anglorum, und des
Rogerus de Hoveden (st. nach 1201), Annalium pars prior, so-
wie in den bei Bouquet (Brial) abgedruckten sonstigen Ge-
schichtswerken , obwohl in allen diesen Werken der Einfluss der
' Caesar, De bello Gall. lib. 5 cap. 12. 14.
2 Soliniis Ausg. 1646, cap. 25 S. 302. 303. Vgl. oben Kap. 39 S. 195.
3 Macpherson S. 194.
■* Gildas Badonicus sive Sapiens starb 570 oder 577. Vgl. iiber ihn und
seine Werke Potthast S. 341.
^ Beda Venerabilis (starb 26. Mai 735), Chronicon, und Historia ecclesiastica
gentis Anglorum. Vgl. Potthast S. 159, J160.
^ Pinkerton, Enquiry.
' Wohl aber ist die Sage in die AA. SS. der Bollandisten aufgenoinmen,
Bd. 2 S. 332 Anm. e.
200 Kapitel 40. Koaig Eveiius von Schottland.
Konigin Margarethe auf Konig Malcolm mit mehreren Beispielen
geriihmt wird ^
Es fragfc sich nun, woher Hector Boeis die Nachricht vom
Gresetz des Konigs Evenus entnommen hat. Dieselbe findet sich
weder in dem Hauptwerk der alteren schottischen Geschichte,
von Johann Fordun'-^, noch in der Geschichte Schottlands von
Joannes Major ^. Letzterer war ein Zeitgenosse des Hector Boeis,
scheint aber die Erzahlung vom Gesetz des Konigs Evenus nicht
gekannt zu haben ''. Man konnte denken, Hector Boeis habe jene
Nachricht von seinem Zeitgenossen Polydorus Tergilius ^ entnom-
men, dessen Werk (De rerum inventoribus) vom 7. Aug. 1-499
in der Vorrede datirt ist, also dem Anschein nach aus alterer
Zeit als das Werk von Hector Boeis (1526) herruhrt. Allein die
fragliche Stelle fehlt bei Polydorus Vergilius in den Ausgaben
bis zum Jahr 1532 '^. Daher ist die in den neueren Ausgaben
enthaltene Stelle wahrscheinlich auf Hector Boeis zuriickzufiihren ".
Ferner konnte man an den Kanzler von Schottland, AVilliam
' Script. post Bedam S. 122, 453. 464. Bouquet (Brial) Bd. 11 S. 156,
176, 315: Bd. 12 S. 571, 572, 651, 765.
2 Der Domherr Johann Fordun von Aberdeen schrieb in der zweiten Halfte
des vierzehnten Jahrhunderts eine Geschichte Schottlands. die mit Zusatzen
des Abts Walter Bower von S. Columba aus der Zeit von 1441 bis 1449
unter dem Titel Scotichronicon im Jahr 1759 herausgegeben ist. Darin ist
noch keine Rede von Konig Evenus.
^ Die Historia Majoris Britanniae. tam Angliac quam Scotiae. per Joannem
Majorera, ist im Jahr 1521 erschienen. also nur wenige Jahre vor dem Werk
des Hector Boethius.
* Er spricht namlich von zahlreichen Dichtungen. dle iiber dic alte Ge-
schichte Schottlands verbreitet seien, erwiihnt al)er mit keinem Wort einen
Kijnig Namens Evenus oder gar dessen Gesetz.
^ Polyd. Verg. lib. 1 cap. 4, in den Ausgaben Basel 1575 und Amsterdam
1671: . . . „Fuit idem mos apud Scotos. ut novam nuptam dominus loci ante
virum comprimeret. Quod nempe institutum post homines Christianos natos
turpissimum, Malcolmus tertius eorum rex princeps optimus sustulit, circiter
annum salutis humanae MXC. constituitque. ut nubentes, pudicitiae redimendae
causa. locorum dominis nummum aureum penderent. id quod hodie adhuc
servatur." Daraus : v. d. Schelling Bd. 1 S. 148, 149.
^ Namentlich fehlt die angefiihrte Stelle in den Ausgaben, die zu Strass-
burg im Jahr 1509 und zu Basel in den Jahren 1521 und 1532 erschienen.
Die beiden jiltesten Ausgaben, aus Vcnedig von den .lalircn 1499 und 1503,
habe ich nicht vergleichen konnen.
"^ Dies wiirde selbst dann anzunehmen sein. wenn sich nachweisen liessc,
dass die in den neueren Ausgaben enthaltene Stelle auf handschriftlichen
Aufzeichnungen von Polydorus Vergilius bcruhtou. da derselbe erst gegen
1555 gestorben ist.
Kapitel 40. Konig Evcnus von Schottlaiid. 201
Elphinston, denken, der eine in der Bodleian Library zu Oxford
liandschriftlich aufbewahrte Geschichte Schottlands geschrieben
hat ^ Denn Mackenzie spricht in der Lebensbesclireibung Elphin-
ston's und im Bericht iiber seine Geschichte Scliottlands voni
Gesetz des Konigs Evenus, wie wenn er die Nachricliten dariiber
aus der Greschichte Elphinston's entnommen htitte ^. Allein nach
dem speciellen Bericht, den Thomas Innes iiber die dem Elphinston
zugeschriebene Geschichte Schottlands liefert, ist dies Werk fast
ganzlich aus Fordun entnommen und von der Darstellung des
Hector Boeis ganz verschieden, dergestalt, dass es nur wenige
Zeilen iiber die ersten vierzig angeblichen Konige enthalt ^.
Drittens konnte eine Schrift von Mackenzie zu der Meinung ver-
leiten, dass dic Sage vom Gesetz des Konigs Evenus schon im
zwolften Jahrhundert l)ekannt gewesen sei, namlich um die Zeit
des Abtes Aelred von Riedual, der am 12. Januar 1166 starb ^
Denn in der Beschreibung seines Lebens wird auf sein Werk
iiber die heilige Margarethe verwiesen, welches im dritten Band
von Surius abgedruckt ist. Hierbei Ijerichtet Mackenzie : „Durch
ein altes Gesetz von Evenus dem Dritten waren alle Noblemen,
Gentlemen und andern Grundeigenthiimer ermachtigt, bei jeder
Heirath ihrer Bauern (tenants) die erste Nacht der Braut zu
haben; zur Abschaffung dieser hiisslichen Sitte verordnete un-
sere Konigin , dass jeder Grundherr verpflichtet sein soUe,
von seinem Bauer bei dessen Hoclizeit, als Preis fiir die Jung-
friiulichkeit der jungen Frau, eine Mark Gold anzunehmen." ^
Der Zusammenhang macht den Eindruck, als sei diese Stelle aus
der bei Surius abgedruckten Schrift des Abtes Aelred entnommen.
Dies ist aber nicht der Fall; denn dort findet sich kein Wort
von Evenus ^. Hector Boeis nennt als Quellen seines Werks,
1 Innes Bd. 1 S. 219, 220. Mackenzie, Lives Bd. 2 S. 118. — William
Elphinston starb im Jahr 1514; durch ihn ward Hector Boethius im Jahr 1500
an das neu gegriindete Kings College zu Aberdeen berufen. Vgl. Mackenzie.
Lives Bd. 2 S. 3, 4, 382.
- Mackenzie. Lives Bd. 2 S. 14: . . . „and, by another law . the Lord of
the ground was allow"d the maiden-head of every bride".
3 Lines Bd. 1 S. 220.
♦ Mackenzle. The live of St. Aelred Abbot of Riedual. Lives Bd. 1 S. 123
bis 140.
= Mackenzie. Lives Bd. 1 S. 132.
^ Surius Bd. 3. unter dem 10. Juni: „-Vita S. Margaretae reginae Scotiae,
quara quidem S. Adelredus Abbas primo conscripsit. sed haec, quam nos
edimus , ab alio quodam incerto authore . ex illo brevius descripta est"
(Ausg. V. 1579 S. 686—690: Ausg. v. 1618. S. 167—169). Es bedarf hier
202 Kapitel 40. Konig Evenus von Schottland.
aiisser der Geschichte Elphinston's, noch eine Geschichte von Tur-
got, eine Chronik von Inch-Colm und hauptsachlich Veremundus,
John Campbell und Cornelius Hybernicus *. Das Werk von Tur-
got enthiilt keine Andeutung von einem Gesetz des Konigs Eve-
nus ^. Ebensowenig ist dariiber Etwas in der Chronik von Inch-
Colm zu finden^. Die Geschichtswerke von Veremundus, John
Campbell und Cornelius Hybernicus sind, wie es scheint, verloren
gegangen; doch ist es sehr unwahrscheinlich , dass Jichte Werke
dieser Geschichtschreiber dem Hector Boeis iiberhaupt vorgelegen
haben ''. Hatten sich diese Werke bis zu seiner Zeit erhalten,
so wiirden sie schon von friiheren Schriftstellern benutzt wor-
den sein. Keinenfalls liegt geniigender Grund zu der Ver-
muthung vor, dass in einem dieser drei alten AVerke Etwas von
Evenus und von dessen Gesetz gestanden habe, Andererseits ist
dem Hector Boeis nach seiner Personlichkeit nicht zuzutrauen,
dass er wissentlich falsche Berichte verbreitete. Daher diirfte
die Vermuthung von Innes Beifall verdienen , dass Boeis die
alte Geschichte Schottlands aus Biichern geschopft habe, die als
Werke von Veremundus, Campbell und Cornelius Hybernicus
ausgegeben wurden , > in AVahrheit aber aus seiner eigenen Zeit
keiner Erortening der Streitfrage, ob und wieweit diese Lebensbeschreibung
vom hl. Aelred • herriihrt. Mackenzie (Lives Bd. 1 S. 139) vertheidigt die
Urheberschaft Aelred's gegen Du Pin . der behaupten soll , dass die meisten
unter dem Namen Aelred's mitgetheilten Lebensbeschreibungen von Surius
selbst verfasst seien. Doch scheint auch hier ein Irrthum von Mackenzie
vorzuliegen. Denn bei Du Pin findet sich keine derartige Aeusserung, son-
dern im Gegentheil der Ausdruck ungetheilten Lobes iiber die Leistungen
von Surius. Vgl. Du Pin, 16<= siecle, S. 407—409.
^ Vgl. Lines Bd. 1 S. 218.
2 Das Werk des Turgot steht in den AA. SS. zum 10. Juni abgedruckt.
Nicht dies AVerk, sondern nur eine Anmerkung der Bollandisten zu demselben,
verweist auf die Erzahlung voii jenem Gesetz. und zwar auf Grund der Be-
richie von Hector Boeis und Buchanan.
3 Denn die Chronik von Inch-Colm ist, wie Innes Bd. 1 S. 219 versichert,
aus den ersten Biichern von Fordun entnommen.
* Man sagt, diese alten Geschichtswerke seien im Kloster Ycolmkill auf-
bewahrt gewesen und dort zur Zeit des Konigs Eduard I. von England vor
der Vernichtung bewahrt worden: Hector Boeis will sie im Jahr 1525 aus
der Bibliothek zu Ycolmkill zugeschickt erhalten haben. Allein seine Ge-
schichte erschien schon im folgenden Jahr, und es erscheint als unglaublich,
dass die Bibliothek von Ycolmkill, wenn darin die Hauptwerke der Geschichte
Schottlands aufbewahrt wurden, von der allgemeinen Vernichtung der Ur-
kunden iiber die alte Geschichte Schottlands verschont blieb. Vgl. Innes
Bd. 1 Buch 2 Kap. 3 Art. 2 § 2, S. 214—225.
Kapitel 40. Konig Evenus von Schottland, 203
stammten ^ "NVenn diese Vermuthung zutrifFt, so kann Heetor Boeis
seine Nachrichten im Glauben an die "NVahrheit derselben aus
AVerken, die jetzt in Yergessenheit gerathen sind, nachgeschrieben
und aus miindlichen Ueberliet'erun<jen von unsicherm Wertli er-
giinzt liaben ^.
Hiernach besteht keine Sicherheit iiber die Quelle, woraus
die angefiihrte Erzahlung von Konig Evenus geschopft ist,
wohl aber die Gewissheit, dass sie keinen Anspruch auf ge-
schichtliche Wahrheit erheben kann ^. Die marcheta oder mer-
cheta war eine Heirathsabgabe; davon handeln zahlreiche Ur-
kunden, die keinen Anlass zur Vermuthung eines unehrbaren
Ursprungs dieser Abgabe bieten *. Nichtsdestoweniger haben
zahlreiche Schriftsteller die Erzahlung fiir wahr angenommen
und weiter verbreitet. Bald nach der zweiten Ausgabe des
Hector Boeis erschienen zwei Werke iiber die Geschichte Schott-
lands mit entgegengesetzten Tendenzen, namlich im Jahr 1578
zu Rom das (dem Papst Gregor XIII. gewidmete) AVerk des
Bischofs John Lesly ^ zu dem Zweck, die Gerechtigkeit der
Sache von Maria Stuart zu vertheidigen ^, und im Jahr 1582 zu
Edinburgh das Werk von George Buchanan ^ zu dem Zweck,
die Emporung gegen die schottische Konigsfamilie zu recht-
fertigen ^. Diese beiden Schriftsteller haben die Erzahlung des
Hector Boeis vom Gesetz des Kimigs Evenus und von der
neuen Anordnung des Konigs Maleolm mit einigen Aenderungen
1 Innes S. 225: „the writings and memorials that passed under the name
of Veremund in Boece's time are but late inventions about Boece's own time".
2 Eine andere Art milder Beurtheilung des Hector Boeis findet sicli bei
Raepsaet 3. Ausg. S. 34.
3 Derselben Meinung sind: Grupen § 2 S. 4—6; Whitacker S. 265: Dal-
rymple Bd. 1 S. 33; Astle S. 35; Corner S. 7, 8.
* Vgl. Kap. 15 S. 76—83 und Kap. 16 S. 84—88.
5 John Lesly, Bischof von Ross (geb. 1526, gest. 1596), vertheidigte an
mehreren Hofen , namentlich auch in Rom, die Sache seiner Konigin Maria
Stuart bis zu deren Tod ; darauf zog er sich in ein Augustinerkloster bei
Briissel zuriick, wo er auch starb, Vgl. Mackenzie, Lives Bd. 2 S. 502—618;
Innes Bd. 1 S. 290—294; INIichaud Bd. 24 S. 295, 296.
6 Mackenzie, Lives Bd. 2 S. 506.
' George Buchanan (geb. 1506, gest. 5. Dez. 1582) wurde wegen dieses
Werks vor den geheimen Ratli geladen, starb aber vor dem Tag des Ver-
hors. Nach seinem Tod wurde das Buch durch einen Parlamentsakt ver-
boten (Parl. 8 Jacob VI. An. 1584, chap> 134). Vgl. Innes Bd. 1 S. 305 ff.;
Mackenzie, Lives Bd. 3 S. 156—186; J5cher Bd. 1 S. 1446; Johnson S. 6;
Michaud Bd. 6 S. 198—200.
s Mackenzie, Lives Bd. 2 S. 171.
204 Kapitel 40. Koiiig Evenus von Schottland.
wiederholt. Lesly sagt, nach dem Gesetz des Konigs Evenus III.
habe allen Adeligen und Herren freigestanden, sowohl die Toch-
ter ihrer Bauern und Schutzhorigen, bevor dieselben heiratheten,
als auch die Ehefrauen ihrer Untergebenen zu schanden; dies
Gesetz sei auf Bitten der heiligen Margarethe durch Malcolm III.
aufgehoben worden, unter Einfiihrung einer noch giiltigen Geld-
abgabe, wodurch die Heirathserlaubniss eingelost werde ^. Bucha-
nan schreibt, Konig Evenus III., der als sechzehnter Konig
Schottlands vom Jahr 12 bis zum Jahr 4 v, Chr. Geb. regierte,
habe ein Gesetz erlassen, wonach der Konig die Keuschheit der
adeligen Braute, und die Adeligen diejenige der plebejischen
Briiute vor deren Hochzeit verkosteten - ; und an einer anderen
Stelle, Konig Malcolm III. habe auf Bitten der Konigin bewilligt,
dass die erste Nacht der vermiihlten Jungfrau, die nach einem
Gesetz des Konigs „Eugenius" den Htiuptlingen, mit gewissen
Abstufungen, gebiihrte, durch den Brautigam mit einer lialben
Silbermark eingelost werden konne ; dies Losegeld heisse marcheta
mulierum ^. Dieselbe Erzahlung wurde noch im sechzehnten
Jahrhundert durch Petrus Gregorius (nach Boeis), durch Ragueau
(nach Buchanan) und durch Du Yerdier weiter verbreitet *. Dann
folgten im siebenzehnten Jahrhundert: J. Skene, Yannozzi, Au-
tomne, Spelman, Boxliorn, Papebroeck, d'Espeisses, Plot, Brodeau,
* Leslaeus lib. 2 cap. 16 S. 96 (Gesetz des Konigs Evenus): „Ut omnes
Nobiles et domini suorum villicorum et clientum filiabus ad libidinem suam
explendam abuterentur, earumque pvidicitiam et virginitatis primitias prius
delibarent. quam libero legitimi matrimonii contrahendi jure fruerentur: simi-
liter et infimorum iixoribus Proceres Nobilesque pro suo arbitratu uterentur'';
und Leslaeus lib. 6 cap. 86 S. 213 (Geaetz des Kimigs Malcolm IIL): ,,nara
quam Evenus tertius de primitiis Virginum delibandis fixit legem , iste ut
foedissimam liberalique homine indignam refixit ac penitus antiquavit." In
dieser Darstellung ist von der Hochzeitsnacht keine Rede . und der Betrag
der Abfindungssumme nicht angegeben.
2 Buchanan lib. 4 fol. 31 v.: ... „ut Rex ante nuptias sponsarum nobilium.
nobiles plebejarum praelibarent pudicitiam". An dieser Stelle wird die erste
Nacht nicht erwahnt, wohl aber an einer andern Stelle, worin von der Auf-
hebung dieses Gesetzes die Rede ist. Vgl. die folgende Anm.
3 Buchanan lib, 7 fol. 62 v. : „Uxoris etiam precibus dedisse fertur. ut
primam novae nuptae noctem, quae proceribus per gradus quosdam lege Regis
Eugenii debebatur, sponsus dimidiata argenti marea redimere posset : quam
pensionem adhuc Marchetas mulierum vocant." Erst in dieser Stelle ist
gesagt, dass im Gesetz des Konigs „Eugenius" (der hier mit Evenus ver-
wechselt wird) den Hiluptlingen „die erste Nacht" der Briiute liberlassen sci.
* Ragueau unter Les marquettes. Petr. Gregor. lib. 9 cap. 1 n. 45. S. 604,
605. Du Verdier S. 96.
Kapitel 40. Konig Evenus von Schottland. 205
Moreri, Ducange und Menage*; im achtzehnten Jahrhundert:
Mackenzie, Bayle, Lauriere, Gundling, Hildebrand , C. P. Hoff-
mann, Keysler, van der Schelling, l*otgiesser, Sale, die Heraus-
geber von Beaumont und Fletcher, ferner Zedler, die Encyklo-
padisten (de Jaucourt, Boucher d'Argis und Garran de Coulon),
Voltaire, Renauldon, das Grand Yocabulaire und das Diction-
naire de Trevoux, Dulaure und Blackstone^; im neunzehnten
Jahrhundert: Merlin, Roquefort, Collin de Plancy, Peuchet et
Chanlaire, Stephen, Diimge, Kolb, Sugenheim, Brinckmeier,
Scherr, Bastian, de Gubernatis, Liebrecht, de Labessade ^. Alle
diese und viele andere Schriftsteller haben ihre Nachrichten iiber
das von Evenus eingefiilirte und von Malcolm abgeschaffte Her-
renrecht theils direct, theils indirect aus dem Werk von Hector
Boeis geschopft*.
Die einzelnen Abweichungen und Entstellungen der von
Boeis herriihrenden Erzahlung sind mannigfacher Art. So soll
* J. Skene ku Reg. Maj. lib. 4 cap. 31. Vannozzi Bd. 2 Nr. 529, S. 253.
Automne Tit. 8 § 1 Art. 81, S. 477. Spelman unter Marchet. Boxhorn zu
Sueton lib. 4 § 40. Boxhorn , Lex. unter Amobr. AA. SS. 10. junii, S. Mar-
garetha, Bd. 2 S. 332 Anm. e. D'Espeisses Bd. 3 Tit. 6 sect. 9, S. 306. Plot
cap. 8 Xr. 1 S. 278. Brodeau S. 273. Moreri Bd. 4 S. 294 unter Evenus III.
Ducange uuter Marcheta. Menage unter Marquette.
2 Mackenzie. Def. cap. 7 S. 118, 119. Bayle Bd. 13 S. 335, unter Sixte IV,
lit. H. Laurifere unter CuUage und Marquettes. Gundlingiana zehntes Stiick
S. 503, verdruckt statt 599. Hildebrand S. 188, 189. C. P. Hoffmanii S. 58.
Keysler § 64 S. 485—488. v. d. Schelling Bd. 1 S. 148, 149. Potgiesser
lib. 2 cap. 2 § 26. Sale, franz. Ausg. S. 22, engl. Ausg. S. 10. Beaumont
und Fletcher Bd. 2 S. 5. Zedler Bd. 8 S. 2092 unter Evenus III. Encycl.
1. Ausg. Bd. 4 S. 548, unter Culage, von Boucher d'Argis, und Bd. 10 unter
Marchet, von M. de Jaucourt. Voltaire , Dict. phil. unter Cuissage. Bd. 39
S. 209, und unter Taxe Bd. 43 S. 298. Renauldon liv. 5 chap. 10 S. 450.
Grand Vocab. Bd. 17 S. 173. Encycl. meth., Jurispr. unter Culage, Bd. 3
S. 434, und unter Marquette, Bd. 5 S. 834, 835, von Garran de Coulon.
Dict. de Trevoux unter CuUage, Bd. 3, und unter IMarquette. Bd. 13. Dulaure,
Gesch. d. Adels S. 241, 242. Blackstone Bd. 2 (S. 83 in der 9. Ausg.).
^ Merlin. Rep. unter Markette. Roquefort, Suppl. S. 106. Collin de Plancy
Bd. 1 S. 169—171. Peuchet et Chanlaire S. 23. Stephen Bd. 1 (S. 216 der
5. Ausg.). Diimge S. 19, 20. Kolb 1842, S. 496, 497 und 1843, S. 73. Sugen-
heim 1861, S. 103. Brinckmeier Bd. 2 S. 190. Scherr 1865. S. 129. Bastian
S. 175. de Gubernatis, Usi S. 199. Liebrecht 1874. S. 138 und 1879. S. 416.
de Labessade S. 22, 23, 95.
* Fallt diese Grundlage zusammen, so bleibt kein Grund fiir die Meinung
iibrig, dass iu Schottland das jus primae- noctis bestanden habe. Damit er-
ledigt sich die auch sonst unhaltbare Vermuthung (vgl. Anderson S. 73), das
jus primae noctis in Schottland konne durch Ausartung des Lehenwesens
entstanden sein.
206 Kapitel 41. Schlacht von Gabhra.
die durch Konig Evenus eingefiihrte Unsitte urspriinglich , wie
George Sale nach Bayle angiebt, die Namen ^culliage" und
„cullage" , nach Merlin den jSTamen „prelibation" gefiihrt haben.
Als ob die alten Caledonier franzosisch gesprochen hatten! Re-
nauldon meint, noch Konig Malcolm habe das Recht in Anspruch
genommen, mit den neuvermahlten Frauen zu schlafen. Dulaure
versichert , dieser Gebrauch sei noch im elften , zwolften und
dreizehnten Jahrhundert in Schottland im Schwung gewesen und
erst spater zufolge von Emporungen in eine Geldabgabe ver-
wandelt worden. Collin de Plancy erzahlt, zwar sei schon Mal-
colm III. durch zahlreiche Emporungen veranlasst worden, die
Ablosung des durch Evenus eingefiihrten Rechts zu gestatten;
doch hatten die armen Leibeigenen, denen die Mittel des Los-
kaufs fehlten, sich nach wie vor die Ausiibung des Herrenrechts
der ersten Nacht gefallen lassen miissen, und die Abschaffung des-
selben sei erst viel spater, vor noch nicht langer Zeit, geschehen.
Die Herausgeber von Beaumont und Fletcher meinen, Konig
Eugenius III. von Schottland, der im Jahr 535 n. Chr. Geb. zur
Regierung kam, habe jenes Recht eingefiihrt ^ Joachim Hilde-
brand meint, jenes .Recht habe in Schottland seit Einfiihrung
des Christenthums bestanden und sei durch Konig Malcolm den
Zweiten abgeschafft worden ^. Sugenheim sagt, Konig Ewen, durch
den das jus primae noctis in Schottland eingefiihrt sei, habe im
siebenten oder achten Jahrhundert regiert ^. Alle diese Nach-
richten sind theils auf Leichtglaubigkeit und theils auf Erfindung
moderner Schriftsteller zuriickzufiihren.
4. Veranlassung der Schlacht voii Gahhra in Irland.
Kapitel 41. Mehr oder minder beglaubigte Nachrichten iiber
die alte Geschichte Irlands beziehen sich auf die Heldenthaten
der Fenier, der „Fianna Eireann", namlich der iiber ganz Irland
verbreiteten Kriegerschaaren , die im Dienst des Monarchen das
Land gegen feindliche Angriffe vertheidigten und mit grossen
Yorrechten ausgestattet waren *. In jeder der vier Provinzen,
Ulster, Connaught, Munster und Leinster, stand eine Hauptab-
^ Beaumont iind Fletcher Ausg. 1750, 15d. '1 S. 5.
2 Hildebrand S. 188, 189. ^ Sugenheim 1861, S. 103.
^" Vgl. 0'Kearney S. 40—46; W. Skene S. LXIV— LXXVII: 0'Curry
Bd. 2 S. 376—382; Windisch S. 547. — Das Wort Fian bedeutet Held ( Win-
disch S. 547), wird aber auch von Fiadach, d. i. Jagen, oder von Fineadha,
d. i. Familien oder Stamme, abgeleitet. Vgl. 0'Curry Bd. 2 S. 37G, 377.
Kapilel 41. ychlacht vou Gabhra. 207
theilung dieses Kriegsheers. Der beriilimtestc Fian ! lleld) war
Finn oder Fionn, Mac Cumhaill (Sohn des Curahaill, des Sohnes
von Baoisgne) ; er war Heerfuhrer in der Provinz Leinster,
als Haupt des Stammes (der Clanna) Baoiscne oder Baoisgne.
Yon ihm wird gemeldet, dass er durch den im Jahr 26(5 n. Chr.
Geb. gestorbenen Konig von Irland, Namens Cormac Mac Airt,
mit dem Oberbefehl iiber alle Fenicr Irlands betraut wurde ^.
Als Cormac's Sohn und Nachfolger, Cairbre LifFeachair oder
Lithfeacair (268 — 284), die Regierung antrat, erneuerte sich ein
alter Streit iiber die unter dem Namen „Boromean Tribute" be-
kannte Abgabe, die der Monarch von den Konigen der Provinzen
begehrte. Der Konig von Leinster, Breasal Belach, weigerte
sich , die Abgabe zu entrichten , und riistete sich zum Krieg ^.
Er verleitete den Finn Mac Cumhaill, die Sache seines Kriegs-
herrn zu verlassen und ihm beizustehen. Finn sammelte seine
Truppen und besiegte auf dem Schlachtfeld zu Cnamhros den
Konig Cairbre Liffeachair, der in der Schlacht seine drei Sohne
und neuntausend Mann seiner Truppen verlor ^ Is^ach dieser
Niederlage schenkte Cairbre Liffeachair sein ganzes Vertrauen
dem Anfiihrer der Connaught-Fianua, Namens Aed Caemh, von
der Clanna Morna (Moirna). Durch diesen Stamm, der auf die
Clanna Baoisgne wegen des Yorrangs langst eifersiichtig war,
wurde Cairbre zu einera neuen Krieg angereizt, und zwar gegen
Mogh Corb (Mogha Cuirb), den Konig von Munster, einen Enkel
des inzwischen, im Jahr 283, verstorbenen Finn 3Iac Curahaill.
Finn's Tochter, Namens Samhair, war die Gattin des Corraac Cas,
Konigs von Munster, und ihr Sohn war der genannte Mogh Corb
(Mogha Cuirb). Durch Finn's Tod wurde dessen Sohn Oisin
(d. i. der Dichter Ossian) Haupt des Stamraes Baoisgne *. In
< 0"Curry Bd. 2 S. 377. - 0"Curry Bd. 2 S. 383.
3 0'Curry Bd. 2 S. 384—386.
♦ 0"Curry Bd. 2 S. 387. Danach ist die Nachricht. dass Finn im Jahr 283
durch Aichleach, Sohn von Duibhdreann, zu Ath Brea am Boyne getodtet
wurde, aus den „Annals of the Four Masters" entuommen. Mit der Darstel-
lung 0'Curry's stimmen zwei Berichte, die 0"Kearney aus alten Handschriften
entnommen hat (0'Kearney S. 48 und 59), im Wesentlichen iiberein. In dem
einen derselben (0'Kearney S. 48) heisst es: ... „the Clanna Moirne pro-
voked the monarch and other princes of Ireland to warr upon Mogha Cuirb,
King of Munster. because he protected the Clanna Baoisgne, hoping by that
meanes that they should be deserted by the King of Munster, and so be
utterly expelled the kingdom, which the monarch did although that was his
own daughter'3 (not sister's) son. But the King of Munster stuck faithfuUy
to the Clanna Baoisgne, whereupon issued the Battaille of Gabhra" , . .
208 Kapitel 41. Schlacht von Gabhra.
der morderischen Schlacht von Gabhra ^ kampfte der Monarch
Cairbre Liffeachair mit der Clanna Morna und andern Streit-
kraften gegen den Konig von Munster nebst den Feniern vom
Stamm Baoisgne, unter dem Befehl von Oisin (Ossian). Die
Letzteren unterlagen, und die Macht der Fenier vom Stamm
Baoisgne wurde vernichtet ^. Kaum Einer blieb iibrig. In der
Schlacht wurde Oscar, der beriihmte Sohn Oisin's, durch Cairbre
getijdtet, der seinerseits eine Wunde von Oscar empfangen hatte
und dann ebenfalls auf dem Schlachtfeld den Tod fand.
Die Fenier Irlands, namentlich Fionn Mac Cumhaill , sein
Sohn Oisin (Ossian) und dessen Sohn Oscar (Osgar) sind Helden
der Finnsage, die aus den Ossianischen Gedichten bekannt ist^
Zu diesem Sagenkreis gehoren die liber die Schlacht von Gabhra
verfassten Dichtungen, die im Jahr 1853 durch Nicholas 0'Kear-
ney Esq. fur die Ossianic Society in irischer Sprache mit eng-
lischer Uebersetzung theils im Ganzen, theils in Ausziigen
herausgegeben Avurden. Daraus hat 0'Kearney folgende Be-
schreibung entnommen: „Der Sohn des Konigs der Decies er-
bat und erlangte die Einwilligung von Sgeimh Sholais (Licht
1 0'Curry (Bd. 2 S. 383 und 387) sagt, die Sehlacht habe stattgefunden zu
„Gabhra Aicle, now the hill of Skreen, near Tara". 0'Kearney spricht von
der „battle of Gabhra, Garristown in the County of Dublin". Windisch
(S. 157) bemerkt iiber die „Schlacht bei Gabair Aicle", der im Englischen
iibliche Ausdruck „the battle of Gabhra" sei incorrect, weil ..Gabhra" die
Genitivform von „Gabair" sei. — Ueber die Zeit der Schlacht finden sich die
Angaben folgender Jahreszahlen : 283 (bei 0'Kearney S. 5, 60, und zwar mit
dem Datum des 17. Juni), 284 (bei 0"Curry Bd. 2 S. 386 und Windisch S. 157)
und 296 (OTlaherty bei 0'Kearney S. 60, Anm.). Finn starb im letzten Jahr
vor der Schlacht, doch wird sein Sterbejahr ebenfalls verschieden angegeben,
namlich auf 283 (0'Curry Bd. 2 S. 387 und Windisch S. 146), 273 (Win-
disch S. 59) und 285 (W. Skene S. LXV). Die beiden letztgenannten An-
gaben mogen Druckfehler sein.
2 0"Kearny S. 40. 0'Curry Bd. 2 S. 382, 387, 388. Windisch S. 157.
Vgl. unten S. 210, Anm. 3.
' Vgl. Windisch S. 59. 65. 146 — 158. Danach haben die Iren zwei alte
Sagenkreise. Zu den Hauptpersonen des altern Sagenkreises gehort Concho-
bar, Konig von Ulster. der um 20 n. Chr. Geb. starb. Der zvpeite Sagenkreis
ist zweihundert Jahre spater angesetzt: Hauptheld desselben ist Finn Mac
Cumaill. Die durch James Macpherson seit 1760 herausgegebenen Ossiani-
schen Gedichte sind nicht blosse Erfindungen des Herausgebers, sondern Um-
arbeitungen von zahlreichen kleinen Dichtungen. die in Schottland seit An-
fang des sechzehnten Jahrhunderts und in Irland noch friiher bekannt Avaren.
Der gegenwartige Stand der lebhaft erorterten Streitfrage iiber die Ossiani-
schen Gedichte kann aus W. Skene (S. XLVII— LXIII) und Windiach
(S. 146 — 155) ersehen werden.
Kapitel 41. Schlacht voii Gabhra. 209
von Schonheit), Tochter des Monarchen Cairbre, ihn zu ihrem
Bhegatten anzunehmen. Als die Fenier, unter denen damals
der Stamm Baoisgne den Oberbefehl fiihrte , von jener Ver-
lobung Xachricht erhielten, schickten sie Botschafter an den
Monarchen, um ihn an ihre Vorrechte zu erinnern und zwanzig
Unzen (Barren) Gold als ein Losegeld fiir die Dame zu begehren.
Cairbre ward unwillig iiber diese Zumuthung und gelobte, ent-
weder die Fenier auszurotten oder bei diesem Unternehmen unter-
zugehen. Er liess die Konige der Provinzen durch Botschaf-
ter von seinen Absichten in Kenntniss setzen und erlangte
die allgemeine Zustimmung seiner Fiirsten und Volker. Der
Stamm Baoisgne, der grosse Unterdriicker des irischen Volkes,
und seine Anhiinger beschlossen, dem Monarchen und seinen
Streitkriiften in einer Schlacht entgegenzutreten, und sicherten
sich den Beistand der schottischen und brittischen Fenier." ^
Dann folgte die Vorbereitung und Ausfiihrung der Schlacht.
Von ahnlichem Inhalt ist die Erzahlung, womit eine in Prosa
abgefasste Schilderung der Schlacht anfangt: „Cairbre, Sohn
von Art, des Sohnes von Conn von den hundert Schlachten,
hatte eine schone, sanfte, wiirdevolle und bescheidene Tochter.
Sie hiess Sgeimhsholas (Licht von Schonheit). Maolsheachlainn
0'Faolain, Sohn des Konigs oder Herrschers der Decies, begehrte
sie zur Frau. Als Fionn und die Fenier von Irland dies horten,
schickten sie Botschafter an Cairbre, um ihn zu er-
innern, den Tribut zu zahlen, namlich zwanzig Un-
zen (oder Barren) Grold oder das Recht, mit der Prin-
zessin die Nacht vor ihrer Hochzeit zu schlafen. Cair-
bre ward unwillig iiber die Botschaft und erklarte, er werde sich
keiner von beiden Bedingungen unterwerfen. Fionn liess ihm
sagen, entweder miisse er zahlen, oder nur der Kopf der Prin-
zessin werde geniigen, um die Verletzung des Vorrechts zu
siihnen. Hieriiber gerieth Cairbre in Zorn, und ohne Verzug
sandte er Herolde." Die Kunige von Ulster, Leinster und Munster
wurden aufgeboten; sie erschienen; und die Schlacht ward vor-
bereitet^. „Obwohl diese Erzahlung," bemerkt ^icholas 0'Kear-
1 0'Kearney 8. 58. 59.
^ Tlie hattle of Guhhra , bei 0'Kearney S. 135 u. 137: ,,Cairbre, the son
of Art, the son of Conn of the Hiindred Battles, had a fair, mild-eyed. digni-
fied, and modest daughter. Sgeimhsholas"(Light of Beauty) was her name;
and Maolsheachlainn 0'Faolain, son of the king or lord of the Decies, came
to seek her as his wife. When Fionn and the Fenians of Ireland heard of
this, tJiey despatched messengers to Ca/rbre, to remind him to pay the trihute,
Schmidt, Jns primae noctis. 14
210 Kapitel 41. Schlacht von Gabhra.
ney, „keiuenfalls als ein Stiick iichter (Teschichte angesehen wer-
den kann, so verdient sie doch aufbewahrt zu werden, weil sie
alter ist als irgend ein anderer Bericht iiber die grosse Schlacht. . .
Es ist klar, dass der Yerfasser, wer er auch gewesen sein mag,
Erinnerungen von irischer Geschichte hatte, die er in seinem
Geiste vereinigte, indem er Namen und Thatsachen verwechselte
und Alles in eine confuse Masse zusammenwarf." ^
Dass die vorstehende Erzahlung „alter ist als irgend ein an-
derer Berichi iiber die grosse Schlacht", diirfte zu bezweifeln sein.
Deun sie findet sicli, wie 0'Kearney selbst bemerkt, in keiner
audern Geschichtsquelle ^ und steht mit den oben (S. 207, 208)
erwalmten anderweitigen Ermittlungen der Geschichtschreiber, mit
Einschluss der eigeuen Darstellung 0"Kearney's, in Widerspruch ^.
Ueber das Alter der Schrift, die dem Abdruck zu Grunde liegt,
hat 0'Kearney keine Auskunft gegeben; doch scheint sie aus
der zweiten Hiilfte des achtzehnten Jahrhunderts herzustammen ^
riz. twenty ungas (ingots or ounces) of gold , or the right of cohahiting with
the princess the night precious to her marriage. Cairbre became very indignant
upon hearing this message, and declared he never would submit to either of
these conditions. Fionn thereupon sent him word that he should pay either,
or that the head of the princess only should satisfy the violation of the
privilege. Upon hearing this , Cairbre became exceedingly enraged , and lost
no time in despatching heralds to Conall Cionnbagair, king of the province
of Ulster ; to Criomthan Culbhuidhe, king of Leinster ; and to Fiacha Muillea-
than, king of Munster. They all assembled at one place, and Cairbre ex-
plained to them the nature of his difficulty, and the thraldom under which
he and his people -vvere lield by Fionn and the Fenians of Ireland. . . . The
kings and nobles of Ireland thereupon became exceedingly enraged, and came
to the conclusion not to endure or tolerate such shivery any longer. They
all returned to their own provinces, and having held council with their
people , came to the resolution nf expelling the Fenians from Ireland'''. . .
' 0'Kearney S. 134.
- 0'Kearney S. 134: „The account opens with a piece of history nowhere
else to be met with, namely, the intended marriage of the monarch Cairbre's
daughter with a Momoniam prince, and the tribute or tax claimed by the
Fenians even from royalty itself for permission to celebrate the nuptials of
the princess of Ireland.''
3 Der Widerspruch liegt hauptsachlich in den Angaben iiber die Veran-
lassung des Streits, sodann aber auch in dem Bericht (0"Kearney S. 59, 137 ),
dass selbst der Konig von Munster auf Seiten des Monarchen gestanden habe,
und in der angeblichen Ungewissheit des Sieges (0'Kearney S. 61)
^* Vgl. W. Skene S. LXI (wo zwar nicht von der hier fraglichen Prosa-
Erziihlung, wohl aber von dem im selben Bande veriiffentlichten Gedicht iibcr
die Schlacht von Gabhra gesagt wird, es gehore zu einer im .Tahr 1780 an-
gefertigtcn Handschriftensammluiig) : Windisch S. 149, 150.
Kapitel 41, Schlacht von (labhra. 211
Weg-eii (ler sclnviilstigen Fassung vermutliet 0'Kearney, dass
die Erzahlung aus dem iunfzehnten Jahriiundert oder aus dem
Anfang des sechzehnten Jalirliunderts herriilire ^ Hiergegen ist
einzuwenden , dass eine solclie Sciireibart auch im achtzelmten
Jahrhundert moglicli war. Keineufalls ist daraus fiir die Frage,
wann die Sage in der mitgetheilten Form entstanden ist, etwas
Sicheres zu entnehmen; und noch weniger konnen die An-
gaben iiber die Yeranlassung der Schlacht, namentlich iiber
die Priitensionen der Fenier, als geschichtlich festgestellt er-
achtet werden. Es wiirde daher ein grober Irrthum sein, wenn
man annelimen wollte, die Erziihlung iiber den Anspruch der
Fenier auf den bezeichneten Tribut gehore der Geschichte an.
Zu diesem Irrthum kann ein Citat Helfferieh's fiihren, der in
einer Untersuchung iiber das jus primae noctis (mit Berufung auf
eine Gefiilligkeit von Jacob Grimm) die oben (S. 209) hervor-
gehobenen Worte ohne Angabe des Zusammenliangs und ohne
Erorterung iiber den Werth der Quelle mitgetheilt hat ^.
Nach Inhalt der vorstehenden Sage behaupteten die Fenier,
eine Yerletzung ihres Vorrechts durch die Yerlobung der Ko-
nigstochter erlitten zu haben. Yielleicht war hiermit das in
einer andern Dichtung (iiber die Abenteuer der Sabia, Tochter
von Eophan Og) erwahnte Yorrecht gemeint, wonach die Fenier
verlangen konnten, dass der Konig, bevor er seine Tochter ver-
lobe, anfragen miisse , ob keiner von den Feniern sie zur Frau
begehre ^. AYeil diese Anfrage unterlassen war , verlangten die
Fenier einen Tribut von zwanzig Unzen Gold oder Anerkennung
ihres Rechts, mit der Prinzessin die Nacht vor ihrer Hochzeit
zu schlafen. Darin ist ein Herrenrecht der ersten Nacht nicht
zu finden. Denn abgesehen davon, dass die Fenier eine Alter-
native zur Auswahl liessen, und dass sie fiir den Fall der Yer-
» 0'Kearney S. 135.
- Helfterich S. 419. — Helfferich bemerkt dazu : „Das celtische leapta ist
belonging to a bed." Diese Bemerkung ist an sich richtig. (Vgl. Lluyd
und 0'Reilly : „Leaptha, belonging to a bed".) Allein es ist nicht verstandlich,
wie sie mit der Schlacht von Gabhra zusammenhangen soll.
^ Nach dieser Dichtung (0'Kearney S. 43) wurden einstmals die Frauen
der Fenier-Hauptlinge beim Baden durch einen Fremden iiberrascht. Der
Fremde erkundigte sich nach den Sitten und Vorrechten der Fenier. Die
Fenierkonigin gab Auskunft dariiber und erzahlte u A. : „Niemand in Irland
darf Jemandem eine Frauensperson zur Ehe geben , ohne dreiroal anzufragen,
ob unter den Feniern Irlands kein Mann sei, der sie heirathen wolle; meldet
sich ein Fian, so wird sie ihm gegeben."
14*
212 Kapitel 42. Untergang von Harapa.
weigerung des Losegeldes nicht auf die Hochzeitsnacht , son-
dern auf die Nacht vor der Hochzeit Anspruch erhoben, so
kann der fragliche Anspruch der Fenier iiberhaupt nicht als
Herrenrecht bezeichnet werden, weil er auf die Konigstochter
gerichtet war.
B. Galt das jus primae noctis im Mittelalter?
I. Indien.
a. Untergang der Stadt Harapa.
Kapitel 42. Bastian fiihrt zum Beweise eines jus primae
noctis den Satz an, ein Hauptling der weissen Hunnen, Namens
Shorkot, habe bei jeder Heirath in Harapa das Vorrecht des
Ehemanns in Anspruch genommen *. Obwohl die Quelle dieser
Nachricht nicht angegeben, und eine deshalb gestellte Anfrage ^
ohne Antwort gebliebeu ist, so kann doch einige Aufklarung
dariiber gegeben werden.
Im Jahr 1831 reiste namlich eine englische Gesandtschaft
mit Geschenken fiir den Maharaja von Lahore von Hyderabad
nach Lahore ^. Alexander Burnes , ein Mitglied der Gesandt-
schaft, besichtigte auf der Reise die R.uinen zweier alten Stadte,
und zwar Shorkote, zwischen den Fliissen Chenab und Ravee,
und Harapa, seitwarts vom linken Ufer des Ravee. In seiner
Reisebesclireibung wird eine Sage erwahnt, dass Shorkote vor
ungefahr 1300 Jahren (also etwa im sechsten Jahrhundert nach
Chr. Geb.) durch einen Konig des Westens zerstort worden
sei. Burnes meint jedoch , die Erzahlung iiber Shorkote sei
eine glaubhafte Ueberlieferung von Alexander d. Gr. , der an
diesem Orte verwundet worden sei ''. Ueber Harapa schreibt
Burnes : „Ungefahr fiinfzig englische Meilen von Toolumba
ging ich fiinf Meilen landeinwarts, um die Ruinen einer alten
Stadt, Namens Harapa, zu untersuchen. Die Ueberreste sind
ausgedelmt, und der Ort, der von Backsteinen erbaut war.
* Bastian S. 179: „Shorknt (leader of the Avhite Huns) claimed the hus-
bands privilege on every marriage ( in Harapa)."
2 Arch. f. Anthrop. Bd. 12 S. 268. Es ist anznnehmen, dass Herr Pro-
fessor Dr. Bastian von dieser Anfrage Nichts erfahren hat.
^ Die hekannte Stadt Lahore liegt am Fluss Ravee oder Hydraotes, der
unterhalb der Stadt Toolumba in den Fluss Chenab oder Acesines einmiindet;
der Fluss Chenab miindet bei Mooltan in den Indus.
* Burnes vol. 3 chap. 5 S. 131, 132.
[
Kapitel 42. Untergang von Haiapa. 213
liat ungotalir drei Meilen im Umfang. Dort sielit man eine zer-
storte Citadelle an der Uferseite der Stadt; sonst ist Harapa ein
vollsttindij^es Chaos, ohne ein ganzes Gebaude; die Backsteine
sind zum Bau eines kleinen Ortes mit dem alten Namen, dicht
bei den Ruinen, verwendet. Die Ueberlieferung setzt den Unter-
gang von Harapa in dasselbe Zeitalter, wie den von Shorkote (vor
1300 Jahren), und das Volk erklart die Zerstorung der Stadt
durch eine Rache Gottes iiber Harapa , und zwar iiber dessen
Beherrscher , der gewisse Vorrechte bei jeder Heirath
in seiner Stadt beanspruchte und in Verfolg seiner
Ausschweifungen sich der Blutschande schuldig
raachte. Zu einer spatern Zeit wurde Harapa eine muhamme-
danische Stadt; und dort ist das Grab eines Heiligen der Glau-
bigen, achtzehn Fuss lang, in der angeblichen, aber fabelhaften
Grosse des Verstorbenen. Ein grosser Stein von Ringform und
eine grosse schwarze Platte von ovaler Gestalt, die neben dem
Grabe liegen , sollen den Ring und den Edelstein im Ring dieses
Riesen darstellen und von werthvollerem Stoff gewesen sein,
als dem gegenwiirtigen unedlen. ^Yo solche Fabeln geglaubt
werden, miissen wir aufhoren, auf verstiindige Dichtung zu hoffen.
Ich fand einige persische und Hiudu-Miinzen in diesen Ruinen;
aber ich kann das Zeitalter von keiner derselben bestimmen." ^
In dieser Darstellung sind die fraglichen Vorrechte, die der
Herrscher von Harapa soll in Anspruch genommen.haben, nicht
genau bezeichnet; und es ist nicht nothig , an das jus primae
noctis zu denken, zumal da der Bericht mehrere (^gewisse")
Vorrechte erwahnt. Auch fehlt eine Angabe iiber das Alter der
Volkssage und iiber die Art, wie Burnes Kenntniss davon erhalten
hat. Hiernach ist ungewiss, ob die im Jahr 1831 entdeckte Sage
aus alten Zeiten herriihrt, und ob sie in Indien entstanden ist;
es ist daher nicht gerechtfertigt , ohne eine Untersuchung dieser
Vorfragen aus dem Bericht von Burnes zu folgern oder auch nur
eine Vermuthung herzuleiten^, dass in Indien einst das jus primae
noctis geherrscht habe. Sicher ist nach dem Wortlaut des Berichts,
dass die Erzahlung dem Gebiet der Dichtung oder Sage angehort.
Mithin wird die Behauptung Bastian's durch Burnes keineswegs
bestatigt; abgesehen davon, dass der Name Shorkote nicht einem
Hauptling, sondern einer Stadt zukommt.
* Burnes vol. 3 chap. 5 B. 137.
2 Dieser Fehler findet sich bei Liebrecht 1864, S. 541, ebenso 1874,
S. 141 und 1879. S. 419.
214 Kapitel 43. Konig von Tsiampa. Kapitel 44. Priester in Cambodja.
b. Recht des Konigs von Tsiampa.
Kapitel 43. Der Venetianer Marco Polo soll im Jahr 1230
das Konigreich Ziampa oder Tsiampa (Cambodja) besucht ha-
ben ^ Yon dieser Reise wird berichtet, im Reich des Konigs
von Ziampa diirfe kein Madchen von einiger Schonheit heirathen,
bevor es dem K6nig vorgestellt sei; er behalte diejenigen, die
ihm gefielen, fiir einige Zeit iind gebe ihnen bei der Entlassung
eine Summe als Ausstattung fiir eine standesgemasse Heirath ^.
Hieraus folgern zwei Gelehrte der Gegenwart, dem Konig von
Tsiampa habe das jus primae noctis zugestanden *. Doch ist
diese Meinung, abgesehen von der Frage, ob und inwieweit
die Nachricht Glauben verdient, schon nach deren Wortlaut
unhaltbar. Denn danach bestand die Unsitte darin, dass der
Konig aus seinen Unterthanen (ohue Unterschied des Standes)
Madchen, die ihm gefielen, fiir seinen Harem auswahlte, und
dass er sie dort behielt, solange es ihm beliebte ; diese Tyrannei
wurde einigermassen dadurch gemildert, dass dieselben bei der
Entlassung eine Ausstattung empfingen, um sich verheirathen
zu konnen. *
c. Buddha-Priester in Cambodja.
Kapitel 44. Der durch Abel-Remusat iibersetzte und her-
ausgegebene Reisebericht eines chinesischen Gesandten aus dem
Ende des dreizehnten Jahrhunderts enthalt eine Beschreibung, wie
im Konigreich Cambodja, unter grossen E^estlichkeiten, den Jung-
frauen von einem Priester Buddha's oder der Tao-sse-Sekte durch
eine Manipulation das Zeichen der Jungfraulichkeit genommen
wurde '^. Dies geschah nach Inhalt des Berichts nicht bei den
' Ueber die Reisebeschreibung dcs Marco Polo vgl. Hiillmann Bd. 4
S. 357—362. besonders S 361: „Die Nachrichten iiber Indien. Persien,
Arabien , Aethiopien sind ans arabischen Schriften entiehnt."
' M. Polo, book 3 chap 6 S 586: . . . „in his dominions no young woman,
of a certain degrefj of beauty, can be given in marriagc, iintil she has been
first presented to the king. Those who proove agreeal)le to him he retains
for some time, and when they are di.smissed . he furnislies tliem with a sum
of money , in order that they may be able to obtain . according to their rank
in life, advantageous matches". . . . Hior/u bemerkt Marsden (Note 1174),
es lasse sich nicht feststollen, ob das ..droit du soigneur" in Tsiampa be-
standen habe.
3 Liebrecht 1864, S. 541, ebenso 1874, S. 141 und 1879, S. 419 do (luber-
natis. Indie S. 137.
* Romusat S. 116 — 118: . . . „Audivi illuin oum virgino simul in proxi-
Kapitel 45. Brahmaiien in Ostindien. 215
einzelnen Heiratlien, sondern jilhrlicli zu gewisser Zeit in meh-
reren Hausern. Von einem jus primae noctis ist hierbei keine
Rede. (xleichwohl beruft sich ein moderner Gelehrter auf
diesen Bericht fiir die an sich unklare Behauptung, dass in Cam-
bodja das jus priniae noctis jenem 1'riester ^aufliege" („in-
combe")*; woraus ein anderer Schriftsteller folgert, „dass in
Cambodja das jus primae noctis dem Buddha-Priester oder Tao-sse
gehore" ^. Ohne Grund erwahnt auch Liebrecht jenes Yerfahren
des Buddha-Priesters unter den vermeintlichen Beweisen eines
jus primae noctis ^.
d. Brahmanen in Ostindien.
Kapitel 45. Dalloz meint, die Brahmanen hatten die Erst-
linge (les premices) der neuvermiihlten Frauen gehabf^. Und
Angelo de CTubernatis versichert, im mittelalterlichen Indien hatten
die Brahmanen das jus primae noctis besessen ^. Er berichtet in
einem andern Werk, in Malabar fanden sich Brahmanen, die aus
religioser Pfiicht den jungen Madchen, bevor dieselben heirathen
konnten, das Zeichen ihrer Jungfraulichkeit abnahmen und sich
dafiir noch bezahlen liessen; selbst der Konig von Calicut raume
das jus primae noctis einem Brahmanen ein ''. Zur Erklarung
dieses Missbrauchs erwahnt de Gubernatis eine alte , in der Brah-
manen-Gesellschaft Indiens verbreitete und durch zahlreiche Ge-
mum ciilnculum ingredi, il)ique eam, maim adliibita, constuprare. Manum
deinde in vinum immittit. quo, si quibusdam credideris, pater, mater, proximi
tandem atque vicini, frontem signant; si aliis, vinum ore ipsi degustant.
Sunt ct qui sacerdotem puellae , pleno coitu misceri asserunt, alii contra
contendunt." Vgl. Koppen Bd 1 S 584: Lassen Bd. 4 S. 408. ,
1 Giraud-Teulon S 71. - Kulischer S. 223.
■^ Liebrecht 1879, S. 420.
** Dalloz, Dict. gen. Bd. 1 unter Adultere : . . . „Ailleurs les Bramines avaient
les pr6mices des jeunes mariees." Hier i.st kein be.stimmtes Zeitalter ge-
nannt; doch kann die Bemerkung auf das MittelrJter bezogen werden
5 de Gubernatis, Thiere S. 200.
•* de Gubernatis, Indie S. 137: . . . „trovarsi nel Malabar 1)ralimani, i quali,
come per unico loro compito religioso, levano il tiore della virginitii alle
fanciulle, che per questo li pagano e senza del che non potrebbero pigliar
marito. II re stesso di Calicut concede il jiis priniae noctis ad un brkh-
mano". . . . Vgl. de Gubernatis, Usi S. 197, 198 („idea di purificare la sposa").
Der Bericht ist so gefasst, als soUe 6r sich auf die Gegenwart oder
wenigstens auf die Neuzeit beziehen; doch kann er auch vom Mittelalter
verstanden werden, da der Titel des Werkes auf die Zeit vom dreizehnten
bis sechzchnten Jahrhundcrt verweist.
216 Kapitel 45. Bralimanen in Ostindien
dichte, Leg-endeu imd Xovellen bestatigte Yolksanschauung \ wo-
nach der Besuch eines Brahmanen als Segen fiir kinderlose Ehe-
gatten gelte, und insofern der Brahmane als Befruchter betrachtet
werde ^.
Nun ist zuvorderst klar, dass de Gubernatis in den angefiihr-
ten Stellen den Ausdruck jus primae noctis in einem andern Sinn
gebraucht, als in der seit dem achtzehnteu Jahrhundert herge-
brachten Bedeutung; denn nach dem Zusammenhang seiner Dar-
stellung wiirde das Yorrecht des Brahmauen darin bestehen, dass
er auf Begehren des Konigs oder anderer Manner eine durch
religiose Yorschriften eingefiihrte Handlung vornimmt und dafiir
eine Gobiihr empfangt. Insofern kann hier von einera Herren-
recht nicht gesprochen werden. Es ist aber auch nicht gerecht-
fertigt, die thatsachlichen Angaben von Gubernatis auf Treu und
Glauben als richtig anzunehmen, zumal da sein Bericht an meh-
reren Unklarheiten leidet ^, und der weitere Inhalt seiner Schrift
iiber das jus primae noctis , soweit derselbe sich auf das euro-
piiische Mittelalter bezieht, den Beweis liefert, dass der genannte
Gelehrte bei Untersuchung dieser Frage die Ansichten von Du-
cange und spatern Schriftstellern ohne ausreicliende Priifung fiir
richtig angenommen hat.
Hatten alle indischen Brahmanen, wie de Gubernatis anzu-
nehmen scheint, im Mittelalter oder in iilterer Zeit jenes Recht
besessen, das er mit dem Ausdruck jus primae noctis bezeichnet, so
miisste es leicht sein, dies zu beweisen. Es miissten dann die Be-
weise in der Sanskrit-Litteratur, namentlich in der Reclits-Littera-
tur, Indiens in Fiille zu finden sein. Zur altesten Sanskrit-Littera-
tur (Yeda-Litteratur) gehoren die bereits erwahnten «Hausregeln"
(Grihyasutras) ''; darin sind die Hochzeitsgebrauche der alten
Inder genau beschrieben; dort ware der Platz gewesen, von
dem fraglichen Recht der Brahmanen, wenn es bestanden hatte,
' Diese Volksanschauung soU durch ganz Indien verlireitct sein. jener
Missbrauch aber sich bloss in Makbar ausgebildet haben. (Vgl. Anm. 2.)
Fiir diese Inkongruenz giebt de Gubernatis keine ErklJirung.
- de Gubernatis, Indie S. 137: . . . „ruso di adoperare il brahmana come
fecondatore 6 antico nella societa brahmanica; e i poeml e le leggende e le
novelle dell' India, dove si parla di parenti che non possono aver figliuoli e
vorebbero averne , dimostrano come la visita di un brahmano non fu mai
inutile e divenne sempre una vera benedizione: solamente nel Malabar, oltre
air uso noi costatiamo Tabuso della cosa". Vgl. de Gubernatis. Usi S. 197, 198.
■* Vgl. beziiglich der Erbrechtsfrage oben Kap. 6 S. 34.
• A. Weber Bd. 5 S. 267—412. Stenzler 1865. Oldcnberg bei Weber Kd. 15
S. 1-166. Vgl. oben Kap. 27 S. 156, 157.
Ka])itel 45. Brahmaneii in O^^tindien. 217
Zeugniss abzulegen; daselbst ist aber Nichts davon zu finden.
Nacli Auskunft des Herrn Professors Dr. Jolly kommt aucli in
einig-en ungedruckten Werken dieser Klasse, die sonst manches
Eigenthiimliche enthalten, von einem derartigen Recht Nichts
vor. Zudem ist der Umstand verdachtig, dass das fragliche
Recht gerade den Brahmanen zustehen soll, die als Triiger der
Sanskrit-Litteratur doch gewiss nicht dariiber geschwiegen hat-
ten ^ Zu demselben Ergebniss fiihrt die Nachforschung in den
indischen Gesetzbiichern. Die geraume Zeit vor Christi Geburt
verfassten Gesetzbiicher des Apastamba und des Gautama ge-
wiihren einen klaren Einblick in die Sitten und Rechtszustiinde
der alten Inder, worin keine Spur von unsittlichen Gebrauchen
oder gar von einem jus primae noctis der Brahraanen zu finden
ist. Die darin enthaltene Strafbestimmung gegen einen Brahmanen,
der mit der Ehefrau eines Andern fleischlich verkehrt^, giebt
keine Andeutung einer dafiir moglichen Entschuldigung. Auch
in den Gesetzbiichern von Manu, Yajiiavalkya, Vishnu, Yasishi;ha,
Narada und Andern , kurz in allen bisher bekannt gewordenen
Gesetzbiichern des indischen Alterthums, deren Zahl sehr be-
deutend ist, findet sich (nach einer Auskunft des Herrn Professors
Dr. Jolly) nicht die leiseste Anspielung auf eine derartige Sitte.
Nach Bestimmungen der indischen Gesetzbiicher wurde auf die
Jungfraulichkeit der Braut ein so grosses Gewicht gelegt, dass
eine Ehe fiir ungiiltig erklart werden konnte, wenn die Gattin
bei Abschluss der Ehe nicht Jungfrau war: ferner dass der
Yater, der die Anzeige eines solchen Fehlers unterliess, bestraft
wurde , und dass der mit Unrecht gemachte Yorwurf jenes Man-
gels als schwere Beleidigung galt^. Hiermit ist die Annahme, dass
ein jus primae noctis bestanden haben konne, schwer vereinbar.
Zudem erortern die indischen Gesetzbiicher alle wirklichen oder
eingebildeten Yorrechte der Brahmanen mit solcher Yollstiindig-
keit, dass jenes Recht der Brahmanen , „selbst wenn es nur als
fromraer Wunsch existirt hiitte, sicherlich nicht iibergangen
worden ware" '. •
' Aus einem Brief des Herrn Prot. Jolly.
- Apastamba II, 10, 27 n. 11, bei Biihler S. 165: ..They declare, that a
Brahmana who has once committed adultery with a married woman of equal
class, shall perform one-fourth of the penance prescribed for an outcast."
3 Vgl. Manu 8. 224: NTirada 12. 34^ Manu 9, 72 uud 73: Yajnavalkya 2,
1. ()6: Vishnu 5, 44—46: etc.
* Aus einem Briefe des Herrn Prof. Jolly.
218 Kapitel 45. Brahmanen in Ostindien.
Eiiie Anfrage ^ nach den Quellen, worauf die Behauptung
von de Gubernatis beruhe, ist unbeantwortet geblieben, Zu-
folge besonderer Erkundigung habe ich dariiber (von Herrn Pro-
fessor Dr. Jolly) folgende Auskunft empfangen: „Mit der von
Gubernatis angefiihrten Volksauschauung, wonach der Besuch
eines Brahmanen als Segen fiir kinderlose Ehegatten gilt, sind
vielleicht Erzahlungen wie die von Nala und Damayanti gemeint,
wo gleich zu Anfang von einem Besuch des Damana, eines hei-
ligen Mannes, bei dem Konig Bhima erziihlt wird. Zum Lohn
fiir die gastliche Aufnahme, die er findet, schenkt Damana dem
bisher kinderlosen Ivonig drei Kinder. Freilich wird in diesen
und ahnlichen Fiillen der Brahmane keineswegs direct als Be-
fruchter betrachtet. Dies ist nur bei der Leviratsehe der Fall.
Bei der Leviratsehe aber handelt es sich um den Verkehr, nicht
mit einer Jungfrau, sondern mit einer kinderlos gebliebenen Frau
oder Wittwe. Die Ausiibung dieser Sitte, die schon Manu als
eine ,viehische' bezeichnet, ist nach den Cxesetzbiichern in der
Regel auf Verwandte beschrankt und kann nur in Ermanglung
von solchen (einer oder zwei Stellen zufolge) auf einen beliebigen
Brahmanen iibertragen werden." Aus diesen Anschauungen er-
klaren sich folgende vier Erziihlungen, von denen die drei ersten
iu dem grossen Ileldengedicht Mahabharata (d. i. grosser Krieg
der Bharata^) enthalten sind ; sie stammen dem Anschein nach
nicht aus der Zeit der urspriinglichen Abfassung des genannten
Epos, sondern aus brahmanischen Bearbeitungen spaterer Zeit.
Als Raja Cantanu, der Konig von Hastinapura (am oberen
Ganges, nordostlich von dem heutigen Delhi), der Urenkel des
grossen Konigs Bharata, gestorben war, folgte nicht sein altester
Sohn, Namens Devavrata (der auch mit dem Patronymikon Can-
tanava, d. i. Sohn oder Nachkomme des Cantanu, bezeichnet
wird), sondern die Herrschaft fiel an seine beiden Sohne zweiter
Ehe, zuerst an den iilteren, Citrangada, dann, nach dessen Tode,
an Vicitravirya. Denn Devavrata, der Sohn erster Ehe, hatte
auf die Nachfolge verzichtet und feierlich gelobt, unvermahlt zu
bleiben, weil nur dadurch sein Vater zu der zweiten Gattin,
Satjavati, gelangen konnte. Seit jenera schrecklichen Geliibde
wurde Devavrata mit dem Namen Bhishma (d. i. der Schreckliche)
bezeichnet. Vicitravirva starb kinderlos und hinterliess zwei Witt-
' Arch. f. Anthrop. Bd. 12 S. 268.
- BhArata heissen die Nachkommen des Stammvaters Bharata; iilinlieh wie
Vasishtha das von Vasihtha horriihrende Gesetzhuch ist.
Kapitel 4."). Brnhmancn in Ostindien. 219
wen, Ambika und Ambalika. Nun war es Sitte, dass beini Tod
eines Mannes, der keinen Solm hinterliess, sein Bruder oder
nachster Verwandter seine Wittwen zai sieh nalim und aus ihnen
Sohne fiir den Verstorbenen erweckte K Die Koni<;in-Muttcr
Satyavati bat deshalb den Bhishma , mit den Wittwen des Konigs
Vicitravirya demselben Sohne zu erzeugen. Bhishma berief sich
auf sein (Teliibde. Darauf wendete sich Satyavati an einen ihrer
eigenen Verwandten, den Brahmanen Vyasa, der ihren Wunsch
erfiillte^. Ambika gebar den Dhritarashtra, und Ambalika gebar
den Pandu. Nach einer andern Darstelliing war Vyasa ein Sohn
der Satyavati und des Rishi Paracara, also ebenfalls Halbbruder
des Vicitravirya , und er erfiillte in dieser Eigenschaft die be-
zeichnete Verpflichtung ^. Eine zweite Erzahlung lautet, der
Brahmane Dirghatamas habe auf Bitten des Konigs Bali, fiir
ihn Sohne zu erwecken , mit der Konigin Sudeslina fiinf Sohue
erzeugt '^. Nach einer dritten Erziihlung erhielt einmal der Konig
Saudasa (von Ayodhya) Besuch von dem beriihmten Brahmanen
Vasishtha, den er bat, mit seiner Frau einen Sohn fiir ihn zu
erzeugen ; Vasishtha gewahrte die Bitte und kehrte , als die
Konigin schwanger war, in seine Einsiedelei zuriick. Die Koni-
gin gebar darauf einen Sohn, Namens Agmaka, der als Sohn
des Saudasa erzogen wurde. Diese Geschichte wurde dem Arjuna
erzahlt, der daran Anstoss nahm. Deshalb wurde ihm zur Auf-
klarung mitgetheilt, Saudasa habe einst die Prophezeiung er-
halten, er miisse sterben, wenn er seine Frau umarme; er habe
1 Ueber diesen Grundsatz (Manu 9, 59 ff.) vgl. Wheeler Bd. 1 S. 58, 62,
Bd. 2 S. 583—585: Lassen Bd. 1 S. 780; Mayr S. 99.
^ Mahabhfirata , Ausg. von Calcutta. Buch 1 Vers 4273—4304: Ausg. von
Bombay, Buch 1 Kap. 106 Vers 1—32. Vgl. Wheeler Bd. 1 S. 50—62. be-
sonders S. 50, 51, 54.
3 Lassen Bd. 1 S. 776, 779—781. Wheeler Bd. 1 S. 60, 61. — Ein so
erzeugter Sohn hiess Kshetrajna-Sohn, d. i. auf dem Acker des verstorbenen
Bruders erzeugt. Lassen Bd. 1 S. 780, 781. — Es wird vermuthet, dass nach
der urspriinglichen Fassung der Dichtung Bhishma selbst der bezeichneten
Verpflichtung geniigte, und dass die Erzahlung von seinem Gcliibde und von
der Hiilfe des Brahmanen Vyasa (der als Verfasser des Mahabharata gilt) aus
der spiiteren brahmanischen Bearbeitung herriihrt. Vgl. A. Holtzmann Bd. 1
S. XI, Xn und S. 37, 88, 211: Wheeler Bd. 1 S. 58—63. Eine Bestatigung
dieser Vermuthung liegt darin, dass im weiteren Verfolg des Heldengedichts
Bhishma von den Sohnen des Dhritarashtra sowolil wie des Pandu als Gross-
vater bezeichnet wird.
^» Mahabharata, Ausg. von Calcutta, Buch 1 Vers 4172—4222. Ausg. von
Bombay, Buch 1 Kap. 104 Vers 1—56. Vgl. Lassen Bd. 1, 2. Aufl. S 669-671.
220 Kapitel 45. Brahmanen in Ostindien.
daber, um seineii Stamm fortzusetzen , zu jenem Ausweg ge-
griffen \ Endlich wird aus dem Bhagavata-purana eine Stelle an-
gefiihrt, wonach Angiras einem kinderlosen Krieger, Namens
Rathitara, Sohne erzeugte ^.
Aus diesen Dichtungen ist die durch Gubernatis bezeichnete
Yolksanschauung nicht zu entnehmen, und noch weniger seine
Behauptung von einem jus primae noctis zu begriinden. Yon
einem derartigen Recht weiss, wie mir ein Hauptkenner des indi-
schen Epos, Herr Professor Dr. Holtzmann zu Durlach, mitgetheilt
hat, das Mahabharata selbst in seinen spatesten Stellen Nichts
zu melden; und „die Zeit, aus welcher unsere epische Poesie
stammt, also die nachvedische Heldenzeit, weiss von jenem jus
absolut Xichts". Im Gegentheil dient der Inhalt der vorstehen-
den Dichtungen zur Bestatigung der Vermuthung, dass die Brah-
manen von einem Yorrecht, das ihnen bewilligt worden ware,
gewiss nicht geschwiegen hatten.
Hiitte ein jus primae noctis oder eine ahnliche Unsitte der
Brahmanen geherrscht, so miisste dariiber bei den indischen Ju-
risten des Mittelalters , welche die alteren Werke mit Commen-
taren versehen und zu Systemen verarbeitet haben, nahere Aus-
kunft zu finden sein. ' Davon ist aber Nichts bekannt geworden;
und Herr Professor Dr. Jolly hat mir auf Befragen bestiitigt,
dass sich bei jenen Juristen nirgends eine derartige Anschauung
oder Yorschrift finde.
In allgemeinen Darstellungen iiber Religion und Rechtsent-
wicklung der Inder ^ habe ich keine Spur von einem jus primae
noctis oder von einem ^ilhnlichen" Recht der Brahmanen ent-
deckt; und sowohl Albrecht Weber als auch Julius Jolly haben
mir die Yersicherung gegeben, dass ihnen aus der indischen Lit-
teratur keine Stelle iiber das jus primae noctis bekannt sei.
Hiernach ist es ungerechtfertigt, zu behaupten, dass die
Brahmanen Indiens, sei es im Mittelalter oder in alterer Zeit, ein
jus primae noctis oder ein „iihnliches" Recht besessen hiitten.
Allerdings gilt das Gresagte in der Hauptsaclie nur von den
Indern , soweit solche zur indogermanischen Yolksrace gehoren,
nicht von den im siidlichon Yorderindien verbreiteten Yolks-
' Mahabharata. Ausg. von Calcutta. Buch I Vers 4736 und 4737. auch
Vers 6787—6791; Au.sk. von Bombay. Buch 1 Kap. 122 Vcrs 21 u. 22. auch
Kap. 177 Vers 43—47. Vgl. Muir 2. Autl. Hd. 1 S. 4KS.
- Muir 2. Autl. Bd. 1 S. 224.
'■* Benfey, Indien, bei Ersch u. Grubcr Bd. 17. A. Weber Bd. 1 u. Bd. 2.
Dalloz. Rcp. 11870) S. 5-12.
Kapitel 4(5. Das „Fur.stliche" iu Russland. 221
stammen der Dravida-liace ^. Von den zur Dravida-Race geho-
rigen Malabaresen melden einige Seefahrer der Neuzeit, dass bei
Hochzeiten des Kaisers (Samorin) von Calicut und bei Hochzeiten
anderer vornehmer Herren die Priester ersucht wiirden, gewisse
Handlungen rait den Briiuten vorzunehmen ^. Die Mogliclikeit
ist nicht zu bestreiten, dass iihnliche Unsitten schon im Mittel-
alter bestanden. Doch ist dies bisher nicht bewiesen, und kann
daraus keinenfalls ein jus primae noctis der Brahmanen gefolgert
werden.
II. Rnsslaiid.
Eine Chronik iiber ,,das Fiirstliche".
Kapitel 46. Jacob Grimm schreibt : „In Russland musste
der leibeigene Briiutigam dem Herrn der Braut einen schwarzen
Marder liefern, und ISestor erziihlt, im Jahr 964 habe Olga das
Fiirstliche abgeschafft und dafiir jene Abgabe verordnet. Das
fiirstliche (Recht) bezieht man auf die Sitte alter Volker, bei
welchen die erste Nacht leibeigener Briiute dem Herrn gehorte." ^
Weinhold stellt die bestimmte Behauptung auf, in Russland
habe der Gebieter der Braut das jus primae noctis gehabt ^.
Scherr versichert, aus Russland werde glaubwiirdig bezeugt, dass
dort der Herr das Recht der ersten Nacht bei der leibeigenen
Braut gehabt habe ^. Post meint, das jus primae noctis sei in
Russland im Jahi 964 durch Olga abgeschafft worden; er schreibt
dariiber: „Dieses uralte Recht lost sich spater in eiue Abgabe auf
und verschwindet endhch als solche. Olga verordnete, dass statt
desselben vom Brautigam ein schwarzer Marder genommen wer-
den solle, woher noch bis vor Kurzem eine Abgabe, welche der
Brautigam fiir seine leibeigeue Braut dem Herrn derselben ent-
richtete, die Mardergabe hiess." "^ Liebrecht versichert, das jus
primae noctis sei im Mittelalter in Russland ^ beausprucht uud
geiibt worden^.
Alle diese Behauptungen sind auf eine Schrift von Joseph
1 Vgl. dariiber Andree S. 73. — Ueber die Polyandrie dieser Volksstiimme
8. oben Kap. 6 S. 35, 36.
2 Vgl das Nahere dariiber in Kap. 75.
3 Grimm. R.-A. 2. Ausg. S. 379, 380. Daraus: Michelet S. 263.
* Weinhold S. 194.
5 Scherr 1865, S. 129. ^ post Sr 38.
' Auch nach dem Jahr 964?
8 Liebrecht 1874, S. 138 und 1879, S. 416.
222 Kapitel 46. Das „Furstliche" in Russland.
Miiller aus dem Jalir 1812 und auf ein im Jahr 1826 er-
schienenes Werk von Ewers zuriickzufiihren. Miiller und Ewers
stiitzen sich auf v. Schlozer's Arbeiten vom Jahr 1809, und zwar
auf einen darin erwahnten Ausspruch des russischen Schrift-
stellers Tatisczev, der sich bei einer Stelle der russischen Chronik
an das fragliche Herrenrecht erinnerte. Obwohl Ewers den Ta-
tisczev als einen „durchaus unkritischen Gewahrsmann" bezeich-
net" , nehmen doch Miiller und Ewers die fragliche Stelle der
russischen Chronik fiir acht an; und sie meinen, darin sei die
Rede von dem jus primae noctis, welches friiher in Russland
stattfand ^. Einen Hauptgrund fiir diese Meinung findet Ewers
darin, dass ein solches E.echt in andern Landern gegolten habe
und in Urtheilen der Senechaussee de Guyenne vom 13. Juli 1302
und des Parlaments zu Paris vom 19. Mai 1409 formlich anerkannt
worden sei ^. Nun ist aber das angebliche Urtheil vom Jahr 1302
eine falschlich angefertigte Urkunde ^ , und das Urtheil vom Jahr
1409 hat keinen Zusammenhang mit dem fraglichen Herrenrecht "^.
Damit fiillt die Hauptstiitze hin, worauf Ewers seine Meinung er-
baut hat. Zwar bemerkt er, in Russland fiihre eine Abgabe, die
der Briiutigam fiir seine leibeigene Braut dem Herrn derselben
entrichte, noch jetzt den Namen nMardergabe" ^. Allein daraus
kann hochstens die Yermuthung hergeleitet werden, dass als Ab-
gabe Anfangs ein schwarzer Marder, spater eine Geldsumme zu
entrichten war. Die weitere Hypothese von Ewers , Olga habe
ira Bereich ihrer Familienbesitzungen die Hauptlinge bewogen,
sich die Ablosung ihres personlichen Rechts fiir einen bestimmten
Preis gefallen zu lassen *•, ist unvereinbar mit seinem Bericht,
dass die Ablosungssumme nicht bloss an die Herren, sondern
auch an die Geistlichkeit zu zalilen gewesen sei. Abgesehen von
diesen allgemeinen Griinden, ist leicht naclizuweisen , dass die
Meinung von Ewers unhaltbar ist.
Ueber Olga, Wittwe des im Jahr 945 in einem Feldzug
gegen die Drewier erschlagenen Grossfiirsten Igor, die fiir ihren
Sohn Sviatoslav Igorevicz die Vormundschaft fiihrte und Reichs-
verweserin war, wird aus der Zeit um 964 gemeldet: „Damals
schaffte Olga das Fiirstliche ab und verordnete, dass der Briiuti-
1 .1. Muller S. 220, Anm. 97: Ewers S. 70.
2 Ewers S. 71 u. 7o.
* Kap. 62. ♦ Kap. 63.
5 Ewers S. 72. Vgl. J. Miiller S. 220.
6 Ewers S. 73.
Kapitol 46. Das „Fiirstliche" in Russland. 223
SO
gam einen schwarzen Marder an den Fiirsten entriclite, und
auch der Bojar von seinem Unterthan nehmen soUe." ^ Diese
Stelle ist nicht, wie Jacob Grimm aus Ewers entnimmt, eine Er-
ziihlung Nestor's, sondern ein spjiteres Einschiebsel der russischen
Chrouik ^. Ein Monch im llohlenkloster (peczerskij monastyr) zu
Kiew, Namens Nestor, geboren im Jahr 1056 und gestorben im
Jahr 1116 oder etwas spater, soll einige Jahre vor seinem Tode
eine russische Chronik in slavonischer Sprache geschrieben haben ^
die demniichst von Abt Sylvester und zwei ungenannten Monchen
bis zum Jahr 1203 fortgetzt wurde ^ Das Original von Nestor's
Clironik ist verloren gegangen; die iiltesten bisher entdeckten Ab-
schriften stammen aus der mongolischen Periode ^. Es entstanden
wahrend der mongolischen Herrschaft (1224 — 1462) und spiiter
zahlreiche Abschriften m.it willkiirlichen Zusatzen und Aenderun-
gen bis zum Jahr 1630, so dass mehr als fiinfhundert Jahre mit
der russischen Chronikenschreiberei vergingen ^. Das Alter der
einzelnen Handschriften ist schwer zu bestimmen, da nach Ver-
sicherung v. Schlozer's wenigstens zu seiner Zeit (1802) eine
slavonische Diplomatik in Russland noch unbekannt war ^. Im
Jahr 1732 begann der erste Druck einer Uebersetzung, und zwar
nach einer einzelnen Abschrift ^. In den Jahren 1768 — 1784 er-
schienen v^er Folianten von Ausziigen aus einer Menge von Hand-
schriften bis zum Jahr 1462, die der im Jahr 1750 verstorbene
Tatisczev (Geheimer Rath und Gouverneur von Astrachan) seit
1720 vorbereitet hatte^. Von 1767—1800 wurden zwolf Hand-
schriften der russischen Chronik gedruckt ^°. v. Schlozer hat diese
zwolf gedruckten und noch neun ungedruckte Handschriften mit-
einander verglichen und den Versuch gemacht, daraus den ur-
< Tatisczev bei v. Schlozer Bd. 5 S. 127 : „Togdash otrieszi Olga kniasheje,
i uloshila brat' ot shenicha po czernie kunie , kak Kniaziu tak Bojarinu ot
jego poddannago." Vgl. J. Miiller S. 131 (wo sich folgende unklare Ueher-
setzung findet: „Damals schafFte Olga das Fiirstliche ab , und verordnete, von
dem Briiutigam zu einem schwai-zen Marder zu nehmen , dem Kniisen sowohl
als den Bojaren von seinem Unterthan") : Ewers S. 70.
2 V. Schlozer Th. 5 S. 126, 127.
3 V. Schlozer Th. 1 S. 3—9; Potthast S. 463 und S. 1009.
* V. Schlozer Th. 1 S. 16. 17. Vgl. hiergegen jedoch Rjumin Bd. 1. Einl.
S. 1-3.
5 V. Schliizer Th. 2 S. 14, 287, 295, Th. 5 S. 5.
" V. Schlozer Th. 1 S. 20—22, 53—56, 83. ..-■
' V. Schlozer Th. 1 S. 41, Th 2 S.-287.
8 V. Schlozer Th. 1 S. 80. » v. Schlozer Th. 1 S. 92. 107, 108.
1« V. Schlozer Th. 2 S. I.
224 Kapitel 46. Das ..Fiirstliche" in Russland.
spriinglicheu Text Nestor's wiederherzustellen ^ Seitdem scheiuen
diese Arbeiten fortgesetzt zu seiu ^.
Die vorbezeichnete Stelle liber ^das Fiirstliche", welches
Olga im Jahr 964 abgeschafft haben soll, steht in keiner von den
Handschriften, die v. Schlozer verglichen hat. Er versichert, sie
sei ein Einschiebsel, das sich bloss bei Tatisczev finde. „You dieser
Stelle sagt Tatisczev, Anmerkung 135, S. 329, er habe sie einzig
und allein im Cod. Raskoln. gefimden." ^ Aus welcher Zeit dieser
Codex stammt, wird nicht berichtet. Es liegt nahe, zu vermuthen,
dass er aus verhaltnissmassig spiiter Zeit herriihrt; denn es liesse
sich nicht erklilren , dass diese Stelle Jahrhunderte lang bei allen
neuen Abschriften unbemerkt blieb , wenn sie schon in einer alten
Handschrift gestanden hiitte.
Mithin kann die fragliche Stelle weder dem ersten Verfasser
der russischen Chronik zugeschrieben, noch iiberhaupt mit Sicher-
heit fiir eine Nachricht des Mittelalters ausgegeben werden, und
es bedarf keiner naheren Priifung, ob und inwieweit die russische
Chronik fiir die Geschichte von Olga und Sviatoslav ^ Glauben
verdient. Allein selbst wenn jene Stelle AVahrheit enthielte, so
konnte sie doch nicht zu der Meinung berechtigen, dass Olga
das jus primae nocti^ vorgefunden und abgeschafft habe. Ta-
tisczev sagt (nach v. Schlozer's Bericht) , die Bedeutung des Aus-
drucks „das Fiirstliche" (kniasheje) sei „nicht voUig bekannt";
„doch denkt er an die Sitte alter Volker, bei denen die erste
Nacht leibeigener Braute den Herren gehorte, und citirt dabei
den Herodot IV, 34 und Justin. Dieses schandliche Recht habe
Olga, wahrend ihr Sohn im Feld war (und sie sich doch noch
mit der Staatsverwaltung abgab), in eine Geldabgabe verwandelt;
und diese werde noch bis auf den heutigen Tag bei Hochzeiten
an die Herren und die Geistlichkeit entrichtet." '" Hiernach wird
jener Ausdruck mit dem Recht der Herren auf ,die erste Nacht
leibeigener Braute" nur deshalb in Verbindung gebracht, weil
1 V. Schlozer Th. 2 S. III u. IV. ^ Vgl. Rjuniin, Einl. zum 1. Bd.
3 V. Schlozer Th. 5 S. 127. — Der vollstandige Titel dieses Codex. der dem
Tatisczev selbst gehorte, lautet: ..Roscoln. Golytz. Poviest' vremiannych diej
Nestora , Czernoriztza Feodo.s.jeva Peczerskago monastyria.'" Vgl. v. Schlozer
Th. 2 S. 4.
* Dieser Theil ist nehst Uehersetzung und Commentar bei v. Schlozer
Th. 5 S. 1—186 abgedruckt. Vgl. die Kritik Th. 5 S. T, 8.
* V. Schlozer Th. 5 S. 127. Vgl. J. Miiller S. 220. — Welche Stelle aus
den Schriften von Justinus Martyr in vorstehenden Citaten gemeint sei, ist
nicht angegeben.
Kapitel 47. Das jus primae noctis in Deutschland. 225
Tatisczev, ein Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts, meint,
eine derartig-e Unsitte habe bei altcn Volkern geherrscht. Doch ist
eine Berechtigung fiir diese Annahme weder aus Herodot noch aus
Justin zu entnehmen. Zudem ist die Erkhirung auch insofern unver-
standlich, als darin zwei verschiedene Abgaben (an die Herren und
an die Geistlichkeit) ohne jede Begriindung gleichgestellt werden.
v. Schlozer berichtet, Jelagin sei der Einzige, der von dieser
Stelle Notiz genommen habe. Jelagin zweifelt nicht daran, dass
hier „das im alten Europa allgemein (?) geltende Droit du seig-
neur (Jus primae noctis) gemeiht sei: eine Folge des barbarischen
Lehenrechts, welches ja anfanglich, bekanntlich , auch in Russ-
land stattgehabt. Noch jetzo werde die Geldabgabe, die der
Briiutigam fur seine Braut bezahlt, kunicznoje (bei Heym kunitza)
genannt". v. Schlozer setzt hinzu : „So hatte sich also ein fiir die
alte russische "Welt wichtiges Factum nur in einem einzigen Co-
dex geborgen." ^ Schon diese letzte Bemerkung, in Verbindung mit
dem Fragezeichen hinter ^allgemein", deutet an, dass v. Sclilozer
den Erklarungen von Tatisczev und Jelagin keinen Beifall spendet.
Deutlicher ist dies durch eine Nachtragsbemerkung ausgedriickt,
die unter den Berichtigungen steht: „S. 127. Grupen in Uxor
theotisca p. 8 beweist, dass das jus primae noctis ein schottisches
Marchen sei." ^ In der Geschichte Russlands von Bestushew-
Rjumin findet sich keine Erwiihnung jener Erzahlung, obwohl
darin berichtet wird, dass Oleg den Drewlanen die Verpflichtung
auferlegt habe, einen schwarzen Marder vom Rduchfang zu zahlen,
und obwohl die Thatigkeit 01ga's bei Feststellung der Abgaben
in ausfiihrlicher Darstellung geschildert wird ^.
Aus allen diesen Griinden fehlt eine Berechtigung fiir die
Behauptung, dass in Russland das jus primae noctis bestanden
habe und durch Olga abgeschafft worden sei.
III. Deutsclilaiid nnd Schweiz.
a. nnbestiminte Nachricliten aus Dentscliland.
Kapitel 47. Viele Schriftsteller des achtzehnten und neun-
zehnten Jahrhunderts * sind der Meinung-, in Deutschland habe
1 V. Schlozer Th. 5 S. 127. 2 v. Bchlozer Th. 5 S. 215.
3 Rjumin S. 82, 83.
* Keysler § 64 S. 484; Westphal §§ 11, 12, S. 37—40; Pars S. 182;
V. d. Schelling Bd. 1 S. 146, 147, § 16; Johnson S. 230 in der Anm. ; v. Alvens-
leben zu Fellens S. 148; Dulaure, Gesch. d. Adels S. 241, 242; Merlin, R6p.
Schmidt, .Jus prinaae noctis. 15
226 Kapitel 4". Das jus primae noctis in Deutschland.
das Herrenrecht der ersten Nacbt bestauden. Ein Artikel der
Augsburger Allgemeinen Zeitung bestreitet zwar die Ricbtigkeit
dieser Annabme , will aber zugeben, dass in einzelnen Gegenden
sicb Andeutungen fiinden, wonach jenes Recht „per nefas in An-
wendung gebracbt worden sei" *. Georg Ludwig v. Maurer be-
merkt, in Deutscbland fanden sicb nur wenig Spuren von jenem
Recht ; und Christian Meyer meint , aus der Zeit des Mittelalters
sei „von einer tbatsacblicben Ausiibung des sogenannten jus pri-
mae noctis in Deutschland eine sichere urkundlicbe Beglaubigung
nicbt aufzufinden" ^. Keysler bebauptet, unter dera Namen „jus
cuuuagii" sei bei uusern Yorfabren ein Recbt gebrtiucblich ge-
wesen, welcbes den Fiirsten und allen Dynasten, so oft Jungfrauen
aus ibrer Herrscbaft heiratbeten, die erste Yerletzung und Yer-
kostung der jungfriiulichen Keuschbeit iiberlassen babe ^. Andere
behaupten , der Braucb des jus primae noctis habe bei den Deut-
schen im Mittelalter vielfach stattgefunden*; dies Recbt sei im
europaischen Mittelalter bekanntermassen in Deutscliland ebenso-
wobl wie anderwarts beansprucht und geiibt worden^; es habe
sich in Deutschland langer erhalten, als manches andere aus dem
Feudalismus bervorgegangene Herrenrecht "^ ; die Herren in Deutsch-
land hatten die Ausiibuug jenes emporenden Rechts bis ins acbt-
zehnte Jabrhundert binein gefordert ^.
Auf die Frage, in welcben Tbeilen Deutscblands jenes Recht
gegolten habe oder ausgeiibt worden sei, geben die meisten
Schriftsteller keine Antwort. Doch balt Ludwig v. Alvensleben
die Lausitz fiir das Land, wo sich die Ausiibung jenes Rechts
in Deutschland am langsten erhalten habe ^. Sugenheim meint.
unter Markette : Diimge S. 20, 28: v. Hormayr 1832. S. 38 und 1842, S. 146:
Kolb 1842, S. 497: Nork S. 190—192: Delpit S. 65, 66; de Labessade
Nr. 47 S. 24: Weinhold S. 195: Scherr 1858, S. 212 (und 1870, S. 237. 288):
Scherr 1865, S. 129; Liebrecht 1864, S. 541; v. Schmitz S. 232: Liebrecht
1874, S. 138: Post S. 38; Kulischer S. 224, 227, 228: Liebrecht 1879, S.
416, 418.
1 Augsb. Allg. Ztg. V. 18. April 1868. Nr. 109 S. 1662.
2 V. Maurer Bd. 3 S. 169: Chr. Meyer S. 365. ^ Keysler § 64 S. 484.
* Kulischer S. 227. ^ Liebrecht 1879, S. 416.
« V. Alvensleben zu Fellens S. 148. ' Dulaure, Adel S. 241, 242.
« V. Alvensleben zu Fellens S. 148. — Eine Andeutung iiber das angebliche
jus primae noctis der Lausitz findet sich schon in einer Anmerkung des
Uebersetzers von Johnson (S. 230): ..Wo mir recht ist, so findet dieses niim-
lichc Herrenrecht bei uns noch in den wendischen Dorfern dcr Lausitz statt,
wo der Briiutigam die primam noctem seiner Braut mit Erlegung eines Du-
katen bei dem Gutsherrn losen muss."
Kapitel 47. Das jus primae noctis in Deutschland. 227
in Bayorii hiitten bis zti den letzten Decennien des achtzehnten
Jahrhunderts die Leibherren sich jenes Recht anzueignen gewusst ^
Daraus iolgert ein spaterer Schriftsteller, jenes Recht sei noch
in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts von den Grundbesitzern
in Bayern in der primitiven Form ausgeiibt worden ^. In einer
andcrn Schrift findet sich die Meinung, das jus primae noctis
erscheinc „in so manchen Gegenden des siidlichen Deutschlands
wirklich als erwiesen" , dagegen sei es ^stark zu bezweifeln",
dass es in der Umgebung von Soest (in Westfalen) gegolten habe ^.
In Wahrheit liegt nicht die mindeste Berechtigung zu der
Annahme vor, dass in irgend einem Theil der zum Deutschen
Reich vereinigten Liinder zu irgend einer Zeit das jus primae
noctis gegolten habe oder auch nur thatsachlich ausgeiibt worden
sei. Kein Schriftsteller hat fiir die angefiihrten Behauptungen
einen directen Beweis zu erbringen versucht. Dies gilt auch von
den Behauptungen, die durch ihre Fassung bei dem Leser die Yor-
stellung erwecken, als beruhten sie auf urkundlichen Beweisen.
Es wird behauptet, in Deutschland seien Gesetze zur Bekampfung
jenes Rechts erlassen, und die Geistlichkeit habe versucht, dagegen
einzuschreiten ^; allein es fehlt eine Bezeichnung dieser Gesetze und
Massregeln, die in der Tliat nicht existiren, In Ermanglung direc-
ter Beweise konnen die vorbezeichneten Meinungen nur auf Indi-
cien oder Vermutliungen gestiitzt werden. IS^un ist es aber undenk-
bar, dass jenes Recht in Deutschland als giiltig anerkannt oder
auch nur thatsachlich ausgeiibt sein sollte, ohne in irgend einer
Urkunde oder von irgend einem deutschen Schriftsteller vor dem
achtzehnten Jahrhundert erwahnt zu werden. Liebrecht meint,
es miisse in Deutschland bestanden haben und ausgeiibt worden
sein, weil es „einst fast iiberall existirte und geiibt wurde" ^.
Ein anderer Schriftsteller entnimmt aus dem Xamen einer bei
Eigenthumsiibergangen in Wetzlar giiltig gewesenen Abgabe die
Yermuthung, dass jenes Recht in Deutschland allgemein bekannt
gewesen sei ''. Ferner wird in der Beschaffung ^schoner Frauen"
eine ^Ausdehnung des droit du seigneur" ' gefunden. Diese Bei-
spiele kennzeichnen die Unhaltbarkeit der Yermuthungen, aus
denen gefolgert wird, das jenes Recht in Deutschland gegolten
1 Sugenheim 1861, S. 374. Vgl. Welsch S. 2.
2 Kulischer S. 228. ^ ^. Schmitz S. 232. ^ Scherr 2, Aufl. S. 212.
^ Liebrecht 1869, S. 811 und 1879, & 418.
« Kulischer S. 228. Vgl. daruber oben Kap. 2 S. 10.
' Anz. f. Kunde d. deutschen Vorzeit Bd. 6. S. 136.
15*
228 Kap. 48 und 49. Die Zwingherren von Ravenstein und von Yatz.
habe. Die Meinung zahlreicher Schriftsteller, dass aus deutschen
Heirathsabgaben und aus deren Benennungen auf ein jus primae
noctis geschlossen werden konne, ist im Kapitel 22 widerlegt.
b. Aufstacd gegen die Zwinglierren von Ravenstein.
Kapitel 48. Freiherr v. Hormayr erzahlt, es habe in
Deutschland stets als unertragliche Tyrannei gegolten, wenn ein
Burgherr das Recht der ersten Nacht wirklich an Haut und Haar
ausiibte; „die Zwingherren von Persen, von Ravenstein und von
Vatz erweckten dadurch den Aufruhr, der sie vertrieb" ^. So-
weit diese Nachricht auf Zwingherren von Persen und von Yatz
sich bezieht , gehort sie nicht in das Gebiet des gegenwartigen
Deutschen Reichs ; die Herren von Persen wohnten in Siid-Tirol ^
und die Herren von Yatz in der Schweiz ^. Daher wiirde die
K^achricht im gegenwiirtigen Kapitel nur beziiglich der Herren
von Ravenstein zu priifen sein. AUein hier ist vollig ungewiss,
auf welche Herren die Nachricht sich bezieht. Es gab eine
Herrschaft Ravenstein an der Maas, die aus eiuer kleinen Stadt
und zwolf Dorfern bestand % ferner ein Bergschloss Rauenstein
im sachsischen Erzgebirge '" und ein Bergschloss Rauenstein in
Sachsen-Meiningen ^. Leider hat Herr von Hormayr fiir seine
Xachricht keine Quelle angegeben, so dass sie bis zur Entdeckung
naherer Aufklarung nicht beriicksichtigt werden kann.
c. Aufstand gegen die Zwinglierren von Vatz.
Kapitel 49. "Wie zu Anfang des vorigen Kapitels gesagt
ist, behauptet Freiherr v. Hormayr, die Zwingherren von Yatz
hiitten dadurch, dass sie das jus primae noctis „an Haut und
Haar" ausiibten, den Aufruhr erweckt, der sie vertrieb ^. Er
giebt nicht an, wie er zu dieser Nachricht gelangt ist. Mag
nun aber die Behauptung auf eigener Erfindung^ oder auf der
Erzahlung eines andern Schriftstellers berulien, jedenfalls ist sie
» V. Hormayr 1832, S. 38 und 1842. S. 146.
■■« Vgl. Kap. 50. 3 vgl. Kap. 49.
* Biisching 4. Theil S. 194, 195.
5 Busching 3. Theil, 2. u. 3. Bd S. 2764.
6 BUsching 3. Theil, 2. u. 3. Bd. S. 2942.
' v. Hormayr 1832, S. 38 und 1842, S. 146.
^ In einem gefalligen Schreiben des Herrn Professors Dr. E. Rochholz zu
Aarau ^vird jene Behauptung auf die „forcirte Anekdotenjiigerei" des Autors
zurlickgefiihrt.
Kapitel 49. Die Zwiiigherren von Yatz. 229
uiil)egrundet, wie sich leicht nachweisen las.st. Die Freiherren
von Vatz (de Vatio) waren Landosherren in einem Theil Grrau-
l)iindtens und nahmen schon im Jahr 1160 einen hohen Rang
unter dem rhatischen Adel ein. Ihre Geschichte ist aus Urkun-
ilen und sonstigen Quellenwerken wohlbekannt ^ Der Mannes-
stamm dieses beriihmten Hauses erlosch mit Johann Donat von
Vatz, der zwischen 1380 und 1338, wahrscheinlich 1333 oder
1335, starb. Seine Herrschaft vererbte sich auf seine beiden
Schwiegersohne , den Grafen Friedrich von Toggenburg und den
Grafen Rudolph von Werdenberg-Sargans. Donat fiihrte Fehde
mit Rudolph Montfort, Bischof von Chur, und besiegte denselben
in der Schlacht bei Villisur, unweit des Schlosses Greifenstein,
im Jahr 1323. Ueber Johann Donat von Vatz sind mancherlei
Erziihlungen verbreitet, die ihn als einen Feind der Geistlichkeit
und als einen schrecklichen Tyranuen schildern ^. Darunter findet
sich eine Erziihlung, wonach er als unbussfertiger Siinder auf dem
^ Vitoduranus S. 103. 104 (aus pag. 72 uiul 73 der Handschrift); Stumpff
Bd. 2, Buch 10, Kap. 12, Blatt 308; Campell Bd. 1 und Bd. 2 an vielen
Stellen; v. Salis-Seewis in Schweiz. Gesch.-F. Bd. 1 S. 250—313 und S. 488
bis 500; Tschudi Theil 1, Buch 5 zum Jahr 1380; Leu Bd. 18 S. 456—458.
2 Vitoduranus zum Jahr 1323, S. 103, 104 (pag. 72, 73 des Manuscr.) :
„Dominus de Vazz jam memoratus tantam seviciam et tirannidem, quamvis
jurisperitus seu canonista foret, in hostes suos exercuit, quod ipsos captos
in multo numero quandoque laute refecit cibo potuque, carceri postea incon-
tinenti, nunquam ultra panem comesturos, mancipandos. Fama communis de
ipso volans protestatur , ipsum tante duricie extitisse ac ob.stinate malicie,
quod quandocunque suos captivos seu turri inclusos audivit lamentabiliter pre
nimia fame ac carceris swalore et horrore ejulare et clamare , exultavit non
modicum, dicens : ,Iste sunt avicule mee dulciter in mei8 auribus personantes!'
Iste cum diu episcopatum Curiensem vexasset et bona ipsius plurima sibi
usurpasset et tandem in lectum infirmitatis ad mortem decidisset et anmonitus
fuisset, quod anime sue salutem confitendo peccata sua procurasset, more fide-
lium de hoc mundo transmigrancium , respondit, in malicia sua nimis indura-
tus: ,Ego confessionem, licet ipsam faciendam fore optime noscam, non faciam,
quia salubris michi nequaquam esse poterit, sed frustratoria, cum eam absque
contricione penitus agerem.' Et sic heu absque penitencia et omni satis-
factione et emenda, quod est miserabile et horribile dictu, ab hoc seculo de-
cessit" . . . Vgl. ferner Carapell Bd. 1 S. 57 : ..Einst lud er drei seiner Un-
terthanen zu einem reichlichen Mahle. Nach dem Essen musste auf seinen
Befehl der Erste sich heftige und unausgesetzte Bewegiing machen, der
Zweite daa Namliche, aber nur mit Massigung thun, der Dritte jedoch schlafen.
Dann habe er aber allen Dreien den Leib aufschneiden lassen, um sich zu
iiberzeugen , welche Beschaftigung die geeignetste zur Verdauung gewesen,
und hierbei bemerkt, dass der Zweite am besten verdaut habe." Ferner
Campell Bd. 1 S. 147 betr. das Kloster Curwalden.
230 Kapitel 50. Gundobald von Pergine.
Krankenbett starb. Diese Erzahlungen beruhen zum grossen
Theil auf Volkssage oder Erfindung. Schon Johann von Winter-
thur, der Zeitgenosse Donafs, beruft sich fiir die iiber ihn mit-
getheilten Erzahlungen auf die „fama communis"; und nicht ohne
Grund bemerkt Conradin v. Mohr, dass die angeblichen Grau-
samkeiten des Donat von Yatz vor der strengen historischen
Kritik nicht bestehen kijnnen *, Wie dem aber auch sein mag,
keine einzige Erzahlung aus seinem Leben enthalt eine That-
sache, woraus der Bericht des Herrn von Hormayr entnom-
men sein konnte. Kein Geschichtschreiber meldet Etwas von
einem Aufruhr gegen Donat von Yatz oder von dessen Yer-
treibung; Alle stimmen darin iiberein, dass er bis zu seinem
Tode in seiner Herrschaft geblieben ist; und es findet sich keine
Andeutung davon, dass er das jus primae noctis oder iiberhaupt
ein schmachvolles Recht in Anspruch genommen oder gar aus-
geiibt habe. Zwar hat von Hormayr nicht gesagt, dass er von
der schweizer Familie von Yatz rede; und nach dem Zusammen-
hang der fraglichen Stelle konnte man vermuthen , er meine
eine deutsche Familie desselben Namens. Indessen ist meines
Wissens von einer solchen Familie im Gebiet des Deutschen
Reichs Nichts bekannt.
ly. Oesterreich.
Aufstand gegen Gundobald von Pergine (Persen) in Siid-Tirol.
Kapitel 50. Bei einigen Schriftstellern des neunzehnten
Jahrhunderts findet sich die Behauptung, die Herren von Pergine
in Siidtirol hiitten das jus primae noctis ausgeiibt^. Tommaso
Gar berichtet, nach dem Tod Friedrichs von Pergine, der um 1050
lebte, habe dessen Sohn und Nachfolger Adalbert zu friiheren
Missbriiuchen den Anspruch auf die Jungfrauschaft der Braute
hinzugefiigt ; und diese Gewaltthaten und Bedrtickungen seien
unter Adalberts Sohn, Gundibald, zum Uebermass gewacbsen.
Er meint, jener „Anspruch auf die Jungfrauscliaft der Braute"
sei zu damaliger Zeit, also etwa um 1100, weit verbreitet ge-
wesen: „Dieser dumme und thierische Missbrauch, der die mensch-
' V. Mohr zu Campell Bd 1 S. 57 und 71.
^ Vgl. z B. V. Hormayr 1832, S. 38 und 1842 S. 146: „Die Zwingherren
von Persen . . . erweckten dadurch den Aufruhr , der sie vertrieb": Chabert
Abth. 2 S. 32: „Der grausame Gondebald von Pergine ttbt das jus primae
noctis": Kulischer S. 228: ..Ein urkundliches Zeugniss iiber die Existenz
dieses Brauches fiiiden ^vir aucb in Wiilsch-Tvrol.''
Kapitel 50. Gundobald von Pergine. 231
liche Wiirde in ihrer zartesten Empfindung verletzt, war zu jenen
Zeiten unter die Hoheitsrechte aufgenommen worden, und wurde
nicht allein tliatsachlicii ausgeubt oder in giinstigeren Fallen
durch Geld losgekauft, sondern war auch in dem offentlichen
Recht eines fremden geistlichen Fiirstentimms schnuililicher Weise
erwahnt." ^
Diese Behauptungen stiitzen sich tlieils direct, theils indirect
auf eine Urkunde vom Jahr 1166, gegen deren Aechtheit keine
Bedenken bestehen ^.
Zum allgemeinen Verstiindniss mag Folgendes dienen. Der
Marktflecken Pergine (zu deutsch Persen) liegt zwischen Trient und
Bassano, wo das Yalsugana mit dem Valle del Fersina zusammen-
trifft, auf dem schonen AVege von Trient zum Lago di Caldonazzo.
Im Siidosten des Marktfieckens , auf einem freien Hiigel, steht
noch jetzt die alte Burg (mit prachtvoller Aussicht vom Schloss-
thurm), wo vormals die durch Mord, Brand und Raub beriichtigten
Herren von Pergine residirten ^. Ausserhalb des Ortes an der
Landstrasse nach Trient, an dem Platz des jetzigen Franziscaner-
klosters, stand das Benedictinerstift Wald, das im Jahr 1877
durch Ueberschwemmung zerstort wurde '^. Schon in einer Ur-
kunde vom Jahr 845 iiber einen Prozess, der zu Trient vor den
Abgesandten des Kaisers Ludwig und des Herzogs Liutfred ent-
schieden wurde, findet sich unter den Schoffen der Name Avar-
dus de Perfines^. Kaiser Conrad IL verschenkte im Jahr 1027
das Herzogthum Trient, wozu damals die Herrschaft Pergine
gehorte, an den Bischof von Trient''. Es scheint jedoch, dass
die Bischofe nicht lange eine directe Herrschaft iiber Pergine aus-
iibten, sondern dass bakl eine Ritterfamilie von baverischer Abstam-
1 Gar S. 17; de Gubernatis, Usi S. 200, 201. — Aus der Stelle von Gar
ist nicht zu ersehen, au welches geistliche Furstenthum er gedacht hat.
Ebensowenig findet sich dort eine Begriindung der Behauptung, dass zu dama-
ligen Zeiten der ..Anspruch auf die Jungfrauschaft der Briiute" unter die
Hoheitsrechte gezahlt wurde. Es scheint also, dass Tommaso Gar diese That-
sache als notorisch ansieht oder, mit andern Worten, mit einer vorgefassten
Meinung den Einzelfall gepriift hat.
2 Bonelli (Bd. 2 S. 435, Anm. a) versichert, er habe die Trkunde (im
Original, wie es scheint, nach Bd. 1 S. 17) von Simon Bartolomei mitgetheilt
erhalten, und sie sei bereits von Marzari, lib. 1 fol. 67, und Pagliarini, lib. 1
fol. 21 , und zwar von Letzterm aus dem Libro antico dell' Archivio di Vi-
cenza, carte 79, veriifFentlicht worden. Damit ist die Anm. d bei Bimelli
Bd. 1 S. 17 berichtigt. Vgl auch Gar g. 27.
3 B. Weber S. 511—516. * B. Weber S. 513.
5 Muratori Bd. 2 S. 9Tl. ^ Gar S. 15.
232 Kapitel 50. Gundobald von Pergine.
mung (unter Lelmsherrliclikeit der Bischofe von Trient) zur Herr-
schaft iiber die durch mehrere Ortschaften gebildete Gemeinde
Pergine gelangte \
Die Urkunde vom Jahr 1166 wurde in dem genannten Bene-
dictinerkloster notariell, in lateinischer Sprache, aufgenommen.
Sie enthalt zahlreiche Sprachfehler, Liicken und undeutliche
Stellen. Aus dem Schluss lasst sich nicht ersehen , ob sie von
den im Text genannten Personen unterschrieben ist. Nach einem
Abdruck vom Jahr 1760, von dem nicht feststeht, ob er
nach einer korrekten Abschrift erfolgte , lautet der Inhalt :
„Im Namen unseres Herrn [Jesu Chrijsti. Im Jahr Seiner Ge-
burt 1166, in der vierzehnten Indiction, am dritten Mai-, ini
Kloster der Monche von Wald bei dem Marktflecken Persen , im
Saal der gewohnlichen Zusammenkiinfte zu Versammlungen fiir
das allgemeine Wohl, haben die Yorsteher der ganzen Gemeinde
[Persen] in Gegenwart des Herrn Abts Teutwig . . . [folgt Auf-
zahlung der versammelten Yertreter der einzelnen Ortschaften] . . .
alle Senioren und Yorsteher der Ortschaften ausserhalb des
Marktfleckens und des ganzen Gemeindebezirks von Persen, mit
Ausnahme der Pomermanni in Floruts, welche zu den Dienst-
mannen des Herrn gehoren^, nach dem Willen und Befehl ihrer
Miinner und Senioren in der bestmoglichen Form . . . zu ihren
wahren und gewissen Abgesandten, Bevollmachtigen und Botschaf-
tern der ganzen genannten Gemeinde bestellt und ernannt die
Herren Abrian und Alimar, Sohn von Asgrand, aus Perseu,
den Jacobino aus Susate . . . [mit dem Auftrage], zur Stadt Vi-
cenza sich zu begeben und sich dort unter Wahrung der dem
Reich und der Kirche von Trient gebiihrenden Ehre, . . . dem
Vogt (Gewalthaber, Podesta) und den Vorstehern der ganzen
Gemeinde und Stadt Vicenza vorzustellen .... und die ganze
Gemeinde, Manner und Personen, in ihren Schutz zu geben,
und um fiir die Manner des ganzen Bezirks und der Gemeinde
Persen eidlich zu versprechen, dass sie ihre treuen Diener,
Freunde ihrer Freunde und Feinde ihrer Feinde sein und ihnen
bei Fehden ausserhalb des Bezirks Persen mit zweihundert,
' Vgl. Gar S. 15; B. Weber S. 514—516.
- Da das Jahr 1166 die Indiction XIV hat, so ist ..quarta ddiina" zu iu-
dictione und „tercia" zu Madii zu ziehen.
^ „De Arimania Domini". Der Ausdruck Ariminuii wird von lleermannen,
Ehrmannen oder Erbmannen hergcleitet. Die Arimanni hatten ein kleines
Erbgut als .■Mlod, nahmen jedoch Dienste bci Machtigeron an. Vgl. Hiilhnann
Bd. 2 S. -202: tJar S. 32.
Kapitcl 50. Gundobald von Pergine. 233
innerhalb des Bezirks mit vierhundert bewafFneten Fusssoldaten
helfen wollen; jedoch unter folgcnden Bedingungen, dass sie von
der Gemcinde Yicenza einen Vogt erlialten, der mit einer ge-
niigendcn Zahl BewafFneter, gleichzeitig mit den Abgesandten
und Botschaftern , zu ihnen kommen soll, bevor Herr Gundibald,
der gegenwartig in Bayern ist, zuriickkehrt, [und dass sie seine]
Bedriickungen nicht gestatten, sondern nach allen ihren Kraften
mit ihrem Beistand ihn aus dem ganzen Bezirk vertreiben. Fer-
ner, dass der Yogt denselben Mannern und Personen gestattet,
nacli ihren eigenen Gebrauchen, Gesetzen und alten Gewohnheiten
zu leben, wie sie immer, seit Menschen-Gedenken und schon
sechshundert Jahre lang, gelebt haben und kiinftig leben wollen,
nach der Lex Salica und Longobardica. Ferner, dass sie ver-
sprechen, ohne Betrug oder List, die herkommliche colletta ^ [nur]
von den Feuerstatten, nicht von den Liegenschaften, zu entrichten
[zu erheben?], und anderes Gutes, wie es immer von Alters
her beobachtet wurde. Ferner, dass sie aus allen ihren Kraften,
mit ihrem Beistand und mit starker Hand, sie befreien und be-
freit halten sollen von der Tyrannei und Herrschaft des Herrn
Gundibald, Sohnes von Adalbert, des bisherigen Beherrschers
der Burg Persen, der Burgen Cuco und Caveone . . . und
des ganzen Bezirks Persen. Ferner, dass sie nicht in Fehde
wider das Reich oder die Kirche von Trient und Felters gefiihrt
oder zur Hiilfeleistung oder Begiinstigung gegen dieselben ge-
nuthigt werden diirfen , wie es Herr Gundibald thut mit den
Herren von Castrobarco und Andern, und wie es Adalbert that,
[und] der Grossvater des Herrn Gundibald. Ferner, dass die
Frolmden und Lasten , die durch denselben Yater und Gross-
vater [des Herrn Gundibald] ihnen auferlegt sind, ganz aufge-
hoben und vernichtet werden sollen, namlich und
Nutzungen der erstenNachtwegenderBriiute. Ferner,
dass der Yogt fiir die Lasten und Dienste , die er von ihnen in
der Burg empfangt, einen angemessenen Lohn zu zahlen hat,
nach Massgabe des Herkommens, welches vor der Herrschaft
des Herrn Friedrich, Grossvaters des Herrn Gundibald, beobachtet
* Vgl. Ducange unter Collecta; Gar S. 39: ,,La colta o coUetta (coUecta)
una tassa imposta arbitrariaraente ora sui fondi ora sui fuoclii, e che si diceva
biscolta , se esigevasi due volte 1' anno. Quella sui fuochi importava solita-
mente quaranta soldi"'. Zu Deutsch : ..Die Colta oder CoUetta (coUecta) war
eine Abgabe, welche willkiirlich bald ihren Liegenschaften, bald iliren Feuer-
stiitten auferlegt ward; sie hiess biscolta, wenn sie zweimal im Jahr erhoben
"wurde. Die der Feuerstatten betrug allein 40 soldi."
234 Kapitel 50. Gundobald von Pergine.
und nur dadurch beseitigt wurde , dass Herr Friedrich durch
Gewalt und Kriegsmacht mit Bewaffneten zu Dienstleistungen
nothigte, ohne Lohn dafiir zu geben, indem er diejenigen, die
Lohn begehrten , einkerkerte und misshandelte. . . . Ferner , dass
es ihnen erlaubt sein soll, die gewohnten Zehnten an den Herrn
Bischof von Felters abzuliefern, wie es herkommlich war, bevor
Herr Friedrich mit bewaffneten Mannern nothigte, dass die
Lieferung an ihn selbst erfolgte, [indem er] die Zuwiderhandeln-
den mit . . . und Hunger [bestrafte]. Ferner, dass die durch
Herrn Gundibald eingefiihrte minella * von neuen Werken nicht
erhoben werden soll. Ferner, dass Ferner, dass ihnen
freistehen soll, wie es immer seit den altesten Zeiten erlaubt
war, den Richter zu wahlen, der jedoch unter , . . dem Herrn
Yogt stehen soll. Ferner, dass niemals aus irgend einem Vor-
wand ' der Bezirk Persen soll iibergeben, cedirt, verschenkt,
veraussert oder auf andere Weise [weggegeben] werden konnen,
an Herrn Adalbert Gundibald oder dessen Erben, Yerschwagerte
und Andere von seiner Sippe und an seine Freunde, auch nicht
an Andere, ohne den freien Willen der Manner aus der Gemeinde
und dem Bezirk Persen; und dass, wenn dies demungeachtet
geschehen sollte, die 'Personen von selbst frei von der Unter-
thanigkeit sein sollen. Ferner, dass sie nicht genothigt werden
sollen, auf Strassen und oifentlichen Wegen Fehde zu fiihren
und die Reisenden zu berauben und auszupliindern , wie Herr
Gundibald eingefiihrt hat. . . . Ferner, dass die Herren Yogt
und Yorsteher ihren Mannern unter Eid versprechen sollen, diese
Bedingungen auf ewige Zeiten zu halten und den an sie Abge-
sandten eine Sicherheits- und Zustimmungs-Urkunde ausstellen,
fiir sich und die Nachfolger der genannten Stadt auf ewige
Zeiten " 2
^ Vgl. Gar S. 40: ..La minella era una tassa prelevata siil dissodamento
e riduzione a novali degli spazii o strati boschivi ; tassa che nel Patto Per-
ginese 6 chiamata de laboreriis.^^ Zu Deutsch : „Die Minella war eine Ab-
gabe dafiir, dass Platze oder Waldfliichen urbar und zu Brachfeld gemacht
wurden; eine Abgabe, die im [vorliegenden] Vertrag von Pergine mit dem
Ausdruck de lahoreriis bezeichnet ist."
* Carta spettante alla Lega ofTensiva e difensiva fatta dalla Comuniti di
Pergine con la ComunitA e Cittk di Vicenza contro i Signori di Castel Per-
gine, ed altri seco loro coUegati, bei Bonelli Bd. 2 S. 433—435: ..In nomine
Domini nostri . . . sti. Anno ejusdem Nativitatis millesimo centesimo sexage-
simo sexto Indictione quarta decima tertia Madii in Cenobio Monachorum de
Uualdo apud Burgum Persines in cubile ubi consuetum est convenire ad
adunantias pro boiio publico Rectores totius Communis . . . in presencia Domni
Kapitel 50. (hindohald von Pergine. 235
Diese Urkunde vom 8. Mai 1166 enthalt nieht, wie Rapp
Teutovigi Abba . . . presentiljus Gutlrido (luond. Andrec Benedicto quond.
Nicolai de Padua habitactoribus in Burgo Persines Ruffino quond. Marci et
Joanne quond. Riprandi de Turrone Servitoribus in dicto Cenobio Testibus
rogatis. Ibicjue Sigefridus de Boniolis Joannes quond. Lamperti Oluradinus
et Seniores in Burgo facientes pro hoininibus Burgi Sivernach Vallare et
Valdeurbano. Blaxius qiiond. Jacobi de Prato Argaitus quond. Marci Bene-
dictus quond. Rumeli facientes nomine hominum et personarum Prati Vierach
Porteli Canestie Braxesii Sertzii et Arzenach. Janolus quond. Odorici de
Madrano ]\Ialebrutus quond. Tieterici de Viculzano facientes nomine horainum
et personarum Madrani Nogarait Cantzelini Buxi Uuarde Viculzani Caxilini
Coste etc. . . . Albrectus de Susato Illemarius de Canalo facientes nomine ho-
rainum et personarum Susate Canale Costasabine Runconi Gebricus quond. . . .
de Gretung Mansaitus de Hoichlait facientes nomine hominum et person. . . .
Fraxilongi et Robure. Halitmarius quond Xichi de HiscLa Cutuvertus quond.
Kauchi de Volchzurige facientes nom . . . hominum et personarum Hiscle
Tenne S. Cristofali Vignole et Volchestan. Redoxus quond. Brente de Ca-
steneto . . . nom . . . hominum et personarum Casteneti Volchnaur Sancte Cha-
terine omnes Seniores et Rectores Villarum extra Burgum et totius Communis
et districtus Persines exceptis Pomermanis in Floruts de Arimania Domini de
A-oluntate et jussione suorum hominum et Seniorum omni meliori modo quo
possunt forma et . . . constituerunt et ordinaverunt suos veros et certos
Missos Procuratores et Ambaxatores totius Communis predicti Dominum Abri-
aniim et Halitmarium quond. Ansprandi de Persines Jacobinum de Susate . . .
. . . ire ad Civitatem Vicentie et se presentandum salvo honore Imperii et
Eccles. Trid. . . . coram . . . Potestatem et Rectores totius Communis et Civi-
tatis Vicentie pred . . . secundum jam sunt tres hebdomade con . . . fuit et
tradendum totum commune homines et personas sub protectione illius et ad
faciendum promissionem sub Sacramento Juramenti homines totius Districtus
et Communis Persines se velle esse fideles servitores et amicos amicorum et
inimicos inimicorum suorura et juvare in vvera extra districtum Persines cum
bis centum armatis peditibus et in districtu cum quadrincentis . cum his tamen
condictionibus quod recipiant Potestatem a Commune Vicentie qui venire ha-
beat cum ipsis Missis et Ambaxatoribus cum competenti numero Armatorum
antequam veniat Dominus Gundibaldus qui ad presens est in Babaria . . .
molestari non permittant sed cum omni et toto suo posse cum adjutorio ipso-
rum hominum expellant a toto districtu. Item quod Potestas permittat ipsos
homines et personas vivere suis usibus legibus et consuetudinibus antiquis
secundum quod semper ab hominum memoria et in ante jam sunt centum
CC CCCC annos vixerunt et vivere volent tam ex lege Salica et Longobar-
dica. Item quod promittunt sine dolo et fraude solvere consuetam quantitatem
collecte super focis non super fundis et alia bona ut semper ab antiquo ob-
servatum fuit. Item quod se liberent et liberatos teneant cum omni suo
posse et toto auxilio forti brachio a tirannide et dominatione Domini Gundi-
baldi quond. Domni Adelpreti usque ad presens Reguli Castri Persines Castris
Cuco et Caveone Bru . . . Castelire et Viculzani et totius districtus Persines.
Item quod non possint deduci in vveram contra Imperium et Ecclesiam Tri-
denti et Felters vel cogi contra illos auxilium et favorem prestare . ut facit
Diis Gundibaldus cum illis de Castrob''^ et aliis et fecit Adelprectus Avus
236 Kapitel 50. Gundobald von Pergine.
meint*, die Yerbriefung- eines Schutz- und Trutzbiindnisses, son-
dern nur die Bestellung von Bevollmachtigten, die einen Yertrag
unter den in der Yollmacht bezeichneten Bedingungen abschliessen
sollten. Anderwiirts wird bezeugt, dass die Stadt Yicenza das
ihr gemachte Anerbietcn angenommen habe; doch wird nicht
hinzugefiigt, ob durch Hiilfe der Stadt Yicenza die Perginesen
von der ihnen verhassten Herrschaft befreit wurden ^.
Bonelli (1760) entnimmt aus dem Inhalt dieser Urkunde,
dass die Beherrscher von Pergine „nicht allein die Reisenden
iiberfielen und auspliinderten, sondern oft die \Yaffen gegen die
Dni Gundibaldi. Item quod hangarias et honera ab ipso Patre et Avo suis
sibi factis in totum tollantur et cassentur uti sunt . . . et fruictiones prime
noctis de sponsabus. Item quod pro honeris et serviciis Potestati in Castro
sibi solvatur merces congrua juxta quod semper observatum fuit usque ante
Dominationem Dni Friderici Avi Diii Gundibaldi qui per vim et forcias cum
armatis coegit hoperas facere et nihil pi-o mercede dando includendo in car-
ceribus qui mercedem petebant et percutiendo . . . Item quod liberum sit
solvere decimas consuetas Domno Episcopo de Felters prout consuetum fuit
ante Diium Fridericum qui cum armatis hominibus coegit sibi dari
fame contrafacientes. Item quod de novis laboreciis factis et fiendis non exi-
gatur minellum ut instituit Diius Gundibaldus. Item quod sibi
erat Item quod sibi liceat usque semper ab antiquissimis temporibus
Judicem sibi eligere qui tamen sit sub . . . Diio Potestate. Item quod nun-
quam districtum Persines tradi cedi donari alienari quolibet pretextu causa
. . . vel alio modo possit Diio Adelprecto Gundibaldo vel ejus filiis heredibus
affinibus et aliis de ejus parentela et amicis sine voluntate ipsorum hominum
Communis et Districtis Persines et nec aliis sine suo consensu et si factura
fuerit ipse persone sint libere ipso facto a subjectione Item quod non pos-
sint cogi ad facere vvardam in stratis et viis publicis et robare et spoliare
comeantes prout institiiit Diius Gundi . . . Item quod Diii Potestas et Recto-
res promittant de observando sibi hominibus has condictiones sub Sacramento
in perpetuum et dare sibi Missis chartam securationis et piaciti pro se et
Successoribus dicte Civitatis in perpetuum promittentes dicti ho-
mines facientes . . . firma rata habere gesta suorum Missorum . . . Ratorum
sub condictionibus tamen uti premissum fuit supra stipuLandis et promittendis
et non contrafacere per se nec per alios Succcssores in presenti et futurum
perpetuis futuris temporibus nuUo pretextu nisi sibi non fuerint
servate . . . premisse condictiones . . . pena marcliarum . . . damnorum et
expensarum tenere Missos L. f S. Ego Ataulfus quond.
. . . habitator in Burgo Persines sacri Palatii Notarius interfui . . . et scripsi
ad presentiam . . . ium." Daraus: Gar S. 55—59; deutscher Auszug bei
Rapp S. 42, 43 und S. •22: italienische Uebersetzung bei Gar S. 22 — 27.
' Rapp 8 22, 42.
2 Vgl. Gar S. 27, 28. wo auf die Viccntiner Geschiclitschreiber Pagliarini,
Marzari, Castellini und Maccii verwiesen wird. — Bei B. Weber (S. 516)
findct sich dic Notiz , dass die Herren von Pergine gegen 1300 aus der Ge-
schichte verschwundeii seien.
Kapitel 30. GiiTKlobald von Pergine. 237
Kirche und das Reicli er^^riffen, die armen Unterthanen beschwer-
ten und unterdriickten, nicht bloss den Kirchen die Zehnten,
sondern auch den Arbeitern ihren gerechten Lohn versagten, un-
aufhorliche Gewaltthatigkeiten dem ungliicklichen Yolk zufiigten,
sogar den Anspruch erhoben, die ersten Bliithen
der Ehen abzupfliicken, und mit aller ihrer Macht so starken
Missbrauch trieben, dass damals die Vertheidigung der weltlichen
Giiter der Kirchen vor ihren gewaltthatigen und ungerechten An-
massungen dasselbe bedeutete, wie die Entziehung derselben aus
den Handen jener Tyrannen, die, je machtiger sie gew^orden
waren, um so mehr auf den Schaden des einzelnen und offentlichen
AVolils hintrachteten" ^ Rapp versteht die Urkunde dahin, dass
die Vertreter der Stadt Vicenza den Abgesandten von Pergine
versprechen sollten, „die ihnen von Gundibald und seinen Ahn-
herren aufgebiirdeten Frohnen und Lasten abzunehmen , und
besonders den tyrannischen Genuss ihrer Braute in
der ersten Nacht abzuschaffen" ^. Tommaso Gar iiber-
setzt die Stelle „et fruictiones prime noctis de sponsabus" mit den
Worten: „e il godimento della prima notte delle spose" ^, was zu
Deutsch heisst: „und den Genuss der ersten ^acht der Braute".
Indessen ist die mehrgenannte Urkunde nicht geeignet, den
Nachweis zu erbringen, dass Gundibald das Herrenrecht der
ersten Nacht ausgeiibt oder auch nur Anspruch darauf erhoben
habe; ganz abgesehen davon, dass die fragliche Stelle, wenn
sie von jenem Recht zu verstehen ware , nicht ein glaubhaftes
Zeugniss, sondern bloss eine Anklage gegen Gundibald enthalten
wiirde. Das Wort „fruictiones" ^ ist gleichbedeutend mit „frui-
tiones". Dann lautet die Uebersetzung der betreffenden Stelle:
„und jS^utzungen der ersten Nacht wegen der Braute". Sicherlich
wiirde der Verfasser sich anders ausgedriickt haben, wenn er vom
Herrenrecht der ersten Nacht hatte sprechen wollen. Die Ueber-
setzung Rapp's iibersieht ausserdem, dass sich vor den entscheiden-
den Worten eine Liicke befindet. Ueberdies ist es kaum glaublich,
dass die Urkunde den „tyrannischen Genuss der Braute" zu den
Frohnden und Lasten gerechnet haben sollte, Aus dem Abdruck
1 Bonelli Bd. 1 cap. 2 g 7 S. 17, 18.
2 Rapp S. 43. 3 Qar S. 25.
^* Eine Erkliirung dieses Wartes finde ich weder bei Forcelliiii, noch bei
Ducange oder Diefenbach. Doch ist es unbedenklich. ..fruictiones" als gleich-
bedeutend mit ,.fruitiones"' zu verstehen," da sich diese Eigenthumlichkeit der
Schreibart auch in andern Wortern der Urkunde findet, z. B. ..condictiones"
statt conditiones und „habitactoribus" statt habitatoribus.
238 Kapitel 50. Gundobald von Pergine.
bei Bonelli ist niclit zu erselien, ob in der Originalurkunde die
Liicke vor den Worten „et fruictiones prime noctis de spon-
sabus" deu Raum weniger Worter oder etwa mehrere Zeilen ein-
nimmt. Yermuthlich ist die Liicke nicht unbedeutend, da der
Eingang der Stelle iiber Frohnden und Lasten so gefasst ist, als
soUe eine Aufziihlung derselben im Einzelnen folgen. Bis zu
naherer Aufklarung iiber den Umfang der Liicke wird angenom-
men werden miissen, dass die bezeichnete Stelle den Schluss eines
Abschnitts iiber Frohnden und Lasten bildet. Nun aber erscheint
es als undenkbar, dass der Yerfasser der Urkunde am Ende eines
Abschnitts iiber Frohnden und Lasten mit den angefiihrten sechs
kurzen AYortern, gewissermassen wie einen K^ebenpunkt, das
Herrenrecht der ersten Xacht bezeichnen wollte. Sollte gegen
Gundibald der Yorwurf erlioben werden, dass er den „tyran-
nischen Genuss der Braute" seiner Unterthanen beansprucht habe,
so wiirde dieser Anklagepunkt der wichtigste von allen gewesen,
und deshalb an die Spitze gestellt, mindestens aber in einem
besonderen Abschnitt behandelt worden sein. Sicherheit iiber
Auslegung der Stelle konnte nur dann erlangt werden, wenn
die Urkunde ohne Yerstiimmelung vorliige. Yermuthlich aber
sind unter „Nutzungen der ersten Nacht wegen der Braute" im
Sinn der vorliegenden Urkunde Heirathsabgaben zu verstehen.
Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut („de sponsabus") gram-
matisch besser vereinbar, als die Erkliirung von Bonelli und
Rapp. Es ist leicht moglich, dass die Herren von Pergine bei
Heirathen ihrer Unterthanen (bei allen Heirathen, oder nur bei
solchen von Ungenossen) Abgaben erhoben , und dass dieselben
vor Yollziehung der Ehe bezahlt werden mussten. Auch passt
diese Auslegung in den Zusammenhang des Abschnitts iiber Frohn-
den und Lasten. Sie wird noch dadurch bestiitigt, dass die Ur-
kunde an keiner andern Stelle von Heirathsabgaben handelt,
obwohl uach anderweitigen Nachrichten zu daraaliger Zeit in der
Umgegend von Trient zur Yerheirathung der Leibeigenen die Zu-
stimmung des Herrn erforderlich war^, daher die Yermuthung
nahe liegt, dass dafiir Abgaben durch die Beherrscher von Per-
gine erhoben wurden.
^ Gar S. 35: ... ..Spogliati dci diritti inalienabili della specie umana,
nnn potevano, senza il consenso del fcudatario. ammogliarsi" . . .
Kap. 51. Cardinal Hier. della Rovere. Kap. 52. Nizza della Paglia. 239
V. Italieu (Piemont).
a. Privileg des Hauses della Rovere.
Kapitel 51. Im Jahr 1610 schrieb Yaniiozzi, dieselbe Un-
sitto, welche in Schottland durch Konig Evenus eingefiihrt und
durch Konig Malcolm abgeschafft worden sei, habe seit der Heiden-
zeit in Piemont bestanden ; der Cardinal Hieronymo della Rovere
habe ihm mitgetheilt, dass er ein Privileg seines Hauses liber
ein solches E,echt eigenhiindig zerrissen habe ^. Diese Nachricht
beweist nur, dass um die Zeit von 1610 von einem vergangenen
Herrenrecht der bezeichneten Art in Piemont gesprochen wurde.
Es ist moglich, dass in dem verbrannten Privileg des Cardinals
Hieronymo della Rovere (der am 26. Febr. 1592 gestorben ist) -,
eine Heirathsabgabe erwahnt war^, Niiheres lasst sich dariiber
niclit ermitteln, da der ^Yortlaut der zerrissenen Urkunde nicht
erhalten ist.
1). Veranlassung der Griindung von Nizza della Paglia.
Kapitel 52. In den Annalen von Alessandria, die im Jahr
1666 von Girolamo Ghilini herausgegeben wurden, findet sich
zum Jahr 1235 folgende Erziihlung: Die Einwohner von Lanero,
Calamandrana, Garbazuola, Quinzano, Lintiliano und Belmonte
konnten das unanstiindige und tyrannische Leben ihrer Herren,
der Grafen von Acquasana, nicht mehr ertragen; diese Herren
begniigten sich nicht, die gewohnlichen Abgaben von ihren Unter-
thanen zu erheben, sondern wollten auch die von gijttlichen und
menschlichen Gesetzen verbotenen Personallasten wiedererlangen
und die Primizien der Jungfrauen, welche heirathe-
ten, geniessen; dariiber aufgebracht, rachten sich die Ein-
wohner der genannten Ortschaften, mit Hiilfe der Einwohner
von Alessandria, ihrer Bundesgenossen, indem sie nacli einem
verabredeten Zeichen der Glocke von Belmonte zu einer und
derselben Stunde die erwiihnten Grafen unbarmherzig nicder-
metzelten; sie wurden dadurch von der tyrannischen Herrschaft
befreit, zerstorten die Schlosser und alle Hiiuser und bebauten
1 Vanozzi Bd. 2 S. 253 (hinter der Nachricht von Eveiuis und Malcolm) :
,,Cotal costume, da Pagani & da Gentili, fu gia in Piemonte, & il Cardinale
Illustrissimo Hieronymo della Rovere mi diceva, haver egli stesso, abbrucciato
il privilegio, che havea di cio la sua Casa." Daraus: Bayle, unter Sixte IV,
Bd. 4 S. 224, Anm. H.
2 Mor^ri Bd. 9 S. 394. » Dalrymple Bd. 1 S. 328.
240 Kapitel 52. Nizz.a della Paglia.
auf gemeinschaftliclie Kosten in der benachbarteu Ebene, am Fliiss-
chen Kizza, ein Terrain, das den Xamen Nizza erhielt uud durch
die giinstige Lage zwischen den Fliissen Nizza und Belbo, durch
Yeranstaltung tou Ueberschwemmungen, leicht gegen Augriffe ver-
theidigt werden konnte *. AYare die ^Yahrheit dieser Erzahlung
erwiesen, so wiirde daraus nicht ein jus primae noctis hergeleitet
werden konnen, sondern nur die Thatsache, dass die Grafen von
Acquasana geaussert hatten, sie wollten die Primizien der Jung-
frauen , welche heiratheten , geniessen ^. Ghilini giebt die Quelle
der Erzahlung nicht an. Da er iiber einen Hergang spricht, der
sich vierhuudert Jahre friiher zugetragen haben soll, so kann
seine Auctoritat allein nicht geniigen, um die erziihlten That-
sachen zu beweisen. Bis zu einer etwaigen Entdeckung der Quelle,
woraus Ghilini die Nachricht geschopft hat, kann darin hochstens
eine Sage des siebzehnten Jahrhunderts gefunden werden. Be-
merkenswerth ist die Uebereinstimmung dieser Erzahlung mit dem
Grundgedanken der Sage, die sich im selben Jahrhundert iiber
die Griindung der Stadt Montauban verbreitete ^. Die Annalen
von Ghilini sind nach der Zeitfolge geordnet und enthalten Jsach-
richten zu den einzelnen Jahren von 1168 bis 1659; bei dem
Jahr 1235 findet sich nur die angefiihrte Erzahlung und die kurze
Bemerkung, dass zu Norwich in England die Juden ein Kniiblein
Namens AYilhelm gekreuzigt liiitten. Es ist nicht anzunehmen,
dass diese beiden Nachrichten auf kritischen Untersuchungen
beruhten.
Auch eine epische Dichtung in zwolf Gesiingen von Sincere
Rastelli betrifft die Griindung von Nizza della Paglia. Das Yorwort
dieses Gedichts bezeichnet den Hergang, woraus der Gegenstand
geschopft sei, unter Berufung auf Ghilini und andere Schrift-
steller. Danach hiitten die Grafen von Acquasana, unter Ober-
hoheit des Marchese di Monferrato, nicht verstanden, sich bei
ihren Unterthanen, den Einwohnern der vorerwahnten sechs Ort-
schaften, beliebt zu machen; abgesehen von andern Lasten,
hatten sie sich im Besitz eines sehr ungerechten Gesetzes ge-
halten, wonach alle neuvermiihlten Frauen dem Grafen, ihrem
Herrn, ihre Erstlinge hiitten geben miissen ; die armen Einwohner
1 Ghilini S. 36. Vgl. dariiber Delpit S. 68—70: de Lagreze S. 393; Bueh-
mann S. 36; de Labessade S. 25, Nr. 50.
2 Ghilini S. 36: ... „volevano anche ricoverare i personali, dalle divine
& humane leggi proibiti, e goder le primizie delle vergini , che andavano k
marito" . . .
' Vgl. darliber Kap. 69.
Kapitel 53. Prelley und Parsanni. 241
hatten sicli lange dieser Niedertriichtig-keit gefiigt, aber endlich
im Jahr 1235 sich gegen ihre Herren verschworen und auf ein
verabredetes Zeichen der Glocke von Belmonte die sechs Grafen
in ihren Felsen angcgriffen und getodtet, dann die Schlosser gc-
schleift, ihre eigenen Wohnungen zerstort und mit Hiilfc der
Alessandriner, welche ihnen gegen Bonifacio Marchese di Mon-
ferrato zu Hiilfe kamen, am Einfluss der Nizza in den Belbo
die Stadt erbaut, die Nizza della Paglia heisse. Diese Darstellung
weicht von derjenigen Ghilini's darin ab , dass angegeben wird,
eine Zeit lang hatten die Grafen von Acquasana sich ini wirk-
lichen Besitz jenes angeblichen Rechts gehalten, und ihre Uuter-
thanen hatten die Ausiibung geduldet; sowie in der Angabe, dass
dies Recht „il Fodero" geheissen habe \ In demselben Yorwort
bemerkt jedoch der Verfasser, das Recht des Fodero habe die
Unterthanen eigentlich nur zu einer bestimmten Steuer verpflichtet,
namlich zu Lieferung von Getreide fiir den Konig und Nahrung
fiir die Soldaten und Pferde; und es sei sicher, dass eine offent-
liche Abgabe dieser Art ohne irgend einen schmachvollen Inhalt
bestanden habe; dagegen in dem Gedicht nehme er das AYort
in der landlaufigen Bedeutung, die vielleicht von Missbriiuclien
der Grafen von Acquasana herriihre ^.
c. Aufstand gegen die Herren von Prelley und Parsanni.
Kapitel 53. Im Jahr 1704 berichtete Lauriere, die Herren
von Prelley und Parsanni in Piemont hatten ein ahnliches [gleiches]
Recht, wie das durch Konig Evenus in Schottland eingefiihrte,
ausgeiibt; dies Recht habe den i^amen Cazzagio ^ gefiihrt; die
1 Rastelli S. 6 : . . . .,Tra le altre gravezze si mantevano in possesso d'nua
legge iniqnissima detta del Fodero , in virtii della quale erano obbligate tutte
le novelle spose di dare al Conte Padrone le loro primizie. I poveri ter-
razzani si adattarono per un pezzo a questa infamia'^ . . .
2 Rastelli S. 8. — Das Wort Foderum oder Fodero findet sich in zahl-
reichen Urkunden in der Bedeutung von Futter oder Futter-Abgabe. Vgl.
Muratori Bd. 2 S. 64 und S. 452: Ducange unter Fodriim; Sigonius lib. 7
bei dem Jahr 992. Hauptsiichlich v^-urde so die Proviant-Abgabe bezeichnet,
die an den deutschen Konig zu entrichten war, wenn er zur Kaiserkronung
nach Italien kam. Vg!. Gar S. 39.
3 Diesen Ausdruck habe ich in keinem altern Werk gefunden: doch ist
es moglich, dass eine Heirathsabgabe so bezeichnet wurde, da der Anfang des
Worts dem Anschein nach von cazzo entnommen ist. und die Endiing -agio
ebenso wie die lateinische Endung -agium auf eine Abgabe hindeutet. (Die-
selbe Endung wiederholt sich bei zahlreichen Abgaben, z. B. amobragium,
chevagium, connagium, culagium, maritagium.)
Schmidt, .Jus primae noctis. 16
242 Kapitel 53. Prelley und Parsanni.
Vasallen hatten die Ablosung begehrt und, als die Herren dar-
auf nicht eingehen wollten, einen Aufstaud erregt und sieh an
Amadaus, den Sechsten dieses Namens, den vierzehnten Grafen
von Savoyen, ergeben; Letzterer habe sie an seine Nachfolger
iiberliefert ^. Der Sinn dieser Nachricht scheint dahin zu gehen,
dass Amadaus der Sechste von Savoyen geholfen habe, die Orte
Prelley und Parsanni von jenem Herrenrecht zu befreien, und
dass er zufolge der dariiber entstandenen Fehde jene piemontesi-
schen Ortschaften mit der Grafschaft Savoyen vereinigt habe.
Aus Lauriere ist die IS^achricht, als vermeintlicher Beweis fiir das
jus primae noctis, in die Werke vieler neueren Schriftsteller theils
direct , theils indirect iibergegangen ^ , und zwar mit mehreren
ITngenauigkeiten. Bei den Encyklopadiston (in allen mir bekannten
Ausgaben) und bei Voltaire findet sich der Druckfehler ^carragio"
statt „cazzagio; bei Dulaure ist Amadaus als der Vierte (nicht als
der Sechste) des ^amens bezeichnet ; in der Augsburger Allge-
meinen Zeitung steht „der Adel von Piemont" anstatt der jS^amen
Prelley und Parsanni. In keinem von allen dieseu Werken findet
sich ein Anzeichen selbstandiger Untersuchung.
Die Erzahlung wurde durch Phantasie moderner Schriftsteller
weiter ausgeschmiickt ^. Daraus entstand folgende Darstellung,
die in einer spanischen Rechtsgeschichte zu lesen ist: „In Italien
wurde das derecho de prelibacion, unter dem Namen cazzagie,
noch unertraglicher (als in Belgien und in der Gascogne). Es
bestand gemeiniglich darin, dass der Grundherr die drei ersten
Niichte mit der neuvermahlten Frau zubrachte. Aber dies war
noch nicht das Schliramste; sondern inzwischen musste der Ehe-
^ Lauri^re unter Cullage (hinter der aus Buchanan entnommenen Naeh-
richt iiber das Gesetz des Konigs Evenus von Schottland) : „L'histoire de
Savoye nous apprend que les Seigneurs de Prelley et Parsanni en Pi^mond
jouissaient d'un pareil droit, qu'ils appelaient Cazzagio, dont les vassaux ayant
denlande la commutation . le refus les porta k la revolte , et se dounerent h
Am6 VI. du nom quatorzi^me Comte de Savoye, lequel les a transmis h ses
successeiirs."
2 Ducange unter Marcheta; Encyclop. unter Culage, in der 1. Ausg. (Ar-
tikel von Bouchcr d'Argis) und in der Encycl. meth., Jurispr. ; Voltaire, Dict.
phil. unter Taxe; Dulaure. Adel S. 242; Roquefort unter Cullage, suppl. S. 106:
Collin de Plancy Bd. 1 S. 169; Fellens Bd. 1 S. 147; Michelet S. 264; Lieb-
recht 1864, S. 541, ebenso 1869 S. 810, 1874 S. 139 und 1879 S. 416, 417:
Augsb. AUg. Ztg. V. 18. April 1868 Nr. 109 S. 1662; Delpit S. 67; de Labes-
sade S. 24, 25, 96. Nr. 48, 49 : L. Favrc bei La Curne unter Cuissage : de Gu-
bernatis, Usi S. 200.
3 Collin de Plancv Bd. 1 S. 168. 169.
Kapitel 53. Prelley und Parsanni. 243
mann sich mit dem, was der Ilerr ihm befahi, beschaftigen,
zum Beispiel fortgehen, um in einer Nachbarstadt eine gewisse
Zahl Kerzen zu holen, wahrend der Xacht, gut oder iibel, so
gut er konnte, ein Paar Schuhe fiir den Herrn anfertigen, die
g-anze Nacht mit Springen iiber eine Blase verbringen und andere
ebenso verletzende Handlungen ausfiihren. Die Vasallen erhoben
sich zu wiederholten Malen gegen die Excesse ihrer Herren, und
zuletzt erreichten sie, dass, wo die Herren friiher das Recht
hatten, drei Niichte mit der Neuvermahlten zu verbringen, dies
Recht auf eine Nacht beschriinkt wurde, und wo sie das Recht
fiir eine Nacht hatten, die Beschrankung auf eine Stunde eintrat,
wahrend die Yerpflichtung , Scliuhe anzufertigen und iiber Blasen
zu springen, in Wegfall kam, indem die Herren einwilligten, dass
die Vasallen die Nacht an der Thiir des Schlafzimmers zubrachten,
mit dem Recht, das Geriiusch anzuhoren, was innerhalb stattfand." ^
Dass eine Dichtung solchen Inhalts, als ob sie Wahrli^it enthielte,
den Platz in einer Rechtsgeschichte finden konnte, ist ein Zeichen
grosser Leichtgliiubigkeit.
Die Frage, aus welcher Quelle die Xachricht Lauriere's her-
vorgegangen ist, vermag ich nicht zu beantworten ^. Er selbst
beruft sich auf „die Geschichte Savoyens" , ohne ein bestimmtes
Geschichtswerk zu bezeichnen, Die Angabe, dass Amadaus, der
Sechste des Namens, vierzehnter Graf von Savoyen gewesen sei,
steht mit andern Nachrichten in Widerspruch und muss danach
als Irrthum bezeichnet werden^. Ueber Amadaus VI., den
.„griinen Prinzen", wird berichtet, dass er mit seinera Vetter und
Vasallen Jakob von Savoyen, Fiirsten von Piemont, Streit hatte,
und dass er mehrere Herrschaften mit seinen Staaten vereinigte;
doch ist dabei von den Herrschaften Prelley und Parsanni keine
Rede '^. Beziiglich der Xamen Prelley ^ und Parsanni sind alle
1 Marichalar Bd. 6 S. 69.
2 Das Werk Lauri6re's ist eine Umarbeitung des im .1. 1580 erschienenen
Werkes von Frangois Ragueau, worin die angefiihrte Nachricht und iiber-
haupt der Artikel CuUage noch nicht enthalten ist.
3 Amadaeus YI., „der grune Graf", regierte von 1343—1383: er wird bei
Grote (S. 342) als der neunte, in der Chronique de Savoye, Extrait de Pa-
radin, vom Jahr 1602, als der elfte und in andern Stammtafeln (vgl. Bouillet
S. 1710, 1711; Martiniere Bd. 5 S. 181) als der fiinfzehnte. dagegen in kei-
nem mir bekannten Geschichtswerk als der vierzehnte Graf von Savoyen
bezeichnet.
* Bouillet S. 1711: Martini^re S. 182.
5 Bekaunt ist die Stadt und Herrschaft Prela im Furstenthum Oneglia
(vgl. Dict. d'Italie Bd. 2 S. 359: Martiniere Bd. 4 S. 371: Busching S. 785:
16*
244 Kapitel 54. Die Kanonikcr zu Lyon.
meine Nachforschungen vergeblich gewesen. Insbesondere sind
diese Namen in dem grossen Dizionario Geografico von Groffredo
Casalis nicht zu finden. Durch miindliche Nachfrage bei zahl-
reichen Gelehrten, durch schriftliche Anfrage bei dem Herrn
Departementsarchivar von Chambery, endlich sogar durch eine
offentliche Anfrage * habe ich den Weg zu der Quelle gesucht,
woraus Lauriere seine Nachricht geschopft haben mag. Alles
dies blieb ohne Erfolg. Auch Louis Veuillot versichert, nach
der Quelle vergeblich geforscht zu haben; er ist zu der Mei-
nung gelangt, dass es Ortschaften mit den Namen Prelley und
Parsanni niemals gegeben habe ^.
Nach dem Gesagten ist es ungewiss, ob der Stoff zu der
Nachricht Lauriere's aus alterer Zeit herriihrt. Keinenfalls ist sein
Bericht geeignet, einen Beweis fiir das Herrenrecht der ersten
Nacht zu liefern. Denn die Grundlage der Erzahlung beruht,
wie ihr Woftlaut ergiebt, auf der Yoraussetzung, dass die Yer-
ordnung des Konigs Evenus III. von Schottland eine geschicht-
liche Wahrheit sei. Dies ist aber ein Irrthum ^.
yi. Fraukreicli.
a. Gewohnheitsrechte.
1. Becht der Kauoniker zu Ljjon.
Kapitel 54. Seit dem siebzehnten Jahrhundert wird viel-
fach behauptet, die Domherren von Lyon hatten das Herren-
recht der ersten Nacht fiir sich in Anspruch genommen und
ausgeiibt *. Dies Recht soll sich nicht bloss auf die Lehnserbinnen,
Casalis Bd. 15 S. 731). Die Herrschaft Prela soll mit der Grafschaft Tcnda
an Karl Emanuel (den Grossen) , der von 1580—1630 Herzog von Savoyen
war, abgetreten sein. Vgl. Diet. d"Italie Bd. 2 S. 339; Bouillet S. 1712.
Nach andern Nachrichten (Biisching S. 785) gelangte das Thal Prela schon
in den Jahren 1575 und 1579 an das Haus Savoyen. Auch steht ein Ort
Namens Preller. siidwestlich von Alcssandria, siidlich von Nizza della Paglia,
auf der Karte des Theatrum Europaeum , im achtzehnten Theil, verzeichnet.
Aber kein Ort Namens Prelley ist zu ermitteln.
1 Arch. fiir Anthrop. Bd. 12 S. 269.
2 Veuillot 2. Aufl. S. 255, 256.
3 Vgl. Kap. 40.
* Limnaeus addit. ad lib. 4 cap. 7 in f . , Bd. 4 S. 603; Henel cap. 47,
S. 401; Hildebrand S. 188, 189; Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 28; Saintfoix Bd. 2
S. 141; Carli Bd. 1 S. 175; Dulaure, Adel S. 242; Collin de Plancy Bd. 1
S. 175, 176; Dalloz, Dict. Bd. 1 (1835) und Il6p. Bd. 3 (1846) unter Adul-
t^re n. 7.
Kapitcl 54. I)ie Kaiioiiikcr zii Lyon. 245
sondern auch auf dio Braute der Lelinsmanner erstreckt haben *.
Carli meint, das fragliche Recht des Lehnsystems habe sich „am
hingsten bei den kanonischen Grafen von Lyon, in ihren reichen
Lehen, erhalten" ^. Henel erzahlt, die Grafen und spateren
Kanoniker von Lyon hiitten von ihren Vasallen die Befugniss,
mit deren Brauten zu sfhlafen, eingeraumt erhalten, durch ein
Abkommen, welches man in alten Zeiten jus luxandae coxae
oder cunnagii genannt habe; doch hiitten Choppin und Borellus
entschieden, dass dies schmahliche Recht in eine Geldabgabe ver-
wandelt werden miisse "'. Yon Andern wird gemeldet, den Dom-
lierren von Lyon werde auf Grund eines besondern Statuts ein
Lehnscanon dafiir bezahlt, dass sie das Herrenrecht der ersten
Nacht iiber die jungen Ehefrauen nicht mehr ausiibten; diese
Abgabe nenne man „die Lehensschuldigkeit, den Canonicis die
Brtiute die erste Nacht zu iiberlassen" ; das Recht heisse jus
coxae locandae (oder luxandae), jus Caxandrae, Cojae
oder Cunnagii*. Man behauptet, es existire eine Urkunde
vom Jahr 1132, worin die Kanoniker von Lyon in aller Form
(„en due forme") auf das bezeichnete Recht verzichtet hatten ^.
Wieder eine andere Behauptung geht dahin, die Domherren zu
Lyon hiitten das Recht, mit den Frauen ihrer Leibeigenen wahrend
der Hochzeitsuacht zu schlafen, zu Anfang des vierzehnten Jahr-
hunderts, als die Yereinigung des Lyonnais mit Frankreich er-
folgte, noch ausgeiibt und iiberhaupt erst nach zahlreichen Klagen
und Urtheilen verschiedener Gerichte sich dazu verstanden , ihr
Yorrecht nicht mehr offen geltend zu machen ^. Zu diesen ein-
ander widersprechenden Erzahlungen wird noch hinzugesetzt, nach
Angabe eines gewissen de Bar oder Baar habe ein Domherr von
Lyon (dessen Name nicht mitgetheilt wird) den alten Titel iiber
das erwiihnte Herrenrecht so liicherlich gefunden, dass er ihn ver-
brannt habe "^.
Yerfolgt man die den vorstehenden Erzahlungen hinzugefiigten
Citate, so ergiebt sich als gemeinsame Quelle eine Stelle voti
' Potgiesser lib. 2 cap. 2 § 28 - Caili Bd 1 S 175.
3 Henel cap. 47 S. 401.
* Westphal § 12 S 38, 39: Kestner S. 4, 5; Liinig Bd. 3 S 724 n. 56
(Note).
'•> de Labessade S. 97.
•^ CoUin de Plancy Bd. 1 S. 176. Wann und von welchen Gerichten die
fraglichen L'rtheile erlassen sein sollen , wird nicht gesagt.
' Delpit S. 71, 72. — Es klingt sonderbar, dass ein Domherr die alte Ur-
kunde, die ihm nicht gehorte, bloss weil er den Inhalt liicherlich fand, kurzer
Hand vernichtete.
246 Kapitel 54. Die Kanoniker zu Lyon.
Rene Choppin. aus dem sechzehnten Jahrhundert. Choppin
schreibt, die Kanoniker und gleichzeitigen Grafen von Lyon
hatten urspriinglich das Patronat-Recht gehabt , bei Heirathea
ihrer mannlichen und weiblichen Unterthanen am Tag ihrer
Hochzeit ein Bein in das Ehebett zu legen; doch hatten sie
zugelassen, dass diese unanstandige Last in eine am Hochzeits-
tag zu entrichtende Abgabe von Speisen umgewandelt sei K Der
von vielen Schriftstellern als Gewahrsmann angefiihrte Camilhis
Borrellus lebte nicht, wie J. Hildebrand meint, im vierzehnten
Jahrhundert , sondern war ein Zeitgenosse Choppin"s und hat die
durch ihn weiter verbreitete Nachricht von Choppin entnommen ^.
Waren die Angaben Choppin's bewiesen, so wiirde daraus
hervorgehen, dass die Grafen und gleichzeitigen Kanoniker von
Lyon bei Heirathen ihrer Untergebenen einstmals das Recht hatten,
am Tage der Hochzeit (also nicht in der Nacht) eine Formlich-
keit zu verrichten, die ihre Herrschaft andeutete^; und dass mit
ihrer Zustimmung diese anstossige Last in eine Abgabe von Ess-
waaren verwandelt wurde. Danach konnte von einem jus primae
noctis nicht gesprochen werden. Indessen ergiebt eine nahere
Priifung, dass die Erziihlung von jener Formlichkeit und ihrer
Umwandlung nicht der Geschichte, sondern der Sage angehort.
Choppin hat weder die Quelle seiner Nachricht angegeben, noch
eine Andeutung iiber die Zeit gemacht, zu welcher die Umwand-
lung des Rechts in eine Abgabe von Esswaaren erfolgte. Pericaud
vermuthet, die Umwandlung sei im Jahr 1132 geschehen, als
der Erzbischof und das Kapjtel die Grafschaft Lyon vom Grafen
Forez erwarb *. Und allerdings ist es undenkbar, dass im Kapitel
1 Choppin lib. 1 caji. 31 n. 8 S. 269: ,.Siinili mndo Canonici simul et
Comites Lugdunenses, quum patronale jus haberent coxae locandae in geniali
thoro subditi subditaeve nuptias ineuntium, primo connubiali die. passi sunt
obscoeni hujus oneris conversionem in epulare munus eodem die nuptiali."'
Daraus : . Automne S. 477; Simon d'01ive liv. 2 chap 1 S. 149: Brodcau zu
tit. 1 art. 37 n. 11 S. 273; Laurent S. 57.
2 Borrellus, cons. I n. 150, fol. 6 v. : „quo loco refert" (namlich Renatus
Choppinus) ..Canonicos et Comites Lugdunenses Dominii iure habuisse primo
connubiali die , in thoro geniali subditorum nuptias ineuntium Jus lo-
candae coxae , et obscaenum hoc onus conversum fuisse in epulare munus
ejusdem diei." Daraus, mit dem falschcn Citat n. 158 statt n. 150: West-
phal g 12, S. 38, 39; Kestner § 1 S. 4.
3 Vgl. dariiber oben Kap. 11 S. 54—56.
* Pericaud S. 9, 10. Ueber die Grafenrechte der Erzbischofe von Lyon
vgl. Gall. Christ. Bd. 4 S. 80—82 und die dort abgedruckte Urkunde des
Kaisers Friedrich I. Barbarossa vom 18. Nov. 1157 (bei Bohmer Nr. 2381,
Bd. 1 S. 126. und bei Stumpf Nr. 3787, S. 333).
Kapitel 55. Droit de braconnage (Picardie). 2-47
vonLyon, untor den Augen des Erzblschofs, jener fiir Kanoniker
besonders unanstiindige Gebrauch entstehen konnte \ Anderer-
seits ist aber eljensowenig zu glauben, dass schon vor dem Jahr
1132 jene unschickliche Fiirmlichkeit in Uebung gewesen sei,
da die Ausartungen der grundlierrlichen Rechte sonst erst in
spaterer Zeit hervortraten. Hiernach ist die Sage in der Gestalt,
wie sie durch Choppin mitgetheilt wird, von geringem Werth.
Alles Weitere aber ist auf Ausschmiickung neuerer Schriftsteller
zuriickzufiihren und zeigt abermals, wie der Glaube an das jus
primae noctis ohne einen verstiindigen Grund sich verbreitet hat.
Barthelemy versichert, er habe iiber das angebliche droit de
cuissage der Grafen-Domherren von Lyon die genauesten Er-
kundigungen einziehen lassen, jedoch keinen Beweis dafiir er-
mitteln konnen ^. ^Yare die Nachricht schon in alter Zeit ver-
breitet gewesen, so wiirde sie von einiger Bedeutung se^n; fiir
solche Annahme fehlt aber ein geniigender Grund.
Nach Absonderung dessen, was der Sage angehort, bleibt
die Angabe Choppin's iibrig, dass die Grafen-Kanoniker von
Lyon das Recht hatten, bei Heirathen ihrer Horigen eine Ab-
gabe vom Hochzeitsmahl zu erhalten. Dieser Bericht ist zwar
nicht durch Urkunden beglaubigt, kann aber richtig sein, da an
vielen Orten ahnliche Rechte den Grundherren zustanden ^.
2. Droif iJc hraconnage des Herrn von MareuU.
Kai)itel 55. Mit besonderem Isachdruck wird im neunzehnten
Jahrhundert behauptet, den Herren von Mareuil in der Picardie
habe das jus primae noctis urkundlich zugestanden ^. Die \Yahr-
heit ist folgende. Julien Brodeau, ein Rechtsgelehrter des sieben-
zehnten Jahrhunderts, berichtet, in einigen alten Lehnsverzeich-
nissen und andern Titeln, sowie in den Rechnungen der Domane
Chaulny und der Grafschaft Ponthieu werde ein ^droit de bracon-
nage" erwahnt. Er giebt die Bedeutung dieses Rechts nicht an,
sondern bemerkt nur, es sei von dem in der Normandie bekann-
* Von geringerer Bedeutung ist der Umstand. worauf Pericaud besonderes
Gewicht legt, dass Lyon nicht zu den Liindern des Gewohnheitsrechts, son-
dern zuni Gebiet des geschriebenen fromischen) Rechts gehorte.
2 de Barthelemy S. 107.
^ Vgl. de Lauri^re unter Mets de Mariage; Ducange unter Missus: Michelet
S. 266, 267: Bouthors Bd 1 S. 470; Delisle S. 70—73.
* Delpit S. 34—36; Buchmann S. 36; de Labessade S. 19. 43: Kulischer
S. 227 (mit mehreren Druckfehlern).
248 Kapitel 55. Droit de braconnage (Picardie).
ten „droit de cheuel" verschieden geweseu; letzteres habe in der
Beihiilfe bestandeu, die dem Lehusherrn fiir die Eitterschaft seines
altesten Sohnes, fiir die Heirath seiuer Jiltesten Tochter und fiir
seine Befreiuug aus der Gefangeuschaft geleistet werdeu musste K
Ducange verwies (in den Ausgaben vou 1678 und 1733) zur Er-
klaruug des Wortes nbracouagium" lediglich auf die angefiihrte
Stelle aus Brodeau ^. Dagegen stellte Carpentier iu seiuem zur
Erganzung vou Ducange bestimmten Glossarium, vom Jahr 1766,
die Meinung auf, das Wort „braconnage" bezeichne das Herren-
recht der ersten Nacht ^. Dieselbe Bemerkung ging als Zusatz
in die neueren Ausgaben von Ducauge iiber *. Carpentier beruft
sich zum Beweis seiuer Behauptung auf ein Lehnsanerkenntniss
vom Jahr 1228, worin das Wort ^braconner" jenes Recht aus-
driicke. Die betreffeude Stelle dieser Urkunde lautet: „Ausser-
dem kann und soll mein Herr von Mareuil droit de bracon-
nage iiber Tochter in der genannteu Herrschaft haben; wenn
sie sich verheiratheu , und er jenes Recht nicht ausiibt , so ver-
fallen sie in zwei sous gegen die Herrschaft." ^ Bei Auslegung
dieser Stelle beziehen einige Schriftsteller der Neuzeit die AYorte
„droit de braconnage" und „si ne les braconue" auf das jus pri-
mae noctis ^. Doch gieht der I^ame „droit de braconnage" fiir
* Brodeau S. 273: „Ce qui se rapporte au droif de Brncounage , dont il
est parl6 en quelques anciens adveus et denombrements , et autres titres, et
dans les comptes du Domaine de Chaulny et du Conite de Ponthieu : lequel
droict est autre que celuy de Cheuel en Normandie . qui est un droict d'ayde
aux trois cas, pour la oheualerie du fils aisn^. le mariage de la fille aisnee,
et la prison du Peigueur" . . . Der Name ..Cheuel" kann aus Cheval (Pferd)
erklJirt werden.
- Ducange unter Braconagium : ..Yide Brodaeum in consuetud. Paris. tom. I
p. li)8."
^ Carpcntier unter Braconagium: „Adde pag. 273, 2»^ edit. ubi voce Bra-
conage significatur jus quoddam insolitum doraini in puellas quae nubunt,
ipsas nimirum deflorandi in prima nuptiarum suarum nocte, ex comput. do-
manii Calniac. et comitatu Pontiv." Dieser Satz riihrt nicht etwa, wie aus
der Fassung von Carpentier und von Ducange-Henschel angenommen werden
konnte, von Brodeau, sondern erst von Carpentier her.
* Ducange ed Henschel unter Braconagium.
^ Recognit. feudalis Joannis dom. de Mareuil an. 1228. bei Carpentier unter
braconagium : ,,Et mi comme sire de Mareuil puet et loit [doit ?] avoir droit
de Braconar/e sur filles et fiUetes en medite seigneurie : si se marient , et «/
nc les hracomie , eehent en deux solz enver ledite seigneurie." Daraus: Mi-
chelet S. 265; de Labessade S. 65.
^ Leng und Wolff (unter Braconnage) meinen , dies Wort hezeichne „das
heimliche Jagen auf fremdem Grunde, ehemals soviel als droit de cuissage du
Seigneur, das Recht des Gutsherrn , bei der Braut des Unterthanen in ihrer
Kapitel 55. Droit de braconnage (Picardie). 249
sich allein keinen Grund zu einer solehen Auslegung, Man konnte
wegen tler Endung- -age (gleich der lateinischen Endung -agium)
an eine Abgabe denken ^, zumal da der Ausdruck , wie Brodeau
berichtet, in den von ihra erwahnten Lehnsverzeichnissen und
Rechnungen vorkommt; docli ist der Zwischensatz „si ne les
braconne" bei der Annahme einer Heirathsabgabe nicht leicht zu
erkhiren. Vielleicht ist „braconnage" (lat. brachionagium) mit
^Umarmung" und ^braconner" (lat. brachionare) mit „umarmen"
zu iibersetzen ; die offentliche Umarmung der Braut durch . den
Grundherrn oder dessen Yertreter kann eine symbolische Hand-
lung gewesen sein, wtfdurch die Heirath des Vasallen genehmigt
wurde. Mit Sicherheit wird sich die Bedeutung des fraglichen
Rechts erst dann feststellen lassen , wenn die von Brodeau er-
wiihnten sonstigen Urkunden veroffentlicht werden. Allein die
Vermuthung, dass „braconner" gleichbedeutend sei mit „deflorer"
oder gar mit Ausiibung des Rechts der ersten Nacht, erscheint
als willkiirlich, solange nicht aus andern Quellen nachgewiesen
wird, dass dies Recht damals bestanden habe. Zudem steht einer
solchen Vermuthung die Auctoritat von Brodeau entgegen. Denn
er liatte die Urkunden vor Augen, worin das „droit de bracon-
uage" erw^ahnt war; er erkannte aus ihrem Zusammenhang, dass
damit etwas Anderes als mit dem „droit de chevel" gemeint sei ;
er war aber weit entfernt von dem Gedanken, dass es ein Name
fiir das Herrenrecht der ersten Nacht sein konne. Und doch
kannte er die Sage von einem solchen Recht; er glaubte sogar,
es habe bei nordischen Volkern bestanden und sei in christlicher
Zeit abgelost worden ^. Hat er demungeachtet nach Priifung des
Inhalts der Urkunden keine Veranlassung gefunden, an jenes
Recht zu denken, so sind noch weniger spiitere Schriftsteller be-
rechtigt, mit einer derartigen blossen Vermuthung die angefiihrte
Stelle zu erkhiren.
Hochzeitsnacht zu schlafen^'. Littre (Ausg. v 1875) Bd. 1 S. 404 erklart
den Ausdruck droit de braconnage mit ,,droit du seigneur" und die Worte ne
les braconne mit „n'use du droit du seigneur" . unter Verweisung auf das
I)rnvenzalische Wort brac (spanisch braco, italienisch hracco, deutsch Bracke).
Ygl. daruber auch Littre unter Braque und Grimm , W.-B. unter Bracke
(Bd. 2 S. 289). Liebrecht 1879, S. 417 meint. droit de braconnage sei ein
Name des jus primae noctis gewesen.
' Vgl. Kap. 53 S. 241.
- Brodeau S. 273. n. 11.
250 Kapitel 56. Die Bauern von Verson.
3. Recht der Aehte von Mont-Saint-Mkhel Uber die Bauern von Verson.
Kapitel 56. Im neunzehnten Jahrhundert ist die Behauptung
aufgestellt worden, die Monche von Mont-Saint-Michel hatten
iiber die Bauern von Yerson in der Normandie unter dem Namen
„droit de culage" das Herrenrecht der ersten Nacht ausgeiibt ^
Dieser modernen Sage liegen folgende Thatsachen zu Grunde. Die
Ortschaft Yerson, am linken Ufer des Fliisschens Odon, hatte zu
den Allodialgiitern des im Jahr 996 gestorbenen Herzogs Richard I.
von der Normandie gehort und war durch eine Schenkung dieses
Herzogs, rait Zustimmung seiner Gemahlin; Grafin Gonnor, an die
Abtei von Mont-Saint-Michel iibertragen ^. Im zwolften Jahrhun-
dert emporten sich die Bewohner gegen die Abtei auf Anstiften
oder wenigstens unter Schutz des Yicomte Osbert, Herren von Fon-
tenay-Pesnel , eines Nachkommen der Grafin Gonnor ^. Diesen
Aufstand unterdriickte Raoul d'Ivry^. Im Jahr 1247 wurde durch
Abt Richard III., vor Notar N. de Bellon, ein Yerzeichniss der
Einkiinfte der Abtei aus den Orten Yerson und Bretteville auf-
genommen '". Auf derselben Handschrift steht ein Gedicht von
228 Yersen, welches sich auf die Abgaben der Bewohner von
Yerson bezieht und detn Anschein nach von der namlichen Hand
wie die Urkunde iiber die Einkiinfte der Abtei geschrieben ist ^.
Lechaude d'Anisy meint, ein Monch der Abtei von Mont-Saint-
Michel, und zwar wahrscheinlich der in der Urkunde bezeichnete
Notar N. de Bellon, Kaplan des Abtes Richard III., habe das Ge-
dicht verfasst ^. Danach wiirde es aus dem Jahr 1247 herstammeu,
und in einzelnon Stellen konnte eine Yerhohnung der Bauern
gefunden werden. Dagegen nimmt Leopold Delisle an, dies Ge-
dicht sei bereits im zwolften Jahrhundert verfasst worden, und
zwar durch Estout de Goz , bei Gelegenheit des erwiihnten Auf-
standes, der mit dem grossen Aufstand der Pastoureaux in Yer-
bindung gestanden habe ^. Dieser Ansicht hat sich Barthelemy
angeschlossen ^. Danach konnten einzelne Stellen des Gedichts
1 Deipit a. 49, 50; de Labessade S. 20.
^ Die Urlvunden dariiber sind ini Jalir 1841 verotVentlicht Vgl. Lechaude
88, 89; de Barthelemy S. 105
3 Lechaude S. 104, 105.
* Deli.sle S. 121, 124, 125.
s Lechaud6 S. 90, 112.
" Lechaude S. 105.
' Lechaud^ S. 105.
8 Delisle S. 122, 125.
3 de Barth61emy S. 105.
Kapitcl 5f). Die Bauern von Verson. 251
als Spott gegen die Abtei gedeutet werden. AYelclie von beiden
Annahnien die richtige sei, kann liier unentschieden ])leiben.
Ein Theil des Gedichts bohandclt die Hcirathsabg-abo mit folgen-
den Worten :
flBiem me conta Rogier Ade, Jadis avint que le vilein
Qu6 honte ait vilein eschape: Ballout sa fille par la mein
Se vilain sa fille marie Et la livrout a son seignor,
Par de dehors la seignorie, Ja ne fust de si grant valor,
Le seignor en a le culoge: A faire idonc sa volonte, .
iij sols en a del mariage; Anceis qu'il li eust el done
iij sols en a reison por quei, Rente, chatel ou heritage
Sire, je IVos di par ma fei: Por consentir le mariage." '
Diese Stelle kann etwa folgendermassen iibersetzt werden:
„Wohl erzahlte mir Rogier Ade, von welcher Schmach der Bauer
befreit sei : Wenn ein Bauer seine Tochter ausserhalb der Herr-
schaft verheirathet, so hat der Grundherr davon den ,culage';
drei Sous hat er von der Heirath. Drei Sous bekommt er aus
dem Grunde, Herr, den ich Euch auf Treue sage : fruher geschah
es, dass der Bauer seine Tochter an der Hand dem Herrn iiber-
reichte und iiberlieferte , wenn sie auch nicht von so grossem
Werth war, uni dann seinen Willen zu thun, lieber als dass er
ihm etwas Anderes, Rente, beweglicbe Sachen ^ oder Erbgut, fiir
die Zustimmung zur Heirath gegeben hatte." ^ Hier wird nicht
von einem Herrenrecht der ersten Nacht, sondern von einer Steuer
im Fall des formariage gesprochen. Die weitere Ausschmiickung
enthalt eine scherzhafte Andeutung, als wenn in vergangenen
Zeiten die Bauern, statt eine Abgabe fiir die Zustimmung zur
Heirath zu entrichten, vorgezogen hatten, ihre Tochter per^.on-
lich dem Herrn vorzufiihren , „um dann seinen Willen zu thun".
Delpit und Labessade halten es fiir unzweifelhaft , dass der
Dichter damit auf das Herrenrecht der ersten Nacht ange-
spielt habe, indem sie stillschweigend voraussetzen, dass dem
Dichter ein solches Recht bereits bekannt gewesen sei. Doch
fehlt ein geniigender Grund fiir diese Annahme. Zudem ist der
« Lechaude S. 107; Dellsle S. 671, (572, auch S. 69. 74, 122: de Barthelemy
S. 104; de Lagreze (1867) S. 400; Delpit S. 49, 50: de Labessade S. 47 — 49.
2 Vgl. Grand Vocab. Bd. 5 S. 147 unter Catels ou Cateux: Dict. de Tre-
vo«.K Bd. 2 unter Catel ou Cateux. Danach umfasste der Ausdruck catel in
der Picardie Miihlen, SchifCe , hiingende Friichte , moventia etc. „Droit de
meilleur catel" hiess das Besthauptre~eht. Vielleicht eutspricht in ohiger
Stelle das normiinnische Wort „chatel" dem englischen RechtsbegrifF „chattels".
* Vgl. oben Kap. 18 S. 94—97.
252 Kapitel 57. Guido von Chatillon.
Gedanke an ein jus primae nootis mit dem ^Yortlaut insofern
unvereinbar, als danach die fragliche Leistung, an Stelle der
Abg-abe, nicht Seitens der Grundherren gefordert, sondern Seitens
der Bauern angeboten wurde. Urkundlich hatte in Yerson jeder
Besitzer eines vollen Bauerngutes (villenagium), wenn er seine
Tochter ausserhalb des Grebiets der Abtei verheirathete, achtzehn
Pfennige, und jeder Besitzer eines kleineren Gutes einen ent-
sprechenden Theil dieser Summe als formariage zu entrichten ^
Das vorsteheude Gedicht giebt die Summe auf drei Sous (das
Doppelte von achtzehn Pfennigen) an , ohne Unterschied der
Grosse des Bauerngutes. Ob diese Abweichung als Uebertreibung
des Dichters oder anders zu erklaren ist, mag dahingestellt
bleiben.
4. RecJd des Grafen Guirlo vo}t CJidfiUon zu Fere.
Kapitel 57. Lauriere (1704) berichtet, die Bewohner von
Fere in Tardenois seien zufolge eines mit dem Grafen Guido
von Chatillon 2 geschlossenen Yergleichs verpflichtet, auf dem
Schloss Wache zu halten, so oft es nothig sei, und der Grund-
herr oder Schlosshauptmann dazu auffordere. Yor Abschluss
dieses Yergleichs hatten die Bewohner von Fere in driickender
Knechtschaft gelebt, da sie nicht bloss hundert Sous bei jeder
Yerheirathung eines Kindes an den Grundherrn hatten bezah-
len miissen, sondern ausserdem zur Entrichtung des „droit des
mariages" verpflichtet gewesen seien, was ihnen grossen Nach-
theil gebracht und den Abschluss vortheilhafter Heirathen ver-
hindert habe; beide Yerpflichtungen seien durch den erwiihnten
Yergleich abgelost worden '\ Er beruft sich , ohne die Zeit des
Vergleichs anzugeben, auf eine nicht naher bezeichnete Geschichte
von Chatillon, Buch 9 Kap. 16 Seite 598, welche ich nicht habe
ermitteln konnen, Er scheint bei dem Ausdruck „droit des ma-
riages" an ein Schandungsrecht gedacht zu haben. Denn er er-
* Etat des revenus tle rabbaye du ]Mont-Saint-^Iichel a Verson (canton
Evrei) XXV. bei Delisle S. 680: „Item , notandum est , quod quilibet qui
tenet plenum vilanagium , si maritaverit filiam suain extra terram sancti Mi-
chaelis, tenetur reddere xviij d.; et qui minus tenuerit, reddet pro portione
quam tenebit." Vgl. de Barth^lemy S. 105 (mit dem Fehler intra statt extra).
- Moglicherweise bezieht sich diese Nachricht auf den am 2. October 1662
gestorbenen Gui de Chatillon, seigneur de Fere en Tardenois etc. , der bei
Moreri Bd. 3 S. 570 erwahnt ist.
^ Lauriere unter Cullage. Daraus : Koquefort, Suiipl. S. 107: Miohelet
S. 265: Delpit S. 77; do Labessade S. 26 Nr. 55; Kullscher S. 227.
Kiipltt'1 58. Lariviere-Bourdet (Norinaiidie). 253
wjihnt os iii demsclbcn Artikcl, Avorin cr dic Erzahlung des Hector
Bocthius iibcr Evenus III. von Schottland und dessen Gesctz als
geschichtliche Wahrheit vortragt. Daher ist in vorstehendem Be-
richt eine Sage vom Anfang des achtzehnten Jahrhunderts zu
finden , solange eine altere Quelle nicht entdeckt wird. Irrig ist
die Mcinung^, es sei erwicsen, dass dem Herrn von Fcre das
Herrenrecht der ersten Nacht zugestanden habe. Die Behaup-
tung^, dass Guido von Chatillon nicht vergessen habe, „dieses
Recht eines Herrn par excellence sich vorzubehalten" , steht so-
gar in directem Widerspruch mit dem J3ericht Lauriere's.
5. Becht (Jes Herrn ron Laririere-Boiirdet.
Kap. 58. In einer Urkunde des Herrn von Lariviere-Bourdet
aus der Normandie vora Jahre 1419 ist gesagt: „Am genannten
Ort bin ich auch berechtigt, von meinen Leuten und Andern,
weun sie auf meinem Gebiet heirathen, sechs Sous und eine
Schweins-Lange in der ganzen Lange vom Riickgrat bis zum Ohr,
einschliesslich des Schwanzes, mit einem Gallon Getrank^, wie
es auf der Hochzeit vorkommt, zu erheben; oder ich kann und
muss, wenn es mir gefallt, mit der neuvermahlten
Frau schlafen gehen, in dem Fall, dass weder ihr Mann
noch Jemand fiir ihn mir oder meinem Vertreter eine der vor-
bezeichneten Sachen liefert." * Delisle bemerkt zu dieser TJrkunde,
darin sei die Ausiibung des sogenannten Herrenrechts fiir den
Fall angedroht, dass die geringfiigige Abgabe nicht entrichtet
werde ^. Doch ist in der Drolumg von einem Recht nicht einmal
1 Michelet S 265; Delpit Nr. 55 S. 77; de Labessade Nr. 55 S. 26.
2 Kulischer S. 227.
^ Bruvaigne = biberagium = breuvage, d. i. ein Liqueur von Essig uud
Milch.
* Urk. V. 1419, Delisle S. 72: „En dit lieu (de la riviere Bourdet, eu 1419)
aussi ay droit de prendre sur mes hommes et autres, quant ilz se marient eii
ma terre, dix soulz tournois et une longue de porc tout au long de l'eschine
jiisques a roreille , et la queue franchement comprinse en ycelle longue,
avecques ung gallon de tel bruvaige comme il aura aux nopces , oii je puis
et dois , s'il me jitaist , aler couchier avecque Vespousee, en cas ou son mary
ou personne de par lui ne me paieroit k moy ou k mon commandement Tune
des choses dessus d^clair^es." Vgl. auch Bonnemere Bd. 1 S. 61; de Barth^lemy
S. 106; Delpit S. 52, 133; de Labessade S. 18, 43, 92.
* Delisle S. 74, 75. — Nach Priifung aller in den Archiven der Normandie
ermittelten Urkunden ist L6opold Delisle zu dem Schluss gelangt, dass keine
dieser Urkunden zu der Annahme berechtigt, es habe in der Normandie das
jus primae noctis bestanden. Delisle S. 75.
254 Kapitel 59. Coutume von Burgund.
die Rede, sonderu es wird nur gesagt, was der Herr thun
konne und miisse, weun die Leistung der Abgabe unterbleibe.
Hieraus ist nicht zu ersehen, ob dem Yerfasser der Urkunde
die Sage von einem Herrenrecht der ersten Nacht bekannt war.
Jedenfalls enthalten die hervorgehobenen Worte einen blossen
Scherz, der zur piinktlichen Erfiillung einer rechtsgiiltigen Yer-
pflichtung aneifern sollte. Ein iihnlicher Scherz findet sich in
einigen Urkunden anderer Lander ^
6. Dir alte Coidume von Burf/ioHL
Kapitel 59. Jules Delpit meint, in Burgund seien die Leib-
eigenen mit A^erlust ihrer Giiter bestraft worden, wenn sie sich
dem Herrenreclit der ersten Nacht nicht unterwerfen wollten, oder
wenn sie den Herrn in die Unmoglichkeit der Ausiibung dieses
Rechts versetzten 2. Er beruft sich hierfiir auf Art. 117 und 118
des alten Gewohnheitsrechts von Burgund. Indessen mit Unrecht.
Im Herzogthum Burgund galt das droit de formariage fiir
diejenigen Horigen, von denen in rechtsgiiltiger Weise bewiesen
wurde , dass sie zu den serfs de formariage gehorten ^. Fiir sie
bestand der Grundsatz, dass sie Alles verloren, was sie hatten,
wenn sie ausserhalb des Gebiets ihres Herrn ohne dessen Ein-
willigung heiratheten K Doch konnte ein Mann, der zur Klasse
der serfs de formariage gehorte, den Yerlust seiner Habe da-
durch abwenden , dass er mit seiner jungen Frau die erste Nacht
auf dem Gebiet seines Herrn zubrachte; alsdann folgte die Frau
dem Recht des Mannes; sie wurde als Horige fiir den Herrn
ihres Ehemanns erworben ^. Sollte die Frau gegen den Yer-
hist ihrer bisherigen Horigkeitsrechte geschiitzt werden, so war
' Vgl. dariiber Kap. 79 und 88.
2 Delpit S. 76, 77, 120: de Labessade S. 26 Nr. 54, S. 99, 100.
3 Bouhier, Cout. chap. 67 art. 15, Bd. 2 S. 790.
* Anciennes Coutumes de Bourgogne, Art. 117, bei Bouliier ehap. 67 § 12.
Bd. 2 S. 790: „Ceux de for-mariage sont ceux qui ne puent marier fors de
dessous leur Seigneur, sans licence; et se ils se maricnt hors dessous leur
Seigneur, ils perdent quanque ils ont" . . Vgl. Delpit S. 76; de Labessade
S. 99.
5 Anciennes Coutumes de Bourgogne, Art. 117 (hinter der in der vorigen
Anmerkung angefiihrten Stelle) : „Toutesvoyes , si homs se marie en autre
jurisdiction et prand femme au lieu, s'il la meine gesir le premier soir dessous
son seigneur, il ne perd rien. Car il acquiert la femme pour le seigneur ct
la trait h sa condition. Et se il ne gist le premier soir dessous le seigneur.
il perd quanque il a. Et toutesvoyes n'est-il pas hors de servitude , qu'il
demeure serf, se par desaveu n'en part."
Kaintcl 60. Acte de repret. 255
es uothig, dass der Bniutigam deu Ilerrn der Braut als seinen
Herrn anerkannte und dann auf dessen Herrschaftsgebiet die
Hoehzeitsnacht mit ihr zubrachte ^ Der Fall des formariage lag
nicht vor, wenn vor dem Beilager beide Ehegatten Horige des-
selben Herrn geworden waren ^. In der Redaction der Coutumes
de Bourgogne^, die Herzog Johann der Gute von Burgund auf
Antrag seiner Stiinde im Jahr 1459 bestatigte \ wurden die vor-
stehenden Grundsatze ini Wesentlichen aufrecht erhalten.
Hieraus erhellt, dass der Ort, wo die Neuvermahlten die
Hochzeitsnacht zubrachten, insofern von rechthcher Bedeutung
war , als der eine oder andere Ehegatte an dem Ort der Hoch-
zeitsnacht unter den naher angegebenen Yoraussetzungen die mit
der Horigkeit verbundenen Vermogensrechte erwarb ^, In diesem
Sinn konnte man aus den angefiihrten Bestimmungen ein „Recht
der ersten Nacht" herleiten. Von einem Herrenrecht der ersten
Nacht findet sich darin keine Spur.
7. Der „acte de repret" in der Franche-Comte.
Kapitel 60. Ein Recht, welches die Aebte von Saint-
Claude in Franche-Comte ausiibten, soll nach der Meinung von
Jules Delpit nur durcli Annahme des „droit du seigneur" erklart
werden konnen **. Auch dies ist ein grober Irrthum , wie sich
leicht zeigen lasst.
In der Franche-Comte konnten die Kinder der Leibeigenen
(mainmortables) zur Erbfolge in das Bauerngut ihrer Eltern nur
dann gelangen, wenn sie bis zu deren Tod in Giitergemeinschaft
' Anciennes Coutumes de Bourgogne, Art. 118. bei Bouhier chap. 67 §§ 14,
29, 30, Bd. 2 S. 790, 792, 793; Delpit S. 77; de Labessade S. 99, 100: „Se la
femme serve et de for-mariage sort dessous son Seigneur, soit qu'elle veigne
gesir dessous son Seigneur ou non, elle est for-mariee et desadvouee taisible-
ment. Car se elle gist au lieu, elle ne peut acquerir Thomme; et si elle
gist ailleurs, l'homme racquiert. Pourquoi elle est for-mariee et perd tout ce
qu'elle a. Mais se le mary venait advouer le seigneur de la femme avant
ce qu'il l'eust eu [hier fehlt ein Wort] se elle gisoit au lieu , elle ne seroit
pas fort mariee."
2 Bouhier chap. 67 §§ 29, 30, Bd. 2 S. 792. 793: ... ,,Si avant la con-
sommation du mariage , les deux mari^s viennent demeurer au lieu main-
mortable il n'y a point de for-mariage'' . . .
^ Coutume de Bourgogne, Art. 107, bei Bouhier chap. 67 §§ 13 — 30, Bd. 2
S. 790—793.
* Dalloz, Rep. Bd. 1 S. 134
5 Vgl. oben Kap. 28 S. 161, 162.
6 Delpit S. 122.
256 Kapitel 60. Acte de repret.
mit ihnen geblieben waren. Eine Tochter , die bei Lebzeiten
der Eltern heirathete, konnte sich ihr kiinftiges Erbrecht vor-
behalten , indem sie durch Worte oder Handlungen ihren Willen
erklarte, die Giitergemeinschaft (Rechtsgemeinschaft) mit ihren
Eltern und Geschwistern , unbeschadet der ihr gegebenen Aus-
stattung, fortsetzen zu wollen. Dies hiess nrepret" ^ Die Cou-
tume du Comte de Bourgogne vom Jahr 1459 bestimmte, dass an
den Orten der mainmorte die Tochter, welche von ihren Eltern
ausgestattet wurde uud sich verehelichte , ihr bisheriges Eecht
beibehalten konnte, indem sie nach der Hochzeit in das elter-
liche Haus zuriickkehrte und dort die erste Nacht zubrachte ^.
In der Rechtsprechung des Parlaments zu Besancon fand dieser
Grrundsatz des Gewohnheitsrechts eine so milde Auslegung , dass
die Ausdriicke „en son partage" und „retourner" nicht als Be-
dingungen, sondern als Beispiele betrachtet wurden ^. Danach
entschied das Parlament , dass es nicht nothig sei , im elterlichen
Haus eine Nacht zuzubringen , sondern dass es geniige , wenn
dort das Hochzeitsmahl stattfinde '^ , oder wenn die Tochter am
Tag nach der Hochzeit auf kurze Zeit zuriickkehre ^, oder wenn
sie , an der Riickkehr verhindert , durch eine offentliche Urkunde
den Willen erkliire, die Gutergemeinschaft mit den Eltern und
Geschwistern fortsetzen zu wollen*. Das ^Repret" war ein Vor-
recht der Leibeigenen. Dies erhellt aus einem XJrtheil des Par-
laments zu Besancon vom 19. Februar 1633^. Damals machte
eine Tochter freien Standes, die sich bei ihrer Heirath nach
' Dunod chap. 3 sect. 4, clu repret, S. 105 — 117, insbesonclere S. 107:
„le repret; c'est ainsi que nous appellons l'acte de fait ou de paroles, par
lequel elle t^moigne qu'elle veut conserver la communion." Daraus : Garran
de Coulon in der Encycl. meth., jurispr. Bd. 7 S. 353, unter Repret.
^ Coutumes generales du comt6 de Bourgogne v. J. 1459, Art. 90, bei
Bourdot de Richebourg Bd. 2 S. 1201 , und Coutume du Comtc de Bour-
gogne, Art. 8, bei Dunod S. 105: „En lieu de ^lainmorte, la fille mariee en
son partage, peut retourner pour avoir et recouvrer son partage: pourvu
qu'elle retourne gesir la premiere nuit de ses noces, en son meix et h^ritage."
Ueber die Bedeutung des Wortes meix, welches von mansus hergeleitet
wird, vgl. Dunod S. 37, 38, 109. Vgl. Moser Bd. 5 S. 158 ; Delpit S. 77.
^ Vgl. iiber die Worte „fllle mariee en son partage": Dunod S. 110 — 113
und iiber „retourner" : Dunod S. 109, 110.
* Urth. Parl. Besan^on v. 7. Oct. 1600, bei Dunod S. 107; Urth. v. Juli
1608, bei Dunod S. 107, 108.
5 Urth. Parl. BesanQon v. 12. Sept. 1620, bei Dunod S. 108.
6 Urth. Parl. Besan^on v. 24. Dec. 1619, 9. Nov. 1629 und Juli 1685. bei
Dunod S. 108, 109.
"> Urth Parl. Besanoon v. 19. Febr. 1633. bei Dunod S. 106.
Kapitel 60. Acte de repret. 257
der Coutume gerichtet hatte, gegeniiber ihrer Schwester, von der
diese Yorschrift nicht beobachtet war, Anspruch auf das Allein-
eigenthum der Giiter der mainmorte im Nachlass ihrer Mutter,
unter Ausschluss ihrer Schwester; diesen Ansprucli verwarf das
Parlament mit der Erwiigung, dass jene Vorschrift der Coutume
auf Personen freien Standes keine Anwendung finde. Bei dieser
Sachlage rechtfertigt sich die Bemerkung von Justus Moser, dass die
Formliclikeit des Repret als Milderung des alten Grundsatzes: „der
Erbe muss sein huldig uud horig nach dem Hofe", zu betrachten
sei und keineswegs als eine Hiirte angesehen werden konne ^.
Zur Zeit, als Yoltaire zu Ferney lebte, wurde unter den
Leibeigenen, die vom Stift Saint-Claude abhingen, die Yor-
stellung verbreitet, dass die Grundsatze der mainmorte mit den
allgemeinen Menschenrechten in \Yiderspruch stiinden. Zwei
Denkschriften dariiber, die deu Eindruck machen, als seien
sie von Yoltaire selbst oder wenigstens unter seiner Leitung ab-
gefasst, w^urden an den franzosischen Staatsrath abgesendet.
Darin behauptete man, alle Rechtstitel der mainmorte, worauf
sich die Stiftsherren beriefen, seien durch deren Rechtsvorganger,
die Benedictiner-MiJnche, in vergangenen Jahrhunderten falsch-
lich angefertigt worden. Die zweite . der beiden Denkschriften
fand eine besoudere Ungerechtigkeit darin, dass eine Tochter,
die heirathe und dadurch genothigt werde, das elterliche Haus
zu verlassen, alle Anwartschaft auf die kiinftige Erbschaft, selbst
den Pflichttheil, verliere. „Man hat nur ein Mittel erfunden,
um die emporende Ungerechtigkeit dieser Entscheidung zu mas-
sigen , ein Mittel , das ebenso wunderlich ist , wie das Gesetz
ungeheuerlich; man sollte errothen, es ernstlich vor ehrenwer-
then Gerichten vorzutragen: die leibeigene Tochter kann sich
durch einen Notar eine Bescheinigung ausfertigen lassen, welche
feststellt, dass sie die erste Nacht ihrer Hochzeit im Haus
ihres Yaters geschhifeu hat; man nennt dies acte de repret,
eine Bezeichnung, die keinen Sinn hat; vermittelst dieser selt-
samen Yorsicht bewahrt diese Tochter bei der Heirath die Yor-
theile, die sich an ihre friihere Gemeinschaft kniipfen. Unter-
lasst sie diese Formlichkeit , so ist Alles fiir sie verloren; und
selbst das Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den friiheren
Stand wird ihr verweigert." ^ Das Stift reichte ebenfalls Denk-
schriften ein, um die vorbezeichneten Behauptungen zu wider-
1 Moser Bd. 5 S. 155. Vgl. oben Kap. 28 S. 161, 162.
^ Diss. S. Claude, seconde requgte au Roi, Anh. S. 23, 24.
Schmidt, Jus primae noctis.
258 Kapitel 61. Gascogne.
legen und wohlerworbene Eechte zu vertheidigen. Durch Be-
schluss vom 18. Januar 1772 verwies der Staatsrath die Sache
an das Parlament zu Besangon, mit dem Auftrage, iiber den Streit
der Parteien in erster und letzter Instanz zu entscheiden, und da-
bei sowohl die vorgelegten Urkunden zu priifen, als auch den
Besitzstand zu beriicksichtigen. Inzwischen verfasste Yoltaire
eine Eeihe von Schriften gegen die Anspriiche des genannten
Stifts ^. Er behauptete, die vorgelegten Titel seien im zwolften
und dreizehnten Jahrhundert falschlich angefertigt worden ^, Zu-
gleich wiederholte er die iibrigen Behauptungen , die in den
Denkschriften und in der daraus angefertigten Dissertation auf-
gestellt waren ^. Namentlich stellte er die irrige Behauptung auf,
es sei als ein Yerbrechen beliandelt und mit Yerlust des Yer-
mogens bestraft Vorden, wenn die junge Ehefrau die erste Nacht
bei ihrem Ehegatten, statt im elterlichen Haus, zubrachte *. Die
Bemiihungen Yoltaire's hatten keinen Erfolg ^, vermuthlich deshalb,
weil die Eechte des Stifts wohl begriindet waren, und die dagegen
gerichteten Angriffe sich als ungerechtfertigt erwiesen. Das Par-
lament zu Besaneon entschied den Streit zu Gunsten des Stifts
von Saint-CIaude ''.
<S. Recht in der Gascogne.
Kapitel 61. In den „Decisiones Burdegalenses" von Nicolaus
Boerius sagt der Yerfasser, es werde, wie er gehort habe, erzahlt
und fiir wahr gehalten, dass einige Herren der Gascogne das Eecht
gehabt hiitten, in der ersten Hochzeitsnaclit ihrer Unterthanen eineu
nackten Schenkel an die Seite der neuvermiihlten Frau zu legen
oder sich dariiber mit ihren Untertlianen abzufinden '. Dies ist
1 Voltaire, ficrits povir les habitants du Mont-Jura 1770—1775, 6d. Bcau-
marchais Bd. 29 S. 455—511.
2 Voltaire 1. c. Bd. 29 S. 479. Zudem wird S. 499 behauptet, dass ein
titre authentique de libertd vom Jahr 1390 durch die INIonche bei Seite ge-
schaift und erst im Marz 1770 wiedergefunden sei.
' Die Disscrtation sur l'abbaye de St. Claude wird erwiihnt und belobt
bei Voltaire 1. c. Bd. 29 S. 479.
"> Voltaire, ed. Beaumarchais Bd. 29 S. 477, 478, 502, 506.
* Voltaire, 6d. Beaumarchais Bd. 29 S. 461, 462 : . . . ,,L'61oquence et le
z61e de M. de Voltaire ont 6t6 inutiles; la servitude subsistc encore au pied
du Mont-Jura."
« Krciten S. 285. 286.
' Boerius, dec. 297 n. 17 : . . . „Et pariter dici audivi ct pro ccrto haberi,
nonmillos Vasconiae dominos habere facultatem prima nocte nuptiarum suorum
subditorum, ponendi unam tibiam nudam ad latus neogamae cubantis , aut
Kapitcl G2. Urtlieil vom 13. Juli 1302 (Guycnne). 259
eine Erztihlung aus der Mitte des sechzelinten Jahrhunderts , aus
einer triiben Quelle *. Sie bezieht sich auf die ini Kap. 11 erorterte
Formlichkeit, keineswegs auf das jus priniae noctis im gewolmlichen
Sinn dieses Ausdruckes. Ilieraus ergiebt sich die Unhaltbarkeit der
Behauptung, dass mehrere Herren der Gascogne unter dem Namen
„droit de cuissage" das Herrenrecht der ersten Nacht ausgeiibt
liiitten 2 ; oder dass die altherkommliche Ablosung dieses Rechts
noch bis ins sechzehnte Jahrhundert an die Grundherren der
Gascogne allgemein liabe entrichtet werden miissen ^.
b. Gericlitliche Entscheidungen.
1. UrtheU des Gross-SeneficJialls von Guijenne rom 13. Juli 1302.
Kapitel 62. Im Jahr 1812 veroffentlichte M. de Saint-Amans
eine „unendlich merkwiirdige" Urkunde, mit dem Bemerken, dass
ihm die Aechtheit derselben verbiirgt sei, und dass er ihre Auf-
findung dem Zusammentreffen gliicklicher Zufalle verdanke ; sie
sei in der Landessprache abgefasst, die in Aquitanien im drei-
zehnten und vierzelmten Jahrhundert gegolten habe und fast unver-
iindert in Catalonien erhalten sei. Nach dieser Yorbemerkung
folgt der AYortlaut eines angeblichen Urtheils des CTross-Seneschalls
der Guyenue vom Mittwoch, 13. Juli 1302, in Sachen des Herrn
Johann von Durasfort als Grundherrn von Blanquefort, La Talhan,
Cantenac , Margaux und andern Herrschaften , gegen Catharina
deu Soscarrola aus Cantenac und ihren Ehegatten Guilhem deu
Becarron den Jiingeren, iiber das Recht „de premici et de de-
floroment" ^. Eine franzosische Uebersetzung dieser Urkunde
wurde im Jahr 1819 veroffentlicht ^. Seitdem wird dies Urtheil
componendi cum ipsis.^' Vgl. (VEspeisses tit. 6 sect. 9; Lauriere unter Les
marquettes des femmes; Le Siecle du 19 sept. 1854, erste Seite: Vallein
S. 220; Delpit S. 92, 93: Marichalar Bd. 6 S. 69: de Barthelemy S. 109.
1 Vgl. Naheres iiber das Werk des Boerius, insbesondere iiber dec. 297
n. 17, in Kap. 82.
* de Labessade Nr. 63 S. 28, vgl. S. 16, 17.
3 Sugenheim 1861, S. 104.
^* de Saint-Amans 1812, S. 61—65; daraus spiiter abgedruckt bei Saint-
Amans 1818, S. 65—68 und bei Delpit S. 94—96. Ein Abdruck derselben
Urkunde, jedoch ohne Angabe der Quelle, steht auch bei Cassany-IMazet
S. 292—294. Auf diese Urkunde stiitzt Cassany-Mazet (S. 89) die Behauptung
dass die Grundherren zur Zeit Philipp's des Kiihnen das alte Feudalrecht der
ersten Nacht „wiederhergestellt' • hatten. "
* Bibl. hist. Bd. 19 S. 232—234. — Der Redacteur dieser Zeitschrift,
C6sar Eugene Gossuin, stand am 24. Jan. 1820 als Angeklagter vor dem Assi-
17*
260 Kapitel 62. Urtheil vom 13. Juli 1302 (Guyenne).
als Beweis augefiihrt *, dass im Mittelalter das Feudalrecht der
ersteu Jfacht thatsachlich ausgeiibt und sogar gerichtlich an-
erkaunt worden sei; und dass in der Guyenne der Neuvermahlte
„noch" im vierzehnten Jahrhundert verpflichtet gcwesen sei, seine
Frau dem Seigneur zur Ausiibung des jus primae noctis sogar
personlich zuzufiihren ^ ; als ob es selbstverstandlich wiire , dass
eine solche Yerpflichtung auch friiher bestanden habe. Die Aecht-
heit jenes Urtheils wurde im Jahr 1840 durch Brunet in Zweifel
gezogen ^ und seitdem von Niemandem nachgewiesen. Gleichwohl
erwahnen spiitere Schriftsteller diese Urkunde unter den Beweisen
des jus primae uoctis, ohne sich iiber ihre Aechtheit bestimmt
auszusprechen *.
Nach Inhalt dieses angeblichen Urtheils^ behauptete der
senhof der Seine; er ward nach eiucr bewegteu Verhandlung durch die Ge-
schworenen fiir nichtscliuldig erkliirt und demgeniass durch den Assisenprasi-
denten von der Anklage losgesprocheu. Dieser Process betraf lediglich einen
im elften Band jener Zeitschrift abgedruckten Aufsatz. (Vgl. Moniteur, Mardi
25 janv. 1820, S. 98.) Deshalb sind die bei Veuillot 2. Aufl. S. 305—310
aus diesem Process gezogenen Folgerungen von keiner Erheblichkeit fiir die
im neunzehnten Band enthaltene Publication. Ueberdies kann dieselbe als
eine Uebersetzung der bereits im Jahr 1812 verofFentlichten Urkunde be-
trachtet werden. (Vgl. jedoch S. 262. 267.)
1 Miot S. 217. 218: Ewers S 71, 75: Bonnemere Bd. 1 S. 58; Marichalar
Bd. 6 S. 69: Kulischer S. 227. — Aus dem Glauben an die Aechtheit jenes
Urtheils erklart sich eine Bemerkung der Augsb. Allg. Ztg. (v. 18. April 1868)
und Liebrecht"s (1879, S. 417), wonach das jus primae noctis den Namen droit
de deflorement gefiilirt haben soll.
2 Sugenheim 1861, S. 103 und 1872, S. 030.
3 Brunet S. 172.
+ Delpit Nr. 64, S. 93 ff. : Labessade Nr. 64, S. 28: ,,Une sentence, vraie
ou supposee" . . .
^ Saint-Amans bei Malte-Brun Bd. 18 S. 61—65: Asso es la carta et sta-
tut deu ilreit de premici et de defioroment que lo senhor de la terra et sen-
horia de Blanquefort a et deu aver, en et sobren totas et casctmas las filhas
no nohlas qui se maridan en la deita senhoria, lo primier jorn de las nopsas :
„Conaguda caxisa sia que cum de tot temps de dreit, et per costuma anciaux,
lo poderos senhor de la teri-a et senhoria de Blanquefort , La Talhan , Cante-
nac, Margaux et autras, agos lo drcit de premici et dettoroment en et sobren
totas et cascunas las filhas , no noblas, qui se maridan en la deita terra et
senhoria de Blanquefort, et autras dessus nompmadas, lo primier jorn de las
nopsas, empero lo maridat present, et tenent una cama de la maridata
penden que lo deit senhor prendra lo dreit de premici et fara h)u de-
floroment, et lo deit defloroment feit lo deit senhor no pot mech toquar la
deita maridata, ct a deu laissar au marit. Et cum lo mes de may dareiro-
ment passat, Catharina deu Soscarola de la parropia deu deit Cantenac se
fossa maridata al Guilhem deu Becarron lo joen, lo poderos senhor en Johan
Kapitel 02. Urtheil vom 13. Juli 1302 (Cuyenne). 261
Kliiger, auf Grund alteii Gcwohnlicitsrechts der genannten Herr-
schaften die Bcfuirniss zu liaben, an allen nicht adeliffen Madchen,
.de Durasfort, cavaley, senhor de la deita terra et senhoria de Blanquefort et
autras dessus nompmadas, agos vouhit uzar deu deit dreit, et poder de pre-
mici et de defloroment en et sobre la deita deu Soscarola, era se fossada re-
fusada d'obedir au deit senhor , et no vougut lo accorda lo deit premici et
defloroment, et lo deit deu Becarron si fos equalement apausat, et emportat
de malas palauras envers lo deit senhor, et perrason de la desobedientia de
la deita maridata ct las malas palauras deu deit maridat , lo deit senhor los
agos feit meter en carcera separoment, et fos anat en se clamant d'una cla-
mor criminosa envert Mosseu lo Grand Senescaut de Guyana per enformar
de so que dessus es deit, et a que so feit enquesta per cartas, et per torbas
de testimonis deu dreit et costuma anciana en los quaiis ero lo senhor de la
deita terra et senhoria de Blanquefort, et autras sobredeitas daver et uzar
deu dreit de premici et de defloromeiit cn la maneira susdeita, et empres la
deita enformation et enquestas feitas fo rendut una sententia per la cort se-
nescala de Guienna de la quau lo tenor sen sec de mot a mot. Entre lo
noble et poderos senhor en Johan de Durasfort, cavaley, senhor de la terra
et senhoria de Blanquefort, lo Talhan, Labarda, Cantenac, Margaux, et autres,
demandador en dreit de premici et de defloroment lo primier jorn de las
nopsas en et sobre totas et cascunas las ftlhas no noblas que se mai-idan en
la deita terra et senhoria de Blanquefort et autras dessvis deitas , empero lo
maridat present et tenent una cama a la maridata penden quet prendra lo
deit premici et fara lo defloroment, duna part, et Catharina deu Soscarrola
de la parropia deu deit Cantenac noaroment maridata al Guilhem deu Be-
carron lo .joen defendadora au susdeit dreit d*autra part, et lo medis senhor
equaloment demandator en reparation et castigament de malas palauras contra
lo deit deu Becarron aissi medis defendador au dreit susdeit encora d'autra
part, et es esta bist per la cort senescala la clamor criminosa deu dcit senhor
en Johan de Durasfort, ensemps las enformations enquesta per cartas et per
torbas de testimonis et autras pessas deu contest entre las pardidas, a deit et
declarat lo deit senhor cstre fondat en dreit, et cn rason, et per costuma an-
ciana daver et poder prendre lo premici et far lo defloroment lo primier jorn
de las nopsas en et sobren totas et cascunas las filhas no noblas que se ma-
ridan en la deita terra et senhoria de Blanquefort et autras sobredeitas em-
pero lo maridat present et tenen una cama a la maridata penden que lo deit
senhor prendra lo deit premici et fara lo defloroment, et aquo feit lo deit
senhor no pot mech toquar la maridata, mas la deu laissar au maridat, et per
rason de so que dessus es declarat, la deita cort a condamnat et condamna
la deita Catharina deu Soscarola, et lo deit Guilhem deu Becarron lo joen,
d'obedir au deit senhor perche prenne son dreit en la maneira susdeita; et
en so que toqua las malas palauras que lo medis Guilhem ave deitas au deit
senhor, la deita cort la condamnat et condamna de se amandar envert lo deit
senhor, et lo demandar gratia un genouil en terra, lo cap nud, et las mas en
crots estendudas sobre la peitrina, en la,.presentia de tot los que foran assem-
blats a las nopsas, et plus ordonna la deita cort que en so que toqua lo dreit
susdeit la presenta sententia serbira de lex et statut tant per lo temps pre-
sent que per lo temps advendor, pcr lo deit senhor de la far proclamar et
262 Kapitel 62. Urtheil vom 13. Juli 1302 (Guyenne).
die iii seiner Herrschaft heiratheten, das Recht der Vorkost und
Defloration auszuiiben und dazu die Beihiilfe des Brautigams in
naher bezeichneter Weise in Anspruch zu nehmen ; die Beldagten
hatten sich diesem Recht bei ihrer Heirath, im Mai 1302, nicht
unterwerfen wollen, und der Brautigam habe sich sogar Schimpf-
reden gegen den Khiger erhxubt. Deshalb hatte er Beide einzeln
einsperren lassen, und er wendete sich an den Gross-Seneschall
der Guyenne (Grand Senescaut de Guyana) mit dem Antrag
auf Strafverfolgung (Clamor criminosa). Der Gerichtshof erhob
Beweis durch Zeugen und Urkunden iiber das Gewohnheitsrecht.
Das Endurtheil erklarte die Anspriiche des Klagers fiir gerecht-
fertigt, verurtheilte demgemiiss beide Eheleute, dem Herrn zu ge-
horchen, damit er sein Recht in der bezeichneten Weise ausiibe,
und den Ehemann allein zu einer genau bestimmten Demiithigung
als Genugthuung fiir die dem Herrn zugefiigten Beleidigungen;
verordnete, dass dies Urtheil fiir alle Zeiten als Qesetz und Statut
dienen solle, und iiberliess dem KKxger, dasselbe durch einen
koniglichen Notar oder durch einen Weibel vor der Kirchenthiir
zu Cantenac am Schluss der Pfarrmesse und ausserdem im ganzen
Umfang der genannten Herrschaften bekannt machen zu lassen,
auch soviel Ausfertigungen davon zu nehmen, als ihm beliebe.
Schon aus diesem Inhalt, hauptsiichlich aus der Specialvor-
schrift iiber die Verpflichtung des Ehemanns, dem Herrn behiilflich
zu sein, ist zu ersehen, dass ein solches Urtheil von keinem
Richter erlassen sein kann, und dass die Anfertigung des Schrift-
stiicks aus einem frivolen Scherz herriihren muss ^ Die leicht
verstiindlichen und haufig wiederholten Ausdriicke und Redewen-
dungen fiihren zu der Vermuthung, dass eine Uebersetzung aus
dem modernen Franzosischen in die altere Sprache vorliegt, und
dass dafiir die einzelnen AVorter zumeist aus achten Urkunden des
vierzehnten Jahrhunderts entlehnt wurden, Die Arbeit erscheint als
publicar sia per un Noutari Reyau , sia per un apparitor au davant de la
porta de la Gleisa deu deit Contenac k la sailhida de la messa de parropia,
et per tota lestenduda de la deita senhoria de Blanquetbrt et autras sobre-
deitas, et de far dressar cartas deu proclamat a tan cum lo plaira." Au dos
est ecrit: „Sententia haec fuit in audientia Seneschallii Aquitaniae, die mer-
curii decima tertia mensis Julii, anno millesimo trecentesimo duo."
' In der Neuzeit soU es vorgekommen sein, dass zufolge eines Scherzes
eincm Gerichtsprasidenten unter den „blossen Unterschriftsachen" sein eigenes
Todesurtheil mit haarstrauhendem Inhalt vorgelegt, und dasselbe von ihm
richtig unterzeichnet wurde. Doch diirften derartige Scherze im vicrzehntcn
Jalirluindert nicht so leicht als im neunzehnten Jahrliundert auszufiihren
gevvesen sein.
Kapitel 62. Urtheil vom 13. Juli 1302 (Guyenne). 263
ziemlicli ungesclnckt, da sie niclit einmal den Formen einer ge-
riclitliclien Verliaudlung oder einer Urkunde aus jener Zeit ent-
spricht. Eine specielle Sprachvergleichung kann hier unterbleiben * ;
denn die Falschung wird durch eine grosse Zahl von Indicien klar
bewiesen. Auf der Riickseite des Urtheils soll geschrieben stehen,
es sei erlassen oder verkiindigt - -Mittwoch den dreizelinten .Juli
1 Fiir (lcn Fall, dass ein Sprachgelehrter diese Untersuchung unternehmen
wollte , wlirde als eiu vorziigliches Vergleichungsstiick die Handschrift der
herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbiittel , Nr. 31 Aug. in fol., aquitanisches
Lehnsregister , zu beriicksichtigen sein. Dieselbe ist aus dem Archiv von
Bordeaux vor dem Jahr 1627 in die Bibliothek des Herzogs August von
Braunschweig gelangt; sie ist gegen Ende des dreizehnten oder Anfang des
vierzehnten Jahrhunderts angefertigt und enthjilt auf 171 Folio-Blattern eine
Abschriftensammlung von notariellen Urkunden aus der zweiten Hiilfte des
dreizehnten Jahrhunderts, zur Feststellung der Rechte des Konigs Eduard
von England als Herzogs von Aquitanien. (Vgl. auch die Beschreibung dieser
Handschrift bei Schonemann S. 43 u. 44; Martial und Jules Delpit, in den
Notices Bd. 14 S. 296 — 458.) Einige dieser Urkunden sind lateinisch, andere
iu der Landessprache abgefasst, und zwar letztere in verschiedenen Dialecten.
Aus einer sorgfiiltigen Vergleichung dieser Urkunden mit dem angeblichen
Urtheil vom Jahr 1302 werden Fachgelehrte ermitteln konnen, ob letzteres
in einer Sprache geschrieben ist, die ara Ende des dreizehnten und Anfang
des vierzehnten Jahrhunderts in der Guyenne gesprochen wurde. Andere Ver-
gleichungsstiicke finden sich in mehreren Urkunden aus dem dreizehnten und
vierzehnten Jahrhundert, die in der Geschichte ]Montauban's von Le Bret ab-
gedruckt stehen. — Es mag richtig sein, dass die in der Urkunde gebrauchten
Ausdriicke mit der Sprache, die zur Zeit von Saint-Amans in Catalonien ge-
redet wurde, „fast" libereinstimmen; wenigstens ist eine gewisse Aehnlichkeit
unverkennbar. (Vgl. das catalonisch-spanische Worterbuch von Labernia.)
Doch ware es auffallend , wenn die Sprache sich in flinfhundert Jahren nur
wenig geJindert haben sollte. — Ueber die Verwandtschaft der Sprache von
Guyenne und Catalonien hat niir Herr Manuel de Bofarull zu Barcelona ge-
schrieben : „Die Annahme, dass die Sprache von Catalonien und Guienue mit
einander iibereinstimme , ist ein grober Irrthum. Die romanische Sprache
zerfallt in eine grosse Zahi von Dialecten , von denen jetzt nur noch einige
gesprochen werden; sie sind iihnlich in der Syntax, aber verschieden in an-
dern Theilen; der Sinn eines solchen Dialects Msst sich errathen , wenn man
ihn auch nicht spricht, w^egen der Etymologie oder Aehnlichkeit der Wurzeln.
Die catalonische Sprache unterscheidet sich von andern romanischen Dialecten
durch einen bestimmten Charakter; denn sie war eine geschichtliche, amtliche
und wissenschaftliche Sprache , die von einem Volk und einer Dynastie
Jahrhunderte lang gesprochen wurde. Aus diesem Grund kann die Sprache
von Catalonien derjenigen von Guienne ahnlich sein , wie die portugiesische
der castellanischen ; aber sie ist nicht dieselbe, wie sich leicht beweisen liisst,
wenn man Namen vergleicht" . . .
2 Das Wort „publicata" vor „fuit" scheint in der Handschrift oder dem
Abdruck vergessen zu sein.
264 Kapitel 62. rrtheil vom 13. Juli 1302 (Guyenne).
1302". Ein Schreib- oder Druckfehler 'im Datum ist nicht anzu-
nehmen, da der ganze Yermerk in Buchstaben gedruckt ist. Nun
•war es aber um jene Zeit ungewohnlich , in der heute iiblichen
Weise ein Datum durch Monat und Wochentag zu bezeichnen; ge-
wohnlich erfolgte die Bestimmung nach Heiligentagen und Festen.
Sodann war, was besonders zu beachten ist, der dreizehnte Juli
im Jahr 1302 nicht ein Mittwoch, sondern ein Freitag \ Ferner
fehlt in der Urkunde eine Angabe iiber den ]S^amen des Richters
und iiber den Ort des Gerichts, sowie iiber Siegel und Unter-
schrift des Richters oder Gerichtschreibers. Auffallend ist, dass
die Urkunde vom Gross-Seneschall der Guyenne spricht, obwohl
dem Seneschall der Guyenne (dem Senescalcus Yasconiae) die
Bezeichnung ^Gross" nicht zukam ^. Im hochsten Grad verdachtig
ist die Angabe, dass die Urkunde zufiillig aufgefunden sei, und
dass man dem M. de Saint-Amans die Aechtheit verbiirgt habe.
Wer eine angeblich vor mehr als fiinfhundert Jahren geschriebene
Urkunde herausgiebt und deren Aechtheit behauptet, hat mindestens
anzugeben, wo und in welcher Y^^eise die Urkunde gefunden ist,
wo sie verwahrt wird, und aus welchen ausseren und inneren
Griinden die Aechtheit der Urkunde sich entnehmen liisst: dazu
gehort eine Besclireibun'g des allgemeinen Aussehens, der Schrift-
zeichen, der Siegel und Unterschriften und sonstiger Merkmale.
Alles dies hat M. de Saint-Amans unterlassen. Y^are das Urtheil
jicht, so miisste dariiber in den gedruckten Acten aus der Regierung
des Konigs Eduard I. von England oder im Departements-Archiv
von Bordeaux eine IS^achricht zu finden sein^. Im Jahre 1302 war
Bertrand II. de Gout oder de Got (der spatere Papst Clemens Y.)
Erzbischof von Bordeaux; in dessen Lebensgeschichte wird ein
solches Urtheil nicht erwahnf^. Ebensowenig wurde es in den
1 Wenn man die Muthmassung aufstellen konnte, die zwar unsicher ist,
aber nicht selten zutrifft . dass der Urheber der Falschung aus dem Kalender
des Jahrs. worin er schrieb , das Datum aufs Gerathewohl entnommen habe,
so konnte daraus em Fingerzeig zur Ermittlung der Jahreszahl der Arbeit
gewonnen werden. Yor dem Jahr 1812 (worin der 13. Juli auf einen Montag
fiel) war der 13. Juli ein Mittwoch in den Jahren 1785. 1791, 1796. 1803
und 1808.
* Vgl. die erwiihnte Handschrift der Wolfenbiitteler Bibliothek (welche
auch wegen dieser Frage niiher durchgesehen werden konnte): ausserdem eine
Urk. V. 1299 bei Ducange unter Senescalcus; Warnkonig Bd. 1 S. 361, 362.
' Eine AnfragC; die ich dariiber an den Herrn Departements-Archivar zu
Bordeaux gerichtet habe. ist ohne Antwort geblicben.
♦ Gall. Christ. Bd. 2 S. 829, 830.
Kapitel «2. Urthcil vom 13. Juli 1302 (Guyenne). 265
Arcliiveu der Herrschaft Blanquefort vorgefiinden ^ AVare das
Urtheil , wie dessen Schluss verordnet , bekannt geniaciit und
verbreitet worden, so miissten zahlreiche Abschriften angefertigt
sein, und die Entscheidung miisste in der Guyenne Aufsehen
erregt haben ; ferner wiirden spatere Herren von Blanquefort Er-
klarungen dariiber abgegeben, und Schriftsteller mindestens aus
dortiger Gegend, z. B. Automne im Commentar zu den Coutumes
des pays Bourdelois, iiber dies merkwiirdige Urtheil gesprochen
haben. Wie erklart es sich, dass dies „Gesetz und allgerheine
Statut" vollstandig verschwand, bis es nach mehr als fiinfhundert
Jahren durch unbekannte Personen aufgefunden und dem M. de
Saint-Amans eingehandigt wurde? Es wird erzahlt, die Urkunde
sei zum Yerbrennen bestimmt gewesen und mit andern Feudal-
titeln von dem auf der place Dauphine in Paris errichteten
Scheiterhaufen durch einen Sturm weggefiihrt, dann durch einen
Reisenden aufgehoben und von demselben an M. de Saint-Amans
mitgetheilt worden ^. Allein es fehlt jeder Beweis fiir die Richtig-
keit dieser sonderbaren Erziihlung; und es ist nicht einmal an-
gegeben, wo die gerettete Urkunde, seit sie in Handen des
M. de Saint-Amans war, geblieben sei. Die spanischen Advocaten
Amalio Marichalar Marques de Montesa und Cayetano Manrique
versichern, das Original-Urtheil gesehen zu haben ^. Doch ver-
dient diese Angabe keinen Glauben, solange nicht einmal ge-
sagt ist, wann und wo ihnen die Gelegenheit zur Einsicht jener
1 Delpit S. 105 (au.s der ersten Auflage von Baurein). In der neuen Aus-
gabe von Baurein (1876) finde ich keine Erwahnung dieses Urtheils.
2 Delpit S. 105, 106 (aus einer angeblichen Mittheilung des Prasidenten
Duprat, der eine Abschrift des Urtheils mit jener Erziihlung besessen haben
soll) : „Cette piece a ete sauvee des flammes par un pur hasard , lorsqu'en
execution du decret qui ordonnoit de faire bruler tous les titres feodaux, on
transporta des archives sur la place Dauphine plusieurs charretees de vieux
titres qui devoient etre livres aux flammes. Au moment oii le feu alloit les
devorer, il se leva un vent de sud-ouest si violent qu'un grand nombre de
ces papiers fut emporte loin du bucher: entre autres, le singulier jugement
que Ton vient de copier. II tomba aux pieds d'un voyageur que la curiosite
avoit amene a cet etrange auto-da-fe , des mains duquel 11 est passe dans
celle de M. de Saint-Amans." — Zum niihern Verstandniss dieser Erzahlung
mag bemerkt werden, dass nach Art. 6 und 7 des Decrets vom 17. Juli 1793
alle Titel iiber die ohne Entschadigung aufgehobenen Feudalrechte verbrannt
werden soUten; die Ausfiihrung dieser Bestimmung wurde durch Art. 3 des
Decrets vom 8 pluv. II (27 Jan. 1794) auf spatere Zeiten verschoben.
' Marichalar Bd. 6 S. 69: „Ocasion hemos tenido de ver una seiitencia
original de la Senescalia de Guyena" . . .
266 Kapitel 62. Urtheil vom 13. Juli 1302 (Guyenne).
TJrschrift geboten wiirde *. Zu Alledeni kommt hinzu, dass der
Xame des angeblichen Klilgers mit den genealogischen Nachrichten
iiber die Familie von Durasfort in Widerspruch steht^; danach
war zur Zeit des Urtheils nicht Johann von Durasfort, sondern
Eduard von England Herr von Blancafort^.
Kann somit kein Zweifel dariiber bestehen, dass die Ur-
kunde vom 13. Juli 1302 unacht ist, so bleibt noch die Frage
iibrig, zu welcher Zeit, durch welche Persou und aus welchen
Beweggriinden die Anfertigung geschehen sei. Es ist mir nicht
gelungen, hieriiber etwas absolut Sicheres zu ermitteln. Yeuillot
vermuthet, der Anfertiger habe aus politischen oder personUchen
Beweggriinden die Absicht verfolgt, die Familie des Herzogs von
Durasfort zu verunglimpfen *. Hiergegen bemerkt Delpit, die
1 Es ware zu wiiuschen, tlass der Inhaber der Urkunde, falls sie existirte,
sich meldete, um eine Priifung der Aechtheit zu ermoglichen.
2 P. Anselm Bd. 1 cap. 162, S. 812—814.
* Diese Herrschaft gelangte (wie aus Baurein S. 252—262 zu ersehen ist)
erst im October 1336 an die Familie Durfort, und zwar an Aymery (nicht
Jean) de Durfort, zufolge eines mit dein Konig von Frankreich geschlossenen
Vergleichs. Nach Inhalt der authentischen Urkunde vom October 1336 ver-
zichtete Aymery de Durfort auf verschiedene Anspriiche, die er aus einer
letztwilligen Yerfiigung des Bertrand de Got, zufolge kinderlosen Absterbens
des Johann von Durfort (Sohnes von Bernard von Durfort, Herrn von
Flamarens), erhoben hatte : dagegen iibertrug ihm der Konig von Frankreich
das Schloss Blancafort mit Zubehor, und zwar sowohl diejenigen Giiter dieser
Herrschaft, welche der Konig bereits in Besitz hatte, als auch diejenigen, die
in Besitz des Herzogs von Guienne waren und nach einem zwischen dem
Konig und dem Herzog geschlossenen Uebereinkommen an Erstern heraus-
gegeben werden sollten. (Vgl. Urk. v. Oct. 1336, Arch. hist. Gironde, Bd. 4
S. 91—94: dazu die zweite Urk. v. Oct. 1336 S. 94-95.) Bertrand de Got,
ein Neffe des Papstes Clemens V., hatte am 16. Juni 1308 die Herrschaft
Blancafort von Konig Eduard I. von England geschenkt erhalten (unter der
Yerpflichtung, den Konig am romischen Hof in Schutz zu nehmen) ; Eduard
von England hatte die eine Halfte dieser Herrschaft durch Erbschaft von
Helie de Talmon und dann die andere Halfte durch Vertrag vom 15. Mai 1270
von Alaide Blanquefort (Aladis domina de Blancafort) und deren Ehegatten
Bernhard von Trencaleon (Bernardus Trenchaleo) erworben. Die oben S. 263
erwahnte Wolfenbiitteler Handschrift enthalt ausser andern Urkunden iiber
Blancafort auf der Riickseite von Blatt 60 unter Nr. 75 den Vertrag vom Jahr
1270. Vgl. Notices Bd. 14 S. 330, 453, 454. — Gaufreteau (dessen Zeugniss
freilich keine grosse Bedeutung hat) verlegt eine Verhandlung vom Jahr 1270,
zwischen Konig Eduard und dem Alchimisten Arnaud de Villeneufve, iu das
chasteau de Blanquefort-les-Bourdeaux, ist also der richtigen Meinung, dass
dies Schlo-is damals dcin Konig Eduard von Enghmd gehiirte. Gaufreteau
Bd. 1 S. 3.
* Veuillot 2. Autl S. 311.
Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens. 267
Schrift des M. de Saint-Amans sei gerade in royalistischen Zei-
tungen gelobt worden, und der Sohn des Yerfassers sei Ritter
des Ordens vom hl. Ludwig und Hauptmann der koniglichen Garde
gewesen K Danach miisste der Sohn des Herausgebers vor der
Hinrichtung des Konigs Ludwig XVL, also vor dem 2L Januar 1793,
Hitter des Ordens vom hl. Ludwig und Hauptmann der konig-
lichen Garde gewesen sein; dies ist aber nicht glaublich, da sein
Vater (geb. 1748) im Jahr 1793 erst 45 Jahre alt wurde. Die
Vermuthung Veuillot's hat innere Wahrscheinlichkeit fiir sich;
doch mag es richtig sein, dass M. de Saint-Amans die Urkunde
nicht selbst angefertigt, sondern von einer Persou, deren Namen
er nicht mittheilt, empfangen und leichtglaubig fiir acht gehalten
hat. Es ist nicht nothig, den Anfertiger der Urkunde unter den
Gegnern der Aristokratie zu suchen. Die Urkunde kann schon
in der zweiten Hiilfte des achtzehnten Jahrhunderts fabricirt
worden sein, zu der Zeit, als in Hof- und Adels-Kreisen die
Unsitte bestand, sich mit moglichst pikanten und iiquivoken Er-
zahlungen unterhalten zu lassen. Allein jedenfalls fehlt ein strenger
Beweis fiir die Beweggriinde, die zu der Falschung gefiihrt liaben,
solange die Person des Thiiters nicht ermittelt ist^.
2. Prozess der Bisrhofe von Amiens vor dem Parlmnent zu Paris ^.
Kapitel 63. Seit dem achtzehnten Jahrhundert werden die
durch Parlamentsurtheile entschiedenen Streitigkeiten des Bischofs
von Amiens mit den Bewohnern der Stadte Amiens und Abbe-
ville als Beweis dafiir angefiihrt, dass ein Herrenrecht der er-
sten Nacht im Mittelalter bestanden habe und ausgeiibt worden
sei *. Ducange driickt sich noch unsicher aus ; er bemerkt im
» Delpit S. 99.
2 Ganz verfehlt ist die Meinung Delpit's (S. 105), dass die Urkunde, wenn
sie liberhaupt unilcht sei, von einem Monch des Mittelalters (einem p^re
titrier) angefertigt sein musse, zu dem Zweck , dem Herrn von Blanquefort
einen Dienst zu erweisen. Denn abgesehen davon, dass dies ein schlechter
Dienst gewesen ware, sprechen die vorbezeichneten Griinde gegen die Ver-
muthung, dass die Anfertigung schon im Lauf des Mittelalters geschehen sei.
3 Vgl. Vering, Arch. Bd. 40 unter X, S. 256—273.
* Lauri^re unter Culage; Ducange unter Marcheta; Encycl. 1. Ausg. unter
Culage und Droits abusifs ; Encycl. meth. Jurispr. unter Amiens, Culage und
Droits abusifs; Voltaire, Dict. phil. unter Taxe; Diss. S. Claude, Anh. S. 134;
Collin de Plancy Bd. 1 S. 175: Miot S. 217, 218; Ewers S. 71, 75; Bouthors
Bd. 1 S. 469; Dupin S. 131, 132; Delpit Nr. 9 S. 36 if . ; de Labessade S. 19,
43, 66, 67; de Gubernatis, Tsi S. 199: Schiiffner Bd. 2 S. 185; Weinhold
268 Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens.
Anschluss an die Geschiclite vom Gesetz des Konigs Evenus,
ihm scheine, dass darauf auch der Anspruch des Bischofs von
Amiens bezogen werden miisse, falls derselbe sich nicht etwa
auf eine Bestimmung des vierten Concils von Carthago gestiitzt
habe ^ Voltaire sagt, allerdings hatten einige Theologen die
Behauptung aufgestellt, dass die Geldabgabe, die der Bischof
von Amiens begehrte , mit einer Vorschrift des vierten Concils
von Carthago zusammenhange; doch sei es wahrscheinlicher, dass
jene Gebiihr aus der infamen Gewohnheit herriihre, die gewissen
Herren die erste Nacht der jungen Frauen ihrer Vasallen gewiihrte^.
Seitdem haben viele Schriftsteller die Meinung vertheidigt, die
Gebiihr, welche die neuvermahlten Ehegatten fiir die Erlaubniss,
die ersten drei Nachte beieinander zu schlafen, an die Beamten
des Bischofs zu zahlen hatten, sei aus dem Herrenrecht der ersten
Nacht entstanden^. Samuel Sugenheim halt es fiir „sehr wahr-
scheinlich. dass die Bischofe von Amiens, als sie den (1393 bis 1409)
wiederholten Verfiigungen des Parlaments noch langer geradezu
Gehorsam zu versagen nicht rathsam erachteten, die fragliche
Steuer unter einem piiffig ausgesonnenen andern Titel noch
eine Zeit lang forterhoben" hatten^ Die spanischen Advocaten
Marichalar und Manrique verwechseln Amiens mit Antwerpen
(Anvers) und meinen, dem Bischof von Antwerpen habe in seiner
Herrschaft das Recht auf die fleischliche Erkennung aller neu-
vermiililten Frauen zugestanden: doch habe man durch Zahlung
von zehn bis dreissig Franken, je nach dem Stand des Vermogens,
das fragliche Recht ablosen konnen ^. Sie erwahnen an einer
andern Stelle einen „Befehl des Parlaments zu Paris vom 19. Mai
1409" als Beweis dafiir, dass „sehr viele franzosische Bischofe
und Aebte jenes Becht iiber ihre Vasallen hatten, und die ent-
haltsamsten eine Geldentschiidigung fiir die Nichtausiibung ver-
langten" ^. Einige Schriftsteller stellen die bestimmte Behauptung
auf, die Bischofe von Amiens hiitten das Herrenrecht der ersten
S. 195; Sugenheim 1861, S. 104. 105: Marichalar Bd. 6 S. 69: Buclimann S. 69:
Kulischer S. 224.
* Ducange unter Marcheta. — Eine ahnliche Unsicherheit findet sich bei
einigen spatern Schriftstellern: Boucher d'Argis in der Encycl. unter Culage:
"Weinhold S. 195 in Verbindung mit S. 269. — Ueber die fragliche Be-
stimmung ..des vierten Concils von Carthago'' s. oben Kap. 27 S. 152.
2 Voltaire, Dict. phil. unter Taxe.
3 Bouthors Bd. 1 S. 469; Dupin S. 131, 132; Sugenheim 1861, S. 104,
105: Kuli.scher S. 224.
"* Sugenheim 1861. S. 104. 105.
5 Marichalar Bd. 6 S. 69. « Mariclialar Bd. 6 S. 70.
Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens. 269
Naclit thatsjichlich ausgeiibt. „Die Bischufe voii Amiens geuossen,
in ihrer Eigeuschaft hoher Baroue, dieses Priilibatsrecht iu seiner
gauzeu Fiille." ^ Es wird erziihlt, dies Recht iiber die Frauen
ihrer Yasallen uud Baueru sei ihneu zu Aufaug des fiinfzehnten
Jahrhunderts auf Verlaugen der Ehemiiuuer durch Urtheil ab-
erkauut worden; vorher hatten in vieleu Cantouen der i*icardie
die Pfarrer das schlechte Beispiel des Bischofs nachgeahmt und
an seiner Stelle das Herrenrecht ausgeiibt; ein Vergleich vom
Anfang des vierzehnten Jahrhunderts habe das droit de. cuissage
der Pfarrer fiir die drei ersteu Niichte aufrecht erhalten und nur
die Ablcisung dieses Rechts den Ehemiinnern gestattet; erst
durch Urtheil vom Jahr 1409 sei das Recht selbst aufgehoben
worden ^. Dalloz behauptete anfiinglich, das Capitel vou Amiens
habe das verrufene Herrenrecht bis ius siebenzehnte Jahrhun-
dert hinein thatsachlich ausgeiibt^. Elf Jahre spater schrieb
er, uugeachtet der strengen Bestrafung des Ehebruchs sei das
„droit de prelibation" durch das Christenthum lange Zeit auf-
recht erhalten und bis zum vierzehnten Jahrhuudert durch das
Capitel von Amiens ausgeiibt worden; Spureu davon hatten sich
bis zuni siebenzehuten Jahrhundert erhalten"^. Bei Leon de La-
bessade findet sich folgender Satz: „Die Bischofe von Amiens
waren besonders versesseu auf das droit du seigueur, obwohl das
beriihmte Concil von Trient unter Strafe des Baunes verboten
hatte, sich den Heirathen der Unterthanen zu widersetzeu." ^ Er
meint also, das „droit du seigneur" sei durch die Bischofe von
Amiens selbst nach dem Concil von Trient (nach L563) aus-
geiibt worden *'.
Eine grosse Verwirrung herrscht in den Angaben iiber Be-
zeichnung des Jahres und Tages, wanu das Parlamentsurtheil
iiber die fraglicheu Streitigkeiten erlassen ist. Es werden Urtheile
von zehn verschiedenen Tagen erwahnt ''. Mehrfach wird be-
hauptet, die Bischofe von Amiens hiitten die fraglichen Anspriiche,
1 Dulaure, Adel S. 242. ^ Collin de Plancy S. 176 — 178.
^ Dalloz, Dict. Bd. 1 uuter Adultere.
* Dalloz, Rep. Bd. 3 unter Adultere n. 7. ^ de Labessade S. 66, 67.
6 An einer andern Stelle bemerkt de Labessade (S. 77—79), die Bischofe
von Amiens hiitten bis zum sechzehnten Jahrhundert das Herrenrecht der
ersten Nacht hartnackig festgehalten.
' Diese Tage sind: 17..Januar 1383, 17. Januar 1393, 1. und 11. Marz
1401, 19. Marz 1407, 19. Marz 1409, 19.^und 26. Mai 1409, 6. und 11. Marz
1501. Boucher d'Argis nennt an einer Stelle den 19. Miirz , an einer andern
Stelle den 19. Mai 1409 als den Tag der Entscheidung.
270 Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens.
ungeachtet der dagegen erlassenen ausdriicklichen Verbote des
Kouigs Philipp VI. vom 10. Juli 1336 und des Konigs Karl VI.
vom 5. Marz 1388, noch in spaterer Zeit aufrecht erhalten oder
erneuert *. Danach berechnen einige Schriftsteller die Dauer des
Prozesses auf mehr als sechzig Jahre (von 1336 bis 1409) ^;
Labessade sogar auf 165 Jahre (von 1336 bis 1501)^.
Gliicklicherweise sind die Quellen zur Erkenntniss der frag-
lichen Streitigkeiten nicht auf die Berichte der Schriftsteller be-
schrankt, sondern hauptsachlich in den Acten des Pariser Par-
laments zu finden*.
Nun erhellt zunachst aus dem Inhalt der koniglichen Ver-
ordnungen vom 10. Juli 1336 und 5. Mtirz 1388, dass der darin
erwahnte Streit nicht das Recht der ersten Nacht, sondern
den Umfang der bischoflichen Gerichtsbarkeit , und zwar iiber
Ehebruchsachen , betraf '". Die in der erstgenannten Verord-
nung ^ erwahnte BeschM-erde der Stadt Amiens ging namlich
1 Daire Bd. 2 S. 84, 85: Raepsaet 1. Aufl. S. 32, 33 (3. Aufl. S. 55. 56);
Lonandre chap. 20, S. 223, 224; Schaifner Bd. 2 S. 185: de Labessade S. 77.
2 Delpit S. 44, 46; Buchmann S. 69.
3 de Labessade S. 77. '
* Die im Staatsarchiv zu Paris aufbewahrten amtlichen Parlamentsproto-
l^olle sind nicht vollstandig. Zu ihrer Ergiinzung dienen die Abschriften.
Avelche Grenier aus dem Archiv der Stadt Amiens entnommen hat; die
Sammlung dieser Abschriften findet sich in der Bibliotheque Nationale , Dep.
des manuscripts, Collection de Picardie, Dom Grenier, vol. 158 und 159.
Yermuthlich sind die Urschriften davon und vielleicht noch andere zur Be-
urtheilung der fraglichen Streitigkeiten erhebliche LTrkunden im Archiv der
Stadt Amiens aufbewahrt (worin ich keine Nachforschungen angestellt habe) :
doch konnen die Abschriften Grenier*s als hinreichend beglaubigt angesehen
werden, da sie in Paris dasselbe Ansehen wie die Urschriften geniessen.
5 Ebenso: Gall. Christ. Bd. 10 S. 1193, wo sich jedoch ein Irrthum in der
Jahreszahl (1366 statt 1336) vorfindet.
•* Konigl. Verordnung v. 10. Juli 1336, bei Grenier, vol. 158 fol. 142 (aus
Cartul. de l"H6tel de Ville d'Amiens cotte B, fol. XLVI R») ; ,,Philippus Dei
gratia Francorum Eex Baillivo Ambianensi aut ejus locum tenenti salutem. sua
nobis Major et Scabini ville Ambianensis gravi conquestione monstraverunt,
quod cum ipsi super eo quod officialis Ambianensis vices gerens Episcopi
dicte ville, et alie ipsius Episcopi gentes Joannem de Argeuve et plures alios
dicte ville Burgenses nostros coram ipsis conveniri et citari faciebant. impo-
nentes eisdem Joanni et aliis nostris Burgensibus quod ipsi feminas alias
quam suas desponsatas carnaUter cognoverant , ipsos ad solvendum emendas
propter hoc compellendo, vcl etiam tractando coram dilectis et fidclibus Gen-
tibus nostris Parlamentum nostrum Parisiis tcnentibus, in tua prcscntia con-
questi fuissent; asserentcs premissa fore in magnum [et] prcjudicium nostrum
et dictorum conquerentium ac predictorum oranium in dicta Villa commoran-
Kapitel 63. Die Bischiife von Amiens. 271
dahin, dass der bischofliche Offizial f;'egen Johann von Argeuve
und andere Miinner , obwohl dieselben Unterthanen des Ko-
nigs seien , Ladungen erlassen uud Geldstrafen verhangt habe,
weil sie mit andern Weibern als ihren rechtmiissigen Gattinnen
fleischlichen Yerkehr gehabt Iiatten ^ Mithin irrt Lauriere , in-
dem er die Beschwerde so versteht, als habe die bischofliche
Behorde Geldstrafen auch von denjenigen Miinnern erhoben, die
mit ihren eigenen Frauen ehelich verkehrten ^. Diese Auslegung
ist mit den Worten der betreffenden Stelle und mit dem Zusammen-
hang der ganzen Urkunde unvereinbar. Dies wird noch bestiitigt
durch den Wortlaut der koniglichen Yerordnung vom 5. Marz
1388 ^ Nach Inhalt der in dieser Yerordnung erwiihnten Be-
tium . ciimqut' de procepto Gentium nostrorum predictorum tibi ore tenus
facto ipsum Episcopum ad desistendum de premissis per ipsius temporalitatis
captionem compellere voluisses. tamen tu, pretextu quarundam litterarum re-
giarum tibi per ipsum Episcopum directarum, continentium inter cetera, ut
dicitur, quod sua temporalitas nisi de nostro speciali mandato nuUatenus ar-
restetur , a premissis omnino cessasti , in dictorum conquerentium et omnium
in dicta villa habitantium dampnum non modicum ac periculum et gravamen,
sicufc dicunt. tandem , auditis super lioc partibus coram predictis Gentibus
nostris ordinatum fuit, quod dictus Episcopus compelleretur ad desistendum
a premissis , seu desisti faciendum , per ipsius temporalitatis captionem in-
dilate compellas. Litteris predictis per ipsum Episcopum seu ejus Gentes
tibi super hoc directis vel ostensis , et aliis irapetratis a nobis , etiam impe-
trandis, non obstantibus quibuscumque. Datum Parisiis in Parlamento nostro.
die X Julii anno Domini millesimo CCCo tricesimo sexto. ressigillant sigillo
nostri Karoli, Dei gratia Francorum Regis Illa die Julii anno Domini mille-
simo CCCC" sexto regni vero nostri XXVI. Ainsi signees. Hangest. Lecta
per Cameram dupt." Vgl. Daire Bd. 2 S. 395, 396; Lauri^re , Ord. Bd. 2
S. 117, 118.
1 Allerdings enthJilt der Abdruck bei Lauriere die Lesart : ,.quod ipsi foe-
minas aliasg^^e suas desponsatas carnaliter cognoverant", anstatt der bei Grenier
und Daire befindlichen Lesart: „quod ipsi feminas alias qiiam suas desponsatas
carnaliter cognoverant''. Allein offenbar ist die letztere Lesart die richtige ;
uberdies wiirde selbst die Lesart von Laurifere, wenn sie richtig ware, nur
dahin verstanden werden konnen, dass die betreffenden Manner nicht bloss
ihre rechtmassigen Frauen (foeminas im Sinn von uxores), sondern auch an-
dere nach vorgangiger Vcrlobung fleischlich erkannt hatten; drese Auslegung
wiirde zwar einigermassen gezwungen, jedoch nothig sein, um den Worten
irgend einen Siun beizulegen.
2 Lauriere, Ord. Bd. 2 S. 117, Note.
^ Konigl. Verordnung v. 5. Marz 1388, bei Grenier, vol. 158 fol. 143 (aus
Cartul. de l'H6tel de Ville d'Amiens cotte B, fol. XLVII R"): ,,Karolus Dei
gratia Francorum Rex Baillivo Ambianefisi aut ejus locum tenenti ac primo
Parlamenti nostri Hostiario seu servienti nostro, qui super his requireretur,
Salutem. Major et Scabini ville Ambianensis curie nostre Parlamenti conque-
272 Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens.
schwerde verliangten die Archidiakone von Amiens nnd Ponthieu,
als Bisthumsverweser , gegen verheirathete Biirger der Stadt
Amiens Geldstrafen, weil die Letzteren mit andern Weibern als
ihren rechtmassigen Ehegattinnen fleischlichen Umgang hatten.
Grenier hat eine Beschwerde des Capitels von Amiens in latei-
nischer Sprache, mit Angabe der Jahreszahl 1336, und darunter
auf demselben Blatt eine Beschwerde der Bewohner von Amiens
in franzosischer Sprache, ohne Angabe der Jahreszahl, in Aus-
ziigen mitgetheilt ^ , welche sich auf die fraglichen Streitigkeiten
rendo monstrarunt , qnod cum super debato olim moto et pendente in dicta
curia, inter dictos conquerentes ex una parte. et Episcopum Ambianensem ex
altera, super eo quod dictus Episcopus, ejus officialis, alieque ejus Gentes et
officiarii trahebant in causam Burgenses et habitatores ville et Episcopatus Am-
blanensis uxoratos, eis imponendo se alteras muUeres quam suas uxores in
facie ecclesie desponsatas carnaliter cognovisse , ab ipsis emendas pecuniarias
exigendo. partibus auditis, per arrestum seu ordinationem curie dictum fuit et
mandatnm Baillivo Ambianensi, seu ejus locum tenenti, tunc existertti, ut
dictum Episcopum, ejus officialem, Gentes et alios officiarios suos quoscunque
compelleret per captionem et tentionem eorum temporalitatis ad cessandum
a compulsionibus et exactionibus predictis. Nihilominus , predictis non ob-
stantibus, Archidiaconi Pontivensis et Ambianensis, qui, Sede Episcopatus
vacante, ut est de presentii in Ecclesia Ambianensi habent regimen spiritua-
litatis ipsius Episcopatus, Burgenseg et Habitatores ville et dioecesis predicto-
rum de facto percitationis , monitiones, excoramunicationum sententias, pro-
mulgationes et pecuniarum exactiones causa predicta prosecuntur •, et adeo
vexant, tam laboribus, quam expensis, quod vexationes suas rtdimendo nec
non obviare satagendo. jurgiis, que in facto matrimonii sequi possent, cum
prefatis Archidiaconis et eorum officiariis , ad certas pecuniarum sociis [sum-
mas?] componunt: ipsasque suas indebite exigunt et levant, contra tenorem
arresti seu ordinationis predictorum temere veniendo : quod in ipsorum con-
querentium non solum prejudicium et gravamen, sed nostri et predicti cui-ie
contemptum redundat, si est ita. quare vobis et vestrum cuilibet committendo
mandamus, quatenus de et supra predictis vos diligenter infoftnetis, et infor-
mationem, quam inde feceritis, quam citius dicte curie remittatis: ut ipsa
visa dicta curia providere valeat, ut fuerit rationis. et insuper Archidiaconis,
eorum officialibus, officiariis et servitoribus et eorum cuilibet, sub certis ma-
gnis penis nobis applicandis, precipiatis et injungatis, ex parte nostra, ut a
predictis monitionibus, citationibus, sententiarum excommunicationibus, et po-
tissimum pecuniarum exactionibus omnimode de cetero se desistant, litteris
subrepticiis impetratis vel impetrandis non obstantibus quibuscunque. Datum
Parisiis in Parlamento nostro V die martii anno Dui M>^> CCCo octogesimo
octavo, sub sigillo nostro, in abscentia magni, ordonato. Ainsi sign^cs: per
Cameram. J. Jouvente clerici." Vgl. Lauriere, Ord. Bd. 2 S. 117, 118.
» Grenicr, vol. 159 fol. 28, Plaintes dii Chapitre d'Amiens contre Veceque,
an 1336: „Item quod a LX annis et citra et a tempore et per tempus,
cujus contrarii memoria hominum non existit, mos fuit et consuetudo lau-
dabilis civitatis et dioecesis Ambianensis, in eisdem civitate et diocesi
i
Kapitel 63. Die Bischijfe von Amlens. 273
beziehen. l)ie Richtung dieser beiden Denkschriften scheint ver-
schicden g-ewesen zu sein, dergestalt, dass die Beschwerde des
Domcapitels deshalb erhobon wurde, weil dcr Bischof Johannes
von Beobachtung einer guten Sitte iiberhaupt di.spensirte, wahrend
die Bewohner von Amiens sich iiber die Hohe der Dispensgebiihr
beklagten. Daraus ist nicht deutlioh zu erselien, wann die Streitig-
keiten bogonnen liaben. Doch mag es richtig sein, dass sie Jahre
hing schwebten, bis die Entscheidung des Parlaments begehrt wurde,
und dass die Beweisaufnahme und sonstige Instruction in "beiden
Prozessen, vor dem Parlament, geraume Zeit in Anspriich nahm.
Ueber den Streit zwischen deni Bischof eiuerseits und den
Vertrctern der Stadt Amiens andererseits, in Betreff des Kechts
der ersten Naclit, urtheilte das Parlament am 17. Januar 1393;
der gleichartige Prozess des Bischofs mit den Bewohnern der Stadt
Abbeville wurde durch Parlamentsurtheil vom 19. Miirz 1409
entschieden ^ Yon den acht iibrigen, bei verschiedenen Schrift-
Ambianensi, notorie et iiiconcusse .servati; salvo qiiocl infra dicetur: quod
lectus Nubentium duntaxat tertia nocte post contractum matrimonium . jier
verba de presenti et traditionem factum , benedici debet , et sic ab antiquo
servatum extitit in civitate et diocesi Amb. praefatis palam et notorie.
Item quod , non obstante consuetudine et more prefatis , et conlra morem
prescriptum domlnus Joliannes, pro daudo licentiam ijcnedicendi prima nocte
lectos nubentium praelibatos. pecuniam a iionnullis personis civitatis et
dioccesis Ambianensis praedictarum exegit et recepit et exigit et reciiiit:
videlicet a Johanne de Monte Desiderio iiii libras et ab omnlbus aliis, nisi
paupertas excusat." ex instrumento appellationis ad Regem. — Condoleance
des habitans au Roy: „Ttera pour donner licence de benistre lcs lits
des Mariars nouvellement . en li premiere nuict: lesquels lis ne doit estre
beneis, selon le coustume anchien de le Ciste d"Amiens, avanstes a le
tierche nuit; li dis Eveskes ou ses gens en prendent cascun jour, que li cas
eskiet, XX. XXX. XL. livres ou plus, selon la faculte des personne.s. et
s'aucune fois cet avenu que on ait fait che sans se licence, il constraint les
faisant a grant amende , si comme il li plaist." extrait d'un manuscript. —
Augustin Thierry (Mon. 13d. 1 S. 463) hat den Auszug aus der Beschwerde
der Bewohner von Amiens abdrucken lassen vind die Jalireszahl 1336 hinzu-
gesetzt. Hierdurch ist die riclitige Jahreszalil der Beschwerde nicht festge-
stellt., Aber auch die durch Grenier bei dcr Beschwerde des Capitels an-
gegebene Jalireszalil scheint unsicher zu sein , da er die Stelle dcr Urkunde,
wo das Datum angegeben war, nicht mitgetheilt hat. Aus dem Namen des
Bischofs ist wenig iiber die Zeit der Beschwerde zu entnehmen, da Johannes I.
von 1323—1372, Johannes II. bis 1376, Johannes III. bis 1388 und Johan-
nes IV. bis 1410 den bischoflichen Stuhl zu Amiens einnalmien.
* Das Urtheil vom 17. Jan. 1393 steht in den Registres du Parlement de
Paris, in den Archives nationales z\\ Paris , reg. X. 1 a. 40, fol. 128 recto,
ausserdem auch in der Sammlung Grenier's, vol. 158 fol. 147. Das Urtheil
Schmidt. .Ju.s primae iioctis. 18
274 Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens.
stelleru erwahnten Tagen sind keine Parlamentsurtheile iiber die
fraglichen Streitigkeiten in Paris zu finden. Die Nachricht iiber
ein Lrtheil vom 17. Januar 1383, aus der Zeit des Bischofs
Johann III. (von 1376 bis 1388), riihrt aus der Gallia Christiana
her * und beraht auf einer Yerwechslung mit dem Urtheil vom
17. Januar 1393, aus der Zeit des Bischofs Johann lY. (von 1389
bis 1410). Die Beriehte iiber Urtheile vom 19. Miirz 1407 2, vom
19. Mai 1409 3 und vom 26. Mai 1409 '^ scheinen sammtlich auf
Irrthiimern im Datum zu beruhen und sich auf das Urtheil vom
19. Miirz 1409 zu beziehen. Ein Urtheil vom 1. Miirz 1401, welches
iu lateinischer Sprache von Paponius -^ und in franzosischer Sprache
vom 19. Marz 1409 findet sich in der Sammlung Greniei"'s. voh 158, fol. 148
iind i^die Fortsetzung) voL 159 foL 31—34 v. Dies letztere Urtheil hat
Veuillot (1. Ausg. S. 451 — 459) angeblich aus den Acten des Staatsarchivs
(Arch. Imp. X. 57) abdrucken lassen: doch ist dasselbe dort nicht zu finden.
Der Wortlaut bei Veuillot weicht in mehreren Punkten von der Abschrift
Grenier"s ab, obwohl dadurch der Sinn keine wesentliche Aenderung erleidet.
1 Gall. Christ. Bd. 10 S. 1196, zum Jahr 1383: ..Anno eodem 17. Januarii
senatus Parisiensis decreto abolita est consuetudo numerandae pecuniae epi-
scopo Ambianensi ad impetrandam licentiam accedendi ad uxorem noviter
ductam ante tres noctes a teontractis nuptiis : olim enim tribus illis prioribus
noctibus, nisi accederet episcopi dispensatio, a concubitu abstinebant con-
juges." Vgl. Veuillot. 2. Aufl. S. 149.
- Thierry, Recueil Bd. 2 S. 55.
^ Paponius lib. 13 tit. 3 n. 8: „Jura inepta, ridicula et abusiva tolerari
ac confirmari non debent, quamcunque tandem possessionem vel quamcunque
tituli speciem quis allegare velit, exempli gratia , accipiendi pecuniam pro
impeti-anda licentia prima nocte cum sponsa dormiendi, prout faciebat Episco-
pus Ambianensis, a quo praetenso jure depulsus fuit Arresto 19. Maji 1409."
Vgl. Brillon Bd. 2 S. 917: d'Espeisses Bd. 3 Tit. 6 sect. 9: Boucher d'Argi!^
in der Encycl. unter Droits abusifs; Voltaire, Dict. phil. unter Taxe.
* Charondas liv. 7 resp. 79, S. 279 : . . . „nous lisons en un ancien arret
du 26. jour de May 1409 donne contre TEvesque d'Amien3 . par lequel non
obstant Tancienne coustume de son diocese, de prendre argent des nouveaux
mariez, pour la premiere licence de coucher avec leurs femmes, ledit Evesque
fut deboute du droit de ladite prestation pecuniairc." VgL Dalrymple
Bd. 1 S. 3-25.
5 Paponius lib. 15 tit. 1 arrestum 1: „Prima dic ^lartii 1401 declaratum
et Arresto judicatum fuit, Episcopos Ambianenses et Curiones AljaviUauos.
plus uno solido Parisiensi pro chartula banni ad proclamandum matrimonium.
si qua oppositio esset, exigere non debcre: pro licentia despondendi in altera
Parrochia non plus uno solido Turonensi; pro consecratione nuptiali non plus
trodecim denariis, pro instrumento nuptiali non plus duobus solidis: pro cele-
bratione Missae non plus duobus solidis sex denariis. Ei autem qui Missam
cantat praeter ea, omne quod ofFcrtur, deberi, nisi cum Curione transegisset.
quo casu transactione eum contentum esse debere : pro boncdictione Camerac
Kapitel G3. Die Bischufe voii Amiens. 275
von Baluzius ^ und Daire ^ mitgetheilt wird, und ein bei Carpentier
und Ducange^ erwahntes Urtheil vom 11. Miirz 1409 stimmt im
Wesentlichen mit dem Urtheil vom 1!). M;irz 140i) iiberein; dies
fiihrt zu der Vermuthung, dass am 1. oder 11. Marz 1401 die
Klage der Bewohner von Abbeville gegen den Bischof von Amiens
bei dem Konig eingereicht wurde, oder eine vorliiufige Entschei-
dung des Parlaments erging, und das Endurtheil, nach der Be-
weisaufnahme, erst am 19. Miirz 1409 erfolgte.
Endlich ist noch ein Urtheil vom 6. Miirz 1501 in den Synodal-
statuten des Bischofs Stephan Poucher von Paris enthalten "*.
Dieser Bischof bestiitigte am 13, Mai 1515 eine von Joh. Ran-
dinus besorgte Ausgabe der Pariser Synodalstatuten ; darin ist
das erwiihnte Urtheil, zur Yerhiitung einer appellatio in causa
abusus, mit der Bestimmung abgedruckt, dass der Inhalt dieses
Urtheils auch in der Diocese Paris befolgt werden solle, soweit
er dort nicht mit besonderen Gewohnheitsrechten in Widerspruch
trete ; es ist franzosisch abgefasst und mit der Unterschrift Brunart
versehen ^. Dies Urtheil hat einen iihnlicheu Inhalt wie das vom
sponsorum non plus decem deiiariis Parisiensibus pro vino exigerc posse :
sponsosque citra scrupuhim et /inpefratain ejus veuiam ^jr/wui tiocte una con-
cuiubere jiosse." Daraus : Dalrymple Bd. 1 S. 325.
' Baluzius S. 657 (aus einer handschriftlichen CoUectio Arrestatorum Ma-
thaei Chartier Advocati Parisiensis) : „Le premier jour de Mars 1401 l'Arrest
donne contre TEveque d'Amiens sur la taxe de Sacremens et autres choses
ecclesiastiques."
^ Daire Bd. 2 S. 85 : . . . ,,les habitans d"Abbeville porterent leur plainte
au Parlement en 1401. La cour fit le premier Mars un Reglement provisoire
pour les honoraires des fiangailles et mariages, et accorda la recreance aux
nouveaux Maries, le Proces pendent. et jierniit aux Espouses ile coiicher fraii-
chement avec lenrs femmes." Ygl. Brillon Bd. 1 S. 637.
^ Urth. V. 11. Marz 1401, bei Carpentier und Ducange unter Marcheta
(angeblich aus vol. 9 arrestatorum Parlamenti Parisiensis) : „Quamvis de jure
communi viris desponsatis cum suis uxoribus libere cubare prima nocte sui
con.iugii concedatur, dictus tamen episcopus (Ambianensis) per se aut suos
officiarios ipsos componit et componere satagit, quosdam ad decem, alios ad
duodecim, nonnullos ad viginti vel triginta francos , prius quam ipsis de cu-
bando prima nocte cum suis de novo uxoribus licentiam impertiri vclit . aut
aliter ipsos compellendo a suis uxoribus per tres noctes abstinere."
* Als irrthlimlich erschelnt die Angabe von Baluzius (S. 587, 657, 658) und
einigen spatern Schriftstellern (z. B. Labessade S. 72, 73), dass dies Urtheil
vom 11. Marz 1501 datirt sei: doch findet sich dasselbe Datum in dem Ab-
druck bei Yeuillot, 2. Aufl. S. 164, 165.
^ Decreta Sinodalia, edita a D. Jo. Randino J. C. L., approbata per Rev.
Dominum episcopum et senatum Parisiensem , in 4", ohne Angabe von Ort.
Zeit und Seiten, hinter dem Abschnitt „De sacramento eucharistiae seu alta-
18*
276 Kapitel 63. Die Bischbfe von Amiens.
19. Miirz 1409, mit dem es grossentheils wortlich iibereinstimmt.
In beiden Urtheilen findet sich der Xame Johann Martel. Auch
enthalten beide ein Yerzeichniss von Taxeu fiir kirchliche Ge-
biihren. Doch sind die Taxen in dem Urtheil vom 6. Marz 1501
meist geringer, als in dem vom 19. Miirz 1409. Daher diirfte
die Meinung tou Bahizius \ dass die Synodalstatuten einen blossen
Druckfehler im Datum enthielten, nicht haltbar sein. Andererseits
ist nicht leicht anzunehmen, dass iiber dieselben Streitpunkte
unter denselben Parteien in den Jahren 1409 und 1501 be-
sondere Urtheile ergingen, ohne dass in dem letzteren auf das
erstere verwiesen "svurde. Zur Losung der Schwierigkeit lasst
sich vermuthen, dass ein franzosischer Auszug aus dem Urtheil
vom 19. Marz 1409, unter Beriicksichtigung spaterer Gebiihren-
Ermassigungen, durch Parlamentsurtheil vom 6. Marz 1501 neu
redigirt wurde.
Die bezeichneten Urtbeile halien folgenden Inhalt.
Die Yertreter der Stadt A m i e n s klagten gegen ihren Bischof
vor dem Gericht des koniglichen Amtmanns, mit dem Antrag,
zu erkennen, dass die Bewohner von Amiens sogleich nach Ab-
schluss der Ehe die Hochzeit feiern und die Ehe vollziehen
diirften, ohne den zweifen und dritten Tag abzuwarten: und dass
ris"' : . . . .,Et ut nullus incidat in errorem vel periculosos processus cum de
similibus simile judicatum sit ferendum in dubiis pro nonnullis taxis a par-
lamenti curia factis hic vobis infero formam arresti parlamenti parisiensis de
quo tenor sequitur de verbo ad verbum quoniam si aliter ageretur possent
forte in majores sumptus teneri ubi appellatio Interponeretur in causa abusus.
Et hec est forma. Entre les maire et eschevins de abbeville et le procureur
du roy nostre sire dune part et maistre jehan martel dautre. Veu les me-
moires et tout considere. Dit a este que la cause demourera et nauront conge
ne despens les evesques ne cures et sont contraires a toutes fines. Et . . .
au regard des fiansailles payeront ceux qui seront fiances douze denlers paris.
pour la lettre de bans ou 11 y aura oppositioii. Pour lun ou lautre des
maries deux soulz parisiz. . . . pour la benediction du lict en lieu de
ung paleront les nouvcaux maries douze deniers parisis, pour les espou-
sailles treize deniers paris. pour une foys pour la messe du marie . . . quant
a non coucher de troys nuyz avec sa femme au commencement du mariage
les demandeurs auront la recreance le proces pendcnt et jjourront les esj^ouses
coucher francheinent les troys ^^remieres nuyz avec leurs femmes. Quant
aux intestaz 11 seront enterres et ensepuells franchement sans lettre. Sil ny
a autre canonique empeschement au regard du testat . . . Quant aux prestres
mortuaires lestat sera baille aux curez selon quil le declaireront. Pronunce
en parlement le YI. jour de mars lan mil cinq cent et ung. Signe hrumtrt.
Omnia in praedicto arresto contenta approbamus absque praejudicio lauda-
bilis consuetudinis ecclesiarum nostrae dioecesis ubi in contrarium obstaref' . . .
< Baluzius S. 657. 658.
Kapitel 03. Die Bijchofe von Amiens. 277
sie deshalb fiir einen von der bischoflichen Behorde an don Pfarrer
zu richtenden Erlaubnissschein keine Gebiihr zu zahlen hiitten. Der
Richter entschied in erster Instanz und im vorlaufigen Yerfahren,
unter Yorbehalt aller Rechte fiir den bereits angestellten Haupt-
prozess, nach dem Klageantrag. Das Urtheil wurde durch den
Bischof mit Berufung angefochten, jedoch in der Berufungsinstanz
durch Urtheil des Parlaments zu Paris vom 17. Januar 1393 be-
stiitigt K Ueber den Ausgang des Hauptprozesses habe ich Nichts
ermitteln kfmnen ^.
1 Urtheil des Parlaments zu Paris v. 17. Jan. 1393, aus den Eegistres du
Parlement, in den Archives nationales zu Paris. re<r. X. 1 a 40. fol. 128 recto :
,,Cum a quadem sententia per locumtenentem baillivi nostri Ambianensis. ad
utilitatem majoris et scabinorum, nomine communitatis dicte ville Ambia-
nensis, Johannis dicti Wicart et Andree Coutelarii, habitancium dicte ville,
et contra dilectum nostrum episcopum Ambianensem, racione recredentie rei
contenciose in certa causa novitatis et saisine corain dicto baillivo mote, quam
recredentiam dicti major, scabini et habitantes ad se pertinere debere dice-
bant, quod videlicet singuli dictorum habitancium. habiles et volentes contra-
here matrimonium et sponsalia , possent die dictorum sponsaliorum et solem-
nizationis matrimonii , messiare, prandere, cenare ac simul eodeni die ciibare
et alias solennitates die dictorum sponsaliorum et matrimonii contracti neces-
sarias et opportunas facere et complere, ahnque hoc qitod secundam aut terciam
diem exj^ectare tenerentur vel deberent, aut si dictis habitantibus aut singulis
eorumdem placeret, licentiam et cedulam eorum curatis dirigendam a dicto
episcopo et suis officiariis petere libere et absque aliqua peccunie solutione
habere deberent lata, per quam dictus locumtenens partes praedictas super
recredentia absque factis deliberari posse dictam recredentiam majori et sca-
binis ac habitantibus. principali processu in causa novitatis et saisine inter
dictas partes durante, raediante tamen caucione sufficienti, et absque pre-
judicio dicti principalis proce.s3us faciendo, et dictum episcopum in eorum
expensis condempnando pronunciaverat . fuisset pro parte dicti episcopi ad
nostram parlamenti curiam appellatum; auditis igitur, in dicta curia nostra
partibus ante dictis in causa appellationis predicte , processuque utrum bene
vel male fuisset appellatum ad judicandum recepto, eo viso et diligenter ex-
aminato, per arrestum dicte curie nostre dictum fuit locumtenentem bene
judicasse et pronunciasse et dictum episcopum male appellasse , et emendabit
appellans, ipsum in expensis hujus cause appellacionis condempnando , ea-
rumdem expensarum taxatione dicte curie nostre reservata. Pronunciatum
XVIIa Januarii Nonagesimo tercio. Marle-BJanchet." — Dasselbe Urtheil,
aus einer andern Ausfertigung (mit kleinen Abweichungen), die im Archiv
der Stadt Amiens aufbewahrt wird , stelit voUstiindig abgedruckt bei Daire
Bd. 2 S. 407 (mit der Unterschrift Villeqnin) und bei Thierry, Mon. Bd. 1
S. 792, 793. Ausziige, angeblich aus Bd. 8 der Parlamentsurtheile, finden
sich bei Ducange und Carpentier unter dem AVort Marcheta.
^ In der Gallia Christiana Bd. 10 S. 1197 wird ein zu Gunsten der Be-
■wohner von Amiens erlassenes Urtheil vnm 19. Miirz 1409 erwiihnt: doch
278 Kapitel 63. Die Bischofe von Amiens.
Aus dem Urtheil vom 19. Marz 1409, wie solches in der
vollstandigen Abschrift Grenier's aufbewahrt wird und in zahl-
reichen Ausziigen bekannt gemacht ist^, ergiebt sich folgende
Prozessgeschichte. Biirgermeister uud Schoffen der Stadt Abbe-
ville riehteten an Konig Karl YI. von Frankreich eine Be-
schwerde iiber verschiedene Gebiihren, welche sie theils an den
Bischof, theils an ihre Pfarrer fiir geistliche Amtshandlungen zu
zahlen hatten. Sie verlangten Abschaffung aller dieser Gebiihren,
weil dieselben mit den Yorschriften des canonischen Rechts in
Widerspruch stiinden und missbrauchlich eingefiihrt seien. Ein
Beschwerdepunkt ging dahin, dass die bischofliche Behorde den
Neuvermahlten nicht gestatte, auf Grund des gemeinen Eechts
schon die erste Nacht beieinander zu schlafen, sondern sie zu
einer Enthaltsamkeit fiir die drei ersten Nachte nothige und
eine Dispens davon nur gegen Zahlung von zehn, zwolf, zwanzig
oder dreissig Franken ertheile ^. Durch konigliches Schreiben
wurde dem Bischof und den Pfarrgeistlichen bei Strafe verboten,
die in der Beschwerde aufgezahlten Gebiihren ferner zu er-
heben. Der Bischof und die Pfarrgeistlichen legten gegen Yoll-
streckung dieser Yerordnung Einspruch ein, woriiber das Parla-
ment zu entscheiden hatte ^. Hierauf folgte der Prozess vor
dem Parlament, in Sachen des koniglichen Generalprocurators,
sowie der Biirgermeister und Schoffen der Stadt Abbeville iu
Ponthieu, als Klager, gegen den Bischof von Amiens, sowie
gegen Johann Martel, Pfarrer von St. Jacob zu x\bbeville, und
scheint dies eine Yerwechslung mit der zu Gunsten der Be^vohner von
Abbeville erlassenen Entscheidung zu sein.
1 Baluzius S. 657, 658 (aus einer Handschrift des Antonius Vion Hero-
vallius) ; Thomassiere chap. 11 S. 392; Lauriere, Gloss. unter Executeurs und
unter Cullage : Lauriere. Ord. Bd 2 S. 118; Montesquieu liv. 28 chap. 41;
Grupen § 11 S. 22; Frank Bd. 1 S. 139: Roquefort , Suppl. S. 107: Velly
Bd. 6 S. 147: Hist. de Ponthieu Bd. 1 S. 239; Raepsaet 3. Ausg. S. 56;
Bouthors Bd. 1 S. 469; Dupin S. 131, 132: Labessade S. 71.
2 Urth V. 19. Mlirz 1409, bei Grenier Bd. 159 Bl. 31 : ... ,,Et quamvis
de jure communi maritis cum uxoribus suis prima nocte nuptiarum cubare
libere concedatur, dictus tamen Episcopus , per se aut suos officiarios , dictos
conjuges, quosdam ad decem, alios ad duodecim, nonnullos ad viginti vel tri-
ginta francos, priusquam ipsis de cubando dicta prima nocte cum suis de
novo uxoribus licentiam impertiri vellet, exigebat, aut aliter ipsos a suis
uxoribus per tres noctes abstinere compellebat.'''
* iJrth. v. 19. Marz 1409, bei Grenier Bd. 159 Bl. 32: . . . „virtute cer-
tarum literarum a nobis obtentarum Inhibitiones et prccepta sub certis penia
dictis defPensoribus facte fuerant, ut a dictis exactionibus et interprisiis ces-
sarent, executioni quarum deffensores se op])osuerant" . . .
Kapitcl ()3. Die Bischofe von Amiens. 279
mehrere andere einzeln beuannte Tfarrer, als Beklagte. Die
Klager beantragten, die streitigen Gebiihren siimmtlich fiir miss-
briiuchlich zu crkhiren, daher den Einsprueh des Bischofs und
der Pfarrgeistlichen zu verwerfen, die Beklagten zur Riickzahlung
der empfangenen Gebiihren und zu einer Busse von zehntausend
Franken oder einer andern Summe zu Gunsten der Kliiger zu
verurtheilen , ihnen die Erhebung jener Gebiihren fiir die Zu-
kunft zu untersagen und dem Bischof die Kosten aufzuerlegen ^.
Die Beklagten beantragten , ihren Einspruch als reehtlich be-
griindet anzuerkennen, sie in ihren Rechten zu schiitzen, die
Antriige der Khiger zu verwerfen und dieselben zu den Kosten
zu verurtheilen 2. Die Pfarrer fiihrten aus, dass die streitigen
Gebiihren auf rechtmiissigem Gewohnheitsrecht beruhten und sich
durch den Mangel an geniigenden sonstigen Pfarreinkiinften
erkliirten. Der Bischof bemerkte, die durch Gewohnheitsrecht
entstandene Yorschrift, dass Ehcleute nicht vor Ablauf der dritten
Nacht beieinander schlafen sollten, bestehe in der Stadt , dem
Decanat und dem Bann von Abbeville seit alten Zeiten, im
Einklang mit dem canonischen Recht, der Vernunft und den
Ausspriichen der Kirchenviiter; bei Dispens von dieser Vorschrift
wiirden, theils fiir den Kleviker, welcher den Dispensbrief zu
schreiben habe , theils fiir Siegel und Unterschrift des Officials,
Gebiihreii im Betrage von zehn, zwijlf, bisweilen zwanzig Sous,
je nach der Vermiigenslage der Eheleute , erhoben : mehr als
zwanzig Sous seien nur dann erhoben worden, wenn mit der er-
wahnten Dispens die Lossprechung von einem Excommunications-
urtheil oder eine Aufgebots-Dispens verbunden gewesen sei, und
' Urth. V. 19. Miirz 1409, bei Grenier Bd. 159 Bl. 32: Qiiare \w-
tebant dicti actores prefatas inhibitiones et precepta ad bonam et justam cau-
sam factas fuisse , et dictos deffeusores ad malam et injustam causam se op-
posuisse, dictasque exactiones et interprisias, abusus ac corruptellas fore dici
et declarari, ipsosque deffensores ad eas revocandum et annullandum, et in
talibus abinde cessandum, necnon quicquid ipsi et eorum quilibet exigisseut
restituendum , ac in decem mille francorum , aut aliam summam juxta dicte
nostre curie discretionem erga nos per capcionem et detentionem sue tempo-
ralitatis ac aliis quibuslibet viis rationabilibus , presertim memoratum episco-
pum in eorum dampnis interesse et expensis condempuari et compelli."
2 Urth. V. 19. Miirz 1409, bei Greuier Bd. 159 Bl. 33: ... ..Quare pe-
tebant dictos actores ad eorum proposita admitti non debere , et si admitte-
rentur, causam seu actionem non habere, et si causam seu actionem haberent,
ab ipsorum Impetitionibus absolvi debere, ac in suis juribus et possessionibus
manu teneri et conservari, impedimentum . quod per ipsos actores appositum,
amovcri debere, dici et pronunciari, ac in expensis dictorum curatorum cou-
dempnari."
280
Kapitel 63. Die Bischijfe von Amiens.
far solclie Falle rechtfertige sicli die erhobene Gebiihr nach dera
Gewohuheitsrecht und deu Synodalstatuten K Es ward Zeugen-
beweis erhoben, und das Endurtheil erging, nach Anhorung beider
Theile, am 19. Miirz 1409. Darin wurde der Einspruch der Pfarr-
geistlichen und des Bischofs in Ansehung der meisten Streitpunkte
als begriindet anerkannt, daher insoweit das im koniglichen Schrei-
ben enthaltene Yerbot aufgehoben, und die Klage kostenfiillig
abgewiesen; dagegen beziiglich der Gebiihr fiir Dispens von der
dreitiigigen Enthaltsamkeit wurde, unter Compensation der Kosten
der Khiger und des mitbeklagteu Bischofs, dessen Einspruch gegen
das kiinigliche Schreiben verworfen , und ausdriicklich ausgespro-
chen, dass jeder Einwohner von Abbeville schon am Hochzeitstag
die Ehe vollziehen diirfe , ohne dazu einer Erlaubniss oder Dis-
pens des Bischofs zu bediirfen -.
' Urth. V. 19. Marz 1409, bei Grenier Bd. 159 Bl. 33: „Dicto vero epi-
scopo ex adverso separatim proponente, quod in villa, decanatu et banleuca
de predicta Abbatisvilla, ex consuetudine sacro canoni, rationi et Sanctis Pa-
tribus consona, ab antiquis observatum fuerat, ne cui usque ad tertiam niip-
tiarum noctem cum uxore sua cubare sine sua aut ofticialis sui dispensatione,
absque emenda, liceret; quodque tam pro salario clerici litteram dispensationis
scribendi quam pro sigillo et ofticialis signeto, interdum decem, nonnunquam
duodecim et aliquando sexdecim, et quandoque viginti solidos parisienses,
secundum personarum facultates, petere et recipere poterat ; et si ultra dictam
viginti solidorum summam receperat , illud ratione absolutionis a sentencia
excommunicationis sive Ijannorum dispensationis erat et fuerat, ex consuetu-
dine etiam et sinodalibus statutis, observatum diccbat"' . . .
2 Urth. V. 19 Miirz 1409, bei Grenier Bd. 159 Bl. 34: ,.Super quibus
et pluribus aliis hinc inde propositis, inqitesta fucia et ad judicandum, salvis
reprobationibus testium per utramque partem traditis, recepta . . ., visis
omnibus et diligenter examinatis , per Judicium dicte nostre Curie dictum
fuit , in quantum dictos actores contra ciiratos concernebat , ad malam et
injustam causam praedictas inhibitiones et precepta dictis curatis et eorum pre-
decessoribus factas fuisse, ipsosque ad bonam et justam causam se opposuisse
declaravit et declarat, ipsos ab impetitionibus et demandis dictorum actorum
absolvendo et ab expensis dictorum actorum et ex causa relevando. In quan-
tum ^ero prefatos actores contra Episcopum concernebat, dictum fuit predictas
inhibitiones et precepta, respectu monitionum generalium predictarum eidem
episcopo factas, ad malam et injustam causam factas esse, dictum vero episco-
pum ad bonam et justam causam se opposuisse, a dictis impetitionibus dictorum
actorum absolvendo, ceterasque inhibitiones et precepta prenominatas eidem
epiacopo ad requestam dictorum actorum factas, ad bonam et justam causam
factas fuisse, dictumque episcopum ad malam et injustam causam se opposuisse
declaravit et declarat. Et per idem judicium dictum fuit quod quilihet Jiahi-
taittium dicte riUe de Abhatisvilla , prima die siiariim nuptianim poterit citm
stia uxore , ahsque congedio seu dispensatione ^j/y'(7/c// Episcopi cuhare" . . .
(Folgt eine weitere Bestimmung iiber Begrabniss der intestati) . . . ,,expensas
Kapitel 63. Dio BischiifV voii Amicns. 281
In diesen beiden Parlanient.surtlieilen sind dic Ent.sclieidungs-
j.;riiiide niclit ange^eben. Dalier kann nur aus der Prozessgeschichte,
nanientlich aus den Antriigen der Parteien und der dadurch fest-
gestellten Sachlage, eine Vermuthung dariiber aufgestellt werden,
aus welchen Grunden der Anspruch des Bischofs verworfen wurde.
l)er Bischof berief sich auf ein Gewolmheitsrecht, dessen Rechts-
bestandigkeit er vertheidigte. Danach wurde herkommlich die
Einsegnung des Ehebetts ^ am dritten Tag nach der Hochzeit vor-
genommen, und bis dahin Enthaltsamkeit durch die Neuvermahlten
beobachtet, sofern der Bischof nicht davon dispensirte; fur die
Dispens war eine Gebiihr zu entrichten ^. Die Giiltigkeit eines
Gewohnheitsrechtes beruht auf dem Bewusstsein von der Rechts-
verbindlichkeit einer thatsiichlich bestehenden Uebung. Dass nun
im vorliegenden Fall seit langer Zeit thatsiichlich die Uebung
bestand, welche der Bischof behauptete, w^ar nicht bestritten und
in den Angaben der Kliiger sogar ausdriicklich zugestanden.
Gleichwohl verlangten die Bewohner von Amiens und Abbeville
die Beseitigung der herkommlichen Gebiihren. Daher diirfte die
dem Parlament zur Entscheidung vorgelegte Frage die gewesen
sein, ob das Herkommen als rechtsbestiindig (als eine consuetudo
rationabilis im Sinn von Ij. 2. C. quae sit longa consuetudo) ^
zu betrachten war. Ilierbei konnte das Parlameut auf die ver-
iinderten Zeiten Riicksicht nehmen; denn es ist denkbar, dass
ein kirchliches Gewohnheitsrecht, welches in der frommen Sitte
der Yorzeit eine feste Stiitze hatte, spiiter sicli niclit mehr auf-
recht erhalten liess. War einmal die Uebung dahin geiindert,
dass regelmiissig Dispens begehrt und gewiihrt wurde, daher fast
nur die Formlichkeit des Dispensverfahrens und die damit ver-
bundene Geldabgabe iibrig blieb, so fiihrte ein Schritt weiter da-
hin, auch diesen Rest des alten Gewohnheitsreclits zu beseitigen.
Von diesem Gesichtspunkt erkliirt sich die getroffene Entschei-
dung*. Das Parlament mag zu der Ueberzeugung gelangt sein.
hinc et inde factas compen?anilo. in ciijus testimonium presentibus Litteri.s
nostrum jussimus apponi sigillum. Datuin Parisius in Parlamento nostro XIX».
die martii anno Domini millesimo quadragentesimo nono et regni nostri XXXc'.
ainsi signe. Per judicium Curie Baye."
1 Vgl. dariiber oben Kap. 27 S. 148, 14!).
2 Berger de Xivrey S. 23: „Cette pratique devint une prescription , dont
le.s nouveaux mari^s pouvaient s'affranchir cn achetant une dispense. comme
on faisait pour Tusage du beurre et des oeufs en careme." Ygl. oben
Kap. 27 S. 153.
» Vergl. V. Savigny, System Bd. 1. S. 420-429.
* Die im Commissionsbericht der franzosischen Akademie der Inschriften
282 KnY. 64. Die Aebte von Rebais. Kap. 65. Captal de Buoh.
dass der Anspruch des Biscliofs mit deii Yeranderten Sitten nicht
mehr in Einklang stand. Die Ausspriiche der Kirchenvater und
Bestimmungen des canonischen Rechts, worauf der Bischof sich
berief, bildeten kein Hinderniss, in diesem Sinn zu erkennen ^
Jedenfalls erhellt deutlich aus dera AYortlaut der Parlaments-
urtheile, dass sie nicht ein Herrenrecht, sondern eine kirchliche
Dispensgebiihr betreffen ^., Es besteht nicht einmal der Schein einer
Berechtigung fiir die Meinung, dass der Bischof das Herrenrecht
der ersten Xacht ausgeiibt oder dafiir eine Entschadigung be-
gehrt, oder iiberhaupt ein anstcjssiges Herrenrecht in Anspruch
genommen habe.
3. Proz
rles Ahf.o roii Rehai>i vor 'leni Farlcniieitf zn Paris.
Kapitel 64. Am Schluss des Berichts iiber das in Sachen
des Bischofs von Amiens erlassene Parlamentsurtheil vom Jahr
1-409 bemerkt Charondas, seitdem sei eine ahnliche Entscheidung
gegeniiber dem Abt von Rebais ergangen ^. Diese Bemerkung
wird von spiiteren Schriftstellern wiederholt'*. Es ist mir nicht
gelungen, das fragliche Urtheil zu ermitteln; doch ist es moglich,
dass in Pfarreien, die dem Kloster von Rebais (in Brie) incorporirt
waren, ein iihnliches GeAvohnheitsrecht wie in Amiens und Abbe-
ville bestand, und dass iiber die daraus hervorgegangene Dispens-
gebiihr vor dem Parhiment gestritten wurde. Alsdann wiirde
das im vorigen Kapitel Gesagte auch hier gelten.
4. rrfheil de.^i Parlaiiieiif.f zu Bordeaux voni Jaltr 1468.
Kapitel 65. Jules Delpit behauptet, der Landhauptmann
(Captal) von Buch, in der IS^iihe von Bordeaux, sei berechtigt ge-
wesen . mit den neuvermiihlten Frauen seiner Leibeigenen die
erste Xacht zu schlafen oder ein beliebiges Geschenk zu begehren,
bis dies Recht durch Urtheil des Parlaments zu Bordeaux vom
(Berger de Xivrey S. 23) angedeutete Meinung. dass ein Anspruch auf kirch-
liche Dispensgebiihren im Rechtswege iiberhaupt nicht habe verfolgt werden
konnen, durfte nicht haltbar sein, weil zahlreiche Gebiihren ahnlicher Natur
durch Urtheil vom 19. Marz 1409 fiir rechtsgiiltig erkliirt wurden.
1 Vgl. oben Kap. 27 S. 151—153.
2 Derselben Meinung sind Dalrymple und Raepsaet (3. Ausg. S. 44—57).
3 Charondas lib. 7 resp. 79 S. 279: „Et depuis a est^ donne autre arrest
contre TAbbe de Rebais en semblable e.-;pccp."
* Dalrymple; Limnaeus lib. 4 caj) 7 S. 603; Potgiesser tit. 2 cap. 2 § 2.S,
S. 380.
Kapitel 66. Dic Lelm.sherron der Auvergne. 288
Jahr 1468 in dcii Anspruch auf eine Geldabgabe verwandelt
worden sei ^ Eine in der Hauptsache gleichlautende Notiz findet
sich in einer durcli Jules Delpit herausgegebenen Sammlung von
Erziihlungen, die angeblich im siebzehnten Jahrhundert verfasst
wurde ^. Meine Bemiihungen , in Paris oder Bordeaux das frag-
liche Urtheil zu ermitteln, sind vergeblich gewesen^; auch fehlt
der Beweis fiir die Richtigkeit und (ienauigkeit des Berichts,
worin nicht einmal der Tag des Urtheils und der Xame des Cap-
tal von Bucli bezeichnet ist. Hiernach verdient die Nachricht
bis zur Entdeckung der Urkunde oder einer etwaigen zuverliissi-
gen Auskunft keine Beriicksichtigung.
.5. Prozess (Jer Lehmlierren der Aucergne.
Kapitel 06. Dulaure behauptet: „Einige Herren in Auvergne
waren im Besitz [des Rechts] , die erste Hochzeitsnacht niit der
!Xeuvermahlten hinzubringen o d e r nur eiuen nackten Schenkel
iu das Hochzeitsbett zu legen." * Andere sagen, das jus primae
noctis sei in der Auvergne heimisch gewesen ■'. Doch wird be-
merkt, es sei seltsam , wie die Herren der Auvergne hatten
schlafen konnen, da das eine Bein nackt und das andere gestiefelt
' DelpLt S. 92, aus einer angeblich iu Bordeaux aufbewahrten Handschrift
des Abbe Bel et, Stiftsherrn zu Cadillae, Notes et observations sur Bordeaux,
Seite 54 : ,,^Iarquetes des femnies. Le captal de Buch avoit aiitrefois ce
droit de coucher avec les nouvelles epouses la premiere nuit des noces . ou
de prendre tel present qu'il ordonnoit. Ce droit, contraire aux bonnes moeurs,
et qui ne se pouvoit se lever que sur les esclaves, fut supprime en 1468 par
arret du Parlement de Bordeaux, qui substitua a la place un droit en argent."
Ebenso: de Labessade Nr. 62, S. 28, 104, 105. — Ueber Pays de Buch und
Captal de Buch vgl. auch Saint-Amans 1812 S. 60, 61.
2 Gaufreteau Bd. 1 (iiber die Zeit von 1240 bis 1599) S. 27. zum Jahr
1468: ..Ea cette annee, le captau de Buch avoit le droit de coucher, s"il
vouloit, avec les nouvelles espousees, le premier soir des nopces, ou de prendre
un present selon qu'il Tordonnoit, en toutes les terres et paroisses de son
captalat. Mais ce droit fut aboli comme estant contraire aux commandemens
de Dieu. par arrest du parlement de Bourdeaux, et au lieu d'ycehiy, lui fut
ordonne un certain droit de fouage en argent. sur ses subjects." Ueber das
droit de fouage vgl. oben Kap. 2 S. 8.
^ In Bordeaux ist ein solches Urtheil nicht zu finden. Der Herr Bibliothekar
der Stadt Bordeaux hat mir daruber am 13. August 1878 geschrieben : ..Quant
k Tarret du Parlement de Bordeaux de 1468, 11 n'a pas 6t6 retrouve." Ebenso
vergeblich war meine Recherche im Staatsarchiv zu Paris.
* Dulaure, Adel S. 243.
5 Augsb. Allg. Ztg. V. 18. April 1SG8, Nr. 109, S. 1662: Liebrecht 1869
S. 811. ebenso 1874 S. 139 und 1879 S. 419.
284
Kapitel 66. Die Lehnslierren der Auvergne.
und gespornt gewesen sei ^. Sugenheim behauptet, das jus primae
noctis sei in der Auvergne in der urspriinglichen rohen Form
allgemein iiblich gewesen;^es sei abgelost worden; und noch bis
in die zweite Halfte des siebzehnten Jahrhunderts hatten die
Bauerinnen oder ihre kiinftigen Ehemanner die altherkommliche
Ablosung jenes Rechts an die Grundherren entrichten miissen ^.
Wann die Ablosung erfolgte, wird nicht gesagt. Hieriiber
macht Collin de Plancy eine Andeutung ; er versichert , das
eigentliche Herrenrecht der ersten Nacht habe den Grundherren
der Auvergne solange zugestanden, bis vor beinahe vierhundert
Jahren, zufolge einer von mehreren Yasallen gegen ihren Lehns-
herrn angestellten Klage, durch Urtheil bestimmt wurde, dass
die Lehnsherren die erste Nacht dcr Hochzeit mit ihren Yasallinnen
nicht mehr schlafen diirften, sondern dass ihnen bloss erlaubt sein
solle, ein nacktes Bein in das Bett der neuvermahlten Frau zu
legen und eine Yiertelstunde mit ihr unter vier Augen zuzu-
bringen ^. Xach dieser Darstellung, die den Tag des sonderbaren
Urtheils nicht angiebt, miisste der Prozess in der ersten Hiilfte
des fiinfzehnten Jahrhunderts geschwebt haben; doch ist dariiber
sonst Xichts bekannt geworden; daher wird biszu naherer Auf-
klarung die Annahme sich rechtfertigen, dass jenes Urtheil nicht
existirt.
Die alteste Xachricht, die ich iiber jenes Herrenrecht liabe
ermitteln konnen, findet sich bei Paponius, einem Rechtsgelehr-
ten des sechzehnten Jahrhunderts. Derselbe schreibt: „E3 ist
abscheulich , da.ss an einigen Orten Frankreichs , namentlich
in der Auvergne, eine Gewohnheit sich vorfindet, besteht und
geduldet wird, welche dem Herrn des Orts das Recht gewiihrt,
in der ersten Xacht mit der Braut [seines Unterthanen] zu
schlafen . . . Diese Handlungen sind barbarisch und viehisch,
unwiirdig nicht nur eines Christen, sondern auch eines Menschen." "^
Diese Stelle ist so gefasst, als habe die bezeichnetc Unsitte zu
^ de Labessade S. 11.
2 Sugenheim 1861 S. 104, 147 und 1872 S. 930.
3 Collin de Plancy Bd. 1 S 166. 167. Vgl. Delpit S. 126.
* Paponius lib. 22 tit. 9, de adultcrio, n. 18: ,.Detestandum est, in non-
nuUis locis hujus Regni, nominatim in Arvernia, reperiri et extare ac tolerari
Consuetudinem, qua Domini loci jus hoc datum, ut prima nocte cum sponsa
dormire impune possit. ... Hi actus barbari sunt ac bestialos, indigni non
tantum Christianis, sed etiam honiinibus." Daraus: Ragiieau (15801 und
Lauriere (1704) unter Les Marquettes des 1'emmes: Autonine (1621) tit. 8
§ 1, Art. 81.
Kapitcl (57. Ilistorial du .loiigleur. 285
seiner Zeit bestanden. Doch fehlt die Angabe, ob und in welcher
Weise die Nachricht beglaubigt sei, insbesondere ob und welche
einzelnen Thatsachen festgestellt seien, um die Annahme von dem
Bestehen der bezeichneten Unsitte zu rechtfertigen. Paponius
starb im Jahr 1590; bei seinen Lebzeiten war die Irrlehre von
einer friihern Herrschaft des H-errenrechts der ersten Nacht schon
ziemlich weit verbreitet; es ist daher leicht moglich, dass Paponius
unter dem Einfluss jenes Irrthums geschrieben hat. Ueberdies
tinden sich in seinen Nachrichten mancherlei Irrthiimer ^ ■ Unter
diesen Umstiinden kann aus der giinzlich unsubstantiirten Be-
hauptung von Paponius auf dessen alleinige Auctoritiit hin nicht
als geschichtlich erwiesen angenommen werden, dass einmal das
Herrenrecht der ersten Nacht in der Auvergne geherrscht habe.
c. Eampfe und Aufstande.
1. Histoilal (h( Joiii/Ienj-.
Kapitel 67. Eine Erzahlung iibor das „droit de nopoage" im
Historial du Jongleur^, einer Dichtung aus dem neunzehnten Jahr-
hundert, hat folgenden Inhalt. Der Haut-bers de Montguisard (in
der Normandie) wollte sich nicht begnijgen, das aus alter Zeit her-
kommliche droit de nopcage gleich seinen Vorfahren in der Art
geltend zu machen , dass er den Hochzeiten seiner Vasallen und
Leibeigenen mit einem Pagen, zwei "Windhunden und sechs Lauf-
hunden (deux levriers et six chiens courants) beiwohnte und sich
bewirthen liess, sondern er nahm fiir sich das Recht in Anspruch,
allein mit der jungen Frau eine Stunde zu verbringen, bevor die-
selbe sich zum Ehebett begebe. Dagegen behauptete der Abt von
Gaillefontaine, seinerseits ebensolches Recht zu haben ^. Wiihrend
' Vgl. z. E Kap. 63 S. 27-1 und Kap. 83.
2 Vgl. Kap. 1 S. 2. Von diesem AVerk bemerkt B. de Lagreze (1867,
S. 400): ,,si rediteur, eii publiaiifc ce livre, avec des caracteres gothiques.
a soin de dire que les initiales, vignettes et flcurons sont imit^s des manu-
scripts originaux , il ne dit pas oii sont ces manuscripts. Je les ai cherches
vainement. et ils ne se trouvent ni dans la Bibliotheque Imperiale. ni dans
hx riche collection de M. Didot. Ce conte, admis comme authentique, surtout
a Tetranger, me parait donc plus que suspect. Le texte eut ete decisif" . . .
Mir schien es nicht nothig, jene Angabe des Ilerausgebers als ernstlich ge-
meint zu betrachten.
2 Historial du Jongleur S. 7. 8 (Le Prieur): Au temps passe. les
pferes du sire de Montguisard avaient par fief le droit d'assister aux nopces
de leurs vassaux et hommes liges avec un page, deux levriers et six chiens
courants, le tout pour estre bien et duement h^berge et festoye entre deux
286 Kapitel 68. Roman von Karl Fellens.
des Hochzeitsfestes bei A-^erheirathung von Jacqueline , Tochter
des Kalkbrenners Peter Aubriot, mit Samuel Robertsart, erschien
ein Abgesandter des Haut-bers de Montguisard (der ecuyer Sire
de Maltaverne) mit deni Befehl an Peter Aubriot, seine Tochter
Jacqueline in das Schlossezu fiihren, ura dem droit de nopgage
zu geniigen ^ Der junge Ehemann leistete Widerstand, als ihm
seine Frau mit Gewalt entrissen werden sollte. Wiihrend des
Streits iiberbrachte der Vitzthum (Yidame) des Abts von Gaillefon-
taine dessen Befehl an Peter Aubriot, seine Tochter Jacqueline
zum Kloster zu fiihren, damit sie sich dem droit de nopyage un-
terwerfe ^. Jetzt entstand ein Kampf zwischen den Parteien der
beiden Priitendenten, der so hitzig wurde, dass es den Neuver-
miihlten gelang, in der allgemeinen Verwirrung zu entfliehen.
Wenige Tage nachher iiffnete Rouen seine Thore dem Konig von
Frankreich, welcher Lehnsherr der Normandie wurde. Der Haut-
bers de Montguisard verlor sein Lehen wegen Felonie; er ward
verbannt wegen Theilnahme an der Ermordung Arthur's von Bre-
tagne und rettete nur sein Leben, indem er dem Konig Johann
ohne Land nach London folgte ^. Aus dem Schluss dieser Dichtung
ist zu entnehmen, dass sie das Jahr 1204 betrifft; denn im Jahr
1204 verlor Kiinig Joh&,nn die Herrschaft iiber Rouen und die
ganze Normandie nebst andern Provinzen an Kimig Philipp August
von Frankreich. Ln Uebrigen entbehrt die Erziiiilung eines ge-
schichtlichen Lihalts.
2. Aufsfai/il gej/eii Bidiard 11. , Herzog der Kormandie , nnd gegen den
Grafen Des Vertits.
Kapitel 68. Im Roman von Karl Fcllens, der angeblicli
aus archivalischen Quellen geschopft ist und lauter Wahrheit
soleils, ce qiii s'appelle es titres et ehartes : Droit de Nop^uge; mais depuis
la mort cle son tr^s-honore pere, le sire de Montguisard Tentend expliqiicr
et lever autrement, a savoir: qu'il pi-etend que le dit droit consiste 5, passer
iine heure, seul, avec l'espousee , avant qu'elle entre au nuptial lit. ... De
m&me aussi pretend faire et fait le sire abbe de Gaillefontaine". . . . Vgl.
dazu die Noten ira Anhang S. 7 und 8.
' Historial du Jongleur S. 27 : „I)e par mon tr^s redoutti Seigneur et le
tien, le Haut-bers de Montguisard, je te semonds toi, Pierre Aubriot le chau-
fournier, son homme lige, pl6ge et vassal, de me bailler et d^livrer Jacqueline,
ta iille , qui sera conduite au chastel pour estre par elle acquitt^ le Droit dc
Nop^age. J'ai dit." Das Wort ,.bers" schcint soviel ^vie IJaron zu bedeuten.
Vgl. unten Kap. 78 S. 327.
2 Historial du Jongleur S. 31. ^ Historiul du Jonglcur S. 40.
Ka])itel 68. Konian von Karl Fellens. 287
enthalteu soll, wird behauptet, das Herrenrecht der ersten Xaeht
sei zur Zeit des KiJnig-s Robert des Zweiten von Frankreich
(!I90 — 1031) Hauptursache eines Aufstandes gewesen, gegen den
(jirafen von Evreux und dessen Neffen, llichard den Zweiten,
Herzog der Kormandie und Konig von Neustrien ^. Indessen er-
folgte der Bauern-Aufstand in der Normandie crst ini zwolften
Jahrhundert, zur Zeit des'Herzogs Richard II. ^, und dieser Auf-
stand hatte keine Beziehung zu jenem beriiclitigten Herrenrecht.
Der genannte Roman giebt eine Schilderung der Herrenrechte,
namentlich des jus primae noctis^, aus der Zeit Robert des Zweiten.
Der Hauptinhalt ist folgender. Graf Raimund vom Schloss Des
Yertus bei Jalons (Arrondissement Chalons) hatte sich das Recht
der ersten Nacht abkaufen lassen *. Sein Nachfolger Fulgentius
war mit dem Loskauf nicht zufrieden ^, sondern iibte das vermeint-
liche Recht an den Hochzeitstagen seiner Unterthanen in einem
einsamen Landhause thatsachlich aus ^. Als Clotilde, Tochter Lo-
thar's vom Flecken Des Yertus, sich mit Fritz-Andres, dem rflege-
sohn eines Piichters, verheirathen wollte, fassten Lothar und Fritz-
Andres den Entschluss, den Grafen Fulgentius an Ausiibung des
Herrenrechtes zu verhindern ^. Lothar bat um die Erlaubniss,
dies Recht abkaufen zu diirfen; Fulgentius schlug die Bitte ab^.
Der Pfarrer verlegte die Zeit der Trauung , die anfiinglich auf
zehn Uhr Morgens festgesetzt w^ar, auf sieben Uhr Abends^.
Mit seiner Beihiilfe wurde Clotilde unmittelbar nach der Trauung
durch List und Gewalt in das Landhaus geschleppt, wo Fulgen-
tius sie erwartete und das Yerbrechen der Nothzucht an ihr voll-
zog ^^. Sie ward bei ihrer Riickkehr von ihrem Yater und Gatten
liebevoll aufgenommen, starb aber an den Folgen der veriibten
Schandthat ^K Yierzehn Tage nach diesem Yerbrechen verhei-
rathete sich Fulgentius mit Berthine, Schwester des Herzogs der
Normandie ^^. Er wollte die Hochzeitsnacht in demselben Land-
haus geniessen , worin er das Herrenrecht auszuiiben pflegte ^^.
1 Fellens Bd. 1 S. 111. 112 (Rede Liuhvigs. Sohnes von Lothar . an die
Verschworenen).
2 Delisle chap. 6 S. 121.
^ Fellens Ed. 1 S. 16. 13o, 147. 148: Bd. 2 S. 11.
* Fellens Bd. 1 S. 143.
5 p>llens Bd. 1 S. 143: Bd. 2 S. 68 (..ein geheiligtcs Reclit !")•
« Fellens Bd. 1 S. 163. " Fellens Bd. 1 S. 144.
s Fellens Bd. 1 S. 149, 150. » rellens Bd. 1 S. 151.
10 Fellens Bd. 1 S. 153-157. ^' Fellens Bd. 1 S. 158. 171.
" Fellens Bd. 1 S. 160. " Fellens Bd. 1 S. 163.
288 Kapitel G9. Grundung von ^lontauban.
mit verstopftem Munde an einen Baum gebunden, wiihrend seine
Gemalilin im dunklen Schlafgemaeh in der Meinung, von ihrem
Gatten umarmt zu werden, durch den Knecht Lothar's miss-
braucht wurde ^. Erst des andern Morgens wurde der Graf
durch seine Freunde losgebunden. Lange Zeit blieb der wahre
Hergang dieser Sache unaufgeklart ^, und ein Zerwiirfniss zwi-
schen dem Grafen Fulgentius und seiner Gattin bestehen ^.
Beim Tode des Grafen Fulko Nerra von Anjou wurde ermittelt,
dass sein rechtmiissiger Sohn erster Ehe uud Xachfolger in der
Regierung der erwahnte Fritz-Andres war, dessen wahrer Name
Gottfried Martel hicss'^. Er trat die Regierung an und erkliirte
dem Grafen Fulgentius Raimund den Krieg^, betete am Grabe
Clotildens '^ , zerstorte das Schloss des Fulgentius, nahm ihn ge-
fangen und demiithigte ihn "' , unter Hinweis auf die Schandung
Clotildens und die dafiir geiibte Rache^. Gottfried Martel, Graf
A'on Anjou, ward von seinen Yasallen verehrt, gab ihnen eine
Constitution und scliaffte alle Herrenrechte ab ^, namentlich auch
das Recht der ersten Xacht i°. Li dem geschilderten Hergang
ist keine geschichtliche Wahrheit enthalten. Titel und Inhalt
des Buchs liisst deutlich' erkennen, dass der Roman eine Tendenz-
arbeit ist und auf keinen wissenschaftlichen Forschungen beruht.
3. Anfstand <je(ien die Ahfci Moi/f(H(rioI /hkJ (Jriiiiduug roii Moiitaiihan.
Kapitel 09. \m zwolften Jahrhundert driingte eine stiir-
mische Bewegung zur Bildung selbstiindiger stiidtisclier Gemein-
den ^*. Durch die Yortheile, die den Ansiedlern neuer Stiidte sich
darboten, liessen sich hiiufig die Horigen benachbarter Herrschaf-
ten verleiten, ihre Herren zu verlassen ^^. So geschah es auch bei
der Griindung von Moutauban, der jetzigen Hauptstadt des De-
partement Tarn et Garonne. Dieselbe erfolgte im Jahr 1144, durch
Alphons Jourdain, Grafen von Toulouse, Herzog von Narbonne
1 Fellens Bd. 1 S. 164, 165. ^ Fcllons Bd. 1 S. 167, 168.
3 Fellens Bd. 1 S. 192: Bd. 2 S. '28, -2«, OO.
* Fellens Bd. 2 S. 35—40. * Fellens Bd. 2 S. 59, 61.
« Fellens Bd. 2 S. 62, 63. ' Fellens Bd. 2 S. 63—70.
« Fellen.s Bd. 2 S. 68, 69. ^ Fellens Bd. 2 S. 71, 73.
'0 Fellens Bd. 2 S. 74.
" Vgl. Dalloz, Rep Bd. 1 S. 88: Tliierry, Lettres, unter XIII.; lliillmana
Bd. 3 S. 16-28.
12 Thierry, Lettres S. 185, 186.
Kapitel 69. Griindung von Montaiiban. 289
und Markgrafen vonProvence, und durcli seinen Sohn Raymund
von Saint-Gilles, und zwar unmittelbar neben den Besitzungen
der Benedictiner-Abtei Saint-Martin (Saint-Audard oder Saint-
Theodard), die vor alten Zeiten, durch die Vorfahren des hl. Theo-
dard von Xarbonne oder schon durch den hl. Bischof Martin von
Tours, auf dem Mons Aureolus erbaut war ^ Die Griindungs-
urkunde ^ vom 2. October 1144 verheisst den Ansiedlern bedeu-
tende Yorrechte neben verhaltnissmassig geringen Yerpflichtungen.
Es ist daher erklarlich, dass viele Horige der Abtei sich zur
Ansiedlung in der neuen Stadt bestimmen liessen, um ihren Yer-
pflichtungen gegen die Abtei zu entweichen ^. Der Abt Albrecht
von Saint-Audard fiihrte dariiber Beschwerde bei Papst Eugen III.,
mit der Behauptung, dass Graf Alphons von Toulouse die Abtei
gewaltsam zerstort, ihre Leute zum Aufstand und zur Auswande-
rung verfiihrt und drei Schlosser auf dem Allodialgute der Abtei
errichtet habe. Papst Eugen III. beauftragte durch Schreiben vom
28. Juni 1145 den Erzbischof Arnold von Narbonne und den Bi-
schof Raimund von Toulouse, in seinem Namen die zur Er-
ledigung der Beschwerden geeigneten Ermahnungen an den Grafen
zu erlassen und , falls derselbe ihrer Ermahnung binnen vierzig
Tagen keine Folge leiste, die Stadt Toulouse und das ganze Bis-
thum, soweit es zur Herrschaft des Grafen gehore, mit dem Inter-
dict zu belegen, auch die Yerhangung des grossen Kirchenbannes
gegen den Grafen in Aussicht zu stellen '*. Es ist nicht bekannt,
ob und wie der Auftrag des Papstes zur Ausfiihrung gelangte;
eiue Unterbrechung scheint dadurch eingetreten zu sein, dass Graf
Alphons zu dem durch den hl. Bernhard gepredigten Kreuzzuge
nach dem heiligen Lande auszog und dort im Jahr 1148 den
Tod fand '". Zwischen seinem Sohn und Js^achfolger, Raymund Y.,
und dem Abt Amelius von Saint-Audard wurde der Streit durch
1 Vgl Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg. 18741 S. 226, 229: Hist. de Languedoc
Bd. 2 S. -438: Hist. de Montauban Bd. 1 S. 1, 2.
2 Urkunde vom 2. Oct. 1144, besprochen und vollstandig abgedruckt in:
Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg. 1874) S. 226, Instrum. S. 182, 183: Hist. de Mon-
taiiban Bd. 1 S. 63—69. 347, 348; Hist. de Languedoc Bd. 2 S. 438.
5 Hist. de Montauban Bd. 1 S. 55. 58: Hist. de Languedoc Bd. 2 S. 438.
^ Urk. voni 23. Juni 1145. Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg. 1874) Instrum.
S. 183, 184; Bouquet ( Brial) Bd. 15 S. 427. 428; Hist. de Montauban Bd. 1
S. 55—58 und S. 350: Hist. de Languedoc Bd. 2 S. 438, zum Jahr 1144;
Cathala-Coture liv. 3 chap. 11. Bd. 1 S. 137; Mary-Lafon bei Guilbert Bd. 2
S. 517: Jaffe Nr. 6163, S. 618.
5 Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg. 1874) S. 229: Hist. de Languedoc Bd. 2
S. 463; Cathala-Coture liv. 3 chap. 11 S. 136.
Schmiclt, .Jns primae noctis. 19
290 Kaiiitel 69. Griindung von Montauban.
Vergleich vom 6. Mai 1149 zu Beziers geschlichtet ^; der Graf
iiberliess der Abtei die Halfte des Eigenthunis und aller Ge-
rechtigkeiten in Montauban, gab ihr die Landereien zuriick, die
er ihr entrissen hatte, und raumte ihr noch weitere Rechte ein.
Bald entstanden zwar neue Streitigkeiten , worin der Graf von
Toulouse (mit Hiilfe der Albigenser) das Kloster beraubte , den
Abt einkerkerte und ' drei zur Gerichtsbarkeit von Montauban
gehorige Schlosser in Besitz nahm. Doch kam am 13. Oct. 1231
in der Stadt Gaillac ein neuer Yergleich zu Stande ^ zwischeu
Graf Raymund YII. und Abt Albert II. Darin ward der Yer-
gleich vom Jahr 1149 theils bestiitigt, theils ergiinzt und ab-
geandert, insbesondere der Antheil der Abtei an der Gerichts-
barkeit in Montauban von der Hiilfte auf ein Yiertheil herab-
gesetzt ^. Diese Yertriige wurdeu demniichst uoch mehrmals be-
stiitigt \
Dies ist die wahre Geschichte der Griindung von Montauban,
wie sie aus authentischen Urkunden erhellt. Darin ist iSichts
zu entdecken, was einen Tadel gegen die Abtei oder einzelne
Aebte von Saint-Audard rechtfertigen kounte. Die Monche von
Saint-Audard hatten etwa im Jahr 1130 die strenge Regel des
hl. Benedictus angenonimen ^; sie hatten im Jahr 1119 den Papst
Calixtus IL zu Gast, als derselbe vom Concil aus Toulouse nach
Cahors reiste *> ; und es wiirde sich nicht erklaren lassen , wie sie
bei dem Papst Eugen III., dem Erzbischof Arnold von Narbonne
und dem Bischof Raimund von Toulouse hatten Schutz finden
konnen, wenn ihre Beschwerden ungerechtfertigt gewesen wiiren.
1 Vergleich v. 6. iNIai 1149, Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg. 1874) Instrum. S. 184,
185: Hist. de Montauban Bd. 1 S. 72—74: Hist. de Languedoc Bd. 2 S. 463.
2 Gall. Christ. Bd. 13 (v. 1874) S. 226; Hist. de Montauban Bd. 1 S. 75—80.
3 Urk. V. 13. Oct. 1231, Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg. 1874) Instrum.
S. 188—191; Hist. de Montauban Bd. 1 S. 75—80.
* Dies geschah im Juni 1270 zu Aigues-Mortes durch Alphons, Grafen
von Touloiise und Poitiers (Bruder des Konigs Ludwig des Heiligen) und
seine Gemahlin Johanna von Toulouse , Tochter des Grafen Raymund VII. ;
dann durch Philipp VI. im Juli 1328, durch Karl VII. im Jahr 1442 und
durch Ludwig XI. Vgl. Gall. Christ. Bd. 13 (Ausg, 1874) S. 226, und
Hist. de Montauban Bd. 1 S. 80 — 83. Inzwischen war die Abtei durch die
im Corpus juris canonici (cap. 5 extrav. comm. lib. 3 tit. 2. de praeb. et
dignit.) enthaltene Bulle des Papstes Johann XXII. vom 25. Juni 1316 zum
Bisthum erhoben. Vgl. auch Gall. Christ Bd. 13 (Ausg. 1874) S. 226 (wo
die Jahreszalil 1317 angegeben wird).
^ Mary-Lafon in dcr Hist. de Montauban S. XIII.
^ Hist. de Languedoc Bd. 2 S. 384. zum Jahr 1119: Hist. de IMontauban
Bd 1 S. 373.
Kapitcl 09. Griintlung von Montaiihan. 291
Gleichwohl ist eine Sage entstanden , die dahin gelit, dass
der Abt und die Monche von Montauriol (Mons A.ureolus) ein
garstiges Kecht unter dom Namcn „jus cunni" ausgeiibt und
dadurch ilire Leute erbittert und zur Auswanderung genothigt
hiitten. Scliou Le Bret (1068) erwahnt diese Erziihlung, mit dem
Bemerken, dass sie eine grobe Verleumdung sei, welche die Cal-
vinisten erfunden hatten ^ Mit Beziehung auf Le Bret giebt auch
die Histoire de Languedoc an , dass iiber den Ursprung von
Montauban Fabeln durch die Protestanten verbreitet seien^." Die
neuen Herausgeber der Geschichte von Montauban sind ebenfalls
der Meinung, dass jene Erzahlung keinen Glauben verdiene, und
dass sie vou den Albigensern und Calvinisten in LTmlauf gesetzt
worden sei ''\ Leider sind in keinem dieser Werke die Na-
men und Schriften der betreffenden Albigenser oder Calvinisten
angegeben ; und es ist mir nicht moglich gewesen, die Entstehungs-
zeit jener Sage und die ersten Yerbreit^r derselben genau zu er-
mitteln '*. Ein Zeitgenosse von Le Bret, niimlich Cathala-Coture,
schreibt, man behaupte, die L^rsache der Unzufriedenheit der Be-
wohner von Montauriol sei die gewesen. dass der Abt und die
Monche von allen neuvermahlten Frauen eine gewisse Abgabe unter
dem Namen „jus cunni oder cunnagii" erhoben hjitten; zwar finde
sich dariiber keine Urkunde im Archiv der Stadt Montauban: doch
sei es eine Ueberlieferung '". An einer andern Stelle erzahlt der-
selbe Schriftsteller , die Monche von Saint-Audard hiitten unter
ihren Herrenrechteu das „jus cunui" gehabt ; dieser Ueberrest
alter Barbarei sei gleich entehrend fiir die, welche darauf An-
spruch erhoben, wie fiir die, welche sich deraselben unterwarfen ;
1 Hist. cle Montaiiban S. 58. 59.
' Hist. de Languedoc Bd. 2 S. 438.
3 Hist. de Montauban, Note 8. S. 3G2 — 37-1.
^ In der Geschichte der Albigenser von Peter von Yaulx-Cernay, einem
Zeitgenossen und Gegner des Grafen Raimund von Toulouse (die in Guizot's
Werken Bd. 14, Paris 1824, abgedruckt ist) . findet sich noch Nichts von
einer solchen Erzahlung. Ebensowenig habe ich Etwas dariiber in den Ge-
schichtswerken iiber Aquitanien von Peter Louvot und von Johann Bouchet
gefunden. August Galand (1634) spricht zwar schon (S 191) von der Harte
(„durete") des Abts von Saint-Audard. giebt jedoch nicht an, worin die Harte
bestanden habe. Nach Veuillot (2. Aufl. S. 290) soll die Sage bis 1564 un-
bekannt gewesen sein.
^ Cathala-Coture, Memoire sur la generalite de Montauban, citirt in der
Hist. de Montauban Bd. 1 S. 368. Im Extrait du memoire de la generalite
de Montauban, dresse par ordre de Monseigneur le Duc de Bourgogne en
1699, bei Boulainvilliers Bd. 5 S. 174-262. habe ich den angefiihrten Satz
nicht gefunden.
292 Kapitel 69. Griinduiig von Montaiiban.
die Monche hatten mit der aussersten Harte Losegeld fiir dies
Recht von den Bewohnern MontaurioVs gefordert, bis die Letzteren,
um diesen Bedriickungen ein Ziel zu setzen, den Schutz des
Lehnsherrn, Grafen von Toulouse, angerufen hatten ^. Worin das
„jus cunni", dieser vermeintliche ,,Ueberrest alter Barbarei", be-
standen habe, wird von Cathak-Coture nicht angegeben. Man
konnte vermuthen, es sei eine Heirathsabgabe gewesen, die irr-
thiimlich als ein L^eberrest alter Barbarei betrachtet wurde ^. Alleiu
dle ganze Erzahlung vou dem ..jus cunni" und der dadurch ver-
ursachten Emporung gehort in das Gebiet der Sage, als deren
Entstehungszeit bis zur Entdeckung einer iilteren Quelle das sieb-
zehnte Jahrhundert anzunehmen ist; sie wird durch den geschicht-
lich festgestellten Hergang der Griindung von Montauban wider-
legt ^. Hierdurch verliert der Streit, der sich iiber die Natur des
jus cunni erhoben hat, fiir die vorliegende Untersuchung jede
Bedeutung ^. Auf der Erzalilung von Cathala-Coture beruhen alle
spateren Angaben iiber das jus cunni der Aebte vou Saint-Audard,
worin die Erzahlung von Cathala-Coture theils wiederholt. theils
ausgeschmtickt und zu der bestimmten Behauptung entstellt ist.
1 Cathala-Coture Bd. 1 ^. 134.
- Herr Archivdirector Dr. Pfaunensehmid zu Colmar vermuthet, ..cunagium"
sei eine alte Heirathsabgabe gewesen, da das Wort vou cuua (Wiege) her-
kommen und danach eine Abgabe fiir Erwerbung des Heimathsrechts bedeuten
konne ; dies hatten Feinde der Kirche iu die unziichtige Bedeutung eines ,.jus
ciinni" (vulvae) umgedeutet.
^ Die Behauptung von Peuchet-Chanlaire (S. "24) , dass die Nachricht des
Cathala-Coture der am Allgemeinsteu augenommenen iMeinung der Schrift-
steller entspreche , ist offenbar uuei-heblich , da die allgemeine oder ottent-
liche Meiuung flir Feststellung geschichtiicher Thatsachen keinen Werth hat.
* Le Bret (Hist. de Montauban S. 58, 59) meinte, unter jus cunni sei das
Miinzrecht zu verstehen. Diese Annahme ist zwar etymologisch moglich, je-
doch aus folgenden Griinden nicht haltbar. Die Ausiibung des Miinzrechts
konnte keinen Yorwand zur Auswanderung gewahren ; auch findet sich in
Werken iiber ^liinzwesen keine Spur davon , dass die Abtei Saint-Audard
jemals ein Miinzrecht aiisgeiibt hat; im Jahr 1144 stand vielmehr das Miinz-
recht dem Bischof von Cahors zu, welcher die Gerichtsbarkeit iiber die Abtei
Saint-Audard hatte. Dies ist durch Baron Chaudruc de Crazannes (S. 141 — 144 )
nachgewiesen. Doch irrt derselbe, indem er (auf S. 140 — 146) aus der Unhalt-
barkeit der durch Le Bret aufgestellten Vermuthung voreilig die weitere Fol-
gerung zieht, das jus cunni der Aebte von Montauriol sei mit dem ..droit
honteux de prelibation" gleichbedeutend gewesen. Denn es fehlt ein Beweis
fiir die Annahme, dass die Aebte von Montauriol in der fraglichen Zeit (vor
1144) iiberhaupt ein jus cunni gehabt hatten, und umsomehr dafiir , dass ein
solches Recht rait dem droit de pr^libation iibereinstimme. Daher ist der
Irrthum des Herrn von Crazannes grosser, als derjenige von Le Bret.
Kapitel 70. Sehiedsurtheil vnm 21. April 1486 (Catalonien). 293
dass die Aebte von Saint-Aiulard das Herrenrecht der ersten
Nacht gehabt und ausgeiibt hiitten ^ Diese Meinung ist nach
dem Gesagten vrdlig unbegriindet.
yil. Spaiiipii.
a. Catalonien.
Schiedsnrfheil <lf'S Konhjs Fndinmnl vom 21. April 14S6.
Kapitel 70. In Deutschland und Frankreich sind einige
Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts der Meinung, in Ca-
talonien halie das jus primae noctis gegolten ^ unter dem Xamen
„arcia" ^ oder „ferma d'espoli forzada" "^ oder ..firma de esposa
forzada" '" oder ^derecho de prelibacion" ^ In Deutschland wird
sogar beliauptet, das jus primae noctis sei in Catalonien bis gegen
Ausgang des fiinfzehnten Jahrhunderts in einer anderwarts kaum
gekannten Ausdehnung ausgeiibt worden; erst im Jahre 14S6, zu-
folge einer Emporung der wiithenden Bauern, hatten die hartkopfi-
gen Barone Cataloniens in eine Ablosung jenes beriichtigten Rechts
eingewilligt '. — In einer spanischen Rechtsgeschichte des neun-
zehnten Jahrhunderts findet sich der Satz, das Herrenrecht der
Unkeuschheit habe. mit der Beschrankung auf den Tag der Hoch-
zeit, in Catalonien uuter dem Xamen „derecho de prelibacion'*
bestanden, und zwar bei Heiratlien der Vasallen oder Bauern „de
remenza" ®. Zur Begriindung dieser Behauptung verweist man
1 Dulaure. Montauban S. 27 — •29; Dulaure, Adel S. 242. 243: Peuchet-
Chanlaire. Dep. Tarn et Garonne S. 23 — 24; Saint-Fargeau. unter Montau-
ban, S. 629—630: Mary-Lafon bei Guilbert unter Montauban, Bd. 2 S. 516,
vgl. S. 535: de Labessade S. 10, 11. 28. 43 Vgl. dagegen Yeuillot 2. Aufl.
S. 280-295.
^ HelfFerich S. 408—412: Sugenheim 1861. S. 35; de Lagreze 1864. S. 131,
132; Wolf S. 90; de Lagreze 1867, S, 396—398: Augsb. Allg. Ztg. v. 18. April
1868. S. 1662: Liebrecht 1869. S. 810; Sugenheim 1872. S. 930: Liebrecht
1874, S. 138; Kulischer S. 228: Liebrecht 1879. S. 416. 417.
3 Helfferich S. 408.
" Wolf S. 90: Liebrecht 1869, S. 811 und 1879. S. 417.
5 Lagreze 1867. S. 397; Augsb. Allg. Ztg. v. 18. April 1868. S. 1662.
6 Wolf S. 90; Liebrecht 1869, S, 810. ebenso 1874, S. 138 und 1879,
S. 416, 417. — : Das Wort „derecho de prelibacion" konnte (wenn es in Ur-
kunden vorkame) als das Recht. den Hochzeitswein zu kredenzen , oder als
ein Anspruch auf den ersten Hochzeitswein (als Heirathsabgabe) erklart
werden.
' Sugenheim 1861. S. 35. 36 und 1872. S. 930: Kulischer S. 229.
5 Marichalar Bd. 6 S. 67.
294 Kapitel 70. Schiedsurtheil vom 21. April 1486 (Catalonien).
auf Aiisspruche von Pellicer ^ und Pujades^, ferner auf ein arat-
liches Aktenstiick voni Jahr 1786^, auf eine in den Cortes zu
Cadix im Jahr 1811 gemachte Mittlieilung des Abgeordneten
Lloret'*, auf eine iu Catalonien iiber das derecho de prelibacion
erhaltene U eberlieferung ^ und hauptsachlich auf ein Schiedsurtheil
des Konigs Ferdinand II., des Katholischen, vom 21, April 1486.
Es giebt jedoch keine Urkunde, die zu der Annahme be-
rechtigt, dass in Catalonien das jus primae noctis in anerkannter
Geltung gewesen sei ^" und dass eine Ablosung desselben im Jahr
1486 stattgefunden habe.
Das Schiedsurtheil vom 21. April 1486 wird von den Yer-
fassern der vorerwahuten Rechtsgeschichte zu den grossten Ruh-
mesthaten desKonigs Ferdinand, des Katholischen, gerechnet^; und
• Danach sollen die Vasallen de remenza in Catalonien verpflichtet gewesen
sein, die Jungfrauen , mit denen sie sich verheiratheten , dem Grundherrn
zu iibergeben, damit derselbe sie vor dem Ehegatten deflorire.
2 Vgl. unten S. 303, 304.
^ Namlich im Papel instructivo acerva del derecho de la Real Corona,
Impreso en Madrid el ano 1786. betreffend das Collegiatstift San Juan de
Abadeses, soU gesagt sein, die Grundherren in Catalonien hatten ihren Em-
phyteuten und Leibeigenen 'die Verpflichtung auferlegt, sich von dem Herren-
recht zu befreien, was darin bestand , dass in der ersten Nacht ihrer Hoch-
zeit der Grundherr Zutritt ins Ehebett hatte. Marichalar Bd. 6 S. 67. 68.
* Danach bezahlte die Stadt Verdu in Catalonien flir das ..derecho de
pernada" siebzig catalonische Pfund an den Grundherrn , das Kloster von
Poblet. und die Quittung dariiber wurde als Belag zu den Rechnungen
des Gemeindevermogens genommen. Marichalar Bd. 6 S. 67. (Ueber das
durch die Grabmaler der Kijnige von Aragon beriihmte Cistercienserkloster
Poblet oder Populetum vgl. Dict. de Trev. Bd. 6 S. 848.) Nach einer Nach-
richt, die ich dem Herrn Professor Dr. Vicente de la Juente zu Madrid
verdanke, wird erzahlt, dass der Abt von Poblet das derecho de pernada von
einem ungenannten Grundherrn abgetreten erhalten , jedoch nicht in Natur
ausgeiibt, sondern in eine Geldabgabe verwandelt habe. Vielleicht liegt diesen
Berichten ein etymologisches Missverstandniss zu Grunde. Das Wort pernada
bezeichnet zwar einen Stoss mit dem Fuss, zugleich aber auch eine Art
landlicher Gebaude , wie daraus erhellt, dass in der Const. Cath., Buch 4
Tit. 28 Art. 3, „mas, o pernada. o borda en seiioria de algu" zusammengestellt
werden. Dies fiihrt zu der Moglichkeit, das ..derecho de pernada" als eine
Abgabe fiir Besitzveranderungen zu erklaren.
' ^So gab es in der Umgegend von Villanueva ein Schloss mit dem Xamen
de malos usos; dort zeigte man ein besonderes Zimmer, worin der Gruiidherr
jenes abscheuliche Recht ausgeubt hatte.'" ilarichalar Bd. 6 S. 68.
^ In demselben Sinn schreibt mir Herr Manuel de Bofarull aus Barcelona:
,,A la consulta sobre el .jus primae noctis en Cataluiia, puedo contestar ase-
gurandole, que no consta en documento alguno ejercito legalmente."
7 Marichalar Bd. 6 S. 496.
Kapitel 70. Schiedsurtheil voni 21. April 148G (Catalonien). 205
schon Ciirita riihmt den Muth und die Klugheit, womit der Kijnig
die fragiichen Streitigkeiten beendete ^ Ein Abdruck steht in
den Pragmaticas y altres Drets de Cathalunya vom Jahr 1589,
die auf Anordnung des Kimigs Philipp II. vom Jahr 1585 zu-
folge eines Beschlusses der Cortes herausgegeben wurden ^. Die
Yeranlassung zu diesem Schiedsurtheil war folgende. In einem
Theil des Fiirstenthums Catalonien ^ lebten Bauern, die mit dem
Beinamen „de remenga" oder „dels mals usos" "^ bezeichnet
wurden , weil sie an die Scholle gebunden und zur Entrich-
tung der sechs sogenannten mals jasos '" oder einzelner derselben
verpflichtet waren. Yier dieser „mals usos", und zwar remenca
personal , intestia , xorquia und cugucia , standen bereits in
den Usatges de Barcelona und in den Constitutiones de Ca-
thalunya verzeichnet, waren also gesetzlich festgestellte Ver-
pflichtungen ''. Unter ^remenca personal" (personlicher Loskauf)
verstand man die Horigkeit in dem Sinn, dass der Bauer eine
* Qurita. lib. 20. fol. 346: .,y fue una de las cosas en que mas el Rey
senalo su gran valor, y prudencia". . . .
- Ferrando segon en la sententia arV)itral dada eu Guadalupe a 21. de
Abril 1486, in Pragmat Drets. lib. 4 cap. 13, S. 97—106, wozu noch eine
Declaratoria und zwei Yerordnungen vom 9. Jan. 1488, daselbst S. 106 — 109,
gehoren. Dass dieser Abdruck mit dem Original iibereinstimmt , wird bis
auf Weiteres angenommen werden miissen. — Vgl. Curita lib. 20, a. 1486,
fol. 326, 327 und fol 345 v. bis 346 v. : Sempere S. 248. 249; Sugenheim 1861,
S. 35. 36: Marichalar Bd. 6 S. 68 und 495 bis 499; Wolf S. 91 und 93. —
Bei Pujades, lib. 6 cap. 152 n. 11, findet sich das unrichtige Datum vom
21. April 1468, woraus derselbe Irrthum in die Werke von Mariano Nougues
y Secall und Bascle de Lagreze iibergegangen i.st. Vgl. Lagreze 1864, S. 131
und 1867, S. 396, 397. Auf denselben Irrthum und einen hinzugetretenen
Druckfehler ist das Datum des 11. April 1468 zuriickzufiihren. in der Augsb.
Allg. Ztg. V. 18. April 1868, S. 1662. und bei Liebrecht 1869, S. 810. 811,
ebenso 1874, S. 139 und 1879, S. 417.
^ Xamentlich in den Grafschaften Ampurias und Rossellon. wie Curita
fol. 346 berichtet.
■* Lateinisch lautete der Ausdruck : .,pagenses de redimentia et malorum
usum". Pragmat. Drets S. 109.
5 Der Ausdruck ..mal us" heisst an sich Missbrauch. So bezeichnete man
die fraglichen Gebrauche, obwohl sie rechtmassig entstanden waren
*> Pragmat. Drets S. 98, in Art. 1 des Urtheils, s. unten S. 299 Anm. 1. —
Vgl. Curita fol. 346; Pujades Bd. 4 S. 333 (lib. 6 cap. 152 n. 3); Marichalar
Bd. 6S. 497; Wolf S. 73, 91: Helfferich , 2. Abth. Nr. IV. S. 407. wo auf
die Usatici Barchionenses . cap. 69, 109—112. verwiesen wird (beziiglich der
exorquiae und cuguciae). Helfferich meint (S. 399), dass die Usatici Barchio-
nenses vor allen librigen Werken Europ"as aus dem elften Jahrhundert durch
Form und.Inhalt hervorragten, und dass sie von einem hohen Bildungsstand
Cataloniens Zeugniss ablegten.
296
Kapitel 70. Sehiedsurtheil vom 21. April 1486 (Catalonien).
Abfindungssumme an den CTruudherrn zahlen musste, wenn er
heirathen oder die SchoUe verlassen wollte ^ ^lntestia" be-
zeichnete das Recht des Grundherrn auf den dritteu Theil (zu-
weilen die Halfte) vom Nachlass eines Bauern, der ohne Testa-
ment starb, ^Cugucia" war das Recht des Grundherrn, mit
einem Bauern, dessen Frau Ehebruch g-etrieben hatte, deren Yer-
mogen zur Halfte zu theilen, und. falls der Ehebruch mit Zu-
stimmung des Ehemanns begangen war , das ganze Yermogen
der Frau allein einzuziehen. „Xorquia'' oder ^exorquia" war
ein Anspruch des Gruudherrn auf gewisse Giiter des Bauern,
der keine Kinder hinterliess ^. Die beideu andern mals usos,
namlicli ,,arcia" und „ferma despoli foreada", waren durch Ge-
wohnheitsrecht eingefiihrt und bereits in einigen Urtheilen als
reehtsbestaudig anerkannt ^. ^Areia" scheint ein Anspruch des
Grundherrn fiir den Fall gewesen zu sein, dass ein Gebiiude
durch Schuld des Bauern abbrannte ''. Die „ferma despoli for-
1 Ygl. die catalonischen Urkunden bei Ducange iinter Redimere und die
in der folgenden Note vermerkten Stellen.
- Pujades Bd. 4 S. 333 bis 336; Cutchet bei Marichalar Bd. 6 S. 497. 498;
de Lagreze 1867, S. 397. — >Sonst bedeutet cugucia soviel wie adulteri, d. i.
Ehebruch, und exorquia das Recht einer kinderh^sen "\Vitt\ve an der Erb-
schaft ihres Ehemanns. Im Usatge „Similiter de rebus" (abgedruckt in den
Const. Cath. Buch 4 Tit. 29, Art. 1 S. 379), worauf die vorstehende Stelle
beruht. wird das Wort cugucia in der Bedeutung von Ehebruch gebraucht:
„Semblantment, de las cosas, o de las possessions dels cugu^os. si la cugucia
es feta los marits no volents, ells, e lurs senyors per eguals parts hauran
tota la part de las mullers adulteras E si peruentura (50 que Deu no vulloj
ab voluntat, 0 ab manament, o ab consentiment del marit sera feta la cugucia,
daquells aytals hajau los senyors lur dret entegrament" . . . Ygl. auch Brinck-
meier unter Cugiis, Bd. 1 S. 564.
3 Das Urtheil v. 21. April 1486 erwagt in Art. 1 (Pragmat. Drets S. 98),
dass „las ditas Arcia , e Ferma despoli sien per consuetut introduidas , de las
quals segons som informats se ha algunas vegadas feta justitia en lo dit
Principat". Vgl. unten S. 299.
■* Den Ausdruck „arcia^- (der bei Labernia nicht zu finden ist) erkliirt Pu-
jades als das Recht des Grundherrn, aus den Frauen der Bauern die Ammen
fiir seine Sohne zu nehmen. Andere meinen , „que era lo que del vasallo
exigia el seSor en caso de incendiarse alguna c^asa rural por culpa di pri-
mero". Das V^^ort wiirde nach der erstern Annahme von dem lateinischen
W^ort arcere (zwingen) , nach der andern von arder (in Brand setzen) abge-
leitet werden konnen Luis Cutchet halt die zweite Auslegung fiir die rich-
tige, wogegen Marichalar und JNIanrique sich der Auslegung von Pujades an-
schliessen. Ygl. Marichalar Bd. 6 S. 497, 498. Mir scheint dic Auslegung,
die Cutchet vorzieht, in der That den Vorzug zu verdienen. und die Aus-
legung des Pujades mit dem Zusammenhang des Schiedsurtheils vom 21. April
Kapitel 70. Schiedsurtheil voin 21. April 1486 (Catalonien). 297
gada" ^ bestand in der Yerptiichtung- dos Ildrigen, fiir seinen
Heirathsvertrag- , daniit derselbe Giiltigkeit erlange, die Unter-
schrift (ferma) seines Herrn einzuholen -. Die Bauern fuhrten
Beschwerde iiber Missbriiuche , die bei Ausiibung der mals usos
eingerissen waren, und klagten iiber viele andere ihnen vermeint-
lich zu Unrecht auferlegte Lasten und Abgaben. Aus diesen
Beschwerden entwickelte sich ein Aufstand, worin die Bauern
viele Zerstorungen ausfiihrten und sonstige Yerbrechen begingen ^.
Konig Ferdinand und Konigin Isabella suchten, bevor sie den
Krieg gegeu die Mauren in Granada eroffneten, in den durch
ihre Heirath vereinigten Konigreichen so viel wie moglieh Frieden
herzustellen, zuerst in Galicien und Castilien'^, dann, auf der
Reise nach Cordova, in Catalonien. Dort wurden die Streitig-
keiten zwischen den pagesos de remenca und ihren Grundherren
1486 unvereinbar zu sein. Dort %vird da.-; Reclit des Grundherrn, die Ammen
fiir seine Kinder aus den Frauen der Bauern auszuAvilhlen . im ersten Satz
des neunten Artikels (vgl. unten S. 301 Anm. 1), dagegen die arcia schon im
ersten Artikel behandelt; und die Yoraussetzung von Pujades, dass Artikel 9
in den beiden ersten Satzen eine authentische Erklilriing der arcia und der
ferma despoli forgada enthalte, Aviderspricht dem Wortlaut und der Stellung
dieses Artikels. — Bei HelfTerich (S. 407 — 409) findet sich das Missverstiind-
niss, dass Pujades den Ausdruck arcia auf das Herrenrecht der ersten Nacht
beziehe ; unter dem Einfluss dieser irrigen Voraussetzung sucht HelfFerich
das Wort aus semitischen Wurzeln zii erklaren. Gegen diese Erkliirung vgl.
WolfF S. 91, Anm. 1.
1 ..Ferma despoli" heisst wcirtlich : Unterschrift des Eheversprechens ; daher
ferma despoli for^ada : die erforderliche Unterschrift des Eheversprechens.
- Brief des Herrn Manuel de Bofarull v. 16. Mai 1878: . . . „no significa
mas que la firma que pone el Seiior en el contrato de esponsalicio, y que el
vasallo esta obligado (forzat) a pedir. para que aquel valga : lo que queda
confirmado en codigos y documentos" ... — Francisco Solsona bemerkt zur
Erklarung der „firma de espolio forzado" [forzada ?] , dass , vsrenn der Vasall
sein Gut zur Sicherheit fiir die dos seiner Frau bestellte, der Grundherr fiir
die Bestiitigung dieser Verpflichtung oder Hypothek den dritten Theil des
laudemium erhielt. Francisco Solsona. Stilus. fol. 77, bei Pujades lib. 6 cap.
152 num. 12. Bd. 4 S. 337.
3 Vgl. Art. 1 und Art. 19 — 21 des Urtheils vom 21. April 1486, Pragmat.
Drets S. 98 und 102—104. Eine Aufzilhlung der zahlreiehen Verbrechen
findet sich in Art. 19.
"* Vgl. dariiber Curita lib. 20, fol. 346. Danach suchten sie in Galicien
den Don Rodrigo Osorio, Grafen von Lemos, der Ponferrada besetzt hielt. zum
Gehorsam zu bringen. und sie ernannten flir die Zeit ihrer Abwesenheit zwei
Statthalter fiir Castilien. Sie schlichteten ausserdem Streitigkeiten zwischen
dem Herzog von Alva und dem Don Pedro de Stuuiga, Grafen von Miranda,
und versohnten in Bejar den Herzog Don Alvaro de Stuiiiga mit seinem
kiinftigen Nachfolger gleichen Namens.
298 Kapitel 70. Schiedsurtheil vom 21. April 1486 (Catalonien).
durch die Weisheit des Ivonigs imd durch die Klugheit seines
Vicekanzlers Alfonso de Caualleria ^ zur Beruhigung des Landes
geschlichtet.
Die Entscheidung des Konigs Ferdinand vom 21. April 1486
erging in einem Saal des Klosters Sanctae Mariae zu Guadalupe,
auf Grund eines Sehiedsrichtervertrags, welchen die betheiligten
Grundherren am 28. October 1485 und die pagesos de remenca
e 0 dels mals usos am 8. Xoyember 1485 vor Notar Ludovicus
Gonzalez unterschrieben hatten; zugleich aber auch kraft k5nig-
licher Machtvollkommenheit; nach Anhorung beider Parteien,
durch deren Vertreter die Antriige schriftlich und miindlich ge-
stellt und vertheidigt waren, und nach Anhorung des koniglichen
Rathes (Reyal Consell) ^. Die Vollmacht der Parteien und die
Entschei^ung des Konigs bezog sich nicht bloss auf die „mals
usos" , sondern auf alle grundherrlichen Streitigkeiten der Par-
teien ^. Das Urtheil enthalt achtundzwanzig Artikel. Der erste
1 Curita lib. 20. fol. 346 v.
2 Vgl. die Einleitung des Urtheils, Pragmat. Drets S. 97 und 98.
^ Im Eingang des Urtheils (Pragmat. Drets S. 98) ist der Gegenstand des
Compromisses und Urtheils'durch folgende Stelle bezeichnet. Es ist zu ent-
scheiden, „en, e sobre los debats , e questions, e differentias, plets. e littigis
judicials, e extrajudicials que entre ells eren. e podien esser, per causa, e
occasio de las remengas, e servituts personals. e dels mals vsos , axi vulgar-
mente appellats. e censos, e altres servituts. e drets deuallants de aquells,
compresos, e compresas, en lo dit poder a nos per las ditas parts donat, per
la claiisula de incidents, dependents e emergents, en lo dit poder contenguda,
no obstant la exceptio en aquella adjecta per part dels dits senyors o senyo-
ras, com per aquella tantsolament hajan exceptat los censos, tascas e altras
servituts e drets alla exprimits , pertanyents a lurs predecessors, e a ells, e
axi condicion alment faeren la dita exceptio, la qual volgueren segons la po-
sitio de aquella hagues loc, si e quant las ditas servituts, drets a ells per-
tanguessen, hont no es dubte, que la declaratio de la dita conditio, si las
servituts ja ditas, e drets axi exceptas de justitia pertanyen, o no pertanyen
als dits senyors. pertany fer a nos, per virtut de la dita clausula dels inci-
dents e dependents etc. per la qual com dit es nos fou dat poder de declarar,
y pronuntiar sobre las ditas servituts, e drets, com a cosas incidents, e mer-
gents. e dependents dels sis mals vsos, pus per la exceptio no foren exceptas,
si no ab conditio, e modificament, asaber es, si e quant als dits senyors per-
tanyen. com las ditas paraulas se hajan entendre de dret, e no de fer . e per
virtut de la submissio , e submissions a nos fetas . e per \o que de paraula
es estat supplicat per part dels dits senyors, supplicant nos pronuntiassem los
manassem pagar los delmes, censos, e tascas, e los altres drets que a ells
pertanyen sobre los dits pagesos. per raho dels masos , e terras que aquells
tenen. proseguint dauant nos los dits drets contra los dits pagesos, e los dits
pagesos opposant, e exceptant contra aquells, e axi cora a Rey, e senyor, per
Kapitel 70. Sehiedsurtheil vom 21. April 14SG (Catalonien). 299
Artikel verwandelt die sechs mals usos in Geldabgaben, und
zwar fiir jeden Bauerngutsbesitzer in sechzig Sous Kapital oder
drei Sous Jahresrente ^ , vorausgesetzt, dass sich seine Yerpflicli-
la .<uprema potostat que nos tenim, e de la (jual deuem . podem . e som ten-
gut.s. e volem vsar" . . . (^"urita. lib. 20, fol. 346. riihmt die Klugheit des
Konigs hauptsachlich deshalb . weil er die Parteien veranlasste , alle ihre
Streitigkeiten (todas sus difFerencias) seiner Entscheidung zu unterwerfen.
' Art. 1 des Urth. v 21. April 1486 (Pragmat. Drets S. 98, 99): „Prime-
rament per quant per part dels dits pagesos nos es feta gran clamor. de sis
mals vsos vulgarment appellats, dient, que indegudament. e injusta. en gran
carrec de conscientia los dits senyors exigen dells , compellint los per via del
sagrament, e homenatge quels han prestat, a pagar los dits sis mals vsos, los
qual son Eeutenga personal, Ititestia , Cugucia , Xorquia , Arcia, e ferma des-
poli forgada, e jatsie que per vsatges de Barcelona, e constitutions de Catha-
lunya sien fiindadas las ditas Remenca personal, Intestia. Xorquia. e Cugucia,
e las ditas Arcia , e Ferma despoli sien per consuetut introduidas . de las
quals segons som informats se ha algunas vegadas feta justitia en lo dit
Principat, empero, attes que los dits mals vsos, per molts, e diuersos abusos
que de ells se han seguit, contenen euident iniquitat. los quals sens gran
pecat, e carrec de conscientia nos potien per nos toUerar, e attes que los dits
mals vsos, si fossen temperats , reduits , e limitats a alguna moderacio . serien
toUerables , pero , per quant de aquells se han seguits grans debats . e que-
stions , e per lo Rey don Alfons nostre oncle de gloriosa recordatio . e apres
per lo senyor Rey nostre pare de eterna memoria, e per lo Princep don
Carlos com a son Loctinent general nostre germa paradis haja, foren los dits
mals vsos inhibits, e interdits, e de lauors enga per los dits pagesos no se
han pagat, e jatsie per nos la declaratio que lo dit Rey don Alfon.-^ feu , sie
reuocada en la Cort que vltimament celebram en la ciutat de Barcelona. re-
stituint los dits senyors en la possessio . en que abans de la dita declaratio
estauan , contra la qual reuocatlo per nos feta . per los dits pagesos moltas,
e diuersas cosas contra ella se han allegat. majorment dient. que no eren
part en la Cort, e los qui eren de Cort, e inportunauen la dita nostra reuo-
catio , empatxant la conclusio de la Cort. si aquella no fahien, eren parts,
e aduersaris lurs , de lo qual sens dubte tenim certa , e indubitada notitia.
De ques segueix, que los dits mals vsos. encara ques moderassen. e limitassen,
nos rebtien per las ditas parts, en sos limits, que la vna, e laltra nois tras-
passassen, e trangredissen , pertant sententiam. arbitram, e declaram, que los
dits sis mals vsos no sien. ne se obseruen. ne hajan loc, nes pugan demanar,
ne exigir dels pagesos, ne de sos descendents. ne dels bens dells, ne de
alguns de ells, ans per la present nostra sententia aquells abolim, extinguim,
anichilam, e declaram los dits pagesos. e sos descendents perpetualment esser
liberts. e quitis. de ells. e de cada vn dells. Pero perqiie a alguna mode-
ratio se potien reduir. e axi podrien subsistir segons dit es, pertant en satis-
factio , e compensatio de aquells pronuntiam , e declaram , los dits pagesos
esser obligats. e tenguts dar, e pagar per cascun capmas sexanta sous de
nioneda Barcelonesa , o tant cens , quant montaran los dits sexanta sous Bar-
celonesos, a raho de vint milia per mil, lo qual dit cens se haja a pagar del
die que la present nostra sententia se publicara a vn any , e de aqui auant
300 Kapitel 70. Schiedsiirtheil vom 21. April 1486 (Catalonien).
tung" auf alle sechs mals usos erstreckte; daher hatte ein Bauer,
der vorher nur zu einzelnen der sechs mals usos verpflichtet war,
fiir jeden derselben zehn Sous Kapital oder sechs Pfennige Rente
zu zahlen ^. Die niiheren Bestimmungen iiber die Ausfiihrung des
Art. 1 , namentlich iiber Zahlung und Beschaffung der nothigen
Gelder, sind in Art. 2 — 5 enthalten. Art. 6 gewahrt den Bauern
Rechtsschutz gegen Misshandlungen der Grundherren. Art. 7
ordnet die Form des Huldigungseides, den die Bauern ihren
Grundherren zu leisten hatten, sofern ihnen dieser Eid nicht
durch Privileg erlassen war ^. Tn Art. 8 wird das Recht der
Grundherren festgestellt, iiber die drei Monate lang verlassenen
Grundstiicke frei zu verfiigen ^. Der Art. 9 verbietet den Grund-
herren die Ausiibung von fiinf vermeintlichen Rechten, namlich:
a) die Weiber der Bauern wider ihren Willen, mit oder ohne
Bezahlung, fiir ihre Sohne oder fiir andere Kinder als Ammen
zu nehmen; b) bei Heirathen der Bauern mit ihren
Frauen die erste Nacht zu schlafen, oder zum Zei-
chen der Herrschaft, nachdem dic Frau sich zu Bett
gelegt hat, iiber sie, die Frau, hiniiberzuschreiten;
c) die Tochter oder Sohne der Bauern, mit bder ohne Bezah-
lung, zu Frohndiensteh zu zwingen; d) von deu Bauern eine
gewisse Lieferung (deren Sinn nicht deutlich isf*), ferner das
quiscun any en semblant die. E aquell iinposam sobre los dits pagesos , e
masos que als dits sis mals vsos eren. e son tenguts , e obligats, mentre que
luit no fera, lo qual cens declaram se puga per los dits pagesos luir, e quitar
a la dita raho de vint milia per mil, ab ago , que si la dita luitio se fara de
cens. o censos que pertangan a senyors ecclesiastics, o laics a qui pertanyera
la senyoria directa dels dits masos , ab vincle que aquella peruenga en per-
sonas algunas , que la peccunia pagadora als dits senyors per causa de la
luitio, y quitament del dit cens hajan de posar los dits pagesos en la taula
de la ciutat de Barcelona, per esmergar aquella per indemnitat dels dits
senyors, o senyoras." — Die in diesem Artikel erwahnte Verordnung aus
Barcelona, wodurch die Verfiigung des Konigs Alfons aufgehoben, und die
Wiedereinsetzung der Grundherren in ihre Rechte ausgesprochen wurde. er-
ging im Jahr 1481 ; sie steht abgedruckt in den Const. Cath. Buch 4 Tit. 29
Art. 6. S. 382. unter der Ueberschrift : „Ferrando segon en la primera Cort
de Barcelona, Any 1481, Cap. 15." Vgl. auch die Gesehichtserziihlung bei
Qurita lib. 20 fol. 346 (Ruckseite).
* Vgl. Art. 2 des Urth. v. 21. April 1486 und die dazu erlassene Decla-
ration vom 9. Jan. 1488, Art. 1, Pragmat. Drets S. 106—108
- Zu Art. 7 wurde die Ausfiihrungsverordnung vom 9. Jan. 1488 (Pragmat.
Drets S. 109) erlassen.
^ Dieser Artikel wurde beziiglich der Minderjalirigcn durch Art. 2 dcr
Declaratoria vom 9. Jan. 1488 (Pragmat. Drets S. 107) gemildert.
* Die Stelle lautet : ,.a pagar los ou*s apellats de cugul". Marichalar und
Kapitel 70. Scliiedrturtheil voni 21. April 148(5 (Catalonieii). 301
Bestliaupt nach ihrem Tode, fiir die Einwilligung zu ihrer Be-
erdigung, zu begehren; e) <len Bauern den Gcwerbsverkauf von
Weizen, Hafer, Wein und andern Sachen zu untersagen \ In
Art. 10 und 11 wird iiber eine grosse Zahl von Reallasten an-
geordnet, dass sie nur dann und insoweit gefordert werden
konnen , als entweder Heberegister vorgelegt werden , worin
sie verzeichnet stehen, oder beziiglich verbrannter oder sonst
verlorener Heberegister der Yerlust und der friihere Inhalt nach-
gewiesen wird, oder die einzelnen Bereclitigungen auf recht-
mtissiger possessio longi temporis beruhen. Die Bereehtigungen
sollen nicht gelten, wenn die dafiir vorgelegten Heberegister ge-
falscht, oder die Berechtigungen durch Arglist oder auf prekare
Art entstanden sind. Alle hiernach nothwendigen Beweise soUen
binnen fiinf Jahren vor dem Konig oder vor dessen Deputirten
gefiihrt werden ^. Die Art. 12 und 18 treifen Bestimmung iiber
Manrique (Bd. 6 S. 500) gestehen ihr Unvermogen , diese Stelle zu erklaren.
Das Wort „cugul'' heisst Maulesel: und „ous" ist vielleicht aus iisus in der
Bedeutung einer Abgabe zu erklaren. Indessen ist der Sinn einer Abgabe,
die den Namen „cugul"' flihrte, nicht verstandlich.
■ Art. 9 des Urth. v. 21. April 1486 (Pragmat. Drets S. 100): ,,Item sen-
tentiam, arbitram. e declaram. que los dits senyors no pugan pendre per didas
pera sos fills , o altres qiialseuol creaturas las mullers dels dits pagesos de
remen(ja, ab paga. ne sens paga . menys de lur voluntat, ni tampoc pugan
1 a p r i ni e r a n i t q ii e I o s p a g e s p r e n m u II e r d o r m i r a b e 1 1 a,
0 en senyal de senyoria. la nit de las bodas, apres que la
m u 1 1 e r s e r a c o I g a d a e n I o 1 i t , p a s s a r s o b r e a q u e 1 1 . s o b r e
la dita muller. ni pugan los dits senyors, de la filla, o fiU del pages,
ab paga. ni sens paga seruir se dell , sens sa voluntat, ne pugan com-
pellir los dits pagesos a pagar los ous apellats de cugul, ni dret de flas-
sada de cap de casa, la qual se preten, que quant moria lo pages, lo senyor
lals prenia, e nols dexaiia soterrar, fins que la millor flasada de casa se hauia
presa, ne tampoc pugan los dits senyors, o senyoras per respecte de la senyo-
ria que sobre los dits pagesos tenen (puix no sie per respecte de la senoria
del castell , o iurisdictio) fer los prohibitions que no venan forment, ciuada,
vi. e altras cosas amenut, e si tals prohibitions per los dits seiiors los eren
fetas, pronuntiam. e declaram , aquellas esser nullas, e que aquellas no ob-
stants, los dits pagesos pugan vendre, e axaugar per menut, e com ben vist
los sera los dits forments , ciuada , vi , e altras cosas , sens licentia , e permis
dels dits senyors." Vgl. Sempere S. 24G , 247: Sugenheim 1861, S. 35:
Marichalar Bd. 6 S. 500 : Wolf S. 73.
2 Die grosse Mannigfaltigkeit der in Art. 10 und 11 behandelten Abgaben
uud Lasten erhellt aus dem Anfang des Art. 10: „Item sententiam, declaram,
e arbitram, que los pagesos no sien obligats pagar polls de astor, ni pa de
ca, ni dret appellat brocadella de cauall, ni tanpoc los dits seiiors pugan
compellir los dits pagesos a vsos appellats cussura, enterca, alberga, menjar
de balles, pernas de carnsalada, arages, molto, e afiel magenc , porc , e ouella
302 Kapitel 70. Schiedsurtheil vom 21. April 1486 (Catalonien).
die Frage, ob und inwieweit jene Bauern zur Yerausserung ihrer
beweglichen uud unbeweglichen Habe berechtigt sind. Art. 14
betrifft Aufbringung der Kosten fiir Unterhaltung der koniglichen
Schlosser. Art. 15 handelt vom Beweis zur Feststellung verschie-
denei* Grundlasten ^. Die Art. 16—18 enthalten allgemeine Be-
stiramungeu iiber die Tragweite der Entscheidung, dass dieselbe
niimlich: a) sich nur auf diejenigen gruudherrlichen Dienste und
Abgaben bezieht, die aus dem Besitz von Grrundstiicken erwach-
sen, also nicht auf diejenigen, die sich auf einen andern Rechts-
grund stiitzen (Art. 16); b) unbedingt Geltung haben soll, un-
geachtet aller entgegenstehenden Gesetze und Gewohnheitsrechte
(Art. 17); c) fiir kirchliche Personen nur unter dem in Art. 18
gemachten Yorbehalt der papstlichen»Zustimmung in Wirksamkeit
tritt. In Art. 19—21 werden die Bauern wegen der veriibten
Gewaltthiitigkeiten zur AYiederherstellung (Art. 19), Strafe (Art. 20)
und Schadenersatz (Art. 21) verurtheilt. Der Art. 19 bestimmt
eine Frist von zehn Tagen fiir die Herausgabe der koniglichen
Sclilosser und Festungen. Der Art. 20 verhangt gegen die in
einer verschlossenen Anlage verzeichneten Hauptverbrecher die
Todesstrafe mit Yermogenseinziehung, unter dem Yorbehalt, aus
ab let, scanal de porc. vi de trescol. vi appellat den hesora. sistella de rairas.
carabassa de vi. feix de palla, cercols de hota, mola de moli, ni adob de resclo-
sas, blat de acapte. jouas, batudas, jornals, podadas, femadas, segadas. traginas,
e altres semblants drets, e seruituts personals.'^ Dann folgen die naheren Vor-
schriften, wovon oben (im Text von S 301) ein Auszug gegeben ist. Vgl. Sem-
pere S. 247, wo leider eine deutsche Uebersetzung der Urkunde fehlt. Die
meisten der bezeichneten Ausdriicke sind in dem catalonisch-spanischen Worter-
buch von Labernia nicht zu finden, was zu der Vermuthung berechtigen diirfte.
dass die fraglichen Dienste und Abgaben in der neuern catalonischeu Sprache
unbekannt sind. Viele der bezeichneten Lasten scheinen in der an den
Grundbesitz der Bauern gekniipften Verpflichtung zu Lieferungen bestanden
zu haben, z B. von jungen Falken (poUs de astor) , von Pferde-Geschmeide
(brocadella de cavalls) , von Fassreifen (cercols de bota) , von Miihlsteinen
(molas di moli), von gesalzenen Schinken (pernas de carn salada, Beinen von
gesalzenem Fleisch), oder zu andern Handlungen, z. B. Gestellung von Fuhr-
werken (traginas). Beschneiden von Baumen und Reben (podadas), Besorgung
von Herbergen (alberga), Beihulfe bei Treibjagden (batudas), gemeinschaft-
lichen Arbeiten C)o^'as) und Tagelohnarbeiten (jornals). Weiter ist es mir
nicht moglich, die einzelnen Lasten zu erklaren, selbst da, wo die Worter an
und fur sich leicht zu iibersetzen sind, z. B. porc (Schwein) , ovella ab let
(Schaf mit Milch . also .Mutterschaf) . .scaiial de porc (Schweine-Gedarm),
arages (AckerfckO. Aucli konnen sich in den vorstehenden Erklarungen Irr-
thiimer finden.
* Aufgezjihlt werden ..delmes. primicias, censos , tascas. quints, quarts,
e altres drets reals".
Kapitcl 70. Scliicdsurtheil vom 21. April 148G (Catalonien). 303
wichtigen Grunden eine Umwandlung dieser Strafe eintreten zu
lassen, und verurtheilt alle iibrigen Bauern zu einer blossen Geld-
strafe von 5000 Liuras, unter Erlass einer gegeniiber dem Oheim
des Konigs eingegangeuen Yerpflichtung. Die Entschadigung fiir
die Grundherren ist in Art. 21 auf zusammen 6000 Liuras fest-
gesetzt. In Art. 22 wird den Grundherren aufgegeben , die noch
in ihrer Gefangenschaft gehaltenen Bauern freizulassen. Der
Art. 23 richtet an die zustiindigen kirchlichen Behorden das Er-
suchen, die im canonischen Prozess gegen Bauern eingeleiteten
Untersuchungen einzustellen und die gegeu dieselben ausgespro-
chenen Excommunicationen aufzuhebeu. Xach Art. 2-4 sollen
alle Streitigkeiten der Parteien durch dies Urtheil entschioden
sein , daher die schwebenden Einzelprozesse eingestellt , und
keine neuen Civil- oder Straf-Prozesse wegen der Yergangen-
heit zugelassen werden. Art. 25 enthalt eine Yerfiigung zu
Gunsten des Yicekanzlers Alfonso de Cavalleria. Art. 2(3 setzt
die Bedingungen fest, unter denen andere Bauern als die pagesos
de remenca sich den Bestimmungen dieses LTrtheils unterwerfen
konnen. Art. 27 bestimmt , wann und inwieweit das L^rtheil fiir
andere als die durch Schiedsrichtervertrag vereinigten Grundherren
und Bauern in Kraft treten soll. Art. 28 endlich behalt dem
Konig das Recht vor, nothigenfalls dies Urtheil auszulegen, zu
erganzen und zu berichtigen.
Also wurde durch das Schiedsurtheil vom 2L April 14.S6
eine grosse Zahl mannigfaltiger Streitigkeiten entschieden. Wah-
rend die sechs sogenannten mals usos in den fiinf ersten Artikeln
in Geldleistungen verwandelt wurden, erfolgte in Art. 9 die Auf-
hebung vdn verschiedenen Missbrauchen ohne Entschadigung. Es
ist daher ein Irrthum, anzunehmen, einer der im ersten Artikel
aufgeziihlten mals usos , namlich die Ferraa despoli forcada,
habe nach Art. 9 darin bestanden, dass sich der Gruudherr bei
Heirathen seiner Bauern in der ersten Nacht in das Bett der
jungen Frau legte, bevor ihr Mann sie beriihrte K Auch ist eine
^ Dieser Irrthum findet slch bei Pujades lib. 6 cap. 152 num 11 und 12
(Bd. 4 S. 336): Marichalar Bd. 6 S. 67; Lagreze 1864, S. 131, 132, und 1867,
S. 398. Es ist unerklarlich, "wie Pujades ein „Zeichen der Eimvilligung oder
Unterschrift" zum Ehevertrag darin finden konnte. dass der Grundherr sicli in
das Bett legte. Pujades giebt selbst zu. dass seine Erklarung schwer glaub-
haft sei; und er vermag gegen die ihm entgegenstehende Erklarung Solsona's
kein sprachliches Bedenken zu erheben. El- meint nur, die Beschreibung, welche
er von der Ferma despoli forgada gebe, sei in Art. 9 des Urtheils vom 21. April
1486 direct ausgesprochen und miisse deshalb trotz ihrer Unglaubwiirdigkeit als
304
Kapitel 70. Schiedsiirtheil voni 21. April 1486 (Catalonien).
solche Aniiahme mit den Worten „ferma despoli forcada" unver-
einbar^; und es wiirde unbegreiflich sein, wenn Konig Ferdinand
der Katholische als Schiedsrichter iiber das Herrenrecht der ersteu
Xacht dasselbe nicht ganzlich aufgehoben, sondern in eine Geld-
abgabe verwandelt hatte ^. Es kann sich nur fragen , ob zu den
Missbriiuchen, die thatsachlich bestanden und nach Art. 9 ganz-
lich beseitigt werden sollten, die Ausiibung eines vermeintlichen
jus primae noctis gehort hat. Fiir diese Frage ist der zweite
Satz dieses Artikels ^ naher zu priifen. Die wortliche Ueber-
setzung lautet: „Ebensowenig konnen sie (d. h. die Grundherren)
in der ersten Nacht, wenn der Bauer heirathet, mit seiner Frau
schlafen oder zum Zeichen der Herrschaft in der Hochzeitsnacht,
nachdem die Frau sich zu Bett gelegt hat, iiber sie, die genannte
richtig angenommen werden. Allein gerade darin liegt der Irrthiim von Pujades,
dass er den Art. 9 auf die sechs sogenannten mals vsos (oder einzelne derselben)
bezielit. — Derselbe Schriftsteller sucht an einer andern Stelle seines \Yerkes
(lib. 6 cap. 152 num. 2 und 3, Bd. 4 S. 332, 333), unter Berufung auf die Be-
richte von Pedi-o Tomich, Francisco Calza und anderer Schriftsteller , den
Nachweis zu flihren, dass die sechs sogenannten mals vsos nicht lange Zeit nach
Karl d. Gr. durch die Mauren in Catalonien eingefiihrt und auch nach Ver-
treibung der Mauren zur Strafe fiir diejenigen Christen , die ihre Hiilfe im
Kriege gegen die Mauren verweigert hatten, namlich die pagesos oder vasallos
de remenga. aufrecht erhalten worden seien. Also geht die (irrige) Meinung
von Pujades dahin. dass jenes Herrenrecht der ersten Nacht diirch die Mauren
. eingefiihrt und durch Konig Ferdinand den Katholischen in eine Geldabgabe
verwandelt sei. Nach dem Gesagten irrt Helfferich (S. 407 — 409), wenn er
meint , Pujades gebe nicht an . woher er die Nachricht habe , dass die malos
U50S von den Arabern herrlihrten.
1 Vou esposa oder sponsa forzada ist in der Urkunde keine Rede; auch
wiirde der Ausdruck firma de esposa forzada, d. h. Unterschrift der gezwun-
genen Gattin (oder Braut) . in den Zusammenhang nicht passen. Daher sind
die sprachlichen Bemerkungen Liebrecht's (1874, S. 139, und 1879, S. 418)
und des Deutschen Merkurs (vom 17. April 1880, S. 124) gegenstandslos.
^ Nach vorstehender Erkliirung ist es ungerechtfertigt , dass Marichalar
und ^lanrique gegen „die katholischen Konige" einen Tadel erheben, indem
sie bemerken, ihre That habe (bloss) darin bestanden, dass sie die Verpflich-
tung einfiihrten, jenes Herrenrecht der ersten Nacht durch Summen baaren
Geldes abzulosen. Marichalar Bd. 6 S. 68.
3 Art. 9 des Schiedsurtheils vom 21. April 1486, oben S. 301 (aus der
Ausgabe von 1589); ebenso bei Sempere S. 246. Vgl. auch Pujades lib. 6
cap. 152 num. 11 (Bd. 4 S. 336); HelfFerich S. 408; Sugenheim 1861, S. 35;
Marichalar Bd. 6 S. 68 und 500; Wolf S. 61; Liebrecht 1869. S. 810. ebenso
1874, S. 139, und 1879, S. 417. — Pujades fugt folgende spanische Ueber-
setzung hinzu : „Ni tampoco puedan la primera noche que el labrador toma
muger, dormir con ella; 6 en senal de senorio, la noche de las bodas, despues
que la muger estard en la caroa, pasar sobre dicha muger."
Kapitel 70. Schiedsurtheil vom 21. Aj)!-!! 1486 (Catalonien). 30-5
Frau, liinubersclireiten." Hier ist die Rede von einem Wahl-
recht des Cf rundherrn , entweder mit der Frau zu schlafen oder
nur zum Zeichen der Herrschaft iiber sie hiniiberzuschreiten.
Diese Alternative klingt so sonderbar, dass es als wiinschenswerth
erscheint, nahere Aufklarung dariiber zu erhalten, ob der Satz,
wie er in der Ausgabe vom Jahr 1589 abgedruckt steht, mit der
Urschrift vom Jahr 1486 iibereinstimmt, oder ob etwa ein Yer-
sehen in der Abschrift oder im Abdruck vorgekommen ist. Wenn
catalonische Grrundherren im Ernst den Anspruch erhoben hatten,
mit den Frauen ihrer Bauern in der Hochzeitsnacht zu schlafen,
und wenn sie gar unternommen hatten, einen solchen Anspruch
zur Durchfiihrung zu bringen, so hatte dieser Uebermuth den
Kernpunkt der Beschwerden bilden miissen, die von den Bauern
gegen die Grundherren erhoben wurden; und doch ist davon in
der Entstehungsgeschichte des Schiedsurtheils keine Rede. Es
wiire unerkliirlich , dass in dem sonst gut geordneten Schieds-
urtheil, welches achtundzwanzig Artikel enthalt und im Druck
zehn Folio-Seiten einnimmt, bloss vier Halbzeilen, mitten unter
andern Bestimmungen, dazu dienen sollten, jene ^S^ichtswiirdigkeit
zu beseitigen. Der Konig wiirde sich auch deutlicher ausgedriickt
liaben, wenn der fragliche Missbraucli die angegebene Bedeutnug
gehabt hatte^; er wiirde nicht versaumt haben, in der Begriin-
dung des Urtheils die Unsittlichkeit eines solchen Anspruchs her-
vorzuheben; und er wiirde nicht vergessen haben, dies abscheu-
liche Recht von der Bestimmung des Art. 16 auszunehmen , wo-
rin er alle in Art. 1 — 15 bezeichneten Rechte bestehen liess, so-
weit sie auf andern Griinden, als auf den Rechten des Ober-
eigenthiimers gegeniiber den Besitzern der Bauerngrundstiicke,
beruhten ^. Alle diese Griinde nothigen zu der Annahme , dass
1 Dies ist aiich die Meinung des Herrn Manuel de Bofarull , der mir ge-
schrieben hat : . . . ,,pues a no ser una formula , hija de un abuso , nada
costaba al legislador que corregir las costumbres, expresar claramente el acto
de violacion del Seiior . y derogar la ley que le facultase , si alguna hubiese
existido."
2 Art. 16 des Schiedsurtheils v. 21. April 1486, Pragmat. Drets S. 102:
,,Item, per que no es nostra intentio, pronunciar quant als dits sis mals vsos,
servituts, censos, e tascas, e altres drets desusdits tansolament entre los dits
senyor, o senors, e los pagesos que son dells per respecte de masias, o casas
que dells tenen, e no per respecte de senyoria de castell, loc, terme, o juris-
dictio, segons que en diuersos capitols es estat sufficientment exprimit, pero
a major cauthela declaram , que en la present nostra sententia , arbitratio, e
declaratio, quant als dits drets solament sien compresos los senyors. e senyoras
dels dits pagesos, e de qualseuulla que han acostumat vsar dels dits mals
Schmidt, .Jns iirimae uottis. 20
306 Kapitel 71. Navarra. Castilien. Galicien. Aragon.
der Anspruch, der im zweiten Satz des neunten Artikels erwahnt
wird, sich auf eine symbolische Handlung beschrankte. Hiernach
wird diese Stelle, sofern kein Fehler im Abdruck vorliegt, dahin
verstanden werden mussen, dass die Grundherren als Zeichen
ihrer Herrschaft iiber die Besitzer von Bauerngiitern bei den
Bauernhochzeiten das Recht in Anspruch nahmen, in der Hoch-
zeitsnacht iiber die junge Frau, wahrend dieselbe im Bett lag,
hiniiberzuschreiten * ; und dass sie zur Rechtfertigung dieses Ge-
brauchs, zufolge einer Art von Rechtsiibertreibung, vorgaben, sie
seien eigentlich zur Ausiibung des bezeichneten weitergehenden
Herrenrechts befugt , wodurch sie die symbolische Handlung
scherzhaft erkliirten.
b. Navarra, Aragon, Castilien and &alicien.
Kapitel 71. In den spanischen Trovinzen Aragon, Navarra
und Castilien sind, wie die aus Anlass einer Schrift von Bascle
de Lagreze angestellten Xachforschungen ergeben haben, keine
Spuren von einem jus primae noctis aufzufinden ^. Diese An-
uahme ist in Beziehung auf Isavarra und Castilien meines
Wissens unbestritten. Ueber Castilien bemerken Marichalar und
Manrique: „Zur Ehre und zum Preise von Castilien sei es gesagt,
dass wir Nichts gefunden haben, w^as die Existenz solcher Un-
anstandigkeiten beweisen konnte." ^ Dagegen in Aragon und
auch in Galicien soll nach Behauptung von einigen Schrift-
stellern der Neuzeit das jus primae noctis gegolten liaben *.
In Galicien „beschrankte sich das Herrenrecht der Un-
keuschheit auf den ersten Tag der Hochzeit: dies Herrenrecht
hiess Peyto Bordelo und bestand in der Verpflichtung der Yasallen,
ihrem Grundherrn die ehelichen Primizien anzubieten" '". So sagen
die Advokaten Marichalar und Manrique, ohne Quellenangabe.
vsos, e rebre las seruituts personals, o altras. no per causa de senyoria de
la jurisdictio, o de castell, loc, o terme de vna part, e solament sien compresos
lo9 dits pagesos, e o posseidors de las pagesias, casas, o masias del altra part.
e no toc , ne comprenga a cosa alguna , que sie , o deuall de la jurisdictio . o
preeminentias dels senyors dels castells, locs. o parroquias, o per raho de
aquellas.
1 Vgl. oben Kap. 11.
2 Lagreze 1867, S. 394—396: Helfterich S. 418: Augsb. Allg. Ztg. Beil.
V. 18. April 1868. S. 1662.
^ Marichalar Bd. 6 S. 68.
* Wolf S. 90: Liebrecht 1869. S. 810. ebeuso 1874. S. 138, 140 und 1879.
S. 416, 417.
* Marichalar Bd. 6 S. 67. Hier fehlt sogar Jede Erklarung des,Au3druck3.
Kapitel 71. Navarra. Castilien. Galicien. Aragon. 307
Wolf uiid Liel)recht bezeichnen dies Recht als jus primae noctis.
Die Nachriciit ist jedoch giinzlich beweislos, daher bis zu einer
etwaigen niiheren Aufkliirung nicht zu beriicksichtigen. Zwar er-
liob einmal der Ptichter des einem Kloster gehorigen Castello Torto
gegen die Bewohner von Aranja ^ den Anspruch, dass ihre Frauen
jahrlich zwei- oder dreimal, selbst wider den Willen ihrer Manner,
zum Kloster kommen miissten; diese Verpflichtung wurde durch
ein Urtheil aufgehoben, weil sie auf keiner Urkunde und keinem
sicheren Privileg beruhte, und das Gericht annahm, dass diese
Dienste unschicklich seien und iible Folgen haben konnten^.
Allein es ist niclit gesagt, was die Frauen im Kloster thun sollten :
vielleicht handelte es sich um weibliche Frohndienste ; keinenfalls
kann aus dieser Urkunde der Beweis eines anstossigen Rechts
entnommen werden^.
Yon Aragon behaupten Marichalar und Manrique, in Be-
ziehung auf die Herrenrechte der Unkeuschheit sei die Stellung
der Aragonier schlimmer gewesen, als die der Catalonier und
Galicier, weii namlich „in Catalonien und Galicien das Recht
des Grundherrn sich auf den ersten Tag der Hochzeit beschriinkte,
dagegen die Grundherren in Aragon dies Recht vor und nach
der Hochzeit hatten"; danach „konnten die Grundherren in Ara-
gon kraft ihrer absoluten Herrschaft, wann und wie sie wollten,
mit den Tochtern und Frauen der Yasallen Ehebruch treiben" *.
"SViire dies richtig, so wiirde in Aragon nicht, wie einige deutsche
Schriftsteller sich ausdriicken^, das jus primae noctis „im aus-
gedehntesten Masse", sondern ein anderer Unfug geherrscht haben.
Die Nachricht ist jedoch unbegrtindet, denn sie stiitzt sich auf
keine zur Ermittlung geschichtlicher Thatsachen zulassigen Beweis-
mittel, sondern lediglich auf folgendes Sophisma. Nach dem Ge-
wohnheitsrecht von Aragon konne ein Herr fiir Uebelthaten, die
er gegen seine Unterthanen beging, nicht bestraft werden, weil
er keinen irdischen Richter iiber sich habe, abgesehen vom Bischof,
der iiber die Siinde urtheile. Daher vermoge weder der Ehegatte
seine Gattin, noch der Yater seine Tochter gegen den Herrn zu
vertheidigen, ohne der Strafe eines Rebellen zu verfallen ; ebenso-
wenig vermoge ein Weib gegen die Unkeuschheit des Herrn
1 Vermuthlich ist hierrait Aranga in der Provinz Galicien gemeint.
2 Lagreze 1867, S. 418 (aus einer durch Don Ramon Barros Sibelo ver-
offentlichten Urkunde).
3 Lagr^ze 1867. S. 419. " Marichalar Bd. 6 S. 67.
' Wolf S. 90; Liebrecht 1869. S. 810, ebenso 1874, S. 138. 140 und
1879, S. 416, 417.
20*
308 Kapitel 72. Gomera, Palma und Teneriffa,
Widerstand zu leisten, so dass, wenn Keuschheit dera Leben vorzu-
ziehen sei, das Weib in einem so bedauernswerthen Fall sich aus
jenem Conflict nicht anders befreien konne, als indem es sich selbst
das Leben nehme. Also hatten die Grundherren in Aragon die
Rechte der Unkeuschheit vor und nach der Heiraifch ihrer Unter-
thanenausiiben konnen ^ Es wird nicht nothig sein, die logischen
Fehler dieser Beweisfiihrung einzeln zu erortern. Ware sie richtig,
so wiirde sie auf die Herren , die keinen irdischen Richter irber
sich haben, nicht bloss in Aragon, sondern in allen Theilen des
Erdkreises Anwendung finden.
VIII. Cauarische Inseln. Hanptlin^srecht.
Kapitel 72. Ueber die Bewohner der Inseln Gomera und
Palma, die Heinrich III. von Spanien im Jahr 1395 entdeckte,
wird in der Beschreibung einer im Jahr 1447 durch Portugiesen
ausgefiihrten Reise zum griinen Cap gesagt : „ihre Hiiuptlinge
hatten die Vorkost von allen Jungfrauen, die sich
verheiratheten"^. Manuel de Faria y Sousa schreibt dariiber:
„Die \Yeiber, die zu verheirathen waren, wurden
zuerst von den Machthabern deflorirt, indem sie von
denselben, wenn sie sich einander besuchten, zum
Willkomm gegeben wurden."^ Diese Bericlite spreclien
nicht von der Hochzeitsnacht und enthalten keine Angabe dar-
iiber, ob die Jungfrauen freiwillig oder gezwungen sich den Ge-
liisten der Machtigen iiberliessen. Ware daher auch die Wahr-
heit dieser Nachrichten, deren Quelle nicht bekannt ist, voll-
stiindig bewiesen, so wiirde aus der bezeichneten Unsitte doch
ein Recht der ersten Nacht nicht hergeleitet werden konnen.
Der Kaufmann Aloysius Cadamustus (Aivise vom Hause der
Mosto) aus Yenedig unternahm im Jahr 1505 eine Schifffahrt im
Auftrag des Fiirsten Infanten Dom Hurick von Portugal. In der
Beschreibung dieser Reise sagt er von den heidnischen Bewoh-
nern der Insel Teneriffa : „Sie haben kein glauben vnud wissen
von keinem Gott zu sagen. Jeglicher eheret was jn gelust, etlich
die Sonn, etlich den Mon, vnd die Planeten, den vnd andern
1 Marichalar S. 66, 67.
2 Walckenaer Bd. 1 S. 76: „leurs chefs avaient les premices de toutes
les vierges qui se mariaient". Vgl. Demeunicr Bd. 1 S. 237.
3 Faria y Sousa Bd. 1 Th. 1 Kap. 1 n. 12, S. 13, 14: . . . „las mugeres
que avian de casar, primero las desfloravan sus Governadores : davanlas uno
al altro por festijo quando se visitavan".
Kapitel 73. Der Chodscha der Dusik-Kurden. 309
abgottern dienen sie mit groSsem aberglauben. Ire weyber haben
sie nicht gemeyn, aber einer nimpt wie viel jm geliebt, vnnd
die nemond sie nicht, sie seyend dann vor von dem
Piirsten geschwecht, das s-elb ist bey jnen ein grosse
ehere vnd lob." * In diesem Bericht ist von der ersten Nacht
und von einem Herrenrecht keine Rede , obwohl dies von neue-
ren Schriftstellern ^ behauptet vvird. Cadamustus beruft sich auf
Erziihlungen, die er in Spanien von Gefangenen aus den Ein-
wohnern TenerifFa's gehort haben will ^. Es kann dahingestellt
bleiben, ob solche Erzahlungen geniigen, um jenen Gebrauch zu
beweisen; ware namlich diese Frage zu bejahen, so hiitte der
Gebrauch auf der Insel TenerifFa in einer Gnade bestanden, um
deren Gewahrung die Fiirsten gebeten wurden ; insofern erinnert
dieser Gebrauch an Herodofs Bericht iiber die Adyrmachiden *.
Es ist daher nicht gerechtfertigt , dass neuere Schriftsteller als
geschichtliche Wahrheit verkiinden, die Caziken auf Teneriffa
hiitten das jus primae noctis gehabt^.
C. Galt das jus primae noctis in der Neuzeit?
I. Asien«
a. Der Cliodscha (Priester) bei den Dusik-Eurden.
Kapitel 73. Otto Blau berichtete im Jahr 1862 iiber den
Stamm der Dusik-Kurden , auf Grund von Nachricliten, die ein
1 Cadamosto, Kap. 8, Bl. 3 Riickseite. — Auf derselben Seite ist an einer
friiheren Stelle von den Bewohnern TenerifFa's gesagt: „Sie haben auch acht
ampt menner, die heissen aie Hertzogen, deren ampter erben nicht.''' An
einer spateren Stelle derselben Seite sind die Ausdriicke „Fiirst" und ..Konig''
als gleichbedeutend gebraucht. Es scheinen also in dem obenstehenden Be-
richt mit dem Ausdruck „Fiirsten" die Amtmanner oder Herzoge oder Konige
gemeint zu sein.
- Walckenaer Bd. 1 S. 300: . . . „Ils ne prenaient une vierge qu'apre3
avoir propose k leur seigneur de passer la premiere nuit avec elle: et ceux
qui obtenaient cette grace, s'en croyaient fort honores." Daraus: Iselin Bd. 1
S. 356, 357: Carli Bd. 1 S. 175; Th. Waitz Bd. 1 S. 460. ' '
^ Cadamosto Bl. 3 Riickselte: „Wa aber etwann ein spitzfiindiger sagen
wolt, woher weyst du das? dem gib ich die antwort, die umbligenden
Insel die Christen sind, die vberfallen sie zum ofFtermal, vnd gemeynklich
bey nacht, wa dann die vnglaubigen jm scharmiitzel vnderliegen, so fiiren
sie die Christen mit jnen gefengklich, man vnd weib , die also von jnen ge-
fengklich jnn Htspaniam komen sind, die haben vns solche Ding von jnen
gesagt."
* Vgl. Kap. 33, oben S. 189. » Liebrecht 1879, S. 419. 420.
310 Kapitel 73. Der Chodscha der Dusik-Kiirden,
turkischer (vormals preussischer) Artillerieoffizier , W. Strecker,
bei einem Aufenthalt in Erzingan nach dortigen Erkundigungen
niedergeschrieben hatte. Darin wird das jus primae noctis in
folgendem Zusammenhang erwahnt: „Bei Hochzeiten wird die
Braut mit Sang und Klang zu Pferd in das Haus des Brauti-
gams gefuhrt. Der Priester (Chodscha) hat das Yorrecht, sie
vom Pferd zu heben; die Frauen tragen einen spitzen dach-
artigen Kopfputz . . . Bei dem jahrlichen grossen Fest
hat derChodscha das jus primae noctis, indem er, nach-
dem die Versammlung ihm die Handflache gekiisst hat, ausruft:
Ich bin der grosse Bulle, kein Mastochse ! worauf die jiingst ver-
heirathete der anwesenden Frauen, welche w^omoglich erst an
demselben Tage Hochzeit gemacht hat, zu ihm tritt und spricht :
Ich bin die junge Kuh. Bei diesen AVorten werden die Lichter
ausgeloscht, und die Orgien beginnen." * Dies Zeugniss ist un-
geeignet, ein jus primae noctis zu erweisen, da der Inhalt der
Erzahlung (abgesehen vom Mangel einer Angabe iiber die Quelle
derselben) nicht ersehen lasst,. wie jene Bezeichnung auf die
fraglichen Orgien Anwendung finden soll. Weder von einem
Recht des Chodscha, noch von einem Hochzeitsgebrauch ist die
Rede. Vielmehr wird von einem jahrlich gefeierten Fest ge-
sprochen, und dabei wird mit einer freilich unklaren Wendung
(flWomoglich") hervorgehoben, dass selbst neuvermahlte Frauen
sich an jenen Orgien betheiligten.
Ein Specialforscher iiber die Kurden, Peter Lerch, erhielt
von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Sanct-
Petersburg im Jahr 1856 den Auftrag, seine Studien durch per-
sonlichen Verkehr mit den zu Roslawl (Gouvernement Smolensk)
eingeschlossenen , kriegsgefangenen Kurden fortzusetzen ; er ver-
kehrte in Folge dessen mit einigen fiinfzig Kurden von ver-
schiedener Herkunft und verschiedenen Bildungsgraden vom
7. Marz bis zum 26. Mai 1856; hierbei suchte er sich nicht bloss
iiber die Sprache, sondern auch iiber die Sitten der Kurden zu
unterrichten. Im Bericht, den er dariiber am 19. Juni 1856 er-
stattete, findet sich eine Andeutung von den Orgien der soge-
nannten Lichterausloscher, dagegen keine Erwahnung eines jus
primae noctis ^.
' Blau S. 624. Daraus: Liebrecht 1879, S. 422.
2 M61anges Aslat. Bd. 2 S. 621 — 649. aus dem Bull. histor.-philol. Bd. 14
Nr. 5, 6.
Kapitel 74. Kurdistan. 311
b. Israeliten und Nestorianer in Eurdistan.
Kapitel 74r. Der Moldauer J. J. Beiijamin, der in den Jahren
1840 bis 1855 Reisen in Asien und Afrika machte, stellt im
dreizehnten Kapitel seiuer Reisebeschreibung die Vermuthung
auf, die jetzt in Kurdistan wohnhaften Juden und Nestorianer
seien Nachkommen der durch die assyrischen Konige in Gefangen-
schaft weggefiihrten Juden, aus den StJimmen Sebulon und Naph-
tali. Er schreibt von ihnen, dass sie in Knechtschaft (Sklaver6i)
der Kurden lebten, mit Steuern belastet seien und Beschimpfungen
von den Kurden erdulden miissten *. Alsdann fahrt er fort: „Ein
Gebrauch, der an die ganze feudalistische Barbarei des Mittelalters
erinnert, ist das sogenannte Herrenrecht. Wenn ein junger Israelit
oder Nestorianer heirathen will, so muss er seine Braut dem Herrn,
dem sie angehort, abkaufen; denn durch den Heirathsvertrag
kommt die junge Frau unter die Herrschaft eines andern Ge-
bieters, und dadurch leidet der erste Herr einen Verlust der
jahrlichen Kopfsteuer, wofiir stets eine Entschadigungssumme
gefordert wird. Zudem soll die Braut, ehe sie in das Haus
ihres Mannes einzieht, den Liisten des Herrn dienen , was ein
sehr alter, bei den Orientalen eingefiihrter Gebrauch zu sein
scheint, denn schon die Talmudisten sprechen davon (Messechet
Ketubot fol. 3, S. 2) ^, Erst seit wenigen Jahren ist dieser
emporende Missbrauch abgeschafft und in eine Geldabgabe ver-
wandelt, wozu ein blutiger Vorfall die Veranlassung gab, da
namlich ein junges Madchen nach verzweifeitem "VViderstande
ihren Ehrenrauber todtete. Ein Missbrauch hat jedoch den andern
ersetzt, das Recht des Herrn rauss erkauft werden." ^ Aus einer
so unklaren und unbestimmten Erzahlung ist kein Beweis zu
entnehmen, bevor die einzelnen Thatsachen und deren Quellen
naher bezeichnet sind. An denselben Mangeln leidet in noch
hoherem Grade ein Bericht Helfferich's , der lediglich auf der
Erzahlung Benjamin's beruht und daraus ohne nahere Begriin-
dung folgert, dass Benjamin auf Ueberreste des jus primae noctis
gestossen sei ^,
1 Benjamin Kap. 13 S. 90—93.
^ Vgl. dariiber oben Kap. 29. '
» Benjamin S. 93, 94 unter IV.
* Helfferich S. 411 : . . . ,,dass ein jiidischer Reisender unserer Tage in
Kurdistan auf die eben erst beseitigten Ueberreste jenes persischen Satrapen-
Despotismus stiess. Dort musste bis vor wenigen .Jahren die Braut eines
Nestorianers oder Israeliten, bevor sie in das Haus ihres Mannes einzog, sich
dem Herrn , dem sie angehorte , hingeben , wie denn das Herrenrecht in eine
312 Kapitel 75. Konige und Priester in Indien.
c. Konige und Brahmanen in Ostindien.
Kapitel 75. Dass den Konigeu oder sonstigen weltlichen
Herren in Ostindien ein jus primae noctis zugestanden habe,
wird nieines Wissens von keinem Schriftsteller bestimmt behauptet.
Aus einer dahin gehorigen Anmerkung von Tollius zu Lactantius
ist nicht deutlich zu ersehen , ob sie sich auf Ostindien oder auf
Westindien bezieht ^ ; derselbe Zweifel ist bei einer Bemerkung
von Giraud-Teulon ^ moglich ; und aus dem Wortlaut dieser Be-
richte geht nicht einmal hervor, ob von einem Recht die Rede
ist, und ob dasselbe den Konigen oder den Priestern zustehen
soll. Derartige unklare Behauptungen aus der Neuzeit verdienen
wenig Beachtung. Zwar wird im Anhang zur Reisebeschreibung
des hollandischen Admirals Jakob van Neck iiber die Bewohner
von Goa berichtet: „Bei Heirathen der grossen Herren besteht
die Sitte, dass sie ihren Souveriin bitten, die drei ersten Nachte
mit der neuvermahlten Frau zu schlafen . . . dergestalt, dass es
in diesem Lande keinen Mann giebt, der mit seiner Frau den
ersten Yerkehr hat." ^ Docli erscheint diese Nachricht schon
deshalb als unzuverlassig , weil sie den Gedankenfehler enthalt,
dass aus einera Satz, der bloss von „grossen Herren" handelt,
eine Folgerung fiir alle Manner des Landes gezogen wird.
Die Frage, ob den Priestern (Brahmanen) Ostindiens
das jus primae noctis zusteht oder wenigstens friiher zustand, wie
einige Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts versichern\ ist
Geldabgabe nicht friiher verwandelt -vvurde, bis ein Madchen nach verzweifeltem
Widerstand ihren Ehrenrauber getodtet hatte".
' ToUius zu Lact. de mort. pers. cap. 38 : „Notant per. . . Indiam pere-
grinati morem illic locorum perviilgatum esse . ut sponsarum virginitas a
Regibus vel Sacerdotibus delibetur."
2 Giraud-Teulon S. 69, 70: „0n limita le jus primae noctis aux chefs,
aux rois, aux pretres. comme dans Tlnde, Tancienne Abyssinie, et parmi
les peuplades du Bresil et du P^rou."
* van Neck bei Constantin Bd. 2 S. 253: „Quand les grands Seigneurs
se marient, la coutume est qu'ils aillent prier leur Souverain de coucher
les trois premiferes nuits avec la Mariee. Apr^s cela, le Marie la va querir.
au son des fl&tes et des tambours, avec toutes sortes de rejouissances, et
alors il commence k coucher avec elle; si bien qu'en ce pays-lk il n'y a
aucun homnie qui ait eu le premier commerce avec sa femme." Daraua:
V. d. Schelling Bd. 1 S. 147; Chr. Arnold S. 99, 100.
♦ Gubernatis. Indie S. 137, und Usi S. 197, 198; Liebrecht 1879, S. 420.
Dieselbe Frage ist beziiglich des Mittelalters und iilterer Zeit oben in Kap. 4ri
erortert. — Collin dc Plancy behauptet (Bd. 1 S. 170). bei Verheirathung
des Kiinigs von Calicut schliefen acht oder zehn Priester mit der Konigin,
Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien. 313
nach dem mir vorliegenden Beweismaterial mit Entsciiiedenheit zu
verneinen. AUerdings wird in vielen Reisebeschreibungen erzahlt,
dass im Reich des Konigs von Calicut (auf der Kiiste Malabar) ein
(lebrauch bestanden habe, wonach der Konig und nach dessen
Beispiel andere vornehme Manner bei ihrer Verheirathung einen
Brahmanen gebeten hatten, die Defloration der Braut vorzu-
nehmen. Allein selbst wenn dies vollstandig bewiesen wiire, so
wiirde ein solcher Gebrauch mit dem Xamen Herrenrecht oder
jus primae noctis nicht bezeichnet werden koanen, sondern auf
eine religiose Yorstellung zuriickzufiihren sein , kraft deren die
Brahmanen die fragliche Handlung auf Ersuchen der betheiligten
Mtinner vornahmen.
Der alteste Bericht, den ich iiber den fraglichen Gebrauch
ermittelt habe, stammt aus dem Anfang des sechzehnten Jahr-
hunderts, von dem romischen Patricier Ludwig von Varthema
aus Bologna. Derselbe schreibt iiber C alicut: „Wenn der Ko-
nig heirathet, so erwahlt er den wiirdigsten und ge-
ehrtesten Brahmanen und liisst ihn die erste Nacht
bei seiner Frau schlafen, daniit er sie deflorire. Man
darf nicht denken, dass der Brahmane sich dazu gern versteht.
Der Konig muss ihm dafiir sogar vierhundert bis
fiinfhundert Dukaten zahlen. DerKonig allein und
kein Anderer in Calicut beobachtet diesen Ge-
brauch."^ An diesen Bericht (worauf an einer andern Stelle
bevor der Konig ihr nahen diirfe: und an einer andern Stelle (^Bd. 1 S. 1T6).
in mehreren Staaten Indiens gehorten die drei ersten Nachte aller neuver-
miihlten Frauen den Priestern . die dies Herrenrecht ruhig ausiibten.
1 Yarthema (Uebers. der Ausg. v. 1510) S. 141. The chapter concerning
the Brahmins that is the priests of Calicut: „It is a proper. and at the same
time a pleasant thing to know who these Brahmins are. You must know
that they are the chief persons of the faith , as priests are among us. And
when the king takes a wife. he selects the most worthy and
the most honoured of these Brahmins and makes him sleep
the first night with his wife. in order that he may deflower
h e r. Do not imagine that the Brahmin goes willingly to perform this oper-
ation. The king is even obliged to pay him four hundred or
five hundred ducats. The king only. and no other person in
Calicut adopts this practice." Ygl. die deutsche Ausg. Yartoman's
v. J. 1534. Buch 5, Kap. 4, Yon den Priestern dess Konigs von Calechut Bra-
mini genant. Bl. 74: ,,Es dunckt mich nit vnlustig sein hie anzuzeygen die
sytten vnnd gebreuch diser Priester. dann sie seind bey jnen, wie die fur-
ncmbsten Pfaffen bey vns seind. So der Konig ein weib nimbt, so schlaflft
er nit bey jr, der furnembst priester hab jr dann vor die Jungfrawschafft
genommen . das thund die pfaffen auch nit vmb sunst, dann der Konig gibt
314 Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien.
desselben Werks verwiesen wird *) erinnert der Inhalt zahlreicher
Reisebeschreibungen aus spaterer Zeit^. Hauptsachlich weichen
einem noch funffhundert gulden zu lohn darzu. diese weys heldt sunst
niemandts, dann der Konig von Calechut." Ausg. v. 1556 (ohne Seitenzahl), Von
denBramini, das sein die Priester zu Calicut: „Wo der Konig ein Weibe nimpt,
so nimpt er den wirdigsten vnder den Bramini (das war doch vnerhort, vnd
vns frembd ding zu horen ist) vnnd lesst jhn die erst nacht bey seinem Ge-
mahl schlaifen , das er jhr die JungfrawschafFt nemen soU , so gleissnen sie
sich als vnwillig darzu, mit entschiildigung jhrer vntiichtigkeit darzu, der
Konig soll ein andern bass geschickten nemen , so schenkt er jhm etwa v i e r
oder sechshundert Ducaten, vmb solch arbeit zu voUbringen, die bey
vns on Gelt wol zu bekomen wer, das geschiliet allein dem Konig zu grossen
ehren."
' Varthema (Uebers. der Ausg. v. 1510) , betr. den Konig von Tarnassari
(d. i. heute Tenasserim), The chapter showing how the king causes his wite
to be deflowered, and so also the other pagans of the city, S. 202 : „The king
of the said city does not cause his wife's virginity to be taken by the Brah-
mins, as the king of Calicut does, but he causes her to be deflowered
by white men , whether Christians or Moors, provided they be not pagans.
Which pagans also , before they conduct their wives to their house , find a
white man. of whatever country he may be, and take him to their house for
this particular purpose. to make him deflower his wife. And this happened
to us when we arrived in the said city." (Dann folgt S. 202-204 die aus-
fiihrliche Erzalilung eines eigenen Erlebnisses und des Abenteuers, welches
der persische Begleiter Varthema's, Namens Cogiazenor, durchfiihrte.) Ausg.
V. 1534, Buch 6, Kap. 8. Bl. 80: „Wann dieser Konig eyn weyb nimbt, so
gibt er sie nit den PfafFen (wie der Kiinig von Calechut thiit) zu schwechen,
sondern einem weissen man, der ein Christ oder Mahumetist sey. Einem Ab-
gottischen gibt er dz nit zuthun. Die andern jnwoner des lands beschlafTen
auch jre weyber nit. sie vberkommen dann vor ein weissen man, aus was
land er jha kom, der jm sein weib zum ersten zufall bring. Dann sie wollen
das andere man jre weiber vor hin brauchen, ehe dann sie bey jnen schlafFen.
Also begegnet vns als wir da waren". . . . (Folgt Erzhhlung des Abenteuers.)
Ausg. v. 1556 (ohne Seitenzahl) , Wie der Konig seinem Weib. vor vnd ehe
er bey jhr schliifFet, die Jungfrawschaff^t neraen Ijisst , desgleichen auch die
Edlen: ,.Die gemelten Konig der Stadt Tarnasseri halten von alter her die
gewonheit , so der Konig ein Jungfraw zu Weib nimpt, so lasst er keinen
Bramini odder PfafFen die erst nacht bey jhr schlaff^en , als der Konig zu
Calicut, aber ein weissen Mann der muss nit Edel sein, er sey aber ein Christ
oder ein Heyd, das hat nicht jrrung, den lasst er die erst nacht bey jhr
ligen, das er jr die Jungfrawschaff^t neme Desgleichen thun die Edelen
seines Reichs auch, vnd halten einen solchen sitten, ehmal vnd sie die Braut
heim fUhren, suchen sie ein weissen Mann, er sey was glaubens er wol, den
fiihren sie in der Braut Hauss, das er bey .jr schlafFe, vnnd jr die Jungfraw-
schaff^t nem, .solchs widerfuhr auch mir''. . . . Vgl. Linschot Buch 1, Kap. 7,
S. 22; Francisci S. 937; C. P. Hoff"mann S. 59; Forbes Bd. 1 S. 416 (aus der
engl. Uebers. v. J. 1576); Jones S. LXXIX: Badger S. 196—198.
2 Im Werk von Duarte Barbosa habe ich die fragliche Nachriclit nicht
Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien. 315
dieselben von Yarthema darin ab, dass der Gebrauch , den nach
Varthema nur der Konig und kein anderer Mann beobachtete,
bald allen vornehmen Mannern , einschliesslich des Konigs, bald
allen Mannern ohne Ausnahme zugesehrieben wird. Der Be-
richt iiber die Reise , welche Caspar Balbi, ein Juwelen-
hJindler aus Venedig, in den Jahren 1579 bis 1588 ausfiihrte,
enthalt zwei Stellen iiber den Konig und die Bewohner der Stadt
Cocchi. In der einen Stelie wird gesagt: „Es sind in dieser Stadt
Priester, die bei ihnen Brahminen heissen. Diese haben die Ge-
walt, mit allen Frauen und Jungfrauen zu verkehren und sie
[fleischlich] zu erkennen ; selbst die Konigin und deren Tochter
sind davon nicht ausgenommen." ^ Die andere Stelle lautet: „Ein
Mann, der heirathen will, sei es der Konig oder einer sei-
ner Unterthanen, schlaft nicht als Erster mit seiner Frau,
sondern schenkt ihre Jungfrauschaft einem von den Pfaffen, die
bei ihnen Brahminen heissen. Diese namlich haben die Freiheit,
alle Wohnhauser zu betreten und mit den Gattinn^n, sowohl des
Konigs als auch aller Uebrigen, nach ihrem Gefallen zu verkehren,
und zwar so, dass sowohl die Ehemanner w'ie die Briider der
Weiber den Pfaffen bei ihrer Ankunft aus dem Wege gehen
und ihnen den Platz iiberlassen, mit den Ehefrauen ein heim-
liches Einverstandniss zu halten, indem sie dieselben fiir heilige
Manner erachten, welche ihren Frauen und Tochtern den besten
Unterricht im Gesetz ertheilen konnten. Daher gehen sie nicht
nur gern aus dem Haus bei ihrer Ankunft, sondern sie wiinschen
sich auch Gliick wegen dieser Ehre und verkiinden sie mit Ver-
gniigen ihren Verwandten und Freunden* ^. Bei Beschreibung
gefunden, obwohl dasselbe auf S. 309—351 eine ausfiihrliche Beschreibung
von Malabar, namentlich von den Sitten und Gebrauchen des Kaiserreichs
Calecut. enthalt.
* Balbi cap. 44, de itinere ex Martaban versus Cocchi (10. Febr. bis
8. Okt. 1586), S. 120: . . . ,,Sunt autem in civitate hac [namlich in Cocchl]
sacerdotes qui Bramini ipsis dicuntur, hi potestatem habent conversandi cum
omnibus mulieribus virginibusque et eas cognoscendi , ne Regina quidem et
filiabus ejus exceptis."
2 Balbi cap. 27, descriptio civitatis Cocchi (v. Jahr 1582), S. 85 : ... .,Uxo-
rem ducturus, sive Rex sive alius quicunque ex subditis ejus,
primus cum ea non dormit, sed virginitatem uxoris cuidam ex Sacrificulis, qui
Bramini ipsis dicuntur, largitur. Hi enim libertatem habent aedes quascunque
Ingrediendi, et cum uxoribus tam Regis ipsius quam aliorum quorumcunque
pro libitu suo conversandi, ita quidem, ut et mariti et fratres mulierum, ad-
venientibus Sacrificulis cedant, locumque cum uxoribus colludendi relinquant,
habentes eos pro viris sanctissimis , qui in lege uxores et filias suas erudire
316 Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien.
der Seefalirt, welche unter Fiihrung des Peter AVilhelm Ver-
huefen in den Jahren 1607 bis 1609 von Hollandern und See-
landern nach Ostindien unternommen wurde, wird berichtet, die
Unterthanen des Kaisers von Calicut hatten eine heidnische und
aberglaubische Religion und beobachteten bei Heirathen die Sitte,
„dass die AdeHgen und Vornehmen ihre Braut in der
ersten Nacht nicht anriihren, sondern irgend einen Brahminen
oder Pfaffen, oder einen Mann von weisser Farbe, wo immer sie
einen finden konnen fiir vierhundert oder fiinfhundert Gulden
dingen, damit derselbe in der ersten Nacht mit der Braut schlafe
und sie zum Beischlaf geeignet mache, wogegen die Manner aus
dem gemeinen Volke diese Sitte nicht beobachten, sondern die
Arbeit selbst verrichten" ^ Der mecklenburgische Seefahrer Jo-
hann Albrecht von Mandelslo, dessen Reisebeschreibung von
Olearius herausgegeben ist, hielt sich in den Jahren 1638 und
1639 in Ostindien auf. In dieser Reisebeschreibung finden sich
drei Stellen, die an die vorstehenden IS^achrichten von Varthema,
Balbi und Verhuefen erinnern. Die erste Stelle lautet: „Weil
die Brahmanes fiir so heilige Leute gehalten werden, haben sie
an etHchen Orten, sonderlich zu Calecut, nach ihrer Art
treffliche gute Sache, und absonderliche Verrichtung bei fiir-
nehmen Hochzeiten, Man bringet ihnen die Braute zu, damit
sie ihnen ihre Jungfrauschaft benehmen, wozu der Brautigam
dera heiligen Mann noch Geld geben muss. Denn die einfaltigen
Leute meinen, sie fangen ihren Ehestand mit sonderlicher De-
votion und Gottesfurcht an, wenn sie ihren Abgottern durch dero
Pfaffen die Erstlinge ihres Beischlafs opfern und zueignen. Die
quam optime possint. Unde non solum domo libenter sub eorum adventum
exeunt. sed etiam sibi de dignitate hac ex animo gratulantur. eamque vicinis
et amicis suis gaudio praedicant." Ein Keim fiir diese Erzahlung findet sich
schon bei Yarthema S. 144 (s. oben Kap. 6 S. 33, Anm. 2).
' Verhuefen S. 26, religio populorum Calicuthensium: . . . ,.Praeterea
Solem etiam et Lunam adorant. et circa matrimonia hunc morem observant, ut
qui nobiles proceresque sunt. sponsam prima nocte non attingant, sed
Braminem sive sacrificulum quendam. vel albi coloris hominem, ubicunque
etiam eum invenire possint, pro quadringentis vel quingentis florenis con-
ducunt. qui prima nocte cum sponsa dormiens ad coitum eam aptam reddat.
Verum qui promiscuae plebis sunt, morem istum non observant , sed ipsimet
labore isto facile defunguntur." Diese Darstellung erinnert an die beiden an-
gefiihrten Stellen von Varthema (oben S. 313 und 314). dic miteinander ver-
bunden zu sein scheinen. Auf Verhuefen sind zuriickzufiihren: Chr. Arnold
S. 100: Francisci (1670) S. 936: C. P. HofFmann (1720) S. 59: v. d. Schelling
(1727) Bd. 1 S. 147. In diesen Schriften wird auf das Tagebuch des Admirals
van Caerden verwicsen.
Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien. 317
Brahmanes stellen sich bisweilen an, sonderlich bei Reichen, als
wenn sie es nicht gerne thaten, miissen derowegen mit Geld da-
zu erkauft werden. Wenn fiirnehme Herren oder Kaufleute von
ihren Weibern verreisen miissen, nehmen sie einen solchen hei-
ligen Yater in ihr Haus , die Frau zu bewahren , damit sie nicht,
wenn ihr etwa eine Lust ankarae, mit Andern Unzucht treiben
moge; mit Priestern aber habe es Nichts zu bedeuten." ^ An
der zweiten Stelle wird aus der Reise des Herrn von Mandelslo
vom Jahr 1639 iiber die Bewohner des Landes Malabar, nament-
lich der Stadte Canamor, Cotschin und Calecuth, be-
richtet, dort bestehe „der Gebrauch, dass . keine Jungfer ver-
trauet wird, es sei ihr denn zuvor die Jungferschaft durch einen
ihrer Pfaffen genommen, dem dafiir eine Summe Geldes gegeben
wird", und von diesem Gebrauch sei ..auch des Konigs
Braut nicht ausgeschlossen" ^. Die dritte Stelle ist eine
Anmerkung von Olearius, wonach „ihre Geistlichen, die Brah-
manes, nicht allein der Konigin die Jungfrauschaft benehmen,
sondern auch hernach sie gar oft besuchen, in ihrem Gesetze
sie zu unterrichten , und wenn der Konig verreist, der Konigin
Gesellschaft zu leisten" ^. Der Kapitan Alexander Hamilton,
der die Jahre 1688 bis 1723 in Ostindien zubrachte*, schreibt
iiber das Reich des Samorin und seine Hauptstadt Calicut:
„Wenn der Samorin heirathet, so soll er mit seiner Braut
nicht zusammenwohnen, bevor der Nambourie oder Hauptpriester
sie genossen hat; und wenn es (dem Letzteren) beliebt, kann er
drei Nachte ihre Gesellschaft haben, weil die ersten Friichte
ihrer Hochzeit ein heiliges Opfer fiir den Gott, welchen sie an-
betet, sein miissen; und Einige von Adel sind so gefallig,
der Geistlichkeit denselben Tribut zu gewahren; dagegen dem
gemeinen Yolk kann man nicht dies Compliment (der Gefiillig-
keit) machen, denn sie sind gezwungen, die Priester-Platze selbst
einzunehmen." ^ Aus diesen Berichten erkliiren sich auch einige
* Mandelslo |Bitch I Kap. 38, von den Bramanen und Bramma. S. 81. 82.
2 Mandelslo Buch 2 Kap. 10, von den Malabaren, S. 100, 101.
3 Olearius zu Mandelslo, Buch 2 Kap. 10 S. 101 Anm. c.
* Alexander Hamilton gehort zu den Ersten . die sich mit Sanskrit be-
schaftigten. Er war Lehrer von Friedrich v. Schlegel, der das Sanskrit in
Deutschland zuerst bekannt machte. Vgl. Didot Bd. 23 S. 251.
^ Hamilton S. 373. 374: When the Samorin marries, he must not
cohabit with his bride, till the Nambourie or chief priest has enjoyed her,
and if he pleases, may have three nights of her company, because the first
fruits of her nuptials must be an holy oblation to the god she worships: and
318 Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien.
minder bestiramte Iv^achrichten des achtzehnten Jahrhunderts ^
Die von Hamilton gebrauchten Ausdriicke Samorin (Zamorin)
und Nambourie., die in der Sanskrit-Litteratur nicht vorkommen,
mogen arabischen Ursprungs sein und von den in Malabar ein-
gewanderten Muhammedanern herriihren. Zur Zeit, als die Por-
tugiesen unter Vasco de Gama vor Calicut landeten (20. Mai 1498),
hiess der Konig von Calicut ^Samorin" (d. i. Gott auf der Erde)
in seiner Eigenschaft als Kaiser oder Oberherr der Konige (Rajas)
von Malabar^; die Priester wurden als Brahmanen betrachtet
und so bezeichnet, hiessen aber eigentlich ^N^ambiiries ^; die Edel-
leute fiihrten den Namen Nairs ^.
some of the nobles are so complaisant as to allow the clergy the same tribute :
but the common people cannot have that compliment paid to them, but are
forced to supply the priests places themselves." Daraus: Lagreze 1867.
S. 398; Badger S. 141; Giraud-Teulon S 70: Kulischer S. 223.
' Hachenberg diss. V § 12 S. 122: Pars S. 182; v. d. Schelling Bd. 1
S. 147; Kestner S. 4.
^ Varthema S. 134 (am Ende des ersten Buchs): ,.Now I will speak of
the king here in Calicut, because he is the most important king of all those
before mentioned, and is called Samory, which in the pagan language means
Ood on earth": Faria y Sausa Bd. 1 Th. 1 Kap. 4, S. 34 und Kap. 9, S. 84:
Forbes Bd. 1 S. 412: Day S. 73 ft.; Wheeler Bd. 3 S. 407—414, 422.
423. 447. — Wie Faria y Sousa (Bd. 1 Th. 1 Kap. 9 S. 84) und nach seinem
Vorgang einige neuere Schriftsteller (Jones S. LXII und Wnieeler Bd. 3
S. 422, 423) berichten, wurde damals erzjihlt, vor ungefiihr sechshundert
Jahren (also gegen 900 n. Chr. G.) habe in Malabar und zugleich in Quih)n
ein machtiger Konig geherrscht. der den Islam annahm und muselmannischen
Kaufleuten die Erbauung der Stadt Calicut gestattete; dieser Konig habe
kurz vor seinem Tode in Quilon (Coulam oder Travancore) das geistliche
Haupt der ..Religion der Brahmanen'' unter dem Titel „Cobritim", d. i. Hoher-
priester, eingesetzt und seinem Neffen unter dem Titel Zamorin. mit der Resi-
denz Calicut, die weltliche Gewalt iibertragen; spater sei die geistliche Wiirde
von Coulam nach Cochin iibergegangen, dagegen die weltliche Souveranetat in
Calicut verblieben. Der Konig von Malabar habe dann eine Pilgerfahrt nach
Mecca unternommen und sei auf der Seefahrt ertrunken. Auch wurde er-
zahlt, die Wiirde des Zamorin sei dadurch entstanden, dass zwanzig Konige,
-vvelche vormals in Malabar regierten , unter sich einen Schiedsrichter er-
wiihlten. (Wheeler Bd. 3 S. 423, 424.)
^ Der Name soll von namboo, d. i. Ruder. herzuleiten sein und sich im
Staat Cochin bloss auf einen Theil der Brahmanen bezogen haben. Day
S. 299, 300.
" Varthema (Uebers. der Ausg. v. 1510) S. 141, 142: „The first class of
pagans in Calicut are called Brahmins. The second are Naeri. who are the
same as the gentlefolks amongst us; and these arc obliged to bear sword
-and shield or bows or lances. When they go through the street , if they
•did not carry arma, they would no longer be gentlemen. The third class of
Kapitel 75. Brahmaneii in Ostindien. 319
Aus einer Vergleichung der vorstehenden Berichte erhellt, dass
sie sich in wichtigen Punkten widersprechen, daher mit Yorsieht
aufzunehmen sind. Der wichtigste ist der von Varthema. Im
Allgemeinen gilt Varthema als ein Mann, der Glauben verdient^;
und der Inhalt seines Buchs macht zum grossten Theil auf den
Leser den Eindruck der Glaubwurdigkeit, obwohl nicht bekannt
ist, ob und wie Varthema die Materialien auf der Reise aufge-
zeichnet hat ^. Allein gleichwohl konnen seine Angaben fiir sich
allein nicht geniigen, um die Wahrheit seiner Erziihlungen zu be-
weisen. Ferner giebt er nicht an, wie er den fraglichen Gebrauch
des Konigs von Calicut erfahren habe. Zudem zeigen die vielen
Abweichungen in den verschiedenen Ausgaben seiner Reisebe-
schreibung, dass zu jener Zeit , als dieselbe zur Belehrung und
Erheiterung des Publikums erschien, eine strenge Kritik und
Genauigkeit beziiglich der einzelnen Erzahlungen nicht beob-
achtet wurde. An denselben Mangeln leiden in noch hoherem
Grade die spateren IleisebeschreibungeuT insoweit als sie von
Varthema abweichen. Die Darstelhing Hamilton's macht den
Eindruck, als beruhten die Nachrichten, die er bei seinem Auf-
enthalt in Indien gehort haben mag, auf Entstellung der oben
(Kap. 27 S. 157) erwahnten religiosen Vorschriften iiber die Ent-
haltsamkeit neuvermahlter Ehegatten.
Mit Riicksicht auf die Polyandrie, die bei den IS^airs in Ma-
labar herrschte und dem Anschein nach noch nicht ausgerottet
ist^, konnen manche Erziihlungen iiber geschlechtliche Unsitten
aus jenem Lande fiir glaubhaft gelten, z. B, die Nachricht, dass
im neunzehnten Jahrhundert die Tamburetti, d. i. die weiblichen
Nachkommen des Zamorin, regehnassig durch Namburi-Brahmanen
geschwangert wiirden^: und die Angabe, dass bei der zur Secte
pagans are called Tiva, who are artizans. The fourth class are called Mechua.
and these are fishermen. The fifth class are called Poliar, who collect pepper.
wine, and nuts The sixth class are called Hirava , and these plant and
gather in rice. These two last classes of people , that is to say, the Poliar
and Hirava, may not approach either the Naeri or the Brahmins within fifty
paces" . . . Vgl. Linschot Buch 1. Kap. 42, S. 61, 62: Faria y Sousa Bd. 1
Th. 1 Kap. 4 S. 34: Wheeler Bd. 3 S. 424. 425.
» Vgl. Jones S. I und LXVII.
2 Vgl. Jones S. LXVII und LXVIII.
3 Vgl. dariiber oben Kap. 6 S. 35, 36.
* Forbes Bd. 1 S. 417 (aus Fr. Buchanan) : „A11 the children of the Tam-
buretti, or females of the family, are still of the highest dignity : these ladies
are generally impregnated by Namburi brahmins; for any intercourse between
them and their husbands would be reckoned scandalous" . . .; Badger S. 141.
320 Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien.
der Yaishnaviten gehorigen Ackerbaukaste der Tottiyars die Gurus
das Yorrecht hatten, nach Belieben mit den Frauen ihrer Schiiler
zu schlafen ^. Allein ein auf die Hochzeitsnacht oder auf die
drei er^ten Nachte beschranktes Recht der Priester ist aus der
Polyandrie nicht zu erklaren und damit nicht zu vereinigen.
Was im Yorstehenden von den Malabaresen ^ und zuletzt
auch von einigen andern Dravida-Yolkern gesagt ist, kann zu
keinen Folgerungen fiir die zum Gebiet der Hindu-Religion ge-
horigen Yolksstamme benutzt werden , da die Sitten, Gebrauche
und Rechtseinrichtungen der Dravida-Yolker von denen der Hindu-
Yolker weit verschieden sind ^. Jedoch sind in der Neuzeit auch
die guten alten Sitten mancher Hindu-Yolker durch die aber-
glaubischen Gebrauche zahlloser Secten verdrangt '^. In sehr un-
giinstigem Licht erscheint eine dieser Secten nach dem Ergebniss
eines Pressprozesses, der im Jahr 1862 vor dem englischen hoch-
sten Gerichtshof zu Bombay stattfand und grosses Aufsehen er-
regte ^. Er betrifft eine aus der Yaishnava-Secte (den Yerehrern
des Gottes Yishnu) ^ im sechzehnten Jahrhundert hervorgegangene
Gemeinschaft, die Yallabhacharis oder Rudra Sampradaya, deren
Stifter, Yallabha oder Yallabhacharya (im Jahr 1479 nach Chr.
Geb. in einem wilden Walde geboren ') als eine Incarnation
des Gottes Krishna verehrt wurde ^. Yiele ihrer Anhanger
glaubten, von dem Stifter ihrer Religion und von dessen IS^ach-
folgern hatten ihre Oberpriester, die Maharajas (d. i. grosse
Konige), sammtlich die Wiirde erhalten, dass sie nicht bloss als
' Nelson S. 141 : . . . ,,They have Gurus of their own caste , instead of
Brahmans, one of whose privileges appears to be to lie with the wives of
their disciples Avhenever they feel inclined" . . .
2 Dic Bewohner von ^lalabar gehoren nicht zu den Indogermanen, sondern
zur Dravida-Race. Vgl. Andree S. 73.
^ Vgl. Nelson S. 9, 141 und den ganzen Inhalt seiner Untersuchung.
* Vgl. Colebrooke Bd. 1 S. 196: Sect of Mah. S. 1 — 12, auch S. 16—33
und App. S. 24.
s Sect of Mah. mit Appendix. Der Anhang enthalt (S. 133 — 183) Aus-
zlige aus 45 indischen Zeitungen , von denen 21 in englischer Sprache und
24 in der Landessprache erschienen.
* Die Vaishnavas zerfallen in zwanzig besondere Secten , die wieder in
Unterabtheilungen geschieden werden konnen. Vgl. Sect of yiah. S. 20 und
im Einzelnen S. 22—27. 34 ff.
' Sect of >Iah. S. 35. 36, Appendix S. 24.
^ Krishna gilt als Verkorperung des Gottes Vishnu und wird in dieser
Eigenschaft, wie es scheint, nur von verhaltnissmassig neuen Secten verchrt.
Vgl. Sect of Mah., Append. S. 57, 59 ; Colebrooke Bd. 1 S. 110, 197 : Whee-
ler Bd. 1 S. 462, 463.
Kapitel To. Brahmanen in Ostindien. 321
geistliche Fiihrer (gurus M der Glaubigen , sondern zugleich als
Incarnationen des Gottes Krishna zu verehren seien ^. Die Secte
war um 1800 in Ostindien stark verbreitet, unter sechzig bis
siebzig Maharajas^, von denen in Bombay allein acht bis zehn
mit angeblich vierzig- bis fiinfzigtausend Anhangern lebten'*. Es
wird berichtet, dass ihre Lehrer, ira Gegensatz zu der durch die
Vedas der Hindu-Religion empfohlenen Entsagung, die Pflege
von Lust und Liebe als Aufgabe des Lebens hinstellten ^; dass
sie den Gott Krishna, den Gemahl von sechzehntausend Prinzes-
sinnen, durch die ^Ehebruchs-Liebe" verehrten *; dass sie ihre
Versammiungen in den Tempeln der Maharajas und in den Zu-
sammenkiinften der „Ras Mandalis" ' zur Anfachung und Pflege
der Ehebruchs-Liebe missbrauchten ; dass die Knaben schon in
jungen Jahren und die Madchen bei ihrer Verheirathung Korper,
Geist und Vermogen („tan, man und dhan") dem Maliaraja, als
dem verkorperteu Gott Krishna, aufopferten * ; dass Letzterer,
wenn er die Glaubigen in ihrer Wohnung besuche, von ihren
Frauen und Tochtern durch halbreligiose Gebrauche und durch
Gesang unziichtiger Lieder verehrt vverde ^ ; und dass er die weib-
lichen Gliiubigen, denen er im Tempel ein Zeichen gebe, in
seinem Schlafziromer empfange, mit ihnen die Ehebruchs-Liebe
pflege („Ras Lila" feiere) und dafiir noch beschenkt werde ^°. Im
' Ueber die Bedeutung de.s Guru und dessen Unterschied von Purohita
vgl. im Allgemeinen Wheeler Bd. 1 S. 80, Bd. 3 8. 402.
2 Sect of Mah. S. 45, 47, 119, 120, 142 und Append. S. 3, 6, 7, 8, 26,
27, 29, 32, 40, 65; Wheeler Bd. 3 S. 382.
3 Sect of Mah. S. 44—46,. ♦ Sect of Mah. S. 105, 120.
^ Sect of Mah. S. 45, 142. ^ gect of Mah. S. 78-96.
^ Sect of Mah. S. 129, 330, Append. S. 15, 33, 46.
8 Sect of Mah. S. 85, 121. 141, 142, Append. S. 14, 25, 27, 32, 53.
9 Sect of Mah. S. 108—119.
«0 Sect of Mah. S. 126, 129, Append. S. 14, 30, 45. — Ein Keim der
Lehre, dass ein Madchen nicht siindige, wenn es mit einem Rishi fleisch-
lich verkehre , kann in folgender Erzahlung des Mahabhdrata iiber die Rache
der Sarmishtha gefunden werden. Die Tochter des Brahmanen Sukra, Na-
mens Devayani , war von Samishtha, der Tochter des Konigs der Daityas,
beleidigt und erlangte dafiir die Genugthuung, dass die Konigstochter ihre
Dienerin wurde. Devayani heirathete den Konig Yayati, zog mit ihm in seine
Konigsstadt und nahm die Samishtlia mit sich. Dort begann Samishtha heim-
lich ein Liebesverhiiltniss mit Yayati. Sie gebar einen Sohn und wurde von
der Konigin Devayani gefragt, wer der Yater des Kindes sei. Sie gab vor,
es sei ein Rishi. Devay4ni erwiederte: „Ist dies wahr, so bist du un-
Bchuldig." (Mahabharata, Ausg. von Calcutta, Buch 1 Vers 3424—3430; Ausg.
von Bombay Buch 1 Kap. 83 Vers 1 — 7. Vgl. Holtzmann Bd. 2 S. 106, 107;
Sc^hmidt, .Jus primae noctis. 21
322 Kapitel 75. Brahmanen in Ostindien.
Jahr 1860 gab ein Oberpriester dieser Gemeinsehaft, Jadunathji
Brizratanji-Maharaj, zu Bombay eine neue Zeitschrift heraus, unter
dem Titel „Terbreiter unserer eigenen Religion". Darauf erschien
in einer andern einheimischen Zeitung zu Bombay, die den Na-
men Satya Prakash, d. i. „Licht der AVahrheit", trug, ein Artikel
iiber jene Secte und iiber den genannten Maharaja. Darin war
ausgefiihrt, ein Lehrer jener Gemeinschaft, Is^amens Gokulnathji,
habe die Yorschrift gegeben, der neuvermahlte Ehemann soUe
seine Frau, bevor er selbst sich ihrer erfreue, dem Maharaja
iibergeben, ebenso wie die Yater ihre Tochter dem Maharaja iiber-
liefern sollten ^ ; nach dieser Lehre , deren Schamlosigkeit durch
keine andere Irrlehre erreiclit werde, handelten die Maharajas,
indem sie die Ehefrauen und Tochter ihrer Andachtigen entehrten;
Jadunathji Maharaj moge erst davon ablassen und zugleich Un-
sittlichkeiten wie die der Gesellschaft Ras festival abschaffen,
wenn er religiose Ermahnungen ertheilen wolle ^. Yerfasser dieses
Aufsatzes war der Redacteur Karsandjis Mulji. Gegen ihn und
gegen den Drucker erhob Jadunathji erst im Mai 1861 Klage
Wheeler Bd. 1 S. 517, 518.;] In der Erklarung dieser Stelle verweist Wheeler
Bd. 1 S. 521 auf das emporende Dogma einer ,,sect in the Bombay Presidency
which is known by the name of the Maharajas''.
1 Zeitungsartikel vom 21. Oct. 1860. Sect of Mah. S. 173, 174 und
Append. S. 71: ... „Behold with regard to the subject of Brahma how
Gokulnathji lias amplified the original stanza, what a commentary he has
made : . . . Consequently before he himself has enjoyed her, he should make
over his own married wife (to the Maharaj) and he should also make over
(to him) his sons and daughters. After having got married, he should be-
fore having himself enjoyed his wife make an offering of her (to the Mah^-
raj): after which he should apply her lo his own use." Ygl. iiber Gokul-
nathji Maharaj (Enkel des Religionsstifters Vallabhacharya) und dessen Com-
mentar: Sect of Mah. S. 85 iind Append.S. 27, 28, 80.
2 Zeitungsartikel vom 21. Oct. 1860 , Sect of Mah. S. 174, 175 und App.
S. 72 : ... ...ladunathji Maharaj , should you wish to propagate or to spread
abroad religion. then do you personally adopt a virtuous course of conduct
and admonish other Maharajas. As long as the preceptors of religion shall
themselves appear to be immersed in the sea of licentiousness . for so long
they shall not be competent to convey religious exhortation. Gokuln4thji
having composed the commentary abovementioned , has attached to your
Vaishnava persuasion a great blot of ink. Let that be first removed. Scorn
the writer of the commentary. [Oh, you] Mahar4jas, acting up to that com-
mentary, defile the wives and daughters of your devotees. Desist from that
and destroy at once immorality such as that of the company at Ras festival
[oder Ras Mandali]. As long as you shall not do so , for so long you cannot
give religious admonition, and propagate your own religious faith : do you
be bleased to be assured of that.'' Vgl. Sect of Mah. Append. S. 42.
Kapitel 76. Bagele auf den Andamanen. 323
wegen Yerleumdung und Hchinahung vor dem Supreme Court zu
Bombay. In den Yerhandlungen vom Juli und August 1861
bestritten die Beklagten, dass der Aufsatz eine Schmahschrift sei;
zugleich erboten sie fiir alle angefiihrten Thatsachen den Beweis
der Wahrheit *. Hierauf wurden (vom 25. Januar bis 1. Marz
1862) zahlreiche Schriften vorgelegt und im Ganzen zweiundsechzig
Zeugen^ dem Kreuzverhor der beiderseitigen Advokaten unter-
worfen, vor dem Chief Justice Sir Matthew Sausse und dem Puisne
Judge Sir Joseph Arnould. Diese beiden Richter begriindeten
demnachst ihre Meinung, die darin iibereinstimmte, dass die Be-
klagten den Beweis der AYahrheit iiberall erbracht hatten, und
dass demgemass beziiglich des Yorwurfs der Yerleumdung ein fiir
die Beklagten giinstiges Yerdikt erfolgen miisse ^. Die andere
Prage, ob der Aufsatz als Schraahschrift zu betrachten sei, wurde
vom Chief Justice bejaht (weil darin unzulassigerweise offentliche
Mittheilungen iiber die Privatperson des Klagers gemacht seien) '^,
dagegen vom Puisne Judge verneint (weil der Klager nur in seiner
oifentlichen Eigenschaft als Maharaja angegriffen, und dabei die
zulassige Grenze nicht iiberschritten sei) ■". Der Wahrspruch der
Geschworenen lautete beziiglich der Frage der Yerleumdung zu
Gunsten der Beklagten mit Kosten, und beziiglich der Frage der
Schmahschrift zu Gunsten des Klagers , aber ohne Kosten. Die
Kosten sollen sich auf die ungeheure Summe von ungefahr sechzig-
tausend Rupien belaufen haben, wovon fiinf Sechstel dem Klager
zur Last fielen*. Aus diesem Pressprozess ist der Beweis eines
jus primae noctis nicht zu entnehmen, da die darin erorterten
Handlungen der Maharajas zufolge (irregeleiteter) religioser An-
schauungen auf Ersuchen der Gliiubigen , gleichsam wie Gnaden-
bezeigungen, ausgeiibt wurden, iiberdies auf die Hochzeitsnacht
nicht beschrankt waren.
d. Hauptlingsrecht auf den Andamanen.
Kapitel 76. Es wird versichert, das jus primae noctis stehe
.„im Berglande Bagele auf den Andamanen dem Hiiuptling
zu" ^. Ob und inwieweit dieser Angabe etwas Wahres zu Grunde
1 Sect of Mah. S. 175 und Append. S. 72. 73.
2 Sect of Mah. Append. S. 73.
3 Sect of Mah. Append. S. 80—87, 101—131.
* Sect of Mah. Append. S. 76-80, 87.
5 Sect of Mah. Append. S. 88-100. « Sect of Mah. S. 180.
' Po8t S. 37 (aus Bastian). — Die Andamanen-Inseln liegen im Meerbusen
■von Bengalen.
21*
324 Kapitel 77. Malakka und die Molukken.
liegt, wird sich erst priifen lassen, wenn die Thatsachen mitge-
theilt werden, die den Berichterstatter zu der Meinung von dem
Be.stehen jenes Rechts gefiihrt haben.
e. Die Orang-Sakai auf Malakka und die Bewohner der dstlichen Molukken.
Kapitel "<<. X. v. Mikluho-Maclay machte in der Zeit von
Xovember 1874 bis Oktober 1875 Reisen im Innern der Halb-
insel Malakka und erstattete dariiber am 3. Juni 1878 einen Be-
richt im Zweigverein der asiatischen Gesellschaft zu Singapore.
Darin gab er Auskunft iiber Lebensweise und Sitten der Orang-
Sakai und der Orang-Semang aus Nachriehten, die er theils von
diesen Volkerschaften selbst, theils von den Malayen einge-
zogen hatte. Insbesondere theilte er einige Erzahlungen mit,
von denen er annahm, dass sie ungeachtet ihrer Uebertreibung
und anscheinenden AVidersinnigkeit doch einen gewissen, wenn
auch geringen, „fond de verite" haben mochten. In solchem Zu-
sammenhang berichtet er iiber den an der Grenze von Kalantan
und Perak wohnhaften Zweig der Orang-Sakai: „Es wird
erzahlt, dass die Viiter von erwachsenen Tochtern fiir dieselben
das jus primae noctis in Anspruch nehmen; ich habe das
Bestehen dieser Sitte so sehr oft versichern horen, dass etwas
Wahres daran sein muss, zumal da sie auch anderwarts bekannt
ist. Ausser zahlreichen, in geschichtlichen und geographischen
"Werken erwiihnten Beispielen., die ich hier nicht aufzahlen will,
habe ich gehort, dass dieselbe Sitte auf den ostlichen Mo-
lukken besteht." ^ Hier dient der Ausdruck „jus primae noctis"
zur Bezeichnung eines Anspruchs, den der Vater erhebt, wenn
er die Tochter an einen Mann zur Geschlechtsgemeinschaft iiber-
giebt. Eine Erlauterung dieses Berichts kann in der Beschrei-
bung gefunden werden, die Maclay von den Heirathen der Orang-
Sakai giebt'^; darin wird erziihlt, dass eine Frau nacheinander
1 Maclay S. 215. 216: . . . „The fathers of grown u]) daughters are said
to claim for themHelves the Jus primae nodis ; I have so very often heard
the e.\istence of this custom maintained , that there must be something in it,
the more so as it is known elsewhere." Dazu Anm. 18 : .,Besides numerous
examples to be found in historical and geographicai literature which I will
not enumerate here , I have heard of tlie existenoe of the same custom in
the Eastern Moluccas." Vgl. aucli unten Kap. 92.
2 Maclay S. 215: ..Besides the simple proeedure of marrying. which an
Orang-Sakai described in the words , ,1 take lier and sleeji with her', there
is, as I was told by the Orang-Sakai jina, a custom among the Orang-Sakai
of Pahang, according to wliich the man on a fortain day must catch the girl
i
Kapitel "8. Coutumes vom Jahr ir)07 vom Amt Amien!». S25
mit vielen Mannern in Geschlechtsgemeinschaft eintrete, jedoch
als Gattin des Mannes gelte, der sie zuerst genommen hahe. —
Yon dem jus primae noctis in der heutigen Bedeutung dieses
Ausdrucks ist im erwahnten Bericht keine Spur zu finden.
II. E u r 0 |) a.
a. Frankreich.
1. (reHoJin/ieitsn^i-life.
a. Die Coutumes vom Jahr 1507 aus dem Amt Amien?.
Kapitel 78. Im neunzehuten Jahrhundert meinen einige
Schriftsteller *, der beste Beweis fiir das „droit du seigneur" oder
jus primae noctis finde sich in zahlreichen Gewohnheitsrechten
aus dem Amt Amiens vom Jahr 1507 ^ worin jenes Recht sogar
ausdriicklich anerkannt sei. Dies ist ein Irrthum, der durch
Missverstiindniss folgender sechs Stellen entstanden ist.
Die am 29. Sept. 1507 festgestellte Coutume von Brestel-
les-Doullens erklart in Art. 25: „Wenn in der Stadt Brestel
ein Mann von auswarts heirathet, und die Frau daselbst wohnt,
so muss er am Tage der Hochzeit dem Grundherrn von Brestel
in the jungle before witnesses. after a considerable start has been given her.
If he fails to catch her, he is not allowed to woo her a second time. Com-
munal marriage exists , it appears , among the Orang-Sakai; at least I must
conclude so from a great number of accounts. A girl having been married
to a man for some days or weeks goes. witli his consent. and voluntarily. to
live for a shorter or longer period with another man. She thus goes in turn
to all the men of the party until she comes back to her first husband ; she
does not remain with him however but continues to eugage in such tempo-
rary marriages , which are rcgulated by chance and by her wishes. She is
however considered the wife of the man who first took her."
1 Dupin S. 131: Delpit S. 28: Buchmann S 36, 37; Labessade S. 57. 60.
2 Diese (zufolge einer Verordnung des Konigs Ludwig XII. vom 4. April
1506 redigirten) Couturaes. ungefahr vierhundert, sind durch A. Bouthors ge-
sammelt und herausgegeben. Bouthors erhielt fiir dies Werk unter den ordent-
lichen Preisen der Academie des Inscriptions et Belles-Lettres, fiir Antiquites
de la France . die zweite Medaille vom Jahr 1854. Darauf bezieht sich der
Commissionsbericht vom 11. Aug. 1854, der in der offentlichen Jahressitzung
vom 18. desselben Monats verlesen wurde. Vgl. Memoires de Tlnstitut Im-
perial de France , Acad. des Inscr. et Belles-Lettres , Bd. 20. Paris 1861,
S. 232; Berger de Xivrey S. 20—25. £s wird behauptet. dass die meisten
jener Coutumes aus dem dreizelinten Jahrhundert stammten (Berger de Xivrey
S. 22). Da jedoch die vorliegenden Redactionen im Jahr 1507 gemacht sind,
so werden sie hier unter der Neuzeit besprochen.
326 Kapitel 78. Coutumes vofn Jahr 1507 vom Amt Amiens.
zwei Pfennige zahlen; geschieht dies nicht, so verfallt er gegen-
iiber dem Grundherrn in eine Strafe von sechzig Sous/ ^ Hier
ist nicht, wie behauptet wird ^, von dem jus primae noctis, son-
dern lediglich von einer ^Niederlassungsteuer die Rede ^.
Im Gebiet der Abtei-Grafschaft von Blangy-en-Ternois
musste jeder Fremde, der dort heirathete und sich daselbst nieder-
liess, nach der Coutume vom September 1507 an die Abtei zwei
Sous zahlen, bevor er bei der Frau schlafen durfte ; diese Nieder-
lassungsteuer nannte man im Yolke flCullage" *. Darin wird
ohne Grund ein Beweis des Herrenrechts der ersten Nacht ge-
funden '".
In der Stadt Auxi-le-Chateau (prevote de DouUens) be-
stand der Grundsatz, dass ein Fremder, welcher eine Bewohnerin
von Auxi heirathete, mit derselben die Nacht nach der Hoch-
zeit daselbst nicht schlafen durfte, ohne dazu die Genehmigung
des Grundherrn oder seiues Beamten erlangt zu haben, bei Strafe
von sechzig Sous ^. Eine Erklarung dieses Grundsatzes liegt im
' Coutume de Brestel-les-Doullens, du 20 sept. 1507, bei Bouthors Bd. 2
S. 84, 85, Art. 25 : ,.Item , ^se ung homme foraing se marye et prend femme
en ladite ville de Brestel . laquelle y soit demourant , alors quil le fianchera
il doibt et est tenu payer le jour quil espousera , au seigneur de Brestel,
II deniers et s'il deftault a les payer, il eschet envers ledit seigneur en
araende de LX solz.''
2 Delpit S. 28: Labessade S. 18. 59.
^ Vgl. oben S. 67, 96, 101, 136. — Aus dem Sclilusssatz vorstehender Stelle
lasst sich entnehmen , dass sie von Ehegatten spricht, die in Brestel wohnen
bleiben; deshalb wird die Abgabe von zwei Pfennigen nicht als Abzugsteuer^
sondern als Niederlassungsteuer betrachtet werden miissen.
* Coutumes locales et particulieres de l'eglise, abbaie et conte de Blangy-en-
Ternois, vom Sept. 1507, Art. 14, bei Bouthors Bd. 2 S. 77 (vgl. Bd. 1 S. 470) r
„Par aultre coustume, se aucun estrangier se marie a aucune femme . . . et
demourant es mettes" [d. h. in den Grenzen] „d'icelle cont^ et y vient faire
sa residence , avant qu'il couche avec sa femme , il est tenu paier ausdits
relligieux , ahe et couvent, un droit de II sols parisis que l'on nomme vul-
gairement cuUage." — Ueber den Ausdruck ,,cullage" vgl. oben Kap. 18,
S. 94—97, und unten S. 329 Anm. 1.
^ Delpit S. 27: Labessade S. 18, 57, 58.
'' Coustume locale et particuliere de la terre, chastellenie et berrie d'Auxi-
le-Chasteau, vom 22. Sept. 1507, Art. 21 (Bouthors Bd. 2 S. 60): ,Jtem, quant
aucuns estrangiers se allient par mariage a aucunes filles ou femmes estans
de la nacion de ladite ville d'Auxi ou demeurans en icelle ville, ilz ne poeul-
tent la nuit de la feste de leurs noepces couchyer avec leurs dites fenimes,
sans premierement avoir congie de ce faire k mondit seigneur, ou son bailly
ou lieutenant de son bailly, que ce ne soit en commectant amende de LX
sols parisis chascun et pour chascune fois." Vgl. auch Hist de Ponthiou
Kapitel 78. Coutumes voni Jahr 1507 vom Arht Amieiis. 327
Recht des formariage ^ oder vielmelir in dem Recht des Grund-
herrn, fur Niederlassung neuer Ansiedler sich die Genehmigung
vorzubehalten ^. Vielleicht ist dies dasselbe Recht, von dem
Carpentier und Ducange erziihlen, dass es durch den Grafen
Wilhelm III. von Ponthieu auf Bitten seiner Gemahlin Rugua
aufgehoben worden sei ^. — Im Anschluss an diesen Bericht be-
merkt Deverite (1767), ein anderes Recht habe dem Grundherrn
personlich zugestanden, namlich die Jungfraulichkeit hiibscher
Frauenzimmer, munterer Fraulein , schoner Nonnchen oder Diim-
chen zu rauben, wofiir er einen Thaler und zehn Sous an den
Grafen von Ponthieu bezahlen musste *. Diese Erzahkmg, deren
Quelle nicht angegeben ist, macht den Eindruck eines in alter-
thiimlichen Ausdriicken verfassten Scherzes. In der erwiihnten
Coutume vom 22. Sept. 1507 ist Nichts enthalten , woraus die
Nachricht erkliirt werden konnte. Stiinde ein derartiger Satz in
irgend einer Coutume von Auxi-le-Chateau, so wiirde er den
achtzehnjahrigen Nachforschungen von Bouthors schwerlich ent-
gangen sein. Daher verdient die Anecdote keinen Glauben.
Das am 20. Sept. 1507 verkiindete Gewohnheitsrecht der
Herrschaft Maisnil-les-Hesdin bestimmt in Art. 4: „Wenn
in der genannten Stadt und Herrschaft oder auswarts Ehen ab-
geschlossen werden, und die Ehegatten die erste Nacht ihrer
Bd. 1 S. 238; Bouthors Bd. 1 S. 469; Delpit S. 27; de Labcssade S. 18, 59.
Die Ausdrucke „berrie" und „ber" (Anm. 3 dieser Seite) scheinen eine ahnliche
Bedeutung zu haben, als baronie und baron. Vgl. oben Kap. 67, S. 28(5, Note 1.
1 Bouthors Bd. 2 S. 166, 167, Note 7.
'^ Vgl. daruber auch die Urk. v. 1234 bei Coutant S. 85—88.
^ Carpentier und Ducange unter Braconagium : . . . „Huius mentio prae-
terea occurrit in Consuet. locali MS. Auxeii castelli; a qua homines Ruguae,
uxoris suae precibus, liberos jussit esse Guilelmus III. Pontivi comes." —
Vgl. auch Sugenheim 1861, S. 120 (aus Roger, Bibl. hist. monum. et litter.
de la Picardie, Amiens 1844, S. 133); Der „ber d'Auxi avait Tetrange privi-
16ge d'accorder a l'homme forain qui se mariait dans ce bourg la permission
d'user des droits de mariage, la premiere nuit des uoces; mais cette permis-
sion ne pouvait Stre refuse , par respect pour le sacrement." Sugenheim
findet hierin ohne Grund ein ,.Erinnerungszeichen an das abgeschaffte Recht
der ersten Nacht".
♦ Hist. de Ponthieu Bd. 1 S. 238, 239: ... „11 en avoit encore un autre"
[namlich droit d'usage] „k lui propre et qui ne devoit passer a ses Officiers,
c'etoit de mactorer le Virglnite de gentes femmes, fringantes DemaixieUes,
belles Nonaines ou Monaines , en donnant un ecu et dix sols parisis de droit
au Comte de Ponthieu." Vgl. Bonnemere Bd. 1 S. 58; de Labessade S. 73
(unter Berufung auf ein Coutumier, date de 1770, imprim6 a Abbeville, chez
la veuve Deverit^).
328 Kapitel 78. Coutumes vom Jahr 1507 vom Amt Amiens.
Hochzeit ia der genannten Herrschaft schlafen wollen, mogen
sie Unterthanen [namlich des Herrn Guy du Maisnil] sein oder
nicht, so kann oder soll der Hochzeiter [junge Ehemann] mit
seiner Frau und Gattin die genannte erste Nacht nicht schlafen,
ohne Gnade und Erlaubniss dazu bei dem genannten Grundherrn
nachzusuchen, bei Strafe der Einziehung des Betts, auf dem
die genannten Ehegatten schliefen , und von Allem, was am
nachsten Morgen sich auf dem Bett tindet, Alles zum Recht und
Nutzen des Grundherrn." * Diese Bestimmung enthalt keine Spur
von dem Herrenrecht der ersten Nacht ^, sondern eine Heiraths-
beschrankung der Horigen, die durch deren rechtliche Abhangig-
keit vom Grundherrn erklart wird ^.
Am 28. Sept. 1507 wurden die Rechte, die der Herr von
Rambures, als Vasall des Herrn La Freste von Saint-Riquier, aus-
zuiiben hatte, im Auftrag der Amtmannschaft von Amiens, unter
Zuziehung der Betheiligten, durch oifentUche Urkunde festgestellt.
Im ersten Artikel wird gesagt, der Herr von Rambures habe
in der Herrschaft Drucat dieselben Rechte, wie Herr de la
Freste in der Herrschaft Saint-Riquier. Der siebenzehnte Artikel
lautet: „Wenn ein Unterthan oder eine Unterthanin des Ortes
Drucat sich verheirathet, und das Hochzeitsfest in Drucat statt-
findet, so kann der junge Ehemann die erste Nacht mit seiner
Hochzeitsdame nur dann schlafen, wenn dazu die Erhxubniss des
genannten Herrn ertheilt wird, oder der genannte Herr mit
der Hochzeitsdame geschlafen hat; er muss die Erlaub-
niss bei dem Herrn oder seinen Beamten nachsuchen, unter
Ueberreichung von einer Schiissel Fleisch, wie solches auf der
Hochzeit genossen wird , und zwei Kannen vom Hochzeitstrunk
(,los de bruvaige', d. h. Lehnsabgaben von Getrank, bibera-
gium, breuvage); dies Recht wird ,droit de cullage' genannt;
* Coutumes. usages et communes observances de la terre et seignorie du
Maisnel-Ies-Hesdin , appartenant a Mgr. Guy du Maisnel, redigees par eorit,
lues et publiees le 20 sept. 1507. a la conjure de Nicolas Brumet , bailli de
ladite terre , Art. 4, bei Bouthors Bd. 2 S. 626: „Item, se aulcuns se con-
joindent par mariage, en ladite ville et seignourie ou ailleurs, voeullent cou-
chier, la premiere nuyt de leurs noeupces, sur ladite seignourie . soit quilz
soient subgetz ou non, le sire de noeupces ne poeult ou doit couchier avcc
aa femme et espouse, ladit premiere nuyt. sans deinander grace ou congi^ de
ce faire audit seigneur, sur peine de confiscation du lit sur lequel lesdis con-
joingz aueroient couchie , et de tout ce qui seroit trouve sur ledlt lit, len-
demain au matin, le tout au droit et prouffit d'iceluy seigneur."
2 Delpit S 28; de Labessade S. 60.
•5 Vgl. oben Kap. 12.
Kapitel 78. Coutuincs voni .Falir 1507 vom Anit Aniiens. 329
und dies ,droit de cullaige' ward von dem genannten Herrn und
seinen Vorgangern seit unvordenklichen Zeiten ausgeiibt." * Die
Stelle sagt nicht, dass dor Herr von Rarnbures das Kecht in
Ansprucii genommen habe, bei der neuvermahlten Frau zu
schlafen, sondern dass er die Erlaubniss zur Vollziehung der
Ehe (zum Beilager) zu ertheilen und dafiir eine bestimmte Ab-
gabe zu fordern hatte, und dass er diesen Anspruch verlor, wenn
er bei der jungen Frau schlief. Hierin kann eine scherzhafte
Redewendung gefunden werden ^. Wiire der Satz ernst gemeint,
so wiirde der Verlust der bezeichneten Rechte aus dem Miss-
brauch der grundherrlichen Grewalt zu erklaren sein ^. Also be-
stand das droit de cullage (oder cullaige) im Sinn dieser Stelle
lediglich in dem Anspruch auf einen bestimmten Antheil vom
' Coutume de Drucat (in der baronie Barlin, pr^vote de Beauquesne)
V. 28. Sept. 1507, bei Boutbors Bd. 1 S. 481—485, Art. 17: „Item, et quant
aucun des subgietz ou subgietes dudit lieu de Drucat se marye et la feste
et noeupce se font [fait] audit lieu de Drucat, le marye ne poeult couchier la
premiere nuyt avec sa dame de nuyt sans la congie, licence et auctorite dudit
aeigneur ouqiiel [ou que] ledit seigneur aif coiichie avecq ladite danie de noeupce ;
lequel congie 11 est tenu demander audit seigneur ou a ses officiers; pour le-
quel congie obtenir, ledit marye est tenu baillier ung plat de viande tel que on
la mengue ausdites noeupces, avec deux los de bruvaige tel que Ton boit aus-
dites noeupces; et est ledit droit appelle drott de cullage ; et d'icelluy droit
de cidlaige ledit seigneur et ses predecesseurs ont joy de tout tamps et de tel
qu'il n'est memoire du contraire.''' Vgl. Berger de Xivrey S. 22, 23: Bonne-
mere Bd. 1 S. 60; Veuillot 2. Aufl. S. 333-335. — Der oben (S. 96) eror-
terte Ausdruck „droit de cuUage" iJisst sich vielleicht von dem lat. culeus,
culleus , culleum oder culeum (d. i. Sack oder Schlauch zur Auf bewahrung
von Wein) herleiten und danach als eine Abgabe vom Hochzeitswein erkljiren,
da der Wein (vgl. oben S 92, 94, 98, 100. 142 — 144) oder sonstige Hoch-
zeitstrunk (bruvaige) imter den Heirathsabgaben vorkommt. und sogar vom
Trinken des ..culaige" die Rede ist, vgl. oben S. 96, Note 7. Herr Archiv-
director Dr. Pfannenschmid zu Colmar. dem ich diese etymologische Hypo-
these verdanke, legt mir die Frage vor, ob etwa in ahnlicher Weise das
„droit de jambage" oder „cuissage" aus cuisse oder jambe in der Bedeutung
von Schinken als Heirathsabgabe fiir die Kuche zu erklaren sei (wie droit de
cullage als Heiratlisabgabe fiir den Kellerj. Eine solche Erklarung wiirde
sprachlich zulassig sein und noch dadurch unterstiitzt werden , dass „jambe"
(Schinken) unter den Heirathsabgaben vorkommt, z. B. in der Urk. v. 1373,
oben S. 92. Auch wiire es denkl>ar , dass man jenem Wort in spaterer Zeit
durch Missverstand eine unziichtige Bedeutung gegeben hatte. AUein gleich-
wohl kann jene Erklarung nicht angenommen werden, solange keine Urkunde
bekannt ist, worin das „droit de jambage" zur Bezeichnung einer Heiraths-
abgabe gebraucht wird. Vgl. oben S. 15. 54—56. 259, 269.
2 Vgl. unten Kap. 88.
3 Vgl. Kap. 9 S. 49.
330 Kapitel 79. Die questaux des Caver von Lobier.
Hochzeitsmahl ^ ; und es irren die Schriftsteller, welche annehmen,
die Coutume habe bedingungsweise oder gar unbedingt dem Grund-
herrn das jus primae noctis gewahrt ^.
Der Herr von Barlin hatte ein „droit de cullage", welches
darin bestand, dass seine Vasallinnen, so oft sie heiratheten, ihm
den „relief du bail" zu zahlen hatten ^. Es scheint, dass dieser
relief du bail den sechsten Theil vom Werth der Jahreseinkiinfte
betrug, und dass Herr von Barlin seinerseits eine ahnliche Ab-
gabe an Madame de Humbrecourt zu entrichten hatte *. Ohne
Crrund finden einige Schriftsteller hierin einen Beweis des Herrea-
rechts der ersten Nacht ^.
jS. Recht des Herrn von Lobier in Bearn (Urk. vom Jahr 1538).
Kapitel 79. Im neunzehnten Jahrhundert wird die Meinung
vertheidigt, dass in Bearn das jus primae noctis geherracht habe^
Es soU sich in den nordlichen Pyrenaenthalern von Bearn „mit
baarstriiubender Zahigkeit" erhalten haben ^ und dort „allgemeiii
anerkanntes Recht der Edelleute" gewesen sein^. „Noch im
vierzehnten Jahrhundert", sagt man, lag dem Neuvermahlten die
Yerpflichtung ob, seine Frau dem Herrn behufs Ausiibung des
jus primae noctis personlich zuzufiihren ^; und im Archiv des
^ Delisle, in der Bibl. de Tecole des chartes, 3« serie, Bd. 5 S. 548.
2 Bouthors Bd. 1 S. 449, 450 (wo das Recht als ein bedingtes hingestellt
wird) und Bd. 1 S. XIII (wo die Bedingung fehlt) ; Buchmann S. 37 ; de La-
bessade S. 18, 56, 57.
^ Bouthors Bd. 1 S. 473: „Le seigneur de Barlin a un certain droit de
cullage , qui est tel que toutes femmes qui tiennent fiefs de lui , toutes et
quantes fois qu'elles se maryent ou changent de niary, sont tenues payer re-
lief du bail."
■* „Le seigneur de Barlin a plusieurs beaux droix: . . . et sy a un cer-
tain (Iroit de cuUage qui est tel que toutes femmes qui tiennent fief de lui,
toutes et quantes fois elles se marient , ou changent de mary , sont tenues
payer assavoir les fiefs, reliefs limites, et les coteries, le sixieme denier de
la valeur. Duquel droit de cullage ledit sieur de Barlin est tenu faire pareil
droit a Madame de Humbrecourt." Delpit S. 27; Veuillot 2. Aufl. S. 219;
de Labessade S. 58, 59.
5 Delpit S. 27; de Labessade S. 18, 58, 59.
^ Mazure S. 171, 172; Bonnemere Bd. 2 S. 65; Helfferich S. 412, 413;
Pinard S. 635; Sngenheim 1861, S. 103, 104; Augsb. Allg. Ztg. v. 18. April
1868, Beil. S. 1662; Sugenheim 1872, S. 930: Liebrecht 1874, S. 139; de La-
bessade S. 30 Nr. 70 und S. 53—56; Liebrecht 1879, S. 418.
^ Helfferich S. 412, 413.
^ Sugenheim 1861, S. 103, 104, und 1872, S. 930.
9 Sugenheim 1872, S. 930.
Kapitel 79. Die qiiestaux des Caver von Lobier. 331
flObergericlits" Pau liegen, wie Helffcrich sagt, ganze Actenstiicke
von Beschwerden gegen das landesiibliche jus primae noctis auf-
geschichtet K Alle diese Behauptungen sind unhaltbar; sie stiitzen
sich lediglich auf zwei einzelne Urkunden verschiedenen Inhalts,
die nicht dem Mittelalter, sondern der Neuzeit angehoren; beide
datiren vom Jahr 1538, konnen also fiir das „vierzehnte Jahr-
hundert" und noch altere Zeit keinen Beweis liefern.
Ueber die eine der beiden Urkunden ist Folgendes zu be-
merken ^.
Im Thal von Ossau, am Fuss des Pic du Midi in den Hoch-
Pyrenaen, liegt die Ortschaft Haas oder Aas, die im Anfang des
sechzehnten Jahrhunderts den Herren von Lobier (Louvie-Sou-
biron) gehorte. Darin lebten damals neun Familien von Schutz-
horigen, „questaux", auf die sich ein Verzeichniss der Rechte des
Herrn Johann von Lobier vom Jahr 1538 bezieht. Zwei Artikel
dieses Verzeichnisses lauten: „Art. 39. Wenn Leute aus diesen
Hausern sich verheirathen, so sind sie gehalten, bevor sie
ihre Frauen erkennen, sie fiir die erste Nacht dera
Herrn von Lobier vorzustellen, damit derselbe mit
ihnen nach seinem Vergniigen verfiihrt, oder sonst
ihm seinen Tribut zu iiberreichen. Art. 40. Bei jeder
Geburt eines Kindes sind sie gehalten, eine bestimmte Summe
von Pfennigen zu bringen, und wenn es sich ereignet, dass das
erstgeborene Kind ein Knabe ist, so ist es frei, weil es aus dem
Actus des genannten Herrn von Lobier in jener Nacht seines
Vergniigens erzeugt sein konnte." Diese Stelle ist in der Sprache
von Bearn im Jahr 1841 durch Mazure und Hatoulet^ und spater
1 Helfferich S. 412, 413. Aiis dieser Behauptung geht nicht klar hervor,"
ob die Cour d'appel zu Pau oder der vormalige Cort mayor gemeint ist. —
Bascle de Lagreze hat im Archiv des Schlosses von Heinrich IV. im Jahr 1851
nur eine einzige hierhin gehorige Urkunde gefunden (Lagreze 1851, S. 156),
namlich liber Johann von Louvie-Soubiron , und spilter noch die Urkunde
iiber Herrn von Bizanos entdeckt. Die ,,ganzen Actenstlicke", wovon Helffe-
rich spricht, diirften nirgends existiren.
^ Ueber die andere Urkunde handelt das folgende Kapitel.
3 Mazure S. 172: „Item. Quant auguns de tals maisons se mariden, dabant
que conexer lors molhers, son tengutz de las preseiitar per la piuniere noeijt
amlit senhor de Lobier per en far a son plaser, on autrement lou lalhar cert
tribut." Le premier enfant qui nait de ces memes questaux, s'il est male,
est franc de droit, et cela „per so qui poeyre star engendrat de las obres
deudit senhor de Lobier en ladite prumere noeyt et de sons susditz plasers".
Daraus: Pinard S. 035. — Der Herr von Lobier gehorte zu den „Cavers".
Es gab in Bearn drei Adelsstufen, die zu verschiedenen Gerichten gehiirten,
332 Kapitel 79. DLe questaux des Caver von Lobier.
durch Bascle de Lagreze * veroffentlicht worden; diese beiden
(derselben Zeit angehorigen) Redactionen stimmen, bis auf gering-
fugige Abweichungen, miteinander (iberein. Nach dem Wortlaut
des Art. 39 ist nicht, wie einige Schriftsteller meinen ^, ein Zweifel
moglich, wer das Wahlrecht zwischen Dienstbarkeit und Abgabe
hatte, sondern dies Wahlrecht ist deutlich dem Schutzhorigen
gegeben ^. Die wortliche Auslegung fiihrt dahin, dass der Schutz-
horige bei der Heirath, und zwar vor Vollziehung der Ehe, an
den Herrn von Lobier eine Abgabe zu entrichten hatte, falls er
nicht vorzog, seine Frau fiir die erste Nacht dem Herrn von
Lobier vorzustellen, damit derselbe mit ihr nach seinem Yer-
gniigen verfahre. Dieser Theil der Stelle enthalt einen Scherz;
denn es ist klar, welche Wahl der junge Ehemann treffen wird ;
und die Anspriiche des Herrn, ebenso wie die Verpflichtungen der
jungen Eheleute, sind erledigt, sobald die Abgabe bezahlt ist *.
Der bezeichnete Scherz kann fiir eine Anspielung auf das Herren-
recht der ersten Nacht erklart werden; daraus wiirde zu folgern
sein, dass bei Abfassung der Urkunde vom Jahr 1538 von einem
solchen Recht die Rede war, keineswegs aber, dass es daraals
oder friiher in Bearn .Geltung hatte. Dies wird noch dadurch
bekraftigt, dass die L^rkunde von den Generalprocuratoren des
Landes Bearn bestiitigt wurde^, was nicht hatte geschehen k'6n-
zuerst die Barons. dann die Cavers oder Cavalers und drittens die Domengers.
Vgl. Mazure S. 6.
1 Denombrement. presente en 1538 par le seigneur de Louvie dans les mon-
tagnes d'Ossau, bei Lagreze 1854, S. 709 und 1867, S. 403: „lfe>n, que quant
auguns de tals maisons qui part dessus seran declarados se marldan, d'aban que
conexen lors molbers . so» tengnfs de las presevfar j)er la ^^'umere veyt u
vostre dit sevhor de Lobie per en far a son plaser , o autrenievf lo halhar
son fribitf. Ifeni , si ben cascun enfant que enyendren, lo son tenguts portar
certane somme de diners , et si advien que lo prumer nascut sie enfant
mascle, es franc, per qo que pourra atar enyendrat de las obras deudit senbor
de Lobie en ladite prumere neyt de sos susdits plasers." Daraus: H. Martin
Bd. 5 S. 568: Bonnemere B* 1 S. 58 , 59 , Bd. 2 S. 65 : Laferriere Bd. 5
S. 454. 455: Delpit S. 115, 132: Barthelemy S. 106: Bucbniann S. 37. 38;
Kulischer S. 227.
- Mazure S 172: Pinard S. 635.
^ Darin stimmt diese Urkunde uberein mit der Urkunde aus der Nor-
mandie vom Jahr 1419 (oben Kap. 58 S. 253) und mit den beiden schwei-
zeriscben Urkunden von den Jabren 1538 und 1543 (unten Kap. 88 S. 353
und folg.).
* Die Art und Hohe der Abgabe ist in der Urkunde nicht ausgedruckt,
vielleicht deshalb, weil sie durch Herkommen feststand.
* Dass dies geschehen sei, versicbert Lagr^ze 1867. S. 404.
Kapitel 79. Dle questaux des Caver von Lobier. 333
nen, wenn eine Bestimmuntr derselben den guten Sitten wider-
sprochen hatte. Eine weitere Bestatigung des Gesagten liegt
darin, dass auch der Art. 40, in der Art, wie er einen Rechts-
satz begriindet, nur als Scherz aufgefasst werden kann. Das
erstgeborne Kind war frei , wenn es ein Knabe war. Ware
der Grund , den die Urkunde fiir die Freiheit angiebt , ernst
gemeint, so wiirde die Unterscheidung von Knaben und Mad-
chen unerklarlich sein ' : und es wiirde ebenso unbegreiflich
sein, dass nicht unterschieden wurde, ob der Herr die Abfindung
erhalten hatte oder nicht. Ein Scherz aber ist nicht nach den
Regeln der Logik zu beurtheilen. Der wahre Grund fiir jene
Bestimmung diirfte in dem Geist der Milde und Billigkeit zu
suchen sein, der in den Rechtseinrichtungen von Bearn herrschte
und in einigen Bestimmungen iiber besondere Freiheiten des
altesten Sohnes ^ Ausdruck fand. Es ist daher erkiarlich, dass
die questaux des Herrn von Lobier fiir das erstgeborne Kind,
wenn es ein Knabe war, die Abgabe nicht zu entrichten hatten,
die sonst bei der Geburt eines Kindes mit einigen Pfennigen an
den Schutzherrn zu zahlen war. Aus allen diesen Griinden e^--
giebt sich die Haltlosigkeit der Meinung, dass die Leibeigenen
* Sugenheim 1872, S. 930, behauptet, in Bearn seien ..alle erstgebornen
Kinder'^ der Leibeigenen und Horigen gesetzlich freien Standes gewesen,
„weil sie die Prasumtion fiir sich hatten. dass adeliges Blut in ihren Adern
rollte". Hier wird der in der Urkunde ausgedriickte Unterschied von Knaben
und Madchen verschwiegen.
2 Vielleicht gehort hierhin schon das For von Morlaas vom Jahr 1200.
Art. 223 (Mazure S. 172), insofern darin nur von den ..nachgebornen Sohnen"
der questaux die Rede ist. In einem Zinsbuch aus B6arn vom Jahr 1538 (Mazure
S. 171) wird im Ahschnitt von den Verpflichtungen der questaux zu Rivi^re-
Basse hervorgehoben, dass sie alle Sohne, mit Ausnahme des erstgebornen,
dem Herrn bringen miissten , damit dieselben ein Jahr lang zum Schutz des
Schlosses von Orthez dienten. (Hiernach war der alteste Sohn von der sonst
allgemeinen Wehrpflicht ausgenommen.) Auch bei den Cavers war die recht-
iiche Stellung des altesten Sohnes und vermuthlichen Erben gegeniiber dem
Senhor giinstiger, als die seiner Briider. Fors de Bearn , rubr. 13 art. 18:
vConegude cause sie a tots . que tots los de Bearn debin lors filhs presentar
au Senhor, exceptat aquey qui bolera que sie son successor de sa terre , et
lo Senhor qu'eus deu thier entro sie segur de lor. en tau manerie, que de
qui en abant, lo pay et la may non sie tribalhat adde pagar per lor. ni a
plus presentar lors filhs au Senhor; pero. son filh prim Jiereter et successor
no se pnsentara a luij ; car lo pay e§ tengut de pagar son delicte." Diese
Bestimmungen erinnern an einige deutsche Gewohnheitsrechte , wonach unter
mehreren Kindern eines Horigen entweder das alteste oder das jiingste Kind
frei wurde (Grimm. R.-A. S. 324).
334 Kapitel 79. Die questaux des Caver von Lobier.
des Herrn von Lobier dem emporenden Herrenrecht der ersten
JN'acht unterworfen ^ewesen seien ^.
1 Dies meinen Mazure (S. ITl. 172) und Pinard (S. 635), die daraus zu-
gleich die allgemeine Folgerung ziehen, dass die Leibeigenen des Herrn von
Lobier in driickendster Knechtschaft gelebt hiitten. Ware dies richtig, so
Aviirde diese Knechtschaft mit dem Geist der Freiheit, der die Gesetze (^Fors'")
von Bearn durchdrang und insbesondere auch die personliche Stellung der
Horigen kennzeichnete (vgl. Laferriere Bd. 5 S. 434. 535). in grellem Wider-
spruch gestanden haben. (Die Herrschaft Laas in Ossau gehorte seit Anfang
<les zwolften Jahrhunderts zu Bearn: ein besonderes For von Ossau vi'urde
im Jahr 1221 erneuert. Vgl. Mazure S. 4 und 220 — 229.) Es ist aber un-
denkbar. dass der Caver von Lobier eine Knechtschaft, die den Landes-
gesetzen widersprach . thatsachlich iiben konnte , ohne deshalb bei dem Cort
mayor verklagt zu werden. Ygl. die alten Fors de Bearn, rubr. 12 art. 17:
„Los cavers tots aperats a Cort mayor, debin aqui responer et son de la
Cort mayor." Die Rechtsptlege -war im Mittelalter so prompt. dass der
Kichter die Unterhaltskosten des Klagers zu tragen hatte , wenn er iiber die
Klage nicht sofort urtheilte und dadurch einen Aufenthalt verschuldete (vgl.
Fors de Bearn, rubr. 3 art. 4 und besonders rubr. 32 art. 78). Nach allen
Fors von Bearn kennzeichnet sich die Stellung der questaux dahin , dass sie
einerseits zu gewissen Abgaben und Diensten dem Schutzherrn gegeniiber
verpflichtet waren, andererseits aber fiir sich und ihre Familie gesicherten
Lebensunterhalt hatten. Die Abgaben waren nicht driickend, wie aus zahl-
reichen Urkunden deutlich erhellt. Im For von Morlaas vom Jahr 1200. Art.
232 (Mazure S. 172). und in den durch Konig Heinrich II. von Navarra im
Jahr 1552 bestatigten Fors von Bearn. Art. 1 — 3 (Mazure S. 173). sind die
beiderseitigen Rechte und Pflichten festgesetzt. Danach war beispielsweise
der Schutzberr verpflichtet . an seine questaux im Fall der Noth Lebens-
mittel zu liefern: und das Schutzgeld der questaux durfte nicht so hoch
sein. dass sie dadurch genothigt werden konnten, ihre Ochsen oder an-
deres Ackervieh zu verkaufen. In einem Zinsbuch aus Bearn vom Jahr 1538
(.Mazure S. 171) sind beziiglich der Ortschaften Sauveterre und Riviere-Basse
die Summen des Schutzgeldes genau bestimmt. Zugleich geht daraus hervor,
dass die questaux als Herren (senhors) und ihre Wittwen als Herrinnen
(daunes) bezeichnet wurden, und dass sie als Eigenthiimer der Grundstiicke
galten , die in ihrem Besitz waren. Nach einer Priifung alterer Urkunden,
aus der Zeit vom fiinften bis fiinfzehnten Jahrhundert. sind die Herausgeber
der alten Fors von Bearn zu der Ueberzeugung gelangt. dass „les Bearnais
ont joui des franchises personnelles superieures a celles de la plupart des
nations du moyen-age'' (Mazure, Einl. S. LXIV). Gaston X , Phoebus, (Iraf
von Foix und Bearn, erliess im Jahr 1377 an sammtliche questaux von Bearn
-das Anerbieten, ihnen vollige Freiheit zu schenken , wcnn sie die Summen.
die sie bisher als Schutzgeld zahlteiK fortan als Grundzins entrichten wollten:
doch scheint es, dass nur Wenige dies Anerbieten annahmen, weil die Meisten
den Schutz ihres Herrn nicht verlieren wollten. Mazure S. 172. (Uebrigeas
wird Aehnliches von andern Theilen Frankreichs berichtet. dass namlich zufolge
einer Verordnung des Konigs Ludwig X. vom Jahr 1315 „Manche zur Freiheit.
d. i. zum Loskauf, gezwungen worden" seien. Vgl. Hiillmann Bd. 1 S. 88, 89.)
Kapitel 80. IMzanos in Bearn. 335
y. Rcclit (les Herrn von BiJcanos in Bearn (Urk. v. 2. Febr. 1538).
Kapitel 80. Ein in der Landessprache von Bearn abge-
fasstes Yerzeiehniss der Rechte des Herrn von Bizanos bei Pau
vom 2. Februar 1538, worauf im Eingang zu Kap. 79 Bezug ge-
nommen wurde, enthalt folgende Bestimmung: „Da in vergangener
Zeit, nach Ueberlieferung, in dem genannten Ort und in der
Herrschaft die Unterthanen jener Zeit in derartiger Unterwiirfig-
keit von ihren Herren waren, dass die Rechtsvorganger des Herrn
von Bizanos das Recht, die Gewalt und den Torzug hatten, ao
oft Hochzeiten im Ort Bizanos stattfanden, mit der jungen
Frau die erste Xacht nach der Hochzeit zu schlafen;
und weil dies Recht durch ein zwischen seinen Rechtsvorgangern
und den Unterthanen derselben getroffenes Abkommen in einen
andern Tribut verwandelt wurde, wonach der Herr im Besitz des
Rechts ist, zu haben, zu nehmen und zu empfangen, und seine
genannten Unterthanen die Uebung und Gewohnheit haben, zu
iiberreichen und in sein Haus zu bringen, so oft sie Hochzeit
feiern, ein Huhn oder einen Kapaun, eine Hammelschulter und
zwei Brote oder einen Aschenkuchen und zwei Schalen voll biba-
roo" (d. i. eine Art Brei oder Getrarik) — ^: der Nachsatz fehlt
im Abdruck der Urkunde -. Diese Stelle ist in einem franzijsi-
schen Yerzeichniss der Rechte des Jacob du Yignau, Herrn von
Bizanos, vom 12. Sept. 1674 im Wesentlichen wiederholt, da-
gegen in dem Yerzeichniss der Rechte des Henri du Yignau,
Herrn von Bizanos, vom 21. Dec. 1682 weggelassen ^. Gege.n
1 Urk. V. 2. Febr. 1538, bei Barthelemy S. 108 und Lagreze 1867, S. 404,
405: „Item, cum en temps passat auxi que es botz et fama en lodit loc et
senhoria sous sosmes dequet temps eran en subjection en los senhors de tal
los predecessors deu denombrant en dret. auctoritat, preheminence, totas quales
vegadas qui se fazen sposaliciis en lodit loc de Bizanos , de dromir a son
pJaser ah las vobias la prumera noeyt lylus prochana de lasdictes sposaliciis,
et per so que enter sos predecessors et sosdits sosmes tal dicte subjection fo
convertit en autre tribut , au moyen de que luy es en possession de haber,
prener, et receber, et sesdits sosmes son tenguts et an usat et acostumat ly
balhan et portan en sa maison, totas vegadas qui fen sposaliciis, une poralba
o ung capon et una spalla de moton et dus paas o una fogassa et duas scu-
delas de bibaroo" — . Das "Wort „fogas3a" scheint dem franzosischen Wort
^fouasse", und ^scudela"" dem franzosischen ecuelle zu entsprechen.
^ Es liegt nahe, zu vermuthen, dass im Eingang eine Abkiirzung ,,Item. (J."'
stand, und dass dieselbe durch den Abschreiber oder Drucker durch Miss-
verstJindniss in quum statt in quod aufgelost wurde. Lautete der Anfang
„Item. quod^', so giebt die Stelle fiir sich allein einen verstandlichen Sinn,
und es fehlt kein Nachsatz.
3 Barthelemv S. 108.
336 Kapitel 81. Bigorre.
die Aechtheit der Urkunden von den Jahren 1588 und 1674 liegt
kein Bedenken vor ^ In der letzteren findet sich die kleine Er-
schwerung der Abgabe , dass nicht ein Huhn oder ein Kapaun,
sondern ein Huhn und ein Kapaun, und nicht bloss zwei. son-
dern drei Schiisseln voll bibaroo geliefert werden soUten ^, Beide
Urkunden enthalten die Behauptung, in hingst vergangenen Zeiten
hatten die Vorganger des Herrn von Bizanos das Recht der er-
sten Nacht gehabt, und schon vor alten Zeiten (die nicht naher
bezeichnet werden) sei dasselbe iu eine Abgabe umgewandelt
worden. Hiernach ergiebt sich aus der Urkunde eine im Jahr
1538 beurkundete Sage, iiber deren Alter und Entstehung nahere
Aufkliirung fehlt. Es ist moglich, dass der Verfasser der Urkunde
von 1538 Etwas iiber ein vergangenes Herrenrecht der ersten Nacht
gehort und danach sich selbst eine Vorstellung dariiber gebildet
hatte, wie die herkommliche Abgabe vom Hochzeitsmahl entstan-
den sein moge. Es ist auch moglich, jedoch bisher nicht bewiesen,
dass es bereits eine altere Urkunde gab, worin das Recht der
Herren von Bizanos in ahnlicher Weise erklart war ^. Fiir die
Richtigkeit dieser Erklarung ist aus der Urkunde Nichts zu ent-
nehnien; daher ist die Meinung, dass darin ein deutlicher Beweis
des jus primae noctis enthalten sei *, nicht gerechtfertigt.
0. R e c h t i n 15 i g o r r e.
Kapitel 81. Die Meinung, dass in der franzosischen Provinz
Bigorre, in den Pyreniien, das Herrenrecht der ersten Xacht
1 Lagreze (1867, S. 404, 405) versichert . die Originale gesehen unil fur
richtig befunden zu haben.
2 Urk. V. 12. Sept. 1674, bei Lagreze 1854, S. 707, und 1867, S. 405:
..Item, temps passe lesdits soubrais estoient en telle subjection. que les pre-
decesseurs dudit denombrant auoient droit, toutesfois et quantes qu'ils pre-
noient femme en mariage. de coucher avec Vespouse la nuit plus prochalne des
nopces; ce devoir a este pourtant conuerty par sesdits predecesseurs en cest
autre, s^avoir: que lesdits soubmis sont tenus et obliges. chaque fois qu"il se
fait des nopces dans ledit lieu. de lui porter une poule, un chapon . une
^paule de mouton. deux pains ou un gateau. et trois ecueilles d'une sorte de
houillie, vulgairement hibaroue." Daraus: H. Martin 4. Aufl. Bd. 5 S. 569;
Bonnemore Bd. 1 S. 61. 62: Laferriere Bd. 5 S. 455: Delpit S. 116; Veuillot
2. Autl. S. 328: Labessade S. 29 Nr. 69, S. 105. 106; Buchmann S. 37.
3 Der Ort Bizanos oder Bisanos ist im For g«''neral von B6arn aus dem
dreizehnten Jahrhundert. Rubr. 37 art. 88 (bei Mazure S. 36) erwjihnt; doch
enthalten die alten Fors von Bearn keine Nachricht uber die Ileirathsabgabe,
die an den Herrn von Bizanos zu entrichten war.
♦ Lagrrze 1867, S. 404. 405.
Kapitel 81. Bigorre. 337
bestanden liabe, ist auf eine irrig-o Schlussfolgerung von Lagreze
und auf ein Missverstandniss von Laferriere zuriickzufiihren.
Lagreze bemerkt, da das Herrenrecht der ersten Nacht in den
Thiilern von Bearn heimisch gewesen sei, so miisse man annehmen,
dass es in den Thiilern von Bigorre ebenfalls bestanden habe ^ ;
diese Folgerung ist voreilig und beruht iiberdies (wie aus den
beiden vorhergehenden Kapiteln erhellt) , auf einer irrigen Yor-
aussetzung. Laferriere sagt, jenes Reclit habe in den Bergen
von Ossun und Bigorre bis zum sechzehnten und siebenzehnten
Jahrhundert authentisclie Denlcmale seiner alten und brutalen
Ausiibung zuriickgelassen , und es stehe in Lehnsregistern aufge-
zeichnet''; er glaubt die lange Dauer dieses unsittlichen Rechts
dadurch erkliiren zu konnen, dass es an einer geistlichen Ge-
richtsbarkeit in Bigorre fehlte ^. Allein die Urkunden , worauf
er sich beruft, sind nicht aus Bigorre, sondern aus Bearn ent-
nommen ^ ; Laferriere verwechselt hier Ossun (in Bigorre) mit
Ossau (in Bearn), obwohl er an einer andern Stelle richtig an-
giebt, dass die Herrschaft Louvie oder Lobie im Gebirge von
Ossau (also nicht Ossun) liegt^, und obwohl er das For von
Ossau mit Recht im Abschnitt iiber die Fors von Bearn be-
spricht**.
Bascle de Lagreze theilt eine Ueberlieferung mit, wonacli ein
Herr von Baudean bei Bagneres in Bigorre das Herrenrecht der
ersten If acht unbarmherzig ausgeiibt haben soll ^. Dieser Bericht
ist so unbestimmt, dass er wenig Beachtung verdient; denn ab-
gesehen davon, dass keine Quelle angegeben ist, und jede Zeit-
angabe fehlt, sind auch nicht einmal nahere Umstiinde bezeichnet,
auf denen die Nachricht beruhen soll. Etwas bestimmter ist fol-
gende Erzahlung, die Lagreze in einer Monographie des Barons
1 Lagreze 1867, S. 406: „Si le droit du seigneur a existe dans les vallees
de Bearn, je n'hesite pas a penser qu'il a existe dans celles de la Bigorre."
- Laferriere Bd. 5 S. 454 : c"est dans les montagnes d'Ossun et de
Bigorre que le droit de la force et de rimpudicite, appele le droit clii seigneur
au moyen-age, a laisse jusqu'aux XVP et XVIP siecles des monuments au-
thentiques de son ancien et brutal exercice. Ce droit est consigne tres-for-
mellement dans des denombrements de droits feodaux" . . .
' Laferriere Bd. 5 S. 458 : . . . „cette absence de justice ecclesiastique
peut expliqiier la longue persistance du droit immoral de prelibation dans les
montagnes et les vallees du comte."
* Vgl. dariiber Kap. 79 und 80.
5 Laferriere Bd. 5 S. 455, Anm. 10. ~ « Laferriere Bd. 5 S. 424.
' Lagreze 1854, S. 709, ferner 1864, S- 132 und 1867, S. 406: Laferriere
'Bd. 5 S. 456.
Schmidt, .Jns primae noctis. 22
338 Kapitel 81. Bigorre.
Agos liber Kotre-Dame-de-Bounsp gefunden hat. Eine Braut
Namens Loubet aus dem Dorf Soulan im Thal von Aure bat
den Herrn der Ortschaft , er moge darauf verzichten , das
schreckliche Herrenreeht an ihr auszuiiben. Sie fand bei ihm
kein Gehor, begab sich dann in die Kapelle zu Unserer Lieben
Frau von Bourisp, kniete vor dem Bilde der Mutter Gottes
und machte das Geliibde, die schonste Farse (junge Kuh) von
ihrer Heerde zu opfern, vrenn der Himmel sie vor der drohen-
den Schande bewahre. Der Hochzeitstag kam heran, und der
Hochzeitszug bewegte sich zur Kirche, unter dem Freuden-
geliiut der Glocken. Plotzlich erschollen dazwischen die Trauer-
glocken, weil der Herr des Ortes eines jahen Todes gestorben
war. Die Braut wurde dadurch frei und saumte nicht, das an-
gelobte Opfer zu entrichten, Noyes de Yielle nahm die Kuh in
Yiehpacht (gazaille) fiir eine Jahresabgabe, die bis zum Jahr 1789
an die genannte Kapelle piinktlich bezahlt wurde ; und die Glocke
der Kuh blieb ex voto Jahrhunderte lang auf dem Altar ^. Allein
es fehlt eine niihere Auskunft iiber das Alter dieser angeblichen
Yolkssage , die keinenfalls geschichtlich beglaubigt ist. Bei
Heliferich findet sich eine Yermengung der beiden vorstehenden
Erzahlungen zu einem einzigen Yorfall, der wie eine geschichtliche
Thatsache geschildert wird ^. Andere Schriftsteller berufen sich
auf Lagreze fiir die Behauptung , dass in Bigorre das jus primae
noctis heimisch gewesen sei und sich dort langer als in den mei-
sten franzosischen Provinzen erhalten habe ^ , obgleich Lagreze
selbst versichert, dass er in den Archiven von Bigorre keine
Spuren von jenem Recht gefunden habe'^.
1 Lagreze 1854, S. 709, ferner 1864, S. 132 und 1867, S. 407, 408: H. Martin
4. Atifl. Bd. 5 S. 569; Laferriere Bd. 5 S. 456: Delpit S. 130, 131.
2 Helfferich S. 413: „Ein Herr von Baudean . bei Bagneres-de-Bigorre.
blieb taub gegen die flehentliche Bitte einer Braut. ihre Ehre [nicht] anzu-
tasten, worauf das Madchen in der Kapelle von Notre-Dame-de-Bourisp der
Mutter Gottes die schonste genisse (Farse) ihrer Heerde gelobte , wenn sie
vor der Entehrung sie schiitzen woUe. Am Hochzeitstage stirbt der Herr
eines jahen Todes, und noch bis zum Jahr 1789 wurde das Geliibde in Form
einer Rente entrichtet."
5 Augsb. Allg. Ztg. vom 18. April 1868 Nr."109, S. 1662; Liebrecht 1869,
5. 811, ebenso 1874, S. 139 und 1879, S. 418.
* Lagr^ze 1864, S. 132: „Dans les archives des seigneurs de nos vall^es,
nous n'avons trouv^ aucune trace de ce droit odieux , raais 11 en existe de
tr^s-profondes dans les traditions du pays.'"
Kapitel 82. Ein Pfarrer vor dem Motropolitangoricht zu Bourges. 339
2. GericliiUclie Entscheidioigen.
a. Process eines Pfarrers vor dem Metropolitangericht zu
Bo urges.
Kapitel 8'2. In der unter deni Namen von Nieolaus Boerius
herausgegebenen Sammlung von Entscheidungen des Senats von
Bordeaux findet sich folgende Stelle: „Ich habe gesehen,
wie in einer Yerhandlung vor dem erzbisch oflichen
Gericht zu Bourges, in der Berufungsinstanz, ein
Pfarrer die Behauptung aufstellte, dass ihm gewohn-
heitsmassig die erste fleischliche Erkennung der
vermahlten Frau zukomme; diese Grewohnheit wurde
fiir nichtig erklart, und er (der Pfarrer) zu einer Geld-
strafe verurtheilt." ^ Daraus ist die Nachricht in zahlreiche
spatere Werke iibergegangen ^. Bei Auslegung dieser Stelle konnte
man voraussetzen , dass der betreffende Pfarrer vor dem geist-
lichen Gericht wegen einer strafbaren Handlung angeklagt war
und sich in zweiter Instanz zu seiner Entschuldigung auf die
bezeichnete Gewohnheit berief, dass er jedoch verurtheilt wurde,
weil das Gericht die vorgebliche Gewohnheit fiir rechtlich un-
wirksam erachtete. Eine audere Auslegung ist kaum moglich,
wenn die Erzahlung als richtig angenommen wird ; denn ein
etwaiger grundherrlicher Anspruch hatte nicht zur Zustandigkeit
des geistlichen Gerichts gehort; zudem ist nicht gesagt, dass
der betreffende Pfarrer zugleich Grundherr gewesen sei. Allein
immerhin erscheint es als auffallend und unglaublich, dass ein
Angeklagter seine That mit deren Gewohnheitsmiissigkeit ent-
schuldigt ^, und ein Geistlicher vor dem geistlichen Gerichts-
hof ein Recht auf ^die erste fleischliche Erkennung der ver-
1 Boerius dec. 297 n. 17: „Et ego vidi In curia Bituricensi coram Metro-
politano processum appellationis, in quo rector seu curatus parochialis prae-
tendebat ex consuetudine primam habere carnalem sponsae cognitionem. quae
consuetudo fuit annullata, et in emendam condemnatus.'"
2 Lauriere unter Marquette ; Ducange unter Marcheta; Reynitzsch S. 275:
Sugenheim 1861, S. 104; Gubernatis , Usi S. 199; L. Favre zu La Curne
unter Cuissage; Kulischer S. 224. Uebersetzungen: Diss. S. Claude S. 134;
Merlin, R6p. unter Markette ; Dupin S. 131; Le Siecle, 19 sept. 1854, erste
Seite; Kolb 1842, S. 497. — Die spanischen Advocaten Marichalar und Man-
rique (Bd. 6 S. 68, 69) haben die Stelle von Ducange derartig missverstanden,
dass sie den fraglichen Process nach Antwerpen verlegen.
3 Die Gewohnheitsmassigkeit einer strafbaren Handlung kann nicht einen
Strafausschliessungs- oder Milderungsgrund. sondern nur einen Strafschiirfungs-
grund bilden.
22*
340 Kapitel 82. Ein Pfarrer vor dem Metropolitangericht zu Bourges.
mahlten Frauen" in Ansprucli genommen habe. Hiernach ist
die Auslegung der Stelle keineswegs, wie behauptet wird ^, klar
und einfach. Ware gegen die Lauterkeit der Quelle Nichts
einzuwenden, so miisste schon aus den angefdhrten Griinden an
eine Ungenauigkeit des Berichts gedacht werden. Man konnte
die Yermuthung aufstellen, dass jener Pfarrer eine kirchliche
Gebiihr aus ahnlichen Griinden begehrte, wie solche geraume
Zeit friiher durch die Pfarrer von Abbeville, im Beistand des
Bischofs von Amiens, vor dem Parlament zu Paris vertheidigt
war^, und dass er gegen die durch Urtheil erster lustanz er-
folgte Abweisung der Klage Berufung eingelegt hatte. Dann
ware es erkliirlich, dass die Sache an das erzbischofliche Gericht
zur Entscheidung gelangte , und dass dies Gericht, aus ahnlichen
Griinden wie seinerzeit das Parlament zu Paris, den Anspruch
fiir unbegriindet erachtete, demgemass die Berufung verwarf und
den Klager in die Succumbenzstrafe (emendam) verurtheilte. Die
Annahme eines Missverstandnisses liegt besonders deshalb nahe,
weil der Berichterstatter die ganz ungleichartigen Anspriiche des
Bischofs von Amiens (vgl. oben Kap. 63) und der Grundherren
der Gascogne (vgl. oben' Kap. 61) mit den Anspriichen des be-
treffenden Pfarrers als gleichartig zusammenstellte ^. AVaren die
Streitigkeiten , woriiber das erzbischofliche Gericht zu Bourges
entschied, von derselben Art wie die des Bischofs von Amiens
und der Pfarrer von Abbeville gewesen, so konnten sie sich nicht
auf das Herrenrecht der ersten Nacht bezogen haben. Indessen
abgesehen von den hervorgehobenen Unklarheiten, sprechen noch
andere Griinde fiir die Annahme, dass die fragliche Stelle keinen
hohern Werth hat , als eine um Mitte des sechzehnten Jahr-
hunderts erdachte Anecdote *. Der Bericht ist so unbestimmt
gehalten, dass er iiber den Ort der Pfarrei, den Xamen des Pfar-
rers, die Zeit des Processes und den Namen des Gerichts erster
Instanz keine Angaben enthalt; ebensowenig ist angegeben, ob
/ 1 Vallein S. 220: „un texte si clair et simple!"
' Vgl. daruber Kap. 63 S. 278, 279.
' Boerius dec. 297 n. 17 hinter der obeu (S. 339, Anm. 1) angefiihrten
Stelle: ,,Et pariter dici audivi et pro certo haberi, nonnullos Vasconiae do-
minos" etc. (vgl. oben Kap. 61 S. 258. 259). Dann heisst es weiter : „Et
similiter reperi Ambianensem Episcopum pro licentia" etc. (folgt ein Bericht
Uber das in Kap. 63 besprochene Parlamentsurtheil vom 10. Miirz 1409).
* Zu demselben Ergebniss gelangt der Commissionsbericht der franzosischen
Akademic der Inschriften vom 11. Aug. 1854, Berger de Xivrey S. 23. Vgl.
auch Veuillot 2. Aufi. S. 151 — 154.
Kapitel 82. ELii Pfarrer vor dem Metropolitangericht zu Bourges. 341
und in welcher Eigenschaft Nie. Boerius zu der Yerhandlung
hinzugezog-en wurde, oder aus welcher Yeranlassung er Gelegen-
heit hatte, dem Yerhor beizuwohnen ^. In der Geschichte des
Erzbisthums liourges und der davon abhangigen fiinf Bisthiimer ^
sind keine ^Nachricliten iiber einen Process zu entdecken, auf
den die Angaben von Boorius sich beziehen konnten. Der Erz-
bischof Franz I. de Beuil hob in der Zeit von 1520—1525 einige
Missbriiuche auf; doch betrafen dieselben Schmausereien bei der
Frohnleichnarasprocession und unschickliche Yerkleidungen, welche
am Martinsfest, Nicolausfest und Innocenzfest iiblich waren^: sie
standen also in keinem Zusammenhang mit dem Missbrauch, den
die angefiihrte Stelle andeutet. Zur Lebenszeit des !Xic. Boerius
und etwas spiiter wirkten auf der Universitat zu Bourges die
grossten Rechtslehrer, namentlich Alciat, Duaren, Cujacius und
Donellus^; doch findet sich in ihren Schriften meines Wissens
keine Andeutung von dem fraglichen Process, obwohl alle diese
Juristen an verschiedenen Stellen ihrer Werke genugsam Yer-
anlassung gehabt hatteu, einen so sonderbaren Process zu er-
wiihnen. Xicolaus Boyer oder Bohier , lateinisch Boerius '" (am
2. Mai 1469 zu Montepessulano bei Narbonne geboren), war seit
1512 Professor an der Universitiit zu Bourges, wurde spater in
den Senat zu Bordeaux berufen und starb als dessen Yicepriisi-
dent (president a mortier) am 10. Juni 1531 oder 1539 ^. Die
unter seinem Xamen herausgegebenen Decisiones Burdegalenses
erschienen erst im Jahr 1551, also nach seinem Tode, mit Yor-
rede des Joannes Alesmius vora 1. Mai 1544. Dies AYerk ent-
* Dies letztgenannte Bedenken wiirde sich erledigen, wenn feststande. wie
Laferriere Bd. 5 S. 456 schreibt, dass Boerius Neffe des Erzbischofs Guillel-
raus IV de Cambray (1492—1504) und dessen ..Bailli du Palais" und Bailli
,.des autres Justices de Tarcheveque" gewesen sei. und dass er in dieser
Stellung Gelegenheit gehabt habe, genau zu wissen. was er berichtete. Doch
giebt Laferriere nicht an, aus Avelchen Quellen er die bezeichneten Notizen
iiber Nic. Boerius entnommen hat.
2 Gall. Christ. Bd. 2 S. 87—98, 225-685.
3 Gall. Christ. Bd. 2 S. i)6.
* Alciatus, geb. 1. :Mai 1492. <eit 1529 Professor in Bourges: Duarenus,
geb. 1509, seit 1551 Professor in Bourges: Cujacius. geb. 1520 oder 1522, ge-
storben zu Bourges 1590; Donellus, geb. 1527. gestorben 1591.
5 Nicht zu verwechseln niit Jean Bouhier , Viceprasidenten am Parlament
zu Di.jon. geb. 16. ^NIarz 1673. gest. 17. Marz 1746, auch nicht mit dem ersten
Bischof von Dijon. Namens Jean Bouhier. der im Jahr 1744 starb. Vgl. die
naheren Angaben bei Michaud.
^ Vgl. Stepf Bd. 1 8. 224. 225, insbesondere auch die Lebensbeschreibung
von Joannes Alesmius in dessen Ausgabe der Werke von Boerius.
342 Kapitel 82. Ein Pfarrer vor dem Metropolitaiigericht zu Bourges.
halt viele Zusiitze, die nicht von Boerius herriihren, sondern zur
Yergrosserung des Buchs von jungen Leuten verfasst sind ^ : zu
diesen werthlosen Zustitzen kann die angefiihrte Stelle gezahlt
werden, als eine der vielen Anecdoten, die von der Art sind,
dass sie keinen Glauben verdienen ^.
Es ist erstaunlich, wie ungebiihrlich die Stelle des Boerius von
spateren Schriftstellern ausgebeutet wurde. Lauriere meint, diese
Stelle allein geniige, um nachzuweisen, dass in Frankreich dasselbe
Recht gegolten habe, welches durch Konig Evenus in Schottland
eingefiihrt gewesen sei ^. Auch Ducange und dessen Nachfolger
citiren die Stelle aus Boerius gleichzeitig rait dem Gesetz des
Konigs Evenus als Beweis fiir das Herrenrecht der ersten Nacht ^.
Raynal und Delpit sagen, ein Pfarrer habe das anstossige „droit
de marquette" oder „droit de julie" zu beanspruchen gewagt^.
Mit Berufung auf Boerius behaupten viele Schriftsteller, dass die
Geistlichen das Herrenrecht der ersten Nacht geltend gemacht
hatten ^ ; und mit Entriistung bemerkt Dalloz, das stolze und leb-
hafte franziisische Yolk habe in dem Herrenrecht der ersten Xacht
die Spuren einer langen und dummen Yerthierung bis ins sieb-
zehnte Jahrhundert ertragen '. Demgegeniiber kann die Meinung
Labessade's, dass der Pfarrer eine Abgabe von allen Yerheira-
theten der Pfarrei anstatt des Rechts einer ersten fleischlichen
Erkennung begehrt habe ^, als eine verhaltnissmiissig gemassigte
bezeichnet werden. Sechs grobe Irrthiimer finden sich in einem
einzigen Satz von Kolb: „Boetie (geb. 1531, gest. 1563) erzahlt
ziemlich umstdndlirh, wie er selbst die Acten eines Processes ge-
sehen habe, in welchen ein Pfarrer bei dem Appellhofe zu Bourges
sein desfallsiges Recht geltend zu machen suchte!"^ Dulaure
meint, der fragliche Pfarrer habe bei dem Metropolitan ein Ge-
1 Dumoulin, pars 3 n. 255 S. 400: „Multa in d. [d. = dictis] decisionibus
ad augendum librum inserta sunt, quae non sunt e senteutia Nicolai Boerii
jam senio confecti, sed allegationes juvenum.''' Vgl. Camus Bd. 2 S. 277.
2 Vgl. Veuillot 2. Aufl. S. 151—163: Lagreze 1867, S. 416.
^ Lauriere unter Marquettes.
■* Ducange (Henschel) unter Marcheta: Merlin. Kep. unter Markette: Peu-
chet et Chanlaire S. 23: Michelet S. 264: Schaffner Bd. 3 S. 185: Guber-
natis, Usi S. 199.
5 Raynal Bd. 2 S. 209, 210; Delpit S. 84.
« Dulaure, Adel S. 243: Fellens S. 148; Dupin S. 131; Schiiftner Bd. 3
S. 185: Sugenheim 1861, S. 104: Laurent S. 57; v. Maurer Bd. 3 S. 169.
' Dalloz unter Adultere.
* Labessade S. 27 Nr. 58, aucli S. 102, 103.
9 Kolb 1843. Bd. 2 S. 73. 74.
Kapitel 83. Das Kloster Sanct-Stephan vor ilem Parlament zu Paris. 348
sucli um Anerkennung seines Rechts der ersten Nacht einge-
reicht; er fiigt hinzu: „Das Gesuch ward mit Unwillen abge-
schlagen, die Gewohnheit ganz einstimmig verbannt, und der
argerliche PfafFe zu einer Geldbusse verdammt." ^ Collin de
Plancy erziihlt, der Landpfarrer habe nach eigener Angabe jenes
Recht ausgeiibt , solange er in der Pfarrei gewesen sei ; doch
hatten die Plaidoyers in diesem Process ein solches Aergerniss
hervorgerufen, dass der Erzbischof das droit de cuissage in seiner
Diocese abgeschafft und den Pfarrer wegen der Unverschamtheit
seiner Klage zu einer Geldstrafe verurtheilt habe ^. Der AVirk-
liche Regierungsrath von Reynitzsch leitet aus der Stelle von
Boerius sogar folgenden Satz her: es war „gar nichts Unehrliches
fiir einen Dorfpfaffen, die Braute seiner ganzen Pfarre in der
ersten Brautnacht zu beschlafen", obwohl er „doch die Keusch-
heit heilig gelobt und das heilige Sacrament der Ehe abgeschwo-
ren hatte" ^. Die Seltsamkeit dieser Yorstellung wird noch iiber-
troffen durch den in neuester Zeit gemachten Versuch, den ver-
meintlichen Anspruch der Geistlichen, die Braute in der Braut-
nacht zu beschlafen, mit der Einrichtung des Colibats theoretisch
in Einklang zu bringen '\ Die Widerlegung aller dieser Meinungen
ergiebt sich aus der vorstehenden Untersuchung.
3. P r o c e s s d e s K 1 o s t e r s S a n c t - S t e p h a n z u N e v e r s v o r d e m
Parlament von Paris.
Kapitel 88. Paponius berichtet, die Monche, der Prior und
das Kloster Sanct-Stephan in Nevers hatten in einer Klage be-
hauptet, im rechtmassigen Besitz des Rechts zu sein, von Jedem,
der in Nevers heirathe , eine Schiissel Braten , eine Schiissel ge-
kochten Fleisches , einen Krug Wein und ein Brot im Gewicht
von vier Pfund zu erhalten ; doch sei die Klage durch Park-
mentsurtheil vom 27. Sept. 15S2 abgewiesen w^orden^. Dieser
1 Dulaure, Adel S. 243.
2 Collin de Plancy Bd. 1 S. 179; Fellens S. 148.
3 Reynitzsch S. 275. Der erste Theil dieses Satzes steht in directem
Widerspruch mit der von Boerius angegebenen Entscheidung ; er wird beson-
ders unverstilndlich durch den im zweiten Theil des Satzes enthaltenen Hin-
weis auf den Colibat der Geistlichkeit.
* Kulischer S. 225.
* Paponius lib. 13 tit. 3 n. 8: .,Patinam tostae, patinam assae carnis, am-
phoram vini, panem pondere quatuor librarum accipiendi, quod jus Religiosi,
Prior et Conventus oppidi S. Stephani Nivernensis habere praetendebant, et
in ejus possessione exigendi a singulis, qui in civitate Nivernensi matrimo-
344 Kapitel 83. Das Kloster Sanct-Stephan vor dem Parlament zu Paris.
Bericlit ersclieint an und fiir sicli als glaiibliaft ; denn das Klo-
ster Sauct-Stephan zu Nevers (im Jaiir 602 durcli den heiligen
Columban gestiftet , spater zerstort , wieder aufgerichtet und
den Benedictinern iibergeben) hatte ansehnliche grundherrliche
Rechte vom Grafen von Nevers erworben ^ ; auch liesse sich
denken, dass zu den durch Herkommen begriindeten grundherr-
lichen E.echten die bezeichnete Heirathsabgabe gehorte, und dass
im Jahr 1582 das Parlament aus den inzwischen zur Geltung
gekommenen veranderten Rechtsanschauungen die auf das Her-
kommen gegriindeten Anspriiche fiir rechtlich unwirksam erklarte.
Indessen hat Paponius seinen Bericlit, wie ein Citat am Schluss
desselben ersehen lasst, nicht unmittelbar aus dem Urtheil des
Parlaments geschopft, sondern aus einem Werk von Louis Cha-
rondas-le-Caron entnommen; und die Einsiclit dieser Quelle zeigt,
dass die Mittheihmg von Paponius in mehrfacher Beziehung un-
genau ist ^.
Es erhoben namlich Antonie von Grandrye und Genossen
vor dem Vertreter des Senesclialls von Bourbonnais zu Moulins
gegen Meister Johann Brung und Genossen eine Complainte (d. i.
eine Art von Besitzstorurjgsklage) mit der Behauptung, als Lehns-
trager des Herzogs von Nevers, im rechtmassigen Besitz eines
„droit de masse" zu sein, namlich des Bechts, von Jedem, der in
der Stadt Nevers heirathe, eine Steuer zu erheben, und zwar von
der Frau vier Kreuze und vom Mann eine Schiissel Braten, eine
Schiissel gekochtes Fleisch , ein Quart ^Vein , ein Brot von rich-
tigem Gewicht und vier Pfennige, unter Gesang eines scherzhaften
Liedes beim Hochzeitsfest. Die Beklagten, sowie die zu ihrer
Unterstiitzung deni Process beigetretenen Monche, Prior und Con-
vent von Sanct-Stephan, bestritten den klagerischen Anspruch.
Der Richter verurtheilte die Beklagten nach dem Klageantrag
durch Urtheil vom 27. Jan. 1582. Gegen dies Urtheil legten
Meister Johann Brung und Genossen, nebst den Monchen, dem
Prior und dem Convent von Sanct-Stephan, Berufung ein. Das
nium contraherent. ad quod praetensum jus Curia Arresto 27. Septembris 1582
iion admittendos eos esse declaravit.'' Daraus : lirillon Bd. 2 S. 917 (mit
Druckfehlcr 25. statt 27. Sept.) : Veuillot 2. Aufl. S. 2(50.
^ Morellet Bd. 1 S. 115.
^ Danach war das Kloster nicht Klager, sondern Intervenient oder Adeitat
im Process; es stand auf Seiten dcr Beklagten und beantragte gemeinschaft-
lich mit denselben die Abweisung der Klage ; am 27. Januar 1582 erging das
Urtheil erster Instanz, wogegen das Datum des Parlamentsurtheils von Cha-
rondas nicht mitgetheilt wird.
Kapitel 83. Das Klostei- Sanct-Stephan vor dem Parlamant zu Paris. 345
l*arlanieiit zu l'aris entschiecl in dor Jk-rufungsinstanz; es nahm
die Berufung an und wies die Klage ab, mit der Erwagung, dass
aus Geschenken, die auf Hochzeitsfesten aus Munterkeit oder
Freigebigkeit gemacht seien , keine rechtliche Forderung her-
geleitet werden konne, nach Analogie von Lex 41 Dig. de ac-
quirenda vel amittenda possessione und Lex 10 ij 1 Dig. de an-
nuis legatis ^.
Aus dem vorstehenden Bericht erJiellt mit viUliger Klarheit,
dass der Rechtsstreit, bei dem das Kloster Sanct-Stephan be-
theiligt war, eine grundherrliche Heirathsabgabe betraf, und dass
dieselbe nicht den geringsten Anlass zu der Yermuthung bot, als
konnte sie durch Ablosuns' eines anstdssifiren Herrenrechts ent-
1 Charondas liv. 7 resp. 79 (S. 279 der Aiisg. v. 1637): ,.Elle [la Cour]
a encores depuis en infirmant la sentence du Senesehal de Bourbonnais, ou
son Lieutenant a Moulins, entre Maistre Jean Brung et consors, les Religieux.
Prieur et convent du Bourg saint Etieime de Nevers. joints avec eux. appel-
lans de ladicte sentence du 21. jour de Janvier 1582, et Anthoinette de Grand-
rye et consors inthimez d'autre , declare les inthimez non recevables en la
complainte par eux intentee pour la possession d'un droif de masse , qu'ils
pretendoient sur chacun qui se marie dans la ville de Nevers, es quatre croix
dicelle: et pour iccluy un plat de rosty , un plat de boiiilly. un quarte de
vin . un pain de poids . et quatre deniers , en cliantant une ridicale chanson
en rassemblee du festin nuptial: et tenir ledit droit en fief du Duc de Ne-
vers. La Cour a prudemment considere que tel presen offert quelquefois en
un banquet de nopces . par gaillardise ou liberalite , ne devait estre tire a
consequence et necessite, arg. L. qui jure familiaritatis D. de adquir. poss.,
L. Sejo § medico D. de annuis legatis. Baldus in L. solet D. de offic. procons.
et fait a ce propos L. ut pomum D. de servit. et ce que Du Moulin en a
escrit parlant de servitiis feudi insolitis et exorbitantibus. qu'il dit non debere
trahi in consequentiam et . vinculum obligationis , in consuet. Paris. § 53
num. 19 ..." — Es wurde an und fiir sich denkbar sein . dass zwei ver-
schiedene Processe iiber dieselbe Heirathsabgabe geschwebt hatten: dass in
dem einen Process das Kloster als Rechtsnachfolger der Grafen von Nevers
als Klager aufgetreten Avare: und dass es in dem andern Process, worin An-
tonie von Grandrye und Genossen klagten , intervenirte und mit den Be-
klagten auf Abweisung der Klage antrug, weil es die Legitimation der
Klager bestritt und die streitigen Rechte fUr sich selbst in Anspruch nahm.
Doch dlirfte eine solche Annahme dadurch ausgeschlossen sein. dass Paponius
keine andere Quelle als den Bericht von Charondas angiebt. Deshalb ist
es auch bedenklich, durch den Bericht vom Paponius fiir festgestellt zu
ei-achten, dass dic Entscheidung des Parlaments am 27. Sept. 1582 ergangen
sei , da Charondas den Tag der Entscheidung nicht angiebt. INIindestens
ebenso unsicher ist die Angabe Voltaire's (Dict. phil. unter Taxe) , wonach
das Urtheil des Parlaments am 27. Sept. 1591 erlassen sein soll. Ein solches
Urtheil ist im Pariser Staatsarchiv (nach den von mir angestellten Erkundi-
gungen) weder unter dem elnen nocii unter dem andern Datum aufzufinden.
346 Kapitel 84. Die Herren von Souloire vor dem Parlament zu Paris.
standen sein. Mit derselben Sicherheit ergiebt sich aus den Be-
richten von Charondas und Paponius, dass der Process keine
kirchliche Gebiihr betraf, also von dera Rechtsstreit, den der
Bischof von Amiens mit den Bewohnern von Amiens und Abbe-
ville gefiihrt hatte, durchaus verschieden war. Und doch sind
beide Irrthiimer vereinigt in der Behauptung zahlreicher Schrift-
steller, worin dieselben versichern, dass die Pratensionen der
Monche von Sanct-Stephan zu Nevers gleichartig oder gar iden-
tisch mit jenen Anspriichen des Bischofs von Aniiens gewesen
seien, und dass sie einen Beweis fiir das Herrenrecht der ersten
Xacht lieferten ^.
■[. P r 0 c e s s ii b e r R e c h t e d e r H e r r e n v o n S o u 1 o i r e v o r d e m
Parlament zu Pari?.
Kapitel 84. Charlotte Du Bois, AVittwe von Joachim Ba-
rillon, Herrn von Souloire (Saulcires), in der Provinz Anjou,
klagte als Yormiinderin ihrer Kinder, zufolge eines gegeniiber
der Oberlehnslierrin, Grafin von Mauleurier, abgegebenen Lehns-
anerkenntnisses , gegen Gabriel Ragot, Herrn von La Faye, als
Ehegatten der Renee de Guynemoire, und gegen den Meier Michel
Bremat vor dem Gericht des Senechal von Anjou in Angers, wegen
zweier Rechte, Ihr erster Anspruch ging dahin, dass ihr Ser-
geant zu allen Hochzeiten der Unterthanen ihres Lehens acht
Tage zuvor eingehiden werden miisse und berechtigt sei, so oft
es ihm gutdiinke, an der Hochzeit theilzunehmen, vor der jungen
Frau zu sitzen, ebenso wie sie zu speisen, zwei Laufhunde (chiens
courants) und einen Windhund (levrier) mitzubringen, Bekosti-
gung derselben zu verlangen und nach Beendigung des Hoch-
zeitsmahls die junge Frau zu fiihren und das erste Lied zu
singen. Zweitens beantragte sie, zu erkennen, dass ihr Sergeant
berechtigt sei, von jeder offentlichen Dirne (concubine publique),
die sich auf der Strasse treffen lasse, entweder vier Pfennige zu
erheben oder ihr den Aermel ihres Kleides am rechten Arm ab-
zunehmen oder mit ihr nach AVillkiir zu verfahren. Nach er-
folgter Beweisaufnahme wies der Yertreter des Senechal zu An-
gers durch Urtheil vom 4. Miirz 1600 die Klage in beiden Theilen
ab. Die Klagerin appellirte. Am 6. Miirz 1601 wurde vor der
grossen Kammer des Parlaments zu Paris iiber die Berufung
verhandelt, die nur beziiglich des ersten Klagepunktes aufrecht
1 Espeisses Bd. 3 Tit. 6 sect. 9 S 306: Voltaire. Dict. phil. unter Taxe;
Diss. S. Claude Anh. S. 134: Dulaure. Adel S. 242: Labessade S. 20 Nr. 56.
Kapitel 84. Die Herren von Souloire vor dem Parlament zu Paris. 347
erhalten iind durcli den Advokaten Gourreau vertheidigt wurde.
Bezuglich des zweiten Theiles stellte der Vertreter der Klagerin
keinen Antrag. Zur Begriindung der Berufung legte der Ad-
vokat Ausziige aus vierzehn Frkunden vor, aus der Zeit von 1408
bis 1546, um nachzuweisen, dass wahrend dieser Zeit die Rechts-
vorganger der Klagerin sich im ruhigen Besitz des jetzt streitig
gewordenen Rechts befunden hatten. Er berief sich ferner auf
den Inhalt der Zeugenaussagen erster Instanz; darin seien zahl-
reiche Fiille bestatigt, in denen der Sergeant von Souloire zur
Hochzeit eingeladen wurde : nur ein Zeuge habe sich geweigert,
jener Verptlichtung nachzukommen, jedoch lediglich auf Zureden
des Beklagten, der ihm versprochen hatte, ihn wegen der Folgen
seiner AVeigerung schadlos zu halten. Endlich bezog er sich
auf ein durch die Beklagten vor dem Richter erster Instanz am
4. Miirz 1600 abgelegtes Anerkenntniss. Der Advokat Choppin
vertrat die Sache der Beklagten; er vertheidigte die Entschei-
dung des ersten Richters, mit der Ausfiihrung, dass der klage-
rische Anspruch weder durch einen Titel noch durch die Cou-
tume d'Anjou sich rechtfertigte, iiberdies liicherlich sei und gegen
die ofPentliche Freiheit verstosse. Der Generaladvokat Louis Ser-
vin gab sein Gutachten zu Gunsteu der Beklagten ab; er hielt
das in- erster Instanz abgegebene Anerkenntniss fiir nicht entschei-
dend, weil dasselbe nur dahin ging, dass zur Zeit der Minderjah-
rigkeit des Friiulein von Guynemoire und in Abwesenheit der Be-
klagten, zufolge von Zwang und Drohung Seitens des Herrn von
Souloire, und nur seit siebzehn bis achtzehn Jahren, der Sergeant
von Souloire zu einigen Hochzeiten in der Meierei Guynemoire
eingeladen worden sei. Ebensowenig, meinte er, konne der nach
der Coutume d'Anjou erforderliche Beweis eines dreissigjahrigen,
ununterbrochenen, ruhigen und unbestrittenen Besitzstandes als
gefiihrt erachtet werden; vielmehr sei der Klageanspruch hin-
fallig, weil aus der Zeit seit 1540, also seit 60 Jahren vor An-
stellung der Klage, keine Besitzhandlungen nachgewiesen seien.
Zudem sei der seigneur suzerain (die Grafin von Mauleurier)
im Process nicht vertreten. Uebrigens konne schon nach all-
gemeinen Grundsatzen die Abweisung der Klage gerechtfertigt
werden: erstens aus dem durch das romische Recht, durch die
Kapitularien und durch die Rechtsprechuug des Parlaments
(z. B. durch das Urtheil vom Jaht 1401 ^) anerkannten Grundsatz
der Freiheit in der Eheschliessung, und zweitens aus der Er-
Vgl. oben Kap. 63 S. 274. 275.
348 Kapitel 84. Dic Herren voii Souloire vor dem Parlaineut zu Paris.
wagimg, dass der klagerische Anspruch gegen die guten Sitten
verstosse, daher nach allgemeinem Recht ^ als hinfallig erscheiue.
Der Gerichtshof trat diesen Ausfiihruugen nicht bei, sondern
schiitzte durch Urtheil vom 6. Marz 1601 die Berufuugskliigerin
im Besitz des im ersten Theil der Klage bezeichueten Rechts,
indem er nur beziiglich des zweiten Theiles (der ohne Yerthei-
digung in zweiter Instanz geblieben war) die Berufung verwarf.
Einen vollstandigen Bericht iiber diesen Process hat Louis Servin
veroffentlicht 2. Dies ist die Quelle, woraus alle spateren Nach-
richten^ von dem fraglichen Rechtsstreit theils direct, theils in-
direct geschopft sind. AVie Lauriere berichtet, solleu die Herren
von Souloire freiwillig am 1.'5. Dec. 1607 auf das streitig gewesene
Recht verzichtet haben ^. Hierbei uuterliisst Lauriere, das frag-
liche Recht genau zu bezeichnen; er sagt nur, es sei iihnlich
demjenigen Recht gewesen, das in Schottland durch Konig Eve-
nus IIL eingefiihrt und durch Konig Malcolm III. abgeschafft
worden sei. Diese Meinung ist durch deu vorstehendeu acten-
miissigen Bericht widerlegt.
Durch einige neuere Scliriftsteller ist nicht bloss der Irrthum
Lauriere"s weiter verbi\eitet, sondern im Anschluss daran folgende
Erziihluno- erfunden worden. In der Herrschaft Souloire bei Can-
1 Arg. L. 121 § 1 Dig. de V. O. (arg. e coiitr.) und L. 16 § 1 Dig. de
operis libertorum.
2 Servin Th. 2 Kap. 28 S. 227 (die zweite S. 227) bis 230.
3 Limnaeus. Addit. ad lib. 4 cap. 7 in fine, Bd. 4 S. 604: Olive S. 157:
d*Espeisses lib. 6 sect. 9, S. 306; Brodeau S. 273: Brillon Bd. 2 S. 924: Du-
laure. Adel S. 235 und 238: Raepsaet 3. Aufl. S. 15: Grimm. R.-A. 2. Ausg.
S. 384: v. Hormayr 1832. S. 38; Michelet S. 266; v. Hormayr 1842, S. 146.
147: Laboulaye S. 332: Veuillot S. 274—279: Delpit S. 85—88; Labessade
S. 27 Nr. 59. Bei Auzannet S. 5 (Anm. zu tit. 1 art. 1) und bei Brillon
(Bd. 2 S. 924 § 131) findet sich der Irrthum, dass die Entscheidung zu
Gunsten eines Herrn von Desoloris ergangen sei.
* Laurirrc unter Cullagc : „Les Sieurs de Souloire etaient autrefois fondez
en pareil droit , l"ayant obmis en Taveu rendu au Seigneur de Montlevrier
Seigneiir suzerain. le dcfaut donna ouverture de debat, comme de defectuosite:
et par acte du 15 decembre 1607 il y renonga precis^ment. Ces droits ex-
orbitans et honteux ont cte convertis en des prestations modiques." Daraus :
Encycl., Ausg. v. 1754, unter Culage (von Boueher d'Argis) mit dem Druck-
fehler Souloire statt Souloire; die spateren Ausgaben der Encyclopadie unter
Culage. und Yoltaire, Dict. phil. unter Taxe. immer mit demselben Druck-
fehler: Roquefort, Suppl. S. 106. mit dem Druckfehler 1707 statt 1607. Bei
den Encyklopadisten und bei Voltaire findet sich der grundlose Zusatz, dass
die Umwandlung solcher abscheulichen Rechte in massige Abgaben ..iiberall"
stattgefundcn liabe.
Kap. 85. Ch-af von Moiitvallat vor den Grands-Joiirs von Clermont. 349
debac, im Laiule Caux in der yormandie, hatten die Grund-
herren das Herrenrecht der ersten Xacht, bis dasselbe am 15. Dec.
1607 aufgehoben wurde. In der Niihe des Herrensitzes lag ein
Teich, Avoran ein Weg vorbeifiihrte; der Vogt des Herrn von
Souloire hattfe ein Haus an diesem Wege und iibte dort das
Recht seines Herrn an allen Frauen, die iiber diese Strasse
gingen, wenn sie hiibsch waren, zwangsweise aus; von alten
oder hasslichen Frauen liess er sich ein Losegeld von vier Pfen-
nigen zahlen ^. Der Inhalt dieser Erzahlung erinnert an den vor-
erwahnten zweiten Anspruch der AVittwe von Souloire, mit dem
sie in beiden Instanzen abgewiesen wurde. Sie behauptete, ihr
Amtmann sei berechtigt, mit liederlichen AVeibspersonen, wenn
sie sich auf offener Strasse treflfen liessen , nach AVillkiir zu ver-
fahren. Den Ausdruck „faire d'elles a sa volonte^ beziehen manclie
Schriftsteller auf eine unziichtige Handlung, wahrend es natiirlich
ist, an eine korperliche Ziichtigung oder an sonstige Bestrafung
zu denken ; keinenfalls liegt darin eine Rechtfertigung oder auch
nur eine Entschuldigung fiir die Behauptung, dass die Herren
von Souloire das „droit du seigneur" (jus primae noctis) fiir sich
in Anspruch genommen oder gar ausgeiibt hatten.
0. P r 0 c e s s d e s G r a f e n v.o n ^M o n t v a 1 1 a t v o r d e m G e r i c li t 5 h o f
d e r G r a n d s - J o u r s v o n C 1 e r ni o n t.
Kapitel S5. Der Graf Charles de Montvallat wurde am
27. Nov. 1665 durch den Gerichtshof der Grands-Jours zu Cler-
mont wegen Misshandlung des Peter Albaret aus dem Kirchspiel
Epinasse und wegen eines an Franz Guyon, Gerber in Chau-
desaigues, veriibten Eaubes, sowie wegen anderer im Lauf der
L^ntersuchung ermittelter Handlungen zum Verlust seiner Ge-
richtsbarkeit iiber die Gebiete von Montvallat und Mornac und
zu einer Geldstrafe von 8000 Livres verurtheilt; in demselben
Urtheil wurde iiber mehrere privatrechtliche Streitigkeiten ent-
schieden, insbesondere die Nichtigkeit einiger Schuldverschrei-
bungen ausgesprochen. Das namliche Urtheil untersagte dem
Grafen von Montvallat, von den Personen, die ihm zu Abgaben
verpflichtet waren, auf Grund der alten Rechtstitel mehr als drei
Sous fiir jedes „droit de guet" (in Friedenszeiten) und mehr als
drei Livres fiir jedes „droit de nopces" zu erheben ^. Das Ur-
1 Collin de Plancy Bd. 1 S. 172, 173. L. v. Alvensleben (zu Fellens S. 148)
wiederholt diese Erzahlung, mit dem Druckfehler Souloise statt Souloire.
2 Urth. V. 27. Nov. 1665, Recueil de Clermont. S. 133—138, auf S. 136:
350 Kap. 83. Grat von Montvallat vor den Grands-Jours von Clermont.
theil liisst nicht ersehen, welche Beschwerden beziiglich der Hei-
rathsabgabe (des droit de nopces) gegen den Grrafen erhoben
waren. Einige Aufklarung dariiber giebt Bischof Esprit Flechier
von Isimes. Derselbe erzahlt, das in der Auvergne unter dem
Xamen droit de noces verbreitete Recht, das friiher einen minder
anstandigen IS^amen fiihrte , habe urspriinglich dem Herrn die
Befugniss ertheilt , bei allen Hochzeiten seiner Unterthanen zu-
gegen zu sein und beim Schlafengehen der neuvermahlten Frau
die Formlichkeit zu verrichten, welche iiblich sei, wenn eine
Konigin durch Stellvertretung heirathe; dies Recht werde nicht
mehr ausgeiibt, sondern sei in eine Geldabgabe verwandelt; doch
habe der Clraf von Montvallat den Anspruch erhoben, dass ihm
jenes alte Recht noch zustehe, und er habe durch die Furcht,
die er einflosste, seine Unterthanen genothigt, ihn mit grossen
Creldzahlungen abzufinden, devgestalt, dass dazu haufig die Halfte
der Mitgift aufgewendet wurde ^ Es kann dahingestellt bleiben,
ob und inwieweit diese Erziihlung der AVahrheit entspricht. Jeden-
. . . ..lui fait deffences de prendre ny exiger de ceux qui luy seront rede-
vables , des droits de Guet et de Xopces , par les anciens Titres et Terriers.
autre chose que trois solSkpour chacun droit de Guet en temps de Paix. et
la somme de trois livres, a laquelle la Cour a liquide chacun droit de Xopces.''
Das ,,droit de guet" scheint eine Abgabe flir die Xachtwache (Scharwache")
gewesen zu sein.
1 Flechier S. 15", 158 : ,.I1 y a un droit qui est assez commun en Au-
vergne qu'on appelle le droit des noces. Autrefois on ne Tappeloit pas si
honnetement: mais la langue se purifie dans les pays meme les plus barbares.
Ce droit . dans son origine . donnoit pouvoir au seigneui; d'assister a tous les
mariages qui se faisoient entre ses sujets; d'gtre au coucher de Tepousee :
faire les ceremonies que font ceux qui vont epouser par procuration les
reines de la part des rois. Cet usage ne se pratique plus aujourd'hui. soit
parce qu'il seroit incompatible aux seigneurs d'etre de toutes les noces de
leur village et d'emporter leurs jambes dans les lits de tant de bonnes gens
qui se marient. que xiarce que cette coutume etoit un peu contraire a rhon-
netete , et qu'elle exposoit les gentilshommes , qui avoient Tautorite et qui
n'avoient pas toujours la moderation. a des tentations assez dangereuses, lors-
qu'ils en trouvoient quelques beaux sujets. Cette honteuse c^remonie a etd
changee en reconnaissance pecuniaire. et. par un accord mutuel, les seigneurs
ont demande des droits plus solides . ec les sujets ont ete bien aises de se
redimer de cette loi si dangereuse a leur honneur. M. de Montvallat trouvoit
que les anciennes coutumes etoient les meilleures. lorsque quelque belle
villageoise alloit epouser. et ne vouloit pas laisser perdre ses droits ; et comme
on le tenoit assez redoutable sxir ce sujet , et qu'on craignoit que la chose
passat la c^remonie. on trouvoit encore plus Ji propos de capituler, et de lui
faire quelque pr^sent considerable selon leurs forces. Quoiqu'il en soit, il
faisoit valoir ce tribut, et il en coCitoit bien souvent la moitie de la dot de
la mariee." Daraus : Lagreze 18GT. S. 403: Labessade S. 101. 102.
Kapitel 86. Toscanisches Gesetz vom Jahr 1691. 351
falls erhellt aus dem augefuhrten Urtheil, dass der Anspruch
des (frafen von Montvallat auf Erhebun<^ einer Heirathsabgabe
im Allgemeinen rechtlich begriindet war; er stiitzte sich auf alte
Titel, die der Gerichtshof als rechtsbestandig anerkannte. Es ist
daher unmoglich, anzunehmen, dass die Geldabgabe, die der Graf
von Montvallat erhob, durch Ablosung aus einem unsittlichen Recht
friiherer Zeit entstanden sei; denn in einem solchen Fall hatte
der Gerichtshof die Abgabe nicht als rechtlich begriindet ansehen
konnen. Ganzlich verfehlt ist die im neunzehnten Jahrhundert-
verfochtene Meinung, der Graf von Montvallat habe das Herren-
recht der ersten Xacht in der heutigen Bedeutung dieses Wortes
in Anspruch genommen und sei deshalb verurtheilt worden '.
b. Italien.
1. Gesetz des GrossJterzogs Cosmo III. von Toscana rom Jahr 1691.
Kapitel 86. Ueber den Grossherzog Cosmus UL von Tos-
cana (1676 — 1723) -wird erzahlt: . . . „Er gab 1691 ein Gesetz,
dass kein Jiingling das Haus solcher Eltern besuchen sollte, welche
unverheirathete Tochter hatten. Bloss die Monche sollten
die Heirathen schliessen, wobei sie dann das jus
primarum noctium ausiibten.''^ Dieser Satz ist so ver-
worren, dass der Sinn desselben aus dem Zusammenhang nicht
zu ersehen ist; zur Ermittlung des richtigen Sachverhalts miisste
ziinachst das fragliche Gesetz aufgesucht werden. Doch verlohnt
es sich nicht der Miihe, dariiber specielle Untersuchungen anzu-
stellen, da die Erzahlung erst vom Jahr 1795 herriihrt und in
sich selbst unverstandlich ist, daher so gut wie keine Bedeutung
hat; sie kann daher nicht, wie aufgestellt wird, zur Unterstiitzung
der Meinung dienen, „dass das vorlaufige Paaren der Geistlich-
keit und des Adels bei den Xeuvermiihlten eine allgemein giiltige
Institution war" ^.
2. Gesetz des Kihiirjs Ferdinand IV. heider Sicilien rom Jahr 17S5.
Kapitel 87. Salis von Marschlins berichtet, Konig Ferdi-
nand lY. habe im Jahr 1785 verordnet, dass die Einwohner von
Calabrien aus der driickenden Unterthanigkeit gegeniiber ihren
Baronen befreit, und die Barone fiir den Yerlust ihrer Rechte
1 Bonnemere Bd. 2 S. 64, 65: Sugenheim 1861. S. 147: Labessade S. 26
Nr. 57, vgl. mit S. 16. 17: Kulischer S. 227.
2 Crome Bd. 1. Einl. S. VI. Daraus: Sugenheim 1861, S. 212.
3 Kulischer S. 223. 224.
352 Kapitel 87. Calabrisches Gesetz voni Jahr 1785.
aus der Cassa sacra entschadigt werden sollten; doch habe mau
dem Konig vorgestellt, „dass die meisten dieser Baronalrechte
tirannisch, sehr driickend und auf eine meistens unerlaubte Art
seien erhalten worden" ; deshalb habe der Konig im Rath vom
10. Febr. 1785 beschlossen [und verordnet], „dass alle Barone
von Calabrien der fiir diese Provinz aufgerichteten Kammer die
Cxultigkeit ihrer Rechte durch Yorzeigung der Urkunden beweisen
sollten, und wer in Zeit von drei Monaten entweder dieselben
gar nicht vorweisen oder ihre Aechtheit und auf Recht und Ge-
rechtigkeit gegriindete, durch erlaubte Mittel erlangte Giiltigkeit
nicht besiegeln konnte, sollte derselben verlustig erklart werden".
Zu den fraglichen Baronah*echten gehorte nach Angabe von Salis
.,das schandliche Hochz eitsrecht, das vielleicht nicht seit sehr
langer Zeit in Geld abgelegt wird" ^ Aus dem Zusammenhang
dieses Berichts kann gefolger*- werden, dass Salis von Marsch-
lins (1790) und vielleicht schon die Rathgeber des Konigs Ferdi-
nand lY. (im Jahr 1785) der Meinung waren, die mit dem Na-
men ^Hochzeitsrecht" bezeichnete Geldabgabe habe einen ver-
werflichen Ursprung. Es ist wohl denkbar, dass hierbei an das
jus primae noctis gedac^it wurde, da im achtzehnten Jahrhundert,
zumal nach der Zeit der Encyklopadisten, die irrige Annahme,
dass aus Ablosung eines solchen Rechts die herkommlichen Hei-
rathsabgaben entstanden seien, weit verbreitet war ^, jDagegen
fehlt jede Berechtigung fiir die Behauptuug, die neapolitanischen
und sicilianischen Grundherren hatten das verrufene Recht der
ersten Nacht unter dem Namen nHochzeitsrecht" friiher in seiner
urspriinglichen rohen Form ausgeiibt, spater aber, und zwar
noch zur Zeit der Herrschaft der Bourbonen seit 1734, und an
manchen Orten noch im ersten Decennium des neunzehnten Jahr-
hunderts, hatten sie dies abscheuliche Recht durch bedeutende
Geldzahhmgen ablosen lassen ^.
c. Schweiz.
Zicei Weisthibner , von 1538 und 1543.
Kapitel 88. In zwei Schweizer Weisthiimern des sechzehnten
Jahrhunderts glauben einige Gelehrte ^ den Beweis eines Herren-
1 Salis Bd. 2 S. 113—115. ^ ygi oi^en Kap. 13—26.
3 Sugenheim 1861, S. 238; Kulischer S. 228.
* Scherr 1858, S. 569; v. Maiirer § 469, Bd. 3 S. 169: Weinhold S. 195;
Delpit Nr. 47 S. 66; Liebrecht 1874, S. 140; Scherr 1876, S. 238; Kwlischer
S. 227, 228: Liebrecht 1879, S. 418.
Kapitel 88. Schweizerisclie Weisthumer von 1338 uiid 1543. 353
reclits der ersten ^"aclit tiiuleii zu miisseii; es soll darin das jus
primae noctis, dies „Recht der deutschen Barone", urkundlich
nachgewiesen sein ^ Wie irrig- diese Annahme ist, wird aus fol-
gender Darstellung erhellen.
Die Pfieger der Abtei zum Frauenmiinstor in Ziirich erneuer-
ten und bestiitigten im Jahr 1543 den aus alterer Zeit herriihrenden
Hofrodel der Meieramter zu Mauer bei Ziirich. Der vierte Artikel
dieses Rechtsbuches lautet: „Es sprechen die Hofleute, wer hier
zu der heiligen Ehe kommt, der soll den Meier laden und auch
seine Frau; dann soll der Meier dem Brautigam einen Hafen
(Topf) leihen, worin er wohl ein Schaf sieden kann; auch soll der
Meier ein Fuder Holz zur Hochzeit bringen; auch sollen der
3Ieier und seine Frau einen viertel Schweineschinken bringen;
und wenn die Hochzeit zu Ende geht, so soll derBrautigam
d i e e r s t e ]^ a c h t c1 e n M e i e r b e i s e i n e r F r a u 1 i e g e n
1 a s s e n , o d e r e r s o 1 1 s i e 1 ij s e n m i t f ii n f S c h i 1 1 i n g e n
und vier Pfennigen."^ ]^ach dem Wortlaut dieses Artikels
ist es klar, dass die Verpflichtung des Brautigams, seine Braut
die erste Nacht bei dem Meier liegen zu lassen, niemals zur
Ausfiihrung kam , weil er sich davon durch Zahlung von fiinf
Schillingen und vier Pfennigen befreien konnte. Diese Abgabe
war nicht driickend, da andererseits der Meier fiir sich allein ein
Fuder Holz und gemeinschaftlich mit seiner Frau noch einen
viertel Schweineschinken zur Hochzeit zu bringen hatte , zudem
auch noch leihweise dem Briiutiffam einen Topf beschaffen musste.
1 Kulischer S. 227. 228.
2 Urk. V. Jahr 1543, bei Fiisslin iin Hamb. Mag. Bd. 12 S. 154—173:
Grimm. Weisth. Bd. 1 S. 43 und R -A. S. 384: ,.Aber sprechend die hoffliit,
weller hi ze de helgen ee kumbt, der sol einen meyger laden und ouch sin
frowen, da sol der meyger lien dem briitgam ein haffen , da er wol mag ein
schaff in gesyeden, ouch sol der meyger bringen ein fuder holtz an das hochtzit,
ouch sol ein meyger unnd sin frow bringen ein viertenteyl eines schwyns-
bachen. vnnd so die hochzit vergat , so sol der hriltgam den meijgfr hy siin
wyh lasseii ligen die ersfen naclit, oder er sol sy losen inif V B iiij ff." Dar-
aus: Bluntschli Bd. 1 S. 189: Delpit S. 66: Scherr 1858. S. 569: Osen-
briiggen, R.-A. S. 86, Studien S. 84; Helfferich S. 419: v. ^Nlaurer Bd. 3
S. 170; Scherr 1865, S 130: Hanauer S. 138; Barthelemy S. 107: Lorsch
S. 444; Liebrecht 1869, S. 811; Zopfl Bd. 2 § 30 S. 168 (4 Autl.): Henne-
Am Rhyn Bd. 3 S. 245; Kulischer S. 227, 228: Liebrecht 1879. S. 418. —
Auf das vorstehende Weisthum ist eine kurze Bemerkung Lassberg's im Brief
an Uhland vom 14. Aug. 1829 zu beziehen, wonach v. Lassberg die Stelle flir
Jacob Grimm aufzeichnete und dabei annahm , dass in oder aus jener Ur-
kunde „das so viel besprochene Jus primae noctis diplomatisch nachgewiesen"'
werde. Pfeiffer S. 137 Nr. 55.
Schmidt, .Jus primae noctis. 23
354 Kapitel 88. Schweizerische Weisthiimcr von 1538 und 1543.
der gross genug war, ein ganzes Schaf darin zu kocheu. Das
Uebrige ist ein scherzhafter Ausdruck, welcher den Bauer er-
innerte, die hergebrachte massige Heirathsabgabe, als Zeichen
seiner Horigkeit, piinktlich zu entrichten. Es ist ein juristischer
Witz, ein Ausdruck des Humors ^, eine scherzhafte Rechtsiiber-
trcibung. Ein derartiger Huraor findet sich nicht bloss im deut-
schen Recht, sondern auch in Urkunden aus der ISTormandie und
aus Bearn ^. Im Ernst konnte an Ausiibung jenes Herrenrechts
nicht gcdacht werden; dies wird noch dadurch bestatigt, dass die
Ehefrau des Meiers (Schultheissen) auf der Hochzeit zugegen war
und in Gemeinschaft mit ihrem Mann die Rechte und Pflichten
der Herrschaft vertrat. Auch ist nicht anzunehmen, dass in frii-
herer Zeit ein ernstliches Herrenrecht der ersten Nacht in Mauer
bestanden habe ; wenn namlich ein solches Recht in einer alteren
Redaction des Hofrodels iiberhaupt schon erwiihnt gewesen wiire
(was moglich, jedoch nicht sicher ist), so miisste der Sinn ein
harmloser gewesen sein, da bis zuni Jahr 1524 die Aebtissin zum
Frauenmiinster in Ziirich die Herrin der Meieramter von Mauer
war und an jener Bestimmung des Hofrechts keinen Anstoss
fand. Die Meinung Osenbriiggen's, die vorliegende Urkunde ent-
halte keinen Scherz, sondern eine „ausserste juristische Conse-
quenz", das summum jus^, ist schon nach dem Wortlaut der
Urkunde unlialtbar, weil danach nicht dem Meier, sondern dem
Brautig^am das Wahlrecht zustand''^.
' Fusslin S. 172. 173: Bluntschli S. li)0: Gierke S. 27 (§ 10): AValter
S. 131: Zopfl S. 168.
- Vgl. oben Kap. 58 und 79.
^ Oseubriiggen, R.-A. S. 93, !)4 und Stud. S. 91. 97.
* Aus deutschen und franzosischen Weisthiimern liesse sich mit Leichtig-
keit eine grosse Zahl von scherzhaften Rechtsiibertreibungen zusammenstellen,
Einige Beispiele mogen hier ihren Platz finden. In einer Feldordnung von
Feldheim steht: „Wenn ein Vieh Einem auf seinen Gutern Schaden zufiigte,
sollte er dasselbige auf den Kehlhof fiihren und ihm daselbst Steine in
cinem A'iertel und Wasser in einem Reitern vorstellen , bis ihm der Schaden
bczahlt ware." Vgl. Fiisslin S. 172, 173. Nach einem Weisthum von Muhl-
bach im Elsass hatte ein Forster, der zwei andere Fiirster iiber den Bach
trug, von diesen ein halbes Viertel Wein zu fordern ; gaben sie es ihm nicht,
so sollte er dem Einen scinen rechten, dem Andern seinen linken Schuh aus-
ziehen und diese beiden Schuhe fiir ein halb Viertel Wein versetzen. Vgl.
Gierke S. 51. Nach burgundischem Recht sollte der Dieb eines Ilabichts cnt-
weder sich sechs Unzen Fleisch auf dic nackte Brust legen und vom Habicht
wegfressen lasscn , oder sechs Schillinge bezahlen. Vgl. Gierke S. 48, auch
Osenbriiggen , R.-A. S. 95 und Stud. S 97. Auch die Strafbestimmung vom
.Tuni 12r>0 ( Cassany-Mazet S. 287). Avonacli in Villencuve-sur-Lot die Ehebreeher
Kapitel 89. Xaclirichteii aiis Russlaiid. 18. und 19. Jahrliuiidert. 3.55
Eiiic ahnliclie Bestimmung findet sicli in der Rechtung des
Kelnhofcs zu Stadelhofen, vom Katharinentage (25. Nov.) 1538,
einer Erneuerung des bei einem Brand zu Hirslanden beschadig-
ten alten Rodels, in folgendem Satz: „Wer auf den Giitern, die
zum Kelnliof gehoren, die erste ISacht bei seiner neuvermiihlten
Frau liegen will, der soll den obgenannten Biirger-Yogt
dieselbe erste Nacht bei seiner Frau licgen lassen;
w i 1 1 e r d i e s n i e h t t h u n , s o s o 1 1 e r d e m Y o g t v i e r u n d
drei Scliillinge Ziiricher Pfennige geben; wie er will;
die Wahl hat der Brautigam, Auch soll man demselben
Briiutigam als Beisteuer zur Hochzeit ein Fuder Holz aus dem
Ziirichberg geben, sofern er zu den Holzberechtigten gehort." *
Also ist auch hier dem Brautigam das Wahlrecht eingeriiumt, wor-
aus deutlich erhellt, dass die Bezugnahme auf das Recht, bei der
neuvermiihlten Frau zu liegen, eiue bloss scherzhafte Redewen-
dung ist. Dadurch bestiitigt sich das iiber die Urkunde von 1543
Gesagte, was in der Hauptsache auch hier Anwendung findet.
d. Russland.
Ereignisse <les achfzeJinfrn und neunzeJinfen Jahrliundeiis.
Kapitel 89. Einer der neuesten Schriftsteller iiber jus primae
noctis berichtet: „Sehr 2,'ebriiuchlich war dies Recht in Russhmd
entweder ganz nackt durch die Strassen laufeu oder hunJert Sous Strafe zahlen
sollten, diirfte vielleicht dahin zu verslehen sein, dass der Ehebnich mit einer
Geldstrafe von fiinf Franken geahndet wurde. Aehnliche Bestimmungen finden
'sich mehrfach. (Dahin gehort z. B eine Urkunde von 1337, bei Barthelemy
S. 107. Eine Coutume von Avensac, wonach die Ehebrecher entweder ganz
nackt durch die Stadt laufen oder flinfzig Sous Strafe zahlen sollten, v\-urde
durch Urtheil des Parlaments zu Toulouse vom 12. Mai 1628 als unschicklich,
,,contraire aux bonnes moeurs et a Fhonnestete publique", abgeschafft. Vgl.
Olive liv. 2 ch. 1 S. 149—153.) Ein Ehehaftrecht von Wilzhut (zwischen
Salzburg und Braunau) bedrohte den Gerichtsmann, welcher bei der Jahres-
versammlung ausblieb , mit einer Geldstrafe ; nach einem Zusatz soUte bei
Unvermogen des Gerichtsmannes , die Strafe zu bezahlen , der Pfleger das
Recht haben, ihm den Ofen einzuschlagen und, wenn er keinen Ofen hatte,
seine Ehefrau zu ,,gebrauchen" oder, wenn ihm ihre Gestalt nicht gefiel, sie
dem Gerichtsschreiber zu iiberlassen; wenn es aber dem Gerichtsschreiber
auch nicht gelegen war . so sollte die Verpflichtung dem Amtmann auferlegt
werden. Vgl. Grimm. Weisth. Bd. 3 S. 680.
1 Urk. V. 25. Nov. 1538, Zeitschr. fiir schweiz. Recht Bd. 4 S. 73 — 76:
. . . „Ouch hand die burger die rechtung, wer der ist, der uf den giitern,
die in den kelnhof gehorend, die ersten nacht bi sinem wibe ligen wil, die
er niiwlich zu der ee genommen hat, der sol der ohgenmiten bunjer vogt die-
selben ersten nacht bi demselhen sinem icihe lassen ligen; icil aher er das 7n!t
23*
356 Kapitel 90. Droit de cuissage in Canada.
nocli im vorig-en und dem laufenden Jalirliundert bis zur Auf-
hebuug der Leibeigenschaft im Jahre 1861 . . . Der lebendeu
iiiteren Generation ist die Ausiibung dieses Brauches in ganz
R,ussland aus eigener Erfahrung bekannt." ^ Zur Begriindung
dieser weitgehenden Behauptungen werden nur vier einzelne That-
sachen angefiihrt^, die zii jenenFolgerungenkeinenfalls ausreichen;
und die stillschweigende Yoraussetzung, dass vor dera achtzehnten
Jahrhundert das jus primae noctis in Eussland geherrscht habe,
ist vollig unberechtigt. Ob und inwieweit jenen Angaben etwas
Richtiges zu Grunde liegt, ist mir nicht bekannt; doch muss bis
zum naheren Nachweis des Wortlauts und der Glaubwiirdigkeit
der Angaben, woraus der Bericht entnommen ist, und bis zu einer
zuverhissigen Mittheilung vom Inhalt des Urtheils vom Jahr 1855,
die AYahrheit jener Thatsachen bezweifelt werden, da der Bericht
unter dem Einfluss einer unhakbaren Theorie iiber ,,das commu-
nale Recht der vorhiutigen Begattung" abgefasst ist.
III. Amorika.
a. Droit de cuissage in Canada.
Kapitel 1)0. John Anderson theilt eine Nachricht aus Ca-
nada mit, wonach man ghiubte, der Gouverneur von Sark habe
thiin , so sol er clem vogt cjebfn 4 uud 3d Ziiriclicr jifeiuiinc/ , ireders er icil ;
die ical Jifif cler hrtigam. und sol man ouch demselljen bnigome ze stUr an
der brutlouf geben ein fuder holtz usz dem Zlirichberg, ob er wil an dem-
selben holtz hat." Daraus: Griram, Weisth. Bd. 4 S. 321; Osenbriiggen, R.-A.
S. 87 u. Stud. S. 84, 98; Sclierr 1865. S. 130; Lorsch S. 444; Zopll Bd. 2 § 30
S. 168 (4. Aufl); Henne-Am Rhyn Bd. 3 S. 24o ; Kulischer S. 227, 228.
1 Kulischer S. 228, 229.
2 Kulischer"s Bericht lautet : „Ein Zeitgenosse der Volksaufstande untcr
Anfiihrung von Pugatschew im Jahr 1773 — 1774 erzahlt, dass eine Militiir-
compagnie einen Gutsbesitzer aus den Ilanden der emporten Menge befreite,
den sie zu todten beabsichtigten dafiir . dass er dieses Recht auf das Unbe-
schriinkteste zu geniessen pflegte, und in einer kurzen Zeit sechzig jungc
Madchen diesem Loose verfallen waren . . . Ein anderer Gutsbesitzer , Sko-
syrew. wurde in der That zur selben Zeit von deu ihm unterthiinigen Bauern
fiir ein oben bezeichnetes Gebahren ermordet . . . Aus dem neunzehntcn
Jalirhundert wollen wir nur den Fall des Geheinirath Ischadowsky erwiilinen,
der im Jahr 1855, kurz vor Aufhebung der Leibcigenschaft in Russland, fiir
seinc Handlungen in Bezug auf das jus primae noctis vom Gericht zu einer
Strafe verurtheilt wurde . . . Ich erinnere mich, in dem Werke des Fiirsten
Wassiltschikow iiber Grundbesitz und Ackerbau gelesen zu haben , dass er
als Obmann des Adels seines Gouvernements mehrcre Malc gegen Gutsbcsit/.cr
einschreiten musste, iim den Gebrauch cinzustellcn." An den punktirten Stellen
werden zwei russische Werke (von 1870 und 1876) eitirt.
Kapitel 91. Cazikcii iind Pajr-s in Amciika. 357
das droit de cuissage *. Aus Anlass eines Gespruclis iiber dies
lieclit des Gouverneurs vou Sark soU ein Scliotte, Mr. W. Y,,
Besitzer einer Herrscliaft in Unter-Canada am Ufer des Flusses
Richelieu, geg-enuber Chauibly, etwa 24 englischo MeikMi von
Montreal, die iienierkung geniacht haben, er selbst, Mr. Y., habe
(gleich andern Gutsherren) das „droit de cuissage et jambage"
gehabt, wonach er berechtigt gewesen sei, mit der Braut, bevor
dieselbe zu ihrem Gatten ging, die erste Nacht der Hochzeit zu
schlafen . . .; doch sage man, dass gegenwiirtig dies Recht niclit
mehr gelte ^. Offenbar sind diese beiden Nachrichten so un-
bestimmt, dass sie keinen geschichtlichen AVerth haben ; ab-
gesehen von der irrigen Voraussetzung, dass in Europa ein droit
de cuissage in der bezeichncten Bedeutung bestanden habe.
b. Caziken und Pajes in Mittel- und Siid-Amerika.
Kapitel 01. Wenn AUes Glauben verdiente, was im neun-
zelinteii Jahrhundert iiber jus primae noctis berichtet wird, so
miisste man annehmen, es habe in verschiedenen Theilen von
Mittel- und Siid-Amerika tlieils den Hiiuptlingen (Caziken) ^,
theils den Zauberiirzten (Pajes) ' zugestanden oder stehe den-
' Anderson S. 65, Brief des Edwai-d William A. Hay. Esquire. F. S. R. A. :
,,The Governoi" of Sark is deemed at this day to have le droif dc aiissdgc."
^ xVnderson S. 65: ... „(h-nit de cuissage et jambat/e , un droit par lequel
11 avoit le pouvoir de coucher avec la fiancee , avant d'aller a son mari. la
premicrc nuit du mariage, passant, dit-on, ti-ois fois sa cuisse sur clle: mais
on dit qu'actuellement ce droit n'est? plus de coutume."
^ Der Ausdruck Cazike scheint aus Mexico zu stammen: er bezeiehnet in
der Spraehe der INIexikaner einen Herrn. Doch pfiegt man, wie v. Martius
(1832, S. 14, 15) berichtet, ,,gewohnlich die Hauptlinge aller amerikanischen
Wilden Caziken zu nennen und mit diesem Wort den BegrifF eines vielver-
mogenden Despoten zu verbinden, der iiber Leben und Eigenthuin seiiier
Stammgenossen ohne Einschrankung gebietet und die Angelegenheiten der
ganzen Gemeinscliaft bestimmt und ordnet"'. In Wirklichkeit finden sich in
SUdamerika andere Namen der Hauptlinge, und ihre Wiirde und Qewalt steht
bei den brasilianischen Ureinwohnern „auf einer niedrigen , durch voriiber-
gehende , vorziiglich personliche Verhaltnisse begriindeten Stufe". Ueber die
Stellung des Hauptlings vgl. das Nahere bei v. Martius S. 14 — 23.
* Die Piaches oder Pajes (Piajes, Piacchcs) hatten die Aufgabe , Kranke
zu heilen, den Feind zu bezaubern, Geister zu rufen oder zu verscheuchen
und zu propliezeien; sie waren auch Berather des Hiiuptlings bei Ausiibung
der Gesetzgebung, Rechtspflege und Polizeigewalt. Vgl. Depons (Weyland)
S. 143 — 146; v. Spix und v. Martius Bd. 3 8. 1211; Th. Waitz Bd. 3 t^. 385;
V. jNIartius (1832) S. 17. 29 — 32, 34, 48. 69. Letzterer schildert (S. 29, 30)
die Pajes eines Stammes als eine al)geschIossene Bruderschaft von Betriigern,
358 Kapitel 91. Caziken uml Pajes in Amerika.
selben nooh heutzutag-e zu. Es ^vird namlieli (len Ha uptlingen
(Caziken) in folgenden Landern zugeschrieben: in Nicaragua *,
auf Cuha^, bei den Cariben des Festlandes^, bei den Jumanas ''
und Culinos" und in einigen Theilen Yon Peru^; ferner den
Zauberiirzten (Pajes oder Piaches) bei den Cariben, ins-
besondere den ehemaligen Bewohnern von Cumana ^ und Canicas ^
(in Yenezuela)^, ferner bei den Arowaken^", endlich bei den
Passes'^, Culinos^^, Juris ^^ und iiberhaupt bei den Indianern
Brasiliens ^'.
Zur ungefiiliren Orientiruug iiber die orwahnten Yolksstiimme
wird es hier geniigen, ihre Wohnsitze im Allgemeinen anzugeben.
Es wohnten oder wohnen noch jetzt: die Caribcn des Festlandes
im Nordosten von Siidamerika, hauptsachlich in Yenezuela ^^; die
Arowaken an den Miindungen des Orinoco (friiher in Guiana) ^*';
die Jumanas, Culinos, Passes und Juris sammtlich in Brasilien,
die vom eigenen Aberglauben selbst betrogen Aviirden, und sagt: ,,Die Schil-
derung, welche im Jahr 1552 Gomara von den Piaches von Cumana machte.
gibt ein wahres Bild von diesen Betrijgern , wie sie in allen Theilen Ame-
rikas noch gegenwiirtig wirken." Vgl. unten S. 360.
1 V. Martius (1832) S. 62 : ... ,,der BrJiutigam iiberliess das jus primae
noctis oft dem Caciken."
2 Giraud-Teulon S 70: Liebrecht 1879, S. 420: „Die Caziken hatten dieses
Recht auf Cuba " Ygl. Th. Waitz Bd. 1 S. 460.
3 V. Martius S. 61 (Anm.); Bastian S. 179, 180: Post S. 37. Hierhin ge-
hort auch folgende, sehr unklare Stelle in den Nuits d'epreuve S. 81 : „Chez
les Indiens de la Terre-Ferme les echanges de femmes, le jus primae noctia
pour les 6pouses, sont fort en usage."
* V. Spix Th. 3 Buch 9 Kap. 3. Bd. 3 S. 1182; Post S. 37.
5 Bastian S. 179, 180; Liebrecht 1874, S. 141 (mit dem Druckfehler Ca-
linos statt Calinos); Post S 37.
6 V. Martius S 61; Giraud-Teulon S. 69, 70; Liebrecht 1879, S. 419, 420.
Vgl. Th. AVaitz Bd. 1 S. 460, Anm.
' V. Martius S. 61 (Anm.). ^ Th. Waitz Bd. 1 S. 460.
" V. Martius S. 61.
'" Liebrecht 1879, S. 420: „So besassen das jus primae noctis . . . nament-
lich unter den Arowaken die Piaches."
" V. :\[artius S. 61: Bastian S. 179, 180; Post S 37; Kulischer S. 223 (mit
dem Druckfehler Parses statt Passes).
1- V. Martius S. 61 (aus v. Spix Bd. 3 S. 1189).
13 V. Martius S. 61.
1* Giraud-Teulon S. 70 (wo es unbestimmt geh\ssen ist, ob das Rccht den
Hauptlingen. Konigen oder Priestern zustand); Liebrecht 1874, S. 141: „In
Brasilien beanspruchen dieses Recht die Priester" : Liebrecht 1879. S 420:
„So besassen das jus primae iuictis in Brasilien dic Pay^s." Vgl. Th. Waitz
Bd. 1 S. 460.
15 Th. AVaitz Bd. 3 S. 348, 355. "> Th. Waitz Bd 3 S. 364.
Kapitel 91. Cazikeu uiid Paje.s iii Amerika. 359
uud zwar Jie Jumanas odcr Xuniauas (auch Xonianas) ^ im Xord-
westen Brasiliens an den Fliissen Ica und Yupura, die Passes -
am untern Yupura und -^or/iiglicli am westlichen Ufer des Rio
Ica, die Culinos'^ an der Siidwestseite des Amazonenstromes, am
oberen Yurua und Yutai, die Juris''^ am Y^upura, zwischen diesem
Fluss und dem Iga.
Es ist mir ziemlich schwer gewordeu, die Quellen zu er-
mitteln, aus denen die vorstehenden Behauptungen iiber das jus
primae noctis der Caziken und Pajes geschopft sind, zumal da
einige Grelehrte (z. B. Bastian) gewissermassen grundsiitzlich die
Bezeichnung ihrer Quellen vermeiden, gleichsam als verlangten
sie, der Leser solle ihnen auf ihr Wort glaubeu. Ein solcher
Glaube wiirde hier unverantwortlich sein. Denn alle jenci An-
gaben stehen unter dem Einfluss der irrigen Voraussetzung, dass
in Europa das jus primae noctis gegolten habe. Ausserdem fehlt
bei den meisten jener Xachrichten eine spezielle Auskunft iiber
die eingezogenen Erkundigungen , namentlich iiber die Worte
und Geberden, womit die Indianer jenes Recht bezeichneten oder
beschriebeu. Man bedenke uur, wie schwer es den europiiischen
Reisenden sein muss, die verschiedenen Sprachen und Laute der
einzelnen Indianerstamme zu verstehen! Einen ungefahren Be-
griff von dieser Schwierigkeit kann man erlangen, wenn man die
Darstellung des Herrn von Martius iiber die ungeheure Spracli-
verwirrung der ludianerstamme liest, bei denen ein Indianer den
andern nicht versteht^; v. Martius ziihlt allein in Brasilien meh-
rere hundert Horden, Stamme oder Xationen von Ureinwohnern
mit verschiedenen Sprachen auf''.
1 V. Spix und v. Martius Bd. 3 S. 1206; v. Martius (1832), Anh. S. 17
unter Nr. liJ3 ; Th. Waitz Bd. 3 S. 444.
2 V. Spix und v Martius Bd. 3 S 1230—1233 und 1206; v. Martius (1832)
S. 26, 49, 50, 53, 65 und Anh. S. 18 (Nr. 197): Th. Waitz Bd. 3 S. 432, 433.
3 Vgl. die Karteu in der Ztschr. Le Tour du ]Monde, Jahrg. 1866, zweites
Halbjahr, S. 83 und 118 (zu einer Reisebeschreibung von Paul Marcoy).
^* v. Spix und V. Martius Bd. 3 S. 1236; v. Martiii-s (1832). Anli. S. 18
unter Nr. 196: Th. Waitz Bd 3 S. 432.
^ v. Martius (1832) S. 4: i,Auf den Falirzeugen, in welchen wir die
Binnenstrome Brasiliens befuhren, ziihlten wir nicht selten unter zwanzig
rudernden Indianern nur drei oder vier, welche sich in einer gemeinschaft-
lichen Sprache verstilndigen konnten." Vgl. daselbst S. 6 . 82 und 83 iiber
die „babyIonische Sprachverwirrung". -
*> Vgl. die „Uebersicht der verschiedenen indianischen Volkerschaften,
Stiimme und Horden in Brasilien" unter 245 Hauptnummern bei v. Martius
ri832), Anh. S. 1—30.
360 Kapitel 91. Caziken und Pajes in Amerika.
Eine Durcliforschung- der diircli Theodor AYaitz ^ uud durch
V. ]Vrartiu.s - bezeichueten Quellen ergiebt Folgendes.
Gomara (1553) sagt im Abschnitt iiber die Sitten you Cu-
mana, und zwar bei Beschreibung der Hochzeitsgebrauehe :
^Wenn die Xacht eintritt, geben sie dem Brautigam seine Braut
an die Hand, und so lassen sie Beide als Ehegatten zuriick; dies
miissen die rechtmassigen Frauen sein; doch auch die Frauen,
die ihr Ehemann ausserdem halt, ^verden von ihnen hochgeachtet
uud anerkannt. Mit den Letzteren schlafen die Priester nicht.
Die Priester namlich, die man Piaches nennt. sind heilige und
fromme Manner, wie spiiter erklart werden soU; denen giebt
man die neuvermahlten Frauen zum Defloriren, was
man fiir einen anstardigen Gebrauch halt. Die ehr-
wiirdigen Yater iibernehmen diese Arbeit, um nicht ihren Yorzug
und ihre Wiirde zu verlieren, und die neuverraahlten Miinner ent-
halten sich jeden Argwohns, jeder Klage und jeden Schmerzes." ^
Kurz vorher ist gesagt, dass man die Jungfraulichkeit fiir Nichts
achte ^. Ein anderer Schriftsteller des sechzehnten Jahrhunderts,
Oviedo, berichtet von den Arowaken und einigen Yolkern der
Provinz Paria, es bestehp bei ihnen der Gebrauch, dass eine Jung-
frau, die verheirathet werden solle, um gliicklich im Ehestand zu
sein, zuvarderst mit ihrem Piache oderPriester schhifen miisse, und
* Th. Waitz. auf den sich Liebrecht, 1879 S. 420. beruft. spricht nicht von
einem jus primne noctis, sondern von einer ,.Defloration der Madchen durch
den Priester" (Bd. 1 S. 460), von der ..Defloration des Piache" (Bd. 3 S. 389)
und von Volkerschaften , bei denen ...Aehnliehes vorkommt" (Bd. 1 S. 460).
Er heruft sich (Bd. 1 S. 460. Bd. 3 S. 482 und 489) auf Pedro Simon,
Oviedo, Carli und Depons.
2 v. Martius (1832. S 61) spricht von der Sitte. ,,welche das jus primae
noctis dem Paje verleiht". unter Berufung auf Gomara und Coreal, und sagt :
,,Nach ihnen hatten bei den Caraiben nicht bloss die Pajes jenes Recht. son-
dern die Caziken erbaten es sich untereinander , und die Gemeinen suchten
bei jenen nach, dass sie es ausiiben mochten." Schon nach diesem Bericht
kann von einem Recht der Caziken keine Rede sein. wenn dieselben gebeten
wurden, die betreffende Handlung zu verrichten.
^ Gomara . Costumbres de Cumana S 206 : . . . ,,En siendo noche dan al
iiovin su esposa por La mano, y asi quedan velados; estas deben ser las mu-
jeres ligitimas, pues las dcmas que su marido tiene, las acatan y reconocen.
Cou estas no diiennen los sacerdotes , que llaman piaclies , hombres santos y
religiosos, como despues dire, a quien dan las norias d desviryar , que lo
tienen 2>or honrosa costumhre. Los reverendos padres toman aquel trabajo
por no perder su preminencia y devocion. y los novios se quitan de suspecha,
queja y pena "
* Gomara S. 206 (bei Beschreil)ung der Sitten dcr Miidchen): no se
les da nada por la virginidad."
Kapitel t)l. Caziken uiul Pajes in Anierika. 361
erst, naclidein dies gescliehen sei, ani f'olgX'nden Tage sich ihrem
Ehegatten liinzugeben habe ^ Pedro Simon, ein Sciiriftsteller des
siebzehnten Jalirhunderts, besclireibt die Hochzeitsgebriiuche, die
bei den Indianern im nordlichen Theil von Siidamerika
zur Zeit der spanischen Eroberungen bestanden, namentlich die
Trinkgelage und Tanzbelustigungen; ^alsdann," heisst os weiter,
„ubergaben sie die Braut dem Piache, damit er sich mit ihr allein
unterhalte, und dieser fi be r 1 iefer te sie dem B riiutigam,
b e i w e 1 c li e m e r s i e li e r g e r i c h t e t z u r A' e r li e i r a t h u n g
zuriickliess" 2. Eine ini Jahr 1722 zu Amsterdam und Paris
unter dem I*[amen von Franz Coreal herausgegebene Reisebeschrei-
bung^ erziihlt von den Eingebornen der Havanna (auf Cuba),
es habe bei ihnen die Sitte bestanden , dass die Ehegatten die
erste Hochzeitsnacht nicht miteinander schliefen; bei Yerheira-
thung der Caziken seien andere Hauptlinge, und bei Yerheirathung
von Mannern geringeren Standes seien deren Standesgenossen
eingeladen worden, mit der jungen Frau zu schlafen; und die
Cariben der niedrigsteu Kh^sso hatten dazu die Hiilfe ihrer Ca-
ziken und Priester in Anspruch genommon \ An oiner andern
Stelle desselben Werks wird iiber die Aerzte und gleichzeitigen
Priester (Piaias oder Boies) auf der Ktiste bei Cumana er-
' Ovieclo lib. 24 cap. 3 S. 222: ..En el pueblo rle Aruacay e auu en algu-
nos pueblos de la provincia de Paria , sc acostumbra entre los indios que,
quando se ha de casar alguna moza virgen . ha de dorniir primero eon ella e
arerla aquel sii ^^^ccJie 6 sncerrlote , para iine sea dirltosa en <■} cnsamierdo,
y al otro dia siguiente se ha de entregar al marido , y no sin que esto se
haga primero" . . .
- Simon, quarta iioticia cap. 26 nu-m. 3 S. 320: . . . [El casamiento] ..se
celebrava, como las deuias sus fiestas, juutandose a hazer borracheras, en las
quales baylavan los hnmbres al novio, y las mugeres a la novia, dos 6 tres
dias antes que se la entregassen, y estos acabados, se la davan al Piache,
para que se entretuiiiesse a solas con ella . y el la entregava al novio , con
que qxiedava hecho el casamiento" . . . Darin findet Th. Waitz. Bd. 3 S. 382.
eine Andeutung . dass der Brilutigam „aus den Kiinden des Piache die Braut
nicht als Jungfrau'" erhielt. Der weitere Inhalt der angefiihrten Stelle er-
innert an Gomara, woraus er entnommen sein mag.
^ Ueber dies unter dem Namen von Franz Corcal (geb. 1648, .st. 1708)
herausgegebene Werk vgl. Didot Bd. 11 S 810.
* Coreal Bd. 1 S. 8 : „C'etoit une coutume inviolable parmi eux , que
TEpoux ne couchoit pas avec son Epouse la preuiiere nuit de se.s Noces. Si
c'6toit un Caciqiie qui se marioit, il invitoit d'autres chefs a cette expedition
amoureuse; si c'etoit une personne de moindre rang, elle y invitoit ses pa-
reils. Les Carihes de la plus basse classe empruntoient en cette occaslon les
soins charitables de leurs Caciques et de leurs Pretres. Nous autres Euro-
peans ne sommes pas de ce gout-h"i."'
362 Kapitel 91. Cazikeii und Pajes in Amerika.
zalilt, sie seien grosse Betriiger und hatten unter andern Aufgaben
die Deflorirung der Mildchen bei deren Heirath zu besoigen ^
In einem Brief aus Amerika vom 2. Juli 1777 findet sich folgende
(durch Ycrmengung verschiedenartiger Unsitten unklare) Stelle:
„Die Scheiduug war gegenseitig erlaubt, und in der ]*rovinz Ni-
earagua, sowie auf den canarischen Inseln, und in Kuba, so
zu sagen, allgemein; der Briiutigam iiberliess den Ca-
ziken das Vorrecht, die ersten Gunstbezeugungen
von seiner Braut einzu erndte n. Ja auf der Insel Kuba
war der Gebrauch , dass die Braut des Caziken selbst die erste
Xacht bei allen zu der Hochzeit eingeladenen Caziken schlief;
und so machten es sewohl die Vornehmen als die Gemeinen;
denn dies war in der ersten ISTacht die Schuldigkeit der Giiste." ^
Depons, ein Schriftsteller aus dem Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts, behauptet, in allen Theilen von Venezuela, Mara-
caibo und Cumana habe ein Vorrecht der Piachen darin be-
standen, „dass es sich jeder junge Mann gefallen lassen rausste,
bei seiner Verheirathung den Piachen den ersten Genuss seiner
jungen Frau zu iiberlassen" ^. — Diese Quellenstellen sind niclit
geeignet, die Annahm^e zu rechtfertigen, dass bei irgend einer
Volkerschaft im ]S^orden von Siidamerika das jus primae noctis
geherrscht habe, da sie sammtlich an Mangel der Beweisfiihrung
und der nothigen Substantiirung leiden. Auch wiirde, wenn
der thatsacliliche Inhalt dieser Nachrichten bewiesen ware, daraus
hochstens ein aus religiosen Vorstellungen hervorgegangener Ge-
brauch gefolgert werden konnen, keineswegs aber ein liecht,
dem die Jungfrauen bei ihrer Verheirathung si. h hiitten unter-
werfen miissen.
Aus BrasiHen habe ich nur folgende Quellen der ange-
1 Coreal Bd. 1 S. 125, 126: ,,Leur5 Pretres sont de grands et signalez
imposteurs, quUls nomment Piaias ou Boies. Ces Pretres, beaucoup moins
betes et sauvages qu'on ne pense, ont entr'autres fonctions la commission
d'exp6dier le pucelage des jeunes fiUes qui se marient. Cest une plaisante
chose que le goiit et la mode en cette occasion. En Europe on recherche
avec avidite ce que ron fuit trds-soigneusement aux Indes : car on assure
chez les Indiens. que c'est un grand crime de ne pas ceder aux Pretres cette
fleur si chere et si rare en nos quartiers. Je crois trcs-serieusement que
cette opinion est un effet de la superstition de ces pauvres Idolatres , et de
la tyranuic des Pretres II y en a bien parmi nous qui voudroient peut-etre
qu"un tel sacrifice devint un point de Religion." Ygl. Bd. 1 S. 121: „Piaias,
qui sont Medecins et Prfitres eu meme tems."
2 Carli Bd. 1 S. 174, 175. Vgl. oben Kap. 7 S. 39.
3 Depons (Wcyland) S. 143. 145.
Kapitel '.)1. Cazikcii iiiul Pajes in Amcrika. 3G3
gebeneu Beliauptuiig-eii ennitteln konnen. Ueber dic Junianas
raeldet v. Spix : „Der lliiuptling liat das jus primae noc-
tis" *; und von den Juris versichert v. Martius, ihni selbst gegen-
iiber habe sich der Paje der Juris jener Sitte geriihmt ^. Die
Berichte dieser beiden Reisenden beruhen zwar auf eigenen Wahr-
nehmungen, konnen aber beziiglich jeuer beiden Angaben nicht
als beweiskraftig angesehen werden, weil das allgemeine Erfor-
derniss eines jeden Zeugnisses fehlt, dass namlich die einzelnen
concreten Thatsachen, die der Zeuge wahrgeuommen hat, bestimmt
bezeichnet werden. Hier fehlt namentlich eine Angabe dariiber,
wie die Indianer sich verstandlich gemacht, und in welcher Weise
sie sich ausgedriickt haben.
In Beziehung auf Peru beruft sich Waitz an der Stelle,
die Liebrecht auf das jus primae noctis bezieht, auf die "VVerke
von Ulloa und Garcilasso, ohne die vermeintlichen Beweisstellen
anzufiihren ^. Eine Durchsicht dieser beiden "\^'erke ergiebt Fol-
gendes. Ynca Garcilasso de hi Vega, geboren zu Cuzco in
Peru im Jahr 1540, acht Jahre nachdem das Reich durch die
Spanier (unter Francisco Pizarro) erobert war, blieb in seiner
Heimath unter spanischer Herrschaft bis zum Jahr 1560, begab
sich dann nach Spanien und schrieb dort bis zum Jahr 1604
eine Geschichte der Konige von Peru aus dem Geschlecht der
Yncas *. Die Yncas hatten mehr als vierhundert Jahre lang,
bis zur Ankunft der Spanier, iiber Peru als Konige geherrscht ^.
Der erste Konig aus diesem Geschlecht, Xamens Manco Capac,
war nach der Yolkssage ein Sohn der Sonne; er war vom Siiden
her in das Land gekommen, hatte Gesittung unter den wilden
Yolkern verbreitet, die Stadt Cuzco gegriindet, die Religion des
Sonnengottes und eines unsichtbaren Gottes (Pachacamac) einge-
fiihrt und weise Gesetze gegeben, namentlich die Yielweiberei
verboten und zur Yerwaltung jeder Provinz einen Curaca ein-
gesetzt ^. Der nCuraca" in Peru hatte ungefahr die Gewalt, wie
anderwarts, z. B. auf San Domingo oder Cuba, ein „Cazike" '.
1 v. Spix Bd. 3 S. 1182. - v. Martius B. 61.
3 Die bei v. Martiu.s erwiihnte Stelle aus Garcilasso ist bereits oben,
Kap. 7 S. 40, erwahnt und handelt von keinem Herrenrecht.
* Garcilasso Bd. 1, Vorrede und S. 17. 79, Bd. 2 S. 492. Darauf beruht
die Geschichte der Yncas bei Ulloa Bd. 2 S. 209-248.
^ Garcilasso liv. 1 ch. 17 und liv. 2" ch. 1, Bd. 1 S. 72 und 108; UUoa
Bd. 2 S. 213.
6 Garcilasso Bd 1 S. 86, 109. 114, 115. 124: T:iloa Bd. 2 S 215.
' Garcilas.so Bd. 1 S. 86; Ulloa Bd 2 S. 215: v. Martius S. 15.
3(34 Kapitel 92. Die L'litaos auf den Marianen.
Auf Maiico Capac ^vird auch die Anordnung iiber die Art der
Eheschliessung" zuriickgefiihrt. Danach wurden die Ehen jahrlich
oder alle zwei Jahre in feierlicher Form offentlich abgeschlossen,
und zwar zuniichst die Heirathen von Personen aus koniglichem
Gebliit in Gegenwart des Konigs und seines Hofstaates, wobei
der Konig selbst die Hande des Brautigams und der Braut zu-
sammenlegte , Beiden das Yersprechen ehelicher Treue abnahm
und dann Beide in die Hande ihrer Eltern zuriiekgab ; am folgen-
den Tage wurden alle iibrigen Heirathen in der Hauptstadt Cuzco
unter Mitwirkung von Ministern, die durch den Konig beauftragt
waren, mit gleicher Feierlichkeit abgeschlossen; dieselben Yor-
schriften wurden in allen Provinzen des R,eichs beobachtet, und
zwar ausserhalb der Hauptstadt unter Mitwirkung der Curacas ^
Hiernach erscheint die Meinung, dass den Caziken Perus das jus
primae noctis zugestanden habe, als vollig unbegriindet.
ly. Australion.
Die Ulitaos auf den Marianen.
Kapitel *)"2. Gerland und Post behaupteu, auf den Marianen
hiitten die Ulitaos „bei jeder Ehe das jus primae noctis vom Yater
der Braut erkaufen" konnen-. Diese Angabe stiitzt sich auf eine
Erziihlung aus der Reisebeschreibung des Herrn von Freycinet aus
der Zeit von 1817 bis 1820. Danach wurde im Jahr 1676 in dem
Dorf Orote, auf einer Marianen- (Ladronen- oder Diebes-) Insel, als
die Trauung eiues Spaniers mit einer christlichen Eingebornen feier-
lich begangen werden sollte, ein Hinderniss zur Sprache gebracht;
dasselbe bestand darin, dass der Yater der Braut, dortiger Sitte
gemass, sich verpflichtet hatte, die „premices" seiner Tochter an
die Ulitaos zu verkaufen^. Dies erinnert an den im Kap. 77 er-
wiihnten Gebrauch, der mit dem jus primae noctis in der herkomm-
lichen Bedeutung dieses Ausdrucks keine Yerwandtschaft hat.
1 Garcilasso Buch 4 Kap. 8, Bd. 1 S. 350—352; Ulloa Bd 2 S. 215. 216.
■' Th. Waitz Bd. 5 Abth. 2 S. 111, 112; Post S. 37.
' Freycinet S. 189: . . . „les missionnaires eurent Tidee de celebrer h
Orotd avec tout Tappareil possible funion d'un Espagnol et d'une fille chr^-
tienne de ce village. Mais au moment convenu pour la solennite, le pere de
la future vint y mettre des entraves par une opposition opiniatre. II s'^toit
engage, selon la coutume, h. vendre aux Ulitaos les pr6mices de cette jeune
personne. Le P. Sebastien de Mauroy, pensant qu'il regrettoit le prix de ce
honteux marche . lui ofTrit un dedommagement capahle de contcntcr son ava-
rice : rien ne put lui faire entendre raison" . . .
Dritter Absclinitt.
R ii e k 1) 1 i c k ini d E r 2: e I) 11 1 s s.
A. Riickblick.
Kapitel 93. In der bisherigen Untersucliung sind die zum
Beweise des jus primae noctis Torgebracliten Griinde einzeln ge-
priift worden. Dies fiihrte zu dem Ergebniss , dass theils die
fragUcheu Behauptungen auf Missverstandniss beruhten , theils
die behaupteten Thatsachen nicht gehorig nachgewiesen seien,
theils endlich die festgestellten Thatsachen zum Beweise jenes
Rechts nicht geniigten. Hiermit ist nun aber die Frage, ob ein
jus primae noctis bestanden hat, uoch nicht vollstandig gelost.
Es fragt sich niimlich, ob etwa, ungeachtet der im Einzehien
nachgewiesenen Irrthiimer, die verschiedenen Beweisgriiude im
Ganzen und in Zusammeuhang miteinander den Beweis zu er-
briugen vermogen, dass jenes Recht einstmals irgendwo gegolten
habe. Allein aucli diese Frage ist zu verneinen , wie folgender
Ueberblick iiber das gesammte Ijeweismaterial ergiebt.
I. Berielite uiid Sau-en.
1. Nachricliten uber Defloration der Braute durch Priester oder Hauptlinge.
Seit dem sechzehnten Jahrhundert wird iiber die Bewohner
von MaLibar in Ostindien und iiber einige Indianerstamme von
Siidamerika berichtet, dass Jungfrauen bei ihrer Yerheirathung
von Priestern deflorirt wiirden ^. Yarthema (1510) sagt, der
Konig von Calicut, und kein Anderer in seinem Reich, erwiihle
bei seiner Heirath den wiirdigsten und geehrtesten Brahmanen,
damit derselbe in der ersten Nacht bei der Konigin schlafe und
sie deflorire; der Brahmane erhalte hierfiir vier- bis fiinfhundert
Ducaten ^. Die IS^achrichten aus Siidamerika beruhen hauptsach-
lich auf dem Bericht Oviedo's, dass bei den Arowaken und einigen
Kap. 75 iind 91. ^ Kap.
366 Kapitel 93. Riickblick. I. r.erichte und Sageu.
andern Volkerscliafteu eine Jungfraii, die verheiratliet werden
solle, um gliicklich im Ehestand zu werden, zuvorderst mit ihrenr
Piache oder Priester schlafen miisse, und erst, nachdem dies ge-
schehen sei, am folgenden Tag sich iiirem Ehegatten hinzugeben
habe^; und auf der Erzahlung Gomara's, dass die Bewohner von
Cumana den nach ihrer Meinung anstandigen Gebrauch beob-
achteten, die neuvermalilten Frauen an die Priester oder Piaches
zur Defloration zu iibergeben ^. Hiermit konnen einige Angaben
verglichen werden , die nicht von Priestern, sondern von Haupt-
lingen reden, naralich dass bei den Adyrmachiden die Jungfrauen,
die heirathen wollten, dem Konig vorgestellt und, falls sie ihm
gefielen, von ihm deflorirt wiirden ^; und die tausend Jahre spater
gemachte Entdeckung, wonach auf den Inseln Gomera und Palma
die Hiiuptlinge von allen Jungfrauen bei deren Heirath die Yor-
kost hatten, oder die Weiber, die zu verheirathen waren, zuerst
durch die Machthaber, w^enn dieselben sich einander besuchten,
zuni AYillkomm gegeben und deflorirt wurden, und die Bewohner
von Teneriffa keine Jungfrau zur Gattin nahmen, bevor sie ihrem
Fiirsten vorgeschlagen hatten, sie zu scJiwachen*. — Mit Riiclc-
sicht auf die innere Yerwandtschaft dieser zwar vereinzelten,
jedocli aus verschiedenen Zeiten und Landern herriihrenden
Is^achrichten lasst sich allenfalls die Meinung vertheidigen, dass
ihnen etwas Wahres zu Grunde liegen miisse, obwohl jeder Be-
richt, fiir sich allein betrachtet, zu crheblichen Bedenken Anlass
bietet , und die Angaben untereinander mehrfache Widerspriiche
enthalten. Man konnte damit die Berichte iiber einige andere
geschlechtliche Unsitten '' vergleichen und danach die fraglichen
Gebriiuclie aus religiosen Anschauungen heidnischer Yolker zu
erklaren suchen. Andererseits erhellt gerade aus der Zusammen-
stelhmg und Yergleichung aller bezeichneten Mittheiluugen mit
noch grosserer Sicherheit als aus der Fassung jedes einzelnen
Berichts, dass die darin erwahnten Handlungen der Priester oder
Hauptlinge im Einverstandniss der Jungfrauen und ihrer Ange-
horigen vorgenommen wurden. Denn es wird gemeldet, dass die
Brahmanen in Malabar sich fur Yornahme der fraglichen Hand-
lung theuer bezahlen liessen; dass bei den Indianerstammen, von
1 Kap. 91 S. 360, 361. - Kap. 91 S. 360. ^ ^ap. 33. * Kap. 72.
5 Dahin gehoren die Berichte, dass bei manchen Volkerschaften die Miid-
chen vor der Heirath durch Fremde deflorirt wiirden (vgl. Kap. 7 S. 39 und
Kap. 75 S. 314), oder ihre Jungfraulichkeit einem Gotzenbild zum Opfer
brachten (vgl. Kap. 7 S. 40), oder sich einer andern Operation unterwiirfen,
um sich davon zu bcfreien (vgl. Kap. 44 S. 214).
Kapitcl 93. Ruekblick. I. Berichte und Sagen. 367
dciiGn Oviedo spricht, die Jungfrauen sicli deni betreffenden Ge-
hrauch unterwiirfen, „uni gliicklich im Ehestand zu werden" ;
dass die Bewohner vou Cuniana den durch Gomara mitgetheilten
Gebraucli fiir anstiindig hielten ; und dass die Bewohner von
Teneriffa sich als sehr geehrt betrachteten, w^enn eine Braut
die Gnade erlangte , vom Fiirsten deflorirt zu werden. Obwohl
eine derartige ausdriickliche Versicherung in andern Quellen-
stellen fehlt, so ist doch in keiner derselben das Gegentheil her-
vorgehoben, dass namlich die Jungfrauen und deren Angehorige
auch wider ihren Willen jene Handlungen hiitten erdulden miissen.
Schon aus diesem Grunde, und abgesehen von allen sonstigen
Bedenken ^, konneu die gemeldeten Schilderungen nicht zu der
Annahme berechtigen, dass in Malabar und bei einigen Indianer-
volkeru von Siidamerika ein Herrenrecht der Priester, sowie bei
den Adyrmachiden und auf den canarischen luseln ein Herren-
recht der Hauptlinge auf die erste Nacht der Briiute jemals ge-
golten habe, oder noch heutzutage gelte. Also ist es ein Irr-
thum, Avenn einige Gelehrte des neunzehnten Jalirhunderts in den
bezeichneten Xachrichten den Beweis des jus primae noctis finden.
Mithin kann auch die Yersicherung, dass bei andern Volkern
dasselbe Recht bestehe, keine Beachtung verdienen, solange bloss
eine Behauptung jener durch Irrthum befangenen Schriftsteller
vorliegt, und jeder sonstige Beweis fehlt. Damit erledigen sich
bis zu einer etwaigen niiheren Aufkh'irung die Angaben iiber
einige Volker Brasiliens ^ und iiber das Bergland Bagele auf
den Andamanen ^.
2. Sagen iiber Deflorirung der Braute durcli Tyrannen.
Es giebt eine Reihe von Sagen, die darin iibereinstimmen,
dass ein Tyrann in seiner Gewaltthiitigkeit so weit ging, gewohn-
heitsmiissig die Miidchen vor oder bei ihrer Heirath ihrer Jung-
friiulichkeit zu berauben. Abgesehen von den etwas unbestimm-
ten und undeutlichen Nachrichten iiber die Sklavenherrschaft in
Volsinii-^, iiber die Ausschweifungen des romischen Kaisers Ma-
ximin ^ und iiber das Verfahren des K()nigs von Tsiamba ^, sind
hier hauptsiichlich folgende Sagen zu beriicksichtigen. Nach einer
Erziihlung aus dem vierten Jahrhundert vor Chr. Geb. regierte in
alten Zeiten auf der Insel Kephalenia ein Tyrann, der die Miidchen
1 Vgl. Kap. 75 S. 319 und Kap. 91 S. 359, 302. 363.
2 Kap. 91 S. 363. ^ Kap. 76. * Kap. 35.
s Kap. 37. 6 Kap. 43.
303 Kapitel 93. Riickblick. I. Berichte iind Sagen.
fleisclilicli erkannte, bevor sie verlieirathet wurden, bis ein ge-
wisser Antenor eine Jungfrau vor der Schandung- bewahrte , in-
dem er sicli als Miidchen verkleidete und mit einem unter der
Kleidung verborgenen Schwert den Tyrannen erschlug; wegen
dieser Heldenthat ward Antenor zum Fiirsten erwahlt, und er er-
langte hohe Ehre, ebenso wie die Jungfrau, die er gerettet hatte *.
Seit dem vierten Jahrhuudert nach Chr. Geb. wurde erzahlt:
Es fand oinmal in Judiia, vor der Zeit, um welche die ^lischna
abgefasst wurde, eine Yerfolgung statt; man erliess die Bestim-
milng, die Tochter der Juden sollten zuerst vom aTpaxioc beschlafen
werden ^. Damit verwandt ist die Erzahhmg aus dem fiinften
oder sechsten Jahrhundert, dass einmal (vor Abfassung der Mischna)
die Machthaber befohlen hatten , die Jungfrauen sollten vor der
Hochzeit vom Taphsar beschlafen werden^; und der spatere Sa-
genkreis, der in verschiedenen Gestalten, aus der Zeit vom sieb-
ten oder achten bis zum fiinfzehnten Jahrhundert, den Anlass
zum Aufstand der Makkabaer auf Jihnliche Schandthaten der
griechischen Machthaber zuriickfuhrt *. Eine Erzahlung aus dem
Anfang des vierzehnten Jahrhunderts spricht iiber einen gewalt-
thatigen Arabei-konig vom Stamm Tasm, der zugleich iiber den
Stamm Djadis herrschte und den Gebrauch einfiihrte, dass keine
Jungfrau vom Stamni Djadis ihrem Briiutigam zugefiihrt wurde,
bevor er selbst mit ihr zu thun gehabt und ihr die Keuschheit
entrissen hatte; die Djadisiten erduldeten diese Nichtswiirdigkeit
geraume Zeit, nahmen dann aber furchtbare Rache , indem sie
nach vorherigem J'hin bei einem Gastmahl den Konig mit den
meisten Tasmiten umbrachteu '". — Diese im Alterthum und Mittel-
alter entstandenen Sagen beruhen auf gesunden Grundgedanken
von Yerschuldung lind Yergeltung ^ Als geschichtlich festgestellt
kann keine dieser Erzahlungen betrachtet werden , obwohl die
Moglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass ihnen ein geschichtlicher
Kern zu Grunde liefft.
1 Kap. 34. 2 Kap. 29 S 1(54. ^ Kap. 29 S. 166.
* Kap. 30. '" Kap. 32
•i Auf ahnlichen Gruncjgedanken beruhen zwei im neunzehnten Jahrhundert
entdeckte Sagen. die von alten Zeiten reden , niimlich die angcbliche Yolks-
sage, dass die Stadt Harapa vor dreizehnhundert Jahren durch die Rache
Gottes zerstort worden sei , weil der Beherrscher jener Stadt bei jeder
Heirath ..gewisse Vorrechte" beanspruchte und auch Blutschande beging
(Kap. 42); und die Erzahluiig eines AYiedehopfs iiber Konig Sharalibil von
Saba (Kap. 31).
Kaiiitel 03. Ruckl)lick. I. Berichte uikI riageii. 309
3. Eine Sage iiber die Fenier Irlands.
Eiiio im ueunzeliiiteu Jcilirliuudcrt veroffentlichte Sage, die
aus der Zeit voni funfzehnten bis achtzehnten Jahrhundert her-
riihrt, fiilirt die Yeranlassung- der Schlaeht von Gabhra darauf zu-
riick, dass die Fenier von Konig- Cairbre nach dessen Verlobung
„zwanzig Unzen Gold oder das Recht, mit der Prinzessin die
Nacht vor ihrer Hochzeit zu schlafen", begehrt uud dadurch den
Unwillen des Monarchen erregt hiitten ^. Diese Sage kann , wie
der Herausgeber derselben bemerkt, keinenfalls als ein Stiick
iichter Geschichte angesehen werden ; ebensowenig ist sie nach
ihrem Inhalt geeignet, als Beweis eines Herrenrechts zu dienen.
4. Sagen der Neuzeit iiber Entstehung von Heirathsabgaben.
Einige Sagen, die aus dem sechzehnten Jahrhundert stammen,
suchen die Entstehung von Heirathsabgaben aus einem friihern
Herrenrecht der ersten Nacht zu erklaren ^. Nach Berichten von
Hector Boethius (1526) und George Buchanan (1582) erliess ein
heidnischer Konig, Evenus HI. von Schottland, ein Gesetz, wo-
nach jeder Herr einer Ortschaft die Gewalt haben sollte, die
erste Keuschheit der neuvermahlten Jungfrau in ihrer Hochzeits-
uacht zu kosten; dies gottlose Gesetz ward durch Konig Mal-
colm III., auf Andrangen der heiligen Konigin Margaretha, dahin
abgeandert, dass die jungen Ehegatten jenes Recht ablosen konn-
ten; so entstand die unter dem Namen „marcheta mulierum" be-
kannte Heirathsabgabe ^. Na.ch Angabe von Hector Boethius
wurde auch in Belgien, und zwar in einem Flecken unweit Lo-
wen, der Gebrauch beobachtet, dass der Briiutigam die Schandung
der Braut vom Yorsteher des Orts abloste '^. Wie Hieronymo
Mutio (1553) bemerkt, entstand eine mit dem Namen „connagio"
1 Kap. 41.
2 Aus alterer Zeit ist eine derartige Sage noch nicht entdeckt. Zwar
findet sich schon in einem Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts die Sage.
dle Bauern von Verson in der Normandie hiitttn in friiheren Zeiten, statt die
Heirathsabgabe zu bezahlen, lieber ihre Tochter dem Grundherrn ijberliefert,
„um dessen Willen zu thun'' : allein dieser Wortlaut berechtigt niclit ohne
Weiteres, an ein unanstandiges Recht des Grundherrn zu denken (Kap. 56).
3 Kap. 40. Die Erzahlung von Hector Boeis wurde durch Zuthaten
einiger spaterer Schriftsteller (Skene, Boxhorn, Hachenberg und AVestphal)
dahin erweitert, dass jenes Gesetz bei allen Heirathen der Germanen, Wenden
und Franken gegolten habe und ausgeiibt worden sei.
* Kap. 20 S. 107.
Schmiclt, .Jus primae noctis. 24
370 Kapitel 93. Riickblick. I. Berichte und Sagen.
bezeiclinete piemoutesische Heirathsabgabe durch Ablosung eines
friiheren Brauchs, wonach die neuvermahlten Frauen die erste
Nacht mit dem Herrn der Ortschaft schliefen \ Desgleichen wird
in einer Urkunde vom 2. Febr. 1538 eine Heirathsabgabe , die
an den Herrn von Bizanos in Bearn zu entrichten war, aus dem
Recht seiner Yorfahren erldart , so oft Heirathen in Bizanos
stattfanden, mit der jungen Frau die erste Nacht nach der Hoch-
zeit zu schlafen ^. Ebenso suchten seit Ausgang des siebzehnten
Jahrhunderts hollandische Schriftsteller eine Heirathsabgabe , die
in Cortgene bestand, daraus zu erklaren, dass der Herr von Cort-
gene seit ganz alten Zeiten das Recht iiber die Jungferschaft der
Briiute habe , das jedoch gewohnlich mit Geld abgelost werde ^.
— AUe diese Sagen beruhen ini Grossen und Ganzen auf der
Yoraussetzung, dass jenes schmachvolle Recht zu heidnischer
Zeit gegolten habe und im Mittehilter, sobald die christlichen
Grundsatze zur Herrschaft gelangten, in eine Abgabe verwandelt
worden sei; soweit dies in den einzelnen Berichten nicht aus-
driicklich gesagt ist, bleibt nach ihrem Inhalt wenigstens die
Moglichkeit bestehen, jenes Recht fiir ein altheidnisches zu er-
klaren. Wunderbar bl^ibt der Inhalt dieser Sagen insofern, als
danach das Christenthum im Mittelalter nicht die vollige Aus-
rottung jener Barbarei, sondern nur die Yerwandlung des heid-
nischen Rechts in eine Abgabe durchzusetzen vermochte. Es
lasst sich annehmen, dass im sechzehnten Jahrhundert an vielen
Orten der wahre Grund, worauf die herkommlichen Heirathsab-
gaben beruhten, in Yergessenheit gerathen war, und diese Liicke
in der Kenntniss der Yorzeit durch Sagen erganzt wurde '^ ;
vielleicht unter Einfluss der in<zwischen allmahlich verbreiteten
Nachrichten und Sagen alterer Zeit (die oben S. 365—368 er-
wiihnt sind). Ein geschichtlicher Kern ist in dem bezeichneten
Sagenkreis nicht enthalten, da die Entstehung der Heirathsab-
gaben geniigend aufgekhirt ist, und kein Grund fur die Annahme
eines unsittlichen Ursprungs derselben vorliegt ^.
Eine noch weit ungunstigere Yorstellung vom christlichen
Mittelalter findet sich in »dem jungeren, hauptsachlich im acht-
' Kap. 24 S. 139. ^ ^ap. 80.
^ Kap. 21. — ^us dem siebzelinten Jahrhundert stammen auch die gleich-
artigen Erkliirungen von Ducange iiber Wales (Kap. 14) und von Plot iiber
England und Irland (Kap. 16 und 17).
* Vgl. Raepsaet 3. Ausg. S. 57. — In iihnlichor Weise sind bekanntlich
zaldreiche Volkssagen entstanden.
s Kap. 13.
Kapitel 93. Ruekblitk. I. Bcrichto und Sagen. 371
zehnten und neunzehnten Jahrhundert ausgebildeten, Sagenkreis
iiber die Entstehung- der g-rundherrlichen Heirathsabgaben. Da-
nach sollen dieselben durch AbhJsung des ira christlichen
Mittelalter herrschend gewesenen jus primae noctis entstanden
sein ^ Diese giinzlich grundlose Annahme ist nicht aus blosser
Unwissepheit, sondern zumeist aus obertlachlichen Untersuchungen
von vermeintlich aufgeklarten Gelehrten hervorgegangen, zum
Theil aber auch auf unlautere Quellen zuruckzufiihren.
5. Sagen der Neuzeit iiber Aufstande wegen des jus primae noctis.
Seit dem siebzehnten Jahrhundert verbreiteten sich zwei Er-^
zahlungen, die den Anlass zur Griindung der Stiidte Montauban
und xsizza della Paglia auf ein garstiges Recht der Gruudherren
zuriickfiihrten ^. Die ersterwiihnte Sage spricht in ihrer iilteren
Fassung nicht von einem Herrenrecht der ersten JSTacht, sondern
von einem „jus cunni", das ein Ueberrest alter Barbarei ge-
wesen und als Loseg^ld durch die Aebte von Saint-Audard mit
ausserster Htirte gefordert sei; erst spiitere Ausschmiickungen
derselben Sage erkliiren das jus cunni als gleichbedeutend mit
dem jus primae noctis. Die andere Sage berichtet, die gewalt-
thiitigen Grafen von Acquasana hiitten die Primizien der Jung-
frauen bei deren Heirath geniessen wollen und dadurch den Auf-
stand gegen ihre Herrschaft veranlasst. Ferner meldet eine Er-
ziihlung aus dem Anfang des achtzehnten Jahrhuuderts, die Herren
von Prelley und Parsanni in Piemont hiitten ein iihnliches (oder
gleiches) Recht, wie das in Schottland durcli Kiinig Evenus III.
eingefiihrt gewesene, unter dem Namen cazzagio ausgeiibt und
hiitten sich geweigert, in Ablosung dieses Rechts einzuwilligen;
dadurch sei ein Aufstand veranlasst worden, der dahin fiihrte,
dass die Bewohner der beiden Orte von jenem Herrenrecht be-
freit wurden, und diese Orte an Savoyen gelangten^. Die in
diesen Erziihlungen von einem siindhaften Recht gemeldeten That-
sachen sind weder bewiesen, noch mit den geschichtlichen Yor-
giingen, soweit solche festgestellt sind, auch nur vereinbar. Ohne
geschichtlichen Werth sind die erst im neunzehnten Jahrhundert
erfundenen Erziihlungen ahnlichen Inhalts iiber die Grafen Des
Vertus und die Herzoge der Xormandie *, sowie iiber die Zwing-
herren von Yatz und von Ravenstein ^.
' Vgl. oben S. 64. 73—75. 95, 96. 113. 244, 245, 251.
2 Kap. 69 und 52. ^ Kap. 53.
* Kap. 68. 5 Kap. 48 und 49.
372 Kapitel 93. Riickblick. I. Berichte und Sagen.
6. Sagen der Neuzeit iiber Processe wegen des jus primae noctis.
In einem Werk aus der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts
findet sich die Anecdote, in Gegenwart des Yerfassers jenes
Werkes habe ein Pfarrer vor dem erzbischoflichen Gericht zu
Bourges die Behauptiing aufgestellt, dass ihm gewohnhe;tsraassig
die erste fleischliche Erkennung der neuvermiihlten Frauen zu-
komme ; darauf sei diese Gewohnheit fiir nichtig erkliirt und der
Pfarrer zu einer Geldstrafe verurtheilt worden ^ In einer Schrift
aus dem siebzehnten Jahrhundert wird erziihlt, der Captal von Buch
habe das Recht gehabt, mit den neuvermahlten Frauen seiner Leib-
eigenen zu schhifen oder von ihnen ein Geschenk nach seinem
eigenen Belieben zu fordern, bis dies Recht durch Urtheil des
Parlaments zu Bordeaux vom Jahr 1468 aufgehoben und durch eine
Geldabgabe ersetzt worden sei ^. Eine Erzahkmg vom Jahr 1820
meldet, vor beinahe vierhundert Jahren sei ein Urtheil ergangen,
wonash die Lehnsherren der Auvergne nicht mehr, wie bis dahin,.
berechtigt sein sollten, rait ihren Vasallinnen in deren Hochzeits-
nacht zu schlafen, sondern ihnen nur freistehen sollte, einen nack-
ten Schenkel in das Be^tt der neuvermiihlten Frauen zu legen
und eine Yiertelstunde mit ihnen unter vier Augen zuzubringen ^.
Endlicli wird iu jiingster Zeit erziihlt, im Jahr 1855 sei der rus-
sische Geheimrath Ischadowsky „fiir seine Handkingen in Bezug
auf das jus primae noctis" zu einer Strafe verurtheilt worden. —
Auf diese Erzahkingen kann kein Gewicht gelegt werden, solange
die Existenz und der Inhalt der fragUchen Urtheile nicht nach-
gewiesen ist.
7. Sagen der Neuzeit von Urkunden iiber das jus primae noctis.
Die Erziihlungen raoderner Schriftsteller iiber Urkunden, wo-
rin das jus priraae noctis verbrieft stehen oder gestanden haben
soU, verdienen keine Beachtung, solange ein Beweis iiber den.
Inhalt und die Existenz jener Urkunden vermisst wird. Dahin ge-
hort die zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts entstandene
Erziihlung, dass eine Urkunde iiber ein ahnliches oder iiber das
niimliche Recht, wie das in Schottland durch Konig Evenus ein-
gefuhrte und durch Konig Malcolra abgeschaffte, deni Hause della
Rovere in Pieraont gehort habe und durch den Cardinal Hiero-
nymo della Rovere zerrissen worden sei'*; und die crst ira neun-
Kaii. 82. 2 i^ap G5. ^ Kap. 66 S. 284. * Kap. 51.
Kapitel 93. Eiifkblick. II. Urkiindenbeweise. 373
zelinten Jalirliundert erfundene Erzalilung, dass ein Domlierr von
Lyon den alten Titel, der den Grafen-Doniherren von Lyon das
droit du seigneur gewahrte, in Handen gehabt und, weil er den
Inhalt liicherlich fand , zerrissen habe \ oder dass noch jetzt (an
einem unbekannten Ort) eine Urkunde vom Jahr 1132 existire,
worin die Kanoniker von Lyon in bester Form auf jenes Recht
verzichtet liatten ^.
8. Sagen der Neuzeit uber herkommliche Schandungsrechte des Mittelalters.
]S^ach einer Nachricht des sechzehnten Jahrhunderts soU in
der Auvergne eine Gewohnheit geherrscht haben, die dem Herrn
des Orts das Recht gewahrte, mit der Braut seines Unterthanen
in der Hochzeitsnacht zu schlafen ^. Und in einem Buch vom
Jahr 1767 wird erzahlt, in der Stadt Auxi-le-Ch;iteau habe dem
Grundherrn das Recht zugestanden, die Jungferschaft hiibscher
Frauenzimmer zu rauben, gegen eine an den Grafen von Pon-
thieu zu entrichtende Abgabe von einem Thaler und zehn Sous '\
— Fiir beide Nachrichten fchlt eiu Beweis.
II. Urkiindenbeweise.
1. Gesetze.
Li der Neuzeit wird von einigen Gesetzen iiber das jus pri-
mae noctis gesprochen, namentlich seit dem sechzehnten Jahr-
hundert von Gesetzen des Konigs Evenus III. und des Konigs
Malcolm III. von Schottland % und seit dem achtzehnten Jahr-
hundert von einem Gesetz aus dem Jahr 964, wodurch die rus-
sische Reichsverweserin Olga „das Fiirstliche" (jus primae noctis)
abgeschafft habe "^. Im neunzehnten Jahrhundert beruft man sich
ausserdem noch auf ein toscanisches Gesetz vom Jahr 1691, wel-
ches mit dem ,,jus primarum noctium" der Monche zusammen-
hangen soll ^, und auf ein calabrisches Gesetz vom 10. Febr. 1785
iiber „das schandliche Hochzeitsrecht" ^. — In Wahrheit existiren
keine Gesetze, die das jus primae noctis eingefiihrt oder abge-
^ Kap. 54 S. 245. - Kap. 54 S. 245.
^ Kap. 66. — Undeutlich ist eine Erzahlung aus dem Anfang des acht-
zehnten Jahrhunderts iiber die Bewohner von F^re in Tardennis (Kap. 57),
worin von einem „droit des mariages", unabhangig von der Heirathsabgabe,
die Rede ist; doch kann das „droit des tnariages'- nur als eine Steuer (unbe-
kannten Inhalts), nicht als ein Schandungsrecht erklart werden.
* Ifep. 78 S. 327. 5 Kap. 40. ^ Kap. 46.
' Kap. 86. 8 Kap. 87.
374 Kapitel 93. Riickblick. II. Urkuiulenbeweise.
schafft liaben. Die allgemeinen Anordnungen, die in dem an-
gebliclien Urtheil des Grross-Seneschalls der Guyenne vom 13. Juli
1302 und im Schiedsurtheil des KiJnigs Ferdinand vom 21. April
1486 enthalten sind ', sollen bei Uebersiclit iiber die gerichtlichen
Entscheidungen beriicksichtigt werden ^.
2. Urkunden liber Gewohnheitsreclite.
Aus Urkunden des Mittelalters und der Neuzeit erhellt, dass
in manchen Landern wichtige Rechte von dem Ort abhingen, wo
die Neuvermahlten die Hochzeitsnacht zubrachten; und dass die
Brautleute deshalb an einigen Orten die grundherrliche Geneh-
migung nachsuchen mussten, um dort die Hochzeitsnacht zuzu-
bringen. Nach einer angeblich zu Anfang des vierzehnten Jahr-
hunderts gefertigten Urkunde aus dem Bisthum Strassburg war
im Dorf Wettolsheim die Landesangehorigkeit der Neu-
vermahlten davon abhangig, ob sie auf dem bischoflichen Gebiet
oder auf dem Gebiet der Herren von Horburg die Hochzeits-
nacht zubrachten^ Nach einer Urkunde vom Jahr 1318 war in
der Stadt Dercy in der Picardie die Ortsangeh origkeit der
Neuvermahlten dadurch bedingt, dass sie die Hochzeitsnacht in
Dercy schliefen *. Nach einer Urkunde vom 13. Jan. 1369 musste
zu Brimeu in der Picardie jeder Mann, mit Ausnahme des Lehns-
mannes, der auf seinem Lehen schlief, die Genehmigung des
Grundherrn nachsuchen, um mit seiner Braut die Hochzeitsnacht
in Brimeu verbringen zu diirfen^. Nach den im Jahr 1507 redi-
girten Coutumes aus dem Amt Amiens bestand in den Stadten
Brestel-les-Doullens , Auxi-le-Chateau und Blangy-en-Ternois der
Grundsatz, dass ein Fremder, der dort heirathete und daselbst
mit seiner Frau die Hochzeitsnacht verbringen wollte, dazu die
Genehmigung der grundherrlichen Behorde nachsuchen musste;
zumeist hatte er dafiir eine Abgabe zu entrichten, bei Vermeidung
erheblicher Vermogensstrafe **. In den Stadteu Maisnil-les-Hesdins
und Drucat war, wie die Coutumes vom Jahr 1507 ergeben, die
grundherrliche Genehmigung bei allen Heirathen nachzusuchen, also
1 Kap. 62 S. 261, 262 und Kap. 70 S. 298, 303.
2 Unten S. 376—378. » Kap. 28 S. 159.
" Kap. 28 S. 100. * Kap. 28 S. 161.
^ Kap. 78 S. 325, 326. — Die Abgabe betrug in Blangy-en-Ternois zwei
Sous, in Brestel nur /wei Pfennige; sie war durch die Coutume von Auxi
nicht bestimmt. Die Geldstrafe ist in der Coutume von Blangy-cn-Ternois
nicht erwiihnt; sie betrug in Brestel und Auxi sechzig Sous ( drei Frankon).
Ka])itcl 93. Riiokblick. II. Urkundonbeweise. 375
aucli dann, wenn beide Brautleute daselbst bereits ortsangehoriji,-
waren K Nach den Coutunies von Burgund und Franche-Comte
konnte die Tochter eines Horigen bei Verheirathung an einen
fremden Mann sich ilir kiinftiges Erbrecht (welches sie sonst
durch das Ausscheiden aus ihrer bisherigen Rechtsgemeinschaft
verloren hatte) dadurch vorbehalten, dass sie mit ihrem Ehemann
die Hochzeitsnacht auf dem Gut ihrer Eltern zubrachte ^. — AWe
diese Bestimmungen erklaren sich aus dem altgermanischen Rechts-
satz, dass die rechtlichen Folgen der Ehe mit dem Beilager begin-
nen; sie bieten keinen Clrund zu der Annahme , dass in den be-
zeichneten Orten dem Grundherrn das jus primae noctis zugestanden
habe. Die einzige Coutume, worin der Hinweis auf ein solches
Recht mit einem Schein von Bereclitiguug entdeckt werden konnte,
ist die Coutume von Drucat; darin wird der Fall erwahnt,
dass der Grundherr bei der Hochzeitsdame geschlafen habe;
allein von einem Recht des Grundherrn zu einer solchen Hand-
lung ist in der Coutume keine Hede. Die Nachsuchung der
gruudherrlichen Erlaubniss (unter Ueberreichung einer Abgabe
vom Hochzeitsmahl) sollte nicht erforderlich sein , wenn der
Grundherr bei der Hochzeitsdame geschlafen hatte. Dies ist
entweder fiir eine bloss scherzhafte Redewendung zu erachten
oder dahin zu erklaren, dass der Grundherr den Anspruch auf
die herkommliche Hochzeitsabgabe zur Strafe verlor, wenn er
die bezeichnete Handlung beging ^. Letzteres kann sich auf den
Fall beziehen, dass eine Person heirathete , die mit dem Grund-
herrn fleischlichen Verkehr gehabt hatte.
Aus den zahlreichen sonstigen Urkunden, des Mittelalters
und der Neuzeit, iiber die grundherrliche Heirathserlaubniss
und iiber Heirathsabgaben, die von Horigen an ihre Grund-
herren zu entrichten waren, sowie aus den fiir Heirathsabgaben
eingefiihrten Bezeichnungen, ist kein Grund fiir die Meinung zu
entnehmen, dass in den betreffenden Abgaben ein Ueberrest des
jus priraae noctis zu finden sei, oder dass daraus ein solches
Recht sich entwickelt habe''. — Auf eine Heirathsabgabe sind
auch die in einer Urkunde aus Siidtirol voni 3. Mai 1166 er-
wahnten „Nutzungen der ersten Nacht wegen der Braute" zu
> Kap. 78 S. 327, 328. — In Drucat musste bei Nachsuchen der Er-
laubniss eine Schiissel vom Hochzeitsmahl nebst /.wei Kannen vom Hochzeits-
getrank iibei-reicht werden. In Maisnil "bestand die Strafe (fiir unterlassene
Nachsuchung der Erlaubnis.s) in der Einziehung des Eliebetts nebst Allem,
was sich am Morgen nach der Hochzeitsnacht darauf befand.
^ Kap. 59 und 00. ^ j^^p. 78 S. 328—330. ^ Kap. 12—25.
376 Kapitel 93. Riickblick. II. Urkundenbeweise.
beziehen, solange es an naherer Aufklarung iiber den Inhalt
der schadhaften Stelle dieser Urkunde fehlt ^ Ob das in einer
Urkunde aus der Pieardie Tom Jahr 1228 erwahnte und noch
nicht hinlanglich aufgeklarte „droit de braconnage" des Herrn
von Mareuil zu den Heirathsabgabeu zu rechnen ist, kann da-
hingestellt bleiben; jedenfalls ist die erst in der zweiten Halfte
des achtzehnten Jahrhunderts aufgestellte Yermuthung, dass damit
das jus primae noctis gemeint sei, willkiirlich und unhaltbar ^. —
Einige Urkunden des sechzehnten Jahrhunderts enthalten eine
scherzhafte Sicherung der Heirathsabgaben ; namlich zwei schwei-
zerische Weisthiimer, wonach der Meier oder Vogt das Eecht
haben sollte, nacli der Hochzeit der Horigen die erste Nacht
bei der jungen Frau zu liegen, M'enn der Brautigam die Hoch-
zeitsabgabe nicht entrichte ^ : und eine Urkunde aus Bearn,
wonach die Schutzhorigen des Herrn von Lobier bei ihren Hei-
rathen verpflichtet w^aren, entweder ihre Frauen fiir die erste
N^acht dem Grundherrn vorzustellen , damit derselbe mit ihnen
nach seinem Yergniigen verfahre, oder ihm die bestimmte Ab-
gabe zu entrichten *. Ein ahnlicher Scherz findet sich schon in
einer Urkunde der Xorn^andie vom Jahr 1419; danach sollte Herr
von Lariviere-Bourdet bei Heirathen seiner Leute, falls dieselben
die Heirathsabgabe nicht piinktlich entrichteten , und falls er
selbst wollte, mit der neuvermiihlten Frau schlafen konnen und
miissen •". Alle diese Bestimmungen sind so gefasst, dass kein
L^ebelstand eintritt, wenn die rechtmassige Abgabe bezahlt wird;
daraus kann nicht gefolgert werden, dass in friiheren Zeiten ein
ernsthaftes jus primae noctis in den bezeichneten Herrschaften
bestanden habe.
3. Gerichtliche Entscheidungen.
Das im Jalir 1812 entdeckte angebliche Urtheil des Gross-
Seneschalls der Guyenne vom 13. Juli 1302 ist ein falschlich an-
gefertigtes Actenstiick *". Obwolil die Motive dieser Falschung
' Kap. 50. .
* Kap. 55. — Wenn das ,,di-oit de braconnage", wie oben (S. 248. 249)
als etymologisch niiiglich hingestellt ist, eine Heirathsabgabe gewesen ware.
.so konntc man vermuthen , die Yerpflichtung habe in der Bekostigurg von
Bracken (Schweisshunden) bestanden, zumal da ahnliche Abgaben in andern
Urkunden (oben S. 346) erwahnt werden. Allein wegen der Stelle ..sl ne
les braconne" diirfte die oben (S. 249) aufgestellte Hypothese von cincr
anstjindigen Umarmung den Vorzug verdienen.
3 Kap. 88. " Kap. 80. * Kap. 58. *> Kap. H2.
Kapitel 93. lUickblick. 11. Urkuiidenbeweise. 377
noch niclit feststohen, so liisst sicli docli der dringende Yerdacht
nicht ahweisen , dass die Falschung in unlauterer Absicht durch
Vertheidiger der Irrlehre vom „droit du seigneur" des Mittelalters
(pour les besoins de la cause) vorgenommen wurde. Das Schieds-
urtheil des Erzbischofs zu Lyon vom Jahr 1335 oder 1361 liber
ein E,echt des Cantors an der Kirche zu Macon steht mit dem jus
primae noctis in keinem Zusammenhang ^. Die Urtheile des Par-
laraents zu Paris vom 17. Jan. 1393 und vom 19. Marz 1409 iiber
einen Streit zwischen den Bischofen von Amiens und den Be-
wohnern der Stadte Amiens und Abbeville betrefFen nicht ein
Herrschaftsrecht der Biscliofe von Amiens, sondern eine kirchliche
Dispensgebiihr, die in dera Fall erhoben wurde, dass, unter Ab-
weichung von dera kirchlichen Herkommen der Diocese Amiens, die
Einsegnung des Ehebetts schon am Hochzeitstag stattfand ^; darin
ist fiir die moderne Behauptung, dass den Bischofen von Amiens
das Herrenrecht der ersten IS^acht zugestanden habe, nicht einmal
der Schein einer Berechtigung zu finden. Desgleichen enthalten
die Urtheile des Parlaraents zu Paris aus der Zeit des sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderts iiber das „droit de masse" des
Klosters Sanct-Stephan zu Nevers^ und iiber gewisse Vorrechte
der Herren von Souloire in Anjou * keine Spur von einem jus
primae noctis. Ebensowenig bietet das gegen den Grafen von
Montvallat erlassene Urtheil vom 27. Nov. 1665 einen Grund fiir
die Annahrae, dass derselbe das jus primae noctis in Anspruch
genoramen oder gar ausgeiibt habe ^.
Das einzige Urtheil, aus dera der Beweis eines Anspruchs
auf das vermeintliche jus priraae noctis niit einera gewissen Schein
von Berechtigung hergeleitet werden konnte , ist das Schieds-
urtheil des Konigs Ferdinand des Katholischen vom 21. April
1486. Dasselbe beseitigt im neunten Artikel, unter andern Din-
gen, einen Missbrauch, der darin bestand, dass einige Grund-
herren (aus den Herrschaften Ampurias und Rossellon iu Cata-
lonien) bei Heirathen ihrer Bauern aus der Klasse der pagesos
de remenca den Anspruch erhoben , in der ersten Nacht mit
der neuverraahlten Frau zu schlafen oder zum Zeichen der
Herrschaft iiber die Frau, nachdem sie sich zu Bett gelegt habe,
hiniiberzuschreiten. Allein gerade dadurch, dass diese Urkunde
ganzlich vereinzelt dastehen wiirde, wenn sie den Missbrauch eines
jus primae noctis in der gewuhnliclien Bedeutung dieses Ausdrucks
' Kap. 2 S. 9, 10. ■ Kap. 63. ^ Kap. 83.
* Kap. 84. '-> Kap. 83.
378 Kapitel 93. Riiekblick. IT. Urkundeubeweise.
betrafe, wird die aus dem Zusammenliaug des Urtheils herge-
leitete Aunahme bestiitigt, dass die in Auspruch geuommeue Be-
rechtigung sich auf die Yornahme einer Formlichkeit beschrankte,
die als symbolische Handlung die Abhiiugigkeit der Bauern von
ihren Grundherren keuuzeichuen sollte ^ Von derselben Form-
lichkeit ist meines Wisseus iu keiuer Jiltereu Urkunde, wohl aber
in eiuigen Berichteu spaterer Zeit die Rede. Dahin gehort eine
Erzahlung aus der Mitte des sechzehuten Jahrhunderts , dass
einige Herreu der Gascogne das E,echt hatteu, in der ersten
Hochzeitsnacht ihrer Unterthauen einen nackteu Schenkel au die
Seite der neuvermahlten Frau zu legen, oder sich dariiber mit
ihren Uuterthaneu abzufinden ^; desgleichen eine Angabe vom
Ausgaug des sechzehuten Jahrhunderts iiber die Kauoniker-Grafen
zu Lyon, die iu friiheren Zeiten das Patronatsrecht gehabt hiitten,
bei Heiratheu ihrer mannliclieu uud weiblichen Unterthauen am
Tag der Hochzeit ein Beiu in das Ehebett zu legen , was spiiter
in eine Abgabe vom Hochzeitsmahl verwandelt worden sei^; und
ein Bericht vom Ausgang des siebzehnten (oder Aufang des acht-
zehnten) Jahrhuuderts iiber deu Ursprung der iu der Auvergne
mit dem Namen „droit; de noces" bezeichueteu Abgabe, dass
uiimlich in friihereu Zeiten der Herr berechtigt gewesen sei, bei
allen Hochzeiteu seiuer Uuterthanen , sobald die neuvermiihlte
Frau sich zu Bett gelegt habe, die Formlichkeit zu verrichten,
die iiblich sei, wenn eine Kouigin durcli Stellvertretung heirathe *.
Diese Erziihlungen kounen, obwohl im Einzelueu gegen die Rich-
tigkeit derselben die erheblichsten Bedenken vorliegen, doch iu
ihrer Gesammtheit zur Erliiuterung der Urkunde vom Jahr 1486
dienen , da sie von der niimlichen symbolischen Handlung spre-
chen, und sich niclit vermuthen liisst, dass sie siimmtlich unter
Eiuiiuss des Schiedsurtheils vom Jahr 1486 eutstandeu seien. Au-
dererseits wird durcli Yergleichung aller dieser Naclirichten die
Annahme ausgeschlossen , dass jeue Formlichkeit einen unsitt-
lichen Charakter gehabt habe. Es ist vielmehr walirscheinlich,
dass sie (ebeuso wie die Handlung, die der Stellvertreter eines
Fiirsten bei dessen Yerlieirathung mit der fiirstlichen Braut vor-
zunehmen hatte) frei und offen, in Gegenwart der Hochzeitsgiiste,
zur Kennzeichnung des Herrschaftsrechts ausgeiibt wurde.
Kap. 70. - Kap. 61.
Kaj). 54. ' Kap. 85.
Ergebniss. 379
B. Ergebniss.
Kapitel 94. Aus dem im vorigen Kapitel kurz zusammen-
gefassten Beweismaterial lassen sich folgende Scliliisse herleiten.
Nach den bisherigen Ermittlungen ist anzunehmen, dass die
Sage von einem jus primae noctis in der heute bekannten Be-
deutung dieses Ausdrucks sich gegen Ausgang des fiinfzehnten
oder Anfang des sechzehnten Jahrhunderts ausgebildet hat.
Zur Entwicklung dieser modernen Sage kann gedient haben:
erstens die Yerbreitung iilterer Sagen iiber einige Tyrannen des
Alterthums, die ihre Gewaltthatigkeiten bis zu einer gewohnheits-
massigen Schandung der Braute ausdehnten, dafiir jedoch die
gerechte Strafe fanden ; zAveitens die Yerbreitung der Reise-
berichte iiber einige Yolkerschaften verschiedener Welttheile, von
von denen man erziihlte , dass ihre Jungfrauen vor oder bei der
Heirath einem Priester zur Defloration iibergeben oder dem Haupt-
ling zur vorgiingigen Geschlechtsgemeinschaft angeboten wiirden;
drittens die Unkenntniss iiber die geschichtliche Entwicklung der-
jenigen Horigkeitsverhaltnisse , aus denen das Recht der Grund-
herren auf Heirathsabgaben der Horigen entstanden war ^
Die seit dem sechzehuten Jahrhundert verbreitete Yorstelhmg,
das jus primae noctis habe in alten heidnischen Zeiten bestanden
und sei in christlicher Zeit abgelost worden, verwandelte sich
allmahlich in die Lehre, dass jenes emporende Recht im christ-
lichen Mittelalter in den meisten oder in allen europaischen Lan-
dern geherrscht habe. Insofern, als diese Lehre, ohne eine ernst-
liche Priifung der Beweisgriinde , von modernen Gelehrten fest-
gehalten und verbreitet wird, kennzeichnet sich dieselbe als ein
gelehrter Aberglaube.
Vgl. Raepsaet 3. Aufl. S. 6, 7, 34, 35, 37, 38.
Resister
I. Urkunden-Register.
Die Liinder. aus tlenen die Urkunden herriihren, nnd zwar Belgien, Deutsch-
land, England, Frankreich, HoUand, Italien, Oesterreich, Schottland, Schweiz,
Spanien und Wales, sind durch die Anfangsbuchstaben hinter den Zeitangaben
angedeutet. Die Zahlen dahinter verweisen aul" dic Seiteii.
790 ... .
I. 59.
1166
D.
60^ 110, 126.
1228
F. 248,249,376.
794-800 . .
D. 113.
D.
1231
F. 91.
824 ... .
D. 29.
1108
B.
106.
1231,
Oct. 13
F. 290.
831 ... .
F. tO, 98.
1171
D.
126.
1233,
Jan. 19
h. 63.
845 ... .
0. 231.
1172
B
61, 106.
1234
F. 327.
893 ... .
D. 114.
—
D.
61, 117.
1235
F. 94.
932, Apr. 5.
D. 103.
Juuil '.
D.
126.
F. 61.
Vor977od.982
B. 103.
1173
B.
104.
1238,
Juli '22'
F. 94, 95.
998-996 . . .
D. 114.
1175
D.
1 17.
1239,
Juui
D. 120.
>'ach 1000 .
D. 114.
1176
D.
97.
1240
E. 86.
1020, Nov. 12
D. 63.
—
Mai 27 .'
n.
127.
Juli 14
B. 60, 106.
1027 . . .
0. 231.
1178
D.
10
1241,
Apr. 10
B. 106.
Ura 1037 . .
F. 63.
1180
D.
10.
1242
F. 64.
lOoO, Juli 21
H. 112.
1180-
1103 . .
B.
61, 100.
MSrz 19
B. 105.
1059 . . .
B. 62.
1180-
1203 . .
fech. 80.
1243,
Mai 29 .
B. 104.
I0G6-10S7 . .
E. 83.
1181
B.
60, 106
1244
D. 10.
1072-1075 . .
B. 60, 106.
1183-
1196 . .
D.
117, 118.
1247
F. 250.
1079 . . .
D. 03.
1U6
B.
106.
D. 08.
1081-1105 . .
n. 63, 64.
Juli 19.
D.
118.
Juli 4 .
B. 105.
1066 . . .
D. 60.
1187
D.
10, 118, 119.
1249
D. 10.
1088 . . .
B. 60, 106.
llSb
D.
114.
F. 98.
1092, Mai 24
D. 131.
1190
D.
y7.
1250
E. 86.
1095 . . .
B. 107.
1191
u.
137.
—
F. 98.
Um 1100 . .
F. 97.
B.
61, 100.
1251
B. 104, 105.
12. Jahrli. .
F. 91.
1192
D.
119.
1253
E. 87.
1101-1131 . .
D. 161.
1193-
1222 '. '.
B.
61, 106.
Mai 21 '.
D. 120.
1101, Marz 4
D. 114, 115.
1196
D.
119.
1254
F. 148.
1114 . . .
D. 115.
1197
D.
119.
1256
F. 57.
1120 . . .
D. 61, 64, 68.
1200
B.
61, 106
Sp. 139.
1125-1141 . .
D. 61.
F.
333, 334.
1258-
1478 . .
D 57.
1129 . . .
B. 106.
1206,
Apr 11
Sch. 80.
1258
Sp. 140.
1132 . . .
F. 245, 240.
1208
B.
60, 61, 106.
1260,
Juni .
F. 62, 354.
1133 . . .
B. 104.
1208-
1218 . .
Sch. 80.
1262
F. 02.
1134, Juli 17
D. 62.
1209
60, 106.
Mai '. '.
B. 105.
1135, Aug. 1
D. 130.
1210
B."
61, 106.
Oct. 17.
D. 121.
1141, Xov. 2
D. 130.
1211
B.
61, 106.
1266,
Dez. 4 .
D. 62. •
1142-1156 . .
D. 126.
1212
B.
60, 61, 106.
1268,
Marz 29
D. 62.
1144, Oct. 2 .
F. 289.
1213
B.
60, 106.
Oct. 30
D. 62.
1145, Juni 23
F. 289.
—
D.
62.
1270,
Alai 15-
F. 266.
1146-1160 . .
D. 115.
1216
D.
127.
Juni. .
F. 290.
1149, Mai 6 .
F. 290
—
B.
61, 106.
Juli 29 .
B. 106.
1150-1180 . .
B. 60, 61, 106.
1217
B.
60, 61, 106.
1272
D. 61 121.
1151 . . .
B. 02.
1220
D.
10.
1273
D.' 64.'
1152 . . .
B. 106.
Um
200 . '.
D.
126.
—
MSrz 8
D. 121.
U53 . . .
D. 10, 115, 116
1222
B.
100.
1276
0. 137.
— Febr. 27
D. 116.
D.
114.
1277,
Mai i.^i '
D. 62.
1155 . . .
D. 116.
Marz" ;
B.
60.
Xov. 23
D. 122.
1157, 50T. 18
D. (F.) 240.
—
Juli .
D.
62.
1280*
D. 63.
1158 . . .
B. 01, 106.
1223
I.
60, 62.
Sept. 21
D. 122.
1159 . . .
B. 114.
Um
224 '. '.
D.
120.
Xov. 18
D. 119.
1160 . . .
D. 10.
1224
D.
119.
1290
D. 64.
B. 106.
D.
119.
Marz 27
D. 127.
Um 1160 .' '.
D. 115.
1225
D.
120.
1294
D. 64.
1164, Kov. 4
D. 1.S0.
1226
Xov.^e'
F.
1296
D. 64.
1165 . . .
B. 107.
1227
F.
162.
—
Dez.'3o'
F. 102.
1166, Uai 3 .
0. 231-238,376.
Febr! 24
B.
lO.-i.
1297
D. 64.
Eegister
I. Urkunden-Register.
Die Lander, aiis denen die Urkunden herriiliren, iind zwar Belgien, Deutsch-
land, Englaud, Frankreich, HoUand, Italien, Oesterreich, Schottland, Schweiz,
Spanien und Wales, sind durcli die Anfangshuchstahen hinter den Zeitangaben
ansedeutet. Die Zahlen dahinter verweisen auf die Seiten.
790 ... .
794-800 . .
824 ... .
831 ... .
845 ... .
893 ... .
932, Apr. 5.
Vor977od.982
993-99G . . .
Nach 1000 .
1020, Nov. 12
1027 . . .
Um 1037 . .
10.^0, Juli 21
1059 . . .
10C6-10S7 . .
1072-10(5 . .
1079 . . .
1081-1105 . .
1086 . . .
1088 . . .
1092, Mai 24
1095 . . .
Uni 1100 . .
12. Jabrli.
1101-1131 . .
1101, Miirz 4
1114 . . .
1120 . . .
1125-1141 . .
1129 . . .
1132 . . .
1133 . . .
1134, Juli 17
1135, Aug. 1
1141, ^ov. 2
1142-1156 . .
1144, Oct. 2 .
1145, Juni 23
1146-1160 . .
1149, Mai 6 .
1150-1180 . .
1151 . . .
1160 . .
Um 1160 .
1164, Kov. 4
1165 . .
1166, Mai 3
I. 59.
D. 113,
U. 29.
F. (;0, 98.
O. 231.
D. 114.
D. 103.
B. 103.
D. 114.
D. 114.
D. 63.
O. 231.
F. 63.
H. 112.
B. 62.
E. 83.
B. 60, 106.
D. 63.
I>. 63, 64.
D. 60.
B. 60, 106.
D. 131.
B. 107.
F. 97.
F. 91.
D. 161.
1). 114, 115.
D. 115.
D. 61, 64, 68.
D. 61.
B. 106.
F. 245, 24G.
B. 104.
D. 62.
D. 130.
D. 130.
D. 126.
F. 289.
F. 289.
D. 115.
F. 290
B. 60, 61, 106.
B. 62.
B. 106.
D. 10, 115, 116
D. 116.
D. 116.
D. (F.) 24i;.
B. 01, 106.
B. 114.
D. 10.
B. 106.
D. 115.
D. 1.30.
B. 107.
O. 231-238,376.
1173
1175
1176
1180
H80-1193
1180-1203
1181
1183-1196
Ilfc6
1190
1191 . .
1192 . '.
1193-1222 .
1196 . .
1197
1200 . .
1206, Apr IJ
1208
1208-1218 .
1209 . .
1210 . .
12U . .
1212 . .
1213 . .
1216 '. '.
1220 . . .
Um 1200 . .
1222 . . .
— Marz
— Juli .
1223 . . .
Um 1224 . .
1224 . . .
1225 . . '.
1226, Xov. 6
1227 . . .
— Febr. 24
D. 60, 116, 126.
D. 117.
B. 106.
D. 126.
B 01, 106.
D. 61, 117.
D. 126.
B. 104.
D. 117.
D. 97.
I). 127.
D. 10
D. 10.
B. 61, 106.
fecii. SO.
B. 60, 106
D. 117, 118. •
B. 106.
D. 118.
D. 10, 118, 119.
D. 114.
D. 97.
U. 137.
B. 61, 106.
D. 119.
B. 61, 106.
D. 119.
D. 119.
B. 61, 106
F. 333, 334.
Sch. 80.
B. 60, 61, 106.
Sch. 80.
B. 60, 106.
B. 61, 106.
B. 61, 106.
B. 60, 61, 106.
B. 60, 106.
D. 62.
D. 127.
B. 61, 106.
B. 60, 61, 106.
D. 10.
D. 126.
B. 106.
D. 114.
B. 60.
D. 62.
I. 60, 62.
D. 120.
D. 119.
D. 119.
1). 120.
F. 99.
F. 162.
B. 105.
1238,
r2.s<i,
1240
Juli 22
Juni
Juli 14
Apr. 10
Marz 1«
Mai 29 ,
1247
1249
1250
1251
1253
1254
1256
1258-
1258
1260,
1262
•1478 . .
Juni
Mai '. '.
Oct. 17.
Dez. 4 .
Marz 29
Oct. .30
Mai 15"
Juni . .
Juli 29 .
1272
1273
Mai 18
Xov. 23
Sept. 21
>'ov. 18
Miirz 27
Dez. 30
F. 248,249,;
F. 91.
F. 290.
1). 63.
F. 327.
F. 94.
F. 61.
F. 114, 95.
D. 120.
E. 86.
B. 60, 106.
B. 106.
F. 64.
B. 105.
B. 104.
D. 10.
F. 250.
D. 03.
B. 105.
D. 10.
F. 98.
E. 86.
B. 104, 105.
E. 87.
D. 120.
F. 148.
F. 57.
Sp. 139.
D 57.
Sp. 140.
F. 62, 354.
F. 62.
B. 105.
D. 121.
D. 62. •
D. 62.
D. 62.
F. 266.
F. 290.
B. 106.
D. 61, 121.
D. 64.
D. 121.
O. 137.
D. 62.
D. 122.
63.
122.
D.
D.
D. 119.
D. 64.
D. 127.
D. 64.
D. 64.
F. 102.
D. 64.
382
Urkunden-Register.
1297,
Oct. 22
13(K1
1301
1302
—
Juli 13
1308,
Juni 16
1309,
Sept.20
1313,
Juli 1 .
1314,
Jan. 2
1315
—
Sept.16
1316
Jan.' 30
Juni 25
1317,
Juni 25
1318
1321,
Oct.' 25
1326
1328
1330
1835
1336
1336,
Juli" 10
Oct. .
1337
1339
134S
1350
1352
1381 . . .
1369, Jan. 13
1372 . . .
1373 . . .
— Dez. 20
1374 . . .
1375 . . .
1377 . . .
1378 . . .
1380 . . .
1382 . .
1383, Jan. 17
1385 . . .
1388 . . .
— Miirz 5
1390 . . .
1391 .
— Juni 9
— Juli 28
Vm 1393 . .
1393. Jan. 17
1395 . . .
1396 . . .
1397 ....
140l> . . .
1401 . . .
— Marz 1
— Warzll
1402 . . .
1408 . . .
1404 . . ".
1405, Oct. 11
1407 . . .
— Mar2l9
1409 . . .
D. 63.
D. 64.
F. 98.
F. 98.
F. 222,259-267,
374,376,377.
F. 266.
D. 122.
F. 102.
B. 105.
F. 334.
D. 123.
W. 71.
D. 62.
F. 290.
F. 290.
F. 160, 374.
D. 123.
D. 123.
D. 64.
D. 123, 124.
F. 290.
E. 87.
F. 9, 16, 377.
F. 273.
F. 270.
F. 266.
F. 355.
D. 63.
D. 63.
D. 64.
F. 143.
F. 99, 100.
D. 123.
P. 63.
E. 87.
F. 141.
F. 9, 10, 377.
F. 161, 374.
D. 61, 121.
F. 141.
F. 91, 92.
D. 124.
F. 141. 142.
F. 334.
E. 8S.
D. 60, 124.
F. 142, 143.
F. 269, 274.
F. 142.
D. 63.
K. 270, 271.
F. 142.
F. 142.
F. 98, 99.
F. 99.
W. 71.
F. 269, 273, 274,
276,277,281,
282, 377.
D. 63.
F. 142.
F. 143.
F. 92.
D. 64.
F. 269, 274, 275.
F. 269, 275.
F. 93.
Sch. 81.
F. 93.
F. 143.
D. 61, 121.
F. 269, 274,
F. 143.
1409, Marz 19
1409, Mai 19
— Mai 26
1410 . . .
1413 '. '. '.
1415 . . .
— Juli. .
1416 . . .
1419 . . .
1425, Marz 13
1427 . . .
1428 . . .
1432 . . .
1433 . . .
1442 . . .
1443 . . .
1445 . . .
1447, Febr. 5
1450 . . .
1454 . . .
1455 . .
1458 . .
1459 . .
1462 . .
1463 . '.
146G . .
1467, Dez.
1468 . .
Aprilll
ApriI21
Juli 20.
— Jan. 31
— Aug. 20
1478 . . .
1479 . . .
1480 . . .
1481 . . .
1485, Oct. 28
— Nov. 8
1486, April21
I 1488, Jan. 9
1496 . . .
1497 . . .
Um 1500 . .
1501, Miirz 6
1 — Marzll
' — ^•ov. 14
1503, Mai 24
Vor 1506 . .
1 1506, April 4
1.507 . . .
— April 7
Sept. 20
Sept 22
Sept.28
Sept 29
F. 148,269,273-
276,278-282,
F. 222, 268, 269,
274.
F. 269, 274
d'. es'.
F. 143.
D. 127.
F. 96.
F. 93.
F. 253,332,376.
D. 60.
D. 60.
F. 143, 144.
Schw. 63.
D. 127.
F. 290
D. 63.
I. 138.
Sch. 81.
D. 63.
Sch. 81, 82
Scb. S2.
F. 03.
F. 93.
F. 96, 144.
F. 95.
F. 144.
F. 255, 256.
Sch. 82.
D. 63, G4.
F. 93.
D. 63.
D. 117.
F. 283, 372.
Sp. 295.
Sp. 295.
F. 102.
F. 143.
D. 63.
D. 63.
Sch. 82.
Sch. 82.
D. 63.
F. 144.
Sch. 82.
Sp. 300.
Sp. 298.
Sp. 298.
Sp. 293-306, 374,
Sp. 295.
D. 124, 129.
D. 118.
D. 124.
F. 148, 269, 275.
276.
F. 269, 275.
W. 71, 72.
Sch. 82.
Schw. 63.
F. 325.
F. 159,160,161,
374.
F. 95.
F. 326.
F. 327.
F. 326, 327.
F. 328.
F. 325, 326.
E. 87.
F. 148, 275.
D. 153.
1543
1549,
1552
1553
1556
1557
1558,
1562,
156».
1571
1581,
1582,
1584
1589,
1591,
1598,
1602,
1604,
1606,
1607,
oder 155
Marz 1
Aug 18
Juli 26
Apr. 1
Jan. 27
Sept. 27
Juni 22
Supt. 27
Juni 13
Miirz 4
Oet. 7
Marz 6
Juli 11
Juni 17
Juli 13
Dez. 15
Juli .
1619, Dez. 24
1620, Febr. .
— Sept. 12
1626, Dez. 7
1628, Mai 12
1629, Xov. 9
1633, Febr. 19
1634, Miirz 5
16 0, Jan. 14
1665, Kov. 27
1674 . . .
— Sept. 12
1676 . . .
1682, Dez. 21
1685, Juli .
1685-16S6 .
16S6, Juni 21
1691 . . .
1693, Mai 30
— Juni 10
1698, Sov. 8
1699, Juli 7
1703 . . .
1707, Dez. 15
1742 . . .
1750 . . .
1772, Jan. 18
1777, Mai 20
1779, Aug. .
1785, Febr. 10
1786
1789, Aug.4-3.Nov.
1790, Miirz 15
1791, April S
179.3, Juli 17
1794, Jan. 24
1808, Nov. 25
ISIO, Juli 3
II. Namen- und Sachregister.
Die Zahlen verweiseii auf die Seiteii. .
Aachen IVJ.
Aas im Thal Ossau 331.
Abbendon S6, 90.
Abbeville 267-282, 340, 377.
Abel-Remnsat 214.
Aberdeen 81, 198.
Aberglaube 155, 3S0.
Abernithi 79.
Ablosun^ 64, 65, 68, 98, 99, 129,
136, 293, 294, 311, 351, 370,
371.
Abmatrimonla 103.
Abtei (vgl. Kloster).
— Abbendon 86, 90.
— Audard (S.-) 2S9, 371.
— Blano;y-en-Teruois 326.
— Boscherville 91.
— Brauweiler 114.
— Caen 91.
— Cappenberg 119, 122.
— Claude (S.-) 255-258.
— Corbie 59.
— Corvey 115, 116, 127.
— Croyland 84, 89.
— Ebersmiinster 29.
— Eiusiedeln 63.
— Essen 119.
— Faucarmont 94.
— Fecamp 94.
— Foret-Moiitier 9.
— Gaillefontaine 285, 286
— Gallen (S.-) «3.
— Germain (S.-)-des-Pre8 98.
— KelsQ 80.
— Kiew 223.
— Koln 116, 117, 119, 124.
— Liesborn 116, 117, 126.
— Limburg 136.
— Martin (S.-) 289.
— Maximin (S.-) 114.
— Merseburg 133.
— Meschede 127.
— Mont-Auriol 2 8-293.
— Mont-S.-Michel 250-252.
— Peterborough 88.
— Pfeffers 63.
— Poblet (Populetum) 294.
— Preaux 91.
— Prum 114.
— Rebais 282.
— Reichenau 63.
— Riquier (S.-) 98.
— Roth 63.
— Schwarzrheindorf 61.
— Sorreze 8.
— Theodard (S.-) 289, 290.
— Tongerlo 104.
— Trond (S.-) 60, 61, 105-107.
— Walciodurum 103.
— AVald 231, 232.
— Ziirich 63, 353, 354.
— Werden 10, 61, 118, 122, 12,'5.
Abteidorfschaften 133.
Abtwahl 31.
Abalfaragius 18S.
Abulfeda 36, 174, 175, 180, 181,
186, 188.
Abyssinien 147, 312.
Abzugsgeld 125.
Abzugsteuer 67, 138, 161.
Academie (franz.) 2, 3, 44, 53,
5.1, 96, 281, 282, 325, 340.
Academie (russ.) 310.
Ackerbau 31.
Acquasana 239, 241, 371.
ActaSanctorum 14, 44, 103, 104,
107, 108, 199, 202.
Acte de repret 255-258.
A^maka 219.
A^valiiyana 157.
Adalbert v Pergine 230.
Adelberg 129.
Adelredus 21(1.
Adolf, Graf v. Berg 121.
Advrmachiden 38, 189, 309, 360.
Aebte 43, 44 (vgl. Abtei).
Aebtissin 91, 117, 119, 127, 354.
Aed Caemh 207.
Aegvpten 41.
Aelred (hl.) 201.
Aeneas Svlvius 55, 151.
Aerzte 3.i7, 361, 362.
Aethelred v. Engl. 87.
Afghanen 40
Atirah l.s3, 185.
Afrika 20, 38, 152, 189.
Agada 173.
Agimout 145.
Agrts (v.) 3:i8.
Agweddi 70.
Aigues-Mortes 290
Akirah 183, 185.
Albert II. (Abt) 290.
Albigenser 290, 291.
Albiruni 174, 175.
Albrecht (Abt) 289.
Albrecht (Dr.) 164.
Alciatus 341.
Alencon 91.
Alesmius 341.
Alessandria 239, 241.
Alexander d. Gr. 186, 212.
Alexander III. v. Schottl. 197.
Alfon«o de Cavalleria 298, 303.
Allgau 155,
Allg. Ztg. (Augsb.) 4, 51, 226,
242, 260, 283, 293, 295, 306,
.3.30, 338.
Alloury (Louis) 3.
Alpeda 104.
Alpen 139.
Alphons X. V. Cast. 140.
Alphons Jourdain 288.
Altarhorigkeit 60, 61, 105, 106.
Altenburg 29.
Altenltinen 121.
Alternative 211, 253, 282, 283,
805, 33], .3.32, 3.53-355, 377.
Alterthum 18, 163-212, 366-368.
Altmark 133.
Alvensleben (L. v.)"l32, 226, 349,
Amacbyr 74.
Amadaiis VI. (Piem.), 242-214.
Amannadas 40.
Amazouenstrom 359.
Ambalikrt 219.
I Ambika 219. .
! Amelius (Abt) 289.
Amerika 20, .356-364.
Amiens 98, 99, 148, 153, 159,
161, 267-282, 374, 377.
Amlek 180, 182, 183.
Ammen 296, 297, 300, 301.
j Ammoboreu 70.
I Amobr 14, 67-72.
Amobragium 67-72.
Amobyr 14, 67-72, 89
Ampurias (Grafsohaft) 295, 377
Anit, Amiens 159, 276, 325-330
374.
— Brunstatt 30.
— Eschersweiler 30.
— Oeii'ar .30.
j — Jungholz 30.
I — Kochersberg 30.
j — Landser 30.
! — Liichow 136.
— Markirch 30.
— Rappoltsweiler 30.
— Rimbach 39.
Sirenz 30.
— rrbe s 30.
! — Vitry 142.
— Wiedensohlen 30.
— Wittelsheim 30
— Zellenberg 30.
Amtmann 127, 136, 355.
Analogie 7.
Andamancn 323, 324.
Anderson (J.) 78, 79, 83, 198,
205, 356, 357.
Andree (R.) 221.
Anecdote 327, 340.
Anerbe 32.
Aiigiras 220.
Anguler 39.
Angus 82.
Aniella Crousa 3.
Anjou 288, 346-349, 377.
Annals of the four Masters 207.
.\nno (hl.) 120.
Anselm (P.) 266.
Anspielung 7, 8, 15, 68, 332.
Antenor 190, 368.
Antiochus IV. Epiph. 168, 174.
Antonius-Orden 124.
Antwerpen 104, 268, 339.
Apastamba 25, 217.
.Ara'!)/.'.0( 155.
Apenninen 139.
.\ppellatio ab abusu 275.
Aquileja 137.
Aquitanien 259,
Aquit. Lehnsregister 263.
Araber 174-188, 368.
Arabien 176-188.
Aragon 306-308,
Aranja 307.
Arbuthnot 80.
Archidiakon 272.
Archiv, Amien.s 277
— Barcelona 294.
— Bigorre 338.
— Bordeaux 264.
384
Namen- und Sachregister.
Archiv, Colniar ]o9.
— Dusseldorf 114, 119, 123.
— Montauban 291.
— Paris 270, 271, 273, 345.
— Pau 331.
Archives Israelites 4.
Archiv fiir Anthropologie 6.
Archiv fur Kirchenrecht 267.
Arcia 293, 296, 299.
Ardeschir 186.
Ardra 39.
Ardres ICO.
ArJbo (Bischof) 151.
Arimanni 232.
Arjuna 219.
Armenier 152.
ArnoldIl.(Erzb.v.K61n) 10,115.
Arnold (Erzb.v. Xarbonne) 289.
Arnold (Chr.) 39, 316.
Arnould (Jos.) 323.
Arnslierg- 115.
Arowaken 3.-S, 300, 361, 365.
Arthur v. Bretagne 286.
Arthur (Prinz) 72.
Artois 29.
Artolsheim 30.
Arundel (Earl) 89.
Arx (v.^ 60, 63.
Ascheberg 117.
Ascheiikuchen 335.
Asien 20, 163-188, 192-194, 212-
221, 309-325.
Assignatio dotis 72.
Assises de Jerusalem 57.
Astle 5, (-8, 203.
Asvad IS -185.
Asyr 40.
Atharva-Veda 156.
Aubignv 94, 159, 160.
Audard"(S.-) 289, 371.
Auf.nande 53, 168, 241, 250,
286-292, 297, 356, 371.
Augsl)urff 62.
Augsburger Allg. Ztgf. 4, 51,
226, 242, 260, 283, 293, 295,
306, 330, 338.
August (Horz. v. Br.) 263.
Augustiner 101.
Augustinerinnen 126.
Augustinus (S.-) ^.
Aur (Thal) 338.
Auseer 4ii
Ausstattung 72, 82, 83.
Australien 364.
Auswandernng 288-292.
Auto-da-fe 265.
Automne 50, 101, 204, 265.
Auvergne 54, 2.S3-285, 872, 373,
378.
Auxi-Ie Chateau 326, 327, 373,
374.
Auzannet 348.
Avensac 355.
Aveu 91.
Azarias 149.
Azelin (Bisch. v. Hildegh.) 131.
Azy-sur-Marne 142.
B.
Babylon 39, 163, 165-16«.
Barhofen 31, 36-38, 178, 190.
Baden 29.
Badger 314, 319.
Baume 184.
Bagele 323, 324.
Bagneres 337, 838.
Bailli du Palais 341.
Bailliage, s. Amt.
Baillivus 277.
Balbi 34, 31.-).
Balearen 40.
Balkis 176-179.
Balsamon 149.
Balthasar v. Biiren 117, lli-'.
Baluzius 194, 275, 276.
Baoisgne 207, 209.
Bar (de Baar) 245.
Barbarei 51.
Barbosa 34, 36, 314, 31.->.
Barcelona 2!'4, 295.
Barillon (Joachim) 346.
Barlin 329, 33(i.
Barone in Bearn 332.
Baronalrechte 352.
Baronie (vgl. Herrschaft).
— Barlin 329.
— BoUweiler .30.
— Castiglione 161.
— Glasgow 81.
— Orglandes 93.
— Saint-Martin-le-6aillard 95.
Barthelemv (A. de) 4, 247, 250,
335, 353.
Barthema 33.
Baschkiren 132.
Basinc l.->6.
Basing (Basinus) 156.
Bassano 231.
Bastian 5, 19, 205, 212, 213, 358,
359.
Bathinodium 14, 103.
Baudean 337, 33^.
Baudhayana 26.
Bauernaufstiinde 287, 297.
Bauerngiiter 31, 32, 255.
Bauernrecht 28, 31.
Baurein 266
Baurmiethe l-SO.
Baye 2 1.
Bayern 62, 63, 129, 141, 227,
Bayle' 205, 206.
Bazas 7.
Bearn 330-.336, 354, 376.
Beaumarchais 2.
Beaumont 2. 205, 206.
Becarron 259.
Beda 199.
I Bedderaund 68. 103, 125-128.
^ Beddeniunt 126.
Bederaund I2.-.-12S.
Bedemunt 126.
Bedemuth 68.
I Bednood 104.
Beilager 55, 158, 160, 255, 329,
j 375.
j Beitemunt 125.
1 Belgien 20. 103-108, 369.
Belkisa 178.
Bellct (Abbe) 283.
1 Belmonte 239-241.
Benedict XIV. (Papst) 149.
Benedictiner, s.Abtei u.Kloster.
Benedictus (hl.) 290.
Benedictus Levita 152.
Benencium 115.
Benfey 220.
Bengalen (Meerbusen) 323.
, Benjamin (I. 1.) 311.
Ber 327
Berckholt 87.
1 Berg (Graf v.) 121.
I Berger de Xivrey 3, 53, 96, 281,
I 282, 325. 340.
j Berkel 109.
Berks 8;(.
Berliner 171, 173.
I Bernhard (hl.) 28!t.
Bernulphus (hl ) 112.
Beronie s.
Berrie 326, 327.
Berrv 22, 100.
Bers 2^6.
Bertrand II. de Got 264.
Bertulphus (hl.) 105.
Besanvon 256-258.
Besitzstorungsklage .^^44.
Besitzwechsel 31.
Bessarabien 22.
Bestushew-Rjumin 225.
Beth ha-Midrasch 171-174.
Bethisy 22.
Betteniund 68.
Bettringen 147, 155
Beweisfiihrung 1-24, 307, 308.
Beziers 290.
Beyer 114.
Bhagavata-purana 220.
Bharata 218.
Bharata 218.
Bhima 218.
Bhishma 218, 219.
Biandrate 23.
Bibaroo 335, 336.
Bibliothefiuehistorique259, 260.
Bibliotheque Xationale 270.
Bienen bei Rees 61.
Biesheim 30.
Bigorre 102, 336-338.
Bilkis 178, 179.
Billard 100.
Binet 8.
Birlinger 147, 155.
Biruni 174.
Bisch 30.
Bischofe 43, 44. 89.
Bischof (Bisthum), vgl. Erz-
bischof.
— A7iiiens 98, 148, 153, 267-282,
34(1, 346, 377.
— Autwerpen 26S.
— Augsburg 62.
— Bazas 7.
— Cahors 292.
— Carnot 141.
— Chur 229.
— Dijon 341
— Felters 234.
— Freisingen 62, 151.
— Glasgow 81.
— Hildesheim 131.
— Laon 104.
— Limoges 153.
— Luttich 105-107, 153.
— Xamur 103.
— >;imes 3.50.
— Paderborn 121, 127
— Paris 9, 97, 148, 275.
— Regensburg 62, 151.
— Ross 203.
— Saint-Andrews 80, 82.
— Strassburg 147, 148,159,374.
— Toulouse 2-9.
— Tours 289.
— Trient 231, 232.
— L'trecht 112.
— Verona 149.
— Wornis 114.
Bisthumsverweser 272.
Bizanos 331, 385, 336.
Blackstone 5, 28, 205.
Blangy-en-Ternois 326, 374.
Blantiuefort 259-267.
Blau (Otto) 309, 310.
Blesensis 84.
Blomelield 86.
Bloodwicks 80.
Blount 88.
Bloutiere 93.
Bludewite 78, 79.
Bluntschli 5, 354.
Blyda v. Devers 124.
Bocherville 91.
Bockfell 116, 119.
Bohmen 62.
Bodleian Library 201.
Boeis, s. Boi^thius.
Nameii- xind Sachrcgister.
385
Boerius (Nic.) 2:)S, 259, 339-343,
372.
Boi-tlingen 12i».
Boothius (Hector) 107, 196-206,
369.
Bofai-ull (Man. de) 263, 29-1, 297,
Bobier (Nic.) 341.
Boieldieu 2
Boies 361, 332.
Boisbonart 94.
Bojar 22.'i.
Bollandisten, s. Acta Sanct
Bolhveiler 30.
Bombav .'(20-323.
Bonelli" 231, 234-237.
Bonifatius (hl ) 111.
Bonnemere 48, 49, 260, 330, 351,
397.
Bonvalot 29, 30.
Bordeaux 7, lOl, l.-,3, 264, 282,
2S3, 372.
Bordes .^.
Borgelen IIS.
Boroniean Tribute 207.
Borough-English 24, 27-32.
Borrellus 139, 246.
Bosnien 21.
Boucher d'Argls 1, 205.
Bouhier 254-256, 341.
Boulario 105.
Boullaye 94.
Boumeneberg 130.
Bouquet 199, 2 9.
Bourbon 95.
Bourbonen 352.
Bourbonnais 344.
Bourdet 253, 254, 376.
Bourdot de Rlchebourg 256.
Bourges .339-343, 372.
Bourisp 338.
Boutaric 2, 23.
Bouthors 3, 49, 267, 325-330.
Boxhorn 107, 191, 204.
Boyer (Nic.) 341.
Brabant 29.
Braconnage 15, 56, 247-249, 376.
Braconner 24S, 249.
Bracton S4
Briiutigam, s. Braut
Brahmana 156.
Brahmanen 33, 44, 215-221,
312-319. 365-367.
Brand (John) S8.
Brann 169, 170.
Brasilien 156, 312, 359, 362, 363.
Braten 343, 344.
Braunau 355.
Braunschweig 29, 125, 127, 134.
Braut 166, 169, 171, 173, 174,
180, 194, 215, 217, 221, 225,
230.
Brauthett, s. Ehebett.
Brautfiihrer 140, 152.
Brautgeld lOS-110, 129.
Brautgulden 129.
Brauthahn 143.
Brauthuhn 143.
Brautjuugfern 152.
Brautlauf 129.
Brautliisungsgeld 129
Brautmesse 149.
Brautnacht, s. Hochzeitsnacht.
Brautschatz 109.
Brayles 59.
Breasal Belach 207.
Breederode 109.
Bremen 1.34.
Bremisch-Niederd. W.-B. 136.
Brestel-les-DouUens 325, 326,
374.
Bretagne 22, 69.
Bretteville 250.
Schmidt, Jus primae noctis.
Brial 199, 2»9.
Brillon 97.
Brimeu 161.
Brinckmeicr 5, 128, 133, 205.
Brives-la-Gaillarde 22.
Brockhaus 5.
Brodeau 204, 247-249.
Broicke 124.
Brogne (Bronium) 103.
Brot 92, 94, 100, 102, 142, 3.35,
343, .344.
Briibach 30.
Brug (Co. Salop) S9.
Bruitgeld 109.
Brumet (bailli) ,328.
Brunart 275, 276.
Brunet 22, 260.
Brung (Joh.) 344.
Bruno (Erzb. v. Koln) 119.
Brunstatt 30.
Brutalitiit 51.
Bruvalge 328.
Bruvaigne 253.
Buch (Land) 282, 28.3.
Buchanan 203, 204, 369.
Buchmann 5, 16 ,46, 49, 53, 154,
Buddha-Priester 214, 215.
Budeil 132.
Buhler 25-27.
Buelld 73.
Biiren 117, 118.
Burgermeister 278.
Biirgerrecht 159.
Bttrgervogt 355.
Bullth 73.
Bulevinge 129.
Bullet 74, 75.
Bumede 14, 130.
Bumicte 131.
Bunzengeld 131. ,
Bunzengroschen 131, 132
Burchard v. 'Worms 114, 151.
Burg (Co. Salop) 8-^, 89.
Burgherren 228.
Burgund 56, 100, 254, 255, 354.
Burmanu 19 i.
Burmede 14, 130, 131.
Burnes 212, 213.
Busenhuhn 132.
Busenrecht 132.
Buscnzins 132.
Buteil 132.
Buxtorf 170.
c.
Cacike, s. Cazike.
Cadamosto 3l 8, .309.
Cade (Johnl 11, 12.
Cadillac 2S3.
Caen 7, 91.
Caenchi 100.
Caerden (van) 316.
Caermarthen 72.
Ciisar 8, 198, 199.
Casarius (Abt) 114
Cahen 4, 168.
Cahors 290, 292.
Cairbre Liffeachair 207, 209,
369.
Calabrien 351, 352, 373.
Calamandrana 239.
Calecut 316, 317.
Caledonier 19-^.
Calenberg 135.
Calicut33, 215, 2?],..313-319,365.
Caligula 191
Calinos 358.
Calixtus II. (Papst) 290.
Callas 22.
Calniet 149.
Calvinisten 291.
Calza (Kranc.) 3o4.
Cambodja 214.
Cambray 29.
Camp 120.
Campbell 202.
Campell 229.
Canada 356, 357
Canamor 34, 317.
Canarische Inseln 30S, 3o9, 366.
Canmoir 196.
Canonici 6, 378.
— Lyon 244-247.
— Marseille 22.
Canonischer Prozess 303.
Canonisches Recht 66,281,282.
Cantenac 259
Canterbury 149.
Cantor 9, 10.
Capitaine de ]a Jeunesse 145.
Capitel 10. 62, 63, 269, 272.
Capitularien 53, 112.
Capland 29.
Cappenberg 119, 121.
Captal de Buch 2>^2, 283, 372.
Caracas 358.
Caraiben, s. Cariben.
Cardinal della Rovere 239.
Cariben 358.
Carl Borromaus (hl.) 153.
Carli 245, 862
Carlini 13S.
Carnarvon 72.
Carnot 141.
Carpentier 10, 160, 248.
Carpiquet 91.
Carragio 242.
Carthago 152.
Cassany-Mazet 259.
Castellamonte 23.
Castellini 236.
Castello Torto 307.
Castiglione 161.
Castilien 49, 140, 297, 306, 377,
Castiraoth 169.
Castrin 169.
Catalonien 259, 263, 293-306.
Catel (cateux) 251.
Cathala-Coture 289, 291.
Caussin de Perceval 186.
Caux (Land) 349.
Cavalleria ^Alf. de) 298, 303.
Caver in Bearn 332, 333.
Caversham 86.
. Caziken 45, 357-364.
Cazzagio 15, 241-244.
Cenara 187.
Cerocensuales , .s. Wachszins-
recht.
Ceylon 40.
Chabert 230.
Chalier 54.
Chalmers 80-83.
Champagne 99, 100, 144.
Chanlaire 2, 205, 292, 293.
Chanukka 169, 171.
Chardon 146, 147.
Charivari 140.
Charondas 274, 282, 344-346.
Charten 53
Chartier (Matth.) 275.
Chateaubriand 2, 44, 47, 156.
Chateau-Dassi 93.
Chateauroux 8.
Chatel 251.
Cbatelain 104.
Chatillon-sur-Marne 252.
Chaudruc de Crazannes 65, 292.
Chaulny 247.
Chauvigni 91, 92.
Chavoi 94.
Cheruel .53.
Cheuel 248.
25
386
Namen- uiul Sachregister.
Chevage s;i.
Chevagium 68, 73.
Chief Justice 323.
Childerich 156.
Chinesen JO, 41.
Chlodwig l.i6.
Chodscha .30!), 310.
Choppin 246, .347-34!t.
Christatzhofen l.i.i
Christenverfolgung 192.
Christenthura is, 44, 108, 10!),
370, 371.
Christian (Abt) tiO, 61, 105.
Chwolsohn 40.
Cibrario 56.
Cimbern 31.
Cisterzienser 294.
Citrangada 21 S.
Civilisation 41
Clanna 207.
Claude (S.-) 2.55-2.i8.
Cleartield 141
Clemens V. (Papst) 264, 266.
Clermont .349-351.
Clymeslond 59.
Cnamhros 207.
Cobritim 318.
Cocchi 34, 315, 317.
Cochet 14, 140, 142, 143.
Cochin .34, 317.
Colilmt 45, 343.
Coillage 97. 140, 142.
Coke 75, 85, 86.
Colebrooke 157, 320.
Collecta 96.
Collegiatstift 2!)4
Colletta 233.
Collin de Plancy 2, 47, 49, ,i4,
205, 206, 242, 269, 284, 312,
313, 343, 349.
Columban (hl.^ 344
Commentatoren 53.
Complainte 345.
Compromiss 298.
Conchobar 208
Concil, Cartbago 111, 152, 268.
— Koln 153.
— Mailand 153.
— Perth 80.
— Toulouse 2i.O.
— Trient 151, 269.
— Valentia 152.
Conde-sur-Risle 94.
Congregatio Concilii 146.
Connaglo 139, 369.
Connagium 133.
Connaught 206, 207
Conrad (Abt) 115, 127.
Conrad (Erzb. v. Koln) 120.
Conrad I (Kaiser) 125.
Conrad II. (Kaiser) 231.
Conrad v. Xatzungen 116.
Constantin (Priester) 80.
Constantius (Kaiser) 167.
Constanz 63, 147.
Constitutions de Cathalunva
295, 299.
Constitutionnel (Le) 3.
Copulaticuni 137.
Coquet 14, 140, 143.
Corbie 59.
Cordova 297.
Coreal (Franz) 361, 362.
Cormac Cas 207.
Cormac Mac Airt 207.
Cornelius Hibernicus 202.
Corner .">, 31, 203.
Cornwall 5!).
Cortes 13<», 140. 294, 295.
Cortgene 108, 110, 370.
Cort mayor 331, .334.
Corvey 115, 116.
Cosnias u. I")amiiin (hl.) ll!i. |
Cosmus Iir. V. Toscana ,351.
Cotschin 34, 315, 317.
Couchei 14.
Couillaige 97, 144.
Couillage 14, 97, 101, 102, 142.
Coulam 318.
Coullage 16, 142.
Coutume, Amiens 325-330, 375.
— Anjou 347.
— Bourgogne 254, 255, 375.
— Ferrette 29
— Fraufhe-Comte 256, 375.
— Jyormandie 59.
— Orbey 28, 29.
— Pays'BourdeIois 265.
Couturaier 99, 327.
Crazannes 65, 2!i2.
Crennes 94.
Crescentino 23.
Crevecoeur-en-AuIge 7.
Crome 351.
Croyland 84, 89.
Cuba 40, 358, 361.
Cugucia 295, 296, 299.
Cuissage 15, .■)4-66, 259, 343.
Cujacius 341.
Culage 14, 38, 99, 250-252
Culagium 14, 91, 94, 95.
CuJaige 96, 140.
Culinos 358, 359.
Cullaige 329.
CuIIage 1,5, 91, 94-97, 142, 206,
326, 328-3,30.
Culliage 206.
Cumana 358, 360-362, 366.
Cunnagium 133, 291, 292.
Curaca 363, 364.
Curroc 80.
Curtius (M.) 8.
Curwalden 229.
Custom of marcheta 73.
Custos 60, 106, 113-119, 122.
Cutchet (Luis) 16, 296.
Cuzco 363, 364.
Cypern 39.
Cilnkhayana 157.
Cantanava 218.
fantanu 218.
(^'rauta-Sutras 156.
(Jurita 295, 297, 299.
D.
Dahomey 39.
Daire 99, 27.5, 277.
Daitvas 321.
Dalloz 2, 10, 54, 162, 215, 26!),
342.
Dalrymple 2,
111, 154, 203,
Damayanti 157, 218.
Dannenberg 136.
Daute .54.
Danz 59, 128. 153.
Darius Kodomannus 186, 187.
Datirung v. Urk. 232, 264.
Dauphine 9.
David (Decan so.
David II. V. Schottl. 76.
Day (Fr.) 35, 318.
Decan 80, 148.
Decies 209.
Decretum Oratiani 152.
DeHoration .3S, 39, 43, 214, 215,
313-317, 360,361,366-368,379.
Deflorement 1,'), 259.
Delacour 2.
Delbruck (Land) .32, 127.
Delisle (L.) 91-93, 2.50-253.
Delius 11 — 13.
Delpit (J.) 4, 6, 13, .52, 65, 91,
226, 254, 255, 260. 265-267,
282, 283, 32.5, 342, 352, 353.
' Denombrement 91.
Depons 357, 362.
Dercy 160, 374.
Derecho, dar calzas 139.
— de osas 139.
— de pernada 55, 56, 294.
— de prelibacion 15, 242, 293,
Deschaussage 14
Desertum regis 74.
Desoloris 34s
Des Vertus 286-288, 371.
Deutsche Encyklopiidie 154.
DeutscherMerkur4,45, 154, 155.
Deutscher Orden 120.
Deutschland 19, 20, 113-137,
225-228, 333.
Devavrata 218.
Devayani 321.
Deverite 99, 327.
Devers (Blyda v.) 124.
Dharma-Sutras 166.
Dhritarashtra 219.
Dhu-Habshan 186.
Dichtungen 2, 206-212, 218-220,
240, 285-288.
Dictionnaire de TAcademie 2.
— de Trevoux 2, 20, 205.
Didron 3.
Diebes-Inseln ".64.
Dienstmann 115.
Dietmann 133.
Dietrich v. Hagenbeck 123.
Dietrich (Erzb.l v. Koln 127.
Diffaith Breuin 74.
Dijon 56, 100.
Dilyswedd 70.
Dinover 72.
Dio Cassius 8.
Diocese, s. Bischof.
Dirghatamas 219.
Diritto della connatica 188.
Dirwy 70.
Dispens des Papstes 146.
Dispensgebuhr 153, 154, 273,
277-282, 377.
Djadis 180 188, 368.
Djedisiten 180-188.
Djinnstochter 176, 179.
Dolch 177.
Domane 247.
Doman 80.
Domcapitel 62, 63.
Domenger in Bearn 332.
Domesday-book 83.
Domherren 6, 7, 224-247, 373,
37. s.
Domingo (San) 3<;3.
Dorakirche (Kiiln) 119.
Domstift (Miinster) 121.
Donat V. Vatz 229, 230.
Donellus 341.
Douglas 81, 83.
DouIIens 326.
Dravida-Vijlker 221, 320.
Dreit de premici 259.
Dreux 142.
Drewier 222.
Drohung 66.
Droit, vgl. Jus.
— de braconnage 15, 56, 247-
249.
— de braconnage 376.
— de cheuel 248.
— de coillage 97, 142.
— de couillage 14, ]01, 102.
— de couUage 96.
— de cuissage 15, 54-56, 259,
269. 32!l, 343, 357.
— de cuisse 54.
— de culage 14, 38, 99, 250-252.
— de cuUage 15, 91, 94-97, 328,
329, 330.
Nanieii- und Sachregister.
387
Droit, d(! culhiige 329.
— de culliage 20G.
— de defloration 15-
— de formariage 66, 91, 98, 100,
252, 2r>4, 327.
— de fougage s.
— de gendrage 101.
— de guet 349.
— de jambage 15, 54—56, 329,
357.
— de julie 14, 22, 342.
— de mainmorte 162.
— de mariage 98.
— de marquette (markette) 15,
22, 56, 342, 397.
— de masse 344-346, 377.
— de meilleur catel 251.
— de noces 350, 378.
— de nop<.ages 97, 285, 286.
— de nopces 349.
— de prelibatlon 8, 15, 54, 91,
95, 269, 292.
— de soulle 145.
— des mariages 252, 253, 373.
— du ban 140, 142.
— du seigneur 2, 3, 15, 22.
Droitures de mariage 7.
Dronke 125.
Drucat 328, 329, 375.
Drumdewan 82.
Dschadis 180.
Duarenus 341.
Du Bois (Charlotte) 346-349.
Ducange 1, 24, 67, 73, 205, 248,
267, 268 342.
Dulaure 2, 43, 205, 206, 226, 242,
269, 288, 293, 342, 343, 346.
Dumge 5. 7.5, 90, 205, 226.
Dumiere 102.
Dumoulin .342.
Duncan 80.
Dunod 256.
Dunwald 121.
Dupin 3, 44, 267, 325.
Du Pin 202.
Durasfort 259-267.
Dureau de la Malle 4.
Durfort 266.
Diisik-Kurden 309, 310.
Du Verdier 54, 204.
E.
Earl 77, 81, 89.
Eberhardus Fuldensis 125.
Ebersheim 30.
Ebersmiinster 29.
Ebudische Inseln 195.
Ecuador 4(1
Edda 194, 195.
Edmonston 81.
Eduard I. v. Engl. .'^4, 197, 264,
Engl.
Eduard U
Egbert 149.
Egisheim 30.
Egloffs 155.
Ehe, Aufiosung 146.
— Giiltigkeit 217.
Ehebett 55, 97, 99, 146-ln
Ehebrecher 354, 355.
Ehebruch 71, 217, 270, 2',
354, 355.
Ehebruchsliebe 321.
Ehebruchsprivilegium 4;
Ehehaftrecht 355.
Ehehinderniss .59.
Ehescheidung 163.
Eheschliessung 347, 364.
Ehingen a. D. 147.
EichsfeJd 134.
Eickel (Oberhof) 124, 12
Eier 114.
8, 160.
2, 296,
Eilbert (Graf) 1()3.
Eilenburg 132.
Einsegnung 14i;-14b, 151.
Kinsiedeln 03.
Eire 2(JG
Bkbatana 149.
Klasar 171, 172.
Eleonore v. Guienne loi.
Eleonore v. Portugal 15, 55.
Elfendehusen 118.
Elisabeth (Aebtissin) 119.
El Jemama ISO.
Elphinston 201.
Elsass 29, 155, 354.
Emericourt 30.
ranieram (hl.) 151.
Emporung 291, 293.
Encyclopedie (franz.) 1, 28, 55,
205, 242, 348.
Encyklopadie (deutsche) 128.
Engelbert (Erzb. v. Koln) 120'.
England 19, 24, 58, «7, 83-90, 240.
Entehrung 67, 70, 75.
Entfuhrung 70.
Enthaltsamkeit 79, 111, 14^-158,
Epos 218-220, 240.
Erbrecht 24-36, 161, 162,2,i5-257,
375.
Erbtochter 149.
Erbvogt 117.
Erbzinsgut 110.
Erfindungen 200.
Erhard 115, 116, 126.
Erpressungsmittel 65, 66.
Erste Nacht 171, 254, 256.
Erstgeburt 26, 27, 331, 333.
Erzbischof, Bordeaux 153, 264.
— Bourges 339-343.
— Canterbury 149.
— Koln 10, 61, 115, 118, 120,
126, 127, 153.
— Lyon 9, 153, 246, 377.
— Magdeburg 131.
— Mailand 153.
— Mainz 114.
— >'arbonne 2S9, 29(i.
— Paris 97, 148.
— York 149.
Esau 164.
Escaeta 72.
Eschaeta 81, 82.
Eschenburg 11.
Espeisses (d') 20i, 346.'
Essen 119, 120, 123, 124.
Essex 87, 88.
Estor 130
Estout de Goz 250.
Esswaaren 246
Etablissements de S.-Louis 57.
Etats generaux 56.
Etienne (S.-) de Lailler 94.
Etienne (S.-j de Severs 343-346.
Etrepag 92.
Etrurien 190, 191.
Etymologie 13-15, 62, 75, 76,
95-97, 103, 104, 113, 125, 1.30,
133, 241, 249, 292, 294, 329.
Eu (Grafschaft) 95.
Eugen ni. (Papst) 289.
Eugenius (Kon. v. Schottl.) 204,
206.
Europa 19, 20, 189-212, 221-308,
325-356, 369-379.
Eustache (S.-) 14s.
Eutychius Patricides 178.
Evaristus (Papst) 152.
Evenus 111. (Konig) 1, 19, 107,
110, 196-206, 239, 241, 244,
253, 268, 369, 373.
Evrcux 2.i7.
Ewers 42, 222, 260, 267.
Excomniunication
Exorquia 290.
Fabeln 176-180, 291.
Fabliaux .J3.
Fiilschung 266, 377.
Fahne 39.
Falke (J. Fr.) 110.
Familie 118.
Faria y Sousa 308, 318.
Farnstadt (f)orf) 131.
Faucarmont 94.
I Favre (L.) 96.
\ Fecamp 94.
I F«hltritt 67, 70, 75.
Feldheim 354.
Feldordnung 354.
Feletto 23.
Fellens 2, 286-28».
Felters 234.
Fenier 206-212, 369.
Fercula 97.
Ferdinand II. d. Kath 293-306,
377, .378.
Ferdinand IV. beider Sicilien
351, 352.
Fere-en-Tardenois 252, 253,
373.
I Ferma despoli forzada 293, 296,
I 297, 299, 30i, 304.
I Ferraris 151.
1 Ferrette 30.
Fete du pot etc 8.
Feudalitiit 47-51, 226.
Feudalcommission 161.
Feudaltitel 265.
Fianna Eireann 206.
Fians 207.
Ficker (Julius) 138.
Figaro 2.
' Fincurroc 80.
Finn (Fionn) Mac Cumhaill 207-
209.
Firma Ue espolio forzado 297.
304.
Firma de esposa for2ada293, 304.
Firma d' espoli forzada 293.
I Fische 140.
' Fischer (Fr. Ch. J.) 40.
Fischingen 63.
Fiskerton 88.
Flachs 114.
Flandern 14, 24, 29, 57, 103, 104.
Flechier (Bischof) 35(i.
Fleisch 92, 94, 100, 102, 143,
328, 343, 344.
Fleta 84.
Fletcher 2, 205, 206.
Flintshire 72.
Fiorinensis 103.
Fodero (il) 15, 241.
Fbrmlichkeiten 55, 257, 259, 306,
378.
Fohi 40, 41.
Fong 102.
For V. Morlaas 333, 334.
Por V. Ossau 334, 337.
Forbes 33, 314, 318, 319.
1 Force (de la) 93.
Fordun 201).
Forisniaritagium 66.
Forniariage 66, 67, 91, 98, 100,
251, 252, 254, 327.
Fors de Bearn 333, 334.
Fougage 8.
• Foville 94.
j Frankische Konige 111.
Franche-Corate 255-258.
Franeisci 39, 314, 316.
1 Franco (Abt) 116, 126.
1 Frankel 171.
2.3*
388
Nameii- und Saehregister.
Frankreich lil, 20, 22, 57, 91-103,
141-144, 244-20."!, 3?5-3ol.
Franz 1. de Beuil (Erzb.) 841.
Franz v. Harlai (Erzb.) 148.
Fraucngeld 133.
Frauenmiinster (Ziirichl 353,
354.
Frauenzins 133.
Freiengericht 127.
Freiheit 331, 333.
Freiherr, s. Herrschaft.
Freilassung 63, (;6
Freisingen 62.
Fremde 39
Fremin (S.-) 98, 99.
Freste (La) 328.
Freudengeld 133.
Freunde 15, 38.
Freycinet (C. L. de) 364.
Friaul 137.
Frieden t. Abernithi 79.
Friedrich I. Barbarossa 246.
Friedrich III. (Kaiser) 15, 55,
151
Friedrich (Erzb. v. Koln) 61.
Friedrich v. Padbery 127.
Friedrich v. Pergine 230.
Friedrich v. Rindorp 120.
Friesen 111.
Friesland 107, 108.
Fritz-Andres 287, 288.
Fritzlar 114.
Froberg 30.
Frosche 50.
Frohndienste ,300.
Fruictinnes 237.
Fiirstenthum, Catalonien 295.
— Minden 68
— Oneglia 243
— Querfurth 131.
Furstliche (das) 221-225, 373.
Fusslin 353, 354.
Fulda 125.
Fulgentius 287, 288.
Fulko Nerra 288.
G.
Gabair Aicle 207.
Gabhra 206-212, 369.
Gadis 182.
Giiste 39.
Gaillac 290.
Gaillefontaine 285, 286.
Galand 291.
Galicien (span.) 297, 306, 307.
Gallen (S.-J 63.
Gallia Christiana 274, 289, 290.
Gallon 253.
Gambada 55, 56.
Gans 100.
Gar (T.) 230-238.
Garamanten 40.
Garbazuola 239.
Garcilasso 363, 364.
Gargon 108.
Garibaldi 3.
Garran do Coulon 1, 28, 48, 205.
Garristown 208.
Gascogne 258, 259, 378.
Gasteaux 9J.
Gaston X. Phoebus 334.
Gastschilling 134.
Gaufreteau 266, 283.
Gautama 26, 217.
Gebuhren 153, 154, 273, 277-282.
Gcdicht 250-252.
Geistlichkeit 43, 97, 158, 154,
214, 21.^, 287, 291, 339-343.
Geldbeutel 127, 132.
Geldern 112.
Geldwahrung, s. MUnzwesen.
Gelmen 118.
Gemar 30.
Gemara 163, 173.
Gcmeinden 288.
Gendrage 101.
Genealogie 266.
Generalprocurator 145, 278, 832.
Generalstaaten 109.
Genesville 94.
Genossen 59, 60, 66.
Gent 104.
Georg (S.-) zu Koln 116.
Georgen (S.-) 63.
Geraldimonte 105.
Gerard (Abt) 61.
Gerard (hl.) 103.
Geraud de Sabanac 102.
Gerber 143.
Gereonstift 119.
Gerichte 20, vgl. Urtheile.
— geistliche 303, 339.
Gerichtsbarkeit 9, 270, 271, 290,
292, 337, 349.
Gerichtsmann 355.
Gerichtsschulte 136.
Gerland 364.
Germain (S.- -des-Pres 98.
Germain (S.-)-rAuxerrois 148.
Germanen 31.
Gernsey 88.
Gerson 84.
Gersuma 91.
Gervinus 12.
Geschworne 323.
Gesenius 167.
Gesetzbiicher (indische) 217.
Gesetze 373, 374.
Gesetzgebung 30, 53, 127.
Gesta Romanorum 8, 9.
Getriiuke 92, 94, 98, 100, 142-
144, 328, 329.
Getreide 8, 102, 137
Geusa I3l.
Gewaltmissbrauch 20.
Gewerbe 301.
Gewohnheit 339.
Gewohnheitsrecht 20, 32, 85, 86,
153, 244-259, 275, 281, 295,
296, 325-337, 344, 345, 347,
348, 374-376.
Ghilini 239-241.
Gierke 5, 354.
Gildas 199.
Gillemor 80.
Giorgio (San-) 23.
Giraud-Teulon, 42, 215, 312,
358.
Girault de S.-Fargeau 2.
Glanvilla 57, 58
Glasgow 81.
Glatigni 94.
Glcnbervie 83.
Glossatoren 53.
Gmiind 147, 155.
Goa 31 J.
Gobhila 157.
Gobr-merch 14, 68, 72.
Godzaimah al Abrasch 188.
Gottersage 1S5.
Gotzenbild 40, 366.
Gokulnathji 322.
Goldstuck 116.
Gomara 360, 366
Gomcra (Insel) 308, 309, 866.
Gonzalez (Lud.) 298.
Gossuin 259.
Got (Bertrand de) 264.
Gothen 193.
Gottfried Martel 288.
Gottwaldt 186-188.
Ooue 93, 94.
Goz (de) 250.
Griifin 346.
Gratz 163, 16."), 170.
Graf (Grafschaft),
— Acquasana 239, 371.
— Ampurias 295, 377,
— Anjou 288.
— Arnsberg 115.
— Arundel 86.
— Bearn 334.
— Berg 121.
— Berks 86.
— Blangy-en-Ternois 326.
— Boumeneberg 130.
— Caermarthen 72.
— Caernarvon 72.
— Chatillon 252.
— Cornwall 59.
— Des Vertus 286—288, 371
— Dublin 208.
— Essex 87, 88.
— Eu 95.
— Evreux 287.
— Flandern 57.
— Flint 72.
— Foix 334.
— Gonnor 250.
— Guines 99.
— Horburg 80.
— Hoya 68.
— Kincardin 83.
— Lvon ,378
— Siark 124.
— Slauleurier 346.
— Montvallat 349-851, 377.
— Kevers 344.
— Northumbeiland 88.
— Xottingbam 88.
j — Perth 81.
— Pfirt 30.
i — Ponthieu 9, 99, 247, 327, 3
! — Radnor 73.
— Ravensberg 68, 135.
— Romagnano 138.
— Kossellon 295, 377.
, — Salop 89.
— Savoyen 242.
— Suffolk 87.
— Toggenburg 229.
— Toulouse 2!s8-292.
— Yertus (des) 287, 288, 371
— AVarwick 59.
— Weiler 30.
— AVerdenberg-Sargans 229
Granada 297.
Grandrye (A. v.) 344.
Grands-Jours 349-351.
Grand Vocabulaire 2, 205, 2.
Granier de Cassagnac 3.
Granvillars ,30.
Gratlanus 152.
Graubiindten 229.
I Gregor I. d. Gr. (Papst) 6(
1 Gregor Xlll. (Papst) 203.
! Greifenstein (Schloss) 229.
Grenier 270-274, 278-280.
Griechen 40, 47, 155, 171, 172,
' 173, 174, 189, 190.
1 Grihyasutras 156-158, 216.
' Grimm (Jacob) 5, 18, 65, 211,
221, 223, 358-366.
Grossbritannien 68-91, 195-212.
Grossherzog, Tos.-ana 851.
Gross-Seneschall 259, 264.
Grundherr 1, 49, 54-139, 295-303
I Grupen 2, 64, 203, 225.
I Ou 1^2, 185.
I Guadalupe 295, 298.
i Gubernatis (A. de) 5, 24, 34,
44, 205, 215-220, 231, 267, 312.
Gulthof 29.
Guerard 63, 97.
Guerin 199.
Guernsey 88.
Guerson 14, 84.
Guersumma 91.
188.
Namen- uiul Sachrcgister.
389
Gutergemeinschnft 255, 256, 375.
Ouiana :!5S.
Guido V. Cbatillon 252.
Guines (Qraf) 19.
Ouizot 11.
Oundibald 230, 233.
Gundling 205.
Gundobaid 230-238.
Guru 321.
Gutberlet 1.^)0, 151.
Ouyenne 101, 250-267.
Guynenioiro 346.
Gwahr-merched 14, 68, 72.
Gwarches 75.
H.
Haas im Thal Ossau 331.
Haas (E.) 155-157.
Habicht (Diebst.) 3.54.
Hachenberg 13.3, 318.
Hadeloch 126.
Hadrian (Papst) 5'J.
Haberlin 62.
Hauptliugsrecht 36-42, 204, 212,
813, 308, 309, 323, 324, 357,
358, 361-363, 365-367.
Hagada 173
Hagenbeck 123.
Hahn 143.
Hailes (Oraf), s. Dalrvmple.
Halacha 163, I7.'i.
Hall (Chronik) 12.
Halthaus 131, 1.35, 136.
Ham SI9.
Hamilton (Alex.) 317-319, 397.
Hammelschulter 94, 335.
Hammelstiick 100
Hamza 178, 186, 187.
Hanauer 4, 153, 155, 353.
Handel 30, 31.
Handschuhe 63, 92.
Handwerk 31, 129.
Hanna 171-173.
Hannover 128.
Harapa 212, 213.
Harduin 152.
Harenberg 1.^0.
Hargnies 145.
Harlai de Chamvallon 148.
Harlcss 114, 119, 121, 12.3.
Hasan 183, 185.
Hase (K. B.) 4.
Hasmonaer 16S-176.
Hassan 187.
Hastinapura 218.
Hatoulet 331.
Hattstadt 30
Hausregeln (indische) U6-158,
Haut-bers 285, 286.
Havanna 361.
Haversfort 127.
Hazlitt 86-89.
Heberegister 301.
Hebrlden 195, ir6.
Hector Boethius 107, 166-206.
Heda 112.
Hedwig v. Meer 117.
Hefele 152.
•HY£,a(ov 171, 172.
Heidenthum 18, 239, 370.
Heilmittel 185, 186.
Heimdallr 195.
Heimfallsrecht 61, 82, 254.
Heineccius 2.
Heinrich (Abt v. Kelso) 80.
Heinrich (Abt v. Liesborn) 117.
Heinrich (Abt v. S.-Trond) 106.
Heinrich (Herz. v. Bay. u. S.) 130.
Heinrich iHerz. v. Braunschw.)
127.
Heinrich I. (Kaiser) 10.'<.
Heinrich I. (K. v. i:ngl ) 58, .59.
Heinrich IIl. (v. Engl.) 84.
Heinrich VII. (v. Engl.) 72, 87.
Heinrich II. (Kon. v. Prankr.)
148, ,3.34.
Heinrich VII. (rom Konig) 120.
Heinricb III. (v. Spanien) 308.
Heirathsabgaben 64-146, 203,
221, 225, 228, 238, 239, 241,
246, 251, 331, 332, 343, 353-355,
3C9-371, 37.5, .376, 379
Heirathsbeschriinkung 56-64,
106, 327, 347
Heirathserlaubniss 66-64, 66,
105, 112, 113, 123, 192, 375.
Helden 120.
Helfiferich 18, 166, 167, 168, 211,
293, 295, 297, .301, 300, 311,
312, 330, 331, .338, 3,53.
Hellon 91.
Hellwald (v.) 5, 66, 59.
Hemblaken 134.
Hembschilling 1.34.
Hemdlaken 134.
Henel 245.
Henne-Am I{hyn40,41,353, 356.
Hennegau 24, 29.
Hennes 120.
Heraklid 1S9, ITO.
Herder 5, 102.
Herezeld 69, 78, 79, 8.3, 8".
Herimann (Abtj 119.
Heriotuni 69.
Herkommen 149, 281, 344. 345.
Herraann Schotelroann 123.
Hermann v. Volco 120.
Herodot 39, 189, 224.
Herrenrecht 311.
Herrensitz, s. Herrschaft.
Herrezeld, s. Herezeld.
Herrlichkeit (holliind.) 109.
Herrlisheim 30.
Herrschaft (vgl. Baronie),
— Aubigni 94.
— Berkholt 87.
— Blanquefort 259-267.
— Boisbenart 94.
— Boulario 105.
— Boullaye 94.
— Burg (Brug) 88, 89.
— Caenchi 100.
— Callas 22, 23.
— Cantenac 259.
— Chavoi 94.
— Clun 89.
— Conde-sur-Risle 94.
— Crennes 94.
— Fere 2.52, 253, 373.
— Fiskerton 88.
— Foville 94.
— Genesville 94.
— Olatigni 94.
— Goue 94.
— Great Tey 88.
— Herrlisheim 30.
— Homburg C3
— Honneteville 94.
— Horburg 373.
— Horsepoll 88.
— La Faye 346.
— Lariviere-Bourdet 253, 254. I
— La Talhan 2.59
— Launov 94.
— Mareuil 247-249.
— Margaux 259.
— Montbraie 94.
— Montguisard 285, 286.
— Moreton 88
— Motte (de la) 100.
— Pergine 230-238.
— Prela 243, 244.
— Reichenweier ,-.0.
— Richebours: 100.
Herrschaft, Saint-Ktienne de
Lailler 94.
— Saulx 100.
— Thomirey 100-
— Thurgarton 87, 88.
— Torquenne-en-AuIge 94.
— Trop 95.
— Vatz 228-230.
— Wivenhoe 87.
Herzegowina 21.
Herzfeld 168-171.
Herzogthum, Aquitanien 259.
— Bayern 62, 6i, 130.
— Braunschweig 127, 263.
— Burgund 254.
— Calenberg 135.
— Guienne 101, 266.
— Narbonne 288.
— Mevers 344.
— Normandie 250, 286, 287, 371.
— Oesterreich 02.
— Sachsen 130.
— Steyermark 137.
— Trient 231.
Hesdin 327, 374.
Hesingen 30.
Hessen-Kassel 29.
Hetarismus 36-43.
Hetenhusen 125.
Hettilo (Bisch. v. Hildesh.) 131.
Heurst 86.
Hidda 132.
Hieronymo della Rovere 239.
Hieronymus (hl ) 150, 199.
Hildebrand 205, 206.
Hildegund v. ileer 117.
Hildesheim 126, 131.
Hilla 123.
Hinijariten 18.3, 185.
Hindu-Volker 320.
Hinterindien 214
Hira 188.
Hirava 319.
Hirsingen 30.
Hirslanden 63, 355.
llistoirc de Languedoc 289-291.
Histoire de Montauban 289-292.
Hi3torial du Jongleur 2, 285,
286.
Hochstift 68.
Hochzeitgeld 129.
Hochzeitsaufwand 140.
Hoehzeitsgaste 39.
Hoehzeitsgebraucbe 50, 55, 140,
156-158, 216, 360.
Hochzeitsgericht 246, 247.
Hochzeitslied 7, 142.
Hochzeitsmahl 256, 330, 336.
Hochzeitsnacht 146-162,255-257.
Hochzeitspasse 140, 141.
Hochzeitsrecht 352, 373.
Hochzeitstrunk 328,
Hochzeitswein 92, 94, 98, ICO,
142-144, 329.
Hohlenkloster 223.
Hoelus Bonus 68.
Horigkeit 56—64, 161,162,254.
Hoffmann (C. P.) 205, 314, 316.
Hofgericht 61.
Hofhorigkeit 161, 257.
Hofrecht 117, 118, 120.
Hofrodel 374.
Hofverfassung 58.
Holinshed 12.
Holland 20, 108-112, 140, 144,
316.
Holstein 128.
Holtzmann (A.) 219, 220, 321.
Homburg 63.
Honneteville 94.
Horburg 30, 159, 374.
Hormayr (v.) 43, 226, 228.
Hoschaja 164.
390
Namen- iind Sacliregister.
68,
100, 114, IS
Horsepoil b8.
Hottorp IIS.
Houard 2,
Howtl 68.
Hoya 08.
Hubert 8.
Huhner 94,
Huninghof ll"-
Hiisseren 30.
Huldigungseid 3( 0.
Humbrecourt (Mad. de) 330.
Humor 354.
Hunde 285, 346, 376.
Hunneu (weissel 212.
Hunold 126.
Huttorp 124.
Hypothesen 36-42.
Hanulika, s. Chanulvlva.
Hariira 17!i.
I.
Ibn-el-Athir 179.
I<;a (Fluss^ 359.
Iherin? 52.
Im Xeuen Reich 4.
Imperial 134.
Inch-Colm 202.
Indianer 358-364.
Indiction 2.^2. ,
Indien 24-27, 156-158, 212-221,
312-324.
Ingulphus 89.
Innes 201, 202.
Innocenzfest 341.
Interdilft 289.
Intestia 295, 296, 299.
Invenethy 82.
lones 314, 318, 319.
lonische Inseln 189.
Irland 10, 20, 90, 91, 206-212,
369.
Isabella (Konigin) 297.
Ischadowslvy 356, 372.
Islam ;il8.
Isle de France 97, '8, 141.
Israeliten 163-176, 811.
Itala 150.
Italien 19, 23, 138, 139, 239-244,
351, 352.
Ivo 151, 152.
Ivrea 23.
Jacob II. V. Schottl. 81, 82.
Jacob 111. V. Sohottl. 82.
Jacob IV. V. Schottl. 82.
Jacobson 15, 153.
Jadis 181.
Jadunathji-Britzratanji322,323.
Jagermeister 70.
Jaffe 289.
Jaine 2.
Jallon-sur-Marne 141.
Jalons 287.
Jambage 15, 54-56.
Jathrib 176.
Jaucourt 1, 28, 205.
Jehuda 164.
Jelagin 225.
Jellinek 171-174.
Jemama 180, 182-184.
Jerusalem 163, 168.
Jesuiten 44.
Joffridus 84.
Johann I. (Bisch , Amiens) 273.
Johannll. (dto.) 273.
Jobann III. (dto.) 273, 274.
Johann IV. (dto.) 273, 274.
Johann (Herz ) d. Gute 2.5.5.
Johann (Konig v F.ngl.) 286.
Johann XXII. (Papst) 290.
Johanna (Konigin v. Cast.) 9.
Johnson 83, 225.
JoUy (Julius) 27, 217, 218, 220.
Jomard 4
Jongleur (Historial du) 2, 285,
286.
Journal des Debats 3, 44.
Juan (S.-) de Abadeses 294.
Juda Makkabaus 171.
Judiia 163, 164, 308.
Juden 163-176, 311.
Judenverfolgung 164, 368.
Jungstgeburt 27-3^, 333.
Juente (Vic. de la) 56, 294.
Julian (Kaiser) 167.
Julie 14, 22, 84>.
Julius (Herz. Braunschw.) 127.
Jumanas 358, 359, 363.
Jungfernpfennig 134.
Jungferntribut 134.
Jungfernzins 134.
Jungfernzoll 134.
Jungferschaft 38-40, 163, 214,
215, 230, 360, 361.
Junggesellen 140-146.
Jungholz 30.
Juris 358, 359, 363.
Jus caxandrae 245.
— cojae 245.
— connagii 14, 128.
— coxae locandae 245.
— cunagii 128.
— cunnagii 139, 245, 291.
— cunni 14, 133, 291, 292, 371.
— deflorationis 112, 128, 194.
— faeminarum 138.
— luxandae coxae 14, 245.
— marchetae 13.
— primae nootis 14, 153, 159,
173, 216, 324, 304.
— {)riniarum noctiuni 351, 373.
— virginale 21.
Just (S.-) 144.
Justinus Martyr 224.
Jutta (^Aebtissin) 127.
Juveigneurie 30.
! ^'
' Kaaba 176.
Kammerer 123.
Kiimmerling 116.
Kiimmerlingshorige 123.
Kaiser, Calicut 221, 316, 318.
— romische 107, 191, 192, 367.
— rom., deutscher Kat. 55, 103,
130, 151, 231.
Kalantan 324.
Kalmiicken 132.
Kameraden 140-146.
Kanonisches Recht 66, 281, 282.
Kapaun 335, 336.
Kapelle 115, 3.S8.
Kapitel 10, 62, 63, 269, 272.
Kapitularien .53.
Kaplan 250.
Kardiestelgeld 134.
Karl (hl.) Borromiius 153.
Karl VI. V. Frankr. 270.
Karl VII. V. Frankr. 290.
i Karsandas Mulji 322, 323.
Kasideh (himjarische) 186.
Katharina (Konigin) 72.
' Katbarinenkirche (Koln) 120.
Katzenmusik 140
Kauf von llorigen 63.
1 Kayserling 171.
I Kehlhof 354.
I Kekrops 40, 41.
Kelnhof 355.
I Kclso 80, 81.
I Kelten 19, 31.
Keltische Sprache 75, 211.
Kemnaden 115.
Kenana 187, 18,s.
Kennedy (Dr.) 89.
Kent 29.
Kephalonia 189, 190, 367, 368.
Kerzen 100, 141.
Kestenholz 30.
Kestner (H. E.) 1,3.3, 245, 318.
Kethubhoth 163-166.
Keysler 107, 1.33, 134, 205, 226.
Kibitz 179.
Kiew 21. 223.
Kimbern 31.
Kincardinshire 83.
Kindlinger 115-117,122,123,126.
Kirche 21, 45, 46, 5.3, .54.
— morgenlandische 149.
Kirchen, Autwerpen 104.
— Essen 119.
— Fritzlar 114.
— Geraldimonte 105.
— Hildesheim 126, 131.
— Kemnaden 115.
— Koln 113, 116.
— Medebach 126.
— Oberreitenau 61.
— Soest 118.
— Worms 114.
Kirchenbann 289.
Kirchenrecht 151-153, 278-282,
30'-* 303.
Kirchi. Vorschr. 79, 146-155.
Kirktown 80.
Klauenthaler 134.
Kleinrussland 21.
Kloster (vgl. Ahtei).
— Adelberg 129.
— Bloutierc 93.
— Camp 120.
— Curwalden 229.
— Dumiere 102.
— Dunwald 121.
— Fons 102.
— Guadalupe 298.
— Ladorade 22.
— Limoges 101.
— Kevers 343-346, 377.
— Petershausen 63.
— Sanct-Georgen 63.
— Shouldham 86.
— Tynemouth 88.
— Utrecht 112.
— Volchardinchusen 126
— Wridthorp 84
— Ycolmkill 202.
Kniasheje 224.
Kochersberg 30, 1.55.
Koln 10, 61, 113, 115, 117-120,
Konig, Adyrniachiden 88, 189.
— Arabien 178, 186, 187.
— Aragon 293-306.
— Bayern 129.
— Bohmen 62.
— Calicut .33,215,313-319,365.
— Castilien 293-306.
— Decies 208.
— Deutschland 125.
— England 58, 71, 72, 79, 83,
.^7, 89, 197, 264, 266.
— Franken 156.
— Frankreich 53, 54, 57, 67.
100, 151, 266, 278, 286, 287,
290, 325, 334.
— Hastiniipura 218.
— Hira 188.
— Irland 207, 369.
— Leinster 207, 209.
— Munster 207, 209.
— Navarra 33 1.
— Neustrien 287.
— Paliistina 176
— Persien 167, 1^6, 187.
— Peru 363, 364.
(l f?ju'liref^irtter.
391
Konig, Sabii 176-lS(t.
— Schottland 7C., 79, 81, s2,
1!I6-2(I(;, H69.
— Sicilien (beider) H.'>I, :ir>2.
— Spanien 144, 2ii;i-.-io8.
— Syrien 168, 174.
— Tsianipa 214, :i67.
— Ulster 2(«i.
— AVales 68.
— Yeraen 18s.
— Ziampa 214.
Konigin 378.
— Calicut 33, 31.3, 315.
— Castilien !).
— Guienne lOl.
— Saba 170-180.
— Schottland 77, 78, 82, 196.
— Spanien 297.
KonisrstocLter 179, 212,31.->,321.
Koppen (C. Fr.) 215.
Kohlengrube 81.
Kolb 5, 18, 16, 4.3, 44, 49, 51,
52, 56, 05, 205, 226, 342.
Konnagium 14.
Konstanz (13, 147.
Koran 179.
Korteraar 109.
Kortgene 108, loi».
Kotsay 187.
Kremer (v.) 186.
Kreuzzeitung 5, 162.
Kreuzziige 80, 289.
Kriegsrecht 20.
Krishna 320, .321.
Krone (Miinze) 83.
Kshetrajna-Sohn 219.
Kuba 358, 361.
Kuchen 93. 94.
Kuster (vgl. Custos) 117.
Kiisterin 119, 124.
Kuh 77, 78.
Kulischer 6, 10, 45, 129, 154,
215, 226, 227, 230, 253, 260,
293, 343, 351, 352, 353, 356.
Kunicznoje 225.
Kunigowanie 10.
Kunitza 225.
Kurdistan 309-311.
Kurfiirst 135.
Kyburg 03.
L.
Laas in Ossau 334.
Labessade (L. de) 4, 6, 44, 51,
54, 65, 91, 205, 226, 259, 260,
269, 284, 293, 325, 342, 340,
351.
Laborde 4.
Laboulaye 65, 102.
Lacabane l(i2.
Lacomblet 10, 61, 113, 116-123.
Lactantius 192-194.
La Curne 96.
Ladorade 22.
Ladronen (Inseln) 304.
Larm 140, I4l.
Laferriere (de) 4, 4,s, .-,2, 337.
La Freste 328.
Lagerbuch 129.
Lagreze (B. de) 3, 293, 300, 3o7,
332, 335-338.
La Greve 142.
Laguenne 7.
Lahore 212.
Laird 81.
Lambert v. Ardreg 100, 101.
Lambert v. Wied 118.
Landauer (S.j 103, 175.
Landesangehoriglseit 159, 374.
Land-Knecht 132.
Landser 3o.
Landstande 127.
Lauero 239.
Langeraar 109.
Languedoc 22, 102.
Laou 104.
Lariviere-Bonrdpt 253, 254, 376.
Laroche-Flavin 8.
Lassberg (v.) 353.
Lassen (Chr.) 215, 219
La Talhan 259.
Laufhunde 285, 346.
Launay 94.
Lauraguois 8.
Laurent (F.) 4.
Laurentius (S.-, Meer) 117.
Lauriere 1, 205, 241-244, 252,
253, 271, 342, 34.s.
Lausitz 128, 226.
Laval 2.
Lavedan 102.
Laya 73.
Layrewite 89.
Leapta 211.
Le Bret 291, 292.
Lechaude d'Anisy 2.50, 251.
Le Constitutionnel 3.
Le Droit 3.
Legenden 151, 176.
Leger-Geldum 13.
Leges Henrici primi 58.
Legouv(j 4, 48.
Lehnrecht 57.
Lehnsanerlcenntniss 91.
Lehnsgebrauche 5o.
Lehnsverzeichnisse 91, 247.
Lehnsvormundschaft 58.
Lehnswesen 21, 4.s, 79, 198, 225.
Leibeigenschaft 47-51, 254-25(>,
356
Leichtgliiubigljeit 200.
Leinsamen 114.
Leinster 206, 209.
Lenormant 167.
Leo XIII. (Papst) 45.
Leonore v. Portugal 15, 55
Lerch (Peter) 310.
Lerche 51.
Le Siecle 3, 44.
Leslaeus (Lesley) 203, 201.
Lesmahagu 80.
Leu (H. J.) 229.
Leu (-.-) en Rethelois 144.
Leviratsehe 218, 219
Lex Longobardica 233.
Lex Salica 233.
Licenzgebiihr 97, 123.
Lichterausloscher 310.
Liebrecht(F.I5, 6, 13,42,45, 109,
180, 205, 213-215, 221, 227,
249, 260, 283, 293, 295, 306,
307, 310, 31-.', 338, 3.52, 353, 358.
Lied 7, 142, .344, 346.
Liedekercke 105.
Lierwyte 89.
Liesborn 110, 126.
Lilienstern (v.) 178, 17ii, 181,
Lille 29.
Limburg 130.
Limnaeus 244.
Limoges 101, 153.
Limousin 22, 101.
Lincoln 71.
L'Independant du dep. de Char
inf. 3, 4.
Linschot 40, 314, 3111.
Lintiliano 239.
Lippe O.S.
Lipsius 108, 171, -173.
Lisines 141.
Lithauen lo, 75.
Littleton 31, 32, 85.
Littre 4, 249.
Liutfred (Herzog) 231.
Lloret 2!i4.
Lobier .330- 34, 370.
Loning 1.52.
Lorsch 5, 53, 353, 3.50.
Losegeld 141, 204, 20it, 292, 371.
Lowen l(t7, 369.
Logik 6, 28, 40, 307, 308.
Lohempy !)0.
Loon (G. V.) 111, 140.
Lorn ^2.
Losschein 07.
Lothar (Kaiser) 130.
Lothringen 02.
Loubet 338.
Louvie-Soubiron 3:iO-334, :H37.
Lucas (PatViarch) 149.
Ludgardis (Propstin) 123.
Ludwig (Kaiser) 2'U.
Ludwig IX., der Heilige 53, 54,
57, 151.
Ludwig X. v. Frankr. 334.
Ludwig XI. V. Frankr 290.
Ludwig XII. V. Frankr. 325.
Ludwig XVr. V. Frankr. 267, 397.
Luchow 136.
Liineburg 127.
Liinen 121, 122.
Liinig 131, 245.
L'Univers 3.
Luttich 1.53.
Luxemburg 59
Lvon 0, 153, 244-247, 373 , 377,
378.
Lyonnais 245.
Lvrewjte 89.
Lvse V. Broicke 124.
Macca 230.
Mackenzie 196, 2(tl-2o3, 205.
Maclay 324.
Macon !t, 377.
Macpherson (James) 208.
Macpherson (John) 75-77, 79,
197-199.
Macquarry 83.
Madrid 50,
Marchen 170-1^0.
Magdeburg 131.
Magister 117.
Magnaten 190.
Mahabharata 2I,s, 219, 321.
Maharaja 212, .320-323.
Maidement 14, 68, 73.
Mailand 1.53.
Mainmorte 162, 2.55, 257.
Mainz 114, 131.
Mesnil (Q. de) 328
Maisnil-les-Hesdin :!27, 328, .374.
Major (Joannes) 200.
Makkabaer 168-176, 368.
Malabar 33-36, 215, 216, 221,
313-320, 365-367.
Malakka 3,s, 324.
Malcolm HI. v. Schottl. I, 79,
107, 190-200, 239.
Malivoir 2
Malle (de la) 4.
Mals usos 295.
Maltaverne 280.
Manasses (Graf) 9!i.
Manco Capac 363.
Mandelslo (A. v.) 34, 310, 317.
Slanrique, s. Marichalar.
Manta 40.
Mannthaler 135.
Wantra 150.
Manu 25, 217.
Maoltheachlainn 20!)
Maracaibo 302.
Marchese di Monferiato 240. 241.
Warchet 80.
392
Namen- und Sachregister.
ilarcheta 14, 6S, 75-83, 135, 203,
369
Marchete (11) 76.
Warchetta 76.
Marchetum 67, 86.
Marchzins 135.
Marco Polo 214.
Marcoy (Paul) 359.
Marder 221-'225.
Wardergabe 21, 221, 222.
Mareuil 100, 247-24',», 376.
Margarethe (hl.) 196, IfO, 201,
:;u4
Margaux 2511.
Marge 75.
Maria Stuart >-2, 203.
Marianen (I seln) 364.
Marichalar 4, 15, 16, 44, 99, 140,
153, 160, 243, 260, 265, 269,
293-2S5, 303-308.
Mariengroschen 128.
Maritagium 66, 86, ,^7, 104, 135.
Mark (Grafschaft) 124.
Marketa 197.
Markgraf, Provence 2.s9.
Markirch 30.
Markotte 15.
Marktflecken 232.
Marle-BIanchet 277.
Marquette 13, 75, 342, 397.
Marquis de Pins 22.
Marschall de la Force 93.
Marschlins (t.) 351.
Marseille 22.
Martel (Gottfried) 288.
Martel (Pfarrer) 276, 278.
Martha 171.
Martin (hl ) v. T..urs 289.
Martin (Henri) 4, 77.
Martin (S.-)-le-Gaillard 95.
Martin (S.-) bei Etrepag 92.
Martin (S.-) bei Vische 23
Martin (S.-) zu Utrecht 112.
Martini 2.
Martinsfest 341.
Martius (v.) 156, 357-360, 363.
Mary-Lafon 289, 290, 293.
Marzari 236.
Masce lOO.
Massageten 40.
Mass 98, 253
Masson 47.
Mastricht 112.
Mathilde (GraHn v. Xevers) 61.
Matrimon. consummatum 146.
Mattatja 168, 172.
Mattishaju 173.
Mauleurier 346.
Mauer bei Zurich .°53, 354.
Maure (S.-) 100
Mauren 19, 297, 3o4.
Maurer (v.) 5, 43, 116, 226, 352,
353.
Mauretanien (W. v ) 104.
Max Joseph (Konig) 129.
Maximinianus (Kaiser) 193.
Maximinus (Kaiser) 63, 192-194,
367.
Maynard 86.
Mazzecha 115.
Mazure 380-336.
Mecklenburg 22, 128, 134.
Medebach 126.
Medina 176.
Meer 117.
Megillath Ta'anith 169, 170, 175.
Meichelbeck 62.
Meidenrente 135.
Meier 346, 3.^3, 3.54.
Meieramt 354.
Mekka 176
Mela (Pomp.) 1£8.
Menage 205.
Menschenrechte 257.
Merbodo 114.
Merched fiS, 72.
Merchet 14, 67, 75-83, 86, 87.
Mercheta 14, 68, 75-83, 86, 203.
Merchetum 67, 84, 86, 87.
Merchetum sanguinis 85.
Mercier 3.
Merdoulado S.
Merg 75.
Merket 13.
Merlin 2, 44, 48, 205, 225.
Merseburg 133.
Meschede 127.
Mesnil-Auber 93.
Metropolitangericht 339-343,
372.
Mets de mariage 91, 93, 94, 100.
Mevius 59.
Mexico 23, 357.
Meyer (Chr.) 18, 47, 226.
Meyer (Convers.-Lex ) 5.
Michaelskirche (Hildesh.) 126.
Michelet 221.
Middelburg 109.
Midraschim 171-174
Mikluho (v.) -Maclay .■!24
Militarpflicht 333.
Minden 68.
Minella 234.
Minnesanger 53.
Minorate 27.
Miot 260.
Miraeus 103-105.
Mirjam 171.
Mischna 163, 165, 178.
Missale 146.
Missbriiuche 66.
Mittelalter 18,21,51-54,212-309,
334, 370-379.
Mittelwales 7H.
Mittermaier 5, 2, 153.
Monche 351, 373, vgl. auch Ab-
tei u. Kloster.
Moser (Justus) 2, 15, 161, 162,
Mogh Corb 207.
Mohanimed 176, 179.
Mohr (v.) 230.
Molukken 324.
Monddienst .808, 316.
Mone (Fr. J.) 114.
Monferrato 23, 240, 241.
Mongolen 29, 223.
Mons Aureolus 289.
Montauban 240, 288-293, 371.
Montauriol 291.
Montbraie 94.
Montesa, s. Marichalar.
Montesquieu 31
Montfort (Rud.) 229.
Montguisard 285, 286.
Moutmalier 101
Montmorency 7.
Montreal 357.
Mont-S.-Michel 2.50-252.
Montvallat 377.
Moreri 205.
Moreton 88.
Morlaas 333, 334.
Morna (Moirna) 207.
Moses 149.
Motte (de la) 100.
Moulins 344.
Moustier 142.
Mozambique 38.
Mozart 2
Mozin 4, 96.
Muhlbach (Klsass) .354.
Miihle .HO, si, 82, 84.
MuIIer (Jos.) 222, 223.
Miinster i W. 61, 121.
Miinzrecht 292.
Miinzwesen 75, 87, 100, 127,
132, 134, 138, 161, 196,
201, 209, 213, 252, 278,
313, 316, 323, 327.
Muhammedaner 314, 318.
Muir 220.
Mundiburnium 62.
Munster (Irland) 206, 208,
Musikmeister 70.
Mutio (Hier ) 138,^39, 369,
Mutterrecht 36
Mythologie 37, 194, 195.
Nachgeborne Sohne 833.
Naehtbesuche 40.
Nachtlicht 119.
>'achtwache 350.
>'adhr 187, 18S.
Nagelgeld 135.
Nairs 34-36, 318.
Nala 157, 218.
Nambiirie 317, 318.
Namen v. Heirathsabg. 67, 68,
113, 125-136, 139, 245, 251.
Naphtali (Stamm) 149, 311
Xarada 217
Xarayana 158.
Xarbonue 2S8, 289.
Nasamonen 39.
Natzungen (v.) 116.
Xavarra 306, 334.
Neck (van) 312.
Necker (Minister) 67.
Neger 39.
Nelson (J. H.) 35, 36, 320.
Nephtali (Stamm) 149, 311.
Neresheim 124.
Nestor 221-223.
Nestorianer 311.
Neuburg (Prov ) 129.
Neue Preussische Ztg. 5, 162
Neuholland 29.
Xeuseeland 29.
Neuss 114, 123.
Neuzeit 18, 309-364.
Nevers 61, 95, 343-346, 377.
Nicaragua 35 .
Nicolaus (Papst) 151.
Nicolausfe.st 341.
Niederlande (franz.) 29
Niederlande (hoU ) 20, 108-112,
140, 144.
Niederlassungsteuer 67, 96, 101,
136, 326.
Niedersachsen 133, 134.
Nizza dclla Paglia 239-241, 371.
Noble (Miinze) 73.
Nolten 126.
Nonnenkloster 154.
Noordewier 65.
Nop?age 97, 285, 286.
Nordamerika 23, 141.
Norddeutschland 68.
Nord-Europa 194-212.
Nordische Dichtung 194, 195.
Nord-Wales 71.
Norfolk 86.
Nork 133, 226.
Norraandie 7,91-97, 247,250-253,
285-287, 349, 354, 376.
Norwegen 29.
Norwich 240.
Notar 2.50, 257, 298.
Nothzucht 70, 71.
Notorietat 16-21.
Nottingham 88.
Nougues V Secall 295.
Novelle 3'
Noweiri 178, 182-186.
Nunning 123, 124.
Nuits dVpreuve 9, 358.
Namen- und Bachregister.
393
Xuweiri 187
Nymphe liO
0.
Oberbayern 141.
Oberhof 117, 118, 12;(, l-'4.
Oberpfalz HO, 141, lori.
Oberreiteuau 61.
Oberschwaben 147, l.")5.
Ochiern 77.
Oefnung (Weisthuin) 63.
Oekononi 1 1,").
Oer (Miinze) 87.
Oesterreich .'il, 62, 137, 230-238,
3r>5.
OfHzial ••.
Og<'tharius 77.
Oisin 207, 208.
0'Kearney 206-212.
Oldeubarneveldt 109.
Oldenburg 29.
Olearius 34, 152. 316, 317.
Olga 221-22.5, 373.
Olive (.Simon d') 246, 355.
Oneglia (Fiirstenth.'» 243.
Opern 2.
Orang-Sakai 324.
Orang-Seman^ 324.
Orden v. hl. Ludwig 267.
Orglandes '.»3
Origines Guelficae 130.
Orinoco 358
Orleannais 22, 142.
Orloff 124.
Orote (Dorf) S64.
Orthez 333.
Ortsangehorigkeit 160, 374.
Osbert (Abt) 80.
Osbert Olifard tO.
Osbert v. Fontenay-Pesnel 250.
Oscar (Sohn Oisin's) 208.
Osenbriiggen 49, 354, 356.
Osiuchusen 118.
Osnabruck 68.
Ossau (Thal) 331, .337.
Ossian 207, 208.
Ossianic Society 208.
Ossun 337.
Ostfriesland 29.
Ostindien 24-27, 156-158, 212-
221, 3I2-.324, 365-367.
Ostseeprovinzen 22.
Otranto 161.
Otto (Biscbof V. Paris) 97.
Otto 111. (Herz. v. Bayern) 63.
Ottokar (Herz. v. Steyerni.) 137.
Ourlop 84.
Oviedo 360, 361, 365, 366.
P.
Pachacamac 363.
Pact nuptial 97.
Padberg (Fr. v.) 127.
Paderborn 121, 127, 397.
Papste 45, 59, 60, 138, 149, 151,
203, 289.
Page 285.
Pagesos de remenga 293-306,
377, 378.
Pagliarini 2M.
Pajes 357-364.
Palastina 163-168.
Palestin 97.
Palma (Insel) 308, 309, 366.
Pandu 219.
Panorroia Ivonis 152
Pantaleon (S.-) zu Koln UG,
117, 119, 124.
Pantoffel 23.
Papebroeck 44, 204.
Paponius 274, 284, 285, 343-.S46.
Paraijara 219.
Paranyniphen 152.
Paraskara 157.
Paria (Provinz) 361.
Paris 9, 97, 148, 265, 275.
Paris (A. P) 4.
Parlamentsurtheile 53.
— Besan<;on 256-258.
— Bordeaux 7, 101, 282, 283,
372.
— Dijon 100.
— Paris 98, 99, 148, 267-282,
343-349, 377.
— Toulouse 8, 102, 355.
j — Tournay 145
Pars (Adrian) 108, 225, 318.
! Parsanni 241-244, 371
Parses 358.
Passcs 358, 359.
Pasteten 141, 144.
Pastoret 100.
Pastoureaux 250.
Patriarchen 137, 149, 165, 178.
l'au 3o5.
Payes 358.
Pegu 38.
Pellicer 294.
Penchenid 7n.
Pencherd 70.
Pennsylvanien 141.
Perak .324.
Pere titrier 267.
Pertines 231.
Pergine (Tersen) 230-238.
Pericaud 2, 10, 246.
Perignat-es-AUier 54.
Pernada 294.
Perron 180.
Per-en 22s, 231.
Persien 18, 167, 186, 1-7.
Perth 80.
Perth.shire 81.
Pertile 5, 65.
Peru 40, 312, 358, 363, 364.
Peschier 4.
Peterborough 88.
Petersabtei (Merseburg) 133.
Petershausen 63.
Peterskirche (Medebach) 126.
Peterskirche (Worms) 114.
Petrus Gregorius 204.
Peuchet 2, 205, 292, 293.
Peyto Bordelo 306.
Pfalz 135, 136.
Pfalzgraf 63.
Pfanne 129.
Pfannenschmid (Dr. H.) 169, 292.
Pfarrer 23, 97, 131, 136, 148, 269,
278-282, 287, 339-343.
Pfeffer 117.
Pfeffers 63.
Ptirt 30.
Pfleger 35.3, 355.
Philipp I. (Erzb. v. Koln) 118,
Philipp II. August (v. Fr.) IDO,
286
Philipp III. der Kuhne (v. Fr.)
259.
Philipp VI. (v. Fr.) 270, 290.
Philipp II. (v. Sp.) 144, 295.
Philippinen 39.
Phillips (Georg) 79, 14(i.
Piaches 357.
Piaias 361.
Pic du Midi 331.
Picardie 2, 24, 29, 98, 99, 143,
159-161, 247-249,^251, 267-282,
374, 376.
Picten 198.
Piemont 19, 139, 239-244, 369,
Pierre (S..)-es-Champs 94.
Pierrecourt 94.
Pinard 330-332, 334.
Pinault de Jaunaux 145.
Pinkerton 199.
Pintes (MUnzen) 100.
Piot (Ch.) 60-62, 105-107.
Piper (F. O.) 68.
Pizarro (Francisco) 363.
Place Dauphine 265.
Planeten .los.
Piat nuptial 91, 94, 97, 102
Plebanus 120.
Plinius 8.
Plot (llobert) 2^7, 8s, (0, 204.
Poblet (Abtei) 294.
Pocock (Ed.) 178, 181, 188.
Podesta 232.
Poitou 100, 290.
Polarstern 157.
Poliar 319.
Polignac (Armand de) 102.
Polo (Marco) 214.
Polyandrie 35, 36, 319, 320.
Polydorus Vergilius 200.
i Polygamie 186.
j Ponimern 128
I Pomponius Mela i'.<i.
i Poncher (Et., Bischof) 275.
1 Pont-Audemer 94.
Pontexes (J B. de) 23.
Ponthieu 9, 99, 247, 272, 278-280,
327, -^:-^.
I Populetum (Ablei) 294.
Portugiesen 3u8.
Post (A. H.) 18, 19, 42, 221,
358, 364.
Postulatio de praer. virg. 163.
Potgiesser (Joachim) 135, 137,
205, 245. '
Prafekten 196.
Praegustator 193.
I Pralat 124.
Praelibatio 13.
Pralibatsrecht 269.
Priimonstratenser 104.
I Praetorius (Fr ) 178.
' Preaux 91.
Prelibatiou 8, 15, 54, 91, 95,
206, 269, 292.
Prelley 241-244, 371.
President a mortier 341.
Pressprozess 320-323.
Pretium pudicitiae 116.
I Pretium virginitatis 74, ' 9.
! Prevote 14.5, 326, 329.
Priester 38, 43-46, 154, 214-216,
221 , 309, 310, 312-323, 360-^62,
365-.V67, 379.
Priesterfrauen (jiid.) 164, 166.
Prinz v. Wales 72.
I Prinzessin 55, 209, 211, 378.
Prinzessin (engl ) 82, 369, 378.
! Prinzessin (portug.) 15, 55.
Prinzessin (span.) 72.
Prior 86, 88, 93, 102.
Privatrecht 158.
Probenachte 40.
Propstin (Essen) 123.
Promnesus 190
Prophetengeschichte 179.
Propst 61, 126
Protestanten 291.
Provence 2.', 2S9.
Prozess 372, vgl. Parl.- und
Schieds-Urtheil.
— Svnode .'rO.
: Prum (Abtei) 114.
Pufendorf (F. E.) 135.
Pugatsohew 356.
Puisne Judge .323.
Pujades 294-297, c03, £04.
Purohita 321.
Pvrenaen 3';0-338.
394
Namen- und Sachregister.
Quastor 133, 169.
Querci (Le) 102.
Querfurth 131.
Questaux 331-334.
Quilon 31S.
Quintaine 7.
Quinzano 239.
Quirinstift (Xeuss'» 114, 123.
Quitzow (Ritter) 30.
Quix (Chr) 119.
Rabba 166-168.
Rabbi Hoschaja 164.
— Jehuda ha-Xasi 165.
— Simon ben Jochai 171.
Radnorshire 73.
Raepsaet (J. J.) 2, 140, 203.
Ragot (Gabriel) 346-349.
Ragueau (Fr.) 204, 243.
Raguel 149, 150.
Raimund (Bischof) 289.
Raimund Des Vertus 287.
Raja 218, 318.
Rambures 328, 329.
Randinus 275.
Raoul d'lYrv 250.
Raphael (Erzengel) 149, 150.
Rapp (Joseph) 237, 238.
Rappoitsweiler 30.
Raptus foeminae 9.
Ras Lila 321.
Ras Mandalis 321.
Rasmussen 184.
Rastelli 2, 24(i, 241.
Ratherius (Bisohofj 149.
Raub (in der Schweiz) 63.
Rauchfang 225.
Ravensberg 68, 13.5.
Ravenstein 228, 371.
Raymund i Saint-Gillesj 289.
Raymund V. i Toulouse) 289.
Ravmund VII. iToulouse) 290.
Raynal 8, 22, 50, 342.
Reallasten 301.
Rebais 2 2.
Rechnungen 135, 247, 249.
Rechnungshof (franz.) 95.
Rechtsbiicher 53.
Rechtsgemeinschaft 375
Rechtsinstitution 21, 51.
Rechtspfiege, Mittelalter 334.
Rechtsubertreibung .306, 354,
355.
Rechtung 355.
Rector 124.
Reddemund 68.
Rees 61.
Reewijk 109.
Regal de mariage 100.
Regality 81.
Regards 91.
Regensburg 62, 151.
Regiam Majestatem 76-78.
Regino (Abf 152.
Rehtmeier (Ph. J.) 130.
Reichenau (Abtei) 63.
Reichenweier 30.
Reitschoss 136.
Rejah 183.
Relief du bail 330.
Religiose Vorschriften 146-158.
Remenca 293, 295, 296, 299.
Remlingrath 118.
R(^mu8at (A.) 214.
Renauldon 2, is, 23, 205,
206.
Rente 299.
Repret 255-258.
Resch-Metibta 166.
Respit 98, 99.
Retclifife 3.
Rethelois 144.
Reuter (Fritz) 22.
Rewijk 109.
Reyal Consell 298.
Reygersberg 108.
Reynitzsch 43, 129, 343.
Rheims 144.
Rheinland 113.
Rheinpfalz 29.
Rhoon 109.
Richard I. v. Xorm. 250.
Richard II. v. Xorm. 286, 287.
Richard III. (Abt) 250.
Richel.ourg loo.
Rigr 195.
Rigsmal-Lied 194, 195.
Rikelindis 119.
Rikildis 113.
Rimbach 30.
Rind 76, 338.
Rindorp 120.
Rio Jf-a. 359.
Riquier (S.-) 98, 328.
Rishi 219, 321.
Rituale 146-148.
Rive 68.
Riviere-Basse 333, 334.
Rjumin 223, 225.
Robert II. v. Frankr. 287.
Rochholz 228.
Rodenrys 109.
Rodulfus (Abtl 106.
Romer 19, 47.
Romisches Reich 190-194.
Romisches Recht 29, 345, 347.
Rosch 173, 178, 179.
Rogerson 82.
Rogerus de Hoveden 199.
Rogier Ade 251.
Romagnano 138.
Romane 2, 286-288.
Romanische Sprachen 263.
Roon 109.
Roquefort 205, 348.
Rossellon 295, 377.
Roth (Abteil 63.
Rouen 286.
Rovere idella) 239, 372, 873.
Ruderbach 30.
Rudolph V. Guines 99.
Rudolph I. V. d. Pfalz 135.
Rue (in Ponthieu) 99.
Ruckfallsrec.ht 162.
Rufach 30, 159.
Rugua 327.
Rupien 323.
Russland 20, 21, 29, 221-225,
3.55, 356.
Rutgerus iCustosl 122.
Rutgherus 124.
Ruthart (Erzb v. Mainz) 114.
Rutscherecht 134.
Rvmer 71, 72, 82.
Rig-Veda 156.
Saba 176-180.
Sabanac (Geraud de) 102.
Sabia 211.
Sachau (Ed.) 174.
Sachelay 155.
Sachsen 130, 133.
Sachsenspiegel 63, 130, 158.
Sacy (de) 178, 18J, 187.
Sanfte 102.
Sagen 1, 23, 110, 139, 168, 169,
188, 208, 213, 292, 337, 365-
379.
I Said Ibn Ahraed 188.
Saint-Amans 259-267.
Saint-Fargeau 293.
Saint-Foix 64.
Saint-GilleB 289.
Saintonge 101.
Saint-Riquier 328.
Sale (G.) 182, 205, 206.
Salisliury 146.
Salis V. Marschlins 351.
Salis (v.) -Seewis 229.
Salland 120.
Salomon (Konig) 176, 178.
Salt (Th.) 89.
Salz ino, 102, 129, 157.
Salzburg 355
Sama-Veda 156.
Samhair 207.
Samhita 156.
Samorin 221, 317, 318.
San Domingo 363.
Sanskrit-Litteratur 216.
Sapor I. (Persienl 187.
Sapor II. (Persien) 167.
Sara 149, 150.
Saraad 70.
Sark (Gouverneur) 357.
Sarmishtha 321.
Satrap 167.
Satya Prakash 322.
Satyavati 219.
Saucei 93.
Saudasa 219.
Saulgau 147.
Saulx iOO.
Sausse (Matthew) 323.
Sauveterre 334.
Savoven 242, 243, 371.
Schaffner 5, 43, 49, 56, 267.
Schaf 83, 353, 354.
Schagen 109.
Schapur 167.
Scharachil 178.
Scharahbil 176.
Scharwache 350.
Schauspiele 2.
Seheidung 163.
Schelling (P. v. d.l 109, 205,
225, 316, 318.
Schenkungen 63, 114.
Scherr (Joh.1 5, 48, 51, 56, 205,
221, 227, 352, 353, 356.
Scherz 254, 262, 327, 329, 332,
333, 353, 354, 376.
Schiedsurtheil 9, 10, 62, 102,
182, 293-306, 377, 378.
Schiffahrtsberichte 313-319.
Schinken 92, 329.
Schlacht, Arabien 181, 184.
— Cnamhros 207.
— Gabhra 206-212, 369.
— Villisur 229.
Schlafgemach 146.
Schlegel (A. W. v.) 11.
Schlegel (Fr. v.) 317, 397.
Schlozer (v. ) 222-225.
Schmahung 323.
Schmeller-Frommann 141.
Schmid (Fr. X.) 146-148.
Sehmid (^R.) 87.
Schmilg (Joseph) 170.
Schmitz (V.) 226, 227.
Schoffen 278.
Schoffenregister 160.
Schone Frauen 39, 227.
Schouwerth 1.55.
Schotelen-spyse 140, 144, 145.
Schotelmann 123.
Schottel (J. G.) 128.
Schottland I, 18. 19, 68, 75-83,
196-206, 369.
Schreckenberger (Miinzel 132.
Schiirzenthaler 136.
Schiirzcnzins 1.36.
Nameii- iiihI Sachregister.
395
Schultens (A.) 178, 186.
Schultheiss 124, 354.
Schulze 118.
Schultz (A.) 5:!.
Schwaben 121t, 147.
Schwarzrheindorf 61, 117, 118.
Schweineschinken 35:i.
Schweiz 20, 2it, 63, 228-230,
352-.<i5.5.
Schwenck (K.| 75.
Schwert IM, 101, .368.
Schwestersohn (Erbe) .•i2-36.
Scozzonaria 56.
Sebulon (Stamm) 311.
Secundogenitur 24-27.
Seeland lOit, 140, 316.
Seefahrer 3l.t-3ill.
Segovia i:!9.
Seibertz (Suibert) 115, 118, 126,
161.
Selden 165.
Sempere 2!i5.
Senechaussee, Anjou 346-349.
— Bourbonnais 344.
— Bourgogne 56.
— Guienne 259-267.
— Limousin 101
Sennheim 30.
Serfs de formariage 56, 254
Serviens 76-78.
Servin (L.) 347-349.
Severinskirche (Koln) 113.
Sgeimh Sholais 208, 209.
Shakspeare 10-12.
Sharahbil 176-180.
Shorkote 212, 213.
Shouldham 86.
Shrewsbury 83, 84, 89.
Sibirien 132.
Sicilien 138.
Sickte 127.
Siecle (Le) 3, 44.
Siegfried v. Boumeneberg 130.
Sigerius 105.
Silvius (A.) 55, 151.
Simon (Pedro) 361.
Simrock 155, 195.
Singapore .324.
Sirenz 30.
Skandinavier 31.
Skene ( J.) 76-78, 107, 204.
Skene (W.) 208.
Sklavenherrschaft 190, 191,
367.
Sklaverei 47.
Skosyrev 356.
Slavonische Sprache 223.
Sluipwijk 109.
Smallegange 108.
Soest 118, 227.
Solinus 39, 40, 198.
Solsona 297.
Sommer (J. Fr. J.) 115-117,
121,
126,
Sonloire 348.
Sonnendienst 179, .308, 3
363.
Sorrent 62.
Sorreze 8.
Soscarrola 259.
Sotherius ( Papst) 151.
Soulan (Dorf) 338.
SouUe 145.
Souloire in Anjou 346 - 3'
377.
Souloise 349.
Souveran 312.
Spanien 19, 20, 49, 139, 1'
293-308, 377, 378.
Speck 102.
Speisen 246.
Spelman 67, 73, 86-88, 204.
Spielball liM).
I Spiele 7, 8.
i Spielgenossen 140.
Spielleute 92, 94, 100
Spilker (v.) 126.
Spix (v.) 18, 358, 359, 363.
Spitzer (D.) 3.
Sprachstudien 263.
Sprunk-Daler 136.
Staatsrath (franz.j 257, 258.
Staatsrecht I.')^.
Stab (^Bortlingen) 129.
Stadelhofen 355.
Stiidte 66, 98, 1 9, 121, 212, 288.
Standesunterschied 60.
; Statutarrecht 153.
Stechgroschen 136.
[ Steinbruch 81.
Steinschneider (M.) 163, 178,
; 185, 186, 188.
i Stenzler 157, 158.
Stepf 341.
Stephan (S.-), Kloster 343.
Stephen 5, 28, 205.
Steuern 191.
Steyermark 137.
Stift Beauvais 97.
— Cadillac 283.
— Claude (S -) 255-258.
— Essen 120, 123.
— Fritzlar 114.
— Koln 113, 116.
— Jlaximin (S.-) 63.
— Neuss 114.
— Osnabriick 68.
— Soest 126
, — Stephan (S.-) 116.
— Tournay l(t4.
— Trier 63.
— Xanten 61.
Stiftskirchen 113, 116, lis.
Stiftskuster 127.
Stingisdint 78, 79.
Stobo 80.
Stolgebiihren 148.
Strabo 198.
Strafen 67, 68, 70, 75.
Strassburg 147, 148, 159, 374.
Strathclyde 80.
Strathern 82.
Strathier 82.
-xrjCtTto; 164, 368.
Stratoun 81.
Strecker (W.) 310.
Stumptr 2211.
Succumbenzstrafe 34(t.
Sudeshna 219.
Siidamerika 40, ;i57-367.
Surdt ilG
j Sueton 191.
Sugenheira (^S.) 5, 43, 49, 56,
129, 205, 206, 227, 259, 268,
284, 293, .330, 333, 351.
Suidwijk 109.
Sukra 321.
Sulzbach 30.
Surius 199, 201, 202.
Susquehana 141.
Sussex 29.
Sutras 156, 157.
! Sviatoslaw-Igorevicz 222, 224.
Swammerdam 109.
Sylvester (Abt) 223.
Sylvius (A.) 55, 151.
Svmbolische Handlung 65, 162,
'246, 249, 306, 378.
i Synodalstatuten, Amiens 280.
I — Paris 97, 147, 3.75, 276.
j — Verona 149.
I — York 149.
Synode, s. Concil.
T.
Tacitus 111.
Talboys Wheeler 35, 219, 318.
Talmud 163-168, 173, 311.
Tamburetti 319.
Tannay 99.
Tannegg 63.
Tanz 94, 137.
Tao-sse 214.
Taphsar (-iDSl:) 166, 167, 368.
Tardenois 37.!.
Tarnasseri 314.
Tasm 18(J-188, 368.
Tataren 29, 31, 132.
Tatisczev 222-225.
Tausch V. Horigen 63, 123, 135,
162.
Taxen 1(8, 276.
Tempel 109.
Tenasserim 314.
Tendenz 266, 267, 288.
Teneriffa .308, 309, 366.
Tesm 188.
Teutonen 31.
Than 77.
Thasm 182.
Theilung v. Horigen 62, 63.
Theodard (S.-) 289.
Theodor 149.
Thierry (A.) 99, 273, 274,
277.
Thomas (Abt) 60.
Thomassin 149.
Thomirey 100.
Thurey 9.
Thurgarton 87, 88.
Tiberias 163
Tiefenbach 155.
Tierna 77.
Tire-vesse 7.
Tirol 20, 141, 2.30-238.
Tizzoni 23.
Tiva 319.
Tobba 179, 187.
Tobias 111, 149-155.
Tobiasnachte 154, 155, 158.
Toggenburg (Graf) 229.
ToUius 112, 312.
Tomich (Pedro) 304.
Tomlins 82.
Tongerlo 104.
Torepaduli 138.
Tornberg (C. J.) 179.
Torqueniie-en-Aulge 94.
Torto 307.
Toscana 351, 373.
Tosifta 168, 173.
Tossefta 168, 173.
Tottiyars 320.
Toulouse 8, 102, 289-292, 355.
Tournay 104, 145.
Tradition 21, 213, 291, 337.
Traubach 30.
Trauung 97.
Travancore 318.
Trencaleon 266.
Trient 231, 232.
Trinoctium 45, 158.
Trittenheim 114.
Trop 95.
Tschudi 229.
Tsiampa 214, 367.
Tulle 8
Tulyalon 81.
Turgot 202.
Tynemouth 88.
Tyrannen 20, 37, 174, 176,
180, 189, 192, 196, 213, 214,
229, 233, 239, 367, 368, 371,
379.
Tvrol 20, 141, 230-238.
396
Namen- und Sachregister.
u.
TJda 119.
Udo 118, 131.
Ueberlieferung 21, 213, 291,
337.
Ueberreste 311.
Ulitaos 364.
Ulloa 363, 364.
Ulster 206, 208, 209.
Ulva 83.
Umarmung 2-19, 376.
Umeira 176.
Umwandlung 64, 65, 68, 98,
99, 293, 294, 311, 370, 371,
37-.
Ungarn 21, 137.
Ungenossen 60, 66.
Univers (L') 3.
Universitiit, Aberdeen 198.
— Bourges 341.
— Paris 198
Unterhaltungsschriften 2, 3.
Unzuchtstrafe 14, 67, 70, 75,
346, 349.
Upspringelgeld 136.
Urbeis 30.
Urkunden 373-378.
Urtheile 7, 8, 20, 53, 98-102,
145, 148, 256-284, 293-306,
339-351.
Uruguay 3.
Urzeit 18, .^6, 41.
Usatges de Barcelona 295, 299.
Usatici Barchionenses 295.
Uschaja 165.
Utrecht 112.
y.
Vadimonium 103.
Vaishnava-Sekten 320.
Valenciennes 29.
Valentia 152.
Valerlus Maximus 190, 191.
Vallabhacharis 320.
Vallabhacharva 322.
Valladolid 140.
Vallein 4, 16, 52, 340.
Valperga 23.
Valsugana 231.
Vannozzi 204, 239.
Varin (Lovs^ 7.
Varnhagen |J. A. Th. L.) 126.
Varthema 32-36, 313, 314, 318,
.019, 365.
Vartoman 3.'', 313, 314.
Vasall 56-58.
Vasco di Gama 318.
Vasishtha 217, 219.
Vasishtha 218.
Vaterrecht 36.
Vatz 22-230, 371.
Vaudeville 2.
Veda-Litteratur 216.
Vedas 156.
Veit (S.-, Corvey) 116.
Venezuela 358, 362.
Verausserungsrecht ,302.
Verbriiderung 62.
Verdii 294.
Veremundus 202.
Vergeltung 368, 379.
Vers-ilius (Pol.) 200.
Verhuefen 316.
Verleumdun? 291, 323.
Verlobung 163.
Vermuthungen 8, 227, 249.
Verona 149.
Verson 250-252.
Verthema 33.
Vertomannus 33.
Vertriige 62, 64.
Vertus (Des) 286-288, 371.
Verwandte 15, 38.
Veuillot 3, 52, 244, 266, 267,
291.
Vezier 176.
Vicekanzler 298.
Vicennalien 193.
Vicenza 231-236.
Vicitravirya 218.
Vicomte 250.
Vicomte, Bearn 334.
— Pont-Audemer 94.
— Vire 94.
Victor (S.-, Marseille) 22.
Vidame 286.
Vieh 76, 77, 83, 133.
Viehzucht 30.
Vielweiberei 196.
Vienne 9.
Vierling (Jliinze) 127.
Vignau (du) r35.
Villanueva 294.
Villanum socagium 84.
Villenagium 84.
Villeneuve-sur-Lot 62, 354.
Villepinte 8.
Villequin 277.
Vin du couillage 142.
Vin du mariage 143.
Vire 94.
Vische 23.
Vishnu 217.
Vitet 4
Vitoduranus 229.
Vitry 142.
Vocabulaire (Grandi 2, 205,
251.
Voklingshofen 30.
Voet 112.
Vogt 104, 232, 355
Vogteien 30.
Vogthemd 136.
Volchardinchusen 126.
Volco 120
Volksglaube 21.
Volksrechte 53.
Volkssage 363.
Volkssitten 155.
Vollwort 127.
Volsinii 1£0, 191, 367.
Voltaire 2, 15, 44, 51, 52, 55,
56, 148, 205, 242, 257, 258,
268, 345, 346, 348.
Vorhura 10.
Vornrtheil 231.
Voshol 109, 110.
Vulgata 150.
Vyasa 219.
w.
VVachs 114.
Wachszinsrecht 61, 113, 115,
17, 120-122, 124, 126, 127.
Wachter (J. G.) 2, 133, 136.
"Wahlrecht 92, 211, 2.53, 282,
283, 305, 331, .3,32, .353-355,
377.
Waitz (G.) 3, 58, liS,
"Waitz (Th.) 18, 20, 357-360,
363, 364.
Walciodurum 103.
Walckenaer 308.
Wald (Kloster) 231.
Waldeck 126.
Waldmiinchen 1.55.
Wales 20, 67-75.
Walter (Ferd.) 5, 354.
Warwick 59
Wassiltschikow 356.
Wassiors 103.
Weber (in Dreux) 142.
Weber (A.) 55, 155, 174, 220.
Weber (B.) 231, 236.
Weber (G. M.) 39.
Wechsel (in der Schweiz) 63.
Weibergemeinschaft 37, 41.
Weihrauch 146.
Weihwasser 146-148.
Weil (Gustav) 176-180.
Weiler (im Elsass) 30.
Wein 92, 94, 98, 100, 102,
142-144, 343, 344
Weinhold 5, 47, 221, 226, 267,
352.
Weisthiimer 61, 118, 352-355.
Weizenbrot 92.
Welsch (I. B.) 47, 227.
Wendinnen 130
Werden lAbtei) 61, 118, 122.
Werdenberg-Sargans 229.
Werenswidis 119,
AVestfalen 29, 32, 113-128.
Westindien 312.
Westphal (E. J.) 18, 66, 128,
13;i, 225.
Wettolsheim l.Vj, 374.
Wetzlar 10, 227.
Wheeler 35, 219, 318.
Whitacker 75, 197, 203.
Wibaldus 115.
Wicboldus 115.
Wichmann (Abt) 117, 131.
Widah 3".
Wied (Lambert v.) 118.
Wiedehopf 176-180.
Wiedensohlen 30.
Wigand (Paul) 126, 131.
Wilhelm I Bischof, Paris) 9.
Wilhelra IV. v. Cambray (Erzb.,
Bourgesl 341.
Wilhelm lU. (Graf, Ponthieu)
Wilhelm I. (Kijnig, Engl.) 79,
83,
WiUlbald (Abtl ll.'>.
Willielmus Jlalmesburiensis
199.
Wilzhut 355. ,
Windhunde 285, 346.
Windisch 206, 208.
Win*peare 138, 161.
Winterthur (Joh. v.) 229, 230,
Wiricus (Abt) 60, 61, 10.5.
Wittelsheim 30.
Witz (juristischer") 354.
Wivenhoe 87.
Wolbero 115.
Wolf (Ferd.) 293, 306, SO:.
Wolfenbuttel 263, 264, 266.
Wolhvnien 21.
Wridthorp 84.
Wiirttemberg 29, 129,
Wuttke 5.
Wyvenho 87.
X.
Xaintonge 100,
Xanten 61.
Xivrey 3.
Xorquia 295, 296, 299.
Xumanas 359.
Y.
Yajur-Veda 156.
Yajnavalkva 217.
Yavati 321.
Y'colmkill 202.
Yemen 178, 180-188.
Yncas 40, 363.
York 146, 149.
Young 10.
Namen- und Sachregister. 397
Yupurii (Fluss) 359. Zeeland lOii, 140, 316. ; Zopflo, 65, 354, 356.
Yurua (Fluss) 359. Zeit der Gefahr 165-168. Zurich 63, 353, 354.
Yutai (Fluss) 359. Zeitungen 3, 4, 32J. Zutphen 112.
Zellenberg' 30. Zuidwyk 109.
Zeugenverhor SO. Zulu 29.
L% Ziampa 214. Zunft 129.
Ziegenfell IIS, 121. Zwammerdam 109.
Zamorin 31*. Zinsbuch 333, 334. Zweitgeburt 24-27.
Zauberarzte 357, 35«. Zobel 64. I Zwingherren 228.
Zedler 2ii5. Zoller (Dr.) 155. I
Berichtigungen und Nachtrage.
Auf S. 6, in Anm. 2, ist 25 bis 34 (statt 35 bis 44) zu lesen und hinzuzusetzen : AVas bei
Delpit S. 53, 54 unter Nr. 24 erklart wird, ist auf S. 21 unter ^>. 24 bis 33, also auf zehn Num-
mern, vertheilt.
Auf S. 7, in Anm. 1, ist im ersten Satz zu lesen: Xr. 17, 22, 23, S. 52, 53 (statt Xr. 17,
S. 51 und 128), und in der dritten Zeile: drei (statt zwei) Herrschaften.
Zu S. 56 Anm. 3 vgl. die Plaintes, doleances ct remontrances du tiers-etat du Bailliage de
Dijon V. 1789, chap. 1, art. 68 (Arch. parlem. Bd. 3, v. 186s, S. 134): „Que le droit d'indire, celui
de jroiihiii/f ou ceux qui le remplacent, celui de guet et garde, de mainmorte, et tous ceux qui
en resultent, sous quelques titres et denominations quMls existent, seront abolis."
Zu S. 56, 57, Anm. 5, ist hinzuzusetzen : Denkbar ist auch die Ableitung von scotto
(Zeche) oder von scotum (Schoss, Abgabe).
Zu S. 60, Anm. 1 vgl. Urk. v. 10s6, bei Quix Xr. 61, Bd. 1 S. 43: . . . „Cum pari suo absque
licentia, cum dispari per licentiam matrimonium ineat."
Zu S. 60, Anm. 6 und S. 61, Anm. 1, vgl. die Einzelbestimmung-en iiber Heirathen von
Ungenossen im Hofrecht des Amtshofes zu Loen, namentlich §§ 3S, 40, 47, 59, 67, 77, 85, 95—97,
100, 102, 108, bei Sommer, Beilage 54, S. 160—180.
Zu S. 61, Anm. 1, vgl. den Paderborner Synodalbesehluss v. 1262, bei Sommer, Beilage 37,
S. 123—125.
Zu S. 63, Anm. S, vgl. die Crk. v. 1020, bei Quix Xr. 58, Bd. 1, S. 42.
Zu S. 100, unter Poitou, niuss es heissen: Ardres statt Ardes.
Zu S. 101, Anm. 1, ist hinzuzusetzen: Diese Urkunde, deren Zeitalter bei Ducange nicht
angegeben ist, habe ich in HeIIer's Ausgabe vergeblich gesucht.
Auf S. 153, Zeile 8 von oben, ist 1536 statt 1538 zu lesen.
Zu S. 154, hinter dem Citat aus Buchmann, ist einzuschalten : Xach Bonnemere (2. Aufl. Bd. 1,
S. 301) erklart sich diese den JTeuvermahlten durch den Klerus auferlegte Verpflichtung theils
aus yeid (weil der Klerus seinerseits zufolge der gegen Ehebruch erlassenen Strafgesetze auf
Aujubung seines „droit de markette" verzichten musste), theils aus Gev,innsucht (weil die Geist-
lichkeit auf Uebertretung ihres Gebotes und auf Verkauf der SUndenvergebung spekulirtel.
Zu S. 203, Anm 5 (und anderwartsl, ist Lesly in Lesley abzuandern.
Auf S. 218, Zeile 11 des Textes von unten, ist Bharata statt Bharata zu lesen.
Auf S. 239, Anm. 1, ist Yannozzi statt Vanozzi zu lesen.
Auf S. 267 ist dcr zweite Satz (von ^Danach" bis „45 Jahre alt wurde") zu streichen, weil
darin iibersehen ist, dass Delpit S. 99 vora Jahre 1818 spricht, und weil schon vorher der in der
Kevolutionszeit aufgehobene Orden des hl Ludwig durch Ludwig XVI. wiederhcrgestellt war.
(Die "Wiederaufhebung erfolgte erst im Jahre 1830.)
Auf S. 272, Anm., Zeile 7 von unten, ist Parisius statt Parisiis zu lesen.
Auf S. 276, in der zweiten Zeile der Anmerkung, ist judieium statt judicatum, und in der
neunten Zeile fins statt fines zu lesen. (In derselben Anmerkung finden sich ausserdem mehrere
orthographische Ungenauigkeiten unwesentlicher Art.)
Auf S. 295, in der vierten Zeile von unton (im Text) ist Constitutions statt ConstitutioaeB
zu lesen.
Auf S. 317 ist die Anm. 4 dahin abzuiindern: Dieser Kapitan Alexander Hamilton ist nicht
zu verwechseln mit dem Sanskritforscher gleichen Xamens (geb. 1765, st. 30. Dec. 1824), dem
Lehrer Friedrichs v. Schlegel.
Auf S. 342 ist die Anm. 7 dahin zu erganzenT Dalloz Dict. Bd. 1 S. 86.
Auf S. 853, Zeile 11 von unten, muss es heissen: V f; iiij d statt V 3 iiij l^-
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Das Buch beruht auf eingehenden Studien der von franzosischen und
englischen Forschern aus der Verborgenheit der Archive in jiingerer Zeit an's
Licht gezogenen Dokumejite, welche in Deutschland bisher noch wenig ge-
kannt und noch weniger gewurdigt worden sind. Fiir die meisten der Ge-
bildeten Deutschlands. die sich fiir streng liistorische Darstellung interessiren,
diirfte auch heute noch Mignet"s .Histoire de Marie Stuarf massgebend sein,
wahrend doch dieselbe in entscheidenden Punkten als nicht mehr haltbar sich
herausstellt. Eine deutsche Biographie Maria Stuarts existirte iiberhaupt
bis jiingst nicht : die von Arnold Giideke , Professor in Heidelberg, verfasste,
welche diesera Mangel abzuhelfen versuchte (bei Carl Winter 1879). entbehrt
der nothwendigen Objectivitat. Die Arbeit von Opitz stellt nicht nur die
Ereignisse in ihrem ursachlicheu Zusammenhang und mit ihren Folgen klar
und einfach dar, sondern bringt zugleich auch eine zutreifende Charakteristik
der handelnden Personen und unterzieht dieselben eiuer durchaus unbefangenen
und gerechten Beurtheilung. Fiir einstweilen hat sich jedoch der Verfasser
nur auf die Darstellung der Geschichte Maria Stuarts bis zum Schluss der
Conferenzcn von Westm.inster (1569) beschrankt. weil diesor crste Theil ihres
Lebens weit mehr als der zweite einer imbefangcnen "Wiirdigung bediirftig
erscheint. Findet das Buch giinstige Aufnahme, wie dasselbe verdient, so
wird der Verfasser in einem zweiten Bande die Erganzung folgen lassen.
Freihurj^ (13adeu).
Herder'sche Verlagshandlung.
BINDING S:iCT. JUN 3 1963
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